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Full text of "Archiv für Dermatologie und Syphilis"

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Harvard  Universitif 

£(bnr)t  of 
TSht  CDedical  School 

Che  School  of  l>ublic  tHealth 


Dr.   J.C. White. 


Begründet  von  H.  Auspitz  und  F.  J.  Pick. 

ARCHIV 

far 

Dermatologie  und  Syphilis. 

Unter  KLiwirkong  vou 

Prst.H'CAU.  AMDBRSOM,  Dr.  ASNItfa,  DT,BBUKEKD,Dr.Bt;8NIBR.  Fm/.BBRQB.Dr.TIOBCK, 
Prof.  DOnTBELEPONT.  Prof.  DUHRINS,  Dr.  ELSENBERO,  Prof.  EPSTEIN,  Dr.  PINOER,  Dr.  J. 
OBÜNPEU),  Pref.HASLUND,  Dr.T.HEBRA,  Dr.  C.  HBRXHEOfEa,  Dr.HOCBBlNOBH,  Dr.  CDRO- 
TITZ,  Dr.  JADASBORN,  Prof.  JAKOWSKT,  Prof.  JARISCH,  Prof.  EÖBNER,  Dr.  KOPF,  Prof. 
I^tlQ,  Dr.  LEDEBKANN,  Prcf.  I.EL01R,  Prof.  LESSER,  Prof.  LüKASIEWICZ,  Dr.  LUSTOABTEM, 
Dr.  dB  HBSinL,  Dr.  KBAOEK,  Fraf.  NEUMANM,  Dr.  OBERLÄHDER,  Prof.  PBTEBfiBK,  J.  E. 
PBOKSOH,  Prof.  RKDBR,  Dr.SIEHL,  Dr.  rAnA,  Dr.O.BOBENTUAL,  Dr.SOBlPF,  Dr.BOHÜTZ, 
Di.  SCHUSTER,  Prof.  SOHWIUMER,  Dr.  SZADEK,  Prof.  TARKOWSK7,  Br.  TODTON,  Dr. 
ULLMAtai,  Dr.  VEIHL,  Dr.  t.  WATRABZGWSKI,  Dr.  WBLAMDER,  Dr.  WINTBRHITZ, 
Praf.  WOLPF.  Dr.  -r,  ZEI8SL 

Prof.  Caspaiy,      Prot  Kaposi,      Prot  Lewin,      Prof.  Nelsser, 

KApIgaberv  WIbb  Berlin  Breilaa 

herausgegeben  von 

Prof.  P.  J.  Piek  in  Prag. 

Sechsundzwanzigster  Band. 


Wien  und  Leipzig. 

Wilhelm    Braumüller, 


Inhalt. 


Origiaal-Abhaiilliifeii. 

Pag. 
Rückblick  auf  ein  Vierteljahrhundert  (1869—1894).  Von  Prof.  F.  J.  Pick       V 

Finden  sich  in  den  als  leprafrei  bekannten  Landstrichen  Frankreichs^ 
insbesondere  im  Norden  und  in  Paris,  Sparen  der  alten  Lepra? 
Yen  Prof.  Henri  Leloir  in  Lille 8,  241 

Zar  Lehre  von  den  Arzneiausschl&gen.  Von  Prof.  Casparj  in  Kd- 

nigsberg 11 

Vier  FäUe  von  Hydroa  vacciniforme,  Bazin,  Summeremption,  Jonathan 
Hntchinson.  Von  Dr.  G.  Boeck,  Director  der  Universitätsklinik 
fnr  Haatkranke  in  Christiania 23 

Ueber  Liehen  scrofhlosorum.  Von  Prof.  Dr.  Lukasiewicz  in  Inns- 
bruck. (Hierzu  Taf.  I— III) 83 

üeber  einen  Fall  von  Epithelioma  verrucosum  abortivum  nebst  einem 
Beitrage  zum  Studium  der  Psorosp'ermosen.  Von  Prof.  Pierleone 
Tommasoli  in  Modena.   (Hierzu  Taf.  IV— VI) 49 

Ueber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.    Von  Prof. 

Georg  Lewin  in  Berlin 71,  217 

üeber  einige  ungewöhnliche  Formen  von  Acne  (Folliculitis).  Von 
Prof.  M.  Kaposi  in  Wien.    (Hierzu  Taf.  VH— X) 87 

Zur  Behandlung  des  Lupus  vulgaris.  Beitrag  von  Dr.  Josef  Schütz 
in  Frankfurt  a.  Main 97 

Extragenitale  Syphilisinfection.  539  Fälle.  Von  Dr.  Rud.  Erefting, 
L  Assist-Arzt  an  der  Üniv.-Klinik  für  Hautkranke  in  Christiania    167 

Bemerkungen  zur  Behandlung  der  Nasenhöhlensyphilis.  Von  Dr. 
Schuster  in  Aachen 187 

Aus  der  med.  Klinik  des  Prof.  £rb  in  Heidelberg,  üeber  den  bakte- 
riologischen Befund  und  die  anatomischen  Veränderungen  bei  der 
Urethritis  gonorrhoica  des  Mannes.  Von  Dr.  M.  Dinkler,  I.  Assist. 
und  Privatdocent.  (Hierzu  Taf.  XI.) 196 

Kann  die  Behandlung  mit  Quecksilber  Cylindrurie  und  Albuminurie 
hervorrufen?   Von  Dr.  Edvard  Welander  in  Stockholm.   .   .   .    831 


IV  Inhalt, 


Paff. 


üeber  Psorospermien  bei  Hautkrankheiten.  (Bericht  über  einen  ty- 
pischen Fall  von  sog.  Darier'scher  Psorospermose.)  Von  Dr.  J. 
Fabry  in  Dortmund,   (ffierzu  Taf.  XIII) 378 

Ein  Fall  von  Tuberculosis  cutis  verrucosa.  Von  Dr.  Julius  Heller, 
Assistent  des  Prof.  Dr.  G.  Lewin,  und  Dr.  Karl  Hirsch,  Assi- 
stent am  Charlottenburger  Krankenhaus.   (Hierzu  Taf.  XIV)  ...   893 

Aus  der  kgl.  Universitätsklinik  für  Syphilis  und  Hautkrankheiten  des 
Geheimrath  Prof.  Dr.  Doutrelepont  zu  Bonn.  Ueber  Tuberculosis 
verrucosa  cutis.  Von  Dr.  Ernst  Knickenberg,  Assistenzarzt  der 
Klinik  für  Hautkrankheiten  zu  Bonn 405 

Bericht  Ober  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Dermatoiogle 

und  Syphilis. 

Verhandlungen  der  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 
in  Nürnberg.  1893 111 

Verhandlungen  der  Berliner  dermatol.  Vereinig  ng 138,  281 

Verhandlungen  der  Wiener  dermatol.  Gesellschaft 144,  273,  433 

Venerische  Krankheiten 153,  315,  457 

Hautkrankheiten 287,  441 

Buchanzeigen  und  Besprechungen 160,  327 

Varia 163,  328,  500 


Rückblick  auf  ein  Vierteljahrhundert 

1869-1894. 

Von 
Prof.  F.  J.  Pick  in  Prag. 


Mit  dem  vorliegenden  Hefte  tritt  das  Archiv  für  Der- 
matologie und  Syphilis  in  das  zweite  Vierteljahrhundert 
seines  Bestandes. 

Ein  Zeitraum,  voll  der  wichtigsten  Ereignisse  auf  dem 
Gebiete  der  Forschung  und  der  Lehre  für  beide  Fächer  ist 
dahingegangen,  das  Archiv  aber  hat  diese  Ereignisse  nicht  bloss 
verzeichnet,  es  ist  ihm  vielfach  vergönnt  gewesen,  leitend  und 
bestinunend  in  die  Geschehnisse  dieser  Zeitepoche  einzugreifen. 

Als  wir  vor  fünfundzwanzig  Jahren  an  die  Gründung  des 
Archivs  gingen,  haben  wir  als  Motiv  besonders  den  Umstand 
hervorgehoben,  dass  die  Literatur  unseres  Faches  einen  erstaun- 
lichen Mangel  an  speciellen  Fachjoumalen  darbietet,  „es  zer- 
theilt  sich  in  unseren  Disciplinen  der  Strom  der  wissenschaft- 
Uchen  Publicationen  nach  allen  Seiten  hin  in  die  Blätter  für 
Gesanuntmedicin  und  mag  in  Folge  dessen  manche  nicht  un- 
wichtige Thatsaclie,  manch  fruchtbringender  Keim,  welchen  die 
auf  ein  Fachblatt  coucentrirte  Aufmerksamkeit  sofort  aufgefasst 


VI 

und    entwickelt    hätte    im  Meere    des   allgemein   medicinischen 
Details  verloren  gegangen  sein". 

In  der  That  bestand  zu  dieser  Zeit  ausser  in  Italien, 
nirgends  sonst  ein  dermatologisches  Fachblatt,  nachdem  der 
Versuch,  den  Fr.  J.  B ehrend  mit  seinem  Archiv  für  Syphilis 
und  Hautkrankheiten  im  Jahre  1846  unternommen  hatte,  miss- 
glückt war. 

„In  dem  Wunsche,  der  dermatologischen  und  syphilido- 
logischen  Forschung  einen  Bremipunkt  zu  bieten,  haben  wir 
uns  mit  den  ausgezeichnetesten  Vertretern  unseres  Faches 
begegnet,"  Das  Erscheinen  des  ersten  Heftes  wurde  allseitig 
mit  Wärme  begrüsst  und  eingehend  besprochen,*)  unser  Pro- 
gramm wurde  nicht  allein,  gebilligt,  es  erfreute  sich  auch  der 
thätigsten  Mitwirkung  aller  hervorragenden  Zeitgenossen. 

Hervorgegangen  aus  der  Hebra'schen  Schule,  in  deren 
Dienst  sich  das  Archiv  gestellt,  deren  Lehren  es  weit  in  die 
Welt  hinausgetragen  und  verbreitet  hat,  gestaltete  sich  das 
Archiv  zu  einem  Organ  der  deutschen  Dermatologie. 

Der  würde  Hebra  schlecht  verstehen  und  seinem  An- 
denken einen  schlechten  Dienst  erweisen,  der  die  Anhänger- 
schaft an  seine  Schule  abhängig  machen  würde  von  dem  Fest- 
halten an  seinen  Lehren.  In  der  Universalität,  in  der  streng 
wissenschaftlichen  Forschungsmethode ,  in  dem  siegreichen 
Kampfe  gegen  wissenschaftliche  Vorurtheile,  in  dem  Ausmerzen 
des  alten  verrotteten  scholastischen  Ballastes,  in  der  strengen 
Prüfung  der  medicinischen  Theorien  an  den  objectiv  beobach- 
teten pathologischen  Vorgängen  an  der  Haut  —  darin  lag  der 
Grund,  dass  sich  Hebra's  Schule  die  Welt  eroberte. 


*)  Es  dürfte  Vielen  von  Interesse  sein  zu  erfahren,  dass  auch  Ro- 
bert Mayer  dem  Erscheinen  des  ersten  Heftes  unseres  Archivs  eine 
wohlwollende  und  eingehende  Recension  gewidmet  hat.  Weyrauch: 
Kleinere  Schriften  von  Robert  Mayer.  Stuttgart  1898.  Cotta'scher  Verlag. 


MI 

Auf  diesem  Standpunkte  ist  die  Redaction  des  Archiv 
unentwegt  gestanden  und  diesem  Umstände  verdankt  sie  es 
ihrerseits,  dass  sich  das  Archiv  aus  kleinen  Anfängen  zu  einem 
Organ  von  internationaler  Geltung  emporgeschwungen  hat. 

Auf  immer  sicherere  Basis  sollte  die  Dermatologie  gestellt 
werden,  nun  galt  es  die  physiologische,  die  normal-  und  pa- 
thologisch-anatomische Forschung  zu  pflegen  und  diese  letztere 
musste  fast  ausschliesslich  von  den  Dermatologen  selbst  in 
Angriff  genommen  werden,  denn  nur  das  dem  Lebenden  ent- 
nommene Material  versprach  in  den  meisten  Fällen  Aufschlüsse 
aus  dem  pathologischen  Befunde  zu  bieten.  Wir  haben  diese 
Forschungsrichtung  besonders  begünstigt,  niemals  wurde  eine 
Arbeit  aus  diesem  Gebiete,  wenn  auch  noch  so  kostspielige 
artistische  Beilagen  nothwendig  waren,  zurückgewiesen,  vielmehr 
wurde  solchen  Arbeiten  der  Vorrang  eingeräumt  vor  anderen, 
jedenfalls  vor  den  mehr  speculativen,  die  deshalb  auch  immer 
mehr  in  den  Hintergrund  traten. 

Die  ätiologische  Forschung  stand  gleich  vom  Beginne  des 
Erscheinens  unseres  Archivs  im  Vordergrunde  der  Publicationen. 
Lange  bevor  auf  anderen  Gebieten  der  Medicin  dem  Studium 
der  parasitären  Ki*ankheiten  jene  Aufinerksamkeit  zugewendet 
wurde,  die  ihnen  heute  nach  den  grossen  Impulsen  geschenkt 
wird,  welche  die  Gesammt-Medicin  von  der  bakteriologischen 
Forschung  empfangen  hat,  war  die  Erforschung  der  contagiösen 
und  infectiösen  Hautkrankheiten  und  ihrer  Erreger  zu  schönen 
Resultaten  gelangt.  Hier  war  auch  das  pathologische  Experi- 
ment in  voller  Uebung,  jeder  Jahrgang  des  Archivs  bringt  Kunde 
hievon  und  von  dem  Ansporn,  der  daraus  für  die  weitere  For- 
schung gewonnen  wurde.  Und  als  vollends  die  Bakteriologie 
neue  und  sichere  Methoden  für  das  Studium  der  pflanzlichen 
Parasiten  geliefert  hatte,  bemächtigte  sich  die  Dermatologie  und 
Sjphilidologie  derselben  mit  solchem  Erfolge,   dass  die  gewon- 


VIII 

nenen  Resultate  zu  den  sichersten  Errungenschaften  der  neuem 
Medicin  gehören.  Wieder  erwies  sich  hier  die  Richtigkeit  des 
Satzes,  den  wir  in  dem  Vorworte  zum  1.  Hefte  des  Archivs 
ausgesprochen  haben,  dass  nämlich  die  Dermatologie  sich  aus 
einem  Eckstein  der  medicinischen  Wissenschaft  zu  einem  Prüf- 
stein derselben  entwickelt  hat. 

Dabei  stand  die  klinische  Forschung  stets  obenan.  Man 
hat  über  dem  Studium  der  Hautkrankheiten,  wie  ich  oft  her- 
vorgehoben habe,  nicht  den  armen  Hautkranken  vergessen  dürfen. 
Die  aus  Unverstand  und  Unkenntniss,  zuweilen  auch  aus  Uel)el- 
woUen,  hervorgegangene  Behauptung,  dass  die  grosse  deimato- 
logische  Schule,  welche  das  Archiv  zu  vertreten  für  seine  Auf- 
gabe erachtete,  einer  einseitigen  specialistischen  Richtung  hul- 
dige, findet  auf  jeder  Seite  des  Archivs  ihre  Widerlegung,  viel- 
mehr darf  mit  Stolz  gesagt  werden,  dass  die  anderen  Zweige 
der  Medicin  von  der  Dermatologie  mindestens  ebensoviel  segens- 
reiche Impulse  erhalten,  als  sie  ihrerseits  der  Dermatologie  ge- 
boten haben,  dass  die  Dermatologie  den  Zusammenhang  mit 
der  Gesammtmedicin  sorgsam  gepflegt  hat. 

Die  Arbeiten  aus  dieser  Epoche  haben  wesentlich  dazu 
beigetragen,  die  Diagnose  und  Charakteristik  der  Haut- 
krankheiten zu  festigen,  eine  vereinfachte  und  allgemein  ver- 
ständliche Terminologie  zu  begründen,  ihnen  ist  es  zu  danken, 
dass  das  Chaos  in  der  Nomenclatur  gelichtet  und  eine  inter- 
nationale Verständigung  ermöglicht  wurde. 

Das  hat  sich  nicht  ohne  eine  gewisse  Gewaltthätigkeit 
vollzogen.  Niemand  hat  das  früher  begriffen,  als  H  e  b  r  a's  nächste 
Schüler,  die  Herausgeber  und  Mitarbeiter  des  Archivs,  aber 
man  war  der  Ansicht,  dass  vorerst  eine  Festigung  des  unbe- 
streitbar Richtigen  erzielt  werden  müsse  und  dass  die  genaue 
Kenntniss  desselben  allmälig  von  selbst  zu  einer  neuerlichen 
Richtung  führen  werde. 


IX 

Das,  was  die  Hebra'scho  Schule  als  die  objective  Diagnostik 
bezeichnet,  das  Erkennen  der  Hautkrankheiten  aus  den  ob- 
jeetiven  Symptomen,  hat  dem  Kliniker  eine  Sicherheit  und  Festig- 
keit in  der  Au£Fassung,  in  der  Vorhersage  und  in  der  Behand- 
lung verliehen,  die  zu  ähnlichen  therapeutischen  Erfolgen  führte, 
wie  sie  die  chirurgischen  Fächer  aufzuweisen  haben.  Es  wurde 
immer  dankenswerther,  sich  der  Behandlung  der  Hautkrank- 
heiten zu  widmen,  denn  auch  das  Laienpublicum  wurde  es 
nachgerade  müde,  die  Unwissenheit  der  Aerzte,  die  sich  unter 
dem  Deckmantel  der  Behauptung  von  der  Gefährlichkeit  der 
Heilung  von  Hautkrankheiten  versteckte,  länger  zu  ertragen,  da 
es  so  oft  Gelegenheit  hatta,  das  Gegentheil  zu  erfahren.  Bei 
diesem  glücklichen  Gange  der  Dinge  konnte  es  leider  nicht 
ausbleiben,  dass  sich  immer  mehr  Unberufene  an  die  praktisclie 
dermatologische  Thätigkeit  herandrängten,  solche,  deren  Kühn- 
heit oft  nur  von  ihrer  bodenlosen  Unwissenheit  übertroffen 
wird  und  die  die  mühsam  errungene  Reputation  des  Faches 
gefährden.  Das  gilt  nicht  allein  bezüglich  der  sogenannten 
specialistischen  Praktiker,  die  in  der  Nothlage  des  ärtzlichen 
Standes  zu  allerlei  tiaurigen  Mitteln  ihre  Zuflucht  nehmen,  das 
gilt  noch  mehr  hinsichtlich  jener  viel  gefährlicheren  Elemente,  die 
unter  dem  wissenschaftlichen  Gewände  nur  persönliche  Reclame 
betreiben.  Sich  solche  Elemente  fern  gehalten,  ihnen  die  Pforten 
des  Ai-chivs  verschlossen  zu  haben,  rechnet  sich  die  Redaction 
als   ein  Verdienst   an,   das  nicht  hoch  genug  anzuschlagen  ist. 

Ueberall  auf  dem  Gebiete  der  praktischen  Medicin  gibt  es 
solche  Uebelstände  zu  beklagen,  es  ist  aber  evident,  dass  sie 
auf  dem  Gebiete  unserer  Specialitäten  viel  häufiger  vorkommen. 
Der  specielle  Gnmd  hiefür  liegt  in  unserem  Unterrichtswesen, 
wie  sich  sofort  ergeben  wird. 

Verweilen  wir  noch  einen  Augenblick  bei  dem  tröstlichen 
Gedanken,    den  uns   der  hohe  Aufschwung  bietet,   den   unsere 


Specialwissenschaften   in    der   abgelaufenen   Zeitepoche 
genommen  haben. 

Kaum  ein  Jahr  nach  der  Gründung  des  Archivs  entstanden 
auch  in  Frankreich,  in  England,  in  Nordamerika  dermatologische 
Fachjournale  mit  ähnlicher  Tendenz  wie  unser  Archiv.  Der 
Gedankenaustausch  zwischen  den  Dermatologen  gestaltete  sich 
immer  reger  und  inniger.  Es  erfüllt  uns  mit  grosser  Befriedi- 
gung, auch  auf  diesem  Wege  vorangegangen  zu  sein,  allein  ganz 
besondere  Freude  empfinden  wir  darüber,  dass  durch  die  Be- 
gründung der  Deutschen  Dermatologischen  Gesellschaft,  welche 
von  der  Redaction  dieses  Archivs  ausgegangen  ist,  eine  Schöpfung 
ins  Leben  gerufen  wurde,  die  schon  jetzt,  nach  kurzem  Be- 
stände, schöne  Früchte  getragen  hat,  der  das  Archiv  zwei  Er- 
gänzungshefte gewidmet  hat  und  von  der  wir  hoffen,  dass  sie 
zur  Erfüllung  der  Bestrebungen,  denen  diese  Blätter  gewidmet 
sind,  immer  ausgedehnter  und  immer  eingehender  beitragen  wird. 

Nicht  mit  gleicher  Befriedigung  können  wir  auf  die  Er- 
folge zurückblicken,  die  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichtswesens 
in  unseren  Specialfächern  erzielt  worden  sind.  Das  Archiv  hat 
schon  in  seinem  ersten  Hefte  1869,  in  einem  einleitenden 
Artikel  Siegmunds  auf  die  Nothwendigkeit  der  Errichtung 
von  Kliniken  für  Dermatologie  und  Syphilidologie  hingewiesen 
und  dieselbe  seither  immer  wieder  urgirt.  Von  durchschlagender 
Wirkung  waren  diese  Bestrebungen  nur  in  Oesterreich,  wo  den 
Specialfächern  überhaupt,  seit  der  Initiative,  welche  von  der 
grossen  Kaiserin  ausging,  von  Seite  der  Regierung  erhöhte  Auf- 
merksamkeit und  verständnissvolles  Wohlwollen  geschenkt  wird. 

Es  muss  ausdrücklich  hervorgehoben  werden,  dass  Wien 
diesem  Umstände,  das  ist  der  Pflege  der  Specialitäten,  seine 
Anziehungskraft  gegenüber  den  anderen  Universitäten  Oester- 
reichs  und  Deutschlands  zu  verdanken  hatte  und  noch  hat. 
Nach  Wien,   wo   zuerst   der  Ophthalmologie,   der  Dermatologie 


XI 

und  Syphilidologie,  der  Ijaryngologie  etc.  Kliniken  gewidmet 
wurden,  pilgerten  deswegen  und  nur  deswegen  Aerzte  und 
Studierende  aus  aller  Herren  Länder,  um  sich  Kenntnisse  auf 
Gebieten  zu  erwerben,  deren  Wichtigkeit  sie  früher  begriffen 
haben  als  ihre  heimischen  Regierungen  und  Lehrercollegien. 
Diese  letzteren  verhalten  sich  überhaupt  unseren  Specialitäten 
gegenüber  vielfach  kühl,  wenn  nicht  gar  abweisend.  Um  so 
dankbarer  muss  es  anerkannt  werden,  dass  das  Prager  medic. 
ProfessorencoUegium  mit  grosser  Wärme  und  dem  Gewichte 
des  grossen  Ansehens,  den  dasselbe,  während  des  neuerlichen 
Aufblühens  der  med.  Facultät  im  Anfange  der  siebziger  Jahre, 
bei  der  Begierung  genoss,  die  Emchtuug  einer  Klinik  für 
Hautkrankheiten  und  Syphilis  für  Prag  und  mittelbar  für  alle 
med.  Facultäten  Oesterreichs,  die  dem  Beispiele  des  Prager 
CoUegiums  folgten,  zu  begründen  verstand.  Seither  bestehen 
in  Oest^rreich  an  allen  medicinischen  Facultäten  Kliniken  für 
Hautkrankheiten  und  Syphilis  und  eben  ist  die  Regierung,  ge- 
treu den  Traditionen,  die  aus  der  Zeit  der  Kaiserin  Maria 
Theresia  diesbezüglich  lebendig  erhalten  wurden,  daran  ge- 
gangen, diese  Professuren  zu  ordentlichen  zu  gestalten. 

Die  wohlthätigen  Folgen  dieser  Institutionen  sind  nicht 
ausgebheben,  die  Ausbildung  der  Aerzte  in  diesen  Fächern  ist 
eine  allgemeinere  geworden  und  hat  eine  erfreuliche  Wirkung 
auch  dahin  geübt,  dass  den  specialistischen  Charlatanen  und 
Reclamhelden,  in  Oesterreich  wenigstens,  immer  mehr  der  Boden 
entzogen  wird,  denn  dieser  Boden,  darüber  kann  kein  Zweifel 
bestehen,  ist  die  Unwissenheit  der  Aerzte  auf  diesem  Gebiete, 
wie  überhaupt  die  mangelhafte  Ausbildung  der  Aerzte  in  der 
praktischen  Medicin  die  Ursache  ist  des  üppigen  Emporwucherns 
der  Kurpfuscherei. 

Es  ist  hier  nicht  der  Oi-t,  die  Nothwendigkeit  einer  tüch- 
tigen Ausbildung  der  Aerzte   auf  dem  Gebiete  der  Haut-  und 


xn 

Geschlechtskrankheiten  des  Breiteren  auszuführen,  schon  aus 
hygienischen  und  sanitätspolizeilichen  Gründen  hat  der  Staat 
die  Pflicht  für  eine  solche  Ausbildung  zu  sorgen  und  sich  die 
Ueberzeugung  zu  verschafien,  dass  die  approbirten  Aerzte  sich 
die  entsprechenden  Kenntnisse  erworben  haben.  Diese  Ueber- 
zeugung kann  sich  der  Staat  aber  nur  verschaflFen,  wenn  er  die 
Aerzte  verpflichtet,  diese  Kliniken  zu  frequentiren  und  aus 
diesen  Fächern  bei  dem  Staatsexamen  Prüfungen  abzulegen. 
Auch  nach  dieser  Richtung  ist  nunmehr  in  Oesterreich  und 
zwar  insbesondere  auf  Andringen  der  Sanitätsbehörde  eine 
Action  eingeleitet,  die,  wir  wollen  es  hoffen,  bald  zu  einem 
entsprechenden  Resultate  führen  wird. 

So  erfreulich  sich  die  Dinge  in  Oesterreich  gestaltet  haben, 
und  wir  wollen  mit  Vergnügen  constatireu  auch  in  der  Schweiz 
zu  gestalten  beginnen,  in  Deutscliland  ist  es  damit  schlecht 
bestellt.  Noch  gibt  es  in  Deutschland  Universitäten,  in  welchen 
vom  Staate  selbst,  für  einen  gedeihlichen  Unterricht  in  un- 
seren Fächern  gar  nicht  oder  nur  sehr  mangelhaft  vorgesorgt 
ist.  Noch  besteht  an  manchen  Universitäten  die  Gepflogenheit, 
dass  der  Unterricht  in  unseren  Fächern  nur  so  nebenher  an 
den  internen  und  chirurgischen  Kliniken  gegeben  wird.  Zumeist 
jedoch  liegt  die  ganze  Arbeit  auf  den  Schultern  opferwilliger 
Privatdocenten,  welche  sich  durch  Errichtung  von  Ambulatorien 
das  Material  für  den  Unterricht  selbst  beschaffen  und  die 
Kosten  für  die  Bestreitung  der  Lehrmittel  aus  Eigenem  tragen 
müssen.  Es  ist  absolut  nicht  zu  verstehen,  weshalb  selbst  an 
Universitäten,  an  welchen  eigene  Spitalsabtheilungen  für  Haut- 
und  Geschlechtskranke  bestehen,  diese  Abtheilungen  nicht  zu 
Kliniken  umgewandelt  werden  und  der  selbständigen  Leitung 
eines  Fachmannes  als  eigene  Lehrkanzeln  unterstellt  werden. 
Ist  es  doch  sogar  geschehen  (Würzburg),  dass  eine  derai'tige 
selbständige  Abtheilung,   die  von  einem  gediegenen  Fachmanne 


XIII 

in  vortrefflicher  Weise  zu  Unteirichtszwecken  verwerthet  wurde,- 
nach  dem  Tode  des  Vorstandes  wieder  der  Leitung  des  internen 
Klinikers,   gewiss  gegen   seinen  Wunsch  und  gegen  sein  Inter- 
esse, übei'geben  wurde.    Das  ist  ein  nicht  genug  zu  beklagender 
Rückschritt,   weshalb  wir  erwarten,   dass   der  bayerische  Herr 
Unterrichtsminister,  der  bei  Gelegenheit  der  Naturforscher- Ver- 
sammlung in  Nüniberg  in  erhebender  Weise  die  Versicherung 
ortheilte,  dass  ihm  als  Ehren-Doctor  der  Medicin  die  Förderung 
des  medicinischen  Studiums  besonders  am  Herzen  liege,  diesen 
Anachronismus  beseitigen  und  an  den  bayerischen  Hochschulen 
entsprechende   Einrichtungen    ti'effen  werde,    dies  um   so  ge- 
wisser, als  den  Universitäten  München  und  Würzburg  der  Ruhm 
gebührt,   bis  in  die  siebziger  Jahre,   neben  Berlin   die  einzigen 
Stätten  in  Deutschland  gewesen  zu  sein,  an  welchen  in  unseren 
Fächern  von  hervorragenden  Männern  Unterricht  ertheilt  wurde. 
Mit  Vei^nügen  schliessen  vdr  diesen  Rückblick  mit  dem 
Hinweise  auf  die  in  Breslau  und  Bonn  erzielten  Erfolge.   Hier, 
wo  seit  1877  und  1882   Kliniken  fiir  Haut-  und   Geschlechts- 
krankheiten bestehen,  finden  wir  diese  Institute  in  eigens  hiefüi* 
aufgeführten  Neubauten  untergebracht,   welche  allen  Anforde- 
rungen  an    klinische    Institute    entsprechen.     Ganz    besonders 
gilt  dies  von  der  neuen  Breslauer  Klinik,  "*")  die  auf  demselben 
Terrain  me   die   anderen  neuen  Breslauer  Kliniken,   in  bevor- 
zugter  Lage    stehend,    sowohl   in    der  prachtvollen   baulichen 
Ausführung,  wie  in  der  äusserst  praktischen  inneren  Einrich- 
tung ein  wahres  Musterinstitut  bildet.    Es  ist  daraus  ersichtlich, 
dass  nun  auch  in  Deutschland,  speciell  inPreussen,  die  Unter- 
richtsbehörden   die    Bedeutung    der   Dermatologie    besser    zu 
würdigen  beginnen  und  die  argen  Unterlassungssünden  zu  tilgen 
suchen.     Wir    beti-achten   die    neue   Breslauer  Klinik  >  als    das 


*)  Kino  ausführliche  Beschreibung  dioser  Klinik  mit  Abbildungen 
bleibt  dein  nächsten  Hefte  vorbehalten. 


XIV 

glanzToUe  Wahrzeichen  einer  Wandlung,  die  sich  nunmehr  auch 
in  der  äusseren  Stellung  unserer  Fächer  in  Deutschland  voll- 
ziehen wird. 

Aus  diesen  Auseinandersetzungen  ergibt  sich,  dass  das 
Archiv  an  den  Bestrebungen  zur  Förderung  der  Wissenschaft 
und  des  Unterrichtes  jederzeit  werkthätigeu  Antheil  genommen 
hat  und  so  dürfen  wir  wohl  mit  Genugthuung  auf  die  Leistungen 
des  Archivs  in  dem  abgelaufenen  Vierteljahrhundert  zurück- 
blicken. 

Der  Aufschwung,  den  das  Archiv  im  Laufe  der  Jahre  ge- 
nommen, zeigt  sich  schon  in  dem  Umfange,  der  den  einzelnen 
Jahresbänden  gegeben  werden  musste.  Anfangs  viermal  im  Jahre 
in  Heften  von  8 — 10  Bogen  ausgegeben,  erschien  es  seit  1886 
sechsmal  in  Heften  von  10  Bogen  und  musste  schliesslich  bei 
namhafter  Uebei*schreitung  des  Umfanges  von  CO  Bogen  pro  Jahr^ 
zur  Herausgabe  von  Ergänzungsheften  geschritten  werden.  Abge- 
sehen von  der  reichen  Fülle  von  Originalarbeiten  boten  und 
bieten  die  Berichte  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der 
Dermatologie  und  Syphilidologie  einen  Ueberblick  über  die  in 
zahlreichen  Zeitschriften  zerstreute  Fachliteratur,  welcher  dem 
Forscher  eine  möglichst  vollständige  und  rasche  Orientirung 
über  die  Publicationen  gestattet. 

Diese  Leistungen  wären  nicht  möglich  gewesen,  wenn  sich 
die  Redaction  nicht  der  Unterstützung  und  Mitwirkung  aus- 
gezeichneter Fachgenossen  zu  erfreuen  gehabt  hätte,  die  sich 
zu  verschiedenen  Zeiten  an  der  Herausgabe  des  Archivs  bethei- 
ligt haben.  Mit  Wehmutli  gedenken  wir  hier  unseres  zu  früh 
dahingegangenen  Freundes  Au  spitz  und  zollen  unseren  herz- 
lichsten Dank  den  Herren  Herausgebern,  den  Professoren  Ca- 
spary,  Kaposi,  Lewin,  Ne isser,  insbesondere  den  Herren 
Kaposi  und  Neisser,  welche  seit  dem  Jahre  1886  die 
Redaction  des   Referatentheils   mit  ausserordentlichem  Erfolge 


XV 

leiten  und  danken  ebenso  den  Herren  Doctoren  Horovitz 
und  Jadassohn,  welche  sie  bei  derRedaction  wesentlich  unter- 
stützen. Aber  auch  allen  anderen  Mitarbeitern  des  Archivs, 
die  einzeln  anzuführen  uns  der  Raum  nicht  gestattet,  sagen 
wir  unseren  wärmsten  Dank  und  erbitten  uns  ihre  fernere  Mit- 
wirkung. Die  Redaetion  ihrerseits  kann  diesem  Danke  keinen 
besseren  Ausdruck  geben  als  durch  das  Versprechen,  an  dem 
Programme  des  Archivs  auch  in  der  Zukunft  festzuhalten. 

Es  drängt  uns  noch  unseren  herzlichsten  Dank  und  unsere 
wärmste  Anerkennung  auszusprechen  der  ausgezeichneten  Ver- 
lagshandlung, welche  den  Wünschen  der  Herausgeber  und  Autoren 
jederzeit  bereitwillig  entgegengekommen  ist  und  in  richtigem 
Verständniss  von  der  Wichtigkeit  unseres  Unternehmens  dem- 
selben grosse  Opfer  gebracht  hat,  sich  somit  einen  wesent- 
lichen Antheil  erworben  hat  an  dem  Blühen  und  Gedeihen  des 
Archivs. 

PRAG,  November  1893. 


Originalabhandlungen . 


Archiv  fRr  D«mato].  n.  Syphil.  Band  XXVI. 


Finden  sich  in  den  als  leprafrei  bekannten 

Landstrichen  Frankreichs,  insbesondere  im 

Norden  und  in  Paris,  Spuren  der  alten 

Lepra? 


Von 

Prof.  Henri  Leloir  in  Lille. 


Die  Frage  von  der  Persistenz  der  Lepra  in  enropäischen 
leprafreien  Gegenden  und  insbesondere  in  Frankreich,  eine 
Frage  von  höchstem  Interesse,  wurde  zwar  öfters  schon  erhoben, 
wie  wir  alsbald  sehen  werden;  da  sie  aber  von  Neuem  im 
August  1890  in  der  Academie  de  Medecine  discutirt  wurde, 
ohne  dass  ich  an  dieser  Discussion  theilnehmen  konnte,  erlaubte 
ich  mir  der  Akademie  diesbezüglich  eine  Arbeit  in  der  Meinung 
vorzulegen,  dass  das  im  Hinblick  auf  die  Arbeiten,  die  ich 
über  diesen  Gegenstand  früher  veröffentlicht  habe,  nicht  ohne 
Nutzen  sein  dürfte. 

Im  Jahre  1882  habe  ich  in  meinem  Buche:  „Recherches 
cliniques  et  anatomo-pathologiques  sur  les  affections  cutanees 
d'origine  nerveuse."  Paris,  A.  Delahaye  et  Cie.  I88I,  p.  117 
u.  ff.  eine  Beobachtung  mitgetheilt,  bei  der  es  sich  um  ein 
junges  Mädchen  handelte,  das  eine  bis  jetzt  unbenannte  Affec- 
tion  darbot,  welche  ich  mit  dem  Namen  Plaques  gangreneuses 
cutanees  multiples  en  rapport  avec  une  lesion  du  Systeme  ner- 
veux  bezeichnete,  welche  aber  in  gleicher  Weise  als  Lepra  auf- 
gefasst  werden  konnte. 

Poncet  de  Cluny,  dessen  Competenz  in  diesen  Dingen 
Jedermann  kennt,  zögerte  nicht  die  Diagnose  Lepra  zu  machen. 


4  L  e  1  o  i  r. 

Ich  meinerseits  glaubte  diese  Diagnose  nur  nut  grosser 
Reserve  annehmen  zu  dürfen  und  rechnete  also  diese  Affection 
unter  die  noch  unbenannten  Hauterkrankungen  nervösen  Ur- 
sprungs und  bezeichnete  sie  als  „trophoneurotische  Gangrän  der 
Haut  unter  dem  Bilde  der  Lepra". 

Dieses  junge  Mädchen,  in  Paris  geboren,  hat  Paris  niemals 
verlassen.  Ich  lasse  hier  die  Krankengeschichte  dieses  jungen 
Mädchens  folgen: 

Fall  I. 

Multiple  Gangrän  der  Hant  bei  einem  MAdchen 

von  IS  Jabren. 

Beginn  der  Hautaffection  mit  schmerzhaften  Sensationen 
im  Bereiche  umschriebener  Stellen  der  Haut.  Anästhesie 
an  der  Stelle,  wo  der  gangränöse  Schorf  erscheint.  Multiple 
Herde  vonGangrän  von  pergamentartigem  Aussehen;  daran 
anschliessend  Ulcerationen  mit  nachfolgender  Keloidbil- 
dung.  Keine  bemerkenswerthe  Störung  des  Allgemeinbe- 
findens. Beginn  der  Erkrankung  vor  3  Jahren.  Verschiedene 
Methoden  der  Behandlung.   Keine  Besserung. 

Margnerite  M...,  18  Jahre  alt,  Näherin,  geboren  in  Paris,  hat 
Paris  niemals  verlassen. 

Hereditäre  Verhältnisse:  Vater,  ein  wenig  erregbar,  hat  keine 
Syphilis  durchgemacht.  Mutter,  42  Jahre  alt,  scheint  bis  1876  gesund 
gewesen  zu  sein,  zu  dieser  Zeit  wurde  sie  plötzlich  von  einem  epilepti- 
formen  Anfalle  mit  vollständigem  Verluste  des  Bewusstseins  befallen,  und 
diese  Anfalle  wiederholten  sich  fast  alle  14  Tage,  sogar  während  des 
Schlafes  (vorausgegangen  war  während  einiger  Jahre  eine  Verminderung 
des  Gedächtnisses).  Gharcot  und  ebenso  sein  Schüler,  Dr.  Rieh  er,  der 
später  consultirt  wurde,  scheinen  bei  dieser  Kranken  Hysterie  diagnoslicirt 
zu  haben.  Dieser  Ehe  entstammen  6  Kinder,  von  denen  eines  im  Alter 
von  3Va  Jahren  an  einer  nach  Morbillen  aufgetretenen  Bronchopneumonie 
starb;  eine  Tochter  litt  in  ihrem  13.  Lebensjahre,  also  während  der 
Pubertät,  an  Chorea;  der  erste  Anfall  dauerte  2  Monate;  er  hinterliess 
dann  noch  einige  choreatische  Zuckungen.  Zwei  Töchter  sind  vollkommen 
gesund. 

Antecedentien  der  Patientin  selbst:  Keine  Ausschläge,  keine  Drüsen- 
schwellangen  während  ihrer  Jagend,  kein  Ausfluss  aus  dem  Ohre;  gra- 
nulöse Ophthalmie  im  Alter  von  2,  Scarlatina  im  Alter  von  10  Jahren. 
Oefters  an  Migräne  leidend.  Mit  11 V^  Jahren  wurde  sie  das  erstemal 
menstruirt-   ohne  Beschwerden;    seit   dieser  Zeit  ist  sie  alle   14  oder  18 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  5 

Tage  menstmirt,  die  RegeLi  danem  6  bis  7  Tage  und  sind  nicht  selten 
begleitet  von  Schmerzen  im  Bauche  und  in  der  Nierengegend.  Fünf 
Monate  vor  Beginn  der  gegenwärtigen  Affection  eine  Eruption  von  Fu- 
runkeln auf  dem  Halse  und  dem  linken  Arme. 

Beginn  der  Erkrankung.  September  1878  erschien  auf  der  rechten 
Wange  ein  rother,  nur  wenig  schmerzhafter  Fleck,  der  so  während  6 
Monaten  persistirte;  dieser  Fleck  war  sogar  manchmal  leicht  schwärzlich 
am  Morgen  und  war  von  einer  intermittirenden  Injection  des  rechten 
Auges  begleitet.  Ein  herbeigerufener  Arzt  (Bepasse)  dachte  an  eine 
Entzündung  des  Jochbeins,  während  sieBernutz  für  eine  Art  Er3rthema 
nodoeum  hielt.  Niemals  irgend  ein  Hautausschlag,  niemals  kleinere  oder 
grossere  Blasen.  6  Monate  nach  Auftreten  dieses  rothen  Fleckes  zeigte  sich 
auf  der  Wange  ein  kleiner  grauer  Schorf,  ungefähr  von  der  Grösse  eines 
50  Centimesstückes,  ähnlich  dei^enigen,  welche  in  der  Folge  auftraten, 
aber  yiel  oberflächlicher,  so  dass  das  sich  entwickelnde  Geschwür  und 
die  später  entstehende  Narbe  nur  sehr  klein  waren.  Einige  Wochen  nach 
dem  Erscheinen  der  ersten  gangränösen  Stelle  zeigte  sich  eine  ähnliche 
hinter  dem  linken  Ohre  und  diese  hinterliess  eine  zwar  seichte,  aber  sehr 
hartnäckige  Ulceration.  Darauf  folgte  eine  neue  kleine  gangränescirende 
Stelle  auf  der  Wange,  femer  ähnliche  am  Halse,  in  der  Magengrube  und 
am  linken  Arme.  Seit  dieser  Zeit  erscheinen  jeden  Augenblick  neue 
Eruptionen  von  gangränösen  Herden,  so  dass  die  Kranke  kaum  14  Tage 
Ruhe  hat.  Seit  2  Jahren  vergeht  keine  Woche,  ohne  dass  sich  ein  neuer 
Herd  zeigt.  Der  Vater  der  Kranken  consultirte  nach  und  nach  Bepasse, 
der  Ferrum  jodatum,  dann  arsenigsaures  Natron.  Einreibungen  mit  einer 
Jodoformsalbe,  dann  phosphorsauren  Kalk,  später  Kupfersulphatbäder, 
verordnete,  sodann  B  er  nutz,  der  ebenso  arseniksaures  Natron  verordnete, 
dann  Leberthran  und  Belladonapillen,  Ricord,  der  arseniksaures  Eisen, 
Fournier,  der  Jodeisen  und  Jodkali  verordnete  und  die  erkrankten 
Theile  mit  Vigo-Pflaster  bedecken  liess.  Landouzy  liess  Eisen- Arsenik 
und  Reispuder  gebrauchen,  Hardy  Jodkali,  Leberthran,  Ergotin  und 
endlich  Tinctura  nucis  vomicae. 

Status  praesens  (4.  April  1881):  Das  junge  Mädchen  ist  von 
kräftigem  Wüchse.  Die  A£fection  bietet  sich  uns  in  verschiedenen  Stufen 
der  Entwicklung  dar  im  Bereiche  der  oberen  Extremitäten ,  des  Halses 
und  des  Kopfes,  des  linken  Knies  und  der  Magengrube. 

Linke  obere  Extremität:  Diese  ist  ganz  besonders  interessant,  in- 
sofeme  man  an  ihr  die  verschiedenen  Formen  der  Affection  in  den 
verschiedenen  Graden  ihrer  Entwicklung  verfolgen  und  studiren  kann. 

Erster  Typus:  Ln  Bereiche  der  mittleren  Partie  des  Vorderarmes 
findet  sich  ein  gangränöser  Herd,  der  sich  letzten  Donnerstag  angeblich 
zeigte  und  während  24  Stunden  durch  ein  fortwährendes,  ziemlich  un- 
angenehmes Prickeln,  das  die  Kranke  nach  ihrer  Angabe  sogar  aus  dem 
Schlafe  weckte,  angekündigt  wurde.  Wenn  das  junge  Mädchen  mit  dem 
Fioger  auf  die  hyperästhetische  Stelle,  wo  sich  später  der  Herd  ent- 
wickelte,   drückte,   entstand  daselbst  eine   sehr  intensive,    schmerzhafte 


()  L  e  1  o  i  r. 

Sensation,  die  es  zwar  nicht  genau  definiren  kann,  aber  am  liebsten  mit 
einem  heftigen  Kneifen  vergleichen  würde.  Da  die  Patientin  ihren  Arm 
immerwährend  verbunden  tragt,  ist  es  uns  unmöglich  zu  bestimmen,  ob 
dem  Entstehen  der  Herde  Hyx>eramie  oder  Anämie  der  Haut  vorhergeht. 
Die  Schorfe  bieten  von  allem  Anfange  an  das  Aussehen,  wie  wir  es  jetzt 
sofort  beschreiben  werden.  Doch  ist  der  Schorf  im  Momente  seines 
Erscheinens  etwas  weisser  und  die  Ränder  etwas  stärker  entzündet. 
Die  Kranke  ebenso  wie  ihr  Vater  beharren  fest  auf  der  Behauptung,  dass 
weder  eine  Blase  noch  eine  Abhebung  der  Epidermis  der  Schorfbildung 
jemals  vorhergeht,  sondern  dass  sie  von  allem  Anfang  pergamentartige 
Schorfe  darstellen,  wie  wir  sie  mit  Beziehung  auf  den  Herd  am 
Vorderarme  stndiren  werden,  endlich  dass  sie  leicht  eingesunken  er- 
scheinen. 

Der  Herd  Ä  ist  ein  wenig  oval,  6  Cm.  lang,  4  Gm.  breit,  leicht 
eingesunken.  Er  hat  eine  graue  Farbe,  ist  pergamentartig,  leicht  braan 
in  seinem  Centrum,  absolut  glatt.  Er  ist  vollkommen  unempfindlich,  so 
dass  man  eine  Nadel  bis  zur  Tiefe  eines  Mm.  und  noch  tiefer  einstechen 
kann,  ohne  Sehmerz  zu  erzeugen.  Die  so  verschorfte  Haut  ist  ausser- 
ordentlich dicht,  so  dass  man  nur  mit  grosser  Mühe  eine  Nadel  ein- 
stechen kann;  wenn  der  Schorf  sich  ablöst,  so  soU  er  nach  Angabe  der 
Kranken  ebenso  wie  ihres  Vaters,  ungefähr  2  Mm.  dick  sein  und  sehr 
fest,  60  dass  er  nur  mit  Aufwand  von  Kraft  mit  der  Schere  durchschnitten 
werden  kann.  Die  Ränder  des  gangränösen  Herdes  sind  in  einer  Breite 
von  1 — 2  Mm.  ungefähr  heftig  entzündet  und  leicht  hervorragend  über 
die  umgebende  Haut,  ebenso  wie  über  den  Schorf;  sie  haben  eine  dunkler- 
rothe  Farbe,  welche  von  der  rothen  Farbe  der  den  Schorf  in  einer 
grösseren  oder  kleineren  Entfernung  umgebenden  Haut  deutlich  absticht. 
Die  Haut  ist  leicht  geröthet  und  anscheinend  ein  wenig  narbig,  weil  der 
Schorf  sich  an  Theilen  entwickelt  hat,  welche  schon  früher  von  derselben 
Affection  ergriffen  worden  waren,  indem  der  Herd  Mitte  Januar  1881 
entstanden  war.  Die  Sensibilität  ist  im  Bereiche  der  den  Schorf  in  einer 
Distanz  von  ungefähr  2  Cm.  umgebenden  Haut  deutlich  vermindert,  und 
es  ist  diese  Verminderung  der  Sensibilität  hauptsächlich  im  Bereiche  der 
rothen,  den  Schorf  begrenzenden  Ränder  ausgesprochen.  So  empfindet  z.  B. 
die  Patientin  im  Bereiche  der  Ränder  einen  leichten  Nadelstich  nicht, 
den  sie  ungefähr  2  Cm.  nach  aussen  empfindet ;  sie  empfindet  eine  leichte 
Berührung  oder  ein  Reiben  mit  dem  Stecknadelkopfe  hier  nicht,  während 
sie  dieselben  2  Cm.  nach  aussen  von  dem  Schorfe  deutlich  empfindet; 
ebenso  ist  die  Empfindung  für  Druck  mit  dem  Nadelkopfe  sehr  ver- 
mindert. 

Zweiter  Typus :  Wenn  der  Schorf  abfallen  soll,  was  nicht  vor  Ablauf 
einer  verschieden  langen  Zeit,  2—3  Wochen  und  darüber  erfolgt,  bräunt 
sich  der  Schorf,  strebt  sich  abzuheben,  seine  Ränder  lösen  sich  allmälig 
los,  es  entsteht  eine  leichte  Eiterung,  und  nach  und  nach  löst  sich  der 
Schorf  ab  (der  Vater  schneidet  gewöhnlich  die  sich  erhebenden  Ränder 
ab,  damit  sie  nirgendwo  hängen  blieben  und  so  der  Kranken  Schmerzen 


Finden  sich  in  Frankreich  Sporen  der  alten  Lepra?  7 

verorsachten),  so  dass  nngeiahr  14  Tage  vergehen,  bevor  der  Schorf 
vollkommen  abgestossen  ist.  unter  dem  Schorfe  kommt  die  in  verschie- 
dener Tiefe  (1 — 3  Mm.)  exolcerirte  Haut  mit  dem  exulcerirten  Papillär- 
körper,  von  wenig  reichlichem  Eiter  bedeckt,  zum  Vorschein.  Man  kann 
diese  beiden  Arten  des  Verlaufes  sehr  gut  an  den  beiden  Schorfen  am 
Halse  verfolgen.  Der  eine  im  Begriffe  sich  abzulösen,  der  andere  schon 
zum  Theile  abgelöst.  Im  Bereiche  der  Hand  findet  sich  ein  ovales  Ge- 
schwür von  3  Gm.  Länge,  2  Mm.  Breite;  sein  Grund  ist  braunüch,  an 
einzelnen  Stellen  leicht  granulirend  und  theilweise  mit  einer  dünnen 
Schicht  getrockneten  Eiters  bedeckt.  Die  Bänder  dieser  Ulceration,  die 
aus  einem  vor  ungefähr  3  Wochen  aufgetretenem  Schorfe  entstand, 
zeigen  eine  gewisse  Tendenz  zur  Vemarbung  und  sind  steil  abfallend. 

Ein  wenig  unterhalb  der  Ellbogenbeuge  ist  eine  gut  granulirende 
Ulceration  auf  dem  Wege  der  Vemarbung;  sie  entstammt  einem  vor  5 
Wochen  aufgetretenen  Schorfe. 

Ausser  diesem  Schorfe  und  diesen  mehr  oder  weniger  auf  dem 
Wege  der  Vemarbung  befindlichen  Ulcerationen  findet  man  auf  dem 
Vorderarme  reichliche  Karben,  Spuren  alter  Efflorescenzen,  welche  den 
oben  beschriebenen  ganz  analog  waren.  Unter  dem  Schorfe  Ä  befindet 
sich  eine  Narbe  von  5  Cm.  Länge  und  5  Gm.  Breite,  unregelmässig 
viereckig;  oberhalb  dieses  Schorfes  findet]  sich  eine  etwas  kleinere 
Narbe  von  Sichelform.  Die  untere  Narbe,  leicht  eingezogen,  ganz  glatt, 
von  bläulichrother  Farbe,  sieht  einer  alten  Narbe  nach  einer  Verbrennung 
3.  Grades  zum  Verwechseln  ähnlich;  sie  entstammt  einem  im  März  1880 
zum  Vorschein  gekommenen  Schorfe.  Etwas  höher  oben,  in  der  oberen 
Hälfte  des  Vorderarmes,  befinden  sich  analoge,  aber  weniger  einge- 
zogene Narben.  In  der  Nähe  der  granulirenden  Ulceration  finden  sich 
etwas  längliche  unregelmässige ,  leicht  vorspringende  Narben ,  welche 
die  Tendenz  zeigen,  keloidartig  zu  wuchern;  sie  stammen  von  Schorfen, 
welche  sich  December  1879  gezeigt  haben.  Alle  diese  Narben,  welche  die 
Neigung  zeigen,  sich  in  Eeloide  umzuwandeln,  sind  glatt,  bläulich-braun 
und  sehen  leicht  vorspringenden  Narben  nach  Verbrennungen  3.  Grades 
ausserordentlich  ähnlich.  Dieser  Keloidcharakter  der  Narben  ist  besonders 
im  Gebiete  des  Halses  und  des  Gesichtes  ausgesprochen,  wo  sie,  wie  wir 
sehen  werden,  den  durch  concentrirte  Schwefelsäure  erzeugten  Narben 
auffallend  ähnlich  sehen. 

Im  Bereiche  aller  dieser  Narben  findet  man  ziemlich  ausgesprochene 
Anästhesie;  die  Patientin  empfindet  hier  leichte  Nadelstiche,  leichte  Be- 
rührung mit  dem  Nadelkopfe  nicht.  In  der  unmittelbar  unter  •  dem  Schorfe 
A  gelegenen  Narbe  empfindet  sie  öfters  Prickeln  und  sogar  Schmerzen, 
wenn  sie  dieselbe  berührt.  5  ähnliche  Narben,  darunter  eine  ziemlich 
vorspringende,  befinden  sich  im  Bereiche  der  vorderen,  seitlichen  Partieen 
des  linken  Armes. 

Rechte  obere  Extremität:  Im  Bereiche  der  vorderen  Gegend  des- 
rechten Handgelenkes  finden    sich  2  Narben    ungefähr   von   der  Grösse^ 


g  L  e  1  o  i  r. 

eines  IFrankstückes,  glatt,  leicht  erhaben ;  sie  gingen  aus  Schorfen  hervor, 
welche  im  März  1880  erschienen  waren. 

Im  Bereiche  des  linken  Knies  findet  sich  eine  kleine ,  leicht 
bläuliche  Narbe  von  der  Grösse  eines  IFrankstückes,  welche  von  einem 
Juli  1880  entstandenen  Schorfe  stammte. 

Im  Bereiche  der  Magengrube  eine  wenig  vorspringende,  weisse 
Narbe  von  einem  Durchmesser,  der  dem  eines  50Ceo timesstück  entspricht; 
sie  entstammte  einem  Mai  1879  erschienenen  Schorfe. 

Hals  und  Kopf.  In  den  seitlichen  Partien  des  Halses  und  in  der 
regio  submaxillaris  finden  sich  2Frankstück  grosse  Narben,  mehr  oder 
weniger  länglich  oder  unregelmässig,  von  dunkelrother  Farbe,  Spuren  vor 
Herden  von  Nekrose,  welche  sich  seit  ungefähr  2  Jahren  gezeigt  hatten. 
Yor  dem  linken  Ohre  finden  sich  3  rothe,  längliche,  vorspringende 
Narben,  welche  denen  nach  Schwefelsäureverbrennung  ausserordentlich 
ähneln. 

Aehnliche  Herde  weist  unsere  Kranke  auf  der  rechten  Seite  auf. 
Ebenso  trägst  sie  in  der  Regio  subhyoidea  zwei  g^ue  nekrotische  Stellen, 
von  der  ungefähren  Grosse  eines  IFrankstückes,  im  Begriffe,  abgestossen 
zu  werden.  Auf  der  linken  Hälfte  der  Stirn  eine  rothe,  sichelförmige 
Keloidnarbe,  Spuren  eines  im  letzten  Sommer  aufgetretenen  Herdes. 

Im  Bereiche  der  rechten  Backe  2  Narben  von  der  Grösse  eines 
öOCentimesstückes,  wenig  eingezogen,  weiss  und  von  einer  zartrosa  Haut 
umgeben,  Spuren  der  ersten  Herde,  welche  sich  im  September  1878  ge- 
zeigt hatten. 

Die  behaarte  Haut  und  der  Rest  des  Körpers  sind  vollkom- 
men frei. 

12.  April.  Die  Patientin  hat  am  8.  April  um  10  ühr  Vormittags 
über  ziemlich  heftiges  Prickeln  hinter  dem  rechten  Ohre  geklagt.  Der 
Vater,  von  uns  beauftragt,  hat  sofort  diese  Gegend  untersucht  und  die 
Gegenwart  eines  rothen  Herdes  von  öFrankgrösse  constatirt;  er  stach  mit 
einer  Stecknadel  in  diese  Stelle,  ohne  dass  die  Kranke  die  geringste  Em- 
pfindung davon  hatte.  Am  selben  Tage,  gegen  5  Uhr  Abends,  zeigte  sich 
im  Gentrum  dieses  rothen  Herdes  eine  nekrotische  Partie  von  grau-weisser 
Farbe  und  von  der  Grösse  eines  2Frankstücke8  ungefähr  und  umgeben 
von  einem  rothen  Hofe;  dieser  Herd  gleicht  vollkommen  dem  genau  und 
ins  Detail  beschriebenen  Herde  auf  dem  linken  Vorderarme.  Bis  zu  dem 
Augenblicke,  wo  der  Schorf  sich  gebildet  hat,  vermehrt  sich  das  Prickeln ; 
sobald  aber  der  Schorf  da  ist,  leidet  die  Kranke  nicht  mehr  oder  nur 
wenig  bis  zum  Momente  seiner  Ablösung. 

Den  10.  April  gegen  9  ühr  Morgans  Prickeln  im  Bereiche  der 
seitlichen  Partien  des  Halses,  ein  wenig  unterhalb  und  hinter  dem  rechten 
Ohre  und  Auftreten  eines  gangränösen  Herdes  von  der  Grösse  eines 
2Frankstücke8  um  6  ühr  Abends. 

12.  April.  Nachdem  Patientin  Hardy  um  Rath  gefragt  hatte, 
kam  sie  zu  Vulpian,    der  ihr  von  folgender  Lösung  täglich  1  Esslöffel 


Finden  sich  in  Frankreich  Sparen  der  alten  Lepra?  9 

Terordnete :  Aqoae  destillatae  Gr.  300*0,  auri  chlorati  0*02  und  eine,  spater 
3  Belladonapillen  k  0*02. 

Seit  einiger  Zeit  empfindet  Patientin  lancinirende  Schmerzen  in  den 
Keloidnarben  des  Halses. 

26.  April.  Am  14.  April  ist  ein  neuer  Herd  in  der  linken  Regio 
parotidea  erschienen,  und  am  18.  ein  neuer  in  der  linken  Regio  sub- 
maxillaris,  und  zwar  scheinen  sich  diese  Herde  viel  rapider  zu  entwickeln 
als  gewöhnlich. 

Behandlung:  Durch  8  Tage  8  Löffel  der  Goldchloridlösung,  in  8 
darauffolgenden  Tagen  4  Löffel. 

2.  Mai.  Keine  neuen  Herde. 

7.  Mai.  Wir  stellen  die  Patientin  der  biologischen  Gesellschaft  vor. 
Poncet  diagnosticirt  Lepra. 

17.  Mai.  Am  14.  Mai  ist  ein  neuer  Schorf  von  der  Grösse  eines 
2Frank8tückes  in  der  vorderen  und  mittleren  Partie  des  linken  Vorder- 
armes erschienen,  er  erscheint  viel  oberflächlicher  als  die  früheren  und 
ein  anderer  neuer  in  der  linken  Regio  submaxillaris.  Ihrem  Erscheinen 
gingen  dieselben  Phänomene  voran,  immer  fand  sich  anfangs  Anästhesie. 

Täglich  zwei  Gläser  folgender  Lösung  auf  mehrere  Male  zu 
nehmen :  Wasser  1800  Gr.,  Natrii  phenylici  2  Gr. 

Täglich  Früh  und  Abends  von  folgenden  Pillen  1  zu  nehmen: 

Ghinini  hydrobromici  Gr.  3*0;  Pulv.  Yalerian.  q.  s.,  ut  fiant  pil- 
lulae  Kr.  XX. 

Nach  Verlauf  von  3  Tagen  3  Pillen,  nach  Verlauf  von  4  Tagen  4 
zu  nehmen. 

Vulpian  verordnet  dann  verschiedene  Mittel:  Jodoformpillen,  dann 
Carbolsänre,  folia  Jaborandi,  Eisenarsen  und  Strychnin. 

Trotz  dieser  Behandlung  fahrt  die  Krankheit  jedoch  fort  sich 
weiter  zu  entwickeln,  Woche  für  Woche  sieht  die  Kranke  neue  Herde 
▼on  Nekrose  entstehen,  sei  es  auf  dem  Halse,  sei  es  auf  den  Armen; 
regelmässig  geht  dem  Auftreten  dieser  Herde  eine  schmerzhafte  Sensation 
voran  und  vollkommene  Anästhesie  im  Bereiche  desjenigen  Punktes,  wo 
die  Gangrän  in  der  Folge  eintritt  (der  Vater  hat  mehreremale  mit  einer 
Nadel  bis  zu  einer  Tiefe  von  2  Mm.  eingestochen,  ohne  Schmerz  zu  er- 
zeugen). Häufig  constatirt  man  an  dem  Punkte,  wo  dann  Gangrän  eintritt, 
Röthung;  zweimal  aber  war  die  Hautfarbe  nach  Aussage  des  Vaters 
normal,  ja  sogar  ein  bischen  blässer. 

Am  3.  August  sehe  ich  die  Kranke,  welche  sich  immer  in  dem- 
selben Znstand  befindet,  wieder.  Es  hat  sich  noch  eiu  neuer  Herd  auf 
dem  Arme  gezeigt. 

1855  schrieb  ich  im  Vorworte  meines  der  biologischen 
Gesellschaft  am  13.  Juni  1885  überreichten  und  dem  Ministe- 
rium für  Unterricht  im  October  1884  zur  Verfügung  ge- 
stellten Berichtes  über  die  Lepra  in  Norwegen:    „Ich  benütze 


10  Leloir. 

diese  Veröffentlichung,  um  der  Gesellschaft  von  2  bemerkens- 
werthen  Fällen,  welche  ich  gerade  jetzt  in  Lille  beobachte,  und 
welche  in  ihrem  Aussehen  eine  ausserordentliche  Aehnlichkeit 
mit  der  Lepra  mutilans  zeigen,  zu  berichten."  *)  Der  eine  dieser 
Fälle  wurde  erst  kürzlich  in  meiner  Klinik  von  Dr.  Chaon 
aus  Nizza  besichtigt,  der  mir  beim  Anblicke  des  Patienten  sogar 
sagte:  „Sie  haben  also  Lepra  hier?"  —  Schon  1881  habe  ich 
einen  Fall  von  Hautaffection  beobachtet,  der  der  Lepra  zum 
Verwechseln  glich,  was  auch  die  Ansicht  des  Dr.  Poncet  war.*) 
Bei  diesen  3  Fällen,  von  denen  ich  später  noch  zu  sprechen 
haben  werde,  handelt  es  sich  um  in  Frankreich  geborene  Fran- 
zosen, von  französischen  Eltern  abstammend,  und  keiner  hat  je 
sein  Land  (der  eine  Paris,  die  beiden  anderen  das  Departement 
du  Nord)  verlassen. 

Würden  diese  Kranken  in  einem  Lande  wohnen, 
wo  die  Lepra  zuHause  ist,  so  würde  man  sicherlich 
dieDiagnoseLepra  mutilans  machen.  Daaber  diese 
Leute  in  Frankreich  leben,  so  gibt  man  diesen 
Affectionen  einen  problematischen  Namen. —  Sind 
das  nicht  verkümmerte  Fälle  von  Lepra,  Spuren 
der  alten  Lepra?  Ich  werde  auf  diese  Frage,  welche  ich 
breiter  in  meinen  Vorlesungen  behandelt  habe,  alsbald  wieder 
zurückkommen. 


(ForUetzang  folgt) 


*)  Diesen  Fall  illustrirten  übrigens  die  am  13.  Juni  1885  von  mir 
der  biologischen  Gesellschaft  demonstrirten  Photographien. 

')  Diesen  Fall  iUustrirten  der  Abdruck,  den  ich  gemeinschaftlich 
mit  Dejerine  im  Mai  1881  der  biologischen  Gesellschaft  vorlegte  und 
das  diesen  Fall  betreffende  Bild,  welches  1881  veröffentlicht  wurde,  in 
meiner  Arbeit,  betitelt:  ^^Klinische  und  pathologisch-anatomische  Unter- 
suchungen über  Hautaffectionen  nervösen  Ursprungs.^  Paris,  A.  Delahaye 
&  Co.  1881. 


Zur  Lehre  von  den  Arzneiausschlägen.') 


Von 


Prof.  Caspary  in  Königsberg. 


Es  ist  ja  lange  bekannt,  dass  nach  Einnahme  von  Jod-  und 
Brompräparaten  und  von  Balsamicis  bei  vielen  Menschen  typische 
Ausschläge  —  acnelform  einerseits,  Urticaria-  oder  roseolaförmig, 
andererseits  —  auftreten.  Aber  es  ist  nicht  viele  Jahre  her,  dass  auf 
Idionsynkrasie  beruhende,  also  unvorhergesehene  Arzneiexant^eme 
häufiger  beobachtet  und  beschrieben  werden,  ich  möchte  fast 
sagen,  dass  sie  überhaupt  beachtet  werden.  Ich  irre  wohl  nicht, 
wenn  ich  diese  erhöhte  Aufmerksamkeit,  zumal  in  Deutschland 
und  Oesterreich,  von  dem  Jahre  1877  datire,  in  dem  Ko ebner 
scharlachälmliche  Exantheme  nach  Chinin  beschrieb  und  zugleich 
die  spärliche  Literatur  über  ähnliche  Vorkommnisse  angab.  Seit- 
dem sind  nun  sehr  viele  Mittheilungen  erfolgt,  aber  ich  glaube, 
immer  noch  nicht  genug.  Schon  aus  Gründen  der  Therapie.  Da 
steht  uns  Allen  doch  immer  noch  obenan  der  hippokratische 
Grundsatz :  Nil  nocere !  Wenn  nun  auch  eine  Jodacne  und  eine 
Urticaria  ex  balsamicis  uns  meist  keinen  grossen  Kunmier 
machen  werden,  so  gibt  es  doch  ganz  böse  Arzneiausschläge, 
die  uns  während  ihres  Bestehens  sehr  in  Athem  erhalten,   und 


')  Nach  einem  Vortrage  in  dem  Verein  für  wissenschaftliche  Heil- 
kunde. 


12  Caspar  y. 

von  denen  manche  zu  Blindheit  und  Tod  geführt  haben.  Dann 
in  diagnostischer  Hinsicht.  Es  ist  doch  nicht  gleichgiltig,  wenn 
jene  Aebtissin  in  Meran,  deren  Beobachtung  Ko ebner  zu  so 
wichtigen  Ergebnissen  führte,  mehrere  Male  an  Scharlach  be- 
handelt, viele  Wochen  abgesperrt  wurde  und  immer  wieder 
Chinin  —  dreimal  in  5  Monaten  —  erhielt,  das  bei  ihr  immer 
wieder  ein  scarlatiniformes  Erythem  hervorrief.  Abei:  es  knüpfen 
sich  noch  eine  ganze  Reihe  anderer,  praktisch  und  wissenschaft- 
lich wichtiger  Fragen  an:  Woher  in  manchen  Fällen  die  plötz- 
lich eintretendie  Idionsynkrasie  gegen  ein  lange  vertragenes 
Mittel?  Woher  ebenso  plötzliches  Erlöschen  dieser  eben  noch 
erprobten  Idionsynkrasie  ?  Entstehen  die  nach  äusserlichem  Ge- 
brauche des  Mittels  auftretenden  Ausschläge  auf  dieselbe  Weise 
wie  die  auf  internem  Wege  erzielten?  Und  wie  kommen  diese 
letzteren  überhaupt  zu  Stande?  Auf  reflectorischem  Wege  von 
den  Nervencentren  aus?  Oder  durch  Reizung  der  peripheren 
Nerven?  Oder  durch  directen  Uebergang  von  dem  Blute  aus 
in  die  Haut,  etwa  in  die  Hautdrüsen? 

M.  H.,  ich  denke  nicht,  Sie  hier  durch  einen  Vortrag 
über  diese  Fragen  zu  ermüden,  nur  um  Ihnen  schliesslich  er- 
klären zu  können,  dass  sie  mir  alle  noch  als  unaufgeklärte 
Räthsel  erscheinen.  Ich  bitte  heute  nur  um  die  Erlaubniss, 
Ihnen  einige  Beobachtungen  als  klinischen  Beitrag  zur  Kennt- 
niss  der  Arzneiexantheme  vortragen  zu  dürfen. 

Und  da  möchte  ich  zunächst  von  einem  Krankheitsfalle 
berichten,  bei  dem  ich  mit  grosser  Sicherheit  eine  falsche  Dia- 
gnose gestellt  und  sie  —  zum  Glück  dann  selbst  —  corrigii-t  habe. 

Ein  28jähr.  Mann  wurde  vor  einem  Jahre  wegen  eines  chron.  Haut- 
ausschlageB  von  seinemArzte  an  michgewiesen.  Seit'/«  Jahren  wurde  der  Pat. 
den  Sie  seiner  Hünengestalt  wegen  wahrscheinlich  Alle  von  der  Strasse 
her  kennen y  immer  wieder  von  Schüben  desselben  Exanthems  heimgesucht. 
Diese  Schübe  hatten  gewöhnlich  von  den  Händen  oder  Vorderarmen  ihren 
Anfang  genommen,  waren  anfangs  wenig  verbreitet  gewesen,  aber  mit  j  edem 
neuen  Anfall  scheint  die  Zahl  der  Effloreszenzen  und  Ausbruchstellen  zuge- 
nommen zu  haben,  bis  schliesslich  der  ganze  Körper,  freilich  mit  vielen  freien 
oder  wieder  freien  Stellen  dazwischen  ergriffen  war.  So  auch  die  Lippen 
und  manchmal  die  Zunge.  Anfangs  immer  starkes  Jucken,  später  mehr 
Brennen  und  Spannungsgefuhl.  Während  der  erste  Anfall  und  wohl  auch 
spätere  —  der  junge  Mann  ist  ziemlich  sorglos  gewesen  über  die  Einzeln- 
heiten des  Verlaufs,  der  ihn  gar  nicht  so  interessirte  wie  mich  —  fieber- 


Zur  Lehre  von  den  Arzneiausschlägen.  13 

los  verlanfen  zu  sein  scheinen,  traten  die  späteren  mit  Schüttelfrost, 
Uebelkeit  und  ein-  bis  mehrtägigem  Fieber  auf.  Ich  fand  den  Patienten 
schon  wieder  ganz  wohl,  es  waren  mehrere  Tage  seit  der  letzten  Erup- 
tion vergangen,  aber  das  Exanthem  und  seine  Folgen  waren  sehr  erheb- 
lich. An  einer  Reihe  von  Stellen  waren  grosse  Bullae  vorhanden,  an 
anderen  hellrothe  oder  dnnkelrothe,  an  noch  anderen  pigmentirte,  braune 
oder  schiefergraue  Flecken,  zu  vielen  Hunderten  im  Ganzen.  Zumal  im 
Gesicht  war  die  Entstellung  arg,  wo  sich  alle  diese  Formen  verbunden 
fanden,  besonders  auch  an  den  Lippen. 

Wenn  die  Diagnose  des  chronischen  Pemphigus  vulgaris  benignus 
keine  Mühe  machen  konnte,  so  war  die  Therapie  doch  sehr  zweifelhaft. 
Wir  sind  bis  auf  die  seltenen  Fälle,  in  denen  der  Arsenik  günstig  wirkt, 
gegen  Pemphigus  ziemlich  machtlos.  Die  baumstarke  Körperlichkeit  des 
Patienten  und  die  vielen  Schmisse  im  Gesicht  legten  die  Frage  nach 
öfteren  Trinkgelagen  nahe,  und  er  erzählte  ohne  Zaudern,  dass  er  für  ge- 
wöhnlich sehr  massig,  bei  Festen  mit  seinen  Corpsbrüdem  tüchtig  trinke^ 
Beliebiges  vertrage,  aber  am  nächsten  Tage  doch  durch  etwas  Kopfschmerz 
und  massiges  Unbehagen  daran  erinnert  werde.  Und  an  solchen  Tagen 
seien  nun  auch  Eruptionen  seit  dem  Ende  v.  J.  gewöhnlich  aufgetreten. 
Kleine  Gichtanjfalle,  zu  denen  er  hereditär  disponirt  scheine,  seien  seitdem 
fortgeblieben. 

Die  nun  eingeschlagene  Therapie  wirkte  anscheinend  Wunder.  Ich 
verbot  schon  mit  Rücksicht  auf  das  vorhandene  kolossale  Exanthem,  zu- 
mal die  vielen  Blasen,  und  natürlich  auch  zur  Verhütung  neuer  Schübe, 
körperliche  Strapazen,  schrieb  eine  sehr  eingeschränkte  Diät  vor,  Carls- 
bader Salz  u.  8.  w.  Alle  Blasen  schwanden  unter  normaler  Ueberhäutung, 
später  alle  Röthungen,  nur  dass  sehr  viele  Pigmentirungen  zurückblieben, 
deren  Schwinden  ja  auch  bald  zu  erwarten  war.  Ich  sah  den  Patienten 
Monate  lang  nicht  wieder,  bis  er  eines  schönen  Tages  mit  einem  tollen 
Schübe  sich  wieder  vorstellte.  Zum  ersten  Male  hatte  er  wieder  an  einem 
Gelage  Theil  genommen,  am  nächsten  Tage  sich  in  alter  Weise  unbehag- 
lich gefühlt,  Kopfschmerzen  gehabt  und  am  Abende  desselben  Tages  unter 
Schüttelfrost  das  Exanthem  entstehen  gesehen.  Das  anfangliche  Jucken 
war  bald,  das  Fieber  nach  ca.  24  Stunden  geschwunden.  Ich  sah  den  Pati- 
enten etwa  36  Stunden  nach  dem  Beginne  des  Hautleidens.  Ausser  vielen 
alt«n  Pigmentflecken  besonders  der  Lippen,  auch  der  Gesichtshaut,  fanden 
sich  besonders  zahlreich  an  Beinen  und  Kreuzgegend,  hier  auch  conflu- 
irend,  aber  auch  an  allen  übrigen  Körpertheilen  mehr  isolirt,  unzählige 
rothe  Flecken,  alle  etwa  von  der  Grösse  eines  Grau-Erbsen-Durchschnitts ; 
z.  Th.  hochroth,  z.  Th.  mit  darauf  sich  erhebenden  Blasen  rein  serösen 
oder  auch  trüberen  Inhalts,  z.  Th.  schon  abblassend.  Dabei  kein  Fieber 
mehr,  Wohlbefinden. 

Dieses  gleichzeitige  Aufschiessen  unzähliger  Flecken,  die  theilweise 
Rückgängigkeit  nach  wenigen  Stunden  ohne  Blasenbildung,  das  gute  Be- 
finden sprachen  doch  gegen  Pemphigus.  Und  als  ich  den  Patienten  fragte, 
ob  er  nicht  am  Tage  der  Eruption  statt  des  in  meiner  Jugend  üblichen 


14  C  a  8  p  a  r  y.  -     .  ^ 

sauem  Härings  ein  Medicament  genommen  habe,  sagte  er:  Ja,  2  Gramm 
Antipyrin.  Und  nun  konnte  er  sofort  4  Schübe  «eines  pemphigoiden  Lei- 
dens auf  dasselbe  Medicament  zurückfuhren.  Morgens  1  bis  2  Gramm 
Antipyrin,  nach  ca.  6  Stunden  Schüttelfrost,  Erbrechen,  Fieber  und  Beginn 
der  Eruption.  Wenn  das  anfangs  sehr  starke  Jucken,  das  Fieber,  das 
schlechte  Befinden  nach  wenigen  Tagen  verschwunden  waren,  scheinen 
auch  neue  Flecken  nicht  mehr  aufgetreten  zu  sein,  während  die  alten 
zum  Theil  zurückgingen,  vielfach  unter  Hinterlassung  von  Pigmentflecken 
—  mit  denen  der  Körper  übersäet  ist,  —  z.  Th.  sich  mit  länger  persi- 
Btirenden  Blasen  bedeckten.  Es  ist  dem  Patienten  höchst  wahrscheinlich, 
und  mir  zweifellos,  dass  die  Schübe  nur  nach  Antipyringenuss  auftraten. 
Er  glaubt  sich  zu  erinnern,  dass  einmal  nach  der  Einnahme  des  Medi- 
caments  kein  Ausschlag  eintrat, '  glaubt  aber  damals  nur  y,  Gramm  ge- 
nommen zu  haben. 

M.  H.,  erlauben  Sie  mir  nur  noch  eine  kurze  Epikrise. 
Ich  denke,  Sie  werden  nach  dem  Vorgetragenen  auch  nicht 
daran  zweifeln^  dass  es  sich  hier  um  ein  toxisches  Exanthem  an 
«inem  sonst  gesunden  Manne  handelte,  wenn  ich  gleich  hinzu- 
füge, dass  ich  bei  der  Untersuchung  an  ihm  nichts  Krankhaftes 
ausser  den  Veränderungen  an  der  Haut  finden  konnte,  dass 
speciell  der  Urin  frei  war  von  abnormen  Bestandtheilen,  dass 
früher  ausser  acuten  Exanthemen  nie  Hautausschläge  vorge- 
kommen waren.  Aber  bei  der  jedesmaligen  Ursache  des  Anti- 
pyringebrauchs  konnte  man  daran  denken,  ob  die  Schädlichkeit, 
die  Noxe,  das  im  Blute  kreisende  Irritans  vielleicht  im  Alkohol 
zu  suchen  sei.  Nun,  über  solche  Zweifel  konnte  mich  der  Pat., 
der  mit  seinen  anamnestischen  Angaben  sonst  sehr  vorsichtig 
war,  weil  er  eingestehen  musste,  sich  wenig  beachtet  zu  haben, 
sofort  beruhigen.  Er  wusste  genau,  dass  nach  so  manchen  Trink- 
gelagen keine  Eruption  gefolgt  war.  —  Eine  zufällige  Verun- 
reinigung des  Antipyrins  konnte  auch  nicht  angeschuldigt  werden, 
da  die  Drogue  theils  hier,  theils  in  Berlin,  theils  in  einem  Orte 
in  Westphalen  entnommen  war.  Kurz,  der  maculo-buUöse  Aus- 
schlag war  ein  reines  Antipyrin-Exanthem,  das  sich  von  den 
vielen  bekannten,  doch  wohl  durch  seine  Intensität,  vor  Allem 
durch  das  Zurückbleiben  der  vielen  Pigmentflecke,  die  im  Ge- 
sicht, zumal  an  den  Lippen  entstellend  und  verdachterregend 
waren,  unterschied. 

Aber  ich  möchte  doch  noch  einmal  auf  den  acuten  Alko- 
holverbrauch  oder  im  Sinne  der  Temperenzler  Alkoholmissbrauch 


Zar  Lehre  von  den  Arzneiausschlägren.  15 

zurückkommen,  nicht  für  den  eben  mitgetheilten  Krankheitsfall 
sondern  mit  der  allgemeineren  Frage,  ob  nicht  auch  dagegen 
eine  sich  in  Hautyeränderungen  aussprechende  Idionsynkrasie 
beobachtet  seL  Vereinzelt  bei  einem  Individuum  danach  auf- 
tretende Urticaria,  die  ich  öfter  gesehen  habe,  will  ich  nicht 
hierher  rechnen,  da  wirkte  als  bekannte  Schädlichkeit  eine  acute 
Magenstörung.  Es  müsste  doch  eine  öfter  erprobte  Disposition 
festgestellt  sein,  um  den  Alkohol  direct  anschuldigen  zu  können, 
wie  wir  das  für  Krebse,  Hummern  und  so  viele  andere,  von  den 
meisten  Menschen  gut  vertragene  Speisen  thun  können.  Und 
da  kann  ich  eine  Beobachtung  mittheilen,  die  leider  sehr  un- 
vollständig ist,  weil  der  Patient,  den  mir  College  S.  zugeschickt 
hatte,  weder  mehr  zu  ihm  noch  zu  mir  nach  einmaliger  Vor- 
stellung gekommen  ist 

Der  kräftige,  37  Jahre  alte  Mann,  der  nach  eigenem  Gestandniss 
zeitweise  stark  trank,  wurde  seit  etwa  8  Monaten  —  ich  sah  ihn  Mitte  « 
September  1891  —  alle  4 — 6  Wochen  von  acutem  umschriebenem  Oedem 
einer  Körperstelle  befallen.  Dieses  Mal  war  es  das  ziemlich  gleichmässig 
ödematöse  G^esicht,  andere  Male  war  es  ein  Bein,  die  Unterbauchgegend 
oder  andere  Stellen  gewesen.  Immer  hatte  sich  bei  gutbleibendem  All- 
gemeinbefinden das  Oedem  schnell  ausgebildet,  hatte  nach  12  Stunden 
die  Acme  erreicht,  in  der  es  24  Stunden  verharrte,  war  dann  in  1—2 
Tagen  vollständig  geschwunden.  Während  dieser  Anfalle  soll  der  Urin 
roth  und  trübe  gewesen  sein,  was  ich  nicht  mehr  feststellen  konnte;  der 
jetzt  entleerte  war  von  normalem  Aussehen  und  ohne  krankhafte  Bei- 
mischung. Auf  Befragen  konnte  Patient  sicher  angeben,  dass  die  Schwel- 
lung immer  etwa  2  Tage  nach  einer  tüchtigen  Kneiperei  aufgetreten  war. 

Das  ist  leider  Alles,  was  ich  über  den  Kranken,  den  ich 
nicht  wieder  gesehen  habe,  berichten  kann.  Mir  ist  der  Gausal* 
nexus  zwischen  starkem  acuten  Alkoholgenuss  und  acutem  um- 
schriebenem Oedem  durchaus  glaublich;  ich  zweifle,  ob  er  so 
selten  ist,  ob  nicht  manche  von  den  chronisch  ödematösen 
Gesichtern  unserer  Säufer  daher  ihren  Ursprung  genommen 
haben.  Aber  ich  hätte  den  Fall  gar  nicht  angeführt,  wenn 
nicht  Max  Joseph  auf  dem  Dermatologen-Congress  in  Prag 
1889  uns  einen  ähnlichen,  den  er  längere  Zeit  beobachten 
konnte,  erzählt  hätte. 

Auch  da  handelte  es  sich  um  einen  37  Jahre  alten  Mann,  der  seit 
4  Jahren  daumenglied-  bis  faustgrosse  Anschwellungen  an  den  verschie- 
densten Körpers  teilen,  besonders  oft  "aber  im  Gesicht,  bekam.  Sie  kamen 
liemlich  plötzlich  und  verschwanden  nach  verschieden  langer  Zeit,  mit- 


16  Caspar  y. 

unter  schon  nach  einer,  oft  nach  24  Stunden.  Bemerkenswerth  war  die 
einmal  beobachtete  halbseitige  Anschwellung  an  der  Zunge,  die  mehrere 
Stunden  lang  bestand;  ein  mehrfach  eingetretenes  beängstigendes  Gefahl 
im  Halse  des  Patienten,  als  ob  er  ersticken  sollte,  das  immer  einige 
Stunden  hindurch  anhielt,  war  vielleicht  auch  auf  eine  Riesenquaddel 
zurückzufahren.  Der  Einfluss  des  Alkoholgenusses  auf  das  Auftreten  der 
Oedeme  war  sicher  erprobt.  Schrankte  der  Patient,  der  eingeständlich 
sehr  viel  Schnaps  genoss,  das  Trinken  ein,  so  wurden  die  Oedeme  seltener 
und  geringer.  Nach  Fortlassung  des  Schnapses  vergingen  Monate,  ohne 
dass  neue  Schwellungen  auftraten.  Excedirte  Patient  wieder  einmal,  so 
rächte  sich  dies  durch  das  Auftreten  der  Oedeme,  die  sich  24- -48  Stunden 
nachher  einstellten. 

Ich  kehre  zu  den  medicamentösen  Exanthemen  zurück, 
zunächst  zu  den  Antipyiinfolgen.  Jeder  Ton  Ihnen  hat  Ausschläge 
der  Art  gesehen  oder  viel  darüber  gelesen.  Ich  werde  mich 
kurz  fassen  und  drei  Fälle  erwähnen,  die  ich  schnell  nachein- 
ander vor  etwa  einem  Jahre  gesehen  habe,  zwei  durch  Zu- 
sendung von  Collegen,  einen  in  eigener  Praxis.  Alle  drei  waren 
in  gleicher  Weise  erwähnenswerth,  weil  sie  dieselbe  Localisation 
hatten  und  gerade  dadurch  den  Verdacht  auf  Syphilis  rege 
machten.  So  waren  mir  zwei  der  genannten  Kranken  als 
syphilis-verdächtig  zugesandt  worden,  der  eine  nach  nutzloser 
intensiver  Mercurialcur.  Ich  will  nur  einen  Fall  beschreiben, 
da  ihm  die  anderen  auf  das  Haar  ähneln:  An  dem  30  Jahre 
alten,  sonst  gesunden  Manne  war  seit  einem  Vierteljahre  ca. 
alle  3  Wochen  ein  Blasenausschlag  auf  der  Zunge,  am  Scrotum, 
am  Anus,  diesmal  auch  an  der  Unterlippe,  unter  schnell 
schwindendem  Fieber,  mit  leichten  gastrischen  Störungen  ver- 
bunden, aufgetreten.  Unter  Höllensteinpinselungen  war  immer 
in  ca.  8  Tagen  narbenlose  Verheilung  eingetreten.  Auf  meine 
Frage,  ob  er  nicht  vor  dem  Ausbruche  Antipyrin  oder  ein 
ähnliches  Mittel  genommen  habe,  konnte  der  Patient  sofort 
nachrechnen,  dass  er  jedes  Mal  vorher  wegen  Hemicranie 
1 — 2  Gramm  Antipyrin  genommen  hatte,  dieses  Mal  wenige 
Stunden  vor  dem  Auftreten  des  Ausschlages;  sonst,  soweit  er 
wisse,  fast  zwei  Tage  vorher.  Eine  solche  verspätete  Eruption 
ist  jedenfalls  sehr  selten,  aber  nicht  vereinzelt.  Ich  erinnere 
nur  an  die  Oedeme  nach  Alkohol,  an  das  hier  und  da  beschrie- 
bene Auftreten  von  Jod-  und  Mercurexanthemen  mehrere  Tage 
nach  Aussetzen    des   Medicaments,   und   bei   Digitalisgebrauch 


Zur  Lehre  von  den  Arzneiausschlägen.  17 

angeblich  sogar  4 — 5  Tage  später.  Freilich  hatte  in  allen  diesen 
Fällen  eine  Art  Cnmulation  stattgefunden.  —  Die  andere  An- 
gabe des  Patienten,  dass  er  früher  schon  oft  dieselbe  Dosis 
Antipjrin  ungestraft  genommen  habe  und  erst  seit  12  Wochen 
die  Ausschläge  aufgetreten  seien,  hat  Analoga  genug.  Immerhin 
ist  diese  plötzlich  eintretende  Idionsynkrasie  nach  langer  Ver- 
träglichkeit auffallend.  Sie  liesse  einmal  an  Verunreinigungen 
des  Präparats  denken,  wobei  freilich  das  neue  Räthsel  entstände, 
welcher  Art  denn  dieses  Irritans  sei.  Für  den  zu  Anfang  aus- 
führlichst beschriebenen  Patienten,  der  allerdings  Tor  dem 
Beginn  seines  Hautleidens  nie  Antipyrin  genonmien  hatte,  konnte 
ich  angeben,  dass  er  das  Mittel  den  verschiedensten  Apotheken 
entnommen  hatte,  immer  mit  demselben  Erfolge,  wenn  nur  die 
Dosis  gross  genug  war.  Man  muss  femer  fragen,  ob  vielleicht 
in  dem  Körper  des  Patienten  —  zumal  eines  solchen,  der  früher 
das  Mittel  gut  vertragen  hat  —  Krankheitszustände  vorhanden 
sind,  die  irgendwie  erklärend  wirken  könnten^  vor  Allem  Aen- 
derungen  in  der  früher  normalen  Nierensecretion.  Für  die  von 
mir  angeführten  Patienten  ist  nichts  derartiges  eruirt;  es  bleibt 
bei  dem  dunklen  Begriff  der  Idionsynkrasie.  Und  die  wird  nicht 
klarer  durch  die  Beobachtung,  dass  bei  manchem  Patienten 
diese  Beaction  des  Organismus  sich  abschwächt  oder  auch 
plötzlich  erlischt.  Den  merkwürdigsten  Fall  der  Art,  den  ich 
erlebt  habe,  habe  ich  Ihnen  früher  mitgetheilt :  den  einer  jungen 
syphilitischen  Frau,  die  nach  erster  Injection  von  saücylsaurem 
Quecksilber  ein  universelles  Erythem  bekam;  nach  späteren 
schwächere,  dann  gar  keines  mehr.  Als  sie  2  Jahre  später  ein 
Decigramm  Hydrarg.  tannicum  einnahm,  sofortiger  Ausbruch 
scarlatiniformen  Erythems  über  die  ganze  Haut;  bei  Wieder- 
holung der  Dosis  10  Tage  später,  bei  Steigerung  der  Dosis  und 
Einnahme  durch  viele  Tage  gar  kein  Ausschlag  mehr.  (S. 
Verhandlungen  der  deutschen  dermatologischen  Gesellschaft,  2. 
und  3.  Congress.  Leipzig  1892.  p.  371.)  —  Ich  erinnere  Sie 
femer  an  die  Ausschläge  nach  Tuberkulin-Injectionen,  an  die 
häufige  Gewöhnung  des  Organismus  an  Jodkaligebrauch.  Beim 
internationalen  Congress  in  Berlin  1890  berichtete  Petersen, 
dass  er  nach  Injectionen  von  unlöslichen  Quecksilbersalzen, 
sowohl  Calomel  ab  Hydr.  oxydatum  flavum  und  Hydrarg.  salicyl. 

ArehiT  f.  Oermatol.  a.  Syphil.  B«nd  XXVX.  9 


18  Caspary. 

der  ersten  Injection  ein  universalles  Exanthem  folgen  sah,  das 
zweite  Mal  nur  ein  Erythem  um  die  Injectionsstelle,  später  gar 
keines  mehr.  Aber  auf  solche  Gewöhnung  oder  Abschwächung 
darf  man  nie  rechnen.  Schon  die  Fälle,  die  ich  selbst  nach 
Antipyrin  beobachtet  und  vorher  mitgetheilt  habe,  zeigen  die 
ungeschwächte  Fortdauer  der  Reaction  während  der  Beobach- 
tungszeit, der  erste  Fall  sogar  eine  erhebliche  Verschlimmerung 
in  späteren  Anfallen. 

M.  H.,  ich  muss  schon  noch  einmal  die  eigenthümliche 
Localisation  betonen,  die  ich  bei  drei  Kranken  nach  Antipyrin- 
gebrauch  gesehen  habe:  Das  Auftreten  von  Flecken,  Blasen, 
Erosionen  allein  an  der  Mundhöhlenschleimhaut  und  an  der 
Haut  der  Genitalien.  In  den  beiden  bekannten  Fällen  von 
Dontrelepont  und  Veiel  waren  ausser  diesen  Stellen  noch 
viele  andere  ergriffen.  Aber  es  sind  seither  noch  einige  andere 
Beobachtungen  mitgetheilt,  in  denen  auch  nur  die  Mundhöhle 
oder  nur  die  Genitalien  oder  beide  zugleich  erkrankt  waren. 
(Moeller,  Therapeutische  Monatshefte  1892,  p.  581,  Short  Therap. 
Monatshefte  1892,  p.  497 ;  Freudenberg  Centralblatt  für  Klinische 
Medicin.  1893  Nr.  5.)  Ich  habe  in  letzter  Zeit  wieder  mehrere 
Antipyrinexantheme  gesehen,  aber  weder  in  Ort  noch  Form  den 
oben  geschilderten  analog.  Wenn  andere  Beobachter  noch  eine 
Probe  auf  das  Exempel  machten,  indem  sie  durch  neue  Anti- 
pyrindarreichungen  den  prompt  sich  einstellenden  Ausbruch 
hervorriefen,  so  hatte  ich  in  allen  angegebenen  Fällen  nach  der 
ganz  sicheren  Ananmese  gar  keine  Veranlassung  dazu.  Aber  in 
einem  anderen,  ähnlichen  Falle,  der  eine  junge  Frau  meiner 
Praxis  betraf,  wünschte  ich  sehr  durch  solche  Prüfung  meine 
Zweifel  zu  beseitigen.  Die  35  Jahre  alte,  etwas  nervöse,  sonst 
gesunde  Frau  nahm  seit  Jahren,  wenn  sie  sich  besonders  schwach 
und  erregt  zugleich  fühlte,  zumal  wenn  die  Beschwerden  in 
einer  Art  von  intermittirendem  Typus  auftraten,  kleine  Dosen 
Chinin.  Im  October  1891  und  im  Februar  1892  traten  nach 
kleinen  Gaben  von  salzsaurem  Chinin  Flecke  und  Blasen  innerhalb 
der  Mundhöhle,  auf  den  Lippen,  an  der  Innenseite  der  Nymphen 
auf.  Das  erste  Mal  konnte  ich  mir  keinen  Vers  daraus  machen. 
Aber  inzwischen  belehrt  durch  meine  Erfahrungen  über  das 
Antipyrinexanthem  an  denselben  Stellen  zweifelte  ich  bei  dem 


Zur  Lehre  Ton  den  Arzneiausschlägen.  19 

zweiten  Ausbruche  gar  nicht,  dass  es  sich  hier  um  einen  ana- 
logen ChininauBSchlag  handelte,  zumal  auch  hier  nach  dem 
Fortlassen  des  Mittels  in  wenigen  Tagen  die  Eruption  aufhörte, 
die  Blasen  und  Erosionen  ganz  oberflächlich  sassen  und  schnell 
Terheilten.  Mir  war  nun  natürlich  an  der  sicheren  Feststellung 
des  Causalnexus  viel  gelegen,  aber  die  Dame,  der  ich  unvor- 
sichtiger Weise  meine  Diagnose  und  meine  Absicht  experimen- 
teller Prüfung  offen  mitgetheilt  hatte,  lehnte  dankend  ab.  — 
Vor  einigen  Monaten  nun,  als  wieder  allabendlich  ziemlich  um 
dieselbe  Stunde  nervöses  Herzklopfen,  Praecordialangst,  Fieber- 
gefiihl  (ohne  Temperaturerhöhung,  ohne  Milzschwellung)  eintraten, 
bat  die  £[ranke  selbst  um  das  in  früheren  Jahren  so  oft  er- 
probte Chinin.  Sie  wolle  lieber  den  von  mir  vorhergesagten 
Blasenausschlag  als  länger  ihre  nervösen  Beschwerden  erdulden. 
Ich  ging  natürlich  gern  darauf  ein;  dreimal  täglich  sollten 
0,15  Chininum  hjdrochloratum  in  Pillen  genommen  werden. 
Vier  Stunden  nach  Einnahme  der  ersten  Dosis  traten  auf  Zungen- 
und  Lippenschleimhaut  umschriebene  rothe  Flecken  auf,  die 
sich  innerhalb  12  Stunden  zu  Blasen  fortbildeten.  Unter  dem 
von  der  Patientin  gewünschten  Fortgebrauch  der  Pülen  —  im 
Ganzen  wurden  in  3  Tagen  1,35  Gramm  des  Chininsalzes  ge- 
nommen —  kam  es  zur  Bildung  von  2  schnell  platzenden  Blasen 
der  Zunge,  von  4  auf  der  Innenseite  der  Lippen,  zuletzt  von 
2  auf  der  Innenseite  des  rechten  labinum  minus.  Alle  waren 
oberflächlich,  heilten  nach  Aussetzen  des  Mittels  schnell  bis 
auf  die  grösste  fast  kirschgrosse  Blase  der  Innenseite  der  Ober- 
lippe, die  unter  örtlicher  Behandlung  doch  fast  8  Tage  zur 
Yerheilung  brauchte.  Die  nervösen  Beschwerden  waren  bis  dahin 
längst  geschwunden,  wären  ohne  Chinin  vielleicht  auch  ge- 
schwunden. 

Dass  das  Chinin  hier  ein  ganz  anderes  Exanthem  hervor- 
gerufen hat,  als  es  sonst  bei  Idionsynkrasie  dagegen  zu  thun 
pflegt^  ist  nichte  Unerhörtes.  Hat  doch  schon  1881  Auspitz 
4  Exanthemformen,  die  nach  Chinin  beobachtet  waren,  zusam- 
menstellen können:  scharlachartiges  Erythem,  Papelerytheme 
wie  bei  Masern,  Haemorrhagien  und  Purpura,  endlich  Quaddeln 
und  Oedeme.  Natürlich  wird  durch  solche  Polymorphie  die 
Diagnose  erschwert.  Wenn  aber  ein  Kranker  regelmässig  nach 

2* 


20  C  a  8  p  a  r  y. 

Einnahme  eines  Medicaments  denselben  Ausschlag  bekommt, 
der  nach  Aussetzen  verschwindet,  bei  Wiederaufnahme  wieder 
eintritt,  so  muss  der  Arzt  sehr  eingenommen  sein  gegen  die 
Möglichkeit  von  ungewöhnlichen  Arzneiausschlägen,  wenn  er 
auf  der  Medication  besteht  Eine  26jährige  Dame,  der  ihr  Arzt 
mit  gutem  Grunde  —  gegen  asthmatische  Beschwerden  —  Jod- 
kali verordnet  hatte,  bekam  in  den  3  Jahi*en,  da  sie  es  zeit- 
weise einnahm,  jedesmal  gleich  nach  Beginn  der  Cur  einen 
Papelausschlag,  der  sich  nach  dem  Aussetzen  wieder  zurück- 
bildete. Als  dann  das  Jodkali  dauernd  eingenommen  werden 
sollte,  trat  ein  Ekzem  ein,  das  die  Cur  unterbrach  und  sofort 
und  schlimmer  sich  bei  Neueinnahme  wieder  einstellte.  Da  der 
College  trotz  Beschwerden  und  Bitten  der  Patientin  auf  dem 
Gebrauche  des  Jodkali  bestand,  das  nach  seiner  Meinung  ein 
Ekzem  nie  hervorrufen  könne,  so  blieb  nichts  übrig,  als  ihn  zu 
verabschieden,  und  ich  ward  wegen  des  fortbestehenden  Aus- 
schlags consultirt.  Es  lag  nun  in  der  That  ein  nicht  gewöhnliches 
Arzneiexanthem  vor,  ein  typisches  nässendes  Ekzem  auf  Gesicht 
und  beiden  Vorderarmen.  Ich  musste  der  Patientin,  die  Wochen 
brauchte,  bis  sie  geheilt  war,  und  zumal  bis  sie  ungenirt  aus- 
gehen konnte,  sagen,  dass  mir  das  Vorkommen  dieses  Ausschlages 
nach  Jodkali  unbekannt  sei;  aber  ich  habe  später  doch  solche 
Fälle  von  Landrieux  und  Gemy  beschrieben  gefunden. 

M.  H.,  ich  bin  mit  der  Mittheilung  eigener  Beobachtungen, 
die  ich  erwähnenswerth  fand,  zu  Ende,  Ich  brauche  nicht  breiter 
auseinander  zu  setzen,  wie  wichtig  es  sein  kann,  die  richtige 
Diagnose  eines  Arzneiausschlages  zu  stellen  und  nicht  ein  Artefact 
als  Scharlach,  als  Syphilid  vielleicht  gar  mit  einem  Mittel  zu  be- 
handeln, das  weitere  Verschlimmerungen  herbeiführt.  Hier  möchte 
ich  doch  an  einen  sehr  interessanten,  aber  anscheinend  wenig 
bekannten  Fall  erinnern,  der  von  Hallopeau  in  den  Annales 
de  Dermatologie  1888  beschrieben  ist,  in  dem  ein  Syphilitischer 
bei  jedesmaligem  Gebrauche  von  Jodkali  massenhafte  Bullae  auf 
Haut,  Cornea,  Conjunctiva  und  Zunge  bekam,  indem  auf  dem 
Grunde  der  geplatzten  Bullae  Vegetationen  sich  bildeten  wie  bei 
dem  Pemphigus  vegetans  Neumann's,  entstelleiide  Narben  zurück- 
blieben, die  auf  einer  Cornea  zu  totalem  Leucom  führten.  Der 
Patient  war  Monate  lang  in  zwei  gut  geleiteten  Krankenhäusern 


Zur  Lehre  Ton  den  Arzneiaasschlägen.  21 

Ton  Paris  immer  wieder  mit  Jodkalium,  dem  ein  neuer  Ausbruch 
von  Bullae  folgte,  behandelt  worden,  bisHallopeau  dazu  kam 
und  den  fatalen  Causalnexus  aufdeckte.  Vorher  hatten  die  Blasen 
immer  als  syphilitische  imponirt,  so  auch  Wochen  lang  Hal- 
lopeau.  —  Auch  in  den  von  mir  beobachteten  Fällen  fanden 
sich  lange  anhaltende  Irrthümer  erfahrener  und  sorgsamer 
Aerzte.  Da  die  Idionsynkrasie  plötzlich  erlöschen  kann,  wie  in 
einem  meiner  Fälle,  kann  auch  die  experimentelle  Prüfung,  die 
gewiss  das  sicherste  Mittel  zur  Beseitigung  von  Zweifeln  bildet, 
versagen.  Der  Nachweis  der  Drogue  in  den  Exkreten  ist,  ab- 
gesehen von  seiner  Schwierigkeit  wohl  in  manchen  Fällen,  in 
denen  kleinste  Dosen  krankmachend  wirken,  kaum  möglich. 
Aber  vor  allen  Dingen  muss  man  doch  auf  der  richtigen  Fährte 
sein,  muss  man  doch  den  Verdacht  haben,  dass  ein  vorliegender 
Ausschlag  Folge  eines  Medicaments  sein  möchte.  Gestatten  Sie 
mir  den  naiven  Rath,  bei  jedem  acuten  Ausschlag,  bei  dem  Sie 
nicht  eme  ausschliessende  Diagnose  stellen  köipien,  an  Arznei- 
Exanthem  zu  denken  und  nachzufragen.  Und  diese  ausschlies- 
sende Diagnose  kann  auch  einmal  irrig  sein,  weil  der  anscheinend 
Scarlatinöse  eine  Diphtheritis  hat  mit  einem  nahezu  universellen 
Chininerythem,  der  anscheinend  an  Morbillen  Erkrankte  eine 
Grippe,  zu  der  nach  Antipyrin  ein  weit  verbreitetes,  maculöses, 
leicht  erhabenes  Erythem  hinzugetreten  ist.  Aber  der  Scarlati- 
nöse, werden  Sie  sagen,  hat  im  Gesicht  inmitten  glänzender 
Böthe  ganz  weisse  Hautstellen  um  Nase  und  Mund,  wieBohn, 
He  noch  u.  A.  hervorheben.  Jawohl,  gewöhnlich,  aber  es  gibt 
ausnahmsweise  auch  solche  Erytheme  nach  Mercurgebrauch,  wie 
ich  eines  auf  dem  Leipziger  Congress  der  deutschen  deimatolog. 
Gesellschaft  (s.  o.)  beschrieben  habe.  Aber  gerade  in  diesem  Falle 
lehrten  grosse  infiltrirte  Plaques  an  den  Extremitäten,  wie  sie 
beim  Beginn  des  Scharlachs  gar  nicht  auftreten  können,  dass 
der  hier  nicht  vorlag.  Und  so  ist  gewiss  manches  Mal  aus 
Form,  Localisation,  Ausbreitung  des  Exanthems  eine  sichere 
Fährte  zu  gewinnen,  von  den  gewiss  sehr  wichtigen,  wenn  auch 
nicht  immer  eindeutigen  Begleiterscheinungen  auf  den  Schleim- 
häuten zu  geschweigen.  Aber  besonders  betonen  möchte  ich 
die  eigenartige  Localisation,  die  ich  dreimal  nach  Antipyrin, 
einmal  nach  Chinin  sah :  in  Mundhöhle  oder  Lippen  und  Geni- 


22  C  a  8  p  a  r  y. 

tauen  oder  Anus.  Vielleicht  führt  Sie  das  auch  in  dem  einen 
oder  anderen  Falle  auf  die  richtige  Diagnose.  Woher  es  kommt, 
dass  diese  Oertlichkeit  bevorzugt  wird,  kann  ich  nicht  sagen; 
ich  erinnere  nur  daran,  dass  es  dieselben  Stellen  sind,  an  denen 
Herpes  facialis  und  progenitalis  ihren  Lieblingssitz  haben,  Affec- 
tionen,  bei  deren  Entstehen  die  Nerven  wohl  die  Hauptrolle 
spielen. 


Vier  Fälle  von  Hydroa  vacciniforme,  Bazin, 

Sninmereruptioii,  Jonathan  HntcMnson. 

Von 

Dr.  C.  Boeek, 

Director  der  UniTenitAtBUlnik  für  Haatkranke  in  ChrUtiania. 


Die  von  Bazin*)  vor  mehr  wie  dreissig  Jahren  beschrie- 
bene und  von  ihm  als  Hydroa  vacciniforme  bezeichnete  Aflfec- 
tion  war  bis  vor  Kurzem  nicht  nur  eine  „versäumte",  sondern 
geradezu  eine  vergessene  Krankheit.  Erst  nachdem  Jonathan 
Hutchinson  sie  abermals  vom  Jahre  1888  an  wiederholt  als 
j,  Summereruption"  beschrieben  hat,  ist  die  Aufmerksamkeit  der 
Dermatologen  auf  diese,  in  manchen  Beziehungen  interessante 
Krankheit  wieder  gelenkt  worden.  Mittlerweile  ist  trotz  den 
Publicationen  von  Hutchinson,  Handford,*)  Jamies- 
son,*)  Berliner,*)  Buri*)  und  Broes  van  Dort®)  die 
Casuistik  der  Krankheit  immerhin  als  eine  ziemlich  sparsame 
zu  bezeichnen  und  weitere  illustrirende  Beiträge  sind  gewiss 
sehr  wünschenswerth.  Dies  um  so  mehr,  als  die  Krankheit,  ob- 
schon  im  Ganzen  eine  sehr   typische,   doch,  nachdem  sie  mehr 


')  Bazin.  Le^ons  sur  les  affections  generiques  de  la  peau,  p.  132. 
Paris  1862.  —  Bazin.  Le^ons  sur  les  affections  cutanees  de  nature 
arthritique  et  dartreuse.  2  edit  Paris  1868,  p.  261—63  u.  460—61. 

•)  Illtistrated  med.  News.   Oct.  1889. 

')  Lancet.  18.  Ang.  1889. 

*)  Monatsh.  f.  prakt.  Dermatologie.  Bd.  11  (1890)  p.  449  u.  480. 

^)  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  Bd.  XIII,  p.  181. 

^  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  März  1892. 


24  B  o  e  c  k. 

oder  weniger  intensiv,  mehr  oder  weniger  verbreitet  auftritt, 
ziemlich  variable  Bilder  darbieten  kann.  Dass  sie  auch,  obschon 
sie  in  den  meisten  Fällen  mehr  als  eine  lästige  wie  eine  ge- 
gefahrliche  Krankheit  bezeichnet  werden  muss,  mitunter  ernst 
genug  werden  kann,  bewiesen  zur  Genüge  einige  der  von  Hut- 
chinson bei  dem  Berliner  Congresse  und  namentlich  bei  dem 
Wiener  dermatologischen  Congresse  demonstrirten  Tafeln. 

Ich  theile  also  hier  vier  einschlägige  Fälle  mit,  von  wel- 
chen namentlich  die  drei  ersten  typische  Beispiele  der  Krank- 
heit darstellen. 

I.  Fall:  E.  K.,  9jähriger  Knabe,  stellte  sich  am  18.  Juni  1891 
vor.  Die  Mutter  erzählte  sofort  unaufgefordert,  dass  die  Krankheit  jetzt 
drei  Sommer  nach  einander  aufgetreten  war.  Die  Krankheit 
kommt  jetzt  symmetrisch  auf  den  beiden  Wangen,  spurweise 
auf  der  Stirn,  vor  allem  aber  auf  der  Ränder-  und  der  Vor- 
derfläche der  beiden  Ohren  vor.  Sie  äussert  sich  dui'ch  tiefsitzende 
Yesikel  und  kleine  Bullae  von  Nadelspitz-  bis  mehr  wie  Erbsengrösse. 
Besonders  auf  den  Rändern  der  beiden  Ohren  sind  sie  g^ss  und  tief- 
greifend, und  zeigen  hier  ausserdem  theilweise  kleine  Hämorrhagien  in 
der  Tiefe.  Die  Ohren  sind  wegen  dieser  Blasen  so  empfindlich,  dass  er 
Nachts  nicht  auf  der  Seite  liegen  kann.  Auf  den  Wangen  sind  die  Yesikel 
nur  nadelspitz-  bis  nadelkopfgross.  Auch  auf  dem  rechten  Handrücken 
sieht  man  seit  vorgestern  einzelne,  kaum  nadelkopfgrosse  Yesikeln.  An 
den  hier  erwähnten  Hautpartien  sieht  man  ausserdem  zahlreiche,  grös- 
sere und  kleinere,  zum  Theil  ziemlich  tiefe  Narben  nach  den  früheren 
Eruptionen.  Aus  den  verschiedenen  Stadien,  die  an  den  jetzt  vorhandenen 
Yesikeln  und  Blasen  beobachtet  werden  können,  geht  hervor,  dass  die 
Efflorescenzen,  wenn  sie  einige  Tage  gestanden  haben,  in  der  Mitte  ein- 
sinken, um  einen  kleinen,  braunen  Schorf  zu  bilden,  der  nach  und  nach 
sich  über  die  ganze  frühere  Bulla  ausbreitet. 

Bald  sinkt  dieser  Schorf  vollständig  in  das  Niveau  der  angrenzenden 
Haut  herab,  bleibt  aber  ziemlich  lange  sitzen.  Wenn  er  endlich  ausfallt, 
lässt  er  eine  dauernde  Narbe  hinter  sich,  die  ziemlich  tief  sein  kann. 
Diesmal  fing  der  Ausbruch  zuerst  auf  den  Wangen  an  und  hat  jetzt  einen 
Monat  gedauert. 

Als  Behandlung  wurden  nur  Waschungen  zwei  Mal  täglich  mit 
gleichen  Theilen  Garbol-  und  Bleiwasser  mit  nachlblgender  Application 
von  Puder  verordnet. 

Als  ich  11  Tage  später  den  Pat.  wieder  sah,  war  das  Exanthem  auf 
den  Wangen  vollständig  abgelaufen  und  hatte  schwach  vertiefte,  über- 
häutete Narben  zurückgelassen.  Auf  den  Ohren  fSemden  sich  noch  eine 
ganze  Menge  Krusten  vor,  die  mit  Thiolwasser  1 : 5  bepinselt  wurden. 
Seitdem  habe  ich  vom  Pat.  nichts  erfahren. 


Vier  Fälle  von  Hydroa  vacciniforme,  Bazin.  25 

Dieser  erste  Fall  hatte  sich  also  im  7.  Lebensjahre  zuerst 
geäussert.  Es  war  ein  ausgeprägter,  aber  nicht  sehr  heftiger 
FalL   Der  folgende  war  schon  etwas  ernster. 

n.  Fall:  £.  R.,  3'/,  Jahre  alter  Knabe,  stellte  sich  am  26.  April 
1892  vor.  Der  Yater  berichtete,  dass  der  erste  Aosbruch  der  Krankheit 
sich  eingefunden  hatte,  als  der  Patient  vor  zwei  Jahren,  also  damals  nur 
ly,  Jahre  alt,  im  Frühjahre  zum  ersten  Male  in  die  freie  Luft  gebracht 
wurde.  Es  brach  dann  auf  der  Nase  und  den  beiden  Wangen  wie  auch 
über  den  Streckseiten  der  beiden  Vorderarme  mit  den  Handrücken  eine 
Eruption  von  Papeln  und  Yesikeln  hervor,  die  zu  Schorfen  eintrockneten, 
und  als  diese  herausfielen,  Narben  hinterliessen.  Die  Krankheit  kam  auch 
voriges  Frulgahr  und  vorigen  Sommer  wieder  und  ist  auch  dieses  Jahr 
vom  selben  Tage,  als  das  Kind  im  Frühjahre  in  die  Luft  gebracht  wurde, 
wiedergekommen.  Nach  der  bestimmten  Aussage  des  Vaters  finden  die 
Ausbrüche  sich  ganz  besonders  ein,  wenn  der  Pat.  der  directen  Einwirkung 
der  Sonnenstrahlen  ausgesetzt  wird.  Die  Krankheit  ist  jetzt  auf  der 
Nase,  den  Wangen,  den  Ohren  und  den  beiden  Handrücken  vor- 
handen. Auf  der  Nase  sieht  man  mehrere,  mehr  wie  erbsengrosse,  ge- 
spannte, weissliche,  ödematöse,  durchschimmernde  papulöse  Elevationen. 
In  der  Mitte  dieser  Efflorescenzen  sieht  man  violette  Punkte,  erweiterte 
Gelasse  und  kleine  Hamorrhagien  aus  der  Tiefe  hindurchschimmern, 
ganz  wie  man  es  in  einigen  Fällen  von  Acne  frontalis  und  necrotica  be- 
obachten kann. 

Eine  ähnliche,  hanfkomgrosse,  ödematöse,  wachsähnliche  Papel  mit 
violett  durchschimmernden  Gefassen  und  Hamorrhagien  sieht  man  auch 
am  rechten  Ohrläppchen.  Zahlreiche  weissliche,  besonders  im  Gesichte 
entstellende  Narben  von  früheren  Eruptionen  herstammend,  finden  sich 
im  Gesichte,  an  den  Streckseiten  der  Vorderarme,  besonders  gegen  die 
Radialseite  hin  und  auf  den  beiden  Handrücken  vor. 

Als  Behandlung  wurden  Waschungen  mit  Carbol-Bleiwasser  und 
ausserdem  während  der  Nacht  folgende  Bleiwasserpaste  verordnet: 

Rp.  Subnitrat.  bismuthici,  Amyli  äS  10*00,  Glycerini  8*00,  Aquae  sa- 
tuminae  q.  s.  ut  fiat  pasta  moUis. 

Zwei  Tage  spater,  am  28.  April,  ist  weiter  notirt:  Die  vorgestern 
auf  der  Nase  beobachteten  grossen  Bullae  oder  durchschimmernden  Papeln 
sind  heute  in  der  Mitte  eingesunken  und  es  haben  sich  hier  zum  Theil  mehr 
violette ,  zum  Theil  bräunliche  Schorfe  gebildet.  Um  diese  Schorfe 
herum  sieht  man  noch  einen  erhabenen,  weisslich  gelben  Limbus,  der 
eine  jetzt  etwas  gelbliche,  aber  nicht  purulente  Flüssigkeit  enthält.  Auf 
den  beiden  Wangen  sieht  man  heute  einige  noch  grössere,  beinahe 
bohnengrosse,  etwas  unregelmässig  contourirte  aber  scharf  begrenzte,  er- 
habene, serös  infiltrirte,  weissliche  Plaques,  die  fest  und  hart  anzufühlen 
und  von  einem  rothen  Halo  umgeben  sind.  Auch  auf  den  Handrücken 
seigen  einige  Efflorescenzen  einen  kleinen,  eingesunkenen,  braunen  Punkt 
in  der  Mitte.   Einige  neue  hanfkomgrosse  Papeln  oder  Vesikeln  sind  heute 


26  B  o  e  c  k. 

auf  dem  Rande  der  rechten  Concha  zum  Vorschein  gekommen.  Nach 
Punktion  derselben  sickert  ein  Tropfen  klares  Serum,  ganz  wie  bei  einer 
Yaccinepustel  heraus. 

30.  April:  Der  grosse  Plaque  auf  der  rechten  Wange  hat  sich 
in  der  Peripherie  erweitert ,  indem  sich  hier  ein  neuer  Blasenwall 
um  den  alten  Plaque  gebildet  hat.  Die  Nasenspitze  ist  jetzt  ganz  von 
dicken,  bräunlichen,  trockenen  Schorfen  gedeckt.  Auf  den  Handrücken 
sieht  man  fortwährend  einige  hanfkomgrosse  Papeln  mit  einem  bräun- 
lichen, eingesunkenen  Punkte  in  der  Mitte.  Die  vor  vier  Tagen  ganz  neue 
Vesikel  amrechtenOhrläppchen  ist  jetzt  schon  zu  einem  bräunlichen 
Schorfe  eingetrocknet,  der  fortwährend  doch  etwas  über  das  Niveau  der 
Haut  emporragt;  die  Mitte  dieses  Schorfes,  wo  früher  kleine  hämorrha- 
gische Punkte  sichtbar  waren,  ist  mehr  röthlich-braun,  die  Bänder  gelb- 
braun. Auf  den  Bändern  der  beiden  Ohren  sieht  man  eine  ganze 
Menge  kleiner,  bräunlicher,  trockener  Schorfe. 

9.  Mai:  Beinahe  alle  Schorfen  sind  jetzt  ausgefallen  und  haben 
grösseren  oder  kleineren  Substanzverlust  der  Haut  zurückgelassen;  nur 
auf  den  beiden  Wangen  sind  noch  die  grossen,  braunen  Schorfe  nach 
den  oben  erwähnten  bohnengrossen  Plaques  oder  Bullae  übrig. 

14.  Mai:  Seit  vorgestern  wieder  neue  Ausbrüche  von  klaren,  aber 
festen,  harten  Blasen  auf  der  Nase,  den  Wangen  und  den  Streckseiten 
der  Vorderarme.  In  einer  bohnengrossen  Blase  auf  der  Nase  sieht  man 
auch  diesmal  Hämorrhagien  in  der  Tiefe. 

Am  16.  Mai  sah  ich  zum  letzten  Male  den  Pat.  Die  Blasen  und 
Vesikel  waren  jetzt  sämmtlich  in  braune  Schorfe  umgewandelt.  Auf 
den  Vorderarmen  sind  doch  die  Schorfe  durchgehends  sehr  klein,  indem 
sie  nur  die  Mitte  der  kleinen  Papeln  decken,  was  dem  Bild  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  der  Schorfbildung  einer  Acne  necrotica  gibt.  Einige  Zeit 
nachher  hörte  ich  vom  Pat.,  dass  er  wenigstens  vorläufig  etwas  besser  war. 

Dieser  Fall  war  also,  wie  gesagt,  schon  etwas  ernsterer 
Natur.  Schon  im  Alter  von  V/^  Jahren  entstanden,  hatte  die 
Krankheit  ziemlich  grosse  und  tiefe,  entstellende  Narben  na- 
mentlich auf  der  Nase  hervorgebracht,  welche  letztere  sogar  in 
ihrer  Form  dabei  etwas  verunstaltet  erschien.  Auch  die 
jetzigen  Ausbrüche  traten  ja,  wie  man  gesehen,  mit  bohnen- 
grossen Plaques  und  Blasen  auf.  Es  ist  wohl  auch  sehr  zu  be- 
fürchten, dass  die  Krankheit  in  diesem  Falle  nicht  ihr  letztes 
Wort  gesprochen  hat. 

Der  folgende,  ebenfalls  ganz  typische  Fall,  kam  in  der 
Poliklinik  vor.  Die  dort  gemachten  Notizen  sind  ganz  kurz, 
aber  doch  hinreichend,  um  die  Natur  der  Krankheit  zu  zeigen. 

m.  Fall.  0.  0.,  12jähriger  Knabe,  stellte  sich  am  7.  Juni  1893  in 
der  Poliklinik  vor.    Die  Mutter  berichtete,  dass  Pat.  schon  den  vierten 


Vier  Fälle  von  Hydroa  vacciniforme,  Bazin.  27 

Sommer  an  seiner  Krankheit  litt.  Der  Nasenrücken,  die  Wangen,  zum 
Theil  das  Kinn  waren  mit  zahlreichen  nadelkopf-  bis  bohnengrossen,  zum 
Theil  ziemlich  tiefen  Narben  bedeckt.  Fat.  sah  beinahe  aus,  als  hätte  er 
an  Pocken  gelitten.  Von  neuen  Efflorescenzen  sah  man  jetzt  nur  einzelne 
hanfkomgrosse  Blasen  vor  den  Ohren  und  eine  ähnliche  Yesikel  hinter 
dem  rechten  Ohre.  Es  waren  ausserdem  einige  schon  eingetrocknete, 
bräunliche  Schorfe  den  Bandern  der  Conchae  aurium  entlang  zu  beobachten. 
Am  16.  Juni  fanden  sich  fortwährend  mehr  wie  erbsengrosse  Schorfe 
an  den  Ohren  und  ein  brauner  Schorf  auf  der  Nasenspitze  vor.  Später 
sah  ich  den  Pat.  nicht  mehr. 

Während  die  drei  ersten  Fälle  typische  Beispiele  der 
Krankheit  darstellen,  ist  dies  nicht  im  selben  Grade  mit  der 
folgenden  Krankengeschichte  der  FaU.  Eben  dieser  umstand 
verleiht  doch  vielleicht  diesem  Falle  ein  besonderes  Interesse. 
Erstens  ist  die  Krankheit  hier  nicht,  wie  gewöhnlich,  im  kind- 
lichen, sondern  im  reiferen  Alter  entstanden,  ebensowenig  wie 
sie  in  der  kalten  Jahreszeit  wieder  vollständig  schwand.  Auch 
die  Symptome  sind  in  einzelnen  Beziehungen  nicht  so  charakteri- 
stisch, indem  es  namentlich  nicht  zu  einer  so  deutlichen  Nekrose 
und  zu  Substanzverlust  der  Haut  kam.  Mittlerweile  fanden  sich 
doch  auch  hier  die  Eruptionen  ganz  besonders  im  Frühjahi'e 
ein  und  wurden  speciell  beim  Aufenthalte  in  der  freien  Luft 
hervorgerufen,  ja  sogar  nach  einem  ganz  kurzen  Spaziergang. 

Vorläufig  wenigstens  wird  gewiss  auch  dieser  Fall  hieher 
zu  rechnen  sein. 

IV.  Fall.  Fraulein  C.  P.,  27  Jahre  alt,  stellte  sich  am  6.  Mai  1892 
vor.  Sie  berichtet,  dass  sie  voriges  Frühjahr  zum  ersten  Male  eine  Erup- 
tion von  hanfkom-  bis  erbsengrossen,  klaren,  durchsichtigen  Blasen  auf 
dem  Kinn  hatte.  Kurz  nachher  brach  die  Krankheit  auch  auf  und  um 
die  Ohren,  auf  den  Extremitäten  und  zum  Theile  auch  auf  dem  Stamme 
hervor.  Auf  den  unteren  Extremitäten  trat  die  Krankheit  besonders  an 
den  beiden  Malleoli  intemi  auf,  auf  den  oberen  Extremitäten  speciell  um 
den  Ellenbogen  herum  und  von  hier  sich  sowohl  über  die  Beuge-  wie  die 
Streckseite  der  Vorderarme  verbreitend.  Die  Hände  sind  meistens  ganz 
frei  gewesen.  Die  Blasen  trockneten  im  Laufe  von  3  bis  4  Tagen  ein  und 
es  bildeten  sich  Schorfe  von  gelbbrauner  Farbe,  ¥^lche  ziemlich  schnell 
herausfielen  und  kaum  sichtbare,  etwas  röthliche  Stellen  hinter  sich  liessen. 
Auch  auf  den  Schultern,  über  die  Akromialregionen  wie  über  dem  oberen 
Theile  der  Brust  und  des  Rückens  kam  der  Ausschlag,  obschon  sparsamer, 
vor.  Die  Krankheit  ist  seit  ihrem  ersten  Auftreten  nur  während  ganz 
kurzer  Intei*valle  vollständig  geschwunden  gewesen,  aber  seit  dem  Monat 
April  dieses  Jahres  ist  sie  wieder  stärker  hervorgetreten. 


28  B  o  e  c  k. 

Stat.  präsens.  Die  Krankheit  kommt  jetzt  besonders  auf  dem 
ganzen  Kinn  und  den  ang^renzenden  Theilen  des  Gesichtes  vor;  sie 
äussert  sich  hier  mit  flach  erhabenen  Vesikeln  und  Bullae,  die  ziemlich 
fest  anzufühlen  sind.  Die  EfBorescenzen  sind  hanfkom-  bis  bohnengross. 
Eine  markirte  Einsenkung  in  der  Mitte  derselben  ist  hier  nicht  zu  be- 
obachten. Zwischen  den  frischen  Bläschen  und  Blasen  sieht  man  einige 
impetiginöse,  flache,  gelbe  Krusten.  Auf  dem  Septum  nasi  findet  sich 
auch  eine  erbsengrosse  Blase,  die  geborsten  ist  und  von  welcher  während 
der  Beobachtung  fortwährend  ein  klarer  Tropfen  niederträufelt.  Auf  der 
Beugefläche  der  Vorderarme  sieht  man  einige  hanfkomgrosse 
Yesikel,  von  welchen  einzelne  eine  Andeutung  von  Hämorrhagie  in  der 
Mitte  zeigen.  Die  Vesikel  zeigen  hier  eine  Neigung  zur  Gruppenbildung. 
Auf  den  unterenExtremitäten  kommt  die  Krankheit  um  die  beiden 
Mal.  intemi  vor  und  ausserdem  eine  erbsengrosse  Bulla  hinter  dem  linken 
Mal.  extemus.  Seit  einigen  Tagen  haben  sich  auch  Eruptionen  in  den 
Akromiolreg^onen  wieder  eingefunden.  Diese  Vesikeln  scheinen  doch  ein- 
zutrocknen, ohne  eine  merkbare  Nekrose  der  Haut  zu  veranlassen.  Auch 
auf  der  Vorder  fläche  der  Brust  sieht  man  eine  vereinzelte  neue, 
hanfkomgrosse,  harte,  feste  Vesikel.  An  den  früher  angegriffenen  Haut- 
partien sieht  man  schwach  pigmentirte  Flecken,  von  welchen  nur  einzelne 
eine  Andeutung  von  Substanzverlust  in  der  Haut  zeigen.  Aehnliche  Flecken 
finden  sich  ebenfalls  auf  der  inneren  Seite  der  Oberschenkel  bei  den 
Knien.  Fat.  spürt  ein  leichtes  Jucken  unmittelbar  vor  den  Ausbrüchen  und 
ein  paar  Tage  nachher;  sonst  sind  die  Eruptionen  nicht  von  Störungen 
des  Befindens  im  Allgemeinen  begleitet.  Es  wurde  der  Patientin  ange- 
rathen,  so  wenig  wie  nur  möglich  während  des  Tages  auszugehen. 

8.  Mai:  Nach  einem  kurzen  Spaziergang  gestern  Abend  bat  sie 
bedeutend  stärkere  Ausbrüche,  auf  dem  Kinn  bekommen  wie  je  früher. 
Man  sieht  jetzt  hier  eine  ganze  Menge  neue,  hanfkom-  bis  erbsengrosse, 
ganz  wasserklare,  durchsichtige,  stark  emporragende  Vesikeln  und  Bullae, 
von  denen  jedenfalls  einige  auf  nicht  hyperämischem  Boden  sitzen. 

10.  MaL  Die  vor  zwei  Tagen  auf  dem  Kinn  entstandenen  Blasen 
sind  schon  etwas  eingesunken  und  der  Inhalt  derselben  ist  theilweise  schon 
getrübt.  Die  vor  5  Tagen  erwähnte  Blase  beim  linken  Mal.  extemus  ist 
noch  nicht  eingetrocknet,  nur  etwas  geschrumpft  und  gerunzelt  und  der 
Inhalt  ist  fortwährend  klar,  serös.  Erst  nach  9  Tagen  hatte  diese  Bulla 
eine  dünne,  gelbliche  Kruste  gesetzt,  welche  nach  14  Tagen  noch  nicht 
abgefallen  war.  Am  25.  war  der  Ausschlag  beinahe  überall  geschwunden 
und  am  3.  Juni  ist  notirt,  dass  keine  neue  Ausbrüche  sich  eingestellt 
hatten  und  dass  der  Ausschlag  von  diesem  Jahre  nirgends  deutliche  Narben, 
nur  einige  pigmentirte  Flecken  hinter  sich  gelassen  hatte.  Aber  am  II. 
Juni  ist  wieder  notirt:  Fat.  ist  einige  Tage  verreist  gewesen,  bekam  aber 
noch  während  der  Reise  neue  Ausbrüche  von  zum  Theil  sehr  grossen, 
stark  erhabenen  Blasen  auf  dem  Kinn.  Später  habe  ich  die  Fatientin 
nicht  gesehen. 


Vier  Fälle  von  Hydroa  vacciniforme,  Bazin  29 

Ausser  den  schon  oben  erwähnten  Momenten,  durch 
welche  dieser  Fall  sich  von  den  am  meisten  typischen  unter- 
scheidet, kann  noch  erwähnt  werden,  dass  es  hier  nicht  während 
der  Involution  zu  einer  deutlichen  Umbilication  der  Efflores- 
cenzen  kam.  Dass  die  Krankheit  auch  auf  den  der  directen 
Einwirkung  der  Sonnenstrahlen  nicht  ausgesetzten  Hautpartien, 
z.  B.  auf  dem  Stamm,  auftrat,  verbietet  dagegen  keineswegs 
diesen  Fall  hieher  zu  rechnen;  schon  Bazin  nämlich  fuhrt 
ausdrücklich  an,  dass  diese  Krankheit,  wenn  sie  zuerst  die 
unbedeckten  Hautpartien  angegriffen,  sich  auch  über  andere 
Theile  des  Körpers  verbreiten  kann,  und  dies  ist  auch  zur 
Genüge  durch  die  Fälle  Hutchinson's,  wo  z.  B.  weit  ver- 
breitete Narben  auf  der  Brust  vorkamen,  demonstrirt  worden. 
Jedenfalls  kann  vor  der  Hand  ein  Fall  wie  der  obige  nicht 
mit  irgend  einer  anderen  Affection  als  eben  mit  der  hier  ab- 
gehandelten Krankheit  in  Verbindung  gebracht  werden. 

Der  recht  interessante  pathologische  Process,  um  welchen 
es  sich  hier  handelt,  wird  durch  die  drei  ersten  typischen 
Fälle  wenigstens  in  seinen  gröberen  Zügen  recht  klar  illustrirt. 
Es  entsteht  plötzlich  in  scharf  begrenzten  kleinen  Hautpartien 
eine  heftige  seröse  Exsudation,  die  ganz  besonders  die  Ober- 
haut, aber  auch  einen  Theil  der  unterliegenden  Lederhaut  in- 
filtrirt.  Das  Resultat  ist  die  Bildung  von  nadelkopf-  bis  zu  bohnen- 
grossen  und  noch  grösseren  blassen,  weisslichen,  halb  durch- 
schimmernden Papeln  und  papulösen  Elevationen  oder  sogar 
sofort  von  Blasen,  welche  sämmtliche  Efflorescenzen  sehr  hart 
und  fest  anzufühlen  sind.  Mitunter  kommen  auch  zusammen- 
hängende Plaques  von  weit  grösserem  Umfange  vor.  Dass  auch 
die  Lederhaut  vom  ersten  Momente  an  im  pathologischen  Pro- 
cesse  mit  einbegriffen  ist,  geht  aus  den  in  der  Tiefe  der  ganz 
frischen,  durchschimmernden  Efflorescencen  sichtbaren  violett- 
rothen  Pünktchen  hervor,  welche  letztere  nämlich  gewiss  eben- 
sowohl hier  wie  in  einigen  Fällen  von  Acne  fi'ontalis  s.  necrotica 
zum  Theil  erweiterte  Papillargefässe,  zum  Theil  kleine  Hämor- 
rhagien  bezeichnen.  In  der  Hegel  schon  nach  ein  paar  Tagen 
fangen  die  Effloreiscenzen  an  in  der  Mitte  einzusinken  und  zu 
bräunlichen  Schorfen  einzutrocknen,  die  anfangs  von  einem  er- 
liabenen   Limbus  von   der  noch    durchschimmernden  Randzone 


30  B  o  e  c  k. 

umfasst  sind.  Nachdem  auch  letztere  eingetrocknet  und  in 
das  Niveau  der  angrenzenden  Haut  herabgesunken  ist,  fängt 
nach  einiger  Zeit  der  ganze  Schorf  an  sich  abzulösen  um 
schliesslich  abzufallen,  worauf  ein  mehr  oder  weniger  tiefer 
Substanzverlust  der  Haut  übrig  bleibt.  Der  Process  endet  also 
auch  hier  mit  trockener  Gangi*än  der  Haut  ganz  wie  bei 
der  Acne  necrotica.  Im  Ganzen  ist  ja  die  Aehnlichkeit  des 
pathologischen  Processes  bei  diesen  beiden  Krankheiten  eine 
auffallende. 

"Was  aber  der  hier  in  Rede  stehenden  Krankheit  ein 
ganz  besonderes  Interesse  verleiht,  ist  die  so  deutliche  und  un- 
verkennbare ätiologische  Bedeutung  der  Einwirkung  des  Tages- 
lichtes. Ob  diese  Einwirkung  direct  auf  die  Zellen  der  Haut 
oder  durch  Vermittlung  der  Hautnelren  stattfindet,  ist  ja  viel- 
leicht vorläufig  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden;  aber  der 
Umstand,  dass  nicht  nur  die  Oberhaut,  sondern  zu  gleicher 
Zeit  auch  die  Lederhaut  sofort  reagirt,  sogar  mit  starker  Ge- 
fässerweiterung  und  Hämorrhagien,  scheint  ja  für  die  unmittel- 
bare Mitwirkung  der  Nerven  zu  sprechen.  Jedenfalls  ist  es, 
wie  Dr.  Buri  (1.  c.)  bemerkt,  von  grossem  Interesse  feststellen 
zu  können,  dass  ein  so  heftiger  pathologischer  Process,  der 
sogar  zur  Gangrän  der  Haut  führt,  durch  ein  Moment  dieser 
Art  zu  Stande  gebracht  werden  kann. 

üebrigens  kennen  wir  ja  schon  vorher,  selbst  abgesehen 
von  dem  Erythema  und  Ekzema  solare,  auch  andere  Haut- 
krankheiten, die  besonders  im  Sommer  hervorzubrechen  pflegen, 
z.  B.  die  von  Jonathan  Hutchinson  beschriebene,  sehr 
lästige  Sommerprurigo,  von  welcher  Krankheit  ich  im 
vorigen  Sommer  einen  sehr  ausgesprochenen  Fall  bei  einem 
Knaben  behandelte.  Auch  der  Lupus  erythematosus,  der 
überdies  bezüglich  der  Localisation  grosse  Uebereinstimmung 
mit  der  hier  abgehandelten  Krankheit  zeigt,  tritt  ja  für  gewöhn- 
lich eben  im  Frühjahre  und  während  des  Sommers  mit  seinen 
schlimmsten  Ausbrüchen  auf. 

Die  Histologie  der  hier  in  Bede  stehenden  Krankheit  ist 
noch  nicht  bearbeitet  worden.  Nur  hat  Dr.  Buri  durch  Unter- 
suchung der  herausgefallenen  Schorfe  nachgewiesen,  dass  die- 
selben Blutgefässe  enthielten. 


Vier  Fälle  von  Hydroa  Taccinifonne,  Bazin.  31 

Bei  der  Behandlung  sollte  es  wohl  versucht  werden,  die 
Ton  Unna*)  und  V  e  i  e  1")  gewonnene  Erfahrung  auszunützen,  näm- 
lich, dass  man  mittelst  der  Anwendung  von  curcumagefärbten  und 
rothen  Schleiern  die  Einwirkung  der  chemisch  wirkenden,  ultra- 
violetten Strahlen  des  Sonnenlichtes  theilweise  auszuschalten 
vermag.  Auch  verdient  gewiss  die  von  Hammer')  zum  selben 
Zwecke  empfohlene  wässerige  Chininlösung  und  Chinin-Glycerin- 
salbe  geprüft  zu  werden.  Die  von  mir  angewendete  Behandlung 
mit  Bleiwasser  und  Bleiwasserpasten  schien  übrigens  auch  nicht 
unwirksam  zu  sein. 


»)  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  1885,  p.  286—94. 
•)  Yierte^ahresBchr.  f.  Dermatologie.  1887,  p.  1113. 
*)  Dr.  Hammer,    üeber  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Haut. 
Stuttgart  1892. 


üeber  Liehen  serofulosorum. 

Von 

Prof.  Dr.  £»kafl#ewieas  in  Innsbruck.  ^) 

(ffierzu  Taf.  I— EI.) 


Alle  Enötcheneruptionen  auf  der  Haut  wurden  seit  Will  an 
als  Liehen  bezeichnet.  Da  jedoch  das  Hautorgan  bei  sehr  ver- 
schiedenen Erkrankungen  diese  Eruptionsform  darbietet,  so  er- 
schwerte eine  derartige,  sich  bloss  auf  dieses  einzige  Symptom 
stützende  Nomenclatur,  die  systematische  Gruppirung  vieler 
Dermatosen.  Hebra  hat,  in  seinem  Bestreben  Hautkrankheiten 
in  ein  System  zu  ordnen,  für  den  Krankheitsbegriff  Liehen  po- 
stulirt,  dass  die  Enötchenform  einen  constanten  und  wesent- 
lichen Bestandtheil  des  Krankheitsprocesses  ausmache  und  er 
bezeichnete  nun  mit  diesem  Namen  zwei,  von  einander  sehr 
verschiedene  Hauterkrankungen,  welche  aber  eben  während  ihres 
ganzen  chronischen  Verlaufes  durch  Knötchenbildung  charakte- 
risirt  sind.  Die  eine  von  diesen  Krankheiten  nannte  er  Liehen 
ruber,  die  andere  Liehen  srcofulosorum.  An  dieser  Ein- 
theilung  wurde  auch  seither  von  fast  allen  Dermatologen  fest- 
gehalten. In  der  letzten  Zeit  haben  die  Franzosen  (Vi dal, 
Brocq  und  Jaquet)  von  neuem  den  Willan'schen  Liehen 
Simplex  circumseriptus  (das  Eczema  lichenoides  der  Wiener 
Schule)  als   eine  besondere  Lichenform   aufgestellt.     Vi  dal  ^) 


')  Diese  Arbeit  datirt  zum  grössten  Theile  noch  aus  der  Wiener 
Dienstzeit  des  Antors  an  der  Klinik  Kaposi's. 

*)  Vortrag,  gehalten  am  6.  September  1892  beim  II.  internationalen 
dermatolog^sehen  Gongress  in  Wien. 

ArchiT  f.  Donnmtol.  v.  Syphil.  Band  XXVI.  3 


34  Lukasiewicz. 

hat  sogar  die  Prurigo  in  die  Lichengruppe  eingereiht.  Trotzdem 
erscheint  uns  die  Hebra'sche  Eintheilung  nach  den  prävali- 
renden  klinischen  Symptomen  als  die  einzig  richtige.  Dagegen 
halte  ich  die  subjectiven  Symptome  insbesondere  den  Pruritus 
(von  vielen  Franzosen  noch  heute  unrichtig  Prurigo  bezeichnet) 
und  das  durch  Kratzen  veranlasste  Auftreten  von  Knötchen 
(Brocq's  Lichenification)  am  wenigsten  geeignet  als  Einthei- 
lungsgrund  herangezogen  zu  werden. 

Der  zuerst  klinisch  von  Hebra,  histologisch  von  Kaposi 
bearbeitete  „Liehen  scrofulosorum"  ist  erst  in  der  letzten  Zeit 
wieder  einer  neuen  Erörterung  unterzogen  worden.  Jakobi^) 
hat  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  den  Process  als  eine 
Form  der  Hauttuberculose  dargestellt.  Bald  darauf  wurde  auch 
in  Frankreich,  wo  diese  AfFection  trotz  zweier  französischer  Pu- 
blicationen  (Lailler,  *)  Hardy,*)  nicht  allgemein  gekannt 
war,  anerkannt.  Noch  vor  drei  Jahren  hatte  ich  selbst  Gelegen- 
heit, mich  im  Hospital  St.  Louis  zu  überzeugen,  dass  unsere 
Dermatose  dort  nicht  bekannt  war.  Brocq  schrieb  darüber 
in  seinem  „Traitement  des  Maladies  de  la  peau**  (890):  „II 
semble  resulter  de  la  discussion  qui  a  eu  lieu  au  Congres  de 
1889  que  le  L.  scrofulosorum  doit  etre  considere  comme  une 
Variete  speciale  de  folliculite  pilosebacee."  Dieselbe  Ansicht 
sprachen  auch  Besnier  und  Doyon  aus  in  den  Commenti- 
rungen  zu  ihrer  Uebersetzung  des  Kaposi'schen  Lehrbuches 
der  Hautkrankheiten  (2.  Au£L  T.  1,  p.  626).  Nun  stellte  im 
März  1892  Hallopeau  in  der  Soc.  fran.  d.  Dermatol.  et  d. 
Syphilogr.*)  einen  Fall  von  Liehen  scofulosorum  vor  und  hob 
dabei  die  tuberculöse  Natur  dieser  Dermatose  und  ihr  seltenes 
Vorkommen  in  St.  Louis  hervor.  Etwas  später  demonstnrte 
Thibierge  daselbst  auch  einen  Fall  von  Liehen  scr.  (1.  c.  p.  704). 

Aehnlich  wie  zuerst  Jakobi  und  dann  Hallopeau  hat 
sich  neulich  Sack*)  auf  Grund  eines  von  ihm  in  Wien  be- 


')  Yerhandl.  der  denischen  dermat.  Ges.  Leipzig  1891.  (3.  Congress.) 
>)  La  France  Med.  1877,  p.  618,  630. 
»)  Gaz.  des  Hop.  1877,  p.  1161. 
*)  Ann.  de  Derm.  et  de  syph.  1892,  p.  284,  461. 
')  Zur  Anatomie  nnd  Pathogenie  des  Liehen  scrofalosomm.  Monatsh. 
für  prakt.  Denn.  Bd.  XVI,  p.  437. 


Ueber  Xichen  scrofalosorum.  35 

obachteten  Falles  für  den  tuberculösen  Charakter  dieses  Lei- 
dens entschieden. 

Von  englischen  und  amerikanischen  Autoren  wurden 
mehrere  Fälle  dieser  Affection  beschrieben.  (Tilbury  Fox,*) 
Radcliff  Crocker,«)  Brouson,»)  Bulkley,*)  Shep- 
herd,*)  Gottheil, •)  Josef  Grindon.)^  In  der  letzten 
Zeit  demonstrirte  C.  G.  Currier  einen  Fall  in  der  „New. 
York.  Dermatological  Society"  ®)  als  Liehen  scrofulosorum, 
Lustgarten  hielt  denselben  für  Syphilis. 

Trotzdem  diese  Dermatose  nun,  wie  ich  schon  Eingangs 
erwähnte,  zu  den  klinisch  genau  durchgearbeiteten  gehört,  er- 
scheinen mir  dennoch  meine  diesbezüglichen  Beobachtungen 
und  Untersuchungen  mittheilenswerth.  Es  yeranlassen  mich  dazu 
sowohl  die  grosse  Zahl  der  von  mir  (zumeist  an  der  Wiener 
dermatologischen  Klinik)  beobachteten  und  histologisch  unter- 
suchten Fälle,  als  auch  die  Verschiedenheit  meiner  Ansichten 
Ton  den,  in  der  letzten  Zeit  über  diese  Affection  geäusserten. 
Meine  Beobachtungen  erstrecken  sich  auf  43  Liehen  scrofulosorum 
Kranke  und  zwar:  35  Männer  und  8  Weiber.  Sie  boten  durch- 
wegs die  charakteristischen  von  Hebra  beschriebenen  Erschei- 
nungen dar,  so  dass  für  einen  Fachmann  die  Diagnose  keiner 
Schwierigkeit  unterlag:  Auf  der  meist  trockenen  Haut  befanden 
sich  nämlich  mit  stetiger  hauptsächlicher  Localisation  am  Stamme, 
lebhafte  bis  dunkelbraunrothe,  schlappe,  alsbald  ein  dünnes, 
fettiges  Schüppchen  oder  ein  winziges  Pustelchen  tragende 
hirsekom-  bis  stecknadelkopfgrosse,  meist  in  kreuzer-  bis 
thalergrosse  Haufen  gestellte,  einzeln  auch  discrete,  oder  in 
Kreislinien  angeordnete  Knötchen.    Bei  einzelnen  occupirte  die 


')  Tilbury  Fox.  Trans.  Lond.  Clin.  Soc.  1879,  p.  190. 

')  H.  Radcliffe  Grocker  ibid.  p.  195. 

')  Bronson.  „Gase  of  Liehen  Scroful.'^  Arch.  ofDerm.  1882,  p.  188. 

*)  Bulkley.  „Analysis  of  8000  cases  of  skin  dis.  G.  Fall  L.  scr.  ibid. 

*)  Shepherd.  Ganada  Med.  and  Sarg.  Joom.  1880 — 1,  p.  280. 

*)  Gottheil.  Notes  of  a  Gase  of  Liehen  scrofulosus.  Jonm.  of  Gut. 
and  Yener.  Diseases.  1886,  p.  133. 

^)  Grindon.  A  Gase  of  Liehen  Scroftdosoram.  Joam.  of  Gut.  and 
Gen.  Urin.  Dis.  1892,  p.  163. 

■)  Ibid.  p.  403. 

3* 


36  Lukasiewicz. 

Eruption  auch  die  Extremitäten.  Nebstdem  fand  sich  auch  häufig 
das  schon  von  Hebra  hervorgehobene  eigenthümliche  Ekzem 
der  Regio  pubica  et  inguinalis,  nebst  schlappen  Pustebi  hier 
und  an  den  unteren  Extremitäten  (Acne  cachecticorum). 

Bei   21   von   unseren  Fällen  fand   sich  die  Affection  nur 
am  Stamme  (Bauch,  untere  Brusthälfte,  Rücken)  bei  11  Fällen 
ausserdem  an  den  Extremitäten,  Streck-  und  auch  Beugeseiten. 
Bei  einer  Frau  dagegen  nur  die  unteren  Extremitäten  mit  Liehen 
scr.  Efflorescenzen   dicht  besäet.    In   dem  letzten  Fall  war  die 
Diagnose  recht   schwer,    es  handelte   sich  um  eine  etwas  anä- 
mische  sonst  ganz   gesunde   21jährige  Frau,    die  vier  Wochen 
vor  ihrer  Spitalsaufnahme   ein   gesundes  Kind  geboren   hatte. 
Der  bis  auf  die  Localisation  typische  L.  scrof.  hatte  sich  bei  ihr 
in  den  letzten  Schwangerschaftsmonaten  entwickelt  und  schwand 
auf  roborirende   Behandlung  (Ferr.    oxalicum,    innerlich).     Die 
Efflorescenzen  waren  in  36  unserer  Fälle  theils  zu  Kreisen  und 
Kreissegmenten  gruppirt,  bildeten  aber  meist  kreuzer-  bis  thaler- 
grosse  Plaques.   Ihre  Zusammensetzung  aus  Knötchen  war  fast 
immer  ersichtlich.  In  wenigen  (7)  unserer  Fälle  waren  die  Knöt- 
chen  dicht  gedrängt  und  gleichmässig  über   die  ganze  afficirte 
Hautpartie  vertheilt,  ohne  eine  besondere  Anordnung  zu  zeigen. 
Die  Dauer    der  Affection   war   von    10  Wochen   bis    zu   einem 
Jahre.    Bei    der  Rückbildung   blassten    die   Efflorescenzen   ab, 
wurden  flacher  und  schuppten   so  stark,    dass  gewöhnlich  eine 
allgemeine  Desquamation  entstand.  Dann  sahen  wir  die  kleinsten 
und  kurz  bestehenden  Lichen-Knötchen   spurlos,    die   grösseren 
mit  Hinterlassung  seichter,    dunkel  pigmentirter  Hautatrophien 
verschwinden.  Am  deutlichsten  waren  die  letzteren  nach  Rück- 
bildung der  Plaques.    Diese  makroskopisch  als  narbenähnliche 
Grübchen  wahrnehmbare  Atrophien  fanden  auch  im  mikrosko- 
pischen Befunde  ihre  Erläuterung,    wie    dies   weiter  angeführt 
werden  soll. 

Obgleich  erfahrungsgemäss  auch  schon  bei  einer  einfach 
roborirenden  Behandlung  selbst  die  schwersten  Fälle  in  mehre- 
ren (2 — ^8)  Wochen  sich  zuiückbildeten  machten  wir  doch  auch 
behufs  rascheren  Effectes  von  localer  Therapie  Gebrauch.  (Oleum 
jecor.  aselli,  Zinkpasta,  Borsalbe,  Ichthyol,  Bäder.) 


üeber  Liehen  Bcrofulosorum.  37 

Bei  zwei  Kranken  traten  Recidiven  2  Monate  nach  ihrer 
Spitalsentlassung  auf.  Ein  Kranker  mit  ausgedehntem  Lupus 
vulgaris  der  Extremitäten  bekam  während  drei  Jahre  4  Recidiven 
von  Liehen  scr.  am  Stamme,  ohne  dass  dabei  eine  Verschlim- 
merung des  Lupus  zu  constatiren  gewesen  wäre.  An  der  Inns- 
brucker Klinik  hatte  ich  die  Gelegenheit  zwei  Lupusfalle  zu 
beobachten,  die  vor  1  Jahre  an  Liehen  scroful.  litten,  dann  aber 
trotz  bedeutender  Verschlimmerung  des  Lupus  keine  Recidive 
vom  ersteren  bekamen.  Die  Recidiven  traten  im  allgemeinen  bei 
ärmlichen  Individuen  auf,  welche  sich  ausserhalb  des  Spitals 
in  schlechten  Lebensverhältnissen  befanden.  Die  Frist  zwischen 
dem  Auftreten  derselben  betrug  einen  Monat  bis  zu  einem 
Jahre. 

Was  das  Alter  der  Kranken  anbelangt,  so  hatten  wir  öfter 
Gelegenheit  in  der  Ambulanz  der  Wiener  dermatologischen 
Klinik  auch  Kinder  von  mehreren  Monaten  bis  zu  mehreren 
Jahren  mit  dieser  Affection  zu  sehen.  Sonst  waren  Fälle: 

1  mit    7  Jahren  2  mit  20  Jahren 

1    .       8       „  3    „     21       „ 

2»9jj  1„22„ 

1  .     11        n  3    „      23       , 

2  „     12       ,  3    „      25       , 

3  w     13       „  1    „      26       „ 

4  „     15       „  2    „      28       „ 

2  «  16  ,  1  „  29  „ 
1  n  17  ,  1  „  31  „ 

3  „  18  ,  1  „  32  „ 

4  „  19  „  1  „  56  „ 

Von  CompUcationen  fanden  sich  bei  diesen  Fällen  vor: 
Bei  7  Individuen  indolente  Drüsenpackete  (scrophulöse  Lympha- 
denitis) meistentheils  am  Halse,  Nacken  und  in  der  Achselhöhle. 
Bei  3  Individuen  Scrophuloderma  (exulcerirende,  knotige  aus 
dem  subcutanen  Gewebe  auf  die  Haut  übergreifende  Infiltrations- 
herde), bei  einem  von  diesen  Canes  der  Fussknochen. 

3  Kranke  boten  Conjunctivitis  Ijmphatica,  einer  Narben 
nach  derselben  dar.  6  weitere  litten  an  Lupus  vulgaris  (2  faciei, 
4  extremitatum),  2  an  kalten  Abscessen.  Ein  sonst  sehr  kräftig 


38  Lukasiewicz. 

gebauter  und  gut  genährter  Kranker  (Wiener  Beobachtung)  mit 
Lymphadenomata  colli  bot  am  Stamme  eine  Lieh.  scr.  Eruption 
dar.     (Aus  dem  Grunde  wurde  er  vom  Prof.  Kaposi  in  der 
W.  denn.  Gesellsch.  vorgestellt.  Sitzgsb.  v.  20.  Mai  1891.)  Nur 
einer  unter  unseren  L.  scr.  Kranken  ist  an  allgemeiner  Tuber- 
culose  zu  Grunde  gegangen.  Dies  war  ein  23  J.  alter  cachecti- 
scher  Mann,    der    5  Monate   vor   seinem   Spitalseintritte   Lieh, 
scroph.  bekam.  Man  constatirte  bei  seiner  Aufnahme  neben  einer 
Pericarditis   beiderseitige,  theilweise  exulcerirende   tuberculöse 
Lymphdrüsengeschwülste   am   Halse,    die    sich    bis   unter   das 
Stemum  verfolgen  liessen.  Während  des  dreimonatlichen  Spitals- 
aufenthaltes  bildete    sich    das  Exanthem    bei    vorschreitender 
Cachexie   des  Kranken  meistentheils  zurück,   so   dass   die   er- 
krankte Haut  weiss,   verdünnt,  leicht  gefaltet  und  schuppend 
wurde.  Vor  dem  Tode  des  Patienten  waren  nur  spärliche  Lichen- 
Knötchen  mit  abschuppender  Epidermis  vorhanden.   Die  Necro- 
skopie  ergab  in  diesem  Falle  Tuberculöse  des  Pericards,    der 
Hals-,  Mediastinal-  und  Bronchialdrüsen. 

Von  anderen  Complicationen  beobachteten  wir  in  11  unserer 
Fälle  ein,  wie  schon  H  e  b  r  a  seinerzeit  als  bei  L.  scroph.  häufig 
vorkommend  beschrieben,  scharf  begrenztes,  stark  nässendes 
Ekzem,  welches  gewöhnlich  von  der  Leistengegend  ausgehend, 
auf  den  Bauch  und  das  Scrotum  übergriff.  Oft  involvirten  sich 
die  Liehen  scr.  Knötchen  während  das  Ekzem  noch  fort  be- 
stand. Andererseits  bekamen  wir  oft  zur  Behandlung  bei  lym- 
phatischen Individuen  scharf  begrenzte,  nässende  Ekzeme  mit 
ähnlicher  Localisation,  die  auf  vorangegangenen  Liehen  scr. 
zurückzuführen  waren  und  neben  localer  eine  roborirende  Be- 
handlung erforderten.  Ungefähr  in  der  Hälfte  der  von  mir  be- 
obachteten Liehen  scr.  Fälle  sah  ich  die  ebenfalls  schon  von 
Hebra  für  diese  Krankheit  hervorgehobenen  Acne  (cachecti- 
corum)  Pusteln.  Sie  waren  lividroth,  bis  linsengross  mit  einem 
dunkleren  hämorrhagischen  Hof  umgeben,  schlapp  und  zumeist 
an  den  Extremitäten  localisirt.  Mit  der  Besserung  des  Allge- 
meinzustandes der  Kranken  involvirten  sich  auch  diese  Efflores- 
cenzen,  indem  ihr  Inhalt  mit  der  Pusteldecke  zu  Borken  ein- 
trocknete und  nach  dem  Abfallen  derselben  ein  frisch  über- 
häuteter,  oft  tiefer  Defect  entstand  (Narbe). 


üeber  Liehen  scrofalosoruin.  39 

Bei  acht  £j*anken  Hess  sich  hereditäre  Belastung  nach- 
weisen, es  kam  nämlich  in  ihrer  Familie  Tuberculose  vor.  Da- 
gegen sah  ich  7  mit  typischem  Liehen  scrophulorum  behaftete 
Individuen,  die  sonst  gänzlich  gesund,  hereditär  nicht  belastet 
und  von  kräftigem  Körperbau  waren,  wenn  auch  ihr  Ernährungs- 
zustand direct  vor  der  Eruption  des  Exanthems  abgenommen 
hatte.  Unter  diesen  verdient  ein  FaU  näher  erörtert  zu  werden, 
in  welchem  die  Affection  sowohl  klinisch,  als  histologisch  am 
intensivsten  entwickelt  war. 

Es  handelte  sich  um  eine  32jähr.  Magd  (F.  Z.),  die  angeb- 
lich früher  ünmer  gesund  gewesen  sein  soll.  Menstruation  im 
16.  Lebensjahre,  seither  regelmässig.  Ungefähr  ein  Jakr  vor 
ihrer  Spitalsaufnahme  bemerkte  sie  die  Entwicklung  eines  Aus- 
schlages. Dieser  begann  angeblich  in  den  Ellenbeugen,  am 
Rücken  und  an  den  Unterschenkeln  zu  gleicher  Zeit.  Es  bil- 
deten sich  rothe,  leicht  erhabene  „Flecke",  die  sich  später  ver- 
grösserten  und  zu  schuppen  anfingen.  Nach  2  Monaten  sollen 
sie  ganz  abgeblasst  gewesen  sein.  Drei  Monate  vor  dem  Spitals- 
eintritte entwickelten  sich  nun  ähnliche  „Flecke",  jedoch  in  viel 
intensiverer  Weise,  an  der  Brust,  an  der  Taille,  am  Rücken  und 
an  den  Extremitäten.  Seit  der  ersten  Eruption  soll  Patientin 
blässer  und  etwas  abgemagert  sein.  Bei  der  Untersuchung 
konnten  wir  folgenden  Befund  constatiren.  Ein  mittelgrosses 
Individuum,  Musculatur  gut  entwickelt,  Knochenbau  kräftig, 
Schleimhäute  blass.  Thorax  kurz  und  breit,  über  den  Lungen 
heller  Percussionsschall ,  vesiculäres  Athmen ,  Herzdämpfung 
nicht  vergrössert,  Töne  rein,  Abdominalorgane  normal.  Im  Ge- 
sichte  mehrere  pfenniggrosse  braune  Chloasma-Flecke.  An  der 
vorderen  Brustfläche  und  zwar  an  den  Brüsten  und  der  oberen 
Brustapertur  zerstreute,  an  den  unteren  Thoraxpartien,  dicht 
beisammen  stehende  kreuzer-  bis  thalergrosse,  am  Rande  etwas 
erhabene,  braunrothe,  mit  feinen  Schuppen  bedeckte,  im  Gentrum 
blasse,  mehr  braun  gefärbte  Plaques  von  Nieren-,  Kreis-  und 
Schlangen-FomL  Bei  genauer  Betrachtung  bestehen  die  einzelnen 
Plaques  aus  etwa  hirsekomgrossen,  braunrothen,  konischen,  fein- 
schuppenden, auf  Fingerdruck  abblassenden  Knötchen.  Diese  con- 
fluiren  an  manchen  Stellen  zu  diffusen,  massig  derben  Infil- 
traten, so  dass  sie  in  denselben  ganz  aufgehen.    Der  Nabel  ist 


40  £aka8ie'wicz. 

von  einer  Gruppe  hirsekomgrossen,  flachen,  blassrothen,  licht 
schuppenden  Knötchen  kreisförmig  umgeben.  Zwischen  den 
geschilderten,  deutlich  aus  Knötchen  zusammengesetzten  Plaques 
sieht  man  dann  einzelne  bis  kreuzergrosse,  blassrothe,  unregel- 
mässig begrenzte,  flache,  abschilfernde  Infiltrate.  An  ein- 
zelnen Stellen  wieder,  theils  am  Bande  der  Plaques,  theils 
isolirt,  befinden  sich  die  charakteristischen  Pusteln  mit 
hämorrhagischem  Hof  (Acne  cachecticorum).  Besonders  an  der 
Taille  (also  an  der  von  Kleidern  gereizten  Stelle)  sind  diese 
Efflorescenzen  in  grossen  elyptischen  Figuren  angeordnet.  Am 
Bücken,  dem  Interscapularraum  entsprechend,  sieht  man  bis 
kreuzergrosse,  blass  braunrothe,  leicht  erhabene,  schilfernde, 
unter  dem  Fingerdruck  abblassende  Infiltrate.  Ihre  Zusammen- 
setzung aus  Knötchen  ist  nur  stellenweise  erkennbar.  Aehnliche 
mehr  längliche  Plaques  sieht  man  an  den  Ellen-  und  Knie- 
beugen, einzelne  zerstreute  auch  an  den  Unterschenkeln  und 
Fussrücken.  Nach  einem  sechswöchentlichen  Aufenthalte  der 
Patientin  auf  der  Klinik  hat  sich  ihr  Leiden  unter  innerlicher 
Behandlung  mit  Morrhuol  (6  Kapseln  zu  0*2  täglich)  fast  ganz 
rückgebildet. 

Bei  der  histologischen  Untersuchung  dieses  Falles  in  der 
ersten  Hälfte  des  Jahres  1890  habe  ich  typische  Langhan s- 
sche  Biesen^ellen  gefunden,  was  ich  auch  meinem  damaligen 
Chef  Prof.  Kaposi  demoDstrirte. 

Ich  habe  gleichzeitig  noch  in  vielen  anderen  Dermatosen, 
wie  bei  der  von  mir  beschriebenen  „Folliculitis  exulcerans, 
Acne  teleangiectodes  (Kaposi),  Folliculitis  necrotisans  (Kaposi), 
Bron^ß.cne,  den  Abscessen  nach  Morphiuminjectionen  typische 
Biesenzellen  nachgewiesen.  Den  letzteren  jedoch  habe  ich  nicht 
die  Bedeutung  tuberculöser  Elemente  beigemessen,  da  es  jetzt 
allgemein  bekannt  ist,  da  sie  nicht  nur  bei  Tuberculose  (Lang- 
hans-Schuppe  Tsche  Ansicht),  sondern  auch  in  den  Pro- 
ducten  anderer  verschiedenartiger  Processe  vorkommen.  Weitere 
Untersuchungen  und  der  klinische  Verlauf  erwähnter  Dermatosen 
bewiesen  mir  zur  Genüge  ihre  nichttqberculöse  Natur. 

Zur  histologischen  Untersuchung  benützte  ich  Hautstücke 
von  zwölf  Fällen,  indem  ich  sowohl  in  der  Entwicklung  be- 
griffene,   als    correct   vorgeschrittene   Knötchen,    Infiltrate  und 


Üeber  Liehen  serofiilosorum.  41 

Pusteln  histologisch  untersuchte.  Die  excidirten  Hautstücke 
wurden  theils  in  Alkohol^  theils  in  Flemming  oder  Sublimat  fixirt 
und  zum  Schneiden  in  CoUoidin  eingebettet.  Die  Schnitte  wurden 
nach  verschiedenen  Methoden,  insbesondere  mit  Alauncarmin, 
Hämatoxilin-Eosin  nach  £  h  r  1  i  c  h  und  Zi  e  hl -Ne  eis  engefärbt. 

Uebereinstimmend  mit  den  zuerst  von  Kaposi  veröffent- 
lichten histologischen  Untersuchungen  fand  ich  an  meinen  Prä- 
paraten sehr  oft  den  Ausgangspunkt  des  Processes  in  den 
Haarbälgen  und  zwar  um  die  Talgdrüsen  herum  (Fig.  1  und 
2  il),  nichtsdestoweniger  scheint  mir  den  Knäueldrüsen  eine 
wichtige  Rolle  an  der  Erkrankung  zuzu&Ilen.  In  den  jüngsten 
Liehen  scr.-Knötchen  fand  ich  entsprechend  den  Haarbälgen 
(Fig.  1  Ä)  junges  Granulationsgewebe,  welches  meistentheils 
aus  grosseren  spindelförmigen,  mit  einem  grossen,  ovalen, 
bläschenförmigen  Kerne  versehenen  Zellen  (epitheloiden  nach 
Ziegler)  (Fig.  1,  2  a)  bestand.  Yerhältnissmässig  spärlich 
waren  in  diesen  herdförmigen  Infiltraten  die  Bundzellen  vertreten. 
Mit  weiterem  Yorschreiten  des  Processes  geht  die  Drüse  im 
Granulationsgewebe  immer  mehr  und  mehr  auf,  so  dass  die 
Cutis-Partie  zwischen  dem  Haarbalge  und  dem  Arrector  pili 
mit  der  Zeit  vom  Infiltrat  ganz  ausgefüllt  wird.  Das  letztere 
ist  anÜGuigB  in  dem,  der  Drüse  entsprechenden  Theile  des  Haar- 
balges  am  mächtigsten  entwickelt.  In  etwas  voi^eschrittenen 
Stadien  findet  man  daselbst  mehrere  unregelmässige,  kleinere 
Riesenzellen,  mit  central  angeordneten  Kernen  (Fig.  1,  2  b). 
Diese  Zellen  werden  in  späteren  Stadien  des  Processes  zahl- 
reicher und  sind  zu  mehreren  aggregirt,  oder  ganz  unregel- 
mäsaig  zerstreut.  Die  Infiltrate  kommen  in  streifenförmigen 
Herden  vor  (Fig.  1,  2)  imd  lassen  sich  auch  um  die  Gefässe 
und  Lymphspalten  herum  verfolgen.  Sie  sind  daselbst  nicht  so 
massenhaft  und  bestehen  vorwiegend  aus  länglichen  Epitheloid- 
zellen.  Die  Blutgefässe  sind  dann  erweitert,  ihre  Wände  zellig 
infiltrirt,  ihr  Endothel  wuchert.  (Fig.  1  Ä) 

Bereits  in  den  Anfangsstadien  der  Affection  ist  die  Fort- 
setzung der  Haarbalginfiltrate  in  den  benachbarten  Papillen 
nachweisbar  (Fig.  1).  Um  die  sichtlich  erweiterten  Papillargefässe 
herum  liegen  schmale  streifenförmige  Granulationsherde,  welche 
an&ngs  weder  die  Papillen  ausfüllen,  noch  bis  zur  Epidermis 


42  Lnkasiewicz. 

reichen.  Die  Mitbetheiligung  der  Enäueldrüsen  an  der  Affection 
ist  in  allen  Stadien  des  Processes  zu  constatiren.  (Fig.  1,  2, 
3  C)  Anfangs  sieht  man  entsprechend  dem  Gefassreichthum 
dieser  Gebilde  eine  rundzellige  Infiltration  derselben.  Sehr  bald 
aber  entwickelt  sich  an  ihrer  Stelle  ein  Granulationsgewebe  mit 
vorherrschenden  epitheloiden  und  grösseren,  runden  Riesen- 
zellen. (Fig.  3  D.)  Diese  letzteren  sind  scharf  contourirt  und 
enthalten  randständige,  oft  in  einem  Zellensegmente  gedrängte 
Kerne.  Entsprechend  dem  aus  dem  Drüsenknäuel  in  die  Höhe 
aufsteigenden  Ausführungsgange  lässt  sich  oft  längs  desselben 
eine  streifenförmige  Fortsetzung  der  Infiltrate  verfolgen.  In  den 
weiter  fortgeschrittenen  Stadien  wird  das  Gewebe  der  Knäuel- 
drüsen vom  Granulationsgewebe  verdrängt,  (Fig.  2,  3  £)  und 
nux  hie  und  da  ist  das  erste  noch  als  solches  erkennbar. 
Man  sieht  dann  eine  scharfe  Begrenzung  solcher  meist 
runder  Infiltrationsherde  in  der  Drüsenschicht  und  eine 
oft  regelmässig  kreisförmige  Anordnung  grosser  Biesenzellen 
in  denselben.  (Fig.  3  D.)  Die  aus  den  Haarbälgen  her- 
vorgegangenen Infiltrate  hängen  oft  mit  den  der  Knäuel- 
drüsen zusammen.  Die  Hautschicht  der  Talg-  und  Schweiss- 
drüsen  bleibt  lange  an  der  Erkrankung  hauptsächlich  betheiligt, 
indem  die  Papillen  nur  die  früher  erwähnten  schmalen,  streifen- 
förmigen Herde  zeigen.  Später  werden  sowohl  die  Infiltrate  des 
Stratum  subpapillare,  als  auch  die  der  Papillen  mächtiger.  Die 
letzteren  nehmen  dann  an  Grösse  zu  und  werden  von  einem 
deutlich  vascularisirten  Granulationsgewebe  ausgefüllt.  (Fig.  1.) 
In  diesem  sind  gewöhnlich  mehrere  mittelgrosse,  scharf  contou- 
rirte,  mit  randständigen  Kernen  versehene  Riesenzellen  (Fig.  1, 
2  b)  vorhanden,  welche  die  obersten  Partien  der  Infiltrate  ein- 
nehmen. Die  am  stärksten  vertretenen  Epitheloidzellen  sitzen 
tiefer.  (Fig.  2  a.)  Gegen  die  Epidermis  zu,  ihre  Stachelschicht 
durchsetzend,  sieht  man  spärliche  Rundzellen.  (Fig.  1  c.)  Diese 
ausgedehnten  Infiltrate  kommen  in  den  dem  Haarbalg  benach- 
barten Papillen  vor.  (Fig.  2.)  Das  bindegewebige  Stroma  der 
Haut  bleibt  theilweise  erhalten,  ohne  eine  bestimmte  Anordnung 
zu  zeigen.  Die  meisten  Infiltrate  enthalten  Blutgefässe  {E)  und 
zeigen  eine  längliche  Form  während  der  ganzen  Dauer  der 
Affection.    Die  Rundzellen  sind  in  denselben  stets  verhältniss- 


Ueber  Liehen  scrofalosorom.  43 

massig  spärlich  vertreten.  Sie  halten  sich  nicht  an  die  periphere 
Zone  der  Infiltrate,  sondern  liegen  in  diesen  zerstreut. 

In  allen  von  mir  untersuchten  Fällen  waren  die  Zellen 
deutlich  und  ihre  Kerne  gut  farhhar.  Eine  Verkäsung  (Coagu- 
lationsnekrose)  hahe  ich  in  keinem  meiner  Präparate  vorge- 
funden. Das  Gros  der  Infiltrate  kam  in  länglichen,  zumeist 
netzförmig  verbundenen  Zellzügen  vor.  Am  mächtigsten  waren 
sie  immer  im  Stratum  subpapillare,  den  Talg-  und  Schweiss- 
drüsen  entsprechend.  Die  tieferen  Cutisschichten  und  das  sub- 
cutane Gewebe  blieben  stets  frei.  Nur  in  dem  zweiten,  von  mir 
angeführten  Falle  waren  die  Infiltrate  sehr  mächtig,  diffus  und 
reichten  etwas  tiefer  in  die  Cutis.  (Fig.  3.)  Wenn  auch  da 
grössere,  spindelförmige  Zellen  vorherrschten,  so  waren  doch 
ganze  Reihen  von  grossen,  runden,  kreisförmig  gruppirten 
Riesenzellen  (Fig.  3  D)  zu  sehen.  Diese  regelmässige  Anord- 
nung der  letzteren,  eine  scheidenartige  Begrenzung  (Fig.  3  F) 
der  Infiltrate  und  stellenweise  noch  erkennbare  Drüsenknäuel 
in  denselben,  beweisen  zur  Genüge,  dass  hier  die  Schweiss- 
drüsen  den  Ausgangspunkt  des  Processes  abgeben.  Man  sah  in 
diesen  Präparaten  verschiedene  Uebergangsformen  unter  den 
Riesenzellen  (von  einer  Andeutung  bis  zu  den  typischen  mit 
randständigen  Kernen).  In  diesem  Falle  waren  sowohl  die  Pa- 
pillen, als  auch  die  Retezapfen  viel  breiter  wie  die  der  gesunden 
Umgebung.  Das  Granulationsgewebe  war  jedoch  viel  mächtiger 
in  der  Drüsenschicht,  als  im  Papillarkörper  entwickelt.  In  dem 
letzteren  kamen  vereinzelte  kleinere  Riesenzellen  mit  in  Seg- 
menten angeordneten  Kernen.  (Fig.  3  6.) 

Die  tiefer  gelegenen  Knäueldrüsen  boten  nur  in  dem  letzt- 
erwähnten Falle  eine  leichte  Rundzellen-Infiltration  dar  (Fig.  3  C), 
sonst  aber  fanden  wir  sie  an  dem  Processe  nicht  betheiligt. 

Was  die  Epidermis  anbelangt,  so  bildete  sie  in  vor- 
geschrittenen Stadien,  mehr  aber  noch  während  der  Rückbildung 
der  Affection  aus  vielen  Lamellen  bestehende  Schuppen.  Diese, 
abgehoben  in  der  Peripherie,  hafteten  im  Centrum  an  der 
übrigen  Epidermis.  Oft  liess  sich  ein  Zusammenhang  der 
Schüppchen  mit  dem  Ausführungsgang  der  Haarbälge  (Fig.  2  (?.) 
oder  der  Knäueldrüsen  constatiren. 


44  Lukasiewicz. 

Mitunter  treten  Entzündungserscheinungen  in  den  Infil- 
traten intensiver  hervor,  die  sonst  spärlich  vorhandenen  Rund- 
zellen nehmen  dann  an  Zahl  bedeutend  zu.  Sowohl  die  Papillen, 
als  auch  das  Stratum  subpapillare,  werden  dann  kleinzellig  in- 
filtrü-t.  Dabei  schmelzt  das  Gewebe,  unter  Pustelbildung  und 
Verwölbung  verdünnter  Epidermis  ein.  —  Der  Inhalt  der  Pusteln 
trocknet  mit  der  Zeit  ein,  es  werden  Borken  gebildet,  unter 
welchen  die  Regeneration  des  Gewebes  vor  sich  geht.  Bei  der 
Rückbildung  der  Infiltrate  entwickeln  sich  längliche  und  spindel- 
förmige Fibroblasten.  Sie  verdrängen  die  Rundzellen  und 
organisiren  sich  zu  einer  Bindegewebsschicht.  Dieser  Vorgang 
spielt  sich  auch  bei  der  Rückbildung  der  nicht  vereiternden 
Infiltrate  ab  und  führt  oft  zum  Verstreichen  der  Papillen,  also 
zu  seichter  Narbenbildung. 

Nach  diesem  histologischen  Befunde  könnte  ich  die  Liehen 
scrofulosorum  Infiltrate  mit  den  wahren  Tuberkeln  nicht  iden- 
tificiren.  Sie  waren  vascularisirt,  zumeist  streifenförmig  und 
bildeten  nie  typische,  scharf  abgegrenzte,  gefasslose  Knötchen 
mit  dem  charakteristischen  Reticulum.  Gerade  auffällig  erschien 
mir  bei  unserer  Affection  die  verhältnissmässig  geringe  Menge 
der  lymphoiden  Zellen,  welche  nie  in  der  Peripherie  der  Infil- 
trate angesammelt  war.  Die  für  Tuberculose  charakteristische 
Verkäsung  kommt  bei  Liehen  scr.  nie  vor.  (Jakob i  konnte 
diese  bei  seinen  Untersuchungen  auch  nicht  nachweisen.)  Die 
auf  die  Verkäsung  folgende  Erweichung  und  Zerfall  (Geschwürs- 
bildung), welche  bei  allen  tuberculösen  Processen  der  Haut 
(Ulcus  tuberculosum,  Scrofuloderma,  Lupus  vulgaris,  Tuber- 
culosis verrucosa)  vorkonmien,  werden  bei  L.  scr.  vermisst. 

Der  klinische,  verhältnissmässig  benigne  Verlauf  des  Pro- 
cesses  spricht  auch"  gegen  die  tuberculose  Natur  desselben.  Keine 
von  den  genannten  Formen  der  Hauttuberculose  ist  im  Stande, 
sich  in  so  kurzer  Zeit  zu  entwickeln  und  rückzubilden,  wie 
gerade  der  Liehen  scrofiilosorum.  Bei  den  typischen  tubercu- 
lösen Hautgeschwüren  schwindet  das  Gewebe  unter  unseren 
Augen  und  der  Process  auf  der  Haut  schreitet  rapid  vor  und 
hält  gleichen  Schritt  mit  der  Tuberculose  innerer  Organe.  In 
dem  von  mir  beobachteten  Falle  des  Liehen  scrofulosorum  bei 
einem  hochgradig  tuberculösen  Individuum  involvirte  sich  diese 


Ueber  Liehen  scrofulosorum.  45 

Hautaffection  auf  eine  indifferente  Behandlung  (mit  Zinkpasta), 
trotz  des  Fortschreitens  der  allgemeinen  Tuberculose. 

Ich  untersuchte  die  meisten  meiner  Präparate  auf  Tuber- 
kelbacillen,  es  gelang  mir  aber  nach  keiner  der  Methoden  solche 
nachzuweisen.  Nicht  einmal  bei  dem  hochgradig  tuberculösen 
Individuum  und  dem  so  schweren  angeführten  zweiten  Falle 
waren,  trotz  eingehender  Untersuchung  zahlreicher  Hautschnitte 
Tuberkelbacillen  vorhanden.  Sowohl  von  diesen  beiden  Fällen, 
als  auch  von  vielen  anderen  Kranken,  impfte  ich  etwa  über 
linsengrosse  Stücke  von  entwickelten  Liehen  scr.  Plaques, 
Knötchen  und  Acne  cachect.  Pusteln  auf  Meerschweinchen  unter 
die  Haut  der  Bauchgegend.  Neun  derartige  Versuche  sind  er- 
folglos verlaufen.  (Bei  einem  wahren  Ulcus  tuberculosum  gelang 
es  mir  durch  positiven  Erfolg  der  Impfung  die  Diagnose  fest- 
zustellen. —  Arch.  für  Dermatologie  und  Syphilis  XXIL  Jahrg. 
p.  779.)  Diese  Untersuchungen  befestigen  mein  Bedenken  gegen 
die  specifisch  tuberculose  Natur  dieses  Hautleidens. 

Was  den  Fall  von  Sack  (1.  c.)  anbetrifft,  kann  ich  be- 
merken, dass  ich  ihn  vor  der  Publication  und  nach  derselben 
gesehen  habe.  Ich  halte  denselben  für  einen  Liehen  syphiL,  wofür 
auch  der  Umstand  sprechen  mag,  dass,  wie  der  Pat.  angibt,  die 
Affection  auf  den  Gebrauch  vom  Dect.  Zittmanni  hin  zurückging. 
Schon  aus  der  publicirten  Krankengeschichte  geht  übrigens  die 
Richtigkeit  meiner  Diagnose  hervor.  Die  acute  Unterkiefer drüsen- 
schwellung  unter  Fiebererscheinungen  spricht  für  eine  Adenitis 
im  Verlaufe  eines  vom  Kranken  übersehenen  Primäraffectes  im 
Bereiche  des  Gesichtes  oder  der  Mundschleimhaut.  Die  Mit- 
affection  der  Penishaut,  der  Plantae  pedum  und  volae  manum 
(meiner  Ansicht  nach  eine  typische  Psoriasis  palm.  et  plant, 
specif.),  eine  von  mir  constatirte  scharf  begi-enzte  lividrothe  An- 
gina sprechen  zur  Genüge  zu  Gunsten  der  Diagnose  Lues.  Auch 
die  Unwirksamkeit  der  drei  Iprocentigen  Sublimatinjectionen 
ist  nicht  im  Stande,  mich  an  der  Sicherheit  meiner  Diagnose 
zweifeln  zu  lassen.  Ich  habe  mich  bei  der  Application  der  5% 
Sublimatinjectionen  oft  überzeugt,  dass  der  Liehen  syphiliticus 
einen  grossen  Widerstand  der  Quecksilbertherapie  leistet,  bei 
Stoffwechselanregung  (z.  B.  durch  innerlichen  Gebrauch  von  Decoct- 
Zittmanni)  dagegen  sich  rasch  involvirt.  Der  histologische  Befund 


46  Lukasiewicz. 

Sack's  stimmt  mit  den  Befanden  Griff ini's,  Neumann's 
und  Michelson^s  (besonders  des  letzteren)  bei  dem  klein- 
papulösen  Syphilid  überein. 

Trotz  dieser,  der  Tuberculose  ähnlichen  histologischen 
Bilder  bei  syphilitischen  Lichenefflorescenzen,  die  ich  auch  oft 
gesehen  habe,  hält  heutzutage  Niemand  den  Liehen  syphiliticus 
weder  für  eine  tuberculose  Hautaffection,  noch  für  eine  syphi- 
litisch-tuberculöse  Mischinfection  (Michel so n). 

Was  S  a  c  k^s  Anfechtungen  der  Nomenclatur  anlangt,  so  lässt 
sich  für  den  Liehen  scrofulosorum  der  ihm  von  Hebra,  seinem 
ersten  Bearbeiter  gegebene  Name  durch  einen  besseren  kaum 
ersetzen.  Abgesehen  von  dem  Prioritätsrechte  Hebra's  sind 
die  später  creirten  Namen  L.  scrofulosus  (Au spitz)  und  Scro- 
fuloderma  papulosum  (Hebra  jun.)  als  nicht  zutreffend  von 
den  Dermatologen  nicht  angenommen  worden.  Wenn  anderer- 
seits auch  seit  Hebra  bekannt  ist,  dass  bei  Steigerung  der 
Entzündung  einzelne  Liehen  scr.  Knötchen  vereitern  und  sich 
zu  Pusteln  entwickeln,  dürfte  dennoch  hoffentlich  der  zuerst 
für  die  Ki-ankheit  gewählte  Name  beibehalten  werden,  da  die 
Knötchenefflorescenzen  ein  constanter  und  wesentlicher  Be- 
standtheil  des  Processes  sind.  Gerade  so  wie  es  Niemandem 
einfallen  wird  den  Namen  Liehen  ruber  wegschaffen  zu  wollen, 
weil  seine  Efflorescenzen  sich  mitunter  zu  Blasen  entwickeln  und 
sogar  durch  sie  verdrängt  werden  können  (Liehen  ruber  pem- 
phigoides (Kaposi).  Die  französische  Bezeichnung  „FoUiculite- 
pilosebacee"  ist  schon  aus  dem  Grunde  unrichtig  gewählt,  da 
so  viele  Dermatosen  in    die  Gruppe  der  Folliculitiden  gehören. 

Es  ist  eben  die  Bestrebung  der  Wiener  Schule,  dieselben 
näher  kennen  zu  lernen  und  entsprechend  zu  bezeichnen. 

Der  von  Jakob i  in  den  L.  scrofuL-Präparaten  vorgefun- 
dene Tuberkelbacillus  wurde  sonst  von  keiner  Seite  bestätigt, 
So  wie  es  nur  nie  gelang,  denselben  bei  L.  scrof.  zu  sehen, 
haben  ihn  auch  weder  Riehl  noch  Hallopeau-Darier 
nachweisen  können,  wenn  sich  auch  die  beiden  letzteren  für 
die  tuberculose  Natur  des  Lichens  entschieden. 

Nach  meinen  Beobachtungen  und  Untersuchungen  habe 
ich  nun  die  Ueberzeugung  gewonnen,  dass  dieser  Entzündungs- 
process  als  Ausdruck  der  Ernährungsstörung  auftritt.    Man  be- 


lieber  Liehen  scrofulosoram.  47 

obacbtet  ihn  also  am  meisten  bei  tuberculösen  (scrofulösen) 
Individuen,  jedoch  nicht  in  directer  Abhängigkeit  von  der 
Tuberculose,  sondern  in  Folge  von  der  hier  eintretenden  Cachexie. 
Gerade  so  hatten  wir  doch,  wie  bereits  erwähnt,  einmal  bei 
einem  Kranken  mit  Lymphadenomata  colli,  ein  anderesmal  bei 
einer  Schwangeren  den  Liehen  scrof.  gesehen. 

Andererseits  aber  zeigten  den  letzteren  auch  sonst  gesunde 
Individuen  unserer  Beobachtung,  welche  nur  schlecht  genährt 
erschienen. 

Die  Riesenzellen  bei  Liehen  scrophulosorum  kann  ich  auch 
nicht  etwa  als  eine  Wirkung  von  Fremdkörpern  (Riehl)  auf- 
fassen. Wie  aus  meinen  Befunden  ersichtlich,  sind  sie  nicht  nur 
um  die  Haai*e  (welche  für  sie  Fremdkörper  abgeben)  localisirt, 
sondern  kommen  noch  viel  zahlreicher  an  Stelle  der  Enäuel- 
drüsen  vor.  Ich  habe  femer  diese  Elemente  bei  Liehen  ruber 
planus,  einem  viel  chronischer  verlaufenden  Leiden  immer  ver- 
misst,  selbst  dann,  wenn  seine  Efflorescenzen  um  die  Haarbalge 
herum  angeordnet  waren.  Das  wäre  nicht  zu  erwarten,  wenn 
die  Haare  hier  als  Fremdkörper  anzusehen  wären.  Meines 
Wissens  sind  bis  jetzt  nur  kleine  Riesenzellen  mit  mittelstän- 
digen Kernen  bei  Liehen  ruber  moniliformis  von  Kaposi  und 
dann  grosse  mit  rundständigen  Kernen  in  einem  Falle  von 
Liehen  ruber  acuminatus  vonMaxJoseph  vorgefunden  worden. 

Der  krankhafte  Ernährungszustand  des  Individuums  mag 
vielleicht  zur  Bildung  dieser  granulösen  Gewebsformation  bei- 
tragen. Die  letztere  gelangt  nicht  zur  höheren  Organisation 
in  Folge  von  Ausbleiben  der  Protoplasmatheilung  nach  erfolgter 
Kemtheilung  in  den  Fibroblasten  (die  Biesenzellenbildung).  Ge- 
stützt auf  die  angeführten  Befunde  möchte  ich  schliesslich  auch 
dem  Epithel  der  Knäueldrüsen  eine  wesentliche  Rolle  bei  dem 
Zustandekommen  der  Riesenzellen  beimessen. 


48  Lnkasiewicz. 


Erklärnng  der  Abbildungen  auf  Tafel  I— III. 


Taf.  I.  Fig.  1.  Vertical-Dturchschnitt  eines  kleineren  Liehen  scrofiil. 
Plaques.  Vergröss.  Zeiss.  Ocnl.  4.  Obj.  DD,  a  Epitheloidzellen,  b  Riesen- 
zellen,  e  Randzellen.   A  Haarbälge,   B  Blutgefässe,    C  Knäueldrüsen. 

Taf.  n.  Fig.  2.  Yertical-Durchschnitt  eines  älteren  Liehen  scrof. 
Knötchens.  Yergr.  Zeiss.  Oc.  2.  Obj.  DD,  a  Epitheloidzellen,  6  Riesenzellen, 
e  Rundzellen.  B  Blutgefässe,  C  Knäueldrüsen,  E  Granulationsgewebe  an 
Stelle  der  Knäueldrüsen,  O  eine  aus  mehreren  Lamellen  bestehende  Schuppe 
im  Zusammenhang  mit  dem  Ausfuhrungsgange  eines  Haarbalges. 

Taf.  HL  Fig.  3.  Ein  tief  reichender  Infiltrationsherd.  Zeiss.  Oc.  4. 
Obj.  DD,  a  Epitheloidzellen,  b  Riesenzellen,  c  Rundzellen.  C  Knäueldrüsen, 
D  Regelmässig  angeordnete  Riesen zellengruppe,  E  Granulationsgewebe  an 
Stelle  der  Knäueldrüsen,  F  eine  scheidenartige  Begrenzung  der  Infiltrate. 


lieber  einen  Fall  von  Epithelioma  verru- 

cosum  abortivmn  nebst  einem  Beitrage 

zmn  Studium  der  Psorospermosen. 

Von 

Prof.  Pierleone  TommaisoU  in  Modena. 

^    (Hierzu  Taf.  IV— VI.) 


Die  folgenden  Mittheilungen,  die  einen  vielleicht  nicht  zu 
unterschätzenden  Beitrag  zur  Theorie  der  Epitheliome  und  der 
Psorospermosen  liefern,  sind  dem  blossen  Zufalle  zuzuschreiben. 
In  der  That  wollte  ich  in  meinem  Falle,  wie  man  spätcir  sehen 
wird,  nur  die  sehr  bescheidene  Histopathologie  einer  besonderen 
Form  von  Akrokeratom  studiren,  das  ich  durch  eine  örtliche 
Dystrophie  des  Handrückens  infolge  einer  langsam  sich  ent- 
wickelten krebsigen  Kachexie  hervorgerufen  glaubte ;  statt  dessen 
kam  ich  dahin,  in  den  Präparaten  viel  complicirtere  Hautalte- 
rationen zu  constatiren,  die  mich  nöthigten  eine  Form  von  Epi- 
theliom anzunehmen,  dessen  Existenz  ich  klinisch  m'cht  vermuthen 
konnte.  Dies  wollte  ich  vor  allem  hervorgehoben  haben,  da  ich 
glaube,  dass  die  Klinik  auch  aus  diesem  Eingeständnisse  wird 
einen  Vortheil  ziehen  können.  Und  nun  gehe  ich  ohne  Weiteres 
zur  Auseinandersetzung  meines  Falles  über: 

R.  D.,  42  J.  alt,  Guisbeeitzer,  hat  stets  unter  günstigen  hygienischen 
Bedingungen  gelebt.  Was  sich  anf  dessen  Antecedentien  und  Familie  be- 
zieht, ist  uns  völlig  unbekannt;  wir  wissen  nur,  dass  unser  Kranke  durch 
mehr  als  20  Jahre  hindurch  an  corrodirenden  Geschwüren  des  Gesichtes 
(Epitheliome  perle,  Perlschnur-Epitheliom  der  französischen  Autoren, 
Verneuil's  Epithelioma  sudoriparum)  in  ihrer  typischesten  Form  gelitten 

ArcbiT  f.  Dcrmatol.  n.  Syphil.  Band  XXVI.  4 


50  Tommasoli. 

hat.  Nachdem  die  Affectioii)  wie  es  in  der  Regel  geschieht,  jahrelang  in 
sehr  mildem  Grade  und  nur  an  den  obersten  Gesichtspartien  beschrankt 
gedauert  hatte,  entwickelte  sich  ein  Geschwür  am  rechten  Nasenloch, 
woselbst  es,  durch  den  üblichen  langsamen  Verlauf,  so  schwere  und  tiefe 
Ulcerationen  veranlasste,  dass  zwei  Drittel  der  Nase  und  der  grösste  Theil 
der  Oberlippe  zerstört  und  selbst  der  Kieferknochen  stark  angegriffen, 
sowie  ein  grosser  Theil  des  rechten  Gaumendaches  corrodirt  wurden. 

In  Folge  dieser  schweren  Ulceration,  die  ein  carcinpmatöses  Aus- 
sehen darbot,  begann  Patient,  der  früher  stets  einen  guten  Allgemein- 
zustand gezeigt  hatte,  sehr  beträchtliche  Alterationen  der  ünterkieferdrüsen 
aufzuweisen;  dann  wurde  er  nach  und  nach  von  Kachexie  befallen,  die 
ihn  nach  einigen  Monaten  ins  Grab  führte. 

In  seinen  letzten  Lebensjahren  haben  sich  am  Handrücken  und  an 
der  Dorsalseite  der  Finger  —  insbesondere  aber  an  den  mehr  centralen 
Partien  des  Handrückens  —  andere  Alterationen  entwickelt,  die  eben  die- 
jenigen sind,  die  zu  dieser  meiner  Veröffentlichung  Anlass  gegeben  haben. 
Diese  Alterationen,  die  ich  vom  Standpunkte  dieser  Studie  als  sehr  schwer 
und  interessant  bezeichnen  muss,  waren  hingegen  vom  Standpunkte  des 
Patienten  von  so  geringer  Bedeutung,  dass  dessen  Aufmerksamkeit  auf  sie 
gar  nicht  gelenkt  wurde,  so  dass  Patient  nicht  einmal  annähernd  angeben 
konnte,  seit  wann  dieselben  bestanden.  Deren  Beginn  ist  absolut  schlei- 
chend gewesen,  und  Patient  wusste  mir  nichts  anderes  zu  sagen,  als  dass 
er  seit  einiger  Zeit  bemerkt  hatte,  dass  die  Haut  der  Handrücken  nicht 
wie  sonst  aussah  und  an  einigen  Stellen  glatter,  an  anderen  runzelig  imd 
rauh  geworden  war;  er  hatte  jedoch  diesen  Veränderungen  niemals  eine 
Bedeutung  beigelegt. 

Bei  der  Untersuchung  dieses  Patienten,  den  ich  später  zur  Be- 
handlung in  meine  Klinik  aufnahm,  fand  ich,  dass  fast  die  ganze  Haut 
der  Handrücken  tief  verändert  war.  Die  Haare  waren  hier  fast  gänzlich 
verschwunden.  Die  Epidermis  erschien  glänzend  und  sehr  glatt,  als  ob  es 
sich  um  eine  sehr  oberflächliche,  regelmässige  und  sehr  ausgebreitete 
Pseudonarbe  gehandelt  hätte,  und  die  Farbe  dieser  ganzen  Epidermis  \^ar 
bald  perlenweiss,  bald  rein  violett:  Der  atrophische  Zustand  des  ganzen 
Hautgewebes  war  augenscheinlich,  auch  ohne  dass  es  nothwendig  gewesen 
Wäre,  diese  Haut  in  Falten  abzuheben.  Auf  diesem  atrophisch-narbigen 
Grunde,  der  gleichförmig  vertheilt  war,  wiewohl  die  Läsion  viel  mehr 
ausgeprägt  im  centralen  und  mehr  hervorragenden  Theile  der  Handrücken 
erschien,  erhoben  sich,  scharf  umschrieben,  zahlreiche  Knötchen,  wovon 
einige  hirsekomgross,  andere  hanfkomgross  und  etwas  zusammengedrückt, 
andere  endlich  linsenförmig  waren.  Diese  Knötchen  waren  dem  Gefahle 
nach  hart,  leicht  verschiebbar  mit  der  dünnen  Haut,  worauf  sie  sassen, 
und  die  meisten  bedeckt  von  einer  starken  hyperkeratotischen  Epidermis 
mit  einem  kleinen  vertieften  und  schwärzlichen  Punkte  in  der  Mitte. 
Dann  befanden  sich  zwischen  diesen,  aber  in  bescheidener  Zahl,  andere 
Erhebungen,  die  ihrer  Beschaffenheit  nach  den  anderen  sehr  analog, 
jedoch  platter   und  ausgedehnter  und  von  cornealen  Anhäufungen   voll- 


Ueber  einen  Fall  von  Epithelioma  verrucosum  abortivum.  51 

ständig  überkleidet  waren.  Manche  dieser  Comealanhäufungen  präsentirte 
sich  in  Form  kleiner  isolirter  Feischeu,  nach  Art  derjenigen,  die  wir  bei 
Ichthyosis  hystrix  beobachten;  manche  andere  bot  die  Form  von 
nnregelmässigen,  aus  dem  Einpilanzangsknötchen  selbst  über  zwei  Mm. 
hervorragenden  Stacheln,  und  die  meisten  hatten  die  Form  von  kleinen 
flachen  Homwarzen,  die  bedeckt  waren  mit  mehr  oder  weniger  dicken 
Kömchen  aus  Homsubstanz  und  von  schmutzig  gelber  Farbe.  Hie  und 
da  einige  Epidermisschüppchen,  die  entweder  adhärent  waren  oder  im 
Wege  spontaner  Lostrennung  sich  befanden. 

Das  war  das  von  den  Handrücken  dargebotene  Krankheitsbild.    Der 
Rest  der  Hautoberfiäche  zeigte  normale  Verhältnisse. 

Klinisch  betrachtet,  hatte  dieses  Krankheitsbild  längere 
Zeit  meine  Verwunderung  hervorgerufen,  ohne  dass  ich  imstande 
gewesen  wäre,  mit  voller  Ueberzeugung  eine  bestimmte  Diagnose 
zu  stellen.  In  der  That  konnte  ich  nicht  an  eine  selbst  atypische 
Reproduction  des  Ulcus  rodens  des  Gesichtes  glauben,  denn  ein 
Geschwür  irgend  welcher  Form  war  auf  dieser  vom  Gesichte 
entfernten  Region  nicht  aufgetreten,  und  wir  wissen,  dass,  nach 
Angabe  des  Kranken  selbst,  der  Bücken  seiner  Hände  immer 
gesund  geblieben  war.  Während  ich  jedoch  selbst  eine  atypische 
Beproduction  des  Ulcus  rodens  ausschliessen  zu  können  glaubte, 
konnte  ich  doch  nicht  in  mir  die  Erinnerung  unterdrücken, 
dass  vonVerneuil  das  Ulcus  rodens  epitheliome  sudori- 
pare  genannt  wurde,  und  dies  veranlasste  mich,  zu  fragen, 
ob  nicht  jene  verschieden  grossen  und  verschieden  geformten 
Knötchen,  die  man  an  den  Handrücken.. zerstreut  fand,  eine 
jener  absolut  gutartigen  Formen  von  Epithelioma  sudoriparum 
oder  cysticum  in  sich  geborgen  hielten,  die  Török  Syringo- 
Gystadenom  genannt  und  für  die  Besnier  die  Bezeichnung 
Cystadenomes  epitheliaux  benins  vorschlägt.  Auch 
musste  ich  daran  denken,  dass  das  Ulcus  rodens  gegenwärtig 
von  vielen  Autoren  als  eine  durch  Coccidien  hervorgerufene 
parasitäre  Affection  angesehen  wird,  was  mich  bestimmte,  zu 
fragen,  ob  nicht  in  jenen  eigenthümlichen,  zum  Theile  nodulären, 
zum  Theile  verrucösen  Läsionen  der  Handrücken  eine  circum- 
scripte  Form  jener  ebenso  eigenthümlichen  Affectionen  ver- 
Wgen  wäre,  denen  man  in  letzterer  Zeit,  in  Ermangelung 
einer  befriedigenden  klinischen  Bezeichnung,  den  meiner  Ansicht 
nach  ebenso  überstürzten  als  unpassenden  Namen  von  Psoro- 
spermos^e  foUiculaire  vegetante  d.e  D a r i e r  beigelegt  hat. 

4* 


52  Tommasoli. 

In  jedem  Falle  aber  erkannte  ich,  dass  allzu  gross  die 
Differenz  war  zwischen  dem  gewöhnlichsten  Krankheitsbilde 
aller  dieser  verschiedenen  Affectionen  und  dem  Kxankheitsbilde, 
das  mein  Patient  gezeigt  hatte.  Und  noch  mehr  entfernte  sich 
dasselbe  von  anderen  bekannten  Erkrankungen^  die  als  End- 
stadium eine  atrophische  oder  pseudonarbige  Läsion  herbeiführen. 

Indem  ich  demnach  vor  Allem  auf  die  vemicösen  Corneal- 
productionen  Rücksicht  nahm,  die  inmitten  der  anderen  Läsionen 
das  Feld  beherrschten  und  zwei  ganz  bestimmte  Regionen  der 
Extremitäten  symmetrisch  besetzt  hielten,  die  öfters  auch  von 
anderen  der  Akropathologie  zugehörenden  Läsionen  befallen 
werden,  beschränkte  ich  mich  darauf,  die  Läsionen  der  Hände 
meines  Kranken  unter  die  Akrokeratome  einzureihen,  und 
ich  wartete  auf  seinen  Tod,  um  mit  Hilfe  des  Miki-oskops 
meine  Diagnose  vervollständigen  oder  berichtigen  zu  können. 

Als  der  Kranke  starb  —  es  geschah  dies  nach  wenigen  Mo- 
naten —  war  ich  abwesend ;  aber  einer  meiner  Assistenten  beeilte 
sich,  einige  Hautstücke  vom  Handi'ücken  des  Leichnams  heraus- 
zuschneiden und  in  absoluten  Alkohol  zu  legen.  Im  Folgenden 
theile  ich  die  Resultate  der  von  mir  nachträglich  vorgenommenen 
histologischen  Untersuchung  mit. 

Was  das  Akrokeratom  anlangt,  will  ich  hier  in  wenigen 
Worten  —  gleichsam  zur  Rechtfertigung  der  klinischen  Diagnose, 
auf  die  ich  mich,  in  Ermangelung  von  etwas  Besserem,  be- 
schränken musste  —  daran  erinnern,  was  ich  bereits  in  einer 
früheren  Publication  *)  auseinandergesetzt  habe ,  aus  welcher 
die  Geschichte  des  Falles  hier  reproducirt  ersclieint.  Bei  der 
Untersuchung  nämlich  der  Präparate  bei  geringer  Vergrösserung, 
fand  ich  in  sehr  vielen  Schnitten  mehr  oder  weniger  starke 
Anhäufungen  von  Homsubstanz,  genau  wie  man  es  sehen  kann 
in  einer  histologischen  Tafel  von  Akrokeratoma  hystrici- 
form«  hereditarium,  die  ich  zusammen  mit  der  Chromo- 
photographie  des  betreffenden  Falles  im  „Intern.  Atlas  seltener 
Fälle"  (1893,  Hamburg)  veröffentlicht  habe,  und  wie  man  es 
sehen  kann  auf  den  histologischen  Tafeln  der  sogenannten  Psor  o- 


')  Contrib.  da  servire  alla  Storia  d.  Akrokeratomi   con  una  nuova 
forma  di  Akrokeratoma  hyBtr.  hered.  (Rass.  sc.  Med.  Modena.  Marzo  1893.) 


üeber  einen  Fall  von  Epithelioma  verrucoBum  abortivum.         53 

spermose  folliculaire  de  Darier,  die  von  Darier,^) 
Boeck*)  und  Campana')  pubKcirt  wurden.  Diese  Homan- 
hänfungen  haben  die  eigenthümlichsten  Formen  von  Schichtungen, 
Fdeea,  Stacheln,  Federbuschen,  und  Fig.  1  der  Taf.  IV  gibt 
eben  das  Bild  einer  dieser  bizarren  Keratome  wieder.  Innerhalb 
dieser  Anhäafiingen  erscheint  die  Homsubstanz  an  einigen 
Punkten  ganz  homogen  und  compact  ohne  eine  Spur  von  nucle- 
olaren  Residuen,  an  anderen  Stellen  erscheint  sie  wellenartig  ge- 
schichtet, in  anderen  wieder  maschenartig  und  ge&anst,  nament- 
lich dort,  wo  die  Ausmündungen  der  Schweissdrüsen  zu  sehen 
sind«  Oefters  jedoch  stellen  diese  Anhäufungen  Zonen  dar,  in 
welchen  die  Zellenelemente  noch  hinreichend  erkennbar  sind, 
und  wo  ganze  Cornealfelsen  wahrgenommen  werden  können,  die 
mit  kleinen  Pünktchen  dicht  besäet  erscheinen,  die  nichts  anderes 
sind  als  rundliche  oder  zusammengedrückte  und  noch  vollkom- 
men mit  Hämatoxylin  oder  Caimin  gefärbte  Kerne. 

Dieses  besondere  Aussehen  der  Hommassen,  die  aus 
Epithelzellen  zusammengesetzt  sind,  in  welchen  der  Comei- 
ficationprocess  infolge  der  Alterationen  der  darunterliegenden 
Schichten  atypisch  und  unvollständig  sich  vollzieht,  entspricht 
vollkommen  der  Figur,  die  Darier  in  oberwähnter  Tafel  mit 
dem  Buchstaben  b  bezeichnet  hat  und  die  von  ihm  als  „matiere 
d'apparence  plus  dense,  composee  d'une  accumulation  de  para- 
sites  sous  forme  de  grains"  gedeutet  wurde. 

Betreffs  nun  der  ganzen  Läsion  im  Allgemeinen,  gestattet 
uns  vom  Standpunkte  ihrer  Natur  die  Gesammtuntersuchung  der 
aus  vielen  Hautstücken  gewonnenen  Präparate  vor  Allem  fest- 
zusetzen, dass  am  Handrücken  meines  Kranken  die  Affection 
zwei  von  einander  wold  unterschiedene  Perioden,  eine  progres- 
sive und  eine  regressive  Periode  darbot. 

An  den  Schnitten,  die  uns  die  verschiedenen  Stadien  und 
die  verschiedenen  Modalitäten  der  progressiven  Periode  der 
Affection  zeigen^  finden  wir  die  Homschicht  constant,  wie  bereits 
oben  erwähnt  wurde,  stark  hypertrophisch,  warzig,  zerklüftet. 


»)  AnnaleB  d.  Dermat.  etc.  Nr.  7,  1889.  PI.  IV,  Fig.  1. 
»)  Arch.  f.  Dermat.  und  Syph.  Heft  6.  1891.  Taf.  XVI,  Fig.  1. 
*)  Ittiosi  Cornea  e  psorosperm.  (Psorospermosi  ittiosiforme.)  Atti  d. 
R.  Univ.  di  Genova,  1892.  TaÜ  I,  Fig.  1. 


54  Tommasoli. 

Bei  kleiner  Vergrösserung  bemerkt  man,  dass  diese  stark 
verdickte  Homschicht  10-  bis  20mal  dicker  als  das  Stratum 
spinosnm  und  ihre  Lagen  einen  ausgeprägt  welligen  Verlauf 
haben,  entsprechend  den  vorspringenden  Papillen  und  den  tief 
einsenkenden  Interpapillärzwischenräumen.  Nach  der  Umgebung 
fällt  die  Homschicht  schroff  ab.  Während  in  der  Mitte  des 
Schnittes  die  Papillen  senkrecht  stehen,  sind  sie  nach  der 
Peripherie  zu  niedergedrückt  und  verlaufen  daher  auch  die 
senkrecht  getroffenen  Leisten  in  Form  der  Epithelzapfen  mehr 
oder  weniger  schräg  zur  Oberfläche. 

Auch  das  Stratum  spinosum  ist  hypertrophisch,  circa  um 
das  Doppelte  der  Eandpartien. 

Die  Papillen  sind  meist  schmal,  lang  und  spitz;  einige 
sind  vergrössert,  ihre  Vergrösserung  aber  ist  vielleicht  in  der 
Hauptsache  auf  die  seitliche  Compression  der  dichten  Hommasse 
zu  setzen. 

Das  subpapilläre  Gefässnetz  ist  von  Rundzellen  umgeben, 
die  Herde  sind  jedoch  nicht  so  dicht,  um  das  Zwischengewebe 
ganz  zu  verdecken  und  reichen  nur  an  einigen  Stellen  bis  an 
das  Epithel  heran.  Die  seitlichen  Partien  des  Schnittes  sind 
frei  davon.  Die  mittleren  und  unteren  Cutisschichten  dagegen 
scheinen  normal  zu  sein  und  fallen  nur  die  auf  ihrem  geraden 
Verlaufe  zur  Seite  gedrängten  Schweissdrüsengänge  auf. 

Bei  starker  Vergrösserung  sieht  man  die  Hornzellen  und 
ihre  Contouren  bis  in  den  obersten  Lagen  erhalten.  Zonenweise 
haben  sie,  wie  gesagt,  einen  gut  erhaltenen  und  gut  färbbaren 
Kern  und  auch  noch  deutliche  Beste  ihres  Stachelsaumes.  Bei 
Färbungen  grenzt  sich  deutlich  das  verbreitete  Stratum  lucidum 
von  der  übrigen  Homschicht  ab.  Das  Stratum  granulosum  ent- 
hält reichlich  Keratohyalin. 

Ausserdem  findet  man  hie  und  da  zwischen  den  Hornzellen 
mehr  oder  weniger  mnde,  homogene,  glänzende,  kernlose  Kör- 
perchen, welche  durch  diese  Eigenschaften  sich  scharf  von  den 
umgebenden  Zellen  unterscheiden. 

Die  zahlreichsten  und  wichtigsten  Veränderungen  weist 
das  Stratum  spinosum  auf,  in  welchem  sich  zahlreiche  Mitosen 
nachweisen  lassen.     Es   gibt  Schnitte,   in  denen  bei  Inmiersion, 


? 


^,'^ 


üeber  einen  Fall  von  Epithelioma  verracosum  abortivnrn.  55 

im  Gesichtsfeld  4,  5,  6  und  noch  mehr  Mitosen  zu  sehen  sind. 
Meistens  findet  man  Knäuel-,  Spindel-  und  Stemformen.  Diese 
in  Theilung  hegriffenen  Epithelien  des  Stratum  spinosum  fallen 
bei  starker  Vergrösserung  nicht  allein  durch  den  intensiv  ge- 
färbten Kern  auf,  sondern  auch  durch  ihr  glänzendes  Proto- 
plasma und  durch  die  Grösse  und  runde  Form  desselben.  Derartige 
Zellen  stellen  sich  also  folgendermassen  dar:  zwischen  den 
Stacbelzellen,  deren  Protoplasma  noch  eine  leichte  Färbung  yon 
der  Kemfarbe  zurückbehalten  hat,  liegt  ein  gewöhnlich  kreis- 
runder, homogener,  glänzender  Körper,  welcher  die  umgebenden 
Zellen  bei  Seite  gedrängt  hat  (s.  Fig.  3,  Taf.  V).  An  diesem 
Körper  lässt  sich  ein  feiner  Stachelsaum  erkennen,  welcher 
jedoch  nicht  mit  dem  der  umgebenden  Zellen  in  Verbindung 
steht.  Das  Centrum  dieses  glänzenden  Protoplasma  ist  gegen 
den  Kern  zu  in  Form  eines  Ringes  abgesetzt,  so  dass  der  Kern 
in  einem  Hohlraimi  liegt.  Bei  sehr  yielen  derartig  veränderten 
Zellen  befindet  sich  der  Kern,  wie  gesagt,  in  Mitose. 

Es  finden  sich  aber  auch  Kerne  im  Ruhestadium  oder  in 
Form  eines  homogenen,  intensiv  gefärbten  Klümpchens  von  runder 
oder  länglicher,  unregelmässiger  Form;  in  letzterem  Falle  be- 
steht kein  Hohlraum  um  dieselben.  In  manchen  dieser  verän- 
derten Zellen  ist  der  Kern  zerfallen  und  zwar  in  grössere  und 
kleinere  Partikelchen,  welche  unregelmässig  im  Protoplasma 
zerstreut  liegen  können. 

Ausser  diesen  pathologischen  Zuständen  finden  sich  noch 
andere.  Manche  Zellen  enthalten  in  der  That  Kerne  von  der 
2 — Sfachen  Grösse  der  übrigen  mit  stärkerem  Ghromatinnetz 
und  mit  mehreren  grossen  Nucleolen.  Andere  Zellen  haben  in 
der  Mitte  eine  Vacuole,  die  den  Kern  in  Form  einer  Kugelculatte 
an  die  Peripherie  gedrückt,  enthält.  Dann  findet  man  auch 
homogene  Massen  ohne  Kern,  von  der  Grösse  einer  EpithelzeUe 
oder  auch  grösser  zuweilen  auch  kleiner,  von  mehr  oder  weniger 
unregelmässiger  Form,  was  von  den  umliegenden  Zellen  be- 
dingt zu  sein  scheint.  An  wenigen  Stellen  sieht  man  das  Epithel 
aufgehellt,  das  Protoplasma  nicht  mehr  scharf  begrenzt,  zum 
Theil  wie  in  Bröckelchen  zerfallen,  die  Interspinalräume  er- 
weitert. 


56  TommasolL 

Die  starke  Mitosenbildung  führt,  wie  aus  einigen  Schnitten 
sehr  deutlich  zu  ersehen  ist  (s.  Taf.  IV,  Fig.  2  a),  zu  einem  Aus- 
wachsen des  Epithels  in  Form  von  rundlichen  Knospen  in  die 
Cutis.  Schon  bei  schwacher  Vergrösserung  sieht  man  die  Unter- 
fläche des  Epithels  an  manchen  Stellen  in  Form  kleinerer 
oder  grösserer  abgerundeter  Fortsätze  in  das  Bindegewebe  vor- 
dringen. Diese  Stellen  fallen  auch  dadurch  auf,  dass  sie  heller 
gefärbt  sind  als  die  übrigen  Partien  des  Epithels.  Bei  starker 
Vergrösserung  sieht  man  alle  Zeichen  der  Proliferation  an  diesen 
Herden :  die  Zellen  liegen  lockerer,  sie  sind  vergrössert,  befinden 
sich  in  mitotischer  Theilung  und  das  angrenzende  Bindegewebe 
ist  aufgelockert.  Diese  Eigenschaften  sind  so  constant,  dass 
man  bei  Durchmusterung  des  Schnittes  mit  der  Immersionslinse 
aus  dem  Auffinden  einer  dersq^lben  auf  das  Vorhandensein  der 
übrigen  mit  Sicherheit  schliessen  kann. 

Was  die  Veränderungen  der  Cutis  betrifft,  so  erweist  sich 
die  Leucocytenauswanderung  um  die  Gefässe  des  Stratum  pa- 
pilläre und  subpapillare  als  die  constanteste  und  wichtigste.  Sie 
findet  sich  hauptsächlich  da  und  auch  am  reichlichsten,  wo  die 
Epithelproliferation  stattfindet.  Hier  besteht  auch  ein  leichter 
Grad  von  Oedem.  Daneben  findet  man  zahh-eiche  Mastzellen  um 
die  Gefässe  und  unregelmässig  zerstreut  im  Bindegewebe. 
Ausserdem  findet  man  auch  einige  unregelmässig  geformte,  zum 
Theil  gegeneinander  abgeplattete,  homogene  glänzende  Kör- 
perchen, welche  theils  dicht  unterhalb  des  Epithels,  theils  im 
Bindegewebe  der  Papille  liegen. 

Was  die  regressiven  Veränderungen  betrifft,  finden  wir  das 
Folgende : 

Auf  einigen  Hautschnitten  neben  allen  diesen  Veränderungen 
imd  besonders  nebst  der  warzigen  Hornschicht  sieht  man  noch 
andere  regressive  Veränderungen,  die  beschrieben  werden  sollen. 
Andere  Hautschnitte  endlich  zeigen  nur  eine  etwas  verdickte, 
glatte  Oberfläche  und  die  folgenden  regressiven  Veränderungen. 

Bei  schwacher  Vergrösserung  zeigen  die  Schiiitte  mit  der 
warzigen  Hornschicht  noch  unter  derselben  ein  hypertrophisches 
Stratum  spinosum  und  lange,  spitze  Papillen.  Dagegen  ist  die 
Infiltration  des  Papillarkörpers  eine  geringere  geworden.  Andere 
Schnitte,  wo  keine  Hornschichtverdickung  mehr  besteht,   zeigen 


Üeber  einen  Fall  von  Epithelioma  verracosum  abortivnin.  57 

dagegen  bereits  eine  der  normalen  Umgebung  gleich  dickes 
Stratum  spinosum  oder  sogar  ein  niedrigeres  (s.  Fig.  6,  Taf.  VI). 
Dementsprechend  ist  auch  der  Papillarkörper  entweder  von 
normalem  Aussehen  oder  offenbar  atrophisch,  resp.  bereits  nie- 
driger und  ganz  verstrichen. 

Bei  starker  Vergrösserung  fällt  im  Stratum  corneum  der 
Mangel  der  Kerne  auf,  trotzdem  dasselbe  noch  so  hypertrophisch 
ist  wie  in  den  zuerst  beschriebenen  Schnitten.  Auch  ist  die 
Grenze  zwischen  den  einzelnen  Homzellen  nicht  mehr  so  deutlich. 

Im  Stratum  spinosum  sucht  man  vei^ebens  nach  Mitosen. 
Man  findet  nur  hie  und  da  einige  glänzende,  veränderte  Zellen, 
welchen  man  auch  in  den  höheren  Lagen  begegnet. 

Im  Papillarkörper  liegen  noch  Rundzellen  um  die  Gefässe, 
jedoch  entschieden  weniger  als  im  progressiven  Stadium.  Die 
Zahl  der  Mastzellen  scheint  die  gleiche  zu  sein,  wie  früher. 
Dagegen  zieht  ein  neues  Element  in  der  subepithelialen  Cutis- 
schicht  die  Aufmerksamkeit  auf  sich;  es  sind  dann  herdweise, 
in  einer  Breite  von  zwei  bis  vier  Papillen  liegende,  unregel- 
mässig contourirte,  glänzende,  homogene  Körperchen. 

Die  Cutis  hat  offenbar  an  ihrem  Dickendurchmesser  eiu- 
gebüsst.  Die  zahlreichen  und  stark  entwickelten  Knäueldrüsen 
sind  ganz  oberflächlich  geworden,  aber  sie  stellen  keine  der 
von  Darier  beim  Epitheliom  der  Knäueldrüsen  geschilderten 
pathologischen  Zustände  vor.  Einige  Arterien  zeigen  an  der 
Adventitia  bindegewebige  Verdickung. 

Durch  Taenzer's  Orceinfarbung  für  elastisches  Ge- 
webe mit  nachfolgender  Methylenblau-Kernfarbung  lassen  sich 
die  eben  erwähnten  Körperchen  am  besten  braun  färben,  ent- 
weder blass  oder  intensiv  braun.   (Taf.  VI,  Fig.  5.) 

Durch  dieselbe  Färbungsmethode  sieht  man,  dass  während 
im  subepithelialen  Bindegewebe  die  elastischen  Fasern  sehr  fein 
und  zierlich  sind,  finden  sich  in  der  Nähe  der  erwähnten  Kör- 
perchenherde und  auch  zwischen  den  Massen  breitere,  nicht  so 
dunkel  gefärbte  Fäden.  Dieselben  haben  theils  unregelmässige 
Anschwellungen  in  ihrem  Verlaufe,  theils  sind  sie  in  einzelne 
Stücke  zerfallen,  welche  hintereinander  aufgereiht  liegen  und 
vielleicht  2 — 3mal  so  dick  wie  die  n(»*malen  Fasern  dieser  Gegend 
sind.     Auch  diese  Stücke    zeigen  bereits  den    eigenthümlichen 


58  Tommasoli. 

Glanz  und  sind  homogen.  Weiter  findet  man  hufeisenförmig 
gebogene  glänzende  Fäden  und  hornartig  gewundene,  runde 
Körperchen  mit  centralem  Loche. 

Im  weiteren  Verlaufe  ist  von  der  ursprünglichen  Faden- 
strictur  nichts  mehr  zu  sehen  und  man  findet  nur  homogene, 
unregelmässig  contourirte,  glänzende  Massen  in  den  verschie- 
densten Grössen,  von  der  Grösse  eines  rothen  Blutkörper- 
chens bis  zu  dem  Durchschnitt  einer  Erbse  und  noch  mehr. 
Ausser  in  Herden  finden  sich  diese  Elemente  auch  noch  ver- 
einzelt in  den  Papillen,  mitunter  sehr  dicht  dem  Epithel  an- 
liegend und  dann  meistens  von  sehr  kleiner  Form.  Die  nächst- 
liegenden Epithelzellen  grenzen  sich  dann  deutlich  durch  ihren 
Stachelsaum  von  diesen  Körperchen  ab. 

In  den  Hautschnitten,  welche  am  deutlichsten  das  regres- 
sive Stadium  repräsentiren  mit  atropliischem  Epithel  und  Pa- 
pillarkörper  und  in  welchen  nur  noch  spärliche  Leucocyten 
liegen,  finden  sich  nur  noch  wenige  glänzende  Körperchen  in 
der  Cutis. 

Ich  gestehe  es,  dass  gegenüber  diesen  verschiedenen 
histologischen  Befunden  ein  epikritischer  Schluss  ebenso  schwer 
zu  ziehen  war  als  ein  diagnostischer  Schluss  gegenüber  dem 
klinischen  Befunde.  Drei  Probleme  stellten  sich  mir  in  der 
That  entgegen:  1.  Wie  konnte  man  jene  warzenartigen  Altera- 
tionen deuten,  die  mit  einem  darunterliegenden  Processe  atypi- 
scher Wucherung  des  Epithels  innig  zusamimenzuhängen  schienen 
und  die  sich  auf  der  Haut  eines  Individuums  entwickeln,  das 
an  einem  anderen  Theile  des  Körpers  mit  Ulcus  rodens  behaf- 
tet ist  ?  2.  Was  stellten  jene  Alterationen  der  Epithelzellen  dar, 
die  wir  in  der  progressiven  Periode  der  Läsion  constatirt  haben, 
und  vor  allem  war  jene  wirklich  Zellenalterationen?  3.  Was 
stellten  jene  homogenen,  glänzenden  und  durch  Orcein  braun 
gefärbten  Massen  dar,  die  wir  in  den  subepithelialen  Haut- 
schichten angetroffen  haben? 

In  Betreff  des  ersten  Problems  bekräftigte  mich  die  That- 
sache  des  Vorhandenseins  einer  oberflächlichen  und  fast  möchte 
ich  sagen,  gutartigen  Epitheliomform  (Ulcus  rodens),  die  an 
einem  anderen  Körpertheile  in   Entwicklung  begriffen  war,    in 


Ueber  einen  Fall  von  Epithelioma  verrucosum  abortivum.  59 

der  Meinung,  dass  auch  an  den  Handrücken  jene  atypische 
Epithelwucherung  als  eine  epitheliomatöse  Alteration  gedeutet 
werden  könnte.  Weshalb  blieb  jedoch  diese  Alteration  so 
oberflächlich  und  wie  konnte  sie  spontan  ausheilen,  indem  sie 
eine  so  ausgeprägte  atrophisch-degeneratiye  Alteration  der  ober- 
flächlichen Hautpartien  nach  sich  zog?  Darier  hat  in  seiner 
Arbeit  „Sur  l'epitheliome  des  glandes  sudoripares**  *) 
auf  einige  verschiedene  Formen  von  Epitheltumoren  mit  sehr 
langsamem  Verlaufe  und  sehr  gutartigem  Charak- 
ter hingewiesen.  Und  Karg  hat  in  seiner  Studie  „Ueber 
das  Carcinom*^ ')  behauptet,  dass  die  Page  tische  Krankheit 
„ebensowenig  ein  hartnäckiges  chronisches  Ekzem  der  Mamma 
wie  eine  besondere  Krankheit  ist.  Es  handelt  sich  um  ein  Car- 
cinom,  und  zwar  um  die  oberflächlichste  oder  flachste  Form 
des  Carcinom,  die  möglich  ist;  am  nächsten  steht  ihm  das 
klinisch  und  pathologisch-anatomisch  verwandte  Ulcus  rodens 
der  Haut,  bei  dem  aber  auch  in  den  langsamst  verlaufenden 
Fällen  eine  viel  weiter  gehende  und  tiefer  greifende  Infiltration 
des  Bindegewebes  mit  Krebszellen  erfolgt  als  hier". 

Nun  könnte  es  sich  vielleicht  in  meinem  Falle  um  eine 
noch  gutartigere  und  oberflächlichere  oder  flachere  Epitheliom- 
form als  das  epitheliome  adenoide  und  die  Paget'sche 
Krankheit  handeln?  In  seiner  eben  angeführten  Arbeit  hat 
Darier  geschrieben:  „Parmi  les  conditions  qui  ont  le  plus 
d^influence  sur  la  marche  des  tumeurs  notons  la  richesse  plus 
ou  moins  grande  de  la  region  en  vaisseaux  lymphatiques  et 
sanguins  et  surtout  la  resistance  du  tissu  conjonctif.  Sa  resistance, 
ou  sa  reaction,  pour  mieux  dire,  qui  conduit  ä  Fencystement, 
ou  meme  ä  retouftement  du  tissu  epithelial  comme  dans  le 
squirre  atrophique,  constitue  une  barriere  reelle  opposee 
a  renvahissement  et  ä  la  dissemination  du  neoplasme."  *) 
Rührte  nun  vielleicht  in  meinem  Falle  die  spontane  und  regres- 
sive  Involution   des   Hautepitheliom   von  jener   so   manifesten 


»)  Contrib.  k  Petude  de  l'epithel.  des  gl.  sndor.    Travail  du  labor. 
d^Histol.  du  College  de  France.  XII.  Paris. 

')  Deutsche  Zeitecbr.  f.  Chir.,  34.  Bd.  Leipzig  1892,  p.  167. 
•)  Loc.  cit.  p.  130. 


60  Tbmmaeoli. 

bindegewebigen  Reaction  her,  die   die   Stellen  der  Epithelium- 
wucherung  umgab  (Siehe  Fig.  2  a,  Taf.  IV). 

Was  das  zweite  Problem  anbelangt,  so  führte  mich  dieses 
ohne  Weiters  mitten  in  die  so  viel  erörterte  Frage  der  Psoro- 
spermosen  zurück.  Und  ich,  der  ich  schon,  in  Gemeinschaft 
mit  Török,  Gelegenheit  hatte,  mit  Bezug  auf  das  Epithelioma 
moUuscum  einen  Beitrag  zu  dieser  Frage  zu  liefern,  wobei  ich 
eine  Ansicht  vertrat,  die  nach  den  neuen  Arbeiten  von  Stanziale 
Ritsch,  Israel,  Karg,  Marchand  und  namentlich  nach 
der  neuesten  Publication  Kromeyer's')  entschieden  zu 
triumphiren  bestimmt  ist,  sah  vor  mir  das  Feld  offen,  um  einen 
neuen  Beitrag  zu  dieser  Frage  der  Psorospermosen  mit  Bezug 
auf  das  Carcinom  zu  bringen. 

Erst  jüngst  ist  auf  dem  Gebiete  des  Carcinom  aus  dem 
pathologischen  Institute  des  Prof.  Recklinghausen  eine 
bemerkenswerthe  Arbeit  von  Eugen  Burchardt:  „Ueber  ein 
Coccidium  im  Schleimkrebs  des  Menschen  und  seine  Dauer- 
sporencyste"  ^)  erschienen.  Diese  parasitäre  Theorie  des  Carci- 
noms  also,  die  Podwyssozki  und  Sawtschenko  so  wacker 
vertheidigt  haben,  während  Andere,  die  einst  ihre  Anhänger 
waren,  schon  den  Rückzug  mehr  oder  weniger  offen  antreten, 
kann  noch  nicht  als  abgethan  betrachtet  werden.  Aber  die 
Publication  Karg's  und  noch  mehr  die  jüngste  und  werthvoUe 
Arbeit  Török's  „üeber  die  protozoenartigen  Gebilde  des 
Carcinoms  und  der  Paget 'sehen  Krankheit"^)  haben  vor- 
eilige Behauptungen  zurückgewiesen  und  das  Feld  von  vielen 
Irrthümern  aufgeräumt.  Und  mir  schien  es,  dass  ich,  mit  Hilfe 
dieser  beiden  Publicationen  und  der  zahlreichen,  ihnen  beige- 
scldossenen  Illustrationen,  aus  meinen  Präparaten  Argumente 
ziehen  könnte,  um  mich  ein  zweites  Mal  auf  die  Seite  des 
Freundes  Török  zu  stellen.  Hatte  ich  aber  auch  wirklich 
hinreichende  Gründe  um  dies  thun  zu  können? 

Bezüglich  des  dritten  Problems  endlich  fand  ich  mich  von 
neuem  der  nämlichen  Frage  gegenübergestellt.  Waren  vielleicht 
parasitärer  Natur  jene  homogenen  und  glänzenden  Massen  von 

•)  Virchow's  Archiv.  Bd.  132.  22.  April  1893. 
«)  Virchow's  Archiv.  Bd.  131,  2.  Januar  1893. 
»)  Monatshefte  f.  prakt.  Dermat.   1.  März  1893.  Bd.  XVI.  Nr.  5. 


lieber  einen  Fall  von  Epithelioma  Terracosnm  abortivum.  61 

Terschiedener  Form  und  Grösse,  die  ich  in  den  subepithelialen 
Schichten  zu  Nestern  zusammengehäuft  und  zumeist  den  soge- 
nannten Körperchen  des  Molluscum  contagiosum  so  ähnlich 
sehend  gefunden  hatte?  Oder  waren  es  nicht  vielmehr  Dege- 
neiiitionsproducte,  die  man  neben  jene  stellen  musste,  die  von 
mir  auf  der  seit  langer  Zeit  an  Pityriasis  rubra  ^)  erkrankten 
Haut  vorgefunden  wurden  und  die  auch  Török  in  den  vorge- 
sclirittenen  Stadien  des  Liehen  ruber  angetroflfen  hat.  *-') 

Bei  Pityi'iasis  rubra  beschrieb  ich  sie  folgendermassen : 
^In  allen  von  mir  imtersuchten  Schnitten  sieht  man  mitten  in 
der  Infiltration  der  obersten  Lagen  des  Derma  glänzende, 
entweder  runde  oder  rundliche  oder  ovale,  birn-  oder  auch 
keulenföi*mige  Körperchen,  welche  sich  nur  schwach  mit  Orcein 
und  schlecht  mit  Carmin  und  Hämatoxylin  und  mit  Safiranin 
färben.  Einzelne  dieser  Körperchen  liegen  vereinzelt,  die  Mehr- 
zahl jedoch  bildet  Gruppen.  Ihre  Grösse  variirt  zwischen  der- 
jenigen eines  rothen  Blutkörperchens  und  dei;jenigen  einer  Epi- 
thelialzelle.  Ihi-en  Sitz  haben  dieselben  immer  sehr  nahe  am 
epithelialen  Rande  aufgeschlagen.  In  den  Papillarüberresten  und 
genauer  an  deren  Spitzen  liegen  sie  zerstreut."  Und  von  der- 
selben Neugierde  angeregt,  die  mich  heute  anstachelt,  setzte 
ich  damals  hinzu: 

„Was  mögen  nun  diese  Körperchen^  sein?  Gewiss  nicht 
anderes  als  ein  Degenerationsproduct,  es  wäre  denn,  man  wollte 
in  denselben  auch  hier,  wie  bei  anderen  Hautkrankheiten,  wie 
es  Mode  geworden,  Parasiten  wittern. 

Wenn  es  nun  Degenerationsproducte  sind,  woher  kommen 
sie  denn?  Mein  sehr  geschätzter  Freund  Török  hat  mir 
fast  ganz  identische  Figuren  an  Präparaten  gezeigt,  die  ihm  zu 
seiner  interessanten  Arbeit  „Ueber  Liehen  planus"  gedient 
haben.  Dort  gab  Török,  ohne  die  Frage  lösen  zu  wollen,  die 
Möglichkeit  zu,  dass  es  sich  um  Theile  degenerirter  Bindege- 
websfasern,   oder  um   degenerirte    Infiltrationszellen,    oder   um 


')  Tommasoli.  Beitrag  zur  Histologie  der  Pityr.  rubra.  Monatsh. 
f.  prakt.  Derm.   IX.,  6,  p.  250. 

')  Török.  Anat.  d.  Liehen  planus  (Wilson).  Ziegler's  Beitr.  z.  patk. 
Anat.  etc.   Bd.  VIII,  p.  441. 


62  Tommasoli. 

Ablagerung  von  Hyalinschollen,   wie  man  solche  bei  den  ge- 
wöhnlichen Hyalindegenerationen  antrifft,  handeln  könne.'^ 

Wie  man  sieht,  stimmt  die  von  mir  damals  gegebene  Be- 
schreibung dieser  Körperchen  der  Pityriasis  rubra  vollkommen 
mit  der  gegenwärtigen  Beschreibung  der  Körperchen,  die  Gegen- 
stand meines  dritten  Problems  bilden,  vollkommen  überein. 
Und  auch  jetzt  fühlte  ich  mich  gedrungen,  zu  wiederholen,  dass 
sie  „gewiss  nichts  anderes  als  ein  Degenerationsproduct  sind*". 
Und  die  Thatsache  femer  der  tiefgreifenden  Alterationen,  die 
ich  dieses  Mal  im  elastischen  Gewebe  constatirte,  sowie  die 
andere  noch  wichtigere  Thatsache  der  besonderen  Färbung, 
die  man  in  diesen  homogenen  Massen  nach  demTaenzer^schen 
Verfahren  zur  Färbung  des  elastischen  Gewebes  erlangte,  be- 
gründeten noch  mehr  den  Verdacht,  dass  diese  homogenen  und 
glänzenden  Massen  ein  Degenerationsproduct  der  elastischen 
Fasern  sein  könnten.  Eine  Publication  Schmidt ^s  „über  die 
Altersveränderungen  der  elastischen  Fasern  in  der  Haut"  *) 
stützte  ganz  besonders  diese  meine  Vermuthung.  In  der  That 
wird  in  derselben  gesagt,  „dass  durch  die  Atrophie  der  Umge- 
bung eine  Aenderung  der  Substanz  der  elastischen  Fasern  unter 
zwei  Formen  erfolgt,  welche  sich  in  der  Regel  combinirt  vor- 
finden :  In  einem  Falle  quillt  dieselbe  zu  hyalinen  Balken  auf,  im 
anderen  zerfällt  sie  in  glänzende  Kügelchen,  welche 
dann  weitere  Umwandlungen  eingehen". 

Eine  andere  jüngste  Publication  aber  Du  Mesnil  de 
Rochemont's  „Ueber  das  Verhalten  der  elastischen  Fasern 
bei  pathologischen  Zuständen  der  Haut"  ")  belehrte  mich,  dass 
dieser  Beobachter  die  Alterationen  des  elastischen  Gewebes  bei 
verschiedenen  Hautaffectionen,  darunter  der  senilen  Atrophie 
der  Haut,  wie  eben  Schmidt,  und  der  Verruca  senilis  seu 
seborrhoica,  und  auch  in  einem  Falle  von  Lippencancroid  unter- 
sucht hat.  Mit  folgenden  Worten  schloss  Verfasser  seine  Arbeit : 
„Veränderungen  der  Fasern  selbst  (hyaline  Quellung,  Zerfall  in 
glänzende  Kügelchen)  wie  sie  Schmidt  beschi-eibt,  habe  ich 
in  meinen  Präpai'aten  nicht  nachweisen  können".  UebeixJies  hat 


<)  Yirchow's  Archiv.  Bd.  125,  2.  (6.  Aug.  1891)  p.  244. 
«)  Arch.  f.  Derm.  u.  Syph.  1893.  Heft  IV,  p.  577. 


Ueber  einen  Fall  von  Epithelioma  verracosum  abortivum.  63 

Schmidt  seiner  überaus  interessanten  Arbeit  keine  Figur  bei- 
gefügt, wodurch  nützliche,  wenn  nicht  entscheidende  Vergleiche 
mit  meinen  Präparaten  mögUch  gewesen  wären.  Auch  gegenüber 
diesem  dritten  Problem  gelang  es  mir  also  nicht,  jeden  Zweifel 
zu  beseitigen,  und  daher  entschloss  ich  mich  meine  Fragen  der 
massgebenden    Beurtheilung    meines     geehrten    Freundes    Dr. 
Philippson  (Director  des  pathologischen  Laboratoriums  im 
dermatologischen  Institute  Unna ^  s)  zu  unterbreiten,  welchem  ich 
meine  Präparate  zusammen  mit  einigen  Hautstückchen  einsandte. 
Dr.  Philippson  theilte  mir  mit  der  ihm  üblichen  Liebens- 
würdigkeit  mit,    dass   er   auch   zwei  Fälle  gesehen   habe,  bei 
welchen  er,  ausser  den  Läsionen  des  Ulcus  rodens  am  Gesichte, 
einige  Warzen  am  Halse,   an   den  Ohren  und  am  Handrücken 
beobachtet  hat.    Er  hat  jedoch  die  histologische  Untersuchung 
nicht  ausgeführt,  also  war  mein  Fall  für  ihn  Ton  dem  grössten 
Interesse.   In  Bezug   nun   auf   die   von   mir   aufgestellten   drei 
Probleme  erklärte  er  mir,   er  sei  fest  überzeugt,  dass  die  epi- 
theliomatöse  Natur  der  Läsion,   wie  oberflächlich  und  gutartig 
auch  selbe  sein  mag,  nicht  ausgeschlossen  werden  könnte ;  auch 
könnten  die  grosse  Zahl  von  Mitosen  und  die  epitheliale  Wuche- 
rung in  Form  Yon  schönen  Knospen,  wie    sie  auf  der  Taf.  lY, 
Fig.  2  zu  sehen  sind,  keine  andere  Deutung  zulassen. 

Um  nun  mit  grösserer  Sicherheit  den  Ursprung  der  Krank- 
heitserscheinungen, die  in  den  Epithellagen  nachgewiesen  wurden, 
und  insbesondere  die  Natur  jener  kernlosen  runden,  homogenen 
und  glänzenden  Körperchen,  die  man  zwischen  den  Epithelzellen 
beobachtete,  festzustellen,  hat  Philippson  die  yerschiedensten 
Färbungsmethoden  angewendet,  in  erster  Linie  das  W  e  i  g  e  r  tische 
und  Ton  Kromeyer  modificirte  Verfahren  zur  Färbung  des 
Fibrin  (Verhandl.  der  deutsch,  derm.  Gesellsch.  3.  Congress, 
geh  in  Leipzig  17. — 19.  September  1891).  *)  Bei  Anwendung 
dieser  Methode,  die  der  dermatologischen  Histologie  bereits 
so  schöne  Dienste  erwiesen,  ist  natürlich  Dr.  Philippson  von 
dem  feinen  normalen  Bau  der  Epithelzellen  nach  Ranvier's 
Untersuchungen    ausgegangen    und   hat    nach   und    nach    die 


I)  JLrch.  i.  mikr.  Anat  Bd.  XXXIX,  p.  141   und  Arch.  f.  Derm.  u. 
Sjph.  Ergänzungsheft  L  1892,  p.  306. 


64  Tommasoli. 

verschiedenen  Modificationen  studiert,  welche  die  EpitheKasern 
und  die  Fibrinfäden  in  den  Interspinalenräumen  darboten.  Da- 
durch hat  er  nachweisen  können,  dass  in  unseren  Schnitten  als 
sehr  intensiv  gefärbte  Massen  zweierlei  Gebilde  deutlich  hervor- 
treten: ziemlich  gleichmässig  gefärbte  rundliche  Körperchen 
von  der  Grosse  einer  Epithelzelle  und  Epithelzellen  mit 
dicken,  innig  verfilzten  dunkelgefärbten  Fasern.  Zwischen  beiden 
Formen  hat  er  zahlreiche  Uebergänge  gesehen,  und  zwar  dunkel 
gefärbte  Fasern,  welche  ein  ungefärbtes  Centrum  (die  Kem- 
höhle)  umgeben  (s.  Fig.  4,  Taf.  V);  dunkel  gefärbte  Fasern, 
welche  zum  Theil  verschmolzen  sind  und  nur  ein  sehr  kleines 
farbloses  Centrum  einschliessen ;  ein  centrales  rundes  Gebilde, 
welches  seine  Herkunft  aus  Fasern  noch  zum  Theil  erkennen 
lässt,  mit  strahlenförmig  nach  allen  Richtungen  auslaufenden 
dünnen  Fortsätzen;  runde  grössere  Gebilde,  welche  in  ver- 
schiedenen Theilen  verschieden  stark  gefärbt  sind. 

Diese  von  Philippson  nach  der  Fibrinfarbungsmethode 
beobachteten  Alterationen  wurden  zum  grossen  Theil  auch  von 
Kromeyer  constatirt  (loc.  cit.  pag.  306)  „bei  einem  Epi- 
theliom gutartiger  Natur".  Sie  sind  ein  deutlicher  Be- 
weis dafür,  dass  die  Epithelzellen  einem  Degeneratiousprocesse 
anheimgefallen  sind,  der  sich  vor  Allem  durch  eine  Verdickung 
der  Epithelfasern  bekundet  und  bis  zur  Verschmelzung  der- 
selben vorwärts  schreitet.  Es  ist  logisch  aus  diesem  Degenera- 
tionsvorgange, den  man  nach  der  Fibrinmethode  Schritt  iür 
Schritt  verfolgen  kann,  die  hyaline  Umwandlung  der  Epithel- 
zellen hervorgehen  zu  lassen.  Sämmtliche  Zellenalterationen,  die 
wir  in  den  Epithellagen  gefunden  haben,  und  die  kernlosen, 
nfnden,  homogenen,  glänzenden  Körperchen,  die  zwischen  den 
einzelnen  Zellen  angetroffen  wurden,  wären  demnach  nichts 
anderes  als  Producte  dieser  hyalinen  Degeneration. 

Um  endlich  die  nicht  minder  interessanten  Alterationen 
des.  Denna  zu  begreifen  und  die  Natur  dieser  anderen  homo- 
genen und  glänzenden  Körperchen  festzustellen,  die  dessen 
oberflächlichste  Lagen  bevölkern,  hat  sich  Philippson  der 
besten  unter  den  von  Schmidt  (loc.  cit.  p.  242)  erwähnten 
Methoden  behufs  Studium  der  Alterationen  des  elastischen  Ge- 
webes, speciell  der  W  e  i  g  e  r  t'schen  Methode  und  des  üblichen 


Ueber  einen  Fall  von  Epithelioma  vemicosum  abortivum.  65 

Tae  n  z  er'schen  Verfahrens  mit  nachfolgender  Methylenblaukem- 
farbung  bedient:  Nach  der  ersten  Methode  (Fibrinmethode) 
lassen  sich  diese  fraglichen  Körperchen  in  allen  Nuancen 
blau  färben.  Dr.  Philippson  waren  die  Alterationen,  die 
meine  Präparate  aufwiesen,  nicht  imbekannt,  da  er  ähnliche 
Bildungen  bei  den  verschiedensten  Hautaffectionen  beobachtet 
hat,  und  auch  er  hält  dafür,  dass  man  sie  mit  den  von 
Schmidt  hervorgehobenen  Alterationen  identificiren  könne. 
Also  auch  nach  Dr.  Philippson  muss  die  parasitäre  Natur 
dieser  im  Derma  vorgefundenen  homogenen  und  glänzenden 
Körperchen  zurückgewiesen  werden.  Auch  im  Derma  befinden  wir 
uns  somit  gegenüber  den  Producten  einer  hyalinen  Degeneration, 
die  uns  zum  Theile  die  hyaline  Degeneration  des  Epithels  erklärt. 
Nach  diesem  massgebenden  Urtheile  hatte  ich  keine 
Schwierigkeiten  mehr  anzunehmen,  dass  ich  mich  auf  dem  Hand- 
rücken einer  Reproduotion  des  Ulcus  rodens  am  Gesichte  gegen- 
über befand,  die  jedoch  unter  einer  milden  Form  sich  zeigte. 
Hält  man  sich  die  klinische  Beobachtung  und  die  Resultate 
der  histologischen  Untersuchung  gegenwärtig,  so  würde  der 
Process  etwa  folgendermassen  vor  sich  gehen:  An  einer  um- 
schriebenen Stelle  des  Epithels  entwickelt  sich  eine  gleichmäs- 
sige  Verdickung  des  Stratum  spinosum,  an  welche  sich  eine 
hypertrophische  Verhomung  anschliesst.  Die  Verhomungsano- 
malie  kennzeichnet  sich  klinisch  durch  Knötchen  und  hornige 
Warzen  am  Handrücken,  anatomisch  durch  längeres  Erhalten- 
bleiben des  Kernes,  des  Stachelpanzers  und  überhaupt  der  ganzen 
Form  der  Epithelzellen.  Sie  führt  in  rein  mechanischer  Weise 
zu  einer  seitlichen  Zusammenpressung  der  unter  ihr  gelegenen 
Papillen  und  zu  einer  Abdachung  und  ßchräglagerung  der  an 
der  Peripherie  gelegenen  Papillen  und  Epithelleisten.  In  weiterer 
Entwickelung  kommt  es  zu  einer  atypischen  Epithelprolifention, 
welcher  sich  als  Reaction  in  dem  Outisgewebe  eine  Leuoocyten- 
auswa^nderung  zugesellt  oder  auch  wahrscheinlich  vorangebt.  Die 
EpithelproliferatioQ  entspricht  in  ihrer  Form  derjenigen  beim 
Epitiielkrebs,  «e  ist  aber,  da  wir  es  hier  bereits  mit  der  auf 
dem  Höhestadium  der  Entwickelung  befindlichen  Neubildung  zu 
thun  haben,  eine  viel  oberflächlichere  und  führt  nicht  zu  Krebs- 
nestem  in  dem  Bindegewebe. 

ArehiT  f.  DermmtoL  u.  SyphU.  Bknd  XXVI.  5 


66  Tommasoli. 

Mit  der  Wucherung  des  Epithels  in  4er  Form  von  kleinen 
Knospen  in  den  oberflächlichen  Cutislagern  tritt  zu  gleicher 
Zeit  eine  hyaline  Degeneration  des  Protoplasmas  der  mitotischen 
Zellen  ein,  die  sich  hier  Schritt  für  Schritt  verfolgen  lässt.  Die 
koUiquative  Necrose  der  Epithelzellen  mit  und  ohne  mitotischen 
Kern  sieht  man  hier  sehr  selten.  Endlich  wird  die  Infiltration 
des  Papillarkörpers  eine  geringere.  Das  Stratum  spinosum  ist 
entweder  normal  dick  oder  sogar  etwas  niedriger;  dement- 
sprechend ist  auch  der  Papillarkörper  entweder  von  normaler 
Höhe  oder  bereits  niedriger  resp.  ganz  verstrichen  und  es  endet 
der  Process  spontan  mit  Hinterlassung  einer  oberflächlichen 
Cutisatrophie  und  mit  der  hyalinen  Degeneration  der  elastischen 
Fasern,  vielleicht  auch  der  Bindegewebsfasern,  in  Form  von 
homogenen,  glänzenden  Eörperchen. 

Ich  fühle  mich  gedrungen,  einen  solchen  Process  an  die 
Seite  der  Page  tischen  Krankheit  zu  stellen,  ebenso  wie  Karg 
letztere  Affection  neben  das  Ulcus  rodens,  und  mit  demselben 
Vorbehalt,  gestellt  hat.  So  besitzen  wir  ein  neues  Glied,  um  es 
an  die  schon  bekannten  in  der  langen  Kette  der  epithelialen 
Neubildungen  anzureihen. 

Das  erste  Glied  dieser  langen  Kette  könnte,  meines  Er- 
achtens,  durch  das  Epithelioma  Molluscum  (Molluscum 
contagiosum)  dargestellt  sein,  bei  welchem  die  grösste  Anzahl 
degenerirter  Zellen  vorkommt  und  der  höchste  Grad  der  Ober- 
flächlichkeit und  dauernder  und  absoluter  Gutartigkeit  vorhan- 
den ist.  Um  den  Begriff  von  Malignität,  der  gewöhnlich  mit 
der  Bezeichnung  -.Epitheliom  verbunden  wird,  auszuschliessen, 
könnte  man  dieser  Krankheitsform  den  Namen  „Molluscum 
epitheliomato'ides"  beilegen.  Neben  dieses  erste  Glied 
möchte  ich  stellen  das  „multiple  benign  cystic  epithelioma  of 
the  skin"  von  J.  A.  Fordyce^)  und  das  „Epithelioma  foUicu- 
lare"  von  Lache  und  Jsrael. *) 

Ein  zweites  Glied  könnte  gebildet  werden  von  allen  jenen 
oberflächlichen  Hautaffectionen  (die  verschiedenen  epithelioma- 
togenen  Keratoepidermitiden,  darunter  z.  B.  das  Eczema  epi- 


')  Joum.  of  cut.  and  genito-urin.  Diss.  Deo.  1892. 

')  Yirchow'B  Festschrift.  Berl.  dermat.  Gesellsch.   8.  Mai  1892. 


lieber  einen  Fall  von  Epithelioma  verrucosum  abortiviim.  67 

theliomatodes  Colomiatti's,  die  Lentigo  senilis  Hut- 
chinson's,  die  Verruca  seborrhoica,  das  Epithelioma 
syphiloide  Foumier's,  ferner  die  gutartigen  epithelia- 
len Cystadenome  und  die  yerschiedenartigen  epithe- 
lialen Naevi),  bezüglich  welcher  gesagt  werden  kann,  dass 
das  wahre  Epitheliom  latent  oder  in  Embryoform  vorhanden  ist, 
in  Folge  der  chronischen  Hypertrophie  der  epithelialen  Lagen, 
und  sich  eventuell  nur  entwickelt,  wenn  günstige  Entwicklungs- 
bedingungen sich  einstellen. 

Bei  dem  gegenwärtigen  Stande  der  dermatologischen  Wis- 
senschaft könnte  es  scheinen,  dass  an  diese  verschiedenen  Affec- 
tionen  —  die  den  Keim  des  Epithelioms  oder  die  Möglichkeit  in 
sich  schliessen,  in  einem  bestimmten  Momente  in  Epitheliome 
sich  umzuwandeln  —  hier  nur  unpassenderweise  erinnert  wurde. 
Wenn  aber  das  Studium  derselben  ein  vollkommeneres  sein 
wird,  und  wenn  wir  in  der  Lage  sein  werden,  das  Wie  und 
Warum  dieser  Umwandlungen  zu  ergründen,  dann  wird  man 
vielleicht  die  Erfahrung  machen,  dass  es  wohl  möglich  sei,  den 
Eintritt  dieser  Umwandlungen  auch  lange  vorher  vorauszube- 
stimmen,  und  in  einem  solchen  Falle  wird  man  nicht  mehr  be- 
haupten können,  dass  ich  hier  unpassend  daran  erinnert  habe, 
und  man  wird  auch  zugeben,  dass  meminisse  juvabit. 

Das  dritte  Glied  könnte  repräsentirt  sein  durch  dem  mei- 
nigen analoge  Fälle,  bei  welchen  ein  epitheliomathogenes 
Keratom  (Akrokeratom  in  meinem  Falle)  vorhanden  ist, 
und  bei  welchem  das  wahre  Epitheliom  bereits  in  der  Entwicklung 
war,  jedoch  durch  eine  Kraft,  die  für  uns  noch  ein  Geheimniss 
bleibt,  in  seiner  Entwicklung  gehemmt  wurde.  Für  diese  Fälle 
würde  die  Bezeichnung:  abortive  Epitheliome  oder 
Pseudo-Epitheliome  sich  eignen. 

Als  folgende  Glieder  würden  sich  daran  reihen:  sämmt- 
liche  wahre  aber  oberflächliche  Epitheliome  mit 
langsamem  oder  pseudogutartigem  Verlaufe.  Unter 
diesen  nimmt  den  ersten  Platz  ein,  als  obei-flächlichste  Form, 
die  Paget'sche  Krankheit,  die  von  den  Franzosen  allzu 
voreilig  unter  die  Psorospermosen  eingereiht  wurde,  die  jedoch 
von  Besnier  sehr  treffend  als  epitheliomatose  eczema- 
toide  bezeichnet  wurde.    Hierauf  folgen  die  vielen  Varietäten 

5* 


68  Tommasoli. 

oberflächlicher  Epitheliome  mit  den  verschiedenen  Bezeichnun- 
gen von  Epithelioma  papillär,  epidermicnm,  pavi- 
mentosum,  adenoides.  Diesen  ist  beizuzählen  das  Ulcus 
Jacob's  oder  Ulcus  rodens,  dessen  lange  Dauer  wir  auch 
in  unserem  Falle  gesehen  haben,  bevor  es  seinen  Schein  von 
Gutartigkeit  verlor. 

Ein  weiteres  Glied  in  der  Kette  ist  repräsentirt  durch  die 
gleichfalls  oberflächlichen  Epitheliome  jedoch  mit  raschem  Ver- 
laufe, wodurch  sie  rasch  in  die  Tiefe  greifen  und  bösartig  wer- 
den: das  maligne  Cancro'id,  das  Ulcus  crateriforme 
Hutchinson's,  das  sogenannte  Xeroderma  pigmentosum 
Kaposi^s,  welches  ich  lieber  mit  Manassei  Ipercromia 
verrucosa  maligna  oder  noch  besser  mit  Besnier  Epi- 
theliomatose  pigmentaire  nennen  möchte. 

Als  letzte  Glieder  hätten  wir  schliesslich  die  tiefen,  te- 
rebranten  oder  bösartigen  Epitheliome  (Carcinome 
im  engeren  Sinne  des  Wortes),  die  sehr  selten  sind  und  die 
vielleicht  besser  als  gemischte  Formen  von  Epithelioma 
superficiale  und  Epithelioma  profundum   zu  betrachten  wären. 

Es  bliebe  nun  noch  festzustellen,  um  ein  letztes  Wort  in 
Bezug  auf  meinen  Fall  zu  sagen,  womit  seine  Form  von  Epi- 
thelioma abortivum  zusammenhängt,  oder  welchem  Umstände 
man  dessen  spontane  Heilung  zuzuschreiben  hat.  Aber  ich  sehe 
mich  gezwungen,  denselben  Schluss  zu  ziehen,  den  Karg  be- 
züglich des  Epithelioma  erythemato'ides  formulirt  hat:  „Was 
bei  Paget's  Disease  den  Einbruch  der  wuchernden  Epithelien 
in  das  Bindegewebe  erschwert  und  die  Epithelerkrankung  so 
lange  auf  sich  selbst  beschränkt,  ist  schwer  zu  sagen." 

Wie  Karg  und  wie  Darier  stimmen  fast  alle  Patho- 
logen in  der  Annahme  überein,  ^dass  dabei  vielleicht  die  ausge- 
dehnte kleinzellige  Infiltration  der  Cutis  eine  Bolle  spielt,  durch 
welche  die  Lymphspalten  der  Haut,  die  natürlichen  Verbrei- 
tungswege des  Carcinoms,  verlegt  werden  müssen".^)  Ich  muss 
aber  gestehen,  dass  dieser  Erklärungsgrund  mich  unbefriedigt 
lässt,  oder  dass  ich  ihn  wenigstens  unzureichend  finde.    Indem 


')  Karg,  loc.  cit.  p.  168. 


üeber  einen  Fall  von  Epithelioma  verrucosum  abortivum.  69 

Unna^)  constatirt  hat,  dass  die  Epitholiome  mit  langsamerem 
und  daher  gutartigerem  Verlaufe  die  sind,  bei  welchen  die 
Zelleninfiltration  der  Cutis  vorwiegend  von  Plasmazellen  ge- 
bildet ist,  schreibt  er  diesen  ausgedehnten  Plasmomen  das 
Verdienst  zu,  ein  Hinderniss  für  die  Entwicklung  des  Epithe- 
lioms abzugeben.  Aber  auch  diese  Meinung  scheint  mir  noch 
nicht  begründet  und  voreilig  zu  sein,  und  sie  enthebt  uns  nicht 
von  der  Aufsuchung  anderer  Wege,  um  zu  einer  hinreichenden 
und  befriedigenden  Erklärung  zu  gelangen.  Ich  für  meinen  Theil 
glaube,  dass,  wenn  wir  noch  fortfahren  müssen,  diese  Neubil- 
dungen als  „le  produit  d'une  deviation  dans  la  nutrition  des 
cellules,  d'une  perturbation  apportee  ä  l'activite  et  au  deve- 
leppement  normal  des  protoplasmas  et  de  leurs  noyaux",  ^  wie 
es  Brau It,  im  Einklang  mit  der  Mehrzahl  der  Autoren,  be- 
hauptet hat,  zu  betrachten,  wir  dann  die  Ursache  der  Gutar- 
tigkeit einiger  dieser  Neubildungen  mehr  als  in  etwas  anderem 
in  den  Verschiedenheiten  dieser  deviation s  dans  la  nutri- 
tion werden  suchen  können.  Und  ich  glaube,  dass  dort,  wo  die 
Zahl  der  Epithelzellen,  die  irgend  eine  Degeneration,  wie  z.  B. 
die  hyaline  Degeneration  erleiden,  grösser  ist,  man  es  eben 
dieser  Tendenz  der  Krebszellen  zu  degeneriren,  zuzuschreiben 
habe,  wenn  die  Epithelwucherung  keine  Wurzel  fasst. 

Wir  haben  in  unserem  Falle  gesehen,  dass  viele  Epithel- 
zellen existirten,  bei  denen  der  Nucleus  in  Mitose  begriffen  war 
und  das  Protoplasma,  bereits  die  wahrscheinlichen  Zeichen  der 
hyalinen  Degeneration  darbot.  Vielleicht  haben  wir  in  diesem 
Contraste  zwischen  Kern  und  Protoplasma,  nämlich  zwischen 
dem  zuerst  vom  Kerne  erfahrenen  Anstosse  Krebszelle  zu  wer- 
den und  dem  Unvermögen  des  ganzen  Zellenkörpers  diesem 
Anstosse  zu  folgen,  dieses  Geheimniss  zu  suchen.  Aber  jede 
diesbezügliche  Behauptung  wäre  voreilig.  Und  ich  weiss  nun 
nichts  Besseres  zu  thun,  als  dass  ich  allen  Jenen,  die  beab- 
sichtigen, die  Forschungen  in  dieser  Richtung  fortzusetzen,  und 


')  P.  6.  Unna.  lieber  die  Bedeutung  der  Plasmazellen  für  die 
Genese  der  Geschwülste  der  Haut  etc.  Berliner  klinische  Wochenschrift. 
1692,  p.  1240. 

')  A.  Brault.  De  Porigine  non  bacterienne  du  Carcinom.  Archives 
gen.  de  Med.   1885,  Taf.  11. 


70  Tommasoli. 

die  es  für  nützlich  erachten,  meinen  Fall  neuen  Studien  zu 
unterziehen,  alle  jene  im  Alcohol  aufbewahi-ten  Hautstückchen, 
die  mir  von  meinem  Falle  übriggeblieben  sind,  zur  Verfügung 
stelle. 


Erklärung  der  Abbildnngen  auf  Taf.  IV— VI. 

Taf.  IV.  Fig.  1.  Koristka.  Oc.  3.  Ob.  8  (Vergr.  75.)  Hämatoxylin. 
Verschiedene  Formen  von  Keratoma  verruc.  In  der  centralen,  felsenartigen 
Hommasse  sieht  man  die  nucleären  Reste  bis  zu  den  oberflächlichsten 
Homlagem.  Seitlich  hypertrophische  Papillen. 

Taf.  IV.  Fig.  2.  Idem,  Oc.  3.  Ob.  5.  (Vergr.  135.)  Hämatoxylin.  Unter 
einer  dieser,  mit  nucleären  Resten  erscheinenden  Hommasse  sieht  man 
die  Epithelialwucherung  in  Form  von  eleganten  rundlichen  Knospen. 
Starke  Infiltration  in  Umgebung. 

Taf.  V.  Fig.  3.  Idem.  Oc.  4.  Ob.  8.  (Vergr.  720.)  Carbolfuchsin. 
Progressive  Veränderungen  der  Epithelzellen.  Rundliche ,  glänzende 
Körperchen  mit  mitosischem  Kerne.  Idem  ohne  Kern. 

Taf.  V.  Fig.  4.  Idem.  Oc.  3.  Ob.  Immersion  y,j  Zeissl.  (Vergr. 
1100.)  Weigert's  Färbungsmethode.  Sieht  man  einige  Epithelzellen,  bei 
denen  die  Epithelfasem  progressive  Veränderungen  und  zwar  Verdickung, 
innige  Verfilzung  und  Verschmelzung  der  Epithelfasern  bis  zur  hyalinen 
Umwandlung  der  Epithelzelle  zeigen. 

Taf.  VI.  Fig.  5.  Idem.  Oc.  3.  Ob.  8.  (Vergr.  380.)  Orcein.  DeutUche 
Veränderungen  des  elastischen  Gewebes.  Dunkle,  homogene,  unregelmässige 
Körperchen  in  den  oberflächlichsten  Lagen  des  Derma  und  im  Stratum 
papilläre. 

Taf.  VI.  Fig.  6.  Idem.  Oc.  3.  Ob.  3.  (Vergröss.  75.)  Hämatoxylin. 
Regressive,  athrophische  Veränderungen. 


lieber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut 

des  Menschen. 


Von 

Prof.  Georg  Lewin  in  Berlin. 


L  Theil. 

Schon  1877  habe  ich  in  den  Annalen  der  Berliner  Charite 
sowie  in  Eulenburg's  Real-Encyklopädie  Arbeiten  über  den 
Cysticercus  cellulosae  publicirt.  Wenn  ich  mich  jetzt  wiederum 
über  dies  Thema  auslasse,  so  hat  dies  yerschiedene  Gründe.  Die 
Aufmerksamkeit  auf  Hautfinnen,  wenn  auch  gegen  früher  yer- 
mehrt,  steht  auch  jetzt  keineswegs  zur  Wichtigkeit  des  Parasiten 
im  richtigen  Verhältniss,  wie  dies  durch  die  Thatsache  bewiesen 
wird,  dass  z.  B.  Fälle,  in  welchen  der  Cysticercus  m  der  Haut 
Geschwülste  anderer  Art,  wie  z.  B.  Gummata,  vortäuscht,  nur 
von  mir  publicirt  worden  sind.  Noch  geringer  ist  die  Casuistik 
solcher  Kranken,  bei  welchen  die  in  der  Haut  aufgefundenen 
Finnen  die  Diagnose  gleichzeitiger,  in  inneren  Organen,  nament- 
lich im  Gehirn  vorhandener  Finnen  ermöglichten  —  Vorkomm- 
nisse, welche  gerade  in  der  letzten  Zeit  in  meiner  Praxis  sich 
auffallend  vermehrt  haben.  Diese  meine  eigenen  Fälle,  welche 
in  dieser  Arbeit  zerstreut  stehen,  theüe  ich  in  drei  Kategorien, 
und  zwar  1.  solche,  in  welchen  die  Hautfinnen  keine  oder 
nur  locale  Beschwerden  veranlassten;  2.  in  solche,  welche  für 
Gummata  gehalten  und  mit  antisyphilitischen  Curen  behandelt 
worden   sind;    3.  solche,   welche   neben   Hautfinnen   auch  Stö- 


72  Lewin. 

rungen  mannigfacher  Art,  namentlich  des  Gehirns  verursachten, 
und  die  in  Berücksichtigung  der  Haut-Gummata  für  specifisch 
gehalten  und  dem  entsprechend  falsch  behandelt  worden  sind. 

Geschichtlicher  Ueberblicic. 

Die  Finnigkeit  des  Schweines  war  schon  den  Griechen  bekannt. 
Aristoteles  nannte  die  Finnen  ;r<><^asa«.  Aristophanes ')  erwähnt  sie  in 
einem  LustspieL 

Die  thierische  Natur  des  Entozoen  wurde  erst  1688  von  Ph.  J. 
Hartmann')  nachgewiesen ;  hundert  Jahre  später  entdeckte  sie  G ö t z e ') 
in  einem  ihm  von  Meckel  d.  Ae.  zugeschickten  Präparate. 

Wer  zuerst  Cysticercen  intra  vitam  beim  Menschen  nachgewiesen, 
darüber  existiren  verschiedene  Auffassungen.  Rumler  *)  fand  1650  bei  einer 
Section  „pustulae  in  capite  supra  duram  meningem  erosä  ipsa  et  cerebro 
per  foramina  eminente  pluribus  in  locis^.  Blanchard')  erklärt  diese 
Pustulae  für  Finnen.  Derselbe  Autor  fuhrt  auch  Panarolus  an  „en  vit  egale- 
ment  sur  le  corps  d'un  pretre  epileptique".  Wharton*)  referirt  einen 
Fall,  in  welchem  bei  einem  Soldaten,  welcher  erfolglos  eine  Schmier- 
cur  gebraucht  hatte  „salivationem  inuncto  mercurio  sed  frustra  glandulas 
in  brachiis  et  femoribus  movebis.  Glandulae  erant  sanae  valde  numerosae, 
modo  racetim  crescentes  sub  cute,  mobile»,  indolente»*',  üeber  eine  grössere 
ausgeschnittene  Glandula  äussert  sich  W.  »quae  citia  ullum  putridum  aut 
corruptum  humorem  tota  ex  solida  glandulosa  atque  alba  carna  constabat^. 

Es  ist  schwierig  zu  entscheiden,  ob  die  von  den  3  Autoren  beschrie- 
benen Gebilde  Finnen  waren  oder  nicht.   Auch  Huber')  hegt  berechtigten 


')  Im  Lustspiel  „Die  Ritter^  droht  ein  Sclave  dem  Kleon :  Ja,  beim 
Himmel,  wir  wollen  ihm  einen  Pflock  ins  Maul  stecken,  wie  die  Köche  es 
(mit  den  Schweinen)  machen,  dann  die  Zunge  herausziehen,  und  wenn  er 
nun  brav  und  tüchtig  das  Maul  aufsperrt,  wollen  wir  hineingucken  bis 
zum  Hintern,  ob  der  Eerl  Finnen  hat.  —  Diese  Stelle  zeigt,  dass  die 
athemensischen  Köche  schon  eine  üntemuehnng  auf  Finnen  ausübten.  — 
Diese  Notizen  verdanken  wir  J.  Hirschberg,  der  noch  weitere  interes- 
sante, entsprechende  Mittheilungen  in  der  BerL  medic.  Wochenschrift  1892 
p.  363  gibt. 

*)  Hartmann.  Ephemerid.  Acad.  nat.  cur.  Dec.  H.  Anno  11  p.  58. 

*)  Götze.  Neueste  Entdeckung,  dass  die  Finnen  im  Schweinefleisch 
keine  Drüsenkrankheit,  sondern  wahre  Bandwürmer  sind.  Halle  1784. 

*)  Ramler.  Observ.  med.  1558.  Obe.  LIH,  p.  32. 

^)  Blanchard.  Traite  de  Zoologie  medic.  Paris  1889.  L  p.  392. 

')  Th.  Wharton.  Adenographie.  London  1656.  Salp  Bonetur  Sepul- 
chretum  Genevae  1679  p.  I54I. 

^)  Bibliographie  der  klinischen  Medicin.  München  1891.  WerthvoUe 
Sammlung  und  Benützung  der  betreffenden,  bisher  publicirten  Literatur. 


üeber  Cysticercus  cellulosae  beim  Menschen.  73 

Zweifel.  Leackard  und  Küchenmeister  sprechen  sich  inWharton's 
Fall  ftr  Finnen  ans. 

Zwei  Jahrhunderte  später  sprach  Peter  Frank')  in  seiner  Arbeit 
über  Blasenwürmer  die  Vermuthung  aus,  „dass  die  kleinen  Knötchen,  die 
er  öfter  in  der  Haut  sonst  gesunder  Menschen  fand,  den  Cysticercus  ent- 
hielten*'. Als  solche  Kranke  fahrt  er  zwei  Manner  an,  die  er  in  Mailand 
und  Petersburg  beobachtet  hatte.  Beide  zeigten  „unzählige  Knötchen  von 
ErbsengTOsse  bis  zu  der  eines  Taubeneies  und  darüber  im  Gresichte. 
Später  machte  Werner,*)  Prosector  in  Leipzig,  die  erste  Beobachtung 
einer  Finne  im  Muse,  pectoralis  eines  ertrunkenen  Soldaten. 

Danach  seheint,  nach  Rudolph i 's  Angabe,')  Chabert  bei  einem 
jungen  Mädchen  eine  Finne  unter  der  Zunge  entfernt  zu  haben.  Ob 
Dupuytren 's*)  „ver  vesiculair  dans  le  muscle  grand  peronier"  ein  Cysti- 
cercus gewesen  ist^  muss  dahin  gestellt  bleiben.  Der  Erste,  welcher  die 
Diagnose  auf  Cysticerken  intra  vitam  stellte  und  durch  Exstir- 
pation  erhärtete,  war  Krukenberg  *)  und  zwar  bei  einem  Kranken,  der 
gegen  40  solcher  Tumoren  am  Körper  zeigte.  Krukenberg 's  Schüler 
Uhde*)  und  Sticht  bewiesen  sich  als  ebenbürtige  Diagnostiker.  Der 
Erste  exfltirpirte  bei  einem  ISjähr.  Schlosserlehrling  aus  dem  Muse,  pec- 
toralis eine  Finne.  Stich  dagegen  hat  diese  Parasiten  der  Haut  durch 
Excision  bei  4  Kranken  nachgewiesen. 

Seine  Fälle  sind  folgende:  1.  Eine  34jähr.  Witwe  hatte  eine  Anzahl 
linsengrosser  €kschwülste,  welche  für  Gichtknoten  gehalten  wurden.  Ein 
Knoten  wurde  exstirpirt.  In  den  folgenden  drei  Jahren  sollen  die  Finnen 
„nach  nnd  nach  bis  auf  einen  geschwunden  sein''. 

2.  Bei  einer  36jähr.  Frau  fanden  sich  zahlreiche  überbohnengrosse 
Tumoren^  namentlich  dicht  gedrängt  auf  den  Glutaeen.  Die  Section  wies 
400 — 600  Finnen  nach.  Auch  in  der  Herzmuskulatur  sassen  zwei  nahe  der 
äusseren  Wand. 

3.  Ein  Kranker  hatte  schon  seit  3  Jahren  Geschwülste  am  Körper 
bemerkt.  Stich  fand  43  im  subcutanen  Bindegewebe  und  in  den  ober- 
flachlieh  gelegenen  Muskeln. 

4.  Ein  syphilitischer  Mann  hatte  37  haselnussgrosse  Geschwülste  an 
den  Armen,  Beinen  und  Rumpf.  Sie  waren  irrthümlich  für  Gummata  ge- 
halten und  mit  Quecksilberbäder  und  Jodkalium  ohne  Erfolg  behandelt 
worden. 


')  Frank.  Behandlung  der  Krankheiten  des  Menschen.  Uebersetzt 
von  S  ob  er  abend.  1839.  X.  p.  135. 

')  Werner.  Term.  intest,  her.  ex  pos.  continuatio  secnnda.  Lipsia 
1786  p.  7. 

*)  Rudolph!.  Encyklopäd. Wörterb.  d. med.  Wissensch.  Bd.  IX,  p.  89. 

*)  Dupuytren.  Le^.  erat,  de  clin.  chir.  Paris  183^.  U.  186. 

^)  Krukenberg.  Sendhe  Diss.  Cystic.  eellul.  Halle  1843  p.  30. 

•)  ühde.  Deutsche  Klinik.  1851.  Kr.  40. 

^  Stich.  Annal.  der  Charite.  Berlin  1854  p.  169. 


74  L  e  w  i  n. 

Nach  Stich  wurden  mehrere  Fälle  publicirt,  in  welchen  Gysticerken 
zwar  aufgefunden  wurden,  ohne  dass  dieselben  jedoch  vorher  diagnosticirt 
waren. 

Lafette. ')  Ein  25jähr.  Maurer  hatte  eine  den  Gebrauch  der  Hand 
hemmende  und  eino  BeucrnTicf  des  kleinen  Fingers  bewirkende  taubenei- 
grosse  Greschwulst  an  der  Ulnar^eite  der  rechten  Hand. 

Lancereaux. *)  Eine  43jähr.  Lumpensammlerin  zeigte  über  1000 
(Schwülste  über  dem  ganzen  Körper,  olivenkem-  bis  haselnussgross.  Ein 
Tumor  fand  sich  unter  der  Zunge,  einige  in  den  Masseteren. 

Dumreicher. ')  Ein  25jähr.  Tischler  hatte  einen  Tumor  an  der  r. 
vorderen  Temporalgegend,  von  der  Grösse  einer  gequollenen  Erbse. 

Höcker^)  beobachtete  bei  einem  Manne  innerhalb  eines  operirten 
Psoasabscesses  die  Finnen. 

Frankenhauser*)  fand  bei  einer  Frau  mehre  Finnen  am  Vorderarme. 

Dolbeau')  stellte  1861  in  der  Societe  anatomique  de  Paris  ein 
24j ähriges  Mädchen  vor,  welches  eine  haselnussgrosse  Geschwulst  in  der 
Stimgegend  zeigte,  die  er  f&r  eine  Balggeschwulst  gehalten  hatte,  sich 
aber  als  Cysticercus  entpuppte. 

Gros')  fand  in  einem  linsen  grossen  Tumor  der  rechten  Augen- 
braue eine  Finne  bei  einem  21jährigen  Mädchen,  welches  seit  einem  Jahre 
an  Zahnschmerzen  der  rechten  Gesichts-Hälfte  gelitten  hatte. 

Nicoladoni^)  publicirte  einen  Fall,  in  welchem  bei  einem  Kranken 
ein  Cysticercus  im  ünterhautzellgewebe  der  rechten  Schläfengegend  ge- 
funden wurde. 

Sidney  Jones*)  fand  den  Wurm  bei  einer  20jährigen  Frau  in  der 
Unterlippe. 

V.  Graefe*)  berichtet  über  eine  Anschwellung  im  rechten  unteren 
Augenlide,  welche  sich  allmälig  vergfrösserte  und  das  Augenlid  ver- 
drängte. Er  gesteht  selber,  dass  er  ausser  Stande  gewesen,  eine 
Diagnose  zu  stellen. 

In  dem  darauf  folgenden  langen  Zeitraum  schweigt 
die  Literatur  über  Cysticercus.  Erst  von  1874  an  war  es  mir 
vergönnt  bei  einer  grösseren  Anzahl  von  Kranken  denPara- 
siten  zu  diagnosticiren.') 


')  Lafette.  Abcitte  med.  XXX.  28.  Jan.  1869.  Schmidt 's  Jahrb. 
Bd.  164,  p.  187. 

»)  Arch.  genez.  1872.  Nov.  p.  543. 

•)  Wiener  med.  Presse.  1872  p.  425. 

*)  Conta's  Zeitschr.  f.  Epidem.  u.  öfifentl.  Ges.  N.  F.  ÜI.  Jahrg.' 
1872  p.  154. 

*)  Bullet.  Soc.  anat.  Paris  1861.  2  Ser.  Tom.  VI. 

•)  Gaz.  de  hop.  1871.  Nr.  118. 

')  Wiener  med.  Presse.  1872. 

»)  Arch.  f.  Ophtalm.  Bd.  XIL  p.  194. 

»)  Berl.  Charite-Annal.  1877. 


lieber  Cysticercus  cellulosae  beim  Menschen.  75 

1.  Bei  einem  85jähr.  Arbeitsmanne  sassen  5  bohnen-  bis  haselnuss- 
gfrosse  Tumoren  in  der  Käfae  der  rechten  Brustwarze. 

2.  Bei  einem  45jähr.  Schlosser  wurden  circa  6  Tumoren  an  den 
verschiedensten  Körperstellen  gefunden,  wobei  sich  namentlich  zwei  auf 
dem  Kopfe  durch  UeberhaselnussgrÖsse  und  Hart«  auszeichneten. 

3.  Bei  einem  25jähr.  Kaufmann  sassen  zwei  Gysticerken  in  der 
rechten  Yola  manus. 

4.  Bei  einem  27jähr.  Oekonom  fanden  sich  5  Gysticerken  auf  den 
rechten  Glutaeen,  7  auf  dem  linken  Vorderarme  und  2  in  der  rechten  Wade. 

5.  Bei  einem  25jähr.  Tischler  sassen  an  den  verschiedensten  Kör- 
perregionen Tumoren,  so  namentlich  auf  Brust  und  Rücken. 

6.  Ein  Sßjäkr.  Zimmermann,  welcher  mich  wegen  eines  chronischen 
Ekzems  consultirte,  litt  seit  Va  Jahr  an  einer  kleinen  Geschwulst  in  der 
Mitte  des  rechten  Handrückens.  Sie  soll  linsengross  gewesen  sein,  wuchs 
aber  zu  der  Grösse  eines  Taubeneies.  In  der  letzten  Zeit  fing  die  Haut 
darüber  an  roth,  schmerzhaft  und  heiss  zu  werden  und  ihn  an  Arbeiten 
zu  hindern.  Die  Geschwulst  machte  den  Eindruck  eines  furunculosen 
Abscesses.  Die  Function  entleerte  eine  kleine  Quantität  Eiter,  in. dem  die 
Finne  schwamm.  Die  bei  den  einzelnen  Kranken  durch  die  Finnen  ver- 
ursachten localen  Beschwerden  werde  ich  bei  der  Symptomatologie  be- 
sprechen. 

In  Folge  dieser  Erfahrungen  suchte  ich  durch  Vortrage  und  schrift- 
liche Arbei  en  die  Aufmerksamkeit  meiner  Gollegen  auf  die  Wichtigkeit 
des  Befundes  zu  lenken.  Der  Erfolg  war  günstig,  wie  folgende  seitdem 
publicirte  Casuistik  zeigt. 

Litten  (Jahresbericht  d.  schles.  Gesellsch.  f.  vaterländ.  Cultur  1875. 
Breslau  1876.  p.  190).  Bei  einem  öOjahr.  Schäfer  fand  sich  seit  15  Jahren 
eine  Menge  Gysticerken  unter  der  Haut. 

Broca  (Gaz.  des  höpit  1876  Nr.  24).  Ein  27jähr.  Kutscher  bekam 
plötzlich  harte  indolente  Hautknoten  auf  Brust,  Rücken,  Bauch,  den  Extre- 
mitäten, im  Gesicht  und  Nacken.  Sie  waren  länglich,  von  Linsen-  bis 
Erbsengrösse. 

F.J.Pick  u.  Fuchs  (Demonstr.  im  Verein  deutscher  Aerzte.  Prager 
med.  Wochenschrift  1876).  Solitäre,  über  walnussgrosse  Cysticerkusge- 
schwulst  im  Unterhautgewebe  oberhalb  des  linken  Schulterblattes  bei  einem 
etwa  oOjährigen  Fleischer. 

Ren  du  (Lyon  med.  1877.  XXV.  p.  474).  Ein  40jähr.  Mann  zeigt 
einen  harten,  erbsengrossen  verschiebbaren  Tumor  an  der  äusseren  Seite 
des  rechten  Knies  und  eine  grössere  Anzahl  gleicher  Geschwülste  an  ver- 
schiedenen Körperregionen. 

Paul  Guttmann  (Berl.  klin.  Wochenschr.  1877  p.  374).  Bei  einem 
63jähr.  Schneider  fanden  sich  über  36  subcutane,  erbsengrosse  Tumoren 
auf  Rücken,  Nacken,  Armen,  Brust  und  Bauch.   (Gleichzeitig  Taenia  solium.) 

Idem  (ibidem  1879.  p.  279).  Ein  49jähr.  Maurer  mit  zahlreichen 
Tumoren  auf  Brust,  Rücken,  Oberarm,  einigen  am  Kopfe,  Bauche  und  an 
den  Oberschenkeln.  —  Rapid  abnehmende  Sehkraft  des  linken  Auges. 


76  L  e  w  i  n. 

Idem  (ibidem).  Ein  AckersmaiiB  mit  cardialgiachen  Beschwerden 
hatte  einen  bohnengrossen  harten  Tumor  im  Epigastrium,  der  exstir- 
pirt  wurde. 

Heimpel  (Bayr.  ärztL  Intelligens-Blatt  1878.  Nr.  12).  Ein  22jähr. 
Artillerist  bemerkte  seit  mehreren  Wochen  eine  doppelte  bohnengrosse 
Geschwulst  in  der  Gegend  der  linken  9.  Rippe,  seit  einigen  Tagen 
schmerzhaft. 

Fischer,  Aschaffenburg  (BerL  klin.  Woch^ischr.  1879  p.  730).  Bei 
einem  jungen  Manne  zeigte  sich  seit  L4  Tagen  eine  taubeneigrosse  Hei^ 
▼orwölbung  am  rechten  Arme,  wodurch  die  Bewegung  des  letzteren 
genirt  war. 

Schiff  (Viertelj.-Schrift  f.  Dermat.  und  Syph.  1879.  p.  276).  Ein 
26jähr.  Mann  mit  zahlreichen  subcutanen  Tumoren  von  Erbsen-  bis  Hasel- 
nussgrösse,  knorpelhart,  leicht  verschiebbar.  Ich  komme  weiter  unten  auf 
diesen  FaU  zurück. 

Duguet  (L'Union  medic.  1880,  p.  572).  Ein  27jähr.  Mann  mit 
Polyarthritis  rheumatica.  Hat  seit  einigen  Monaten  gegen  80  subcutane 
Tumoren,  nur  Gesicht  und  Grenitalien  frei  dayon.  Anfalle  von  Verwirrt- 
heit. Grosse  Dosen  von  Natr.  salicyl.  —  Nach  6  Monaten  waren  die  Tu- 
moren bis  auf  &  oder  8  verschwunden. 

Rufferi  (L'Jnion  med.  1880  p.  1037).  Ein  32jähr.  Tischler  hatte 
Schmerzen  im  Nacken  und  Reissen;  seit  2  Jahren  viel  subcutane  Knoten 
von  Kirschen-  bis  Haselnussgrösse.  Bandwurmglieder  gingen  ihm  ab. 
Kopfeehmerzen,  Schwindel  bis  zur  Bewusstlosigkeit. 

Em.  Frank  (Allg.  Wiener  med.  Zeitung  1880,  Nr.  35).  Ein  61j. 
Pfründner  hatte  plötzlich  geistige  Störung,  epileptische  Anfalle,  Streck- 
krampfe,  Störungen  des  Bewusstseins  und  der  Sensibilität.  Section:  dif- 
fuse Trübung  der  Hirnhäute  mit  chronischem  Oedem,  geringer  Hydro- 
cephalus  internus,  Cysticercus-Blase  unter  der  Arachnoidea  in  der  Mitte 
der  vorderen  Centralwindung  bei  der  linken  Grosshim-Hemi&phäre,  ausserdem 
Cysticerken  an  der  vorderen  Wand  des  linken  Herzventrikels,  im  Septum 
ventriculi ;  ebensolche  Tumoren  auf  beiden  Musculi  pectorales  majores  und 
dem  Muse,  vastus  des  vorderen  Oberschenkels.  Intra  vitam  nicht  beobachtet. 

Weiss  (Anzeig,  der  Wiener  ärztl.  Gesellsch.  1880,  Nr.  10).  Ein 
24jähr.  Mann  hatte  an  zahlreichen  Stellen  des  subcutanen  Gewebes  kleine, 
pralle,  ovoide,  leicht  verschiebbare  Tumoren;  auf  der  Brust  wurden  65 
palpirt,  fsist  ebensoviel  an  Hals,  Bauch  und  den  unteren  Extremitäten, 
einer  an  der  unteren  Fläche  der  Zunge. 

Hock  (Wiener  med.  Wochenschrift  1883,  Nr.  52).  Cysticercus  sub- 
retinalis  bei  einem  23jähr.  Patienten,  ohne  Entzündung  des  Uvealtractus. 
Kop&chmerz,  Aphasie,  Neuritis  optica.  Zahlreiche  Knoten  im  subcutanen 
Zellgewebe  und  in  den  Muskeln.    Im  Gehirn  20  Gysticericen. 

Troisier  (L'Union  med.  1882,  Nr.  70).  Ein  21jähr.  Mann  bekam 
1881  in  der  rechten  Wade  21  haselnussgrosse  Tumoren,  4  am  Halse,  2 
an  der  Brust  und  je  einen  im  Epigastrinm  auf  dem  Rücken,  in  der  linken 
Leistengegend  und  an  jedem  Arm. 


üeber  Cysticercus  cellulosae  beim  Menschen.  77 

Talini  (6az.  med.  ital.  Lomb.  188S|  Nr.  25)  referirt  über  zwei 
Fälle  von  Finnen  am  Kopf  und  in  der  Haut  ("er  Lambalgegend  bei  einer 
60jähr.  Frau. 

Bathery  (Lyon  med.  1688,  Nr.  42).  Ein  Patient  mit  Vitium  oordis 
zeigte  18  Tumoren  an  den  verschiedensten  Körpertheilen,  ohne  looale  oder 
allgemeine  Beschwerden.  Das  Vitium  cordis  führte  man  auf  einen  Cysti- 
cercus im  Myocardium  zurück. 

Lutz  (Monatshefte  f.  prakt.  Dermatol.  1886,  p.  85)  hat  mehrere 
Fälle  von  Hautcysticerken  beobachtet;  es  waren  zahlreiche  subcutane 
Knoten  namentlich  am  Bauche  und  den  Oberschenkeln  von  verschiedener 
Grosse  vorhanden,  so  dass  eine  zweimalige  Infection  angenommen  wurde. 
Einer  sass  im  Präputium. 

Loeb  (Inaug.-Diss.  Strassburg  1885—1886).  Ein  Sljähr.  Dachdecker 
hatte  seit  1884  Anorexie,  Kopfschmerz,  Schwindel,  Augenflimmem,  dann 
1885  Knötchen  am  Bauche  und  anderen  Körperstellen,  im  Ganzen  etwa 
170 — 180.  Während  des  Hospital- Aufenthaltes  entstanden  noch  immer 
neue  Knoten. 

Tomm.  de  Amicis.  Tre  nuovi  casi  di  cvsticerco  cellulosae  Na- 
poli  1885.  1.  27jähr.  Mann  bemerkte  vor  6  Jahren  auf  verschiedenen  Kör- 
perstellen  Knötchen,  die  sich  sehr  langsam  von  Hanf-  und  Erbsen-  zur 
Oliven-  und  Mandelgrösse  entwickelten,  aber  seitdem  stationär  blieben. 
Es  waren  im  Ganzen  56 ;  ein  olivengrosses  wurde  aus  der  r.  Hüfte  excidirt. 
Die  ersten  mikroskopischen  Untersuchungen  fielen  negativ  aus  bis  1683  das 
in  Alkohol  bewahrte  Präparat  mit  Erfolg  untersucht  wurde.  1883  konnten 
von  den  56  Tumoren  nur  noch  3  hanfgrosse  gefunden  werden. 

2.  17jähr.  Student,  seit  2  Jahren  über  der  rechten  Augenbraue  ein 
erbsengrosser  beweglicher,  indolenter,  subcutaner  Tumor.  Syphilitische 
Polyadenitis,  Boseoki  maculosa.  Bei  der  Operation  wurden  neben  dem  Cy- 
sticercus 6  abgefallene  Häkchen  gefunden. 

3.  29jähr.  Friseur.  Seit  8  Jahren  Schwäche  in  den  Extremitäten, 
heftiger  Kopfschmerz  und  Schlingbeschwerden.  Vor  2  Jahren  unter  Con- 
vulsionen  bewusstlos  hingefallen.  Danach  bemerkte  er  am  Bauche  einen 
Tumor  von  der  Grösse  einer  Schrotkugel,  später  mehrere  an  verschiedenen 
Körperstellen.  Abgang  von  Taenia-Gliedem.  Präcordialschmerz.  Im  Ganzen 
11  Tumoren. 

Gellerstedt  (Hygiea,  Bd.  XV  p.  145).  47jähr.  Frau.  Seit  meh- 
reren Jahren  Kopfschmerz,  später  Blödsinn.  Tod.  Unzählige  Finnen  in  den 
Muskeln  und  im  Gehirn. 

Karewski  (Vortrag  i.  d.  Bcrl.  med.  Gesellsoh.).  18.  Nov.  1884 
18jähr.  Mädchen;  erbsengrosse  Blase  unter  der  Schleimhaut  des  rechten 
Mundwinkels.  Zarte  durehsiehtige  Blase  mit  gelblicher  Flüssigkeit;  con- 
tractiler,  gerunzelter  Hals,  4  Saugnäpfe,  Hakenkranz. 

Germelmann.  Dissert.  Göttingen  1884.  Cysticerken  in  der  Con- 
junctiva  palpebrarum. 

Karewski  (L  c).  21.  Februar  1865:  Finne  aus  dem Musk. pectoralia 
eines  9jähr.  Mädchens  extrahirt,  pflaumengross,  hart,  beweglich. 


78  L  e  w  i  n. 

Karewski  (1.  c).  17.  August  1885:  9jähr.  Mädchen,  Tumor  in  der 
Mucosa  der  rechten  Oberlippe. 

Karewski  (1.  c.)  October  1885:  25jähr.  Frau  mit  wallnussgrossem 
Tumor  der  rechten  Mamma,  einem  Adenom  ähnlich,  auf  Druck  schmerz- 
haft, von  Muse,  pectoralis  nicht  abhebbar.  Bei  der  Exstirpation  noch  eine 
eitergefullte  Finnenblase  im  Muse,  pectoralis  gefunden. 

Karewski  (1.  c).  19.  Januar  1886:  6jähr.  Mädchen  mit  rundem 
hartem,  indolentem,  subcutanem  Tumor  auf  der  rechten  Kniescheibe.  Bei 
der  Exstirpation  entschlüpft«  einer  sehr  dicken  Bindegewebskapsel  ein 
Blasenwurm. 

Karewski  (1.  c).  9.  Febr.  1886:  26jähr.  Mann  mit  einem  hühner- 
eigrossen  Tumor  am  rechten  Oberarm.  Bei  der  Operation  zeigte  sich 
eine  von  schwieligen  starren  Wandungen  begrenzte  Eiteransammlung,  in 
welcher  eine  Finne  mit  reichen  Kalkkömchen  war. 

Karewski  (1.  c).  17. Februar  1883.  Ein  VJ^^^* l^i^^^  mitAbscess 
am  inneren  Winkel  des  rechten  unteren  Augenlides.  JVach  der  Incision 
entleerte  sich  mit  etwas  Eiter  eine  erbsengrosse  Finnenblase.  Die  Mutter 
litt  am  Bandwurm,  das  Kind  war  nur  mit  Kuhmilch  genährt. 

Karewski  (1.  c).  6.  October  1886:  2jähr.  Mädchen  mit  perforirtem 
Abscess  unter  der  Haut  des  Daumens.  Bei  Einfuhrung  des  scharfen  Löffels 
schlüpfte  ein  Cysticercus  heraus.    Bestand  angeblich  erst  seit  8  Tagen. 

Karewski  (1.  c).  23jähr.  Kau^ann  mit  Abscess  am  linken  Glu- 
taeus.  Hatte  seit  Monaten  daselbst  einen  kleinen,  schmerzhaften,  lästigen 
Tumor  gefühlt.  Litt  an  Taenia.  Bei  der  Incision  entleerte  sich  ein  Cy- 
sticercus mit  hämorrhagischem  Eiter. 

Giameti  (II  Morgagni,  1888,  L).  60jähr.  Frau.  Anämie,  welche  mit 
einer  abgelaufenen  Pellagra  in  Verbindung  gebracht  wird.  Tod.  Zahlreiche 
Cysticerken  in  den  Intercostalmuskeln  und  in  der  Zunge. 

Hirschberg  (1.  c,  p.  362).  Sjähr.  Mädchen.  Bohnengrosse  Auftrei- 
bung des  unteren  Augenlides,  die  unter  dem  Muskel  lag. 

Hirschberg  (1.  c).  1'/, jährig.  Knabe.  Am  unteren  r.  Orbitalrand 
eine  unter  der  Haut  gelegene,  erbsengrosse  Blase. 

Hirschberg  (1.  c).  34jähr.  Frau.  Unter  der  Haut  des  unteren 
Augenhöhlenrandes  eine  bohnengrosse  Blase. 

Hirschberg  (1.  c).  Sjähr.  Mädchen.  Balggeschwulst  des  oberen 
Augenhöhlenrandes. 

Ausser  dieser  Casuistik  wurden  noch  folgende  Dissertationen  publicirt : 

Ed.  Lommer.    Der  Cysticercus  im  Muskel  etc.   Jena  1876. 

Jos.  Boyron.  £tude  sur  la  ladrerie  chez  l'homme.  These  Nr.  83. 
Paris  1876. 

D  res  sei.    üeber  Cysticercus  cellulosae.  Berlin  1877. 

J.  Loeb.   Ein  Fall  von  multipl.  Cysticerken.   Strassburg  1887. 

C.  Gursky.  Ein  Fall  von  solitärem  Cysticercus.   Graifswald  1890. 

Fr.  Hau  gg.  üeber  den  Cysticercus  cellulosae  des  Menschen.  Er- 
langen 1890. 


üeber  Cysticercus  cellulosae  beim  Menschen.  79 

Aus  obiger  Uebersicht  ergibt  sich,  dass  in  dem  Zeit- 
räume Yon  der  ersten  Auffindung  des  Cysticercus  bis  1875,  also 
innerhalb  zweier  Jahrhunderte  der  Parasit  nur  achtmal  intra  Titam 
angefunden  wurde.  Von  1875  an,  wo  ich  die  Aufmerksamkeit 
meiner  CoUegen  auf  die  Wichtigkeit  des  Befundes  zu  lenken  ver- 
suchte und  die  Kriterien  des  durch  den  Parasiten  erzeugten 
Tumors  feststellte,  sind  circa  50  Fälle  publicirt.  Diese  zwar 
häufigere  AufEindung  des  Cysticercus  steht  trotzdem  noch  im 
MissTerhältniss  zu  seinem  wirklichen  Vorkommen. 

Häufigkeit  des  Vorkommens. 

Cysticerken  kommen  beim  Menschen  relativ  häufig  vor 
und  zwar  häufiger  als  Echinococcus,  fast  gleich  häufig  wie  früher 
Trichinen.  Nach  Försters,  Zenkers,  Grilhoms,  Haughs, 
Müllers  und  Dresseis  Angaben  fanden  sie  sich  in  0*6 — 2% 
aller  Sectionen.  Der  Echinococcus  wurde  nach  Angabe  ver- 
schiedener Anatomen  durchschnittlich  in  0*4%,  die  Trichinen 
in  1 — 27o?  in  der  letzten  Zeit  überhaupt  sehr  selten  bei  Secti- 
onen aufgefunden. 

Virchow  (Charite-Annalen  1875 — 77)  gibt  folgende 
Procentzahlen  der  Finnen  an : 

1875  1,6%, 

1876  l,37o, 

1877  1,1%. 

In  der  Berliner  Charite  in  den  Jahren  1875—1880  nach- 
gewiesene Echinococcen  beliefen  sich  auf  31 ;  1881  stiegen  sie 
auf  8 ;  1887  auf  9 ;  dann  1888  sanken  die  Zahlen  auf  3. 

Bei  der  Discussion  in  der  Berliner  medicinischen  Gesell- 
schaft am  2.  März  1892  erklärte  Virchow,  in  den  letzten 
17  Jahren  (1875 — 1891)  122mal  bei  seinen  Sectionen  die  Finnen 
gefunden  zu  haben  und  zwar  104  allein  im  Gehirn. 

Davon  fielen  1882  1  Finne  auf  31  Sectionen, 

1890  1       ,         ,72         „ 

1891  „         „    70         „ 
1875  1       ,         ,18         „ 

Dies  enorme  Verhältniss  im  Allgemeinen  entspräche  aber 
noch  lange  nicht  der  Wirklichkeit,  weil  das  Gehirn  in  vielen 
Fällen  nicht  geöffaet  würde. 


so  L  e  w  i  n. 

Da  aber  das  Gehirn  keineswegs  das  Prädilectionsorgan 
der  Cysticerken  ist,  diese  vielmehr  auch  in  andere  Organe,  so 
in  das  Ange,  in  die  Lungen,  ins  Herz  und  namentlich  in  die 
Muskeln  und  das  Unterhautzellgewebe ')  (woher  ihr  Zuname 
Cysticercus  cellulosae)  einwandern,  so  scheinen  aUe  angegebenen 
Procentverhältnisse,  selbst  die  von  Virchow  liinter  der 
Wirkliclikeit   zurückzubleiben. 

Wenn  die  Sectionen  die  Bestätigung  vermissen  lassen,  so 
erklärt  sich  dies  einfach  dadurch,  dass  viele  Organe,  vorzüglich 
auch  die  Haut  und  die  Muskeln  nicht  hinreichend  untersucht, 
noch  weniger  in  hierzu  nöthige  kleinste  Partikelchen  zer- 
schnitten werden.  Für  Berlin  ist  die  Auslassung  Yirchow's 
von  Bedeutung,  ,,da8S  wir,  wenn  nicht  ganz  besondere  Gründe 
vorliegen  und  besonders  fühlbare  Stellen  sich  bemerkbar  machen, 
nicht  dazu  kommen,  eine  einigermassen  genaue  Uebersicht  über 
die  Zustände  der  Muskeln  und  Knochen  zu  gewinnen."  Einen 
Beweis  für  die  Häufigkeit  der  Finnen  liefert  auch  der  Befund 
des  Auges.  A.  v.  Graefe^)  hat  das  Entozoon  lOOmal  allein 
im  Auge,  Hirschberg ^)  etwa  70mal  beobachtet,  Germel- 
mann  in  der  Göttiger  Klinik  llmal;  v.  Conta^)  gibt  an,  dass 
in  Sachsen- Weimar  der  Blasenbandwurm  sehr  häufig  vorkomme, 
besonders  in  Städten  und  bei  Männern. 

Ueber  die  Häufigkeit  der  Parasiten  in  der  Haut 
können  wegen  der  mangelnden  Untersuchungen  keine  genauere 
Angaben  existiren.  Die  wenigen  vorhandenen  Daten  sind  deshalb 
auch  werthlos.  Nach  Dressel  fanden  sich  in  5300  Sectionen 
87mal  Cysticerken  und  davon  l*67o  in  den  Muskeln.  Haugg  in 
Erlangen  fand  in  seinen  29  Fällen  10  Finnen  in  der  Haut  und  den 
Muskeln,  Müllerin  36  Fällen  mir  einen  in  den  Muskeln,  Grib- 


')  Bei  Schweinen  ist  nach  Angabe  aller  Helminthologen  das  Unter- 
hautbmdegewebe  am  häufigsten  von  der  Finne  befallen.  Was  den  Menschen 
betriflft,  so  existiren  die  widersprechendsten  Ansichten  und  zwar  sind  auch 
diese  problematisch,  weil  Niemand  ein  auf  Thatsaehen,  d.  h.  ein  auf  wirk- 
lich grossen  Erfahrungen  beruhendes  Urtheil  in  Anspruch  nehmen  kann. 

*)  A.  V.  Graefe.  Arch.  f.  Ophthalm.  L  1,  458;  I.  2,  326;  11.  1,  259; 
n.  2,  334;  m.  2,  380;  IV.  2,  171;  VII.  2,  48;  XII.  2,  174;  XIV.  8,  143. 

•)  Hirschberg.  Berl.  med.  "Wchschr.  1892. 

*)  Conta.  Leuckart.  Die  menschl. Parasiten.  2.  Aufl.  Blanchard. 
Zoologie  medic.  1889.  L,  339.  Nach  Hirschberg. 


Ueber  Cysticercus  cellulosae  beim  Menschen.  81 

bohm  in  6  Fällen  einen  in  den  Muskeln,  Siewers  in  5  Fällen 
einen  in  den  Muskeln.  Klob  in  Wien  soll  „bei  530  Obductionen 
10  Finnen  in  den  Muskeln  gefunden  haben".  Virchow  gibt 
an,  dass  während  der  letzten  17  Jahre  nur  15  Fälle  von  Cysti- 
cerken  in  den  Muskelen  constatirt  seien.  „Ich  bezweifle  aber 
nicht,  dass  es  hätten  mehr  sein  sollen,  dass  eine  grössere  Zahl 
vorhanden  war."  Im  Widerspruche  mit  dieser  scheinbaren 
Seltenheit  steht,  dass  im  letzten  kurzen  Zeiträume,  in  welchem 
auf  Hautfinnen  geachtet  wurde,  diese  relativ  viel  häufiger  schon 
intra  vitam  au%efunden  wurden,  so  z.  B.  von  mir  in  14,*)  von 
Karewski  in  7  Fällen.  Leuckardt  behauptet  nach  seinen 
reichen  Erfahrungen,  dass  bei  notorischer  Anwesenheit  von 
Finnen  im  Gehirn  solche  auch  höchst  wahrscheinlich  in  der 
Haut  sitzen  und  aufzufinden  seien. 

Aetiologie. 

Der  Cysticercus  cellulosae  ist  der  Finnenzustand  eines 
im  Dünndarme  sich  aufhaltenden  Bandwurms,  in  dessen 
Eiern  sich  die  zahlreichen  Embryonen  zum  künftigen  Cysti- 
cercus befinden.  Die  Infection  des  Menschen  mit  diesen 
Embryonen  kann  stattfinden  direct  durch  die  Eier  der  in 
unserem  Darme  befindlichen  Taenia  oder  indirect 
durch  die  Eier,  welche  vom  Bandwurm  eines  an- 
deren Individuums  herrühren. 

Die  Selbstinfection  durch  die  Eier  eines  eigenen  Band- 
wurms leugnen  einzelne  Autoren,  so  namentlich  Virchow  (I.e.). 
Zur  Lösung  dieser  Frage  müssen  wir  die  zwei  Wege  der  Selbst- 
ansteckung unterscheiden,  den  vom  Magen  und  den  vom  Darm 
aus.  Der  letzte  kann  nur  ausnahmsweise  stattfinden,  und  wäre 
überhaupt  nnr  möglich,  wenn  nachgewiesen  wird,  dass  einerseits 
der  Eier  schon  im  Menschendarm  dem  Bandwurm  entschlüpfen 


')  Ich  muss  hier  gestehen,  dass  ich  nicht  zu  allen  Zeiten  die  zur 
Auffindung  der  Hautfinnen  nöthige  Aufmerksamkeit  auf  die  Haut  richtete ; 
sonst  wäre  der  Befund  der  Haut-Cysticerken  ein  viel  grösserer  gewesen» 
Ich  rathe  meinen  CoUegen,  an  die  Kranken  zuerst  die  Frage  zu  richten, 
1.  ob  sie  Bandwürmer  haben  oder  gehabt  haben,  2.  ob  sie  Knötchen,  Ge- 
schwülste etc.  an  sich  bemerkt  haben  und  dann  erst  die  Haut  zu  besich- 
tigen resp.  zu  palpiren. 

ArchiT  f.  Dermftiol.  a.  Syphll.  Band  XXVI.  q 


82  L  e  w  i  n. 

und   dass   andererseits    die    Darmsecrete    die   Umhüllung    der 
Taenia-Eier  aufzulösen  im  Stande  sind. 

Die  Möglichkeit  des  Ausschlüpfens  der  Eier  im  Darme 
nimmt  Leuckart  an,  während  Küchenmeister  sie  ver- 
neint. Den  zweiten  Punkt,  die  Lösung  der  Umhüllung  im  Darm, 
vertheidigt  Klebs,  der  zugleich  darauf  hinweist,  dass  zu  den 
Darmsecreten  der  Pankreassafb  gehört,  welcher  das  ungelöste 
Eiweiss  des  Chymus  löst  und  in  lösliche  Peptone  überfährt. 
Gleichzeitig  möchten  vielleicht,  wie  ich  meine,  die  im  Darm  sich 
entwickelnden  Gase,  wie  die  Kohlensäure*  und  der  Schwefel- 
wasserstoff sich  nicht  neutral  zu  den  Kalksalzen  verhalten, 
sondern  möglicher  Weise  die  Lösung  befördern.  *) 

Was  die  Selbstinfection  vom  Magen  aus  betrifft,  so  handelt 
es  sich  darum,  ob  Glieder  unserer  eignen  Taenia  überhaupt 
aus  dem  Darm  in  den  Magen  gelangen  können.  Hierfür  spricht 
allerdings  eine  Reihe  von  Thatsachen.  Der  Bandwurm  sitzt 
zwar  meistens  im  Dünndarm,  doch  ist  er  in  einzelnen  Fällen 
auch  viel  höher  angefunden  worden^  selbst  nahe  dem  Pylorus, 
von  wo  er  dann  leicht  in  den  Magen  gelangen  kann.  Dazu 
kommt  noch,  dass  man  darmaufwärts  gelagerte  Taenien  in  ein- 
zelnen, seltenen  Fällen  beobachtet  hat,  wo  also  die  letzten  Pro- 
glottiden  sich  immer  näher  dem  Magen  entwickelten  und  schliess- 
lich in  ihn  schlüpfen  konnten.  Solche  Befunde  haben  Sie  hold, 
Bobin,  Prunneru.  A.  publiciit.  Dass  auch  ausserdem  durch 
antiperistaltische  Bewegungen  Taenien  in  den  Magen  gelangen 
und  erbrochen  werden  können,  weiss  jeder  erfahrene  Arzt. 
Interessante  Beobachtungen  darüber  publicirten  Rodinguez, 
Schenk,  Vallisnieri,  Lavallete,  van  Doeveren,  Kuntz- 
mann,  Witthauer  u.  A. 

Dass  unsere  Hände  mit  den  Proglottiden  unseres  eigenen 
Bandwurms  in  Berührung  kommen  können,  die  Proglottiden 
dadurch  in  den  Magen  gelangen  und  man  sich  nach  Art  der 
Schweine  mit  Taenia-Brut  inficirt,  widerspricht,  wie  Leuckart 
hervorhebt,  zwar  unserem  ästhetischen  Gefühl,   aber  nicht  der 


*)  Küchenmeister,  Lenckardt,  Blanchard  etc.  geben  an, 
dass  ich  mich  bestimmt  für  Klebs  Ansicht  ausgesprochen  habe.  Das  ist 
nicht  richtig.  Ich  habe  nur  Klebs  Ansicht  mitgetheilt  und  nur  eine  Hy- 
pothese von  dem  Einfluss  beider  Gase  aufgestellt. 


Ueber  Cysticercus  cellulosae  beim  Menschen.  83 

Wirklichkeit.  *)  Wendt,  Birch-Hirschfeld  erwähnen  auch 
bandwurmkranke  Koprophagen,  bei  denen  Finnen  im  Gehirn  auf- 
gefunden wurden.  Ausserdem  sind  noch  manche  andere  Mög- 
lichkeiten der  Selbstinfection  vorhanden.  Während  des  Schlafes 
gehen  Proglottiden  ab  und  können  dann  leicht  auf  die  Hand 
übertragen  werden.  Noch  häufiger  können  diese  Bandwurm- 
glieder, durch  Schrumpfung  und  Austrocknen  unkenntlich,  in 
mannigfachster  Art  auf  die  verschiedensten  Gegenstände  ge- 
langen und  durch  diese  verschleppt  werden.  (Leuckart, 
Küchenmeister  S.  691.)  Auch  beim  Beinigen  mit  Gras 
u.  dgl.  nach  einer  Defäcation  im  Freien  ist  die  Verunreinigung 
der  Hände  mit  Taenia-Eiem  mögUch. 

Uebrigens  müssen,  wie  ebenfalls  Leuckart  angibt,  in  den 
Fallen,  wo  sehr  zahlreiche  Finnen  im  Körper  vorhanden  sind, 
wie  z.B.  bei  Bonhomme,  Lancereaux  etc.  nicht  biossein 
Ei,  sondern  längere  Gliederstrecken  verschluckt  sein. 

Ich  habe  absichtlich  diesen  Punkt  näher  erörtert,  nicht 
allein  weil  er  für  die  Prophylaxis  wichtig  ist,  sondern  auch 
weil  Vi  r  c  h  o  w,  wie  erwähnt,  mit  seiner  ganzen  Autorität  dagegen 
eintritt.  Zwar  gab  er  in  der  Discussion  in  der  medicinischen 
Gesellschaft  über  diesen  Gegenstand  zu,  dass  „in  exceptio- 
nellen  Fällen  die  Möglichkeit  nicht  bestritten  werden  kann, 
dass  ein  von  rückwärts  in  den  Magen  hineingedrängter  Taenien- 
stock  daselbst  Larven  und  Eier  absetzen  mag",  doch  hält  er  die 
gleichzeitige  Anwesenheit  von  Finne  und  Taenia  mehr  für  eine 
Zufälhgkeit.  Wenn  man  eine  gleiche  Statistik  von  den  Fällen, 
wo  Taenien  im  Darm  zugleich  mit  Cysticerken  der  innem  Organe 
vorhanden  waren,  auch  bei  Trichinen  anwendete,  so  würde 
man  zu  dem  überraschenden  Resultate  gelangen,  dass  viel 
häufiger  die  Trichinen  mit  Taenien  als  wie  mit  Cysticerken  zu- 
sammen vorkonmien.  Diese  Behauptung,  entgegne  ich,  könnte 
nur  durch  statistischen  Nachweis  bewiesen  werden.  Uebrigens 
würde  auch  eine  solche  Statistik  die  Frage  doch  nicht  völlig 
lösen  können.  Taenien  werden  wohl,  wenn  sie  nicht  spontan 
abgehen,  meist  durch  Medicamente  abgetrieben,  was  nicht  allein 


*)  Man  denke  nur,  wie  Hämorrho'idarier  namentlich  bei  hierbei  nicht 
«eltenem  Pruritus  mit  ihren  Händen  das  Rectum  berühren. 

6* 


84  L  e  w  i  n. 

von  Aerzten,  sondern  auch  von  Kurpfuschern,  wie  bekannt,  in 
grossem  Massstabe,  geschieht.  Man  muss  also  beim  Kranken 
mit  Finnen  genau  die  Anamnese  erforschen.  SchUesslich  ist  es 
erforderlich  Anthelmintica  zu  geben,  selbst  wenn  der  Kranke 
leugnet,  Bandwurm  zu  haben.  Ich  verweise .  auf  die  in  dieser 
Hinsicht  beweisenden  Fälle  von  v.  Graefe,  Hirschberg,  von 
mir  und  Anderen.  Hirschberg  weist  darauf  hin,  dass  trotz 
der  mangelnden  Wirkung  der  Anthelmintica  doch  ein  Bandwurm 
vorhanden  sein  kann,  der  später  abgeht,  wie  dies  der  weiter- 
hin mitzutheilende  Fall  beweist.  Dass  übrigens  die  Coincidenz 
von  Taenia  sohum  und  Cysticercus  in  einem  Individuum  keine 
zufillige  ist,  dafür  spricht  die  folgende  Casuistik. 

A.  Wagnen*)  60jähr.  Hausknecht  mit  paralytischem  Blödsimi, 
starb  unter  fortschreitenden  Lähmungserscheinungen.  Sect.:  Gysticerken 
in  Haut,  Gehirn,  Pancreas  und  1.  Niere;  im  Jejunum  eine  Taenia  solium, 
deren  Kopf  dieselbe  Bildung  zeigte,  wie  der  Cysticercus:  einen  Kranz 
von  13  Doppelhaken  und  4  Saugnäpfen. 

Mende. ')  25jähr.  Frau  mit  Augencysticerken  verlor  mehrere  Band- 
wurmglieder. 

L  endet').  20jähr.  Taglöhnerin,  starb  an  Epilepsie;  hatte  an  Band- 
wurm gelitten  und  zeigte  bei  der  Section  öysticerken. 

Hock  er.  *)  Ein  an  Bandwurm  leidender  Mann  hatte  eine  Finne 
innerhalb  des  Lendenmuskels. 

Wendt.  ^)  Ein  30jähr.  Maniakalischer  zeigte  bei  der  Section  viel 
Gysticerken  im  r.  Hirnlappen,  1.  Seitenventrikel,  1.  Linsenkem  und  1.  Gorpas 
striatum.    Im  Darm  Taenia  solium. 

Birch-Hirschfeld')  fand  bei  einem  Geisteskranken,  der  am 
Bandwurm  litt  und  seinen  Koth  verschlang,  gegen  100  Gysticerken 
im  Gehirn. 

Siebert. ^)  46jähr.  Mann  mit  Paralysis  progrediens  zeigte  bei  der 
Section  im  Jejunum  einen  Bandwurm,  dessen  untere  Gliederkette  darm- 
aufwärts  umgeschlagen  war, 

M.  Seidel.')  33jähr.  Tischler  litt  an  verschiedene  Zeichen  von 
Himerkrankung  und  hatte  seit  5  Jahren  an  Taenia  solium  gelitten. 


')  Wagner.  Schmidt's  Jahrb.  Bd.  133  p.  306. 

•;.Mende.  Graefe's  Arch.  Bd.  VU  p.  121. 

»)  L endet.  Bullet,  de  la  Soc.  anat.  Tom.  XXVIII. 

*j  Höcker.  Zeitschr.  f.  d.  Epidemiol.  1872  p.  163. 

*)  Wendt.  Allg.  Zeitschr.  f.  Psychiatr.  1872.  III. 

®)  Lehrb.  der  allgem.  path.  Anat.  4.  Aufl.  p.  289. 

•'')  Zeitschr.  f.  Epidem. 

*)  Jenaische  Zeitschr.  f.  Med.  u.  Naturw.  1864  p.  223. 


lieber  Cysticercus  cellulosae  beim  Menschen.  g5 

Kuntzmann,^)  Witthauer,*)  Frankenhauer,*) 
Ger  hart  beobachteten  die  yerschiedenartigsten  Krankheiten 
sowohl  des  Nervensystems  als  auch  der  Organe  des  Unterleibs 
bei  Personen,  yon  welchen  Bandwurmstücke  entweder  ausge- 
brochen oder  abgetrieben  wurden  und  in  deren  Haut  Cysticerken 
waren. 

Heller.')  50jäfar.  Mann  litt  seit  13  Jahren  an  epileptischen  An- 
fallen tind  Bandwurm.    Bei  der  Section  wurde  ein  Cysticercus  racemosus. 

Frerichs*)  Patient  mit  Diabetes  mellitus  später  Gehimkrankheit, 
starb  in  Coma.  Viel  Cysticerken  im  Gehirn.  Im  Dünndarm  4  geschlechts- 
reife  Taenien. 

Broca.  ^)  27jähr.  Kutscher.  Ohnmachtsanfalle,  Bewusstlosigkeit.  Viel 
Cysticerken  in  der  Haut.  Taenia. 

Boyron  (Etud.  h.  ladrerie  1876)  fuhrt  2  Fälle  von  Cysticercus  und 
gleichzeitiger  Taenia. 

Müller  (Statistik  der  menschl.  Entoz.  Diss.  Erlangen  1874)  fand 
unter  86  Fällen  von  Cysticerken  dreimal  auch  Bandwurm. 

Fereol  (Union  med.  T.  28.  1879,  1.  c).  Bei  einem  Kranken  mit 
zahlreichen  Haut-Finnen  waren  zur  Zeit  ihrer  Entstehung  häufig  Band- 
wurmglieder abgegangen ;  nach  einem  Anthelminthicum  ging  eine  kopflose 
Taenia  ab. 

Rathery  (Bullet,  de  la  Soc.  med.  des  hop.  XVI,  1879).  Ein 
Kranker  mit  vielen  Hautfinnen  gab  an,  dass  die  ersten  vor  ca.  2  Jahren 
auftraten;  vor  6  Wochen  gingen  ihm  Bandwurmglieder  ab. 

Troisier  (Bullet,  de  la  Soc.  med.  des  höp.  XIX.  1882).  Ein 
dOljähr.  Mann  mit  vielen  Cysticerken  entleerte  nach  Kousso  eine  Taenia* 

Lutz  (1.  c).  Einem  Deutschen  in  Brasilien  mit  Haut-Cysticerken 
gingen  Bandvrurmglieder  ab. 

Virchow  (Charite  Ann.  YII.).  Bei  einem  52jätir.  Manne  mit  1 
Finne  im  linken  Hirnventrikel  wurde  eine  Taenia  gefunden.  Das  Nähere 
gibt  er  in  der  BerL  klin.  Wochenschr.  1892  Nr.  14  an,  dass  er  einen  Fall 
secirte,  wo  ein  grösserer  Theil  eines  Bandwurmes  in  mehreren  Schlingen 
SU  einem  dicken  Klumpen  zusammengeballt  vom  Duodenum  aus  durch 
den  Pylorus  in  den  Magen  hineingeschoben  war,  offenbar  auf  antiperi- 
staltischem  Wege. 

Weiss  (Anzeig,  der  k.  k.  Gesellsch.  der  Aerzte  in  Wien  1881). 
Ein  24jähr.  Mann  mit  vielen  Haut-Cysticerken,  hatte  früher  an  Taenia 
gelitten. 


')  Zeitschr.  f.  Epidem. 

')  Schmidt's  Jahrb.  1882. 

*)  Ein  mir  von  Frerichs  übergebener  Krankheitsfall. 

*)  Broca.  Gaz.  hebd.  1876. 


86  L  e  w  i  n. 

Karewski  (1.).  Ein  23jähr.  Kaufmann  mit  Cysticercus  auf  dem 
].  Mu8C.  glutaeus,  litt  an  Taenia. 

Zenker  (Separ.-Abdr.  aus  Beiträge  z.  Anat.  und  Embr.  J.  Henle 
als  Fussgabe  1882).  47jä}ir.  Mann  mit  epileptischen  Krämpfen.  Plötzlicher 
Tod.  Cysticercus  yacciniformis.  Zur  Zeit  der  Epilepsie  war  ihm  ein 
Bandwurm  abgetrieben. 

Arndt  (Berlin.  Klinik  Senator.)  44jähr.  Kutscher.  Bewusstloses 
Fallen  vom  Bock.  Tod.  Gehimcysticerken.   Früher  an  Bandwurm  gelitten. 

Amici  (1.  c.)  zahlreiche  Finnen  in  verschiedenen  Körpertheilen 
und  gleichzeitig  Taenia. 

Zenker  (Beitr.  zur  Anat.  und  Embryologie;  in  J.  Henles  Fest- 
gabe 1888).  Ein  47jähr.  Mann  mit  epileptischen  Krämpfen.  Plötzlicher 
Tod.  Gehim-Cysticerken.  Zur  Zeit  der  Epilepsie  ein  Bandwurm  abge- 
trieben. 

Arndt  in  Berlin.  Bewusstloses  Hinfallen.  Himoysticercus.  Früher 
Bandwurm  gehabt. 

Per  tot  (Blanchard  1.  o.  p.  394).   Details  fehlen. 

Mendel  (Mündliche  Mittheilung:  Ein  47jähr.  Gastwirth  an  Ver- 
folgungswahn leidend,  hat  bei  der  Section  neben  Gehimcysticerken 
2  Taenien. 

V.  Graefe  gibt  an,  unter  80  Fällen  von  Augen-Finnen  6mal  gleich- 
zeitig Taenia  gefunden  zu  haben.  Hirschberg  hat  nachgewiesen,  dass 
diese  Angabe  irrthümlich  ist,  denn  in  den  von  ihm  (v.  Graefe)  selber  vorher 
veröffentlichten  Einzelbeobachtungen  (17)  sind  schon  5  hierher  gehörige 
Fälle  aufgezählt. 

Hirschberg  selbst  hatte  in  13  Fällen  von  Augenfinnen  5mal 
gleichzeitig  Taenien  aufgefunden,  einige  Male  erst  nach  Verabreichung 
entsprechender  Mittel. 

Wecker  (Handb.  der  ges.  Augenheilk.  13.  v.  Graefe  u.  Sämisch 
Bd.  IV.  p.  713)  erwähnt  einen  ähnlichen  Fall. 

Hock  (Wien  med.  Wchschr.  1883  Nr.  52)  fand  bei  einer  Kranken, 
welche  ausser  einem  subretinalen  Cysticercus  auch  Cysticerken  in  den 
Muskeln  hatte,  eine  Taenia. 

Ich  selbst  habe  bei  14  Kranken  3mal  Taenien  gefunden. 

In  G«sammtheit  sind  es  also  über  40  Fälle,  in  denen  Cysticercus 
gleichzeitig  mit  Taenia  vorhanden  waren.  Uebrigens  schliessen  sich  die 
bedeutendsten  Helmintologen  z.  B.  Küchenmeister,  Leuckart,  Blan- 
chard etc.  meiner  Ansicht  an. 

(Fortietxnng  folgt ) 


lieber  einige  imgewöhnliche  Formen 
von  Acne  (Folliculitis). 


Von 

Prof.  Bf.  Kaposi  in  Wien. 

(Hierzu  Taf.  VH— X.) 


Rücksichtlich  der  im  Folgenden  anzuführenden  ungewöhn- 
lichen Formen  von  Acne  (Folliculitis)  könnte  ich  mich 
bloss  auf  die  Beschreibung  beziehen,  welche  ich  in  der  jüngsten 
Auflage  meiner  Pathologie  und  Therapie  der  Hautkrankheiten, 
4.  Auflage,  1893  (Wien,  Urban  und  Schwarzenherg)  pag.  529  et 
aequ.  Ton  denselben  gegeben  habe.  Die  Seltenheit  des  Vor- 
kommens, so  wie  die  klinische  und  histologische  Eigenthüm- 
Uchkeit  und  Wichtigkeit  einzelner  dieser  Formen  machen  es 
mir  aber  räthlich,  die  Abbildungen  derselben  mit  weiteren  erläu- 
ternden Bemerkungen  unseren  FachcoUegen  hiemit  Yorzulegen, 
namentlich  mit  Rücksicht  auf  die  Erfahrung,  dass  auch  andere 
seltene  Krankheitsformen,  trotz  correcter  textlicher  Beschreibung, 
erst  nach  ihrer  bildlichen  Publication  das  entsprechende  Ver- 
ständniss  und  Interesse  gefunden  haben,  so  Lupus  erythematosus 
acutus,  Xeroderma  pigmentosum,  Impetigo  herpetiformis  u.  A. 

Ich  führe  vor  Allem  in  Taf.  VII  ein  Specimen  von  Acne 
varioliformis  auf,  zunächst  als  einen  ebenfalls  ungewöhn- 
licheren, wenn  auch  nicht  gar  zu  seltenen  Fall,  in  welchem  nicht 
nur  behaarter  Kopf,  Nacken-  und  Stirnhaar-Grenze  betroffen  er- 
scheinen, sondern  auch  das  ganze  Gesicht.  Ich  habe  auch  schoa 
die  Eruption  über  Hals  und  Brust  bis  zur  4.  Rippe,  reichlich 
gesäet  angetroffen,  dies  allerdings  nur  einmal  bei  einem  Manne^ 
bei  dem  auch  von  vielen  Seiten  irrthümlich  die  Erkrankung: 
für  Syphilis  angesehen  worden  war. 


88  Kaposi. 

Es  ist  aber  auch  aus  dem  Grunde  räthlich  ein  Beispiel 
von  Acne  varioliformis  vorauszuschicken,  um  den  Unterschied 
gegenüber  den  im  folgenden  zu  beschreibenden  Formen  sofort 
augenfällig  zu  machen. 

üeber  die  Acne  varioUformis  selber  habe  ich  mich  in 
meinem  Buche   (1.   c.   pag.  529)  in  folgender  Weise  geäussert: 

Als  Acnevarioliformis  bezeichnen  wir  eine  eigenthüm- 
liche  Acne,  welche  zumeist  an  der  Haargrenze  der  Stime  (Acne 
frontalis)  und  des  Nackens  in  gruppenförmig  gestellten, 
flachen  Knötchen  und  Pusteln  sich  etablirt,  in  disseminirten 
einzelnen  Efflorescenzen  auch  im  Bereiche  des  Capillitium,  selten 
auch  selbst  über  dem  Bereich  des  ganzen  Gesichtes  (s.  Taf.  VII) 
und  der  oberen  Brustregion.  Die  Krankheitsform  ist  nicht  zu 
verwechseln  mit  Acne  varioliformis  B  a  z  i  n,  welche  mit  unserem 
Molluscum  verrucosum  („contagiosum")  gleichbedeutend  ist. 

üeber  dem  Centrum  der  linsengrossen,  flachen,  derben, 
braunrothen  Knötchen  bildet  sich  eine  schlappe  Pustel,  welche 
bald  zu  einer  unter  das  Niveau  einsinkenden  Borke  vertrocknet ; 
oder  sofort  ein  trockener,  pergamentartiger  Schorf,  nach  deren 
Abfallen  eine  narbige  Depression  zurückbleibt.  Das  Bild  erinnert 
lebhaft  an  Variolaefflorescenzen  (daher  der  Name),  sowie  anderer- 
seits vermöge  der  Anordnung  zu  Gruppen,  der  dunkeln  Färbung 
und  der  centralen  Depression  die  Aehnlichkeit  mit  Syphilis 
corymbosa  gross  ist.  Der  Process  dauert  durch  hartnäckige 
Wiederkehr  solcher  Eruptionen  Jahre  hindurch,  üeber  seine 
Ursache  sind  wir  vollständig  im  unklaren;  doch  scheint  in 
einzelnen  Fällen  eine  Beziehung  zu  chronischer  Verdauungs- 
störung annehmbar. 

Was  C.  Boeck  und  nach  ihm  Pick  als  Acne  necro- 
tisans  beschrieben  haben,  wobei  in  analoger  Locälisation  und 
Form,  in  jahrelang  sich  wiederholenden  Nachschüben,  linsen- 
grosse  und  grössere,  entzündlich  knotige  Erhebungen  erscheinen, 
mit  bläulich  durchschimmernden  Gapillarhämorrhagien  und 
trockener  Mumificirung  der  obersten  Coriumschichte  im  Centrum, 
wodurch  daselbst  festhaftende,  derbe  Schorfe  sich  bilden,  nach 
deren  Abfallen  flach  eingesunkene  Narben  zurückbleiben,  scheint 
mir  doch  wesentlich  der  Kategorie  der  Acne  varioliformis  an- 
zugehören und  schon  in  Rücksicht   auf  die   betroflfenen  Indivi- 


üeber  einige  ungewöhnliche  Formen  von  Acne  (Folliculitis).         89 

dnen,  die  Localisation  und  Verlaufsweise  ätiolo^sch  eben  so 
wenig  aufgeklärt,  wie  letztere." 

Von  der  ebenfalls  als  Abart  der  A.  varioliformis  oder 
necrotisans  von  mir  angesehenen  und  1.  c.  unter  dem  Namen 
Acne  urticata  beschriebenen Erankheitsform  habe  ich  bisher 
weder  eine  Abbildung  noch  eine  Plastique  anfertigen  zu  lassen 
Gelegenheit  gehabt.  Auch  glaube  ich,  dass  die  Erstere  kaum 
das  Charakteristische  davon  deutlich  genug  zum  Ausdruck  zu 
bringen  vermöchte.  Ich  muss  mich  daher  ganz  und  gar  auf 
meine  1.  c.  gegebene  Beschreibung  beschränken,  die  ich  aus 
dem  Grunde  nur  hier  wiederhole,  damit  der  für  den  Gegen- 
stand sich  interessirende  Facheollege  alles  Bezügliche  im  Vor- 
hegenden beisammen  finde. 

In  jahrelang  sich  wiederholenden  Nachschüben  entstehen 
bei  der  Acne  urticata  im  Bereiche  des  Gesichtes,  Stirne, 
Nase,  Kinn,  Wangen,  Capillitium,  oder  auch  noch  später  an 
den  Händen,  Unter-  und  Oberextremitäten,  meist  den  Streck- 
seiten, höchst  acut  und  unter  heftigstem  Jucken,  Brennen  und 
Schmerzgefühl  ein  und  mehrere,  höhnen-  bis  über  kreuzer- 
grosse,  blassrothe,  quaddelartige,  sehr  harte  Erhebungen,  welche 
binnen  Stunden,  meist  aber  erst  2 — 4  Tagen  spontan  sich  in- 
volviren,  in  der  Regel  aber,  wegen  des  äusserst  heftigen 
Brennens  und  Juckens,  von  den  Kranken  mittels  der  Finger- 
nägel, Nadeln,  Messerspitzen  zerkratzt,  dann  gequetscht  werden, 
weil  dieselben  erst  nach  derart  ermöglichtem  Austritt  von 
Serum  und  Blut  aus  dem  gequollenen  Papillarkörper  und  Bete 
etwas  Erleichterung  verspüren.  Es  stellt  sich  rasch  Gerinnung 
des  Exsudates  und  Ueberhäutung  ein,  aber  die  Basis  und  Um- 
gebimg bleiben  im  weiten  Umfange  sehr  hart  und  insolange 
dauern  auch  Jucken  und  Brennen,  Schlaflosigkeit  und  nervöse 
Unruhe  an  und  wiederholen  die  Kranken  die  Stech-  und  Quetsch- 
eingriffe. Endlich,  nach  8 — 14  Tagen  ist  die  Härte  geschwunden 
und  bleiben  entsprechend  den  Verletzungen  und  Eiterungen 
flache,  braun  pigmentirte,  narbige  Streifen  zurück. 

Der  Process  hält  in  den  wenigen  Fällen,  die  ich  über- 
haupt beobachtet  habe,  besonders  in  drei  Fällen,  dem  eines 
dysmenorrhoischen  weiblichen  und  zweier  dyspeptischen  männ- 
hchen  Kranken   nun   schon   seit    15 — 20    Jahren   an.    Jucken, 


90  Kaposi. 

Schmerzhaftigkeit,  Localisation,  Yerwundang,  Eitening,  Schlaf- 
losigkeit in  Folge  der  subjectiven  Belästiguiig  und  die  conti- 
nuirlichen  Nachschübe  gestalten  den  Process  zu  einem  der 
allerlästigsten  und  entmuthigendsten  an  der  allgemeinen  Decke. 
Die  in  Taf.  VllI,  ausserdem  in  einer  Henning'schen 
Moulage  (klinische  Inventur  G,  23)  dargestellte  und  als  Acne 
oder  Folliculitis  necrotisans  et  exulcerans  serpi- 
ginosa  nasi  von  mir  bezeichnete  Erkrankung,  habe  ich  gleich- 
zeitig an  drei  Kranken,  einer  Frau  und  einem  Manne  der 
Klinik  (s.  Krankengeschichte)  und  einem  Manne  der  Privat- 
praxis, mittleren  Lebensalters,  als  eine  acut  aufgetretene  Erup- 
tion an  der  Nasenspitze  beobachtet,  bei  welcher  stecknadel- 
kopfgrosse und  etwas  grössere,  bis  kleinerbsengrosse,  schlappe, 
rasch  lochförmig  eiterig  schmelzende  oder  grünUch  necroti- 
sirende  Knötchen  entstanden,  die  dann  unter  Eiterung  und 
warziger  Granulation  eben  so  viele  und  tiefe  narbige  Gruben 
zurückliessen,  worauf  randständig  eine  dichte  Beihe  neuer 
solcher  Knötchen  mit  gleichem  Verlaufe,  und  so  fortschreitend, 
sich  entwickelte,  so  dass  binnen  wenigen  Wochen  und  Monaten 
der  ganze  häutige  Nasenantheil  narbig-grubig  zerstört  war. 
Nach  Auslöfflung  des  knotigen  Walles,  den  die  neue  Eruption 
um  den  narbigen  Theil  bildete,  kamen  doch  noch  Nachschübe, 
bis  der  Process  in  der  Höhe  der  knöchernen  Nase    stille  hielt. 

Krankengeschichten: 

Acne  necrotisans  et  exulcerans  serpiginosa  nasL 

(Taf.  VIII.) 

Sophie  Zabrada,  28  Jahre  alt,  Näherin  aus  Brunn,  Aufnahme  10. 
Nov.  1891,  Inv.  Nr.  18.901,  immer  gesund  gewesen,  bemerkte  vor  2  Mona* 
ten  auf  der  Nase  einen  rothen  Fleck,  in  diesem  ein  eitriges  Bläschen. 

Wegen  steter  Verschlimmerung  des  Zustandes  Spitalsaufhahme. 

Status  praesens  10.  Nov.  1891 :  Sohlecht  genährtes,  anämisches, 
schwächliches  Individuum. 

Die  Haut  an  der  Nasenspitze,  sowie  am  linken  Nasenflügel  bis  in 
die  Nähe  des  knöchernen  Antheiles  und  nur  theilweise  auf  den  linken 
Flügel  übergreifend,  von  zahlreichen  bis  erbsengrossen  Höckern  zerklüftet, 
theils  mit  dünner,  röthlicher  Epidermis  überzogen,  theils  frei  von  solcher 
und  mit  einem  gelblichgrünen  Belege  oder  auch  mit  schwarzen  Krusten 


Ueber  einige  nngewölinliciie  Fonnen  von  Acne  (Follicnlitis).        91 

bedeckt.  An  den  Wangen  and  am  Kinn  links  einige  röthlichbraiiney  in 
der  Mitte  mit  Kmsten  bedeckte  oder  glatte,  massig  erhabene,  von  Ge- 
fasschen  durchzogene,  schlappe  Knötchen;  die  Wangen  sonst  mit  zahl- 
reichen theils  länglichen,  theils  mnden,  im  Centnim  dunkler  pigmentirten 
Xarben  besetzt;  einige  ebensolche  am  Stamme  zerstreut.  An  der  Stim- 
Haargrenze  Acne  varioliformis. 

Therapie:  Zonachst  Pflasterverbände,  dann  Lapis  tmd  Auskratzung 
des  schwammigen  Gewebes  mit  scharfem  Löffel,  hierauf  Paquelin.  Fat. 
verlässt  nach  3  Monaten  mit  einer  nur  mehr  kleinen  granulirenden  Fläche 
das  Spital. 

Acne  neorotisans  et  exuloerans  serpiginosa  nasi. 

Ignaz  Rode,  30  Jahre,  verheir.  Kaufmann,  Krankheitsbild  genau 
so  wie  in  der  Abbildung  des  Falles  1,  doch  ohne  gleichzeitige  Acne  des 
übrigen  Gesichtes,  sondern  lediglich  mit  der  charakteristischen  Affection 
der  Nasenspitze.  Auch  bei  ihm  war  dieselbe  acut  entstanden  in  Form  von 
schrottkom-  bis  kleinerbsengrossen,  schlappen,  halbkugeligen,  braunrothen, 
dicht  gedrängten,  bei  Druck  nicht  schmerzhaften  Knötchen,  welche  sehr 
rasch  theils  im  Centrnm  eitrig  schmolzen,  theils  in  Gänze  oder  nur  im 
Centmm  en  masse  grünlich  necrosirten  und  in  dichter  Reihe  randständig 
des  verschorften  Herdes  neu  auftauchten.  Das  erstemal  verweilte  der 
Kranke  vom  10.  October  bis  Mitte  November  1891  an  der  Klinik,  das 
zweitemal,  da  sehr  bald  Recidive  randständig  des  vernarbten  Herdes  auf- 
fretreten  waren,  vom  8.  bis  15.  März  1892.  Jedesmal  waren  die  Knoten 
ezcochliirt  und  deren  Gnindstellen  paquelinisirt  worden.  Seither  ist  kein 
Recidiv  eingetreten,  wie  wir  uns  vor  Kurzem  überzeugen  konnten. 

Der  3.  FaU  von  Acne  exulcerans  serpiginosa  apicis  nasi  betraf  einen 
40  Jahre  alten,  kräftigen  Mann  meiner  Privatpraxis,  bei  dem  binnen  4 
Monaten  die  Nasenspitze  bis  etwas  über  den  knöchernen  Antheil  hinauf 
unter  stetigem  randständigen  Nachschub  von  alsbald  necrotisirenden, 
rundlichen  Knötchen  derart,  wie  von  einem  pustulösen  Syphilid  grubig- 
narbig  zerstört  worden  war.  Die  therapeutischen  Eingriffe  (Excochleation 
und  Cauterisation)  mussten  wiederholt  und  energisch  vorgenommen  werden, 
nachdem  in  diesem,  wie  in  den  beiden  ersteren  Fällen  die  Application 
von  £mpl.  sapon.  salicylicum  und  von  Empl.  hydrargyri  sich  ganz  wir- 
kungslos gezeigt  hatte. 

Auch  dieser  Kranke  ist  seither  von  Recidive  verschont  geblieben. 

Während  durch  die  Necrosirung  des  hetroffenen  Gewebes 
die  eben  beschriebene  Form  sich  der  früher  erwähnten  und 
längst  bekannten  Acne  varioliformis  (Taf.  VII)  und  Acne  necro- 
tisans  (C.  Boeck  und  Pick)  nähert,  unterscheidet  sich  die- 
selbe von  den  letzteren,  sowie  von  meiner  Acne  urticata,  welche 
beide  wesentlich  doch  in  circumscripter  entzündlicher  In- 


92  Kaposi. 

filtration,  mit  dem  theilweisen  Ausgang  in  hämorrhagischer 
(Trombosirungs-)  Necrose  bestehen,  klinisch  durch  die  Locah- 
sation  an  der  Nasenspitze  und  die  Bildung  von  scharf  begrenzten 
und  umgreifbaren  Knötchen  und  Knoten  und  histologisch  durch 
den  Charakter  der  letzteren  als  neugebildetes  Granula- 
tionsgewebe, welches  durch  die  ursprünglich  relativ  bedeu- 
tende Grösse  und  Hervorragung  und  Greifbarkeit  an  Syphilis- 
knötchen,  durch  seine  Schlappheit  und  histologische  Wesenheit 
aber  mehr  den  Lupusknötchen  vergleichbar  erscheint. 

Die  Bildung  von  rasch  necrotisirendem,  vascularisirtem 
Granulationsgewebe  um  die  Follikel  herum  ist  bei  dieser  Form 
demnach  wohl  das  Wesentlichste. 

Hierdurch,  sowie  auch  durch  die  anderen  Details  des 
histologischen  Charakters  (Mangel  an  höherer  Organisation, 
Tendenz  zu  retrograder  Metamorphose  der  Formelemente,  zahl- 
reiche Riesenzellen,  wie  dies  noch  im  Späteren  (Taf.  X) 
demonstrirt  werden  soll,  reiht  sich  auch  der  merkwürdige  Fall 
von  Folliculitis  exulcerans  aus  meiner  Klinik  hier  an, 
den  Lukasiewicz  beschrieben  hat  (diese  Vierteljahrschr.  1891. 
Erg.-Heft  H,  p.  57,  Taf.  IE  und  IV),  bei  welchem  durch  2—3 
Jahre  ad  nates  und  an  den  Extremitäten  eines  anämischen 
Mädchens  solche  Knoten  in  grosser  Zahl  und  mit  gleichem 
Verlaufe  in  kreuzer-  bis  flachhandgrossen ,  durch  periphere 
Nachschübe  fortschreitenden  Plaques  aufgetreten  waren  und  die 
Heilung  schliesslich  nur  durch  successive  thermocauterische  Eli- 
mination zu  erzielen  war.  Wie  wir  uns  übrigens  erst  vor  Kurzem 
überzeugt  haben,  sind  bei  der  Kranken  seither  noch  immer  in  der 
Sacralregion  und  an  den  Extremitäten  kleine  Nachschübe  erfolgt. 

In  den  folgenden  2  Fällen,  welche  ich  Mangels  einer  zu- 
treffenderen Nomenclatur  vor  der  Hand  unter  der  Bezeichnung 
Acne  telangiectodes  vorführe,  ist  die  acute  Entwick- 
lung solcher  aus  Granulations-Gewebe  bestehenden 
Knötchen  das  hervorstechendste  Merkmal,  indem  sie  dadurch 
zwar  der  Acne  exulcerans  serpiginosa  nasi  analog,  aber  von 
dieser  doch  wieder  dadurch  verschieden  sich  ergaben,  dass  die 
Eruption  allgemeiner  und  in  unregelmässiger  Disposition  auf- 
traten und  nicht  der  Necrose  anheimfielen,  sondern  nur  theil- 
weise  zu  Erweichung  gelangten. 


Ueber  einige  ungewöhnliche  Formen  von  Acne  (Folliculitis).        93 

Den  1.  Fall  habe  ich  bereits  mitget heilt  (Ber.  der  Wiener 
dennatol.  Gesellschaft,  diese  Vierteljahrschr.  1890,  p.  955).   Ein 
48jähriger  kräftiger  Mann,  mit  massiger  Acne  vulgaris  des  Ge- 
sichtes,  bekam  4  Wochen   vor  seinem  Spitalseintritte   (2.  März 
189D)  im  Bereiche   der  Stime,   der  Wangen,   an   den  unteren 
Augenlidern  wie  auch  im  Bereiche   der  übrigen   Gesichtshaut 
zahlreiche,  theils  flache,  theils  erhabene,  vielfach  gruppirte,  sonst 
aber  disseminirte,    schrotkom-  bis   erbsengrosse,   rothe,   massig 
succulent  sich  anfühlende  Knötchen.   Ein  Theil  derselben  trägt 
ein  kleines  Schüppchen,  andere  an  der  Spitze  ein  molkig-bröck- 
ligen Inhalt  bergendes  Pustelchen  oder  Krüstchen,   die  meisten 
sind  glatt,  massig  glänzend  und  erblassen  auf  Fingerdruck.  Der 
Mann  ist  Metallpresser.     Aus  den  genau  eruirten  Verhältnissen 
seines  Gewerbes  ist  keinerlei  Moment  zu  eruiren,  welches,  wie 
bei  Arbeitern  in  mit  Theer-  und  anderen  ähnlichen  Substanzen  ge- 
schwängerter Atmosphäre,  eine  arteficielle   acute  Erregung  von 
Acne  anzunehmen  gestatten  würde.  Die  Entstehung  dieser  Knöt- 
cheneruption  blieb  uns  ganz  räthselhaft.  Aeltere  Knötchen  liessen 
sich   sehr  leicht  als  Ganzes  mittelst  Hohlsonde  oder  scharfen 
Löffels  aus  der  Cutis  herausheben  und  als  schlappes,  gelbröth- 
hches,  vascularisirtes  Gewebe  zwischen  den  Fingern  zerquetschen. 
Bei  der  histologischen  Untersuchung  ergab  es  sich  als  ziemlich 
reich  vascularisirtes  junges  Granulationsgewebe  mit  in  Häufchen 
angeordneten  Riesenzellen  und  epitheloiden  Zellen,  ohne  Spur  von 
Mikroorganismen.  Ihr  anatomischer  Sitz  war  das  tiefere  Corium 
und  mit  der  Hauptmasse  um   den  Fundus    der  Haarbälge  und 
um    die  Knäueldrüsen. 

Alle  therapeutischen  Versuche,  welche  auf  eine  Verschrum- 
pfung  der  Knötchen  gerichtet  waren,  Seifen-,  Schwefel-,  Resorcin- 
Essigsäure-Paste  etc.  blieben  erfolglos.  Dagegen  liess  sich  mit 
grösster  Leichtigkeit  die  ganze  Summe  derselben  auslöffeln, 
womit  vollständige  Heilung  eintrat,  unter  Hinterlassung  entspre- 
chend kleiner,  flacher  Narben. 

Geradezu  verblüffend  war  aber  der  folgende  Fall  durch 
sein  Ansehen  und  seinen  klinischen  Verlauf,  der  in  Tafel  IX 
dargestellt  ist  und  erst  nach  genauer  Erwägung  als  excessive 
Form  des  eben  beschriebenen  Specimen  und  also  wesentlich 
ebenfalls  als  „Acne  telangiectodes"  angesprochen  werden  konnte. 


94  Kaposi. 

Er  betraf  eine  40  Jahre  alte,  yerheiratete,  etwas  anämische 
und  hysterische  Frau  (L.  N.)  aus  Serbien,  die  am  3.  März  1893 
auf  die  Klinik  aufgenommen  wurde.  Sie  war  stets  gesund 
gewesen. 

Ihr  Ausschlag  war  3  Monate  vorher  in  Form  von  Knöt- 
chen im  Bereiche  des  Gesichtes  aufgetreten,  ohne  jegliche  be- 
kannte äussere  oder  inner-medicamentöse  Veranlassung.  Sie 
hatte  weder  Jod,  Brom,  noch  überhaupt  ein  Medicament  ge- 
nommen. 

Der  ganze  Bereich  des  Gesichtes  ist  dicht  besetzt  von 
zahlreichen  schrotkorn-  bis  nahezu  erbsengrossen,  zum  Theile 
lebhaft  rothen,  grösstentheils  aber  livid-  und  braunrothen, 
schlappen,  bei  Druck,  nach  Angabe  der  Kranken,  sehr  schmerz- 
haften Knötchen,  doch  scheint  dabei  auch  bezüglich  der  anderen 
noch  zu  besprechenden  Efflorescenzen  mehr  die  bei  dieser 
Kranken  überhaupt  zu  constatirende  Hyperästhesie  der  Haut, 
als  die  specielle  Empfindlichkeit  der  Knötchen  selbst  zum  Aus- 
drucke gebracht  worden  zu  sein. 

lieber  den  Augenbrauen  waren  die  Knötchen  zu  dichten 
Haufen  gedrängt,  so  dass  dadurch  sowie  durch  die  livide  Fär- 
bung derselben  und  eine  eigenthümliche  livid-braune,  flach- 
knötige  Eruption  an  den  Extremitäten,  und  in  Bücksicht  auf  die 
Nationalität  der  Kranken  die  Auffassung  des  Falles  als  Lepra 
sehr  nahe  gelegt  war,  ohne  dass  wir  uns  jedoch  derselben 
bei  näherer  Betrachtung  hätten  zuneigen  können.  Auf  der  Nase 
nämlich  und  am  Kinn  zerstreut  fanden  sich  hirsekom-  bis 
stecknadelkopfgrosse,  offenbar  Anfangsformen  darstellende,  leb- 
haft rothe  und  theilweise  zugespitzte  Follicularknötchen  und 
unter  den  älteren  und  grösseren  Knötchen  solche  mit  begin- 
nender eitriger  Schmelzung  ihrer  Spitze,  so  dass  die  Affection 
als  subacute  Folliculitis  mit  Bildung  von  Knoten  jungen  Binde- 
gewebes, gleichwie  im  früher  beschriebenen  Falle  dennoch  sofort 
aufgefasst  werden  konnte. 

Noch  verwirrender  war  der  Anblick  der  an  den  Rücken- 
und  Seitenflächen  der  Finger,  an  den  Vorder-  und  Oberarmen, 
an  den  Knien  und  am  Oberschenkel   vorfindlichen  Eruptionen. 

Hier  sah  man  nämlich  grösstentheils  linsen-  bis  pfennig- 
grosse  livid-  und  braunrothe,  scharf  begrenzte,  flach  erhabene, 


Ueber  einige  ungewöhnliche  Formen  von  Acne  (Folliculitis).       95 

ziemlich  derbe,  an  der  Oberfläche  theils  glatte  und  glänzende, 
theils  aber  im  Centrum  hämorrhagische  und  flach  eingesun- 
kene Flecke  und  Knoten,  also  theils  ähnlich  beginnender  Lepra 
maculo-papulosa,  theils  —  namentlich  mit  Rücksicht  auf  die 
Localisation  —  an  Erythema  nodosum  gemahnend.  An  den 
Fingern  gab  es  überdies  punktförmige  Hämorrhagien  und  derbe, 
scharf  begrenzte,  derbrandige  Flecke  und  flache  Knoten  mit 
centraler  hämorrhagischer  Depression,  pemioähnliche  Vorkomm- 
nisse, wie  bei  Lupus  erythematosus. 

Die  Patientin  yerweilte  vom  3.  März  bis  19.  Mai  1893  an 
der  Klinik,  an  welchem  Tage  sie  wegen  plötzlichen  Todes  ihres 
Mannes  abberufen  wurde. 

Während  ihres  Aufenthaltes  gab  es  reichlich  ganz  analoge 
Nachschübe  an  den  Unterextremitäten,  im  Gesichte  und  auch 
am  behaarten  Kopfe,  wo  aber  die  Erscheinungen  nur  in  acuten 
entzündlichen  Follikelknötchen,  mit  Platzen  und  serös-blutiger 
Secretion  bestanden. 

Neben  innerlicher  Darreichung  yon  Arsen  —  Eisen  und 
Leberthran,  die  eine  merkliche  Aufbesserung  der  Gesammt- 
emährung  zur  Folge  hatte,  wurde  mit  befriedigender  Wirkung 
eine  Beihe  örtlicher  Applicationen  angewendet  (Schwefel-, 
Theer-,  Seifen-,  Resorcin-Pasten  und  Pflaster,  enei^sche  Seifen- 
waschungen u.  ä.),  welche  Yerschrumpfung  und  Ausfallen  der 
Knötchen  und  Knoten  im  Bereiche  des  Gesichtes  bewirkten, 
mit  Hinterlassung  seichter  Narben.  In  entsprechender  Modi- 
fication  wurde  auch  der  Haarboden  erfolgreich  behandelt.  Da- 
gegen zeigte  sich  an  den  Extremitäten  nur  theilweise  und 
mehr  als  spontan  zu  deutende  Involution,  bei  vorwiegend 
unverändertem  Fortbestand  der  alten  und  schubweisen  Nach- 
schübe neuer  derber  flacher  Flecke  und  Knoten. 

In  der  beigegebenen  histologischen  Tafel  X  ist  nach  vom 
Assistenten  Dr.  Spiegier  angefertigten  Präparaten  der  histo- 
logische Charakter  der  aus  der  Gesichtshaut  exscindirten 
Knötchen  dargestellt:  junges  Granulationsgewebe,  im  tiefen 
Corium  knotenförmig  eingelagert,  hauptsächlich  um  den  Fundus 
der  Haarbälge  und  um  die  Knäueldrüsen,  mit  Fortsetzung 
der  Zellinfiltration  längs  der  aufsteigenden  Gefässe  gegen  die 
Papillarschichte,  zahlreiche  Zellen  in  fettiger  Degeneration  und 


96  Kaposi. 

viele  in  Haufen  gestellte  Riesenzellen.  Dadurch  charakterisirt 
sich  die  Bildung  ganz  und  gar  übereinstimmend  mit  den  in  dem 
früheren  angegebenen  Foimen. 

Endlich  sei  ein  seltener  Fall  von  Acne  cachecticorum 
erwähnt,  welcher  neben  der  auffallenden  Localisation  im  Bereiche 
des  Stammes  auch  noch  dadurch  besonders  bemerkbar  erscheint, 
als  an  den  Herden  des  Rückens  nicht  einfache  hämorrhagisch 
entzündliche  schlappe  FoUicularpusteln  zur  Entwicklung  ge- 
kommen sind,  wie  dies  dem  Typus  der  sonst  auf  die  Unter- 
extremitäten zumeist  beschränkten  Acne  cachecticorum  zukommt, 
sondern  dass  hier  auch  massigere  und  zu  hämorrhagischer 
Necrose  gelangende  Bindegewebs-Neubildung  zu  Stande  ge- 
kommen ist  in  Form  von  flachkuchenförmigen,  schlappen 
Knoten,  aus  denen  dann  Abscesse  mit  unterwühlten  hämorrha- 
gischen, zersetzten  Bändern  hervorgegangen  sind. 

Sicherlich  ist  mit  den  aufgezählten  seltenen  und  atypischen 
Formen  nicht  die  ganze  Reihe  von  möglichen  FoUiculitiden  er- 
schöpft, denn  es  kommen  ätiologisch  ganz  unverständliche 
allgemeine  acute  Folliculitiseruptionen  vor,  wie  Barthelemy's 
„Acnitis"  (!)  —  ein  bedauerlicher  Barbarismus,  den  sein  Autor 
selber  endlich  zurücknehmen  sollte  —  oder  die  Acne  cornee 
französischer  Autoren,  solche  mit  begleitender  papillärer  oder 
epidermoidaler  Hyperplasie,  die  ich  unter  Hinweis  auf  meine 
bezüglichen  Erörterungen  im  Capitel  „Keratosen"  meines 
Buches  (4.  Aufl.  pag.  629)  an  dieser  Stelle  nicht  weiter  er- 
örtern will. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  VII— Z. 

Taf.    VII.  Acne  varioliformis. 

Taf.  VIII.  Acne  necrotisans  (exulcerans)  serpiginosa  nasi. 

Taf.     IX.  Acne  telangiectodes. 

Taf.  X.  Histologische  Tafel  der  letzteren.  I.  a  Papillarschichte, 
h  Knoten,  cc  Knäaeldrüsen  mit  ee  deren  Ausführongsgang,  d  Fettläppchen 
(schwache  Vergröss.).  II.  (starke  Vergröss.)  a  runde  und  längliche,  zum 
Theile  verfettende  Zellen  des  Knotengewebes,  h  Knäueldrüsen,  ec  Riesen- 
zellen. 


Zur  Bebandlimg  des  Lupus  vulgaris. 

Beitrag  von 
Dr.  Josef  Schütz  in  Frankfart  a.  Main. 


Lupuskranke  sind  arme  Geschöpfe.  Grossentheils  müssen 
sie  die  Blüthezeit  des  Lebens  einer  langwierigen  Behandlung  hin« 
geben.  Nur  wenige  halten  darin  Stand,  bis  sie  glückliche  Heilung 
finden.  Seltener  noch  schafft  eine  frühzeitige  Radicaloperation 
das  Uebel  im  Beginne  weg.  Dermatologie,  Chirurgie,  innere 
Medicin  wetteifern,  neue  Methoden  zu  ersinnen,  welche  von 
Grund  aus  das  sich  hinschleppende  Leiden  mit  einem  Schlage 
beseitigen  möchten.  Aber  nach  wie  vor  erscheinen  derartige 
Kranke  hilfesuchend  beim  Arzt,  weil  auch  die  neuesten  Unter- 
nehmungen nichts  nutzten. 

Und  doch  muss  man  sagen,  dass  der  Lupus  ein  rein  ort- 
ücher  Krankheitsvorgang  ist,  der  örtlich  zerstört  werden  kann, 
und  dass  zur  Vernichtung  desselben  geradezu  vorzügliche  Mittel 
es  gibt,  die  aber  in  einem  nur  kleinen  Procentsatz  bis  jetzt 
zu  dauernder  Heilung  fuhren. 

Dass  dem  so  ist,  liegt  gewiss  manchmal  daran,  dass  der 
Lupusherd  einer  Behandlung  überhaupt  schwer  zugänglich  ist 
und  auch  unter  Umständen  grosse  diagnostische  Schwierigkeiten 
macht:  so  beim  primären  Lupus  der  Schleimhäute. 

Ich  will  ein  nicht  allzuseltenes  Beispiel  herausgreifen :  Ein 
durchaus  nicht  schwächliches  oder  tuberculös  erscheinendes 
Kind  kommt  zum  Arzt  mit  einer  Dacryocystitis.  Eine  längere 
Sondencur  schafft  vorübergehend  Stillstand.  Nach  einigen  Jahren 
gesellt  sich  zu  dem  alten  Uebel  ein  chronischer  Nasencatarrh, 
der  hartnäckig  der  Behandlung  vndersteht  und   nur   zeitweise 

Arehir  f.  Dennatol.  «.  Sypbil.  Band  XXVI.  7 


98  Schütz. 

Linderung  findet.  Nach  weiteren  ein,  zwei  Jahren  erscheinen 
auf  den  Wangen  und  den  Nasenflügeln  auf  noch  ToUkommen  gesund 
erscheinender,  nicht  infiltrirter  Haut  winzige  Eiterpusteln,  die 
der  Ungeübte  für  Acne  halten  könnte.  Der  Fall  kommt  dessent- 
wegen wieder  zum  Arzte.  Dieses  charakteristische  Bild  des 
Verlaufs  veranlasst  nun  eine,  wir  wollen  sagen  rückläufige 
Untersuchung.  Die  Lupusefflorescenzen  der  Wangen  werden 
trotz  ihrer  etwas  ungewöhnlichen  Form  erkannt.  Sie  machen 
uns  misstrauisch  gegen  den  chronischen  Nasen-Catarrh.  Wir 
spiegeln.  Aber  wir  sehen  nichts  als  die  Zeichen  des  ge- 
wöhnlichen Catarrhs.  Auch  der  geschickteste  Untersucher  ist 
nicht  im  Stande,  aus  dem  Spiegelbefund  allein  die  beginnende 
Tuberculose  der  Nasenschleimhaut  festzustellen.  Wir  sondiren. 
Das  lupöse  Infiltrat  muss  weicher,  weniger  resistent  sein  als 
gesundes  Gewebe.  Und  nun  dringt  mit  einem  Mal  unsere  Sonde 
durch  die  Nasenscheidewand  wie  durch  eine  präformirte  Oeffhung. 
Wie  sich  später  beim  Auskratzen  derselben  herausstellt,  ist  der 
Erweichungsherd  so  gross,  dass  man  einen  Bleistift  bequem 
hindurchstecken  könnte.  Wii*  untersuchen  das  Secret,  welches 
sich  aus  dem  Thränennasencanal  herausdrücken  lässt.  Viele 
Deckglastrockenpräparate  werden  vergeblich  gemacht.  Endlich 
finden  wir  einzelne  Tuberkelbacillen. 

In  einem  solchen  Fall  ist  allerdings  die  Aufgabe  des 
Arztes  eine  überaus  schwierige  und  trotz  aller  Mühen  wenig 
aussichtsvolle.  Exstirpation  des  Thränensacks,  Verödung  des 
Thränennasenganges,  Zerstörung  des  Schleimhautlupus  in  der 
Nase,  Ausrottung  des  Lupus  der  äusseren  Wangenhaut,  Alles 
mag  glatt  gelingen  und  günstigen  Eindruck  anfänglich  machen, 
die  vielen  Verbindungsbrücken  der  Krankheitsherde  untereinander 
sind  kaum  aufzufinden  und  zu  beeinflussen. 

Solche  von  vorneherein  ungünstigen  Fälle  sind  zwar  keine 
grosse  Seltenheiten,  aber  immerhin  die  Minderzahl.  Die  Mehr- 
zahl der  Lupus  vulgaris-Herde  ist  nicht  so  mit  verstecktem 
Schleimhautlupus  in  continuo  verbunden.  Die  Oertlichkeit  des 
Sitzes  der  Erkrankung  ist  oft  direct  günstig  zu  nennen;  so 
meist  bei  jenen  Formen,  bei  welchen  der  Lupus  nach  irgend 
einem  eitrigen  tuberculösen  Vorgang  plötzlich  multipel,  meta- 
stasenartig   an    vielen    Körperstellen    zugleich   autgetreten  ist, 


Zur  Behandlung  des  Lupus  vulgaris.  99 

oder  wenn  Lupus  durch  äussere  Infection  am  Kinn,  Wangen, 
Ohr,  Hals  u.  s.  w.  sich  bildete.  Wenn  hier  keine  dauernde 
Heilung  erzielt  wird,  so  liegt  das  Misslingen  der  Behandlung 
nur  an  der  zeitlich  oder  örtlich  nicht  genug  ausgedehnten  Zer- 
störung des  Krankhaften. 

Nachdem  ich  über  mehrere,  z.  Th.  demonstrirte  Fälle 
verfuge,  welche  nach  einer  einmaligen  Behandlung  nunmehr 
über  fünf  Jahre  recidivfrei  blieben,  glaube  ich  das  von  mir  ge- 
übte Verfahren  vorschlagen  und  begründen  zu  dürfen,  in  der 
Hoffnung,  dass  weitere  Verbesserungen  durch  diese  Anregung 
mit  der  Zeit  erfolgen  möchten. 

Das  Verfahren  hat  den  Vorzug,  durchaus  kein  sogenanntes 
neues  zu  sein,  sondern  erprobte  alte  Methoden  in  einer  Weise 
zu  benutzen,  dass  deren  bekannte  Wirkung  zu  einem  vollkom- 
menen Resultate  führt. 

Doch  zuvörderst  einige  Worte  über  die  Indication.  Ge- 
wiss wird  jeder  Arzt,  der  einen  frischen  Lupusherd  massiger 
Ausdehnung  vorfindet,  so  dass  sich  derselbe,  ohne  allzugrosse 
kosmetische  Störungen  zu  hinterlassen,  ausschneiden  und  ver- 
nähen lässt,  nur  die  Excision  im  Gesunden  vornehmen. 

Diese  Operationsform  wird  stets  als  Einfachstes  und  Bestes 
bleiben. 

Ebenso  werden  jene  scheusslichen  Formen  von  Gesichts- 
lupus, welche  im  Laufe  der  Jahre  Mund,  Nase,  Ohr,  Lider 
zerstörten  und  vom  menschlichen  Antlitz  nur  noch  eine  mit 
narbiger  und  geschwüriger  Haut  bedeckte  Kugel  übrig  liessen,  auf 
deren  Oberfläche  kleine  Narbengruben  und  enge  Oeffnungen 
die  Zugänge  der  Sinnesorgane  andeuten,  nicht  einem  einzelnen 
Verfahren  weichen,  sondern  nur  die  glückliche  Auswahl  und  den 
Wechsel  vieler  Methoden  erfordern,  um  nach  und  nach  zufrieden- 
stellende Erfolge  zu  erlangen. 

Unser  Verfahren  soll  dem  landläufigen,  narbenuntermischten 
Lupusfall  dienen,  welcher  der  Excision  und  Schliessung  durch 
Naht  unzugänglich. ist. 

Hier  tritt  das  Verfahren  in  Concurrenz  mit  den  neueren 
Methoden  subcutaner  Injectionen  und  der  chirurgischerseits  als 
das  einzig  Richtige  und  Sichere  augenblicklich  gepriesenen 
Thiersch 'sehen  Transplantation. 

7* 


100  Schütz. 

UeberdieKoch'schen  Einspritzungen  braucheich  bezüglich 
der  Lupusheileffecte  kein  Wort  zu  verlieren.  Vorläufig  haben  sie 
sich  als  nützlich  nicht  erwiesen,  lieber  H.  H  e  b  r  a^s  Thiosinamin- 
Einspritzungen  fehlen  mir  eigene  Erfahrungen  ebensowohl  wie 
Nachrichten  über  bleibende  Erfolge  und  Bestätigungen  Anderer, 
Gerade  in  heutiger  Zeit  wird  der  Praktiker,  so  sympathisch 
er  dem  bequemen  InjectionsTerfahren  auch  sein  mag,  von  ge- 
nannten Verfahren  lieber  bei  anderen  vorsichtig  das  Aller- 
beste hoffen,  als  selbst  eigenes  Material  zur  Prüfung  des  Neuen 
hergeben. 

Die  T  hier  seh 'sehe  Transplantation  ist  sicherlich  auch 
für  die  Lupustherapie  eine  überaus  werthyolle  Bereicherung  des 
Heilverfahrens  und  im  Falle  des  Gelingens  zu  den  allerschönsten 
Ergebnissen  führend.  Es  wird  auch  Umstände  und  Verhält- 
nisse geben,  welche  genannte  Ueberpflanzungen  beim  Lupus  — 
nach  eingehender  Ueberlegung  —  an  erster  Stelle  oder  aus- 
schliesslich indicirt  erscheinen  lassen.  Aber  jeden  Lupus, 
welcher  durch  Ausschneiden  und  Nähen  sich  nicht  beseitigen 
lässt,  ohne  Weiteres  als  reif  für  das  Verfahren  nach  Thiersch 
zu  erklären,  gleichzeitig  alle  früher  giltigen  Massnahmen  als 
unbrauchbar  hinzustellen  und  den  Lupus  sogar  ausschliesslich 
ins  chirurgische  Gebiet  zu  verweisen,  nicht  ohne  die  vermessene 
Andeutung,  dass  jene  Ueberpflanzungen  nur  der  Fachchirurge  zu 
cultiviren  im  Stande  sei,  muss  als  wenig  überlegte  einseitige 
Propaganda  erscheinen.  Fälle,  z.  B.  wie  der  Eingangs  geschil- 
derte, die  in  Zusammenhang  mit  schwer  zugänglichem  Schleim- 
hautlupus stehen,  sind  für  Excision  imd  Implantation  absolut 
ungeeignet.  Sodann  ist  der  Erfolg  der  Lnplantation  selbst  da, 
wo  sie  indicirt  ist,  durchaus  kein  sicherer,  sondern  ein  von 
vielen  noch  imbekannten,  wie  bereits  bekannten  oder  erklär- 
lichen Zufällen  abhängiger.  Ein  unerwarteter  Brechact  während 
des  Verbands,  eine  unruhige  Nacht  eines  leicht  erregbaren 
Kranken  und  tausende  andere  Eventualitäten  können  ein  Nicht- 
anheilen  der  Hautstreifen  zur  Folge  haben.  Ln  Falle  eines 
Misserfolgs  aber  dürfte  —  namentlich  in  der  Privatpraxis  — 
das  gerade  beim  Lupus-Patienten  so  nothwendige  dauernde  Zu- 
trauen zum  Arzt  sehr  erschüttert  sein.  Es  dürften  manche 
Kranke  zu  einer  abermaligen  Ueberpflanzung    dann    sich   nicht 


Zur  Behandlung  des  Lupus  vulgaris.  IQl 

Terstehen  wollen  und  darauf  verzichten,    zum  zweiten  Mal  ge- 
sunde Haut  vom  eignen  Leibe  herzugeben. 

Somit  ist  für  die  überwiegende  Menge  der  Lupusfälle 
auch  heute  noch  die  althergebrachte  Behandlung  nicht  von  der 
Hand  zu  weisen. 

Die  günstigsten  Erfolge  erhielt  ich  nun  auf  folgende  Weise : 

In  Chloroformnarkose  wird  mit  dem  scharfen  Löffel  in 
langsamen  kräftigen  Zügen  alles  morsche  Gewebe  hinweggeschafft 
und  versprengte  Nester  möglichst  in  toto  herausgehoben.  Als- 
dann wird  der  Boden  der  Wundfläche  und  etwa  7i  bis  1  Cm.  des 
gesunden  Randes  sehr  sorgfältig  scarificirt.  Hierzu  benutze  ich 
theils  das  sechsklingige  Stichelinstrument  vonVeiel,  theilsdas 
mit  18  gedeckten  Klingen  durch  Schnitt  wirkende  Messer  von 
Balmanno  Squire.  Beide  Instrumente  arbeiten  rasch,  sind 
aber  relativ  kostspielig  in  der  Unterhaltung  und  erfordern  eine 
umständliche  Reinhaltung.  Die  Blutung  ist  meist  eine  erhebliche 
und  muss  durch  geschickte  Compression  mit  feuchten  Gace- 
Compressen  in  Schranken  gehalten  und  ebenso  gestillt  werden. 

Es  ist  wichtig,  dass  die  Stillung  der  Blutung  vollkommen 
hergestellt  wird.  Dann  wird,  noch  in  Narkose,  das  ganze  Wund- 
gebiet mit  einer  kalt  gesättigten,  durch  Zusatz  von  etwas  reiner 
Salzsäure  haltbar  und  klar  erhaltenen,  alkoholischen  Chlorzink* 
lösung  mehrmals  überpinselt.  Die  Wundfläche  verfärbt  sich 
weiss.  Grosser  Schmerz  tritt  ein  für  ca.  6  Stunden.  Bereitge- 
haltene Eiscompressen  und  vernünftiger  Zuspruch  des  Arztes 
vermögen  ihn  etwas  zu  lindem.  Moi*phium  leistet  wenig.  Die 
Operationsstelle  schwillt  im  Verlauf  der  nächsten  12  Stunden 
auf,  je  nach  Oertlichkeit  erscheinen  auch  mehr  oder  weniger 
starke  Oedeme  in  der  Nachbarschaft.  Unter  Borwasserumschlägen 
gehen  die  Erscheinungen  nach  und  nach  zurück,  und  in  1  bis 
2  Tagen  hat  sich  die  Wunde  gereinigt.  Die  Wunde  erscheint 
jetzt  gleichmässig  offen  auch  an  den  nur  scarificirten  Rändern. 
Auf  dieselbe  wird  nunmehr  ein  dreimal  täglich  gewechselter  Pyro- 
gallussäure-Vaselin-  (1 : 4)  Salben-Verband  gebracht.  Am  dritten 
Tage  entstehen  wieder  lebhaftere  Schmerzen,  namentlich  beim 
Zutritt  der  Luft  während  des  Verbandwechsels.  Die  Wunde  ist 
schwarz  verfärbt,  die  krustige  Oberfläche  zum  Theil  blasig  er- 
hoben. Am  5.  Tag  wird  der  Verband  durch  Borwasserumschläge 


102  Schütz. 

ersetzt,  so  dass  4  Tage  lang  die  Pyrogallussäure  ihre  Aetz- 
wirkung  ausüben  konnte.  Die  Borwasserumschläge  werden  fleissig 
erneuert.  Andere  antiseptische  Flüssigkeiten,  namentlich  solche 
aus  Metallsalzen,  wie  Sublimatlösung,  sind  weniger  zu  empfehlen, 
da  grössere  Schmerzen  durch  sie  entstehen,  zum  Theil  weil 
Pyrogallussäurereste  auf  die  Metallsalze  einwirken  und  reizende 
Verbindungen  eingehen.  Meist  ist  unter  diesen  Umschlägen 
wieder  in  4  bis  5  Tagen  die  Wunde  rein.  Nun  wird  abermals 
4  Tage  lang  mit  Pyrogallusvaseline  verbunden.  Alsdann  ist  das 
Resultat  dieser  zweiten,  resp.  dritten  Aetzung  ein  geringeres 
als  vordem.  Dementsprechend  sind  auch  die  Schmerzen  geringer 
und  erstrecken  sich  voi'wiegend  auf  den  Rand  der  Wunde. 
Ebenso  braucht  die  Reinigung  der  Wunde  unter  Borwasserum- 
schlägen nach  dieser  zweiten  Pyrogallusapplication  weniger  Zeit 
In  zwei,  höchstens  drei  Tagen  ist  das  Terrain  wieder  blank.  Nunmehr 
folgt  die  dritte  und  letzte  Pyrogallussäureätzung,  welche  nur 
3  Tage  anzudauern  braucht.  Dieselbe  hinterlässt  einen  noch 
geringeren  Effect.  Oft  kann  man  wahrnehmen,  dass  unter  diesem 
letzten  Pyrogallussalbenverbande  die  Wundfläche  kleiner  ge- 
worden, in  ihren  Untiefen  merklich  ausgeglichen  ist,  ja  dass 
an  einzelnen  Stellen  unter  diesen  Aetzsalbenverbänden  eine 
zarte  Narbenbildung  sich  einleitet. 

Borwasser-Umschläge  erzielen  jetztin  wenigen  Tagen  eine  sehr 
gesund  und  glatt  aussehende  Wunde.  Unter  Emplastrum  Hydrar- 
gyri  oder  Jodoformpulver  und  Borsalbenlintverband  vollzieht  sich 
die  Schliessung  des  Defects  verhältnissmässig  rasch,  so  dass 
durch  das  langwierige  Verfahren  im  Ganzen  doch  nicht  soviel 
Zeit  geopfert  wird,  als  man  geneigt  sein  wird  a  priori  anzu- 
nehmen. In  2V2  bis  3  Monaten  ist  ein  ausgedehnter  Lupusherd 
vernarbt.  Die  Narben  sind  glatt  und  weich,  alte  Narbenstränge, 
die  vorher  hässlich  vorsprangen,  wesentlich  weniger  auffallend. 
Namentlich  bei  Anwendung  des  früher  (Münchener  med.  Wochschr. 
1888,  Nr.  45  und  46)  von  mir  empfohlenen  Quecksilber-Pflaster- 
Collodium-Druck-Verbands  erscheint  der  kosmetische  Erfolg 
sehr  zufriedenstellend. 

Die  Zahl  der  ohne  Recidiv  Gebliebenen  ist  nach  dieser  The- 
rapie, die  sich  im  Laufe  der  Zeit  vollständig  empirisch  bei  mir  ent- 
wickelt hat,  grösser  als  nach  irgend  einem  anderen  mir  bekann- 


Znr  Behandlung  des  Lupus  vulgaris.  103 

ten  Verfahren.  Es  lag  mir  selbstyerständlich  daran,  eine  mög- 
lichst richtige  Erklärung  dieser  Wirkungsweise  zu  erhalten. 

Wenn  man  nach  Lupus-Excisionen  grosse  Mikrotomquer- 
schnitte sich  anfertigt,  die  gute  Uebersichtsbilder  unter  dem 
Mikroskop  ergeben,  namentlich  auch  die  gesunde  Randzone  weit 
genug  überblicken  lassen,  so  kann  man  fiir  das  operative  Vor- 
gehen beim  Lupus  aus  dem  mikroskopischen  Bilde  wichtige 
Fingerzeige  erhalten. 

Es  fällt  da  besonders  auf,  dass  die  jüngsten  Lupusherde, 
wie  sie  als  winzige  runde  Infiltrate  an  einer  Gefässgabelung 
aufsitzen,  oder  als  wenige  Lagen  von  Rundzellen  und  kleinen 
Plasmazellen  ein  längsziehendes  Gefäss  begleiten,  erstens 
recht  weit  —  Va — ^4  Ctm.  —  vom  eigentlichen  Krankheits- 
herd abseits  liegen,  zweitens  dass  sie,  je  mehr  sie  vom  Lupus- 
herd sich  entfernen,  in  um  so  grösserer  Tiefe  überdeckt 
von  ganz  normaler  Epidermis  und  Corium  angetroffen  werden, 
und  dass  sie  drittens  so  klein  sind,  dass  sie  ganz  abgesehen 
von  ihrer  verdeckten  und  versprengten  Lagerung  makroskopisch 
überhaupt  nicht  wahrgenommen  werden  können.  Hieraus  folgt, 
dass  weder  die  mannigfachsten  scharfen  Löffel,  noch  auch  die 
Brenner  des  Paquelin'schen  Apparates  und  Galvanokauters  die 
kleinsten  Tuberkelanlagen  im  Gewebe  alle  auffinden  können, 
sondern  dass  selbst  Aetzmittel,  welche  wie  die  Pyrogallussäure 
elektiv  das  Lupusgewebe  zerstören,  ohne  weiteres  die  im  Ge- 
sunden 80  zerstreut  liegenden  Lupusherde  nicht  alle  werden 
erreichen  können.  Die  versteckten  Lupusnester  müssen  erst  der 
Behandlung  erschlossen  werden,  und  hierzu  dient  die  Scarifi- 
cirung  mit  nachfolgender  Aetzung.  Chlorzink  ist  deshalb  so 
günstig,  weil  es  Blut  nicht  zur  Gerinnung  bringt.  Aber  eine 
einmalige  chemische  Einwirkung  selbst  so  starker  Substanzen 
wie  gesättigte  Chlorzinklösung  genügt,  wie  der  Erfolg  zeigte 
durchaus  nicht. ')  Dies  dürfte  damit  zu  erklären  sein,  dass  die 
Dauersporen  des  Tuberkelbacillus  im  menschlichen  Körper  be- 
züglich im  lebenden  lupösen  Gewebe  sich  stellenweise  unter 
Bedingungen  befinden,  welche  sie  vor  unserer  Mitteln  schützen. 

*)  Zu  meiner  Freude  sehe  ich  während  der  Correctur  in  einem  Aul- 
satze von  Dr.  Veiel  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1893,  Nr.  93)  ein  ähn- 
liches Verfahren  vorgeschlagen. 


X04  Schütz. 

Erst  bei  mehrfach  wiederholten  längeren  chemischen  Einwir- 
kungen bleiben  die  Becidive  aus.  Ungezwungen  kommt  man  zu 
der  Annahme,  dass  eine  Art  Sterilisation  durch  die  wiederholte 
Anwendung  der  chemischen  Mitteln  stattfindet,  indem  alles,  was 
aus  den  resistenten  Dauersporen  auskeimt,  sofort  die  Bedingungen 
seines  Todes  antrifft,  so  dass  nach  und  nach  innerhalb  der 
dreimaligen  Pyrogallussäureeinwirkung  der  Sporengehalt  gleich  0 
wird.  Eine  öftere  Einwirkung  von  Chlorzink  anzuwenden  ist  nicht 
rathsam,  da  1.  die  Schmerzen  hierbei  zu  gross  sind,  2.  die 
Aetzwirkung  zu  sehr  in  dip  Tiefe  gehen  kann  und  3.  schwächere 
eventuell  anzuwendende  Chlorzinklösungen  weniger  sicher  wirken. 
Bei  der  Chlorzinkpinselung  gleich  nach  der  Operation  aber 
werden  die  Schmerzen  wirklich  dadurch  berechtigt,  dass 

1.  sofort  weithin  eine  vorzügliche  Desinfection  stattfindet, 

2.  durch  die  Aetzwirkung  die  ganze  Wundfläche  inclusive 
des  gestichelten  Randes  der  ferneren  Behandlung  sehr  rasch 
und  gleichmässig  zugänglich  gemacht  wird  und 

3.  dass  der  Hauptschmerz  noch  in  die  Narkose  fallt. 
Hiernach  wird   es  auch  erklärlich,    dass  ich  seit  längerer 

Zeit  die  Anwendung  der  Glühhitze  zur  Zerstörung  des  Lupus 
soviel  als  möglich  vermeide.  Wie  schon  erwähnt,  sind  die  klein- 
sten Herde  des  Lupus  unsichtbar  und  —  im  resistenten  gesunden 
Gewebe  eingebettet  —  auch  nicht  fühlbar,  also  mit  dem  Brenner 
nicht  zu  erreichen.  Dagegen  verlegt  die  beim  Brennen  eintre- 
tende Eiweissgerinnung  geradezu  die  Wege  für  unsere  chemisch 
einwirkende  Substanzen.  Von  der  oft  hervorgehobenen  „anre- 
genden" Wirkung  der  älteren  Autoren  durch  das  cauterium 
actuale  habe  ich  bei  Lupus  nie  einen  anderen  Effect  erzielen 
sehen,  als  dass  mehr  zerstört  wurde  als  nöthig  war,  und  dass  die 
Narbenbildung  durch  excessive  Ausschreitung  oft  hässlich  wurde. 
Also  weg  mit  allen  Brennern  bei  der  Lupus-Behandlung  der 
äusseren  Hautdecke!  Bei  Schleimhautlupus  an  schwer  zugäng- 
lichen Stellen,  die  starke,  schwer  zu  stillende  Blutungen  veran- 
lassen werden,  mag  die  Glühhitze  nach  wie  vor  unentbehrlich 
sein,  obgleich  auch  hier,  z.  B.  am  Zahnfleisch,  am  Rachen,  der 
Uvula  Pinselungen  mit  20 — 30%  wässriger  Chlorzinklösung  oft 
und  in  dreitägigen  Zwischenräumen  vorgenommen  Besseres  leisten 
und  auch  bequemer  erscheinen. 


Zur  Behandlung  des  Lupus  vulgaris.  105 

Gegen  das  blutige  Verfahren  und  zu  Gunsten  der  Kanter 
ist  bekanntlich  mehrfach  das  möglicherweise  erfolgende  Auf- 
treten von  acuter  Miliartuberculose  ins  Feld  geführt  worden. 
Das  Vorkommen  selbst  ist  unbestreitbar;  denn  es  liegen  ein- 
zelne Aufzeichnungen  in  der  Literatur  vor,  auch  habe  ich  selbst, 
wenn  auch  glücklicherweise  nicht  in  der  eigenen  Clientel,  einen 
solchen  bösen  Ausgang  mit  beobachtet 

Indessen  ein  so  exorbitant  seltenes  Unglück  kann  nicht 
bedingen  auf  alle  Vortheile  einer  Therapie  zu  verzichten,  bei 
welcher  Gefässe  eröflfnet  werden.  Mit  gleich  strenger  Consequenz 
dürfte  man  keinen  Menschen  mehr  chloroformiren,  keinen  tu- 
berculösen  Abscess  mit  Jodoform  mehr  behandeln^  weil  Chloro- 
formtod und  Jodoformintoxication  in  seltenen  Fällen  eingetreten 
sind.  Wer  lange  Zeit  rastlos  bemüht  war,  in  mikroskopischen 
Schnitten  Tuberkelbacillen  aufzufinden,  wird  zugestehen,  dass 
bei  dem  äusserst  spärlichen  Vorkommen  der  Tuberkelbacillen 
im  Lupus-Gewebe  ein  sehr  grosser  Zufall  dazu  gehört,  wenn 
Bacillen  durch  eine  kurze  Operation  flott  werden  und  dann  in 
venöse  Bahnen  gelangen  und  gerade  Miliartuberculose  anfachen. 
Streng  genonmien  müsste  dann  nicht  nur  die  Stichelung,  son- 
dern auch  die  Auslöffelung  etc.  perhorrescirt  werden  und  Lupus 
ein  chirurgisches  Noli  me  tangere  abgeben. 

Bei  jeder  Lupusbehandlung,  wie  sie  auch  stattfinden  mag, 
werden  bis  jetzt  Fälle  beobachtet,  die  nicht  ohne  Recidiv  bleiben, 
trotz  aller  Sorgfalt  und  Mühe,  die  man  auf  Operation  und  Be- 
handlung verwandt  hatte.  Es  liegt  dies  in  der  Natur  der  Sache, 
und  gerade  jenen  anatomischen  Verhältnissen,  welche  wir  vorher 
zur  Begründung  unseres  eingreifenden  Verfahrens  einer  kurzen 
Betrachtung  unterzogen.  Auch  bezügl.  des  T  hier  seh 'sehen 
Verfahrens  finden  sich  in  den  verschiedenen  Berichten  B-ecidive 
erwähnt,  und  uns  erscheint  für  die  Verhütung  der  Recidive  es 
als  ein  Nachtheil  der  Transplantationen,  dass  sie  oft  nur  stück- 
weise und  nicht  auf  einmal  sich  ausführen  lassen.  Der  stolze 
Hinweis,  dass  man  nach  und  nach  die  ganze  Gesichtshaut  durch 
Oberschenkelhaut  ersetzen  könne,  vermag  uns  das  nicht  ganz 
auszureden.  Wie  überall,  so  schreitet  auch  beim  Lupus  das 
Unglück  schnell,  und  es  handelt  sich  um  die  Möglichkeit,  jeder- 
zeit in  der  Lage  zu  sein,  rasch  demselben  Einhalt  zu  thun. 


106  Schütz. 

Bei  unserem  Verfahi'en  waren  u.  A.  mehrfach  Recidive 
aufgetreten,  die  nur  in  1,  2  frischen  Knötchen  bestanden.  Ohne 
Narkose  gelingt  es  dieselben  und  ihre  Umgebung  gründlich  zu 
sticheln  und  die  gestichelten  Stellen  nach  vollkommener  Blut- 
stillung mit  Chiorzinklösung  zu  ätzen.  Es  ist  ein  grosser  Vor- 
zug, dem  Patienten  so  helfen  zu  können.  Allerdings  wird  dies 
ohne  Erneuerung  des  beschriebenen  längeren  Verfahrens  nur 
dann  der  Fall  sein,  wenn  die  Patienten  sich  oft  und  früh  genug 
zur  Controle  vorstellen.  Wie  überall  in  der  Medicin,  so  ist  es 
auch  beim  Lupus  eine  Hauptsache  für  den  Arzt,  nicht  nur  die 
Krankheit,  sondern  auch  deren  Träger  in  seiner  bestehenden 
Eigenart  zu  studieren  und  zu  beherrschen.  Von  Anfang  an, 
schon  bei  Erhebung  der  ersten  Anamnese  vor  der  Behandlung, 
soll  man  dessen  eingedenk  sein  und  im  Hinblick  auf  möglicher- 
weise nöthige  Recidivbehandlung  während  der  ganzen  Dauer 
der  ärztlichen  Einwirkung  die  psychische  Behandlung  nicht 
vergessen.  Nur  wenn  der  Patient  die  Tragweite  der  Operation 
und  des  Krankheitsprocesses  selbst  kennt  und  im  Arzt  Wohl- 
wollen und  Sicherheit  findet,  wird  er  auch  nach  Abheilung 
seines  Lupus  sich  wieder  zeigen  und  ev.  früh  genug  zur  Nach- 
hilfe sich  einstellen.  Für  den  dauernden  Erfolg  der  Heilung 
halte  ich  dies  für  die  wichtigste  Seite  der  gesammten 
Therapie. 

Der  verstockte  Bauer,  der  blasirte  Parvenü,  die  Welt 
vergessende  Verlobte,  das  unaufhörlich  tändelnde  Kind  u.  s.  f., 
alle  werden  mit  ihrer  Umgebung  das  Recidiv  ihres  Lupus  auf 
andere  Weise  hinnehmen  und  darnach  handeln. 

Die,  welche  den  Arzt  am  frühesten  in  den  Himmel  zu 
erheben  bereit  sind,  haben  meist  die  nichtssagendsten  Entschul- 
digungen, warum  gerade  sie  die  Verordnung,  sich  frühzeitig 
genug  zur  Recidivbehandlung  einzustellen,  nicht  genau  befolgen 
konnten.  Der  im  Menschen  liegende  Egoismus  verlangt  gleich- 
laufende Interessen.  Daher  ist  der  deutliche  Hinweis  an  den 
Patienten  sehr  am  Platz,  dass  der  Lupusherd  seitliche  Ausläufer 
treibe,  so  klein  und  so  tief  gelegen,  dass  sie  mit  dem  mensch- 
lichen Auge  nicht  zu  sehen  sind,  die  sofort  zerstört  werden 
müssen,  wenn  sie  grösser  und  bereits  als  rothe  Pünktchen 
sichtbar  werden,    damit   nicht  auch   sie    wieder   weiter  ranken 


Znr  Behandlung  des  Lupus  Tulgsris.  ]07 

können ,  eine  längere  schmerzhafte  Behandlung  dann  nötbig 
machen,  und  so  em  grausames  Spiel  ohne  Ende  entstehe. 

In  der  That  dürften  entsprechend  die  anatomischen  wirk- 
lichen Verhältnisse  liegen,  venu  man  sie  einmal  in  einem  all- 
gemein verständlichen  Bilde  zu   betrachten  fiir  gut  finden  will. 

Schematisch  gefasst  erscheint  die  Gestaltung  so,  d^s  die 
ganze  Wichtigkeit  der  operativen  Eingriffe  sich  um  die  Zer- 
störung der  Lupusherde  niedrigster  Ordnung  dreht  (Siehe  Fig.) 


Erstreckt  sich  der  Einfluss  einer  Operation  A  unglück- 
hcherweise  ziun  Theü  nur  bis  zu  den  Lupusknötchen  zweiter 
Ordnung,  so  kommt  alles  darauf  an,  möghchst  früh  die  Knöt- 
chen dritter  Ordnung  zu  entdecken,  sobald  sie  sichtbar  werden, 
um  sie  mit  sanomt  ihrer  nächsten  Umgebung  durch  kleinere 
Operationen  n  x   fi  zu  zerstören. 

Jedes  längere  Zuwarten  ist  gleichbedeutend  mit  einer 
weiteren  Ausbreitung  des  Lupus,  mit  einem  Anwachsen  der 
kleinsten  Herde  zu  Knötchen  höherer  Ordnung,  mit  einer  Aus- 
saat von  Infiltraten  an  der  Peripherie,  deren  Lage  nieder  un- 
bekannt und  zur  Zeit  unbeeinflussbar  sein  kann. 

So  kann  es  geschehen,  dass  bei  nicht  ständiger  Controle 
durch  den  Arzt,  der  Lupus  trotz  vieler  energischer  Zerstörungen 
nie  zur  Abheilung  gelangt,  sondern  im  Gegentheil  durch  Narben- 


108  Schütz. 

untermischung   immer   schwieriger   für    die  Einwirkung   irgend 
welcher  Verfahren  wird. 

Endlich  ist  für  die  Behandlung  von  Wichtigkeit,  das  Ge- 
sammtbefinden  der  Kranken  möglichst  günstig  zu  gestalten. 

Je  widerstandsfähiger  die  gesunden  Gewebe  sind,  um  so 
weniger  schnell  wird  der  Krankheitsherd  sich  ausdehnen.  Dies 
bestätigt  reichlich  die  alltägliche  Erfahrung. 

Wir  sehen  auf  der  einen  Seite  Lupusaffectionen,  die  10 
und  20  Jahre  kaum  sich  ändern,  während  wir  andererseits 
Formen  antreffen,  deren  rasche  Wucherung  oder  unaufhaltsamer 
Zerfall  in  kurzer  Zeit  arge  Verwüstung  anrichtet.  Stets  handelt 
es  sich  bei  letztgenannten  um  herabgekommene,  schlecht  er- 
nährte Individuen.  Wir  treffen  dies  nicht  nur  am  einzelnen 
Kranken,  sondern,  wer  Gelegenheit  hat,  Material  geograpliisch 
zu  sichten,  kann  bemerken,  dass  gerade  ärmliche  Gegenden 
mit  mangelnder  Industrie  und  schlechten  Lebensmitteln  relativ 
häufig  schwere,  an  Lepra  erinnernde  Formen  von  Lupus  erzeugen. 

Es  ist  daher  für  die  dauernde  Einschränkung  und  Be- 
kämpfung des  Lupus  von  grosser  Tragweite,  die  Emähi'ung  zu 
fördern,  Begleiterkrankungen  namentlich  tuberculöser  oder  scro- 
phulöser  Art  sorgsam  zu  behandeln  und  so  gut  es  sich  im  ge- 
gebenen Falle  ermöglichen  lässt,  die  allgemeinen  Lebensbedin- 
gungen günstig  zu  gestalten,  da  hierdurch  wie  bereits  andernorts 
(1.  c.)  betont,  auch  kosmetisch  das  Resultat  gewinnt. 

Trägt  man  bezügl.  etwa  eintretender  Recidive  und  für  die 
nöthige  körperliche  Festigkeit  der  Patienten  in  vorbenanntem 
Sinne  Sorge,  so  wird  in  einer  grossen  Zahl  von  Fällen  unser 
Verfahren  nachhaltig  gute  Resultate  ergeben. 

Allerdings  erfordert  es,  wie  jedes  complicirtere  Vorgehen 
eine  nur  durch  Uebung  zu  gewinnende  Vertrautheit.  Namentlich 
das  bisher  mancherseits  mit  einer  gewissen  Geringschätzung 
betrachtete  Sticheln  des  ki*anken  Gebiets  und  seiner  Umgegend 
erfordert  grosse  Aufmerksamkeit,  Schnelligkeit,  geschickt  nach- 
rückende Compression  und  auch  chirurgischen  Muth,  wenn  es 
ganz  und  ausgiebig  gelingen  soll. 

Möge  das  Verfahren  denen,  die  es  nachprüfen,  dieselbe 
Freude  und  Befriedigung  verschaffen,  die  ich  bei  Anwendung 
desselben  durchweg  gehabt  habe. 


BericM  itter  die  Leistungen 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  und  Syphilis. 


Verhandlungen  der  Versammlung  deutscher  Natur 
forscher  und  Aerzte  in  Nürnberg.  1893, 

Bericht  von  Dr.  J.  Epstein  in  Nürnberg. 


Abtheilung  XXIt  für  Dermatologie  und  Syphilis. 

1.  Sitzung.    11.  September  1893. 

Oberarzt  Dr.  Beckh  (Nürnberg)  eröffnet  die  constituirende  Sitzung  mit 
herzlicher  Begrüssung  der  Anwesenden.  Nach  Erledigung  geschäftlicher 
Angelegenheiten  folgt  als  1.  Vortrag: 

Kolimann  (Leipzig):  Seruminjectionen  gegen  Syphilis. 

K.  hat  Hammelblutserum  injicirt  bei  18  Syphilitischen,  von  denen 
8  bereits  specifisch  vorbehandelt,  10  noch  unbehandelt  waren.  Die  ver- 
brauchten Serumquantitaten  betrugen  stets  mehr  als  die  Maxima  Tom- 
masoli's  (noch  unter  90  Gem.),  nämlich  zwischen  91,5  und  165  Gem. 
Bei  beiden  oben  erwähnten  Kategorien  nun  haben  selbst  diese  hohen  Dosen 
nie  eine  heilende  Wirkung  ausgeübt.  £s  traten  sogar  in  einzelnen  Fällen 
während  der  Injectionen  oder  ganz  kurz  nachher  frische  luetische  Erschei- 
nungen aui. 

Die  Injectionen  verliefen  local  fast  stets  ohne  jede  Reaction.  In 
mehreren  Fällen  aber  zeigte  sich  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Injection 
ausgebreitete  Quaddelbildung. 

Discussion : 

Behrend  (Berlin)  bringt  die  Urticaria  nach  den  Seruminjectionen  in 
Parallele  mit  der  nach  der  Yaccination  auftretenden.  Die  Yaccinationsaus- 
schläge  zeigen  sich  entweder  in  den  ersten  drei  Tagen  nach  der  Yaccination 
oder  in  den  ersten  drei  Tagen  nach  Beginn  der  Suppuration.  Sie  sind  nicht 
auf  eine  specifische  Wirkung  der  Yaccine  zurückzufuhren,  sondern  es  wirkt 
diese  resp.  die  aus  dem  Pustelinhalte  resorbirten  Substanzen  nur  als  fremder 
Stoff  innerhalb  der  Girculation  ganz  analog  dem  Einfluss  der  Arzneien  in 
Bezug  auf  Entstehung  der  Arzneiausschläge. 

KSbner  (Berlin)  erinnert  daran,  dass  bei  den  früher  öfter  bei  Phthisis 
pulmonum  ausgeführten  Hammelbluttransfusion  fast  regelmässig  am  2.  Tage 
Urticaria  ausbrach,  gewöhnlich  begleitet  von  Hämoglobinurie  und  fragt  an, 
ob  Yortr.  auch  die  letztere  auftreten  sah. 

Pick  (Prag)  bemerkt  gegenüber  Köbner,  dass  eine  directe  Blut- 
transfusion  und   eine   subcutane  Injection  von   Serum   doch   etwas   ganz 


112  Verhandlungen 

Verschiedenes  sind.  Auch  er  kann  bestätigen,  dass  nach  Injection  von 
Blutserum,  die  er  allerdings  nur  bei  Gesunden  ausgeführt  hat,  niemals 
örtlich  ähnliche  Erscheinungen  auftreten,  wie  sie  Tommas oli  geschildert 
hat;  der  Verlauf  war  stets  ein  glatter. 

Koilmann.  Bei  2  Patienten  zeigte  sich  während  der  Injectionsbehand» 
lung  hie  und  da  Albumen  im  Harn;  doch  Hess  sich  nicht  entscheiden,  ob 
in  Folge  der  Injectionen  oder  der  Lues.  Blutigen  Harn  hat  K,  niemals 
bemerkt. 

2.  Sitzung.   12.  September  1893. 

Ä,  Gemeinsame  Sitzung  der  Abtheilungen  für  Dermatologie  und 

für  Hygiene. 

1.  „Ueber  Vorbauung  der  Syphilis,  mit  Berücksichti- 
gung der  Frage:  Ist  die  öffentliche  oder  die  geheime  Pro- 
stitution die  Hauptquelle  für  die  Verbreitung  der  Syphilis 
und  der  anderen  venerischen  Krankheiten.^ 

Referent  Lang  (Wien).  Die  Ausfahrungen  des  Referenten,  die  dem 
umfangreichen  Thema  in  umfassendster  Weise  gerecht  wurden,  gipfelten 
in  den  folgenden  Thesen: 

I.  Trotz  anerkannter  Schwierigkeiten,  welche  sich  den  prophylaktischen 
Massnahmen  entgegenstellen,  sind  die  Behörden  verpflichtet,  der  Weiterver- 
breitung der  venerischen  Krankheiten  nach  Möglichkeit  entgegen  zu  treten. 

II.  Für  Arme  und  Minderbemittelte  ist  unentgeltliche  Behandlung 
und  kostenfreier  Bezug  von  Medicamenten  sei  es  in  der  Behausung,  sei 
es  in  Ambulatorien  oder  Krankenanstalten  anzustreben. 

III.  Venerisch-Kranke  müssen  über  ihren  Wunsch  bedingungslose 
Aufnahme  in  öffentlichen  Heilanstalten  finden. 

IV.  £s  sind  demnach  die  bestehenden  Abtheilungen  für  Venerisch- 
Kranke  zu  erweitem,  bezw.  neue  Abtheilungen  zu    creiren. 

V.  Für  Venerisch-Kranke  aus  der  Beamtenwelt  und  dem  Mittelstande 
sind  in  den  Krankenhäusern  passende  Zahlabtheilungen  zu  errichten,  bezw« 
die  bestehenden  zu  erweitem  und  allgemein  zugänglich  zu  machen. 

VI.  Errichtung  von  Krankenanstalten  mit  ausschliesslicher  Bestim- 
mung für  Venerisch-Kranke  sind  nicht  zu  empfehlen. 

VII.  Venerisch-Kranke  dürfen  keine  Zurücksetzung  in  ihrer  Stellung, 
noch  eine  materielle  Schädigung  bei  Vereinen  etc   erfahren. 

VIII.  Verbreitung  einer  gemeinverständlichen  Darstellung  über  die 
gesammte  Hygiene,  welche  auch  über  die  Gefahren  der  Infection  mit 
venerischen  Krankheiten  belehren  soll,   ist  empfehlenswerth. 

IX.  Die  Gewerbebehörden  haben  im  Vereine  mit  ärztlichen  Func- 
tionären  auf  Verhütung  von  Syphilisinfectionen  bei  gewissen  Berufsarten 
hinzuarbeiten. 

X.  Das  Ammenverhältniss  ist  sanitätsbehördlich  zu  überwachen 
und  der  Gesundheitszustand  der  Amme  und  ihrer  Familie  (zum  mindesten 
ihres  Kindes),  sowie  des  Säuglings  und  seiner  Eltern  den  beiden  interes- 
sirenden  Parteien  bekannt  zu  geben. 


d.  Versamml.  deutscher  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     113 

XT.  Für  die  Verbreitung  der  yenerischen  Krankheiten  gibt  die  sog. 
geheime  Prostitution  wegen  Unmöglichkeit  einer  sanitären  Gontrole  die 
gefährlichste  Quelle  ab. 

XII.  Nicht  registrirte  Prostituirte,  die  nachweislich  venerische  In- 
fectionen  beigebracht,  sind  einer  obligatorischen  Behandlung  im  Sinne 
der  Thesen  XVI  und  XVII  zuzuführen. 

XIII.  Mäuner,  von  denen  nachweislich  venerische  Infectionen  aus- 
gingen, sind  zu  verhalten,  ihre  Krankheit  regelrecht  behandeln  zu  lassen 
und  überdies  gerichtlich  zu  verfolgen,  wenn  sie  sich  ihrer  Krankheit  be- 
wusst  waren. 

XIV.  Die  sanitäre  Gontrole  ist  nur  bei  behördlich  registrirten  Pro- 
stituirten  möglich. 

XV.  Oertliche  Verhältnisse  sollen  dafür  bestimmend  sein,  ob  für 
die  registrirte  Prostitution  die  Greirung  geschlossener  Etablissements  zu 
gestatten  ist. 

XVI.  Prostituirte,  die  venerisch-krank  befunden  wurden,  sind  sofort 
in  eine  öffentliche  Heilanstalt  abzugeben. 

XVII.  Eine  nothwendige  Ergänzung  der  hygienischen  Massnahmen 
bilden  unter  Gontrole  befindlicheEeconvalesceutenhäu8er,in  welchen  die  aus 
der  öffentlichen  Krankenanstalt  als  „geheilt  **  entlassenen  Puellae  durch  einige 
Wochen  oder  Monate  die  Gonsolidirung  ihrer  Gesundheit  abzuwarten  haben. 

Gorreferent  Kopp  (München)  betont  zunächst  die  Wichtigkeit  der 
polizeilichen  Gontrole,  die  aber  einen  wesentlich  ärztlich  -  hygienischen, 
keinen  moralisch-disciplinären  Gharakter  haben  soll  und  die,  wenn  mit 
ausreichenden  Mitteln  durchgeführt  und  durch  eine  ausreichende  Behand- 
lung der  sistirten  Prostituirten  unterstützt,  einen  sehr  beträchtlichen 
Einüuss  auf  die  Infectionsziffer  ausübt.  Ganz  besondere  Vurtheile  für  die 
sanitätspolizeiliche  Ueberwachung  der  gewerbsmässigen  Prostitution  bietet 
natürlich  deren  Gonfinirung  in  öffentlichen  Häusern,  deren  Bestand  also 
seitens  der  Polizeibehörden  eher  gefördert  als  unterdrückt  werden  sollte. 
Die  gewerbsmässige  Geheimprostitution  ist  entschieden  gefahrlicher  als 
die  öffentliche  Prostitution.  Wenn  auch  statistisch  das  kaum  festzustellen 
möglich  ist,  so  sind  doch  beweisend  einmal  die  Erfahrungen,  die  man  in 
England  mit  der  Gontagious  diseases-Act,  in  Italien  mit  der  jede  Gontrole 
aufhebenden  Lex  Grispi  gemacht  hat. 

Kopp  hat  übrigens  selbst  eine  Enquete  über  diese  Frage  unter 
seinen  Patienten  angestellt.  Unter  653  Befragten  äusserten  sich  480 
günstig  für  die  officielle  Prostitution,  173  ungünstig.  Sicher  ist  es  Auf- 
gabe einer  rationellen  Sanitätspolizei,  diu  heimliche  Prostitution  möglichst 
zu  unterdrücken  resp.  die  in  Frage  kommenden  Frauenzimmer  der  offf- 
cielien  Gontrole  zu  unterstellen.  Gewisse  Formen  „gelegentlicher  Prosti- 
tution^ entziehen  sich  natürlich,  obwohl  sie  mitunter  gefährlich  genug 
sind,  polizeilicher  Behandlung  durchaus.  Uebrigens  kann  man  auch  von 
der  besten  polizeilich-ärztlichen  Gontrole  nicht  verlangen,  dass  sie  jede 
Gefahr  der  Prostitution  beseitigt,  sondern  nur,  dass  die  krank  befundenen 
Prostituirten  internirt  und  sachgemäss  behandelt  werden.  —  Kopp  sieht 

Archlr  f.  Dennatol.  u.  Syphll.  Band  XXVI.  Q 


X 1 4  Verhandlungen 

in  der  durch  polizeilich-ärztliche  Massnahmen  herbeizuführenden  A 
nirung  der  Prostitntion  nicht  das  einzige  Mittel  zur  Bekämpfung 
venerischen  Krankheiten,  sondern  weist  zum  Schiusa  noch  auf  am 
Massnahmen  hin,  die  in  gleicher  Richtung  günstig  wirken  können,  ' 
Aufklärung  der  heranwachsenden  und  ins  Leben  hinaus  tretenden  Jng 
über  die  Bedeutung  der  venerischen  Krankheiten,  Schaffung  ausgieb 
Gelegenheit  zur,  wo  nöthig  unentgeltlichen  Behandlung  dieser  Krankhei 
bessere  sexuell  -  sanitäre  Gontrole  gewisser  männlicher  Bevölkeru: 
schichten  (Soldaten,  Matrosen  etc.),  bessere  Vorbildung  der  Aerzte  e 

Discussion :  HOppe  (Prag)  verlangt  auch  für  die  Prophylaxe  der  y( 
Krankheiten  die  Durchführung  des  allgemeinen  Princips  der  Isolii 
der  frischen  Fälle  und  deren  rechtzeitiger  Behandlung.  Gerade  in  Deut 
land  ist  das  durch  die  grund verfehlten  Bestimmungen  des  Krankencae 
gesetzes  unmöglich  gcmacbt  und  es  ist  Pflicht  der  Aerzte,  eine  euts 
chende  Aenderung  der  Gesetzgebung  herbeizuführen.  Auch  müsser 
Krankenanstalten  —  nach  dem  Vorgehen  von  Berlin  —  in  grosse 
Umfang  zur  Behandlung  venerisch  Kranker  herangezogen  werden. 

Spinola  (Berlin)  ist  im  Wesentlichen  mit  den  meisten  Thesen  des 
einverstanden.    These  XVII  jedoch  geht  ihm  entschieden  zu  weit. 
Einrichtung    solcher    Reconvalescentenhäuser    würde    unerschwing 
Kosten  verursachen,  die  man  den  Gemeinden  nicht  zumuthen  könne 

Aub  (München)  schliesst  sich  durchaus  dem  Gorreferenten  an  in 
Ansicht  von  der  grösseren  Gefährlichkeit  der  clandestinen  Prostitutioi 
hält  es  deshalb  für  einen  Fehler,  wenn  die  Behörden  die  Registrirun 
sehr  erschweren  und  eine  Erhöhung  der  Ziffer  der  registrirten  Prostitu 
scheuen.  Er  wendet  sich  ebenfalls  gegen  die  bekannte  Bestimmung 
Krankencassengesetzes  und  mit  besonderem  Nachdruck  gegen  den 
Kuppeleiparagraphen  des  deutschen  Reiuhsstrafgesetzbuchs,  wclchei 
zur  Erschwerung  der  Registrirung  und  zur  Verheimlichung  der  P 
tution  führt. 

Pick  (Prag).  Die  Ammenfrage  sei  von  grösster  Wichtigkeit,  nur 
er  sich  mit  Langes  Auffassung  der  Sache  nicht  einverstanden  erkl 
Man  muss  die  Amme  stets  ebenso  schützen  wie  den  Säugling,  und 
es  in  keinem  Falle  gestatten,  dass  sie  ein  syphilitisch  krankes  Kind 
selbst  wenn  die  Amme  sich  damit  einverstanden  erklärt.  Es  ist  das 
Gewissenssache  des  Arztes,  die  Behörden  haben  gewöhnlich  in  erster 
damit  nichts  zu  thun.  Die  Amme  kann  die  Gefahren  niemals  ermessen 
Person  von  dem  Bildungsgrade  einer  Amme  kann  die  Tragweite 
Erkrankung  nicht  einmal  für  sich  selbst,  geschweige  denn  für  ihr 
milie  begreifen  und  man  muss  sie  deshalb  in  jedem  Falle  von  dem  kr 
Kinde  fernhalten,  statt  ihr  Cautelen  anzurathen.  Zu  These  XVII 
bemerken,  dass  man  doch  die  Syphilis  und  die  übrigen  vener 
Krankheiten  von  einander  trennen  muss.  Mit  den  letzteren  werd< 
schon  fertig,  der  Syphilitiker  wird  aber  nach  vier  Wochen  niemal 
heilt''  entlassen,  er  ist  dann  noch  krank.  Die  Reconvalescentenbäuse 
also  eigentlich  auch  noch  Krankenhäuser,  es  handelt  sich  bei  der  L 


d.  Yersamml.  dentscfaer  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     115 

Echen   Forderung    also   nur    um    eine   Verlängerung    der   Behandlangs- 
dauer. 

Behrend  (Berlin)  tritt  dafür  ein,  dass  die  Erankencassen  zwar  gehalten 
sein  sollen,  unentgeltliche  Krankeuhausbehandlung  ihren  syphilitischen  Mit- 
gliedern zu  gewähren,  nicht  dagegen  Zahlung  von  Krankengeld  bei  ambu- 
lanter Behandlung  leisten  sollten:  Syphilitische  gehörten  bei  ihrer  An- 
»teckungsfahigkeit  nicht  in  die  PolikÜDik,  sondern  ins  Krankenhaus. 
Betreffs  der  Reconval^centenhäuser  schliesst  sich  B.  den  gegen  dieselben 
erhobenen  Ausstellungen  vollständig  an  und  weist  darauf  hin,  dass  nach 
den  in  Deutschland  bestehenden  Gesetzen  die  zwangsweise  Unterbringung 
in  dieselben  nicht  statthaft  sein  würde. 

Neuberger  (Nürnberg)  bedauert,  dass  immer  nur  von  der  Syphilis  die 
Rede  sei,  da  seines  Erachtens  die  Gonorrhoe  mit  ihren  Folgezuständen  auch 
Dicht  zu  unterschätzen  sei,  ja  sogar  in  gewisser  Hinsicht  die  durch  die  Sy- 
philis hervorgerufene  Gefahr  noch  übertrifft.  Die  von  Lang  empfohlenen 
Reconvalescentenhättser  hält  er  gerade  mit  Rücksicht  auf  die  Gonorrhoe  für 
sehr  zweckentsprechend,  da  die  schwere  Heilbarkeit  der  weiblichen  Go- 
norrhoe einen  längeren  Krankenhausaufenthalt  und  weitere  Observation 
erheische. 

Kdbner  (Berlin)  hat  den  Vorschlag,  auf  den  Entlassungsscheinen  Syphi- 
litischer statt  „geheilt**  zu  notiren  „symptomfrei**,  schon  dem  Kopenhagener 
internationalen  Gongress  1884  unterbreitet  und  erneuert  denselben  zur 
allgemeinen  Einführung.  Die  auf  lange  Zeit  auszudehnenden  Gontrol- 
Untersuchungen  entlassener  Puellae  wie  auch  die  Behandlung  leichterer 
Rück^Ie  lässt  sich  fast  eben  so  gut  wie  in  Reconvalescentenhäusem, 
aber  mit  sehr  grosser  Ersparniss  in  gut  ausgerüsteten  Ambulatorien 
weiterfuhren.  Köbner  hat  bei  einer  grossen  Anzahl  seiner  Patienten 
die  lufectionsquellen  ermitteln  und  daraus  ersehen  können,  dass  die  nicht 
controlirte  Prostitution  einen  ganz  erheblichen  Procentsatz  von  An- 
steckungen liefert  und  dass  gerade  hier  ungemein  ausgedehnte  und  hoch- 
entwickelte, weil  lange  unbeachtete  Syphilisformen   angetroffen   werden. 

Lang  hebt  in  seinem  Schlusswort  noch  einmal  die  Vortheile  der 
Errichtung  von  Reconvalescentenhäusem  hervor.  Er  spricht  sich  wieder- 
holt dahin  aus,  dass  das  Ammenverhältnies  behördlich  zu  überwachen 
sei,  so  lange  uns  kein  Mittel  zu  Gebote  steht  zu  verhindern,  dass  sich 
eine  Amme  für  ein  hereditär-syphilitisches  Kind  engagiren  lasse. 

B.  Sitzung  der  Section  für  Dermatologie. 

2.  Kollmann :  Zur  Diagnostik  und  Therapie  der  männ- 
lichen Gonorrhoe. 

Kollmann  hebt  die  Wichtigkeit  der  endoskopischen  Untersuchung 
in  ausführlicher  Darstellung  hervor.  Er  verkennt  nicht  die  Bedeutung  der 
Gonococcen-Untersuehung.  Aber  einmal  sei  bei  dieser  ja  nur  ein  positiver 
Befund  entscheidend,  ein  negativer  Beweis  noch  nicht  die  wirkliche  Hei- 
lung, während  die  Endoskopie  jede,  auch  die  geringste  krankhafte  Ver- 


116  Verhandlungen 

änderung  der  Urethra  wahrnehmen  lasse.  Dann  aber  sei  einzig  die  em 
skopische  Untersuchung  im  Stande,  eine  genaue  locale  Diagnose  i 
gonorrhoischen  Erkrankung  zu  stellen  und  so  eine  präcisere  locale  ai 
bakterielle  und  chirurgische  Therapie  zu  ermöglichen.  K,  wendet  freil 
die  endoskopische  Methode  regelmässig  nur  bei  den  chronischen  i 
«ubacuten  Entzündungen  der  Urethra  anterior  an,  bei  denen  der  Postei 
dagegen  nur,  wenn  ganz  besondere  Indicationen  vorliegen.  Sonst  bedi 
er  sich  zur  Entscheidung  der  Frage  nach  einer  Urethritis  posterior 
von  JadasBohn  eingeführten  Ausspülungsprobe,  jedoch  mit  etwas  i 
änderter  Technik.  (Ausspritzen  mit  ca.  100  Gr.  fassender  Spritze,  bis 
Spülwasser  klar  abläuft,  ganz  geringer  Druck,   Orificium  nicht  zuhält« 

Ohne  über  eine  genaue  statistische  Zusammenstellung  zu  verfüj 
kann  er  doch  das  eine  behaupten,  dass  in  der  bei  Weitem  überwiegen 
Anzahl  der  von  ihm  untersuchten  Gonorrhoen  die  Secretion   lediglich 
der  Pars  anterior  kam. 

Die  Behandlung  der  Urethritis  richtet  sich  danach,  ob  Infilt 
irgend  welcher  Art  vorhanden  sind  oder  nur  reine  Catarrhe  der  Uretli 
drüsen.  Im  ersteren Falle  Oberländer^sche  Dilatationen  abwechselnd 
Irrigationen  (Borsäure,  Argentum  nitricum),  im  letzteren  wird  die 
krankte  Drüse  direct  behandelt,  mit  Einspritzungen,  mit  dem  Mei 
Galvanocauter  oder  Elektrolyse.  K.  erwähnt  dann  noch  eingehend 
intraurethrale  galvanische  und  faradische  Behandlung,  die  er  bei  sexui 
Neurasthenie,  Prostatorrhoe,  Spermatorrhoe  vielfach  anwendet.  Er 
nur  schwächere  Ströme  zu  wählen;  beim  galvanischen  Strom  in  der  K 
nicht  über  5  M.-A. 

Der  Vortrag  wurde  instructiv  erläutert  durch  Vorzeigung  des  0 1 
1  an der'schen  endoskopischen  Apparates  und  diverser  Instrumente  (säii 
lieh  von  Heynemann  —  Leipzig)  und  von  Photogrammen  der  üret] 
Schleimhaut,  die  K.   beim  Lichte  des  Oberlän der'schen  Apparates 
genommen  hat. 

Discüssion :  Galewsky  (Dresden)  ist  völlig  der  Ansicht  K  o  1 1  m  a  i 
dass  jede  Behandlungsmethode  anzuwenden  ist.  Mit  der  Dilatatiouämct 
hat  er  freilich  nicht  die  günstigen  Erfolge  gehabt  wie  K.  Die  Am 
lungen  der  U.  a.  zu  diagnostischen  Zwecken  haben  sowohl  Jadass 
wie  G.  selbst  auch  mit  grösseren  Injectionsspritzen  vorgenommen,  ii 
stets  die  früheren  Resultate  erhalten. 

Kollmann  will  nicht  entscheiden,  ob  die  Differenz  seiner  uik 
Jadass  oh  n'schen  Resultate  nur  Folge  der  veränderten  Technik  ist, 
statirt  nur  diese  Differenz. 

Lang.  Die  bisher  üblichen  Urethroskope  mit  künstlicher  Beb 
tung  sind  alle  mit  einem  zu  schweren  Griff  verbunden.  L.  hat  d 
einen  elektrischen  Beleuchtungstrichter  für  das  Urethroskop  angeg 
der  wegen  seiner  Leichtigkeit  mit  Daumen  und  Zeigefinger  di: 
werden  kann. 

3.  GdrI.  Casuistische  Mittheilungen  zur  elektrolytischen  Bebain 
von  Stricturen  der  Harnröhre. 


d.  Versamml.  deutscher  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     117 

G.  benützt  zur  Elektrolyse  von  Stricturen  eine  Leclanche-Batterie 
Ton  10  Elementen  und  arbeitet  mit  Strömen  von  15 — 18  M.-A.  Die  Le- 
fort'schen  Elektroden  benützt  er  nicht  mehr,  da  sie  am  Ansatz  der 
Beugte  filiforme  leicht  abbrechen.  Seine  Elektrode  besteht  aus  einem  iso- 
lirten  Metallstab,  an  dem  vom  eine  Kugel  excentrisch  aufsitzt.  Dieselbe 
ist  durchbohrt,  um  ein  Leitbougie  (Charr.  Nr.  6)  in  sich  aufzunehmen. 

Für  Fälle,  wo  wegen  engen  Orificiums  die  Kugelelektrode  nicht 
eingeführt  werden  kann,  hat  G.  eine  andere  Elektrode  construirt,  bei  der 
ein  dicker  Platindraht  die  Strictur  von  hinten  nach  vom  elektrolytisch 
duTchtrennt.  Die  Dauer  der  Sitzung  ist  nach  Art,  Sitz,  Ausdehnung 
der  Strictur  verschieden.  Am  hartnäckigsten  sind  Stricturen,  die  durch 
Verletzungen  entstanden  sind.  Die  elektrolytisch  gelöste  Strictur  besitzt 
nur  geringe  Reizung  zu  einem  Recidiv.  Es  tritt  eben,  wie  endoskopisch 
nachzuweisen,  an  die  Stelle  der  alten,  stark  reticulirten  Narbe  eine  ganz 
zarte  und  leicht  dehnbare.  Vom  4. — 5.  Tage  nach  der  Elektrolyse  an 
wird  für  4  Wochen  in  viertägigen  Zwischenräumen  bougirt  und  vom 
Tage  der  Operation  an  eine  Borsäurebleiwassermischung  injicirt. 

Discussion:  Lang  arbeitet  jetzt  meist  nur  mit  schwachen  Strömen, 
2—5  M.-A.  und  kommt  fast  stets  damit  aus.  Die  Görl'sche  Kugelelek- 
trode findet  er  nicht  so  zweckmässig;  die  vom  dünne  Olivenelektrode  ge- 
stattet ein  viel  leichteres  Vordringen  in  der  Strictur. 

4.  Kopp:  Die  Prognose  der  chronischen  Gonorrhoe  un'd 
die  Criterien  ihrer  Heilung. 

Die  sehr  bemerkenswerthe  Arbeit  Kopp  ^s  stützt  sich  auf  fünf  genau 
beobachtete  Fälle  chronischer  Gonorrhoe,  in  denen  nach  länger  durchge- 
führter Behandlung  auf  Grund  zahlreicher  (resp.  16,  24,  15,  18,  22)  ne- 
gativ ausgefallener  Untersuchungen  auf  Gonococcen  Heilung  angenommen 
worden  war.  Gleichwohl  aber  trat  in  allen  5  Fällen  nach  mehr  oder 
minder  langer  Zeit  Recidiv  mit  gonococcenhaltigem  Secret  ein ,  in  3 
Fällen  kam  es  zur  Ansteckung  der  Frau  resp.  Geliebten.  Eine  frische  In- 
fection  glaubt  K.  in  diesen  Fällen  sicher  ausschliessen  zu  können.  K. 
fasst  das  Resultat  seiner  Beobachtungen  in  folgenden  Thesen  zusammen: 

1.  Eine  absolut  günstige  Prognose  der  chronischen  Gonorrhoe  ist 
nicht  zu  stellen.  Manche  Fälle  erweisen  sich  als  gegen  jede  Behandlung 
refractär  und  bleiben  für  lange  Zeit  oder  auch  dauernd  ungeheilt. 

2.  Eine  sehr  beträchtliche  Zahl  der  geeignet  behandelten  Fälle  von 
chronischer  Gonorrhoe  werden  dauernd  geheilt.  Meist  ist  dazu  eine  in- 
Btrumentelle  Behandlung  und  von  den  chemisch  wirkenden  Mitteln  das 
Argent.  nitricum  in  erster  Linie  zu  empfehlen. 

3.  Auch  wenn  gar  kein  Ausfluss  aus  der  Harnröhre  mehr  vorhan- 
den und  alle  Symptome  subjectiver  Art  beseitigt  sind,  ist  man  in  keiner 
Weise  berechtigt,  die  chronische  Gonorrhoe  für  definitiv  geheilt  zu 
erklaren.  Es  erscheint  speciell,  wenn  die  Frage  der  Eheschliessung 
vorliegt,  unbedingt  nöthig,  eine  fortlaufende  Untersuchungsreihe  der  aus 
dem  Harn  erhaltenen  Fadenbildungen  oder  eventuell  gelegentlich  auf- 
tretenden Secretes   vorzunehmen,   und  ist  auch  eine   solche  mit  constant 


213  Verhandlungen 

negativem  Befände  vorgenommene  Untersuchung  nur  von  relativem  Wert 
Allerdings  ist  der  Werth  solcher  Befunde  um  so  grösser,  je  öfter  * 
Untersuchung  vorgenommen  wurde. 

4.  Der  Werth  der  Gonococcenuntersuchungen  kann  noch  gest 
gfrt  werden,  wenn  nach  einer  künstlichen  Reizung  der  Haroröhr* 
Schleimhaut  £iterung  hervorgerufen,  und  dieser  Eiter  als  gonococcenf 

befunden  wird. 

5.  Dem   probeweise    mit   Vorsieh tsmassnahmen   ausgeübten   Goi 
kann,  auch  wenn  jede  Reaction   ausbleibt,    ein  entscheidender  Werth 
die  Beurtheilung  einer  definitiven   Heilung  einer   Urethritis   gouorrho 
nicht  zugesprochen  werden. 

6.  Unter  allen  Umständen  aber  ist,  bei  Entscheidung  der  Fra 
ob  die  Ehe  erlaubt  oder  nicht,  der  Arzt  zur  grössten  Vorsicht  verpflich 
und  ist  nach  meiner  Erfahrung  die  Prognose  auch  nach  Berücksichtig) 
der  obigen  Cautelen  nur  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  zu  stell 
eine  absolut  verbindliche  Aussprache  in  diesem  Sinne  aber  seitens 
Arztes  besser  abzulehnen. 

7.  Da  man  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  vermuthen  darf,  ( 
restirende  localisirte  virulente  Herde  im  Schleimhautgewebe  gelegent 
den  Ausgangspunkt  des  Wiederauflebens  lange  Zeit  latenter  Gonorrhc 
abgeben,  „und  da  insbesondere  die  Drüsen,  Lakunen  und  Grypten 
Bulbus  und  in  der  Pars  prostatica  diesbezüglich  suspect  sind,  wird  i 
leicht  mit  weiterer  Ausbildung  der  endoskopischen  Methoden  der  Un 
suchung  und  Behandlung  die  Möglichkeit  eines  gesicherteren  Urtl 
gegeben  sein,  und  erscheinen  mir  weitere  Versuche  in  genannter  Rieht 
wünschenswerth." 

Discussion:  Kfibner  dankt  Kopp  für  die  ruckhaltlose  Mitthei! 
seiner  Befunde  und  dessen  Zustimmung  zu  den  in  Berlin  herrschei 
Ansichten.  Schon  Bröse  habe  den  Werth  der  Entscheidung  di 
die  Abwesenheit  der  Coccen  derart  in  Zweifel  gezogen,  dass  er  sogar  ii 
tremer  Weise  diese  ganze  mikroskopische  Untersuchung,  als  im  Fall  des  Z 
fels  praktisch  werthlos,  nicht  mehr  vorzunehmen  erklärt  hat.  Auch  aus 
Untersuchungen  Kopp's  ginge  die  Unzulässigkeit  des  Schlusses,  auf  G 
noch  so  häufiger  negativer  mikroskopischer  Untersuchungen  Heilung 
den  Eheconsens  auszusprechen,  deutlich  hervor.  —  Ferner  schlägt  Kö  b 
die  Ersetzung  der  ganz  antiquirten  Bezeichnung  „Gonorrhoe"  d 
„Blennorrhagie'^  für  die  acuten  und  „Blennorrhoe**  für  die  chronis 
Formen  und  demgemäas  des  Wortes  „Gonococcus*'  durch  „Blennococcuä'' 

Pick  (Prag)  stimmt  der  Ausführung  Köbner's  über  die  Bezeich 
„Blennorrhoe^  zu,  die  in  seiner  Klinik  die  einzig  verwendete  sei. 
gegen  müsste  man  die  Benennung  der  Coccen  dem  Entdecker  derse 
Neisser,  ganz  allein  überlassen.  Was  die  ferneren  Aasführ i 
Kö  b n e  r's  betrifit,  su  hat  derselbe  mehr  aus  K o p  p^s  Mittheilungen  he 
gelesen,  als  dieser  wollte.  Kopp  war  früher  Optimist  und  ist  Pessim 
Bezug  auf  die  Prognose  der  Gonorrhoe  geworden;  die  Schlüsse  Köb 
in  Bezug  auf  die  Verlässlichkeit  der  Untersuchung  auf  Gonococcen  j 


d.  Yersamml.  deutscher  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     HQ 

aber  zu  weit,  da  er  die  Bedeutung  derselben  yollkommen  leugnet.  Wer  die 
Gonococcen  als  die  pathogenen  Erreger  der  Gonorrhoe  anerkennt,  darf 
auch  auf  die  Untersuchung  derselben  nicht  verzichten,  ebensowenig,  wie 
man  die  Untersuchung  auf  Tuberkelbacillen  bei  Tuberkulose  unterlassen 
wird,  weil  sie  häufig  negative  Kesultate  liefert. 

Kopp  ist  mit  dem  von  Prof.  Pick  Gesagten  vollkommen  einver- 
standen und  verwahrt  sich  entschieden  dagegen,  dass  seine  Arbeit  als 
eine  Bestätigung  der  Arbeiten  Bröse's  aufgefasst  werde,  gegen  die  er 
sich  durchaus  ablehnend  verhalte.  Er  halte  nur  nach  seinen  jetzigen  Er- 
fahrungen die  Prognose  der  Gonorrhoe  für  weniger  günstig  und  die  Go- 
nococcenuntersuchung  nicht  für  absolut  ausschlaggebend. 

3.  Sitzung.    Dienstag,  den  12.  Septemoer  1893.  Nachm.  3  Uhr. 

Gemeinsame  Sitzung  der  Abtheilangen  für  Dermatologie  und 

Laryngologie. 

1.  y,Die  Syphilis  der  oberen  Luftwege." 

Referent  Seifert  (Würzburg)  behandelt  die  klinische  Seite  der  Frage, 
während  der  Gorreferent  (Jarasz)  die  Besprechung  der  Trachealsyphilis 
und  der  Therapie  übernommen  hat. 

Die  Nase  und  ihre  Höhlen  wird  ziemlich  häufig  von  Syphilis 
ergriffen,  selten  freilich  von  primärer.  S.  hat  27  Fälle  von  Schanker  der 
Nase  aus  der  Literatur  zusammenstellen  können:  meist  sass  derselbe  am 
Nasenflügel,  einige  Male  im  Naseninnem,  am  seltensten  am  Septum. 
Die  Drüsensohwellung  betrifft  dabei  die  entsprechende  Submaxillardrüse 
und  die  am  Ohr  gelegene  Lymphdrüse. 

Weit  häufiger  finden  sich  die  Frühformen  der  constitutionellenSyphilis. 
Der  luetische  Catarrh  wird  freilich  oft  übersehen  und  unterscheidet  sich 
nur  wenig  von  dem  einfachen  acuten  Nasencatarrh.  Zur  Unterscheidung 
kann  dienen,  dass  er  nicht  so  stürmisch  einsetzt  wie  dieser,  dass  hie 
und  da,  besonders  an  der  Septumfiäche,  erythematöse  Flecke  auftreten, 
auf  denen  sich  manchmal  Papeln  entwickeln,  dass  es  bei  reichlicher 
eitriger  Secretion  leicht  zur  Zersetzung  des  Secretes  kommt. 

Das  papulöse  Exanthem  scheint  die  Nase  selten  zu  befallen  oder 
wird  häufig  übersehen  S.  hat  bei  seinem  ziemlich  reichlichen  Material 
nie  wohlausgebildete  Condylome  im  Innern  der  Nase  gesehen,  wohl  dagegen 
Plaques  an  den  Naseneingängen  und  zwar  meist  in  Fällen,  bei  denen  das 
äussere  Integnment  der  Nase  von  einem  acneartigen  Syphilid  befallen  war. 

Am  häufigsten  kommen  an  der  Nase  vor  und  am  besten  bekannt 
sind  die  Spätformen.  Ihre  grösste  Häufigkeit  fällt  in  das  erste  bis  dritte 
Jahr  nach  der  Infection.  Schon  an  der  Aussenwand  und  besonders  an  der 
Innenseite  der  Nasenflügel  sind  sie  nicht  zu  selten,  und  S.  hat  selbst 
mehrere  solche  Fälle  beobachtet.  Sie  haben  manchmal  grosse  Aehnlichkeit 
mit  Lupus  oder  mit  Epitheliom,  so  dass  erst  der  Verlauf  unter  einer 
specifischen  Cur  die  Diagnose  sichert.  Auch  Mischformen  von  Syphilis  und 
Tuberculose  sowie  Lupus,  von  Lopra  und  Syphilis  kommen  vor,  ferner 
Carcinombildung   auf  syphilitischen   Geschwüren    resp.   Narben.   —   Die 


120  Verhandlungen 

irummöse  Erkrankung  im  Innern  der  Nase  fuhrt  in  der  Begel  zum  Zerfall 
Es  kommt  fast  immer  zur  Knochen  oder  Knorpelnekrose ;  oft  greift  de 
Process  auf  die  Nachbarschaft  über.  Muscheln  und  Septum  oBseur 
erkranken  nahezu  gleich  häufig,  etwas  häufiger  wohl  noch  das  Septun 
Die  am  öftersten  beobachtete  Entstellung  ist  die  sog.  Sattelnase.  Doc 
ist  diese  nicht  stets  auf  Lues  zurückzuführen,  sondern  wird  zuweile 
beobachtet  nach  Phlegmonen  des  Zellgewebes  des  Nasenrückens  sowi 
nach  in  den  ersten  Lebensjahren  sich  entwickelnder  Rhinitis  atroph,  foetid: 

Geschwüre  des  Nasenseptuma  besitzen  meist  eine  longitudinale  Fern 
präsentiren  sich  als  Furchen.  Dadurch  imter»cheiden  sie  sich  von  de 
tubercnlösen  Geschwüren,  die  von  rundlicher  oder  anregelmässiger  For 
sind.  Ausserdem  kommt  für  die  Differentialdiagnose  natürlich  noch  i 
Betracht  die  histologische  Untersuchung  herausgekratzter  Partien. 

Im  Nasenrachenraum  wird  der  Primäreffect  nur  sehr  seltc 
beobachtet,  bisher  nur  m  14  Fällen,  und  zwar  war  die  Infectiou  ste 
durch  einen  Tnbencatheter  vermittelt  worden.  Die  Frühformen  d 
constitutionellen  Syphilis  kommen  im  Nasenrachenraum  häufig  genug  vc 
werden  aber  ebenso  häufig  übersehen.  Ausser  dem  —  seltenen  —  Erythe 
kommen  ulcerirte  Papeln  vor,  theils  mit  theils  ohne  solche  in  Nase  ui 
in  der  Mundrachenhöhle.  Die  pharyngo -nasalen  Gummen  treten  meist 
der  Zeit  von  8 — 15  Jahren  post  infectionem  auf;  sie  finden  sich  auch  l 
der  hereditären  Syphilis  und  zwar  auch  bei  der  tardiven  Form.  Prädilectioz 
sitz  für  die  Spätformen  sind  weicher  Gaumen,  Plica  salpingo-pharyngi 
hintere  Rachen  wand,  seltener  sind  sie  am  Septum  und  Nasendach  u 
in  der  Umgebung  der  Tubenmündungen.  Meist  kommen  erst  die  vor^ 
Bohrittenen  Stadien  zu  klinischer  Beobachtung.  Difierentialdiagnostu 
ist  wohl  nur  die  Tuberculose  in  Betracht  zu  ziehen.  Doch  greifen  tub 
culöse  Geschwüre  nie  so  sehr  in  die  Tiefe  und  besitzen  einen  atoniscl: 
Charakter,  während  die  syphilitischen  sich  als  tiefe,  unförmliche,  schmutz 
Geschwüre  präsentiren. 

Der  Rachen  ist  verhältnissmässig  häufig  der  Sitz   eines  Prim 
affectes.     S.  hat  179  Fälle  zusammenstellen  können,   von  denen  132 
die  Zeit  vom   1.  April   1888  bis  1.  Juli   1893   treffen.    Die  Sklerose    & 
52mal  auf  der  rechten,  23mal  auf  der  lioken  Tonsille,  beide   Tonsil 
waren  12mal  befallen,  bei  62  Fällen  findet  sich  nur  die  Tonsille,    ol 
nähere  Bezeichnung,  ob  rechte  oder  links,  als  Sitz  der  Infection  angegeb 
in  24  Fällen  die  Fances,  in  zwei  Fällen  die  hintere  Rachenwand,  in  z 
Fällen  der  weiche  Gaumen,  in  zwei  Fällen  der  Arcus  palato-glossus. 
Symptome:    Unbehagen  beim  Schl..cken,  mitunter  Schmerz,   der  sich 
Druck   auf  die  Umgebung  des   Schankers   steigert.    Die  Geschwüre 
immer  mit  speckigem,  graulich- braunem  Belag,  die  Ränder  der  Geschw 
uneben,  hart,  zickzackförmig,  zuweilen  als  starke  Ringe  anzufühlen. 
Submaxillar-   und  Maxillardrüsen  angeschwollen  und  verhärtet.     An^ 
syphilitica  und  Rachenpapeln  werden,    weil    ja  allgemein  bekannt, 
kurz  gestreift.  —  Gummata  entwickeln  sich  häufig  an  Tonsillen  iwic 
hinterer  Rachenwand.     Erstere    sind  dann  geschwellt,    uneben   höcl 


d.  VerBamm].  deutscher  Natarforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     121 

es  bilden  sich  tiefe  kraterförmige  Geschwüre,  die  weit  um  sich 
greifen  und  narbige  Stenosen  des  Pharynx  bedingen  können.  An  der 
hinteren  Rachenwand  beobachtet  man  sowohl  grössere  Gnmmata,  die  zu 
iörmlichen  Tumoren  anwachsen  können,  die  schmerzlos  sich  entwickeln 
oder  Schwellungen  an  der  seitlichen  Rachenwand,  die  einfachen  hyper- 
trophischen Schwellungen  sehr  ähnlich  sind.  Differentialdiagnose  gegen- 
über Tuberculose  und  Lupus  oft  nur  durch  mikroskopische  Untersuchung 
oder  ex  juvantibus  zu  stellen. 

Ueber  die  Häufigkeit  der  Eehlkopfsyphilis  schwanken  die 
Daten  sehr  beträchtlich.  Sie  dürfte  etwa  3 — 4%  der  vorkommenden  Kehl- 
kopfkrankheiten  betragen.  Die  meisten  Falle  treffen  auf  das  Alter 
von  20 — iO  Jahren,  während  sie  im  Kindesalter  sehr  selten  ist.  Primär- 
»ffection  ist  im  Larynx  nicht  beobachtet  worden.  Die  verschiedenen 
Formen,  unter  denen  die  Syphilis  im  Kehlkopf  auftritt,  sind  nach  laryngo- 
logischer  Eintheilung:  Gatarrh,  Papeln,  Infiltrate,  Gammata,  Geschwüre, 
Perichondritis  und  Narben. 

Der  syphilitische  Gatarrh  befallt  seltener  den  ganzen  Kehlkopf  als 
einzelne  Theile  desselben,  insbesondere  Kehldeckel  und  Stimmbänder 
mit  Röthung  und  leichter  Anschwellung.  Manchmal  kommt  es  zu  Ero- 
sionen an  der  Epiglottis,  an  den  Stimmbändern  oder  auf  der  Höhe  der 
Aryknorpel. 

Die  Papeln  des  Larynx  sind  auffallend  selten;  sie  erscheinen  als 
bis  über  linsengrosse  runde  oder  länglichrunde,  wenig  erhabene  Flecken, 
die  grauweiss  erscheinen,  meist  von  einem  schmalen  hyperämischen  Hofe 
umgeben  sind.    Selten  kommt  es  zur  Geschwürsbildung. 

Die  Infiltration  kommt  an  allen  Stellen  des  Kehlkopfes  vor.  Bei 
Localisation  auf  Kehldeckel  und  Seitenwände,  auch  bei  der  auf  die  Gegend 
des  Aryknorpel s  können  hochgradige  Stenosen  entstehen.  Auch  die 
Infiltration  der  Stimmbänder  bann  schwere  respinatorische  Störungen 
machen.  Auch  die  Gummata  können  sich  an  den  verschiedensten  Stellen 
des  Kehlkopfes  entwickeln.  In  einzelnen  Fällen  bilden  sie  sich  zu  form- 
lichen Tumoren  aus.  Sie  zeichnen  sich  ebenso  wie  die  lufiitrate  durch 
ihre  grosse  Neigung  zum  Zerfall  aus. 

Die  Geschwüre  finden  sich  am  häufigsten  an  der  Epiglottis,  aber 
auch  an  allen  anderen  Stellen  des  Kehlkopfes.  Sie  zeigen  infiltrirten  Rand, 
sind  scharf  ausgeschnitteo,  der  Grund  belegt  oder  rothgrau  granulirend; 
in  ihrer  Umgebung  zuweilen  entzündliches  Oedem.  Die  Zerstörungen,  die 
sie  herbeifuhren,  sind  oft  recht  erheblicher  Natur. 

Die  Differentialdiagnose  zwischen  tuberculösen,  lupösen,  typhösen 
und  carcinomatösen  Geschwüren  kann  in  der  Regel  nur  durch  den  klinischen 
Nachweis  der  Syphilis  oder  den  Ausschluss  anderer  Grundkrankheiten 
gestellt  werden.  Am  schwierigsten  ist  die  Unterscheidung  zwischen  tuber- 
culösen und  syphilitischen  Geschwüren,  zumal  Gombinationen  beider 
Pk'ocesse  im  Kehlkopfe  vorkommen. 

Die  Perichondritis  kann  primär  entstehen,  meist  ist  sie  Folge  der 
n  die  Tiefe  vordringenden  Ulcerationen.    Sie  führt  nicht  nur  durch  sich 


122  Verhandlungen 

selbst  grosse  Gefahren  herbei,  sie  kann  auch  durch  entzündliche  Reizung 
und  collaterales  Oedem  Laryngosienose  bewirken. 

Die  durch  die  Narben  hervorgerufenen  Störungeu  entsprechen 
deren  Sitz  und  Ausdehnung.  Von  besonderem  Interesse  sind  jene  Narben- 
bilduDgen,  welche  iu  Form  von  Membranen  eine  Stenose  des  Kehlkopfes 
bedingen  und  dereu  etwa  IJO  Fälle  bekannt  sind. 

Correferent  Jurasz  (Heidelberg).  Die  Syphilis  der  Trachea  ist  bei 
weitem  nicht  so  häufig,  wie  die  der  Nase,  des  Rachens,  des  Kehlkopfs; 
sie  dürfte  nur  etwa  0.25 7o  ^^^^^  Fälle  von  Syphilis  der  Halsorgane  be- 
tragen (Morell  Mackenzie). 

£in  Primäraffect  der  Trachea  ist  natürlich  nie  beobachtet  worden. 

Von  den  Frühformen  ist  die  häufigste  der  Catarrh;  er  trägt  hier 
ebensowenig  wie  der  syphilitische  Catarrh  des  Kehlkopfs  etc.  ein  spe- 
cifisches  Gepräge  an  sich.  Von  Papeln  der  Trachea  sind  nur  5  Fälle  bekannt. 

Wichtiger  sind  die  schweren,  die  Spätformen  der  Trachealsyphilis, 
insbeeondere  die  häufigste,  das  diffuse  Syphilom,  eine  ausgedehnte,  meist 
nur  die  unteren  Abschnitte  des  Traobealrohrs  einnehmende  Flächeninfil- 
tration  mit  reichlicher  Gewebsneubilduug.  Die  Schleimhaut  in  grossem 
Umfange  verdickt,  stellenweise  hart  und  derb,  mit  Papillen,  Knötchen, 
Falten  und  Leisten  besetzt.  Selbstverständlich  resultirt  eine  diffuse 
Stenose  des  Tracheallumens.  Beispiele  des  viel  selteneren  circumscripten 
Syphiloms,  des  Trachealgumma,  haben  Zeissl  und  Mois sonnet  be- 
schrieben. Beide  Formen,  die  diffuse  wie  die  circumscripte,  gehen  in  der 
Regel  in  Ulceration  über.  Diese  beginnt  meist  auf  der  Oberfläche;  doch 
kann  der  Gewebszerfall  auch  in  der  Tiefe  seinen  Anfang  nehmen,  zumal 
an  den  Trachealknorpeln.  Die  Geschwüre  können  nicht  nur  die  ganze 
Trachealwand  zerstören,  sondern  selbst  in  die  benachbarten  Organe  ein- 
dringen. Sofort  letal  enden  natürlich  die  Fälle,  bei  denen  es  zur  Ver- 
letzung der  grossen  Blutgefässe  (Arteria  pulmonalis,  Arcus  aortae,  Vena 
Cava)  gekommen  ist.  Häufig  bleiben  nach  Abheilung  der  Geschwüre  be- 
trächtliche Stricturen  zurück. 

Die  Diagnose  bietet  oft  grosse  Schwierigkeiten  und  ist  mit  Sicher- 
heit nur  auf  Grund  der  Tracheoskopie  zu  stellen.  Die  Trachealsyphilis 
kann,  wenn  im  Anfangsstadium  in  Behandlung  gekommen,  vollständig  aus- 
heilen. Gewöhnlich  gehen  indess  die  Kranken  bei  lange  andauernder  Dyspnoe 
an  Entkräftung  zu  Grunde  oder  an  einer  intercurrenten  Pneumonie. 

Die  Behandlung  der  syphilitischen  Affectionen  der  oberen  Luftwege 
hat  natürlich  vor  allem  durch  constitutionell  wirkende,  antidyskrasische 
Mittel  zu  geschehen.  Die  Frage,  ob  daneben  noch  die  locale  Behandlung 
nothwendig  ist,  wird  von  den  Meisten  bejaht.  J.  ist  mit  Türe k,  Mond  1, 
y  o  1 1  o  1 1  n  i  der  Ansicht,  dass  die  Localtherapie  im  allgemeinen  entbehrlich 
ist.  Nothwendig,  ja  die  Hauptsache  ist  sie  in  der  Behandlung  der  Ver- 
wachsungen, Stenosen,  Defecte,  die  nach  den  Abheilungen  der  Infllti*ate, 
Geschwüre,  der  perichondritischen  und  periostitischen  Prooesse  und  Ne- 
crosen  zurückgeblieben  sind  und  die  Functionen  der  Organe  oft  sehr  stark 
beeinträchtigen.    Hier  hat  die  rhinologisch-  laryngologische  Specialität 


(1.  Versamml.  dentscher  Natarforscher  n.  Aerzte  in  Nürnberg.     123 

durch  Ausbildung  moderner  Operationsmethoden  sich  unstreitig  sehr  be- 
deutende Verdienste  erworben.  Instructive  Krankengeschichten  veran- 
schaulichen diese  Methoden.  Doch  bieten  dieselben  ein  zu  speciell  laryn- 
gologisches  Interesse,  so  dass  sich  ein  Referat  über  dieselben  hier  erübrigt. 

Discussion:  KÖbner  demonstrirt  mikroskopische  Präparate  von 
einem  condylomartigen  kleinen  Tumor  der  Trachea  einer  syphilitischen  Frau. 
Man  sieht  nächst  der  partiellen  Necrose  des  Epithels  eine  dichte,  die  ganze 
Mncosa  und  Submucosa  bis  auf  den  Knorpel  durchsetzende  Zelleninfiltration. 

Schech  (München)  beobachtete  5  Fälle  schwerer  Trachealsyphilis, 
speciell  der  Bifurcation.  3  Fälle  verliefen  letal,  2  endeten  in  Genesung.  So 
lange  noch  kein  Zufall  vorhanden  ist,  ist  die  Prognose  gut,  andernfalls 
absolut  schlecht.  In  dem  zuletzt  beobachteten  Falle  bestand  eine  nahezu 
völlige  Verwachsung  des  rechten  Bronchus  und  eine  Pericondritis  und 
Verengerung  des  linken  Bronchus;  die  Afiection  war  29  Jahre  nach  der 
Infection  aufgetreten. 

Fischenich  (Wiesbaden)  betont  J  urasz  gegenüber  den  grossen  Vortheil 
der  gleichzeitigen  localen  Therapie.  Die  subjectiven  Symptome  verschwinden 
dabei  viel  schneller.  In  einzelnen  Fällen  von  ulcerirteu  Plaques  des  Nasen- 
rachenraumes, in  denen  das  die  Patienten  am  meisten  belästigende  Symptom 
der  hauptsächlich  im  Hinterkopf  localisirte  Kopfschmerz  bildet,  kann  der- 
selbe trotz  energischer  Schmiercur  fortbestehen,  während  geeignete  locale 
Behandlung  —  Einblasung  von  Calomel  —  Cocain  —  ihn  rasch  beseitigt. 

Barth.  In  Folge  von  Reizen  scheinen  bei  latenter  Syphilis  leicht 
frische  Erkrankungen  in  den  oberen  Luftwegen  einzutreten.  B.  hat  drei 
Fälle  beobachtet,  wo  sich,  in  einem  nach  der  Diphtherie  au  der  hinteren 
Hachenwand,  in  den  beiden  anderen  nach  Cauterisation  der  unteren 
Xasenmuschel,  direct  syphilitische  Ulcerationen  anschlössen,  die  unter 
Jodkali  bald  heilten. 

Schuster  ^.Aachen)  befürwortet  insbesondere  für  die  ulcerativeu,  zer- 
störenden Formen  der  Nasenhöhlensyphilis  sehr  warm  eine  sorgfältige 
örtliche  Behandlung  neben  der  allgemeinen. 

2.  Köbner.  Unterstützung  von  Aetzwirkungen  aui 
Schleimhäuten  durch  Abänderungen  physiologischer  Se- 
cretionen. 

K  hat  bei  Aetzungen  der  Mund-  und  anderseits  der  Harnröhren- 
schleimhant  mit  Nutzen  ein  therapeutisches  Princip  erprobt,  welches  gewiss 
allgemeinerer  Auwendung  fähig  ist.  Er  hat  in  zweierlei  Weise  die  Wirkungen 
von  Aetzmitteln  aui  Schleimhäute  zu  imterstützen  gesucht:  einmal 
quantitativ  durch  Verminderung  des  Secrets,  zweitens  durch  qua- 
litative, chemische  Veränderung  des  Secrets. 

Wunden  der  Mundschleimhaut  bei  Leukoplakie,  welche  mit 
Chrom  säure  oder  Abrasio  mucosae  oder  dem  Thermokautei*  behandelt 
worden  waren,  heilten  oft  sehr  schwer  dadurch,  dass  reichliche  Speichel- 
secretion  die  gesetzten  Schorfe  hin  wegschwemmte.  Um  für  den  Aetzschorf 
eine  längere  Adhäsionsfähigkeit  zu  erzielen,  liess  K.  30  bis  40  Minuten 
vor  jeder    Aetzung    20  Tropfen    einer   2Voigen  Lösung  von  Extractum 


124  Verhandlungen 

Belladonnae  einnehmen  und  nach  2 — 3  Stunden  wiederholen.  Das  Mittel 
hatte  den  gewünschten  Erfolg,  die  Geschwüre  heilten  rascher  and  die 
Patienten  waren  von  der  lästigen  Salivation  befreit. 

Für  die  zur  Heilung  der  alten  Urethritis  postica  unentbehrlichen 
Lapisinjectionen  (mittelst  Gnyon'schen  oder  Ultzmann sehen  In- 
struments) suchte  K.  die  Schmerzen  beim  Harnlassen  und  den  Tenesmus 
vcsicae  durch  qualitative  Veränderung  des  Harns  zu  lindern.  £r  erreichte 
dies,  indem  er  %  bis  *\  Stunden  vor  der  Injection  Va  bis  1  Theelöflfel 
Katr.  bicarbon.  (in  Wasser)  einnehmen  Hess.  Durch  die  so  bewirkte 
Alkalescenz  des  Harns  traten  jene  Beschwerden  nicht  mehr  auf. 

4.  Sitzung.  Mittwoch,  den  13.  September  1893,  Nachmittag  2%  Uhr. 

1.  Neuberger (Nürnberg).  Vorstellung  eines  Falls  von  Lues 
maligna. 

Schwächlicher  anämischer,  29jähriger  Mann.  Anfang  Januar  1893 
Sklerose ,  die  recht  schnell  gangränescirte ,  bald  von  Roseola  ge- 
folgt war  und  im  Verlauf  einer  Injectionscur  mit  Ilydrargyr.  salicylic.  ver- 
narbte. Nunmehr  aber  traten  papulöse  Efflorescenzen  auf,  die  bald 
ulcerirten.  Die  Ulcerationen  nahmen  trotz  Quecksilberbebandlung  zu. 
Patient  wird  in  N.'s  Klinik  aufgenommen  und  durch  Einnehmen  von 
Jodkaliuro,  subcutane  Europheninjectionen,  locale  Application  einer 
öVoigen  Europhensalbe  in  9  Tageu  geheilt.  Seitdem  von  Zeit  zu  Zeit 
Recidive,  stets  in  Form  kleinerer  und  grösserer  Ulcerationen.  N.  demon- 
strirt  die  zahlreichen  Narben  und  zwei  grosse,  vor  etwa  14  Tagen  auf- 
getretene Gummata  auf  der  linken  Planta  pedis. 

N.  rühmt  besonders  den  Erfolg  der  Europhensalbe  und  der  Euro- 
pheninjectionen. 

2.  Neuberger.  Vorstellung  eines  Falles  von  Dermatitis 
herpetiformis. 

Patient  ist  seit  5  Jahren  mit  einem  juckenden,  in  unregelmässigen 
Intervallen  sich  wiederholenden,  in  Gestalt  kleiner,  gruppirt  angeordneter 
Bläschen  auftretenden  Hautausschlage  behaftet.  Als  Patient  vor  einem 
Jahre  in  die  Behandlung  des  Vortragenden  trat,  war  die  Eruption  eine 
sehr  hochgradige.  Durch  interne  Arsendarreichung  und  Anwendung  von 
lOVoig^^  Salicylpasta  wurde  in  kurzer  Zeit  wesentliche  Besserung  erzielt. 
Besonders  günstigen  Erfolg  scheinen  auch  die  im  warmen  Wasserbade 
vorgenommenen  Theerabpinselungen  zu  haben. 

Patient  hat  seitdem  nur  ganz  selten  und  nur  geringgradige  Reci- 
dive gehabt.  Zur  Zeit  besteht  ein  srJches:  verschiedene  neu  aufgetretene 
Efflorescenzen,  speciell  am  Halse  in  Gruppenform  sichtbar;  ausserdem 
als  Reste  der  frühereu  Eruptionen  zahlreiche  Pigmentirungen. 

3.  Neuberger.  Fall  von  Trophoneurosis  buUoso-gan- 
graenosa. 

18jähriges  anämisches  Mädchen,  das  sich  vor  etwa  einem  Viertel- 
jahre auf  der  Beugeseite  des  rechten  Vorderarmes  vermittelst  einer  Glas- 
scheibe  eine  Verletzung  zuzog.    An  Stelle  der  Verletzung  jetzt  eine  oa. 


d.  Versamml.  deutscher  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     125 

4  Cm.  lange,  1  Cm.  breite  derbe  Narbe,  neben  derselben  nach  aussen 
eine  taubeneigrosse  Vorwölbuug,  die  auf  Druck  schmerzhaft  ist,  und  den 
Eindruck  eines  Neuroms  macht.  £s  handelt  sich  um  eine  Verletzung 
des  Nervus  medianus,  durch  welche  die  2.  und  3.  Phalangen  des  Zeige- 
und  Mittelfingers  auf  der  Yolarseite  und  die  £ndphalangen  derselben 
Finger  auf  der  Dorsalseite  völlig  anästhetisch  wurden.  An  den  anästbe- 
tischen  Stellen  treten  von  Zeit  zu  Zeit  Blasen  auf.  Der  luhalt  der 
Blasen  wird  bald  eitrig,  der  Blaseugrund  gangränös,  nach  einiger  Zeit 
tritt  HeiluDg  ein.  Die  letzte  Eruption,  die  4.,  trat  vor  ca.  14  Tagen 
auf  und  war  bisher  die  stürmischste.  Zum  Schluss  geht  N.  auf  die  ver- 
wandte Literatur  ein,  speciell  auf  den  von  Kaposi  unter  der  Bezeichnung 
Pemphigus  neurotico-traumaticus  geschilderten  Fall. 

4.  Galewsky  (Dresden).  Liehen  ruber  und  Pityriasis 
pilaris. 

G.  demonstrirt  Photographien  und  Mikrophotographien  sowie  mikro- 
skopische Präparate  seiner  beiden  Fälle  von  Pityriasis  rubra  pilaris  und 
eines  jüngst  beobachteteu  Falles  von  acutem  Liehen  ruber,  der  primär 
und  perifolliculär  entstand,  also  Gelegenheit  bot  zur  Yergleichung  der 
perifoliiculären  Knötchen  beider  Krankheiten.  Eingehende  mikroskopische 
Untersuchung  führt  G.  zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Das  Lichen-ruber-Knötchen  hat  seine  Entstehung  in  der  Cutis, 
während  der  ganzen  Dauer  der  Erkrankung  besteht  starke  kleinzellige 
Infiltration  im  Corium,  während  und  nach  der  Abheilung  tritt  dafür 
sehr  starkes  Pigment  auf.  Das  Pityriasis-r.-p.-Knötchen  ist  bedingt  vor- 
nehmlich durch  eine  Hyperkeratose  ausgehend  vom  Follikel.  Es  besteht 
nur  eine   geringe,  kaum   über   das   Normale    hinausgehende   Infiltration. 

2.  Das  Lichen-ruber-Knötchen  sitzt  also  fest  im  Corium  und  ist 
infolge  dessen  nicht  abkratzbar,  das  Pityriasis-r.-p.-Knötchen  gemäss 
seiner  Zusammensetzung  aus  Hornmassen  ist  abkratzbar. 

3.  Das  Lichen-ruber-Knötchen  ist  entsprechend  seiner  Entstehung 
durch  kleinzellige  Infiltration  primär  mehr  miliar  als  acuminirt,  es  wird 
erst  acuminirt,  wenn  die  secundäre  Hyperkeratose  hinzutritt.  Das  Pity- 
riasis-r.-p.-Knötchen ist  stets  acuminirt,  entsprechend  seinem  Entstehen 
durch  Hyperkeratose. 

ö.  Sitzung.  Donnerstag,  den  14.  September  1893.  Vorm.  9  Uhr. 

Saalfeld  (Berlin).  Bakteriologische  Untersuchungen  über 
Losophan. 

Angeregt  durch  die  günstige  therapeutische  Wirkung  des  Losophans 
hat  S.  dasselbe  bakteriologischer  Prüfung  unterzogen.  Die  mit  einer  17oigen 
Spirituosen  Lösung  an  mit  Culturen  imprägnirten  Seidenfaden,  theils  auch 
an  isolirten  Reinculturen  (letzteres  bei  Trichophyton  t.  und  Achorion 
Schönleinii)  unternommenen  Versuche  ergaben  ausserordentlich  günstige 
Resultate,  von  denen  S.  zunächst  als  besonders  wichtig  hervorhebt,  dass 
Trichophyton  tonsurans  und  Achorion  Schönleinii  in  30  Secunden  abge- 
tödtet  wurden. 


126  Verhandlungen 

Auf  Wunsch  des  Vorsitzenden  theilt  S.  noch  kurz  seine  therapeu- 
tischen Erfahrungen  über  Losophan  mit,  die  bereits  in  extenso  publicirt 
sind.  (Therapeut.  Monatshefte  1892  Nr.  X.) 

Discussion:  Behrend.  Die  bisherigen  Behandlungsmethoden  der 
Pityriasis  versicolor  gaben  meist  nur  vorübergehend  günstige  Resultate 
einmal  weil  stets  noch  Pilzelemente,  namontlich  in  den  Infundibulis  der 
Haarbälge  zurückbleiben,  dann  weil  häufig  viele  Flecken  so  blass  sind, 
dass  sie  übersehen  werden.  Nur  das  Chrysarobin  und  die  Jodtiactur 
leisten  gerade  auch  mit  Rucksicht  auf  diese  beiden  Punkte  befriedigendes. 
Ihre  nachtheiligen  Nebenwirkungen  sind  aber  dabei  so  bedeutend,  dass 
es  mit  Freuden  zu  begrussen  wäre,  w*enn  wir  im  Losophan  ein  Mittel 
erhielten,  welches  ihre  Leistungsfähigkeit,  aber  nicht  ihre  unangenehmen 
Nebenwirkungen  theilte. 

Jessner  (Königsberg)  fragt,  wie  lange  die  Behandlung  des  Herpes 
tonsurans  an  unbehaarten  Stellen  mit  Losophan  dauert,  und  ob  dieselbe 
schneller  ist  als  mit  den  alten  Mitteln  wie  Ungt.  Wilkinsoni  u.  a.  Man 
muss  in  der  heutigen  Zeit,  in  der  die  Chemiker  mit  ihren  Präparaten 
die  Medicin  förmlich  überfluthen,  in  der  so  viele  Präparate,  von  denen 
die  besten  Resultate  zuerst  gemeldet  sind,  bald  der  verdienten  Vergessen- 
heit anheimfallen,  die  grösste  Skepsis  an  den  Tag  legen,  stets  prüfen,  ob 
dieselben  Vorzüge  vor  den  älteren  haben. 

Saalfeld  möchte  auf  die  Frage  J  e  s  s  n  e  r's  über  die  Behandlungsdauer 
des  Herpes  tonsurans  eine  bestimmte  Antwort  nicht  geben,  doch  hebt 
er  die  günstigen  Resultate  gegenüber  allen  sonst  gebräuchlichen  Mitteln 
hervor,  die  in  einzelnen  Fällen  durch  Controlversuche  beim  selben  Patienten 
an  verschiedenen  analogen  Stellen  sehr  klar  demonstrirt  werden  konnten. 

2.  Galewsky.  lieber  Naevus  verrucosus  linearis  entspre- 
chend dem  Verlaufe  der  Grenzlinien  von  Voigt. 

Der  fragliche  Naevus  erstreckt  sich,  wie  sich  aus  der  vorgelegten 
Photographie  ergibt,  von  der  Leistengegend  längs  der  inneren  Seite  des 
Femur  bis  zum  Kniegelenk. 

Es  handelt  sich  in  G.^s  Falle  um  eine  seit  der  Geburt  bestehende 
Affection,  welche  durch  ihren  Juckreiz  und  die  dadurch  entstandene 
arteficielle  Dermatitis  des  jetzt  6jährigen  Kindes  sehr  hinderlich  wurde. 
Die  Affection  heilte  unter  Deckverbänden  ab,  der  Juckreiz  schwand, 
kehrte  aber  stets  wieder,  sowie  der  Allgemeinzustand  des  Kindes  darnieder- 
lag  (z.  B.  einmal  nach  Scharlach).  G.  erklärt  im  Anschluss  an  die  mikro- 
skopische Demonstration  die  Erkrankung  für  eine  partielle  Ichthyosis 
hystrix,  entsprechend  den  Anschauungen  Philippsons. 

Discussion:  Saalfeld  erwähnt  zwei  von  ihm  beobachtete  Fälle  von 
sog.  Nervennävus,  von  denen  der  eine  für,  der  andere  gegen  die  aus- 
schliesslich neurotische  Natur  der  Aftection  spricht,  so  dass  S.  räth,  vor- 
läufig für  die  noch  vielfach  dunkle  Erkrankung  eine  vermittelnde  Stellung 
einzunehmen. 

3.  Beckh.  Aneur3'sma  syphiliticum. 


d.  Versamml.  deutscher  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     127 

B.   stellt   aus  seiner  Privatpraxis  einen  26jährigen  Arbeiter    vor 
mit  einer  bandtellergross  über  den  rechten  Brustbeinraiid  sich  erstrecken- 
den, deutlich  pulsirenden  Geschwulst,  welche  unzweifelhaft  ein  Aneurysma 
des  Arcus  aortae  und  der  Aorta  descendens  ist.  Dasselbe  entvrickelte  sich 
Tor  2'/,  Jahren  unter  neuralgischen  Schmerzen  in  der  rechten  Oberarm- 
und  Schultergegend  und  machte  bald  den  Kranken  wegen  heftiger  Schmer- 
zen und  Dyspnoe  vollständig  arbeitsunfähig.  Trotz  absoluter  Bettruhe  und 
Gebrauch   des   Eisbeutels   wuchs   die   Geschwulst,   hob   den   aufgelegten 
Finger   und  spitzte  sich  in  der  Mitte  konisch  zu.     Anamnestisch  sprach 
nichts  für  Syphilis,  doch  fand  sich  am  Hodensack  eine  ausgedehnte  Leuko- 
dennie  mit  dunklen  Pig^enträndem,  welcher  ein  Blasenausschlag  voraus- 
gegangen sein  soll.    Femer  hatte  B.  eins  der  Kinder  des  Pat.    an  einer 
suspeeten   Knochenauftreibung    behandelt,    die   auf  Jodkali   vollständig 
heilte,  und  ein  anderes  Kind  zeigte  nach  der  Untersuchung  eines  Augen- 
arztes luetische  Yeränderungen  der  Netzhaut.  Frau  und  5  andere  Kinder 
gesund.  Am  meisten  für  den  syphilitischen  Ursprung  des  Aneurysma  aber 
spricht,   dass  es  unter  IV4  Jalir  lang  consequent  durchgeführter  Jodkali- 
cur  sich  bedeutend  zurückbildete.  Pat.  ist  jetzt  seit  über  1  Jahr  bei  zeit- 
weiligem Jodkaligebrauch  wieder  arbeitsfähig.    Die  Geschwulst  hat  sich 
beträchtlich  abgeflacht;  der  Finger  fühlt  zwar,  soweit  die  Dämpfung  geht, 
deutlich  die  Pulsation,  wird  aber  nicht  mehr  gehoben. 

Discussion:  Kollmann  erwähnt  einen  ähnlichen  Fall,  den  er  vor 
ca.  10  Jahren  in  hausärztlicher  Praxis  sah.  Auch  hier  bestand  Verdacht  auf 
vorausgegangene  Lues,  ohne  dass  diese  sicher  nachzuweisen  gewesen  wäre. 
Auf  Jodkali  gingen  ebenfalls  die  Beschwerden  zunächst  merklich  zurück. 

4.  Epstein.  Ueber  das  Vorkommen  eosinophiler  Zellen 
im  Gonorrhoe-Eiter. 

Im  GoDorrhoe-Eiter  finden  sich  für  gewöhnlich  nur  ganz  spärlich 
eosinophile  Zellen  in  der  Masse  der  neutrophilen  Zellen.  E.  hat  in  6  Fällen 
ein  reichliches  Vorkommen  eosinophiler  Zellen  beobachtet,  und  zwar 
einmal  in  einem  Falle  von  (wahrscheinlich)  Folliculitis  blennorrhoica  der 
Fossa  navicularis  im  FoUikulitis-Secret.  Von  den  andern  fünf  Fällen  war 
bei  dreien  eine  acute  oder  subacute  Prostatitis  vorhanden,  und  hier  fanden 
sich  dann  die  eos.  Z.  im  Prostataeiter  ebenfalls  vor,  stets  in  reichlicher 
Menge,  in  einem  Falle  etwa  8O7,  aller  Eiterkörperchen.  Ein  4.  Fall  ohne 
subjective  Symptome  von  Seiten  der  Prostata,  auch  diese  kaum  ver- 
grössert,  nur  wenig  schmerzhaft,  doch  in  ihrem  Secret  zahlreiche  e.  Z. 
Im  5.  Falle  endlich  Prostata  normal,  im  spärlichen  Secret  derselben 
keine  e.  Z. 

Es  hat  also  den  Anschein,  als  ob  die  Ansicht  Neusser^s,  dass  die 
e.  Z.  im  Gonorrhoesecret  aus  den  Drüsen  der  Urethra,  speciell  der  Pro- 
stata stammten,  durch  die  Beobachtungen  E.'s  eine  gewisse  Stütze  fände. 

Discussion:  Seifert  kann  nach  seinen  Untersuchungen  den  e.  Z. 
keinerlei  diagnostische  Bedeutung  zuerkennen.  Er  fand  sie  in  grossen 
Mengen  sowohl  bei  ganz  frischer  Gonorrhoe  als  bei  chronischer  als  auch 
bei  der  acuten  gonorrhoischen  Urethritis  des  Weibes.  Untersucht  man  in 


1 28  Verhandlungen 

solchen  Fällen  auch  das  Blut,  so  findet  man  einen  gewissen  Parallelisinus 
zwischen  dem  mehr  oder  minder  reichlichen  Vorkommen  von  e.  Z.  im 
Blute  und  im  Secret. 

Bezüglich  der  Bildungsstätte  der  e.  Z.  weichen  S/s  Untersuchungs- 
resultate von  denen  Neusser's  ab.  Wäre,  wie  Neuss  er  will,  die  Haut  eine 
Bildungsstätte  der  e.  Z.,  so  müsste  man  bei  jenen  Hautkrankheiten,  bei 
denen  das  Blut  einen  hohen  Gehalt  an  e.  Z.  aufweist,  in  excidirten  Haut- 
Stückchen  eine  erhebliche  Vermehrung  dere.  Z.  nachweisen  können,  und 
das  ist  nach  S.'s  Untersuchungen  sicher  nicht  der  Fall. 

6.  Neuberger.  Ueber  einen  Fall  von  Syringomyelie  mit 
Haut-  und  Schleimhauterscheinungen. 

43jähriger  Kaufmann,  der  ausser  einem  schon  lange  Jahre  be- 
stehenden Rachencatarrh  stets  gesund  war.  Fat.  ist  seit  14  Jahren  ver- 
heiratet, hat  mehrere  völlig  gesunde  Kinder.  1887  Ulcus  auf  der  Dorsal- 
seite des  Praeputium,  bald  auch  ein  über  den  ganzen  Körper  verbreiteter 
fleckenartiger  Ausschlag.  Beides  heilt  unter  Inuuctionscur.  In  den 
nächsten  Jahren  öfters  anfallsweise  unter  heftigen  Schmerzen  auftretende, 
beträchtliche  Anschwellung  der  Zunge  mit  Bildung  zahlreicher  seichter 
Geschwüre  an  der  Zungenspitze  und  am  rechten  Zungenrande.  Gleich- 
zeitig einigemale  auch  Schmerzen  im  Halse,  einmal  sogar  ein  Erstickungs- 
anfall. Stets  trat  nach  einigen  Tagen  glatte  Heilung  ein.  Trotz  zahlreicher 
antiluetischer  Curen  (Inunctionen,  Hg.-Pillen,  Jodkali)  und  trotz  ärztlicher 
Behandlung  immer  wieder  Recidive.  Im  April  1892  traten  auf  der  Haut 
in  ganz  unregelmässigor  Lokalisation  zahlreiche  Ulcerationen  auf,  die 
absolut  keine  Heilungstendenz  zeigten.  Durch  Jodoformapplication  ent- 
steht eine  Dermatitis,  derentwegen  N.  zugezogen  wird. 

Status:  Patient  sehr  schwach,  kolossal  abgemagert.  Beiderseitige 
Periostitis  tibiae.  Am  Körper  unregelmassig  vertbeilt  zahlreiche,  bis  über 
thalergrosse  Ulcerationen,  deren  Umgebung  ekzematösgereizt.  Diagnose: 
Lues  maligna.  Therapie:  Nach  Abheilung  des  Ekzems  innerlich  Jod- 
kali bis  zu  6.0  pro  die,  tägliche  Europheninspcrsionen,  local  Emplastr. 
cinereum.  In  14  Tagen  Heilung  der  Ulcerationen,  der  Periostitis,  enorme 
Gewichtszunahme.  Mitte  Juli  traten  an  einzelnen  Fingern  neue  Erup- 
tionen auf:  kreisrunde,  scharf  umschriebene,  nässende  Stellen,  die  den 
Eindruck  einer  frisch  geplatzten  Blase  machten,  aber  unter  Emplastr. 
hydrargyri  schnell  abheilten.  Auch  wiederholen  sich  in  unregelmässigen 
Intervallen  die  Schleimhauterschcinungeu  iu  eingangs  geschildeter  Form, 
und  es  Hess  sich  beobachten,  dass  die  zahlreichen  Recidive  auf  Haut  wie 
Schleimhaut  sich  aus  kleinen,  stecknadelkopfgrossen,  derben  Bläschen 
entwickelten,  also  Diagnose:  Pemphigus.  Erst  später  kurze  Zeit  vor 
dem  Tode  wurde  eine  neurologische  Untersuchung  vorgenommeu,  die 
totale  Anästhesie  ergab  und  zur  Feststellung  einer  Syringomyelie  führte. 

Durch  plötzliches   Auftreten  zahlreicher   Bläschen   im  Larynx  und 
durch  hierdurch  hervorgerufene  Schwellung  der  Stimmbänder  trat  plötz- 
lich im  Juli  dieses  Jahres   ein    Erstickungsanfall   auf,    dem    der   Patient 


d.  Venamml.  deutscher  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     129 

eriag.  Sectionsbefond:  Syrmgomyelie.  Offenbar  handelte  es  sich  nm  eine 
Combinatiou  von  Lnes  and  Syringomyelie. 

6.  Bthrond  (Berlin),  lieber  Dysidrosis  (Tilbnry  Tox). 

Tilbnry  Fox  hat  die  Affection  mustergiltig  präcisirt  als  Eruption 
Ton  Bläschen  mit  wasserklarem  Inhalt,  die  zumeist  an  den  Seitenflächen 
and  Streckseiten  der  Finger,  am  Ulnarrande  der  Hand  sowie  an  den 
Handflächen,  seltener  an  den  Füssen  vorkommen  und  das  Aussehen  ge- 
quollener Sagokörner  besitzen,  die  später  eintrocknen,  so  dass  die  leere 
Bläschenhülle  zurückbleibt,  die  sich  in  Form  von  Hornblättchen  ablöst. 
Fox,  der  die  Eruption  auf  eine  Behinderung  des  Seh  weisses  zurückfuhrt, 
sieht  als  Ursache  der  Erkrankung  nervöse  Allgemeinstöruogen  an. 

Diese  Ansicht  ist  vollkommen  irrig,  da  auch  ganz  gesunde  Personen 
sehr  häufig  von  der  Affection  befallen  werden.  Wenn  man  die  Locali- 
sation  der  Bläschen  näher  betrachtet,  ergibt  sich,  dass  sie  sich  an  Steilen 
finden,  welche  einem  häufigeren  mechanischen  Druck  ausgesetzt  sind.  Hier- 
durch wird  der  durch  die  Epidermis  laufende  gewundene  Endtheil  des 
Drnsenausfuhrungsganges,  der  keine  eigene  Wandung  besitzt,  sondern 
nur  eine  Lücke  in  den  Zellagen  darstellt,  mechanisch  verlegt,  der  ab- 
gesonderte Schweiss  infiltrirt  sich  in  die  intercellulären  Lymphräume 
und  führt,  indem  er  bei  fortdauernder  Secretioa  die  Zellagen  zerreisst, 
zur  Trennung  derselben  und  zur  Abhebung  der  Horndecke.  In  diesem 
Stadium  reagirt  der  Bläscheninhalt  sauer,  sehr  bald  jedoch  gesellt  sich 
zu  der  Flüssigkeit  ein  Exsudat  aus  den  Qefassen,  und  man  erhält  alsdann 
neutrale  oder  alkalische  Reaction,  wie  beim  Ekzembläschen,  von  dem  sich 
jenes  auch  mikroskopisch-anatomisch  nicht  unterscheidet.  Indem  dann 
das  Bläschen  eintrocknet,  die  Bläschendecke  abschilfert,  entwickelt  sich 
genau  das  Bild  des  squamösen  Ekzems.  Bei  ganz  jungen  Kindern  können 
sich  die  Bläschen  selbst  mit  Eiter  füllen  und  durch  Eintrocknung  zu 
impetiginösen  und  nässenden  Ekzemen  werden;  häufig  entwickeln  sich 
letztere  direct  aus  den  Bläschen. 

Da  also  weder  pathologisch-anatomisch  noch  klinisch  zwischen  der 
Dysidrosis  und  dem  Ekzem  eine  Difierenz  zu  constatiren  ist,  muss  man 
dieselbe  als  Ekzem  auffassen. 

Discussion:  Galewsky  bemerkt,  dass  ähnliche  Bilder,  hervorgerufen 
durch  Hyperkeratose,  also  durch  Verschluss,  bei  Pityriasis  rubra  pilaris 
entstünden  (cf.  die  Veröffentlichungen  von  Besnier  und  G.  selbst  über 
diese  Krankheit).  In  einem  Falle  von  Dysidrosis,  der  sich  stets  auf  die 
Innenseite  eines  Fingers  beschränkte,  entstanden  bald  grosse,  bald  kleine, 
miliare  Bläschen. 

Jessner.  Nach  Behrendts  Ausführungen  beruht  die  Dysidrosis 
auf  Retention  von  Schweiss.  Es  ist  also  die  Schweisscyste  das  primäre, 
für  das  Leiden  charakteristische.  Demnach  könnte  man  nur  klinisch  das 
Leiden  mit  Ekzem  identificiren,  dem  Wesen  nach  sind  sie  ja  doch  ver- 
schieden. Der  primäre  pathologische  Vorgang  ist  nach  Behrend  ja  die 
Behinderung  des  Schweissabflusses,  die  entzündlichen  Erscheinungen  treten 

ArcblT  f.  Dermatol.  u.  8yphU.  Band  XXVI.  9 


130  Verhandlungen 

erst  eecundar  hinzu^  während  beim  Ekzem  das  Bläschen  der  Aosdmck 
der  durch  Entzündung  bedingten  ExBudation  ist. 

7.  Kfibner.  lieber  Pemphigus  vegetans  nebst  diagnostischen 
Bemerkungen  über  die  anderen  mit  Syphilis  verwechselten, 
blasenbildenden  Krankheiten  der  Schleimhäute  und  der 
äusseren  Haut.  Eöbner  gibt  zunächst  eine  kurze,  durch  reiche  eigene 
Casuistik  sehr  interessante  Synopsis  der  mit  Syphilis  öfters  verwechselten, 
blasenbildenden  Processe  der  Haut  und  der  Schleimhäute,  nämlich  der 
Aphthen,  der  durch  Uebertragung  der  Maul-  und  Klauenseuche  entstan- 
denen Aphthenseuche,  der  verschiedenen  Herpesformen,  des  Herpes  Iris, 
der  Dermatitis  herpetiformis  Duhring's  (die  er  vorzieht  Hydroa  pruri- 
ginös. TilburyFox  zu  nennen),  der  Impetigo  herpetiformis,  verschiedener 
blasenbildender  Arznei-,  Ex-  undEnantheme  (nach  Antipyrin,  Jodsalzen  etc.) 
und  des  Pemphigus  chronicus. 

Gemeinsame  Merkmale  aller  dieser  Aflfectionen  gegenüber  Syphi- 
lis sind: 

1.  ihr  oberflächlicher  Sitz,  und  dem  zufolge  2.  keine  Narben  oder 
nur  ganz  vereinzelte,  durch  die  complicirende  Eiterung  entstehende,  3.  die 
Beschaffenheit  des  Belages  und  der  Umgebung  desselben  (auf  Schleim- 
häuten), 4.  der  häufige  Wechsel  des  Sitzes  während  desselben  oder  ver- 
schiedener Ausbrüche,  5.  auf  der  Haut  keine  Polymorphie  (mit  Ausnahme 
der  Duhring'schen  Krankheit),  vielmehr  Constanz  desselben  Ausschlags 
typus,  6.  die  Beobachtung  der  Entstehungs weise  und  7.  der  Verlauf. 

Indem  K.  sich  dann  zum  Pemphigus  vegetans  wendet,  gibt  er  die 
zum  Theil  durch  Abbildungen  illustrirten  Krankengeschichten  dreier  von 
ihm  beobachteter  Fälle,  deren  einer  geheilt  wurde,  die  beiden  anderen 
letal  endeten.  Von  dem  wichtigsten  und  schwersten  dritten  werden  auch 
Sectionsbefund  und  die  (mit  negativem  Resultate  vorgenommenen)  bakte- 
riologischen Untersuchungen  berichtet. 

Auf  die  histologischen,  diagnostischen  und  allgemein  therapeuti- 
schen Daten  einzugehen,  war  Köbner  der  vorgerückten  Zeit  halber  nicht 
mehr  möglich ;  er  behält  sich  dies  für  die  ausführliche,  mit  Abbildungen 
ausgestattete  Publication  vor. 

8.  Berliner.  Ueber  eine  Zinkösypuspasta.  (Auszugsweise 
verlesen.) 

B.  empfiehlt  sehr  warm  Versuche  mit  folgender  Pasta: 

Rp.  Zinc.  oxydat. 

Amyl.  oryt.  aa.  4.0. 

Oesyp. 

Ol.  olivar.  aa.  3.0. 

Mfpasta. 
Er  hat  dieselbe  theils  zur,  theils  mit  Zusätzen  von  Schwefel,  Bis- 
muth,  Resorcin  angewandt  und   bei  Ekzemen,  Verbrennungen  und  Er- 
frierungen,  Acne  vulgaris    (hier   zumal   mit   20^1«    Resorcin-Schälpasta), 
Acne  rosacea,  Sycosis  non  parasitaria  sehr  günstige  Resultat  verwendet. 


d.  Yersaxnml.  deutscher  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     131 

Bei  Psoriasis  ist  sie  natürlich  ohne  jeden  directen  Einflnss,  bewährt  sich 
aber  in  den  Zwischenpausen  der  eigentlichen  (Chrysarobin-  oder  Pyro- 
gallol«)  Behandlung  sehr  gut  durch  schnelle  Beseitigung  des  durch  diese 
Mittel  gesetzten  Reizzustandes  der  Haut. 

9.  Oefelein  (Nürnberg).  Ueber  die  Verwendbarkeit  des 
Knrophens.  Nach  in  Gemeinschaft  mit  Neuberger  unternommenen 
Untersuchungen. 

Das  Europhen  wurde  in  fast  200  Fällen  verwendet  und  bewährte 
sieb  in  jeder  Hinsicht  aufs  beste.  Bei  grösseren  und  kleineren  Wunden, 
sowobl  firischen  reinen  wie  eiternden  erzielte  Europhen,  als  Pulver  appli- 
cirt,   schnelle  und  glatte  Heilung. 

Verbrennungen  wurden  mit  1 — 5%  Europhensalbe  sehr  günstig 
behandelt.  Bei  mehr  als  30  Fällen  von  Balanitis  erwies  es  seine  reizlose, 
schnell  austrocknende  Wirkung,  ebenso  in  vielen  Fällen  von  Erosionen, 
Bhagadenbildungen,  Herpes  praeputialis  etc.  etc.  Bei  Ulcus  molle  —  in 
etwa  40  Fällen  —  ging  die  Heilung  ausnahmslos  schnell  von  Statten, 
niemals  eine  Störung  des  Wundverlaufs  durch  Ekzem,  Oedem  etc.  Das 
£orophen  wurde  hier  stets  ohne  vorherige  Desinfection  mit  Garbolsänre 
und  ähnlichen  Mitteln  gebraucht ;  es  bewährte  sich  auch  bei  sehr  grossen, 
mnltipeln,  gangränösen  Ulcerationen.  Auch  bei  luitialsclerosen,  speciell 
gangränösen,  und  bei  nässenden  Papeln  gab  das  Mittel  gute  Re- 
sultate. 

Besonders  empfehlenswerth  ist  das  Mittel  bei  tertiärer  Lues.  Hier 
hat  es  ebenso  wie  in  Fällen  von  Lues  maligna,  sei  es  in  subcutanen  In- 
jectionen  (täglich  1  Spritze  1 — 27o  Oeilösung)  zur  AUgemembehandlung, 
sei  es  local  als  Pulver  oder  1 — 10 7,  Salbe  angewandt,  Oe.  und  N.  gute 
Dienste  gethan,  ohne  je  erwähnenswerthe  Nebenwirkungen  zu  haben. 

Discussion:  Lieven  hat  das  Europhen  als  Streupulver  bei 
chimrgischen  Eingriffen  sowie  bei  luetischen  Affectionen  mit  gutem  Er- 
folge verwendet;  nur  zweimal  traten  wenige  Minuten  nach  Application 
heftige  Schmerzen  auf,  welche  die  Entfernung  des  Pulvers  nöthig 
machten. 

Von  der  irritirenden  Wirkung  des  Mittels  macht  L.  bei  Rhinitis 
atrophicans  nach  geheilter  Nasenlues  ausgiebigen  Gebrauch.  Er  wendet  es 
in  107,  Vaselinsalbe  an  und  erzielt  dadurch  reichliche  Secretion.  Dabei 
ist  es  nöthig  den  Naseneingang  mit  indifferenter  Salbe  zu  bestreichen 
zur  Vermeidung  von  Ekzemen  durch  die  abundante  Secretion. 


Am  Kachmittage   des   Donnerstags   versammelten   sich  dann  noch 

eine  grossere   Anzahl  von   Sectionsmitgliedern  im  städtischen  Eranken- 

hause,  wo  auf  Beckh's   Abtheilnng  Kollmann   und  Görl  je  ihre  Be- 

/eucfatungsapparate  zur  Urethroskopie  (Oberländer-Heymann  resp.  Reini- 

ger^  Gebbert  &  Schall)  an  Patienten  demonstrirten. 


9* 


132  Verhandl  angen 

Abtheilung  XII  für  innere  Medicin. 
Sitzung  vom  12.  September. 

Dehio  (Dorpat)  gibt  zunächst  eine  kurze  Schilderung  des  Erankheits- 
bildes  bei  der  Lepra  anaesthetica. 

Die  mikroskopische  Unterauchung  der  anästhetischeu  Hautflecken 
und  der  zugehörigen  cutanen  Nervenzweige  zeigt,  dass  die  localcn  circum- 
scripten  Anaesthesien  dadurch  zu  Stande  kommen,  dass  die  flachenhaft 
in  der  erkrankten  Haut  sich  ausbreitende  lepröse  Neubildung  in  die 
Saffcsi^alten  und  Lymphgange  der  Haut  eindringt  und  namentlich  in  die 
röhrenförmigen  Gewebslücken  vorwuchert,  in  welchen  die  feinsten  End- 
zweige der  Hautnerven  verlaufen.  Dadurch  werden  die  feinsten  Nerven- 
endigungen innerhalb  der  Flecken  zerstört,  und  so  erklärt  sich  die  bisher 
so  räthselhafte  Anästhesie  der  letzteren. 

Die  Bildung  der  anästhetischen  Hautflecken  ist  also 
ein  rein  localer  Process,  der  mit  einer  Erkrankung 
grösserer  Nervenstämme  nichts  zu  thun  hat. 

In  späteren  Stadien  der  Krankheit  kriecht  nun  die  kleinzellige 
lepröse  Neubildung  von  der  Haut,  dem  Verlauf  der  Nerven  folgend,  in 
den  Nervenscheiden  aufwärts,  zerstört  die  Nervenfasern  und  setzt  an 
Stelle  der  Nervenstämme  schliesslich  dicke,  aus  Bindegewebe  und  Rund- 
zellen bestehende  Gewebsstränge,  die  natürlich  jegliches  Leitungsvermögen 
eingebÜBSt  haben.  Es  sc  hliesst  sich  also  bei  derLepra  anaesthe- 
tica an  die  Bildung  der  anästhetischen  Hautflecke  als 
ein  secnndärer  Proce  SS  eine  Neuritis  lepro  sa  ascenden  s 
an.  Von  dieser  abhängig  sind :  die  mehr  diffus  ausgebreiteten  Sensibilitäts- 
störungen, atrophische  Paresen  und  Lähmungen,  die  trophischen  Störungen 
in  der  Haut  und  den  tieferen  Geweben. 

Abtheilung  XVIII  für  Neurologie. 

Sitzung  vom  12.  September. 

Eulenburg  (Berlin).  Ueber  Erythromelalgie. 

E.  beobachtete  in  den  beiden  letzten  Jahren  drei  Fälle  von  Ery- 
thromelalgie, welche  seine  Anschauung  bestätigen,  dass  es  sich  bei  diesem 
Leiden  nicht  um  eine  selbständige  Erkrankung,  sondern  um  einen  ge- 
mischten, sensitiv-vasomotorischen  Symptomencomplex  von  wahrscheinlich 
centralem,  intramedullärem  Ursprünge  handelt. 

1.  Fall.  30jährige  Dame  aus  neuropathischer,  zur  Muskelatrophie 
neigender  Familie.  Das  Leiden  war  nach  Chloroanämie  und  im  Auschluss 
an  eine  Entbindung  eingetreten.  Die  Anfälle,  meistens  nächtlich,  kamen 
besonders  nach  Anstrengung  durch  Handarbeit,  nach  gastrischen  Störungen 
sowie  vor  der  Menstruation;  ausser  der  Erythromelalgie  bestand  eine 
ausgebreitete  Erkrankung  der  Museal» tur  am  Schultergürtel  und  Oberarm 
in  der  Form  sogenannter  j  uve  niler  Dystrophie.   (Erb.) 


d.  Yersamml.  deutscher  Naturforscher  n.  Aerzte  in  Nürnberg.     133 

2.  Fall.  45jiUiri|Br6  Schneiderin,  hysterisch,  aus  nenropathischer 
Familie.  Als  ätiologische  Momente  kamen  in  Betracht  schwere  Gkmüthsaf- 
fect«,  Nahrungsaoigen,  sowie  langjährige  Yerdauungsbeschwerden,  daneben 
anstrengende  Handarbeit.  Die  Erythromelalgie  trat  auch  hier  plötzlich, 
saerst  Nachts  anf ;  die  Anfalle  wiederholten  sich  hänfig,  waren  im  Winter 
seltener  und  leichter.  An  den  Extremitäten  Abschwächung  des  Schmerz- 
nnd  des  Temperaturgefühls,  namentlich  an  den  Endgliedern  der  Finger 
sowie  im  Fussrücken.  Ausser  diesen  Erscheinungen  schwere  Symptome 
eines  fortschreitenden  Cerebralleidens  mit  Congestionen  und 
apoplecüformen  Anfällen,  heftigem  Kopfschmerz,  Schwindel,  Erbrechen, 
tamnelnder  Gang,  Intelligenz-  und  Gedächtnissabnahme,  Hallucinationen. 
Augenuntersuchung :  bedeutende  coneentrische  Gesichts feldbeschränknng ; 
ophthalmoskopischer  Befund :  anfangs  leichte  entzündliche  Veränderungen 
an  den  Papillen,  später  das  Bild  einer  Retinitis  haemorrhagioa  beiderseits. 

3.  Fall.  54jähriger  Schneider,  der  mehrere  Jahre  an  schwerer 
Malaria  gelitten  hatte,  und  bei  dem  die  Erythromelalgie  im  Anschlüsse 
daran  zuerst  im  rechten  Fusse,  später  —  angeblich  nach  einer  auf  Wache 
Terbrachten  kalten  Nacht  —  in  der  linken  Hand  auftrat  uud  auf  diese 
beiden  Gliedmassen  beschränkt  blieb.  Auffallend  waren  plötzliche  Schweiss- 
auBbröche  und  Reizung  zu  Blutungen  an  den  betroffenen  Gliedmassen. 
Hier  war  ein  hereditäres  Moment  erkennbar,  von  der  Mutter  her,  die 
▼iele  Jahre  hindurch  denselben  Zustand  an  den  Füssen  gehabt  hatte. 
Uebrigens  bestanden  auch  hier  leichte  allgemeine  Kopfsymptome,  Kopf- 
schmerzen und  Schwindel. 

£.  erörtert  kurz  die  Aetiologie  und  differentielle  Diagnose  des  Zu- 
■tandes  und  macht  auf  den  Zusammenhang  aufmerksam,  in  dem  die 
Erythromelalgie  einerseits  mit  gewissen  verwandten  functionellen  Stö- 
rungen (z.  B.  der  Acroporo  aesthesie  von  Fr.  Schnitze  und  Laquer),  ander- 
seits zu  gewissen  pathologisch-anatomisch  fundirten  Processen  im  Central- 
nervensystem,  namentlich  zur  Syringomyelic,  zur  Morvan^schen  Krankheit 
und  zu  dem  von  Gras  set  und  Ran  vi  er  beschriebenen  bulbomedulläreu 
Syndrom  steht.  Gemeinsam  ist  hier  eine  eigenartige  Combination  sensi- 
tiver mit  vasomotorischen,  secretorischen  und  trophischen  Störungen  (wie 
sie  in  leichterem  Grade  auch  der  Erythromelalgie  zukommen  können). 
Wahrscheinlich  ist  der  Ausgangspunkt  der  typischen  Sensibilitäts- 
störungen bei  jenen  Spinalerkrankungen  in  den  Hinterhömern,  der 
Aasgangspunkt  der  vasomotorisch-secretorischen  Störungen  in  dem  inter- 
inediolatralen  Zellentractns  Clarke's  (den  sog.  Seitenhömem)  zu  suchen. 

Discossion : 

Edinger  (Frankfurt  a/M.)  berichtet  über  einen  Fall  von  Erythromel- 
algie, der  auf  das  rechte  Bein  (Fuss)  beschränkt,  nach  Erfrieren  im 
Jahre  1870  entstanden  ist  und  bis  heute  andauert.  Der  Patient  stand, 
^rmweileH  nber  die  Sehmerzen,  vor  der  Amputation,  als  £.  entdeckte, 
daas  Beben  der  Affection  eine  Tabes  vorhanden  war.  Der  Zusammenhang 
beider  Affectionen  ist  von  theoretischem  Interesse.  E.  hat  den  Eindruck, 


134  Verhandlungen 

dass  der  ganse  Complex   durch  Affection   des  Wurzelapparates,  auch  des 
centralen,  erklärbar  sein  würde. 

Eulenburg.  Der  interessante  Fall  Edinger's  bestätigt  ebenfalls 
den  Zusammenhang  von  Erythromelalgie  mit  centralen  Erkrankungen. 

Sitzung  vom  12.  September. 

W.  Uhttoff.  Beitrag  zu  den  Seh  Störungen  bei  Hirnsyphilis. 

Uhttoff  berichtet  über  seine  klinischen  (Jatersuchungea  über 
obiges  Thema,  lieber  die  anatomischen  Veränderungen  hat  er  schon  ein- 
gehend berichtet,  (v.  Graefe*s  Archiv  Bd.  XXXIX,  1.)  Seine  Besultate 
beziehen  sich  auf  eine  Reihe  von  100  Fällen  von  Himsyphilis. 

1.  Ophthalmoskopische  Erscheinungen :  Stauungspapille  14mal,  Neu- 
ritis optica  12mal,  einfach  atrophische  Verfärbung  der  Papillen  14mal, 
sonstige  ophthalmoskopische  Befunde  8mal,  negativer  ophthalmoskopischer 
Befund  52mal.  Aber  unter  den  letzteren  52  in  einer  Anzahl  von  Fällen 
noch  Sehstörungen  und  anatomische  Veränderangen  im  Verlaufe  des  opti- 
schen Leitungsapparates. 

2.  Besprechung  der  Gesichtsfeldanomalien  und  ihre  Bedeutung 
namentlich  auch  in  difTerentiell-diagnostischer  Beziehung  sowie  mancher 
eigenartiger  und  charakteristischer  Züge  für  die  Sehstörung  bei  Hirn- 
syphilis, namentlich  andern  Sehstörungen  gegenüber  (progressiver  Atrophie, 
multipler  Sclerose,  retrobulbärer  Neuritis  etc.). 

3.  Besprechung  der  Pupillarerscheinungen  bei  Hirnsyphilis :  der  typi- 
schen reflectorischen  Pupillenstarre,  der  Ophthalmoplegia  interna,  der  hemi- 
anopischen  Pupillenreaction,  der  sog.  paradoxen  Reaction  und  des  Hippus. 

Discussion :  Bruns  (Hannover)  erwähnt  einen  Fall  von  Hemianopsia 
inferior  bei  einer  früher  Syphilitischen.  Es  war  wahrscheinlich  Neuritis 
optica  vorausgegangen.  Später  bestand  deutliche  Atrophie  der  oberen 
Maculahälften.  Noch  später  erkrankte  auf  dem  einen  Auge  auch  ein 
unterer  Quadrant,  so  dass  hier  nur  ein  Quadrant  des  Gesichtsfeldes  er- 
halten war.  Sonstige  Hirnerscheinungen  fehlten,  ebenso  Zeichen  von 
Tabes.    Dagegen  besteht  die  Wahrscheinlichkeit  eines  Aortenaneurysmas. 

Mendel  verfügt  über  einen  Fall  syphilitischer  doppelseitiger  Hemia- 
nopsie. Ein  älterer  Mann  bekam  zuerst  eine  rechtsseitige,  dann  dazu 
eine  linksseitige  Hemianopsie  und  wurde  amaurotisch.  Er  ging  in  der 
Irrenanstalt  zu  Grunde.  Die  Autopsie  ergab  an  correspondirenden  Stellen 
(Pulvinar)  beider  Thalami  optici  je  einen  gummösen  Tumor. 

Stein  (Nürnberg)  hat  kürzlich  einen  Fall  von  Hippus  gesehen  bei 
einem  luetischen  Manne,  der  jetzt  im  Vorstadium  der  progressiven  Para- 
lyse steht.  Rechte  Papille  mittelweit;  linke  weit,  beide  lichtstarr;  ander 
linken  weiten  ausgesprochener  Hippus. 

Goldetein  (Aachen)  fragt  aU;  ob  der  Vortragende  Erfahrungen  über 
den  von  Alexander  angegebenen  Zusammenhang  von  Ophthalmoplegia 
interna  und  Psychose  besitze. 


d.  Venamml.  deutscher  Naturforscher  u.  Aerzte  in  Nürnberg.     135 

Uhttoff  erwidert,  dass  Alexander  ja  nicht  bestimmt  angibt,  was 
81  eil  für  psychische  Störungen  an  das  Auftreten  der  Ophthalmoplegia  in- 
terna anschlössen;  es  können  wohl  nur  eigentlich  nur  paralytische  Stö- 
ruD^n  gewesen  sein.  Die  Ton  Bruns  erwähnte  Hemianopsia  inferior 
hält  ü.  doch  nur  für  bedingt  durch  Stammerkraokung  der  Optici.  Hippus 
habe  hauptsächlich  diagnostische  Bedeutung  bei  Pupillen,  die  auf  Licht 
reflectorisch  starr  sind. 

Der  Mendel'sche  Fall  sei  sehr  interessant;  im  Ganzen  dürften 
doppelseitige  Hemisphärenerkrankuogen  häufiger  den  Grund  für  doppel- 
seitige Hemianopsie  bilden,  als  basale  Tractuserkrankung  mit  Fortschreiten 
aaf  das  Ghiasma. 

Abtheilung  XXIII  für  Hygiene  und  Medioinalpolizei. 

Sitzung  vom  11.  September  1893. 

1.  Wollner  (Fürth),  lieber  die  Fürther  Industriezweige 
und  deren  Schattenseiten:  Qaecksilber-  und  Silberbelege,  Bronze- 
fabrication,  Spiegelglasschleiferei  mit  Facettirwerken. 

Von  den  hier  allein  interessirenden  Bemerkungen  über  die  Queck- 
ailberbelege  sei  einiges  hervorgehoben.  W.  zeigte  Tabellen  vor,  die  über 
folgende  3  Punkte  ziffermässigen  Aufschluss  geben.  1.  Häufigkeit  der 
mercuriellen  Erkrankungen  in  früheren  Jahren.  Seit  dem  Jahre  1885  hat 
die  Zahl  der  Erkrankungen  stetig  und  rasch  abgenommen.  Seit  Juni  1890 
ist  kein  Fall  von  Mercurialismus  mehr  vorgekommen.  2.  Höbe  der  Erank- 
heitstage  in  den  einzelnen  Monaten.  Die  höchste  Zahl  fallt  auf  das  Ende 
des  Winters  (März),  die  niedrigste  auf  Ende  des  Sommers  (October). 
3.  Aus  der  letzten  Tabelle  ergibt  sich,  dass  die  gegenwärtigen  Arbeiter 
verhältnissmässig  sehr  lange  (im  Durchschnitt  11.6  Jahre)  in  den  Belegen 
beschäftigt  sind. 

W.  glaubt,  dass  die  dauernde  Gesundheit  der  Arbeiter  in  den  Hg.- 
Belegen  —  abgesehen  von  der  grössten  Reinlichkeit  und  sorgfältiger 
Lüftung  —  nur  noch  von  2  Factoren  abhängen:  möglichst  geringe 
Arbeitszeit  und  möglichst  gute  Bezahlung. 

Bekanntlich  ist  die  ganze  Frage  der  Hg. -Belegen  für  Bayern  ge- 
setzlich geordnet  durch  den  Erlass  vom  30.  Juli  1889.  Die  meisten  Be- 
stimmungen desselben  sind  bereits  durchgeführt  und  haben  eine  wesentliche 
Abnahme  der  Zahl  sowohl  der  Hg.-Belegen,  wie  der  in  diesen  beschäftigten 
Arbeiter  zur  Folge  gehabt.  Die  noch  übrigen,  finanziell  tiefeingreifenden 
Bestimmungen  sollen  Juli  1894  eingeführt  werden  und  werden  wahr- 
scheinlich die  Hg.-Belegen  ganz  zum  Verschwinden  bringen,  da  diese 
dann  der  Concnrrenz  der  Silberbelegen  werden  unterliegen  müssen.  W. 
hält  diesen  sich  vollziehenden  Uebergang  von  der  Hg.-  znr  Silberbelegung 
für  keinen  Vortheil,  aus  socialpolitischen  Gründen  sowohl  wie  aus  hygie- 
nischen. Er  ist  überzeugt,  dass  das  Leben  der  Silberbelegarbeiter  mehr 
geföhrdet  ist  als  das  der  Hg.-Arbeiter.  Der  beständige  Aufenthalt  der 
ersteren    in    einer  Temperatur  von    23*  bis  33"  R.  disponirt  zu  Rheu- 


136  y  erhandlangen 

matismen,    zu   acuten   und   chronischen   Luugenaffectionen,  derart,    dass 
sicher  eine  viel  höhere  Sterblichkeitsziüer  reaultiren  müsse. 

2.  Q«Mselimidt  (Nürnberg):  Ueber  Milzbranderkranknngen 
unter  den  Arbeitern  der  Nürnberger  Pinselindastrie. 

In  den  letzten  4  Jahren  wurden  bei  Arbeitern  der  Nürnberger 
Pinselindustrie  ca.  30  Fälle  von  Milzbrand  beobachtet;  davon  verliefen 
8  tödtlich.  Alle  Fälle  zeigten  das  klinische  Bild  der  Pustula  maligna. 
Die  primäre  Infection  erfolgte  zumeist  im  Gesicht  und  der  Unterkinn- 
gegend,  in  selteneren  Fällen  an  den  Händen.  Die  Erkrankten  waren  in 
der  überwiegenden  Menge  Borstenzurichter,  die  also  nur  mit  dem  Roh- 
materiale  zu  thun  haben.  Leider  gelang  es  trotz  aller  Bemühungen  nicht, 
in  diesem,  also  den  ^osshaaren  und  Borsten,  Milzbrandbacillen  mit 
Sicherheit  nachzuweisen.  In  einem  Falle  wurde  freilich  aus  verdächtigen 
Borsten  die  Reincultur  einer  Stäbchenart  gewonnen,  die  morphologisch 
vollständig  dem  Milzbrandbacillus  glich,  aber  durch  Mangel  jeder  Patho- 
genität zeigte  sie  sich  doch  von  diesem  wesentlich  unterschieden.  Jeden- 
falls musste  aber  in  dem  zur  Terarbeitung  kommenden  Borsten-  und 
Kosshaarmaterial  die  Quelle  der  Infection  zu  suchen  sein,  und  es  wurde 
deshalb  in  jedem  Falle  das  gesammte  verdächtige  Material  sowie  Effecten 
und  Wohnung  des  Erkrankten  grundlich  desinficirt.  Femer  wurden  für 
die  Arbeiter  allgemeine  Yerhaltungsmassregeln  gedruckt,  um  dieselben 
auf  die  Gefahren  aufmerksam  zu  machen,  und  Desinfections mittel  auf- 
gestellt, damit  kleinere  Verletzungen  durch  Borsten  oder  Eosshaare 
gründlich  desinficirt  würden.  Das  Wirksamste  wäre  natürlich  eine  Des- 
infection  des  gesammten  rohen  Borsten-  und  Haarmaterials  durch  strö- 
menden Dampf.  Dadurch  wird  aber  das  Material  in  Farbe  und  Qualität 
80  geschädigt,  dass  eine  derartige  Massregel  die  ganze,  mehrere  tausend 
Arbeiter  beschäftigende  Pinselindustrie  Nürnbergs  der  fremden  Con- 
currenz  gegenüber  matt  setzen  würde.  Es  ist  also  anzustreben  eine  in- 
ternationale Vereinbarung,  durch  die  allgemein  die  Desinfection  allen 
Rohmaterials  obligatorisch  gemacht  und  so  die  Gefahr,  die  die  Pinsel- 
industrie für  ihre  Arbeiter  hat,  gemindert  würde. 

8.  Sigmund  Merk«!  (Nürnberg):  Experimentelle  Studien  über 
Milzbrand  in  der  Nürnberger  Boratenindustrie. 

Um  die  Borsten  zu  bleichen  und  zu  reinigen,  wird  in  der  Borsten- 
industrie  folgendes  Verfahren  angewendet:  Die  Borsten  Liegen  12  Standen 
in  einer  Kalihypermanganicum-LöBung  2  :  1000,  werden  dann  mit  Wasser 
staork  ausgewaschen  und  anf  2  Stunden  in  eine  Lösnag  von  seliweAiger 
Säure  3 :  100  gelegt.  Sohliesalich  werden  der  sauren  Losung  einige  Tropfen 
H^O,  oder  Salmiakgeist  zugesetzt,  und  die  Borsien,  vekhe  nun  schön 
gebleicht  sind,  mit  viel  Wasser  anagewasehen.  M.  nahm  nun  an  Borsten, 
die  mit  Milzbrand  (sporenhaltiges  Material)  geimpft  wnreo>  Unterattchii»- 
gen  vor,  inwieweit  obiges  Verfahren  deainfieirend  viric».  Es  ergab  sieh, 
daes  eine  genügende  Deeinfection  nicht  statthat.  IMe  inficirten  Berelen 
verlneren  jedoch  theil weise  ihre  Infectiosität  und  zwar  dadurch,  dase  durch 


d.  Yenamml.  deutscher  Naturforscher  n.  Aerzte  in  Nürnberg.     137 

die  mit  den  Borsten  vorgenommenen  Manipulationen  eine  rein  mecha- 
nische Entfernung  des  an  den  Borsten  haftenden  Milzbracdmaterials 
stattfindet.  Bewiesen  wurde  dies  dadurch,  dass  einerseits  in  den  Rück- 
aanden  (von  Kaliumpermanganat  u.  s.  w.),  wenn  sie  mit  der  Centrifuge 
behandelt  worden  sind,  fast  regelmässig  virulenter  Milzbrand  gefunden 
wurde,  während  andererseits  die  vorher  inficirten  Borsten  meist  ihre 
Infectiosität  verloren  hatten.  M.  schlägt  daher  vor,  dass,  so  lange  keine 
zwangsweise  Desinfection  der  Borsten  durch  strömenden  Dampf  einge- 
führt sei,  wttiigstenB  bei  obigem  Verfahren  eine  möglicfast  energische 
Abspälung  der  Borsten  mit  Wasser  stattfinden  solle,  dies  jedoch,  ohne 
dass  die  Hände  der  Arbeiter  dabei  in  Berührung  mit  dem  Spülwasser 
kommen  dürften. 


Verliandlungen  der  Berliner  dermatologischen 

Vereinigung. 


Sitzung  vom  6.  Juni  1893. 

Yorsitzender:  Lassar.   Schriftfulirer:  Saalfeld. 

I.  Saalfeld  stellt  zwei  Fälle  von  Naevus  yermcosas  vor.  Der 
eine,  den  er  bereits  pnblicirt  hat,  betrifft  einen  ISjäbrigen  Knaben,  der 
andere  ein  Kind  von  17,  Jahren.  Bei  dem  letzteren,  der  sich  dnrch  seine 
ausserordentliche  Ausdehnung  auszeichnet,  begannen  die  Erscheinungen 
14  Tage  nach  der  Geburt ;  es  handelt  sich  dabei  um  einen  Naevus  verru- 
cosus lateris  utriusque.  Nervöse  Erscheinungen  liegen  weder  beim  £[inde 
selbst  noch  in  der  Ascendenz  vor.  Auf  der  einen  Seite  entspricht  die 
Affection  dem  Verlauf  der  Nerven. 

Lassar  macht  darauf  aufmerksam,  dass  man  einen  Unterschied 
machen  muss  zwischen  einem  Naevus  verrucosus,  der  angeboren  ist,  und 
einer  progressiven  Warzenbildung,  welche  sich  als  eine  selbständige 
Krankheit  früher  oder  später  entwickeki  kann. 

Lewin:  Der  Naevus  verrucosus  unterscheidet  sich  von  einer  Ver- 
ruca dadurch,  dass  der  erstere  früher  entsteht,  gewöhnlich  im  zweiten 
Lebensjahre.  Ausserdem  ist  derselbe  stets  pigmentirt,  während  eine 
pigmentirte  Warze  selten  gesehen  wird. 

Ledermann  glaubt,  dass  bei  einem  Naevus  verrucosus  das  Pigment 
ein  idiopathisches  ist,  während  bei  Warzen  dasselbe  zum  grossen  Theil 
Blutpigment  ist. 

Lassar  ist  der  Ansicht,  dass  eine  Warze  pigmentirt  sein  kann. 
Erst  heute  habe  er  eine  junge  Dame  gesehen,  die  15 — 20  kleine  tief- 
gefarbte  Warzen  im  Gesicht  hatte. 

Kromayer  bemerkt,  dass  man  unter  Warzen  pathologisch  und 
klinisch  sehr  verschiedene  Dinge  versteht.  So  sind  die  gewöhnlichen 
Warzen  von  den  seborrhoischen  Warzen  Unna 's,  die  sehr  viel  Pigment 
enthalten,  gänzlich  verschieden. 

II.  Ledermann  stellt  eine  61jährige  Frau  vor,  die  vor  20  Jahren 
von  ihrem  Ehemanne  inficirt.  wurde,  damals  Quecksilber  und  Jodkali 
gebrauchte   und   dreimal   abortirte.    Jetzt  zeigt  Pat.   eine  Affection   der 


Verhandlungen  der  Berliner  dermatologischen  Vereinigung.      139 

Handteller,  die  wie  ein  einfaches  Ekzem  aussieht.  Wenn  man  aber  den 
Handrücken  betrachtet,  so  erkennt  man  deutlich  den  syphilitischen 
Charakter  des  Leidens.    Damit  ist  auch  die  Therapie  gegeben. 

Die  andere  Fat.,  68  Jahre  alt,  zeigt  ein  sehr  eigenthümliches,  jetzt 
in  Rückbildung  begriffenes  Exanthem.  Sie  erkrankte  vor  Weihnachten 
mit  sehr  heftigen  Kopfschmerzen  und  zahlreichen  Geschwüren  der  Kopf- 
haut. Die  jetzt  noch  sichtbaren  Narben  sind  unzweifelhaft  auf  verheilte 
Gommata  zurückzuführen.  Eine  Anamnese  existirt  nicht.  Die  Kranke,  seit 
Anfangs  März  in  Behandlung,  zeigte  ausser  den  jetzt  noch  bestehenden, 
etwas  abgeblassten  Pigmentflecken  deutliche  Infiltrate  in  der  damals  in 
Folge  der  schlechten  Ernährung  der  Fat.  sehr  atrophischen  Haut  des 
Nackens,  die  theils  confluirten,  in  der  Mitte  blass  waren  und  z.  Tb.  Kreis- 
form zeigten.  Fat.  hat  eine  Mercurialcur  durchgemacht,  die  Knoten  sind 
im  Schwinden  begriffen,  die  Figmentation  ist  zurückgegangen.  L.  glaubt, 
dass  es  sich  dabei  um  Gummata  handelte,  die  nicht  zur  vollen  Entwick- 
lung gelangten. 

L.  berichtet  dann  noch  über  einen  Fall  von  localisirter  Warzen- 
bildung des  Vorderarms  und  der  Hand  bei  einem  30jährigen  Arbeiter. 
Die  Warzen  beginnen  in  der  Mitte  der  Streckseite  des  Vorderarms  und 
dehnen  sich  über  den  Handrücken  nach  dem  kleinen  Finger  zu.  Der 
letztere  ist  vollkommen  von  einem  Angiom  umhüllt  und  dadurch  z.  Th. 
atrophisch.  Auch  im  Handteller  scheinen  durch  die  ziemlich  dicke  Epidermis 
bläuliche  Venen  hindurch,  welche  ebenfalls  zum  kleinen  Finger  ziehen 
und  in  das  Angiom  hineinfliessen.  An  der  betreff.  Hand  schwitzt  Fatient 
sehr  stark.  Ursachen  hat  L.  nicht  ermitteln  können,  auch  in  der  Literatur 
keinen  ähnlichen  Fall  gefanden. 

Lewin  erwähnt,  dass  bei  der  zweiten  Fat.  einzelne  noch  sichtbare 
Flecke  mit  Sclerodermie  en  plaques  Aehnlichkeit  haben.  Der  Einfluss 
der  Behandlung  scheint  allerdings  dagegen  zu  sprechen.  Der  noch  be- 
stehende Rest  der  Affection  bedarf  aber  vielleicht  noch  einer  weiteren 
genauen  Beobachtung. 

Rosenthal  hat  die  betr.  Fatientin  vor  der  Behandlung  gesehen 
und  den  Eindruck  gehabt,  dass  es  sich  nur  um  Gummata  handeln  könnte. 
Es  w^ar  eine  deutliche,  starke  Knotenbildung  in  der  vollständig  atrophisch 
geschrumpften  Haut  vorhanden.  Ihm  scheint  die  Diagnose  auch  durch 
den  therapeutischen  Erfolg  sicher  gestellt  zu  sein. 

III.  F  e  t  e  r  stellt  aus  der  Lassar'schen  Klinik  einen  Fall  von  Dühring'- 
scher  Krankheit  vor,  der  sich  hauptsächlich  durch  den  herpetischen  Charakter 
der  Efiiorescenzen  auszeichnet.  Es  handelt  sich  um  eine  38  Jahre  alte  Frau, 
die  zuerst  Anfangs  der  zwanziger  Jahre  auf  den  Oberarmen  erythema- 
tose  quaddelartige  stark  juckende  Eruptionen  bekam.  Dieselben  waren  von 
einem  Bläschenausbruch  gefolgt,  der  grösstentheils  in  Kreisen  angeordnet 
war.  Die  Bläschen  trockneten  ein  oder  wurden  zerkratzt,  hinterliessen 
aber  jedesmal  eine  Figmentnarbe.  Der  Froeess  wiederholte  sich  mehrmals, 
ging  aber  in  den  ersten  zehn  Jahren  nicht  über  die  Oberextremitäten 
hinaus ;  erst  in  den  letzten  8  Jahren  ist  derselbe  auf  die  Unterextremitäten 


140  Verhandlungen 

übergegangen  und  hat  hier  besonders  die  Streckseiten  ergriffen.  Die 
Schleimhäute  sind  immer  freigeblieben.  P.  bespricht  dann  die  Differential- 
diagnose gegenüber  Prurigo,  Ekzem  und  Erythema  multiforme.  Gegen 
letzteres  spricht  nach  seiner  Ueberzeugung  das  ganz  unsymmetrische  Auf- 
treten und  der  sehr  starke  Juckreiz ;  für  Dermatitis  herpetiformis  auch  die 
starke  Abgeschlagenheit  und  das  Fieber,  das  bei  den  Ausbrüchen  des 
Exanthems  für  gewöhnlich  vorhanden  ist. 

Kosenthal  erwähnt  einen  Fall  von  Dermatitis  herpetiformis,  den 
er  augenblicklich  in  Behandlung  hat  und  geht  dann  auf  die  Differential- 
diagnose zwischen  Dermatitis  herpetiformis  und  Herpes  Iris  des  näheren 
ein.  E.  glaubt  nicht,  dass  beide  Affectionen  vollständig  identisch  sind, 
da  der  Fall  von  Herpes  Iris,  den  er  in  einer  früheren  Sitzung  vorgestellt 
hat,  sich  von  demjenigen  von  Dermatitis  herpetiformis^  den  er  jetzt  in 
seiner  Klinik  hat,  doch  in  manchen  Punkten  unterscheidet. 

lY.  Palm  stellt  einen  Fall  von  sehr  ausgedehntem  Xanthelasma 
palpebrarum  vor.  Icterus  ist  nicht  vorhanden  und  auch  nie  vorhanden 
gewesen. 

Y.  Lewin  stellt  einen  Fail  von  Clav!  syphilitici  der  Handflächen 
vor,  eine  Affection,  die  ftüher  zu  dem  Gebiet  der  Psoriasis  syphilitica 
gerechnet  wurde.  Es  sind  das  kleine,  erbsengrosse  Efflorescenzen,  meisten- 
theils  rund  oder  länglich  oval,  die  tief  in  der  Haut  sitzen,  sensible  Stör- 
ungen hervorrufen  und  oft  das  einzige  Symptom  der  Syphilis  darstellen. 
Die  Pat.,  die  an  dieser  Affection  leidet,  kam  mit  einem  grossen  Ulcus 
durum  an  der  Schamlippe,  Roseola,  Condylomata  lata  und  Leucoderma 
zur  Aufnahme. 

L.  stellt  femer  einen  Pat.  vor,  der  vor  5  Jahren  mit  Ulcus  durum, 
Exanthem  imd  Geschwüren  an  der  Zunge  in  die  Gharite  aufgenommen 
und  damals  geheilt  wurde.  Er  zeigt  jetzt  grosse  Geschwüre  an  der  Wan- 
genschleimhaut und  auf  der  Zunge ;  bei  dem  letzteren  war  es  fraglich,  ob 
es  sich  um  ein  Carcinom  oder  um  ein  zerfallenes  Gummi  handelt.  Die 
Entscheidung  darüber  wurde  durch  die  Atrophie  der  Zungenbalgdrüsen 
erleichtert.  Nach  einer  subcutanen  Cur  gingen  die  Erscheinungen  schnell 
zurück,  blieben  dann  aber  plötzlich  stehen.  Die  genaue  mikroskopische 
Untersuchung  ergab  einen  negativen  Befund  für  Carcinom.  Jetzt  ist  noch 
die  Wange  infiltrirt,  die  Lippen  zeigen  kleine  Erosionen  und  die  Zunge 
ist  so  stark  geschwollen,  dass  Pat.  dieselbe  schwer  herausstrecken  kann. 
Er  hat  Jahre  lang  Jodkali  genommen,  die  Therapie  scheint  ihre  Grenzen 
erreicht  zu  haben.  Man  muss  trotzdem  von  Neuem  sowohl  mit  Jodkali 
als  auch  mit  Quecksilber  wieder  anfangen. 

Femer  stellt  L.  einen  Pat.  vor,  der  im  März  d.  J.  in  der  Lassar'- 
Bchen  Klinik  mit  salicyls.  Quecksilber  behandelt  wurde  und  dann  in  die 
Gharite  kam,  wo  er  ausser  einer  Iritis  eine  Chorioiditis  zeigte.  Nebenbei 
bestand  auf  dem  harten  Gaumen  ein  Tumor  von  der  Länge  eines  Eies? 
scharf  hervortretend,  von  ziemlich  harter  Conaistenz,  der  weder  als  ein 
Zahn  geschwör  noch  als  eine  Periostitis  au%efa8st  werden  konnte.  Es 
fragt  sich,    ob  Carcinom,   Sarcom  oder   eine  Gummigeschwulst   vorliegt' 


der  Berliner  dermatologischen  Vereinigung.  ]41 

För  das  letztere  spricht  die  Anamnese  und  die  Aplasie   der  Zungenbalg- 
drusen.     L.  bittet,  sich  über  den  Fall  zu  äussern. 

Ferner  stellt  L.  einen  Fall  von  syphilitischer  Erkrankung  der 
Higfamorsböble  vor,  welche  in  der  Literatur  bisher  noch  nicht  beschrieben 
wurde.  Die  Pat.  kam  vor  9  Jahren  mit  Geschwuren  an  den  unteren  Ex- 
tremitäten in  die  Charite,  erhielt  Jodkali  und  wurde  geheilt  entlassen. 
Jetzt  besteben  noch  an  diesen  Stellen  charakteristische  Narben  und  eine 
Aplasie  der  Zungenbalgdrusen.  Bei  der  Aufnahme  zeigt.e  sich  auf  der 
rechten  Wange  eine  deutliche  Anschwellung  und  aus  der  Nase  floss  eitriges 
Secret.  Femer  bestand  ein  Defect  in  der  Nasenmuschel  und  eine  Per- 
foration in  die  Highmorshöhle.  Wenn  man  mit  einer  elektrischen  Lampe 
in  den  Mand  eingeht,  so  bleibt,  während  sonst  beide  Seiten  der  Highmors- 
höhle darchleuchtet  werden,  die  erkrankte  Seite  natürlich  dunkel.  Die 
Secret ion  hat  inzwischen  nach  Jodkali  und  nach  Einfuhrung  von  Jodoform- 
tampons bedeutend  nachgelassen.  Die  Methode  der  Durchleuchtung  der 
Higbrnorsbölhe  ist  bis  jetzt  bei  Syphilis  noch  nicht  angewendet  worden. 
Lassar  glaubt,  dass  man  bei  dem  zweiten  von  Lewin  vorge- 
stellten Fall  auf  die  Diagnose  Syphilis  verzichten  muss,  da  das  Leiden 
sich  der  specifischen  Therapie  gegenüber  so  hartnäckig  erweist,  und  man 
daher  eher  an  einen  malignen  Tumor  wird  denken  müssen. 

V.  Isaac.  „Die  neueren  Forschungen  über  den  Zusammenhang 
zwischen  Tabes  und  Syphilis." 

Die  Tabes  macht  in  ihren  klinischen  und  anatomischen  Verhält- 
nissen ebenso  wie  die  progressive  Paralyse  so  eigenartige  Erscheinungen, 
dass  dieselbe  eine  Ausnahmestellung  unter  den  Organerkrankungen  des 
Körpers  einnehmen  muss.  Heredität,  sexuelle  Excesse,  Alkoholismus 
werden  der  Reihe  nach  fär  eine  Degeneration  der  Hinterstränge  be- 
schuldigt und  schliesslich  als  Hauptursache  die  Syphilis  angesehen.  Es 
sind  nnr  wenig  Stimmen  heutzutage,  die  sich  gegen  den  syphilitischen 
Ursprung  der  AflFection  erheben,  so  Leyden  und  Tarnowsky.  Der 
Hauptangrifif  richtet  sich  besonders  gegen  den  wichtigsten  Punkt  der 
Theorie  des  Zusammenhangs  zwischen  Syphilis  und  Tabes,  nämlich  dass 
antisyphilitische  Curen  so  gut  wie  gar  keinen  Erfolg  bei  der  Behandlung 
der  Tabes  aufweisen.  Die  letzte  Arbeit  aus  der  Erb'schen  Klinik  von 
Dinkler  sucht  durch  Beibringung  von  reichlichem  Krankenmaterial  auch 
diesen  Angriffspunkt  zu  entkräften.  I.  verfügt  über  25  einschlägige  Fälle 
und  sucht  folgenden  Fragen  näher  zu  treten:  1.  Ist  es  wahr,  dass  in  der 
Anamnese  der  Tabeskranken  Syphilis  häufiger  vorkommt,  als  andere  sup- 
ponirte  Krankheiten?    2.  Wann  tritt  im  Verlauf  der  Syphilis  Tabes   auf? 

3.  Wie  wäre  ein  Zusammenhang  zwischen  Syphilis  und  Tabes  zu  erklären  ? 

4.  Wie  verhält  es  sich  mit  der  antisyphilitischen  Cur  bei  Tabes  ? 

Was  den  statistischen  Nachweis  der  grösseren  Häufigkeit  der  Tabes 
als  Folgekrankheit  der  Syphilis  anbetrifft,  so  glaubt  I.,  dass  in  der  Auf- 
stellung der  Statistiken  grobe  Irrthümer  vorgekommen  sind,  da  viele 
Fälle  als  Syphilis  angeführt  sind,  bei  denen  es  sich  nur  um  Gonorrhotn 
oder  um  ülcera  moUia  handelt.     Sowohl  die  Aerzte  sind  in  dieser  Bezie- 


142  Verhandlungen 

Lung  nach  seiner  üeberzeugung  schnell  mit  der  Diagnose  bei  der  Hand, 
als  auch  die  Laien,  die  die  Unterschiede  zwischen  diesen  Affectionen  nicht 
kennen.  Es  muss  andrerseits  eingeräumt  werden,  dass  bei  einer  grossen 
Anzahl  von  Fällen,  bei  denen  vorher  Syphilis  vorhanden  war,  doch  noch 
andere  Momente  mitgespielt  haben  dürften.  So  z.  B.  ist  es  bekannt,  dass 
nach  grossen  Kriegen  die  Tabesfalle  sich  häufen,  wobei  Erkältungen  und 
grosse  Strapazen  als  erste  Ursachen  herangezogen  werden  müssen. 

Für  die  zweite  Frage  fehlt  die  genauere  Ziffernunterlage,  doch 
nehmen  die  Autoren  im  Allgemeinen  an,  dass  die  Tabes  zwischen  1 — 25 
Jahren  nach  stattgehabter  Infection  gewölmlich  im  Durchschnitt  S'/,  Jahre 
später  auftreten  kann.  Für  den  Syphilidologen  muss  von  wesentlicher  Be- 
deutung sein,  ob  es  neben  der  typischen  Tabes  noch  eine  sog.  atypische 
oder  Pseudotabes  gibt,  bei  der  die  Erscheinungen  durch  specifische,  ana- 
tomische Veränderungen  des  Rückenmarks  hervorgerufen  werden,  und 
femer  ob  bei  den  Kranken  neben  der  angeblich  durch  Syphilis  bedingten 
typischen  Tabes  noch  andere,  manifeste  Zeichen  von  Syphilis  vorhanden 
sind.  Jedenfalls  ist  sicher  eonstatirt,  dass  die  Tabes  nach  Syphilis  von 
der  sogen,  typischen  Tabes  keinerlei  Unterschiede  macht,  es  sei  denn, 
dass  man  die  bei  Syphilitikern  mit  Vorliebe  auftretenden  Gehimerschein- 
ungen,  namentlich  Oculomotoriuslähmungen,  als  besondere  diagnostische 
Kriterien  hinstellen  will. 

Was  die  dritte  Frage  anbetrifft,  so  ist  es  klar,  dass,  da  alle  schon 
oben  angeführten  Momente,  wobei  auch  die  Heredität  und  Bildungsano- 
malien in  der  Structur  des  Nervengewebes  als  Disposition  zu  derartigen 
Erkrankungen  angeführt  werden  können,  bei  der  Tabes  die  Nerven- 
elemente primär  getroffen  werden  und  die  Betheiligung  des  Bindegewebes 
eine  untergeordnete  ist.  Es  handelt  sich  also  dabei  um  parenchymatöse 
Processe,  während  die  Signatur  der  Syphilis  interstitielle  oder  geschwulst- 
förmige  Erkrankungen,  die  stets  vom  Bindegewebe  ausgehen,  bildet;  mit 
anderen  "Worten :  die  Syphilis  macht  Herderkrankungen,  die  Tabes  System- 
erkrankungen. 

Was  die  Frage  der  Behandlung  der  Tabes  anbetrifft,  so  stimmen 
die  Ansichten  selbst  vieler  Anhänger  der  Erhaschen  Theorie  dahin  überein, 
dass  antisyphilitische  Curen  wegen  der  geringen,  wenn  nicht  schädlichen 
Einwirkung  auf  den  Krankheitsverlauf  des  Leidens  direct  zu  vermeiden 
sind.  Welchen  Einfluss  neben  der  antisyphilitischen  Cur  die  in  fast 
jedem  Falle  angewendeten  Argent.  nitr.  Pillen,  Elektricität  und  Bäder 
auf  die  meist  vorübergehende  Besserung  gehabt  haben,  wird  in  der 
Dinkler'schen  Arbeit  übergangen.  Gehört  aber  die  Tabes  wirklich  zu 
den  malignen  syphilitischen  Erkrankungen,  etwa  wie  schwere  Gehim- 
syphilis,  so  können  nur  sehr  grosse  Dosen  von  Jodkali  und  Quecksilber 
in  combinirter  Anwendungsmethode  Garantie  für  einen  etwaigen  Erfolg 
1)ieten.  L  lässt  es  dahin  gestellt,  ob  es  nicht  gewagt  ist,  die  ohnehin 
durch  ihr  schweres  Nervenleiden  geschwächten  Pat.  in  dieser  Weise  zu 
behandeln,  namentlich  da  Fälle  von  Tabes  mit  manifesten  luischen  Er- 
scheinungen unter  einer  specifischen  Cur  eine  Verschlimmerung  nicht  zwar 


der  Berliner  dermatologisclien  Vereinigung.  143 

der  specifischen,  aber  der  tabischen  Erscheinungen  erfahren.  Ein  Ana- 
l<^oii  sieht  man  bei  Syphilitikern,  die  an  Lungenphthisis  leiden,  bei 
denen  ebenfalls  Mercnr  einen  schädlichen  Einfloss  ausübt.  Der  Erhasche 
Vorschlag,  in  allen  Fällen  von  Tabes  eine  Schmierkur  einzuleiten,  scheint 
daher  jeder  Begründung  zu  entbehren.  I.  stellt  deshalb  folgende 
Thesen  auf: 

1.  Die  Statistiken  haben  zu  viele  Fehlerquellen,  um  zu  einem  siche- 
ren Besnltate  über  den  ätiologischen  Zusammenhang  zwischen  Lues  und 
Tabes  zu  gelangen. 

2.  Syphilis  steht  zur  Tabes  in  keinerlei  ätiologischer  Beziehung, 
höchstens  kann  sie  wie  alle  anderen  zur  Tabes  fuhrenden  Einflüsse  auf 
ein  disponirtes  Nervensystem  schwächend  einwirken. 

3.  Antisyphilitische  Guren  sind  bei  der  Tabes  contraindicirt. 
Koch  g^bt  im  Anschluss  an  diesen  Vortrag  eine  üebersicht  über 

die    in    der    Literatur  vorhandenen,    einschlägigen  Arbeiten.    Die    Dis- 
cnssion  wird  auf  die  nächste  Sitzung  vertagt. 

0.  Rosenthal. 


Verhandlungen  der  Wiener  derraatologisclien 

Gesellschaft. 


Sitzung  vom  11.  October  1893. 

Vorsitzender:  Neumann.    Schriftführer:  Cehak. 

I.  K  ap  o  s  i  zeigt  1.  ein  Mädchen  mit  einer  Affection,  die  er  vorderhand 
als  Erythema  folliculare  desquamativum  bezeichnen  möchte.  Ausser  den 
bekannten  Afifectionen  mit  allgemeiner  Röthung  und  Schuppung  der  Haut, 
Pityriasis  rubra,  Liehen  ruber,  Psoriasis  universalis,  Eczema  universale 
wurden  in  den  letzten  Jahren  ähnliche  Processe  beschrieben.  Fälle  mit 
Andeutung  von  allgemeiner  Röthung  und  Schuppung  hat  Besnier  als 
Erythrodermie  bezeichnet.  Dann  haben  Y  i  d  a  1  und  B  r  o  c  q  eine  sehr  schöne 
Arbeit  über  die  Maladie  de  Erasmus  Wilson  geliefert,  bei  der  sie  auch 
Erblindungen  und  Todesfalle  anfuhren.  In  dieselbe  Kategorie  gehört  eine 
Erkrankung,  die  hier  jetzt  nicht  zum  erstenmal  vorgestellt  wird,  für  die 
ich  aber  keinen  Namen  weiss,  obwohl  ich  sie  in  der  4.  Auflage  meinea 
Buches  erwähnt  habe.  Es  sind  Gründe  genug  vorhanden,  den  Process  ala 
Erythem  zu  bezeichnen,  speciell  als  E.  folliculare.  Die  Knötchen  entsprechen 
nämlich  den  Follikeln.  Die  anfangs  lebhafte  Röthe  wird  in  Stunden  oder 
Tagen  zur  Blauröthe.  Einzelne  Knötchen  breiten  sich  wie  ein  Erythem  aus 
bis  Kreuzer-  und  Thalergrösse.  In  der  Localisation  wird  das  Erythema 
multiforme  nachgeahmt,  indem  diffuse  Erytheme  an  den  Streckseiten  und 
an  der  Halsregion  auftreten,  wobei  die  rapide  Abschuppung  zur  Bildung 
von  grossen  Krustenlamellen  führt  und  eine  hyperämische  blauröthe  Haut- 
fläche  zurücklässt.  Schliesslich  wird  die  Affection  universell,  das  Gesicht 
glatt,  glänzend,  es  entsteht  eine  Art  Ectropium,  die  Leute  kommen  sehr 
stark  herunter ;  binnen  2 — 4  Monaten  werden  sie  ganz  gut,  ohne  dass  man 
irgend  eine  Therapie  als  beeinflussend  annehmen  könnte.  Ein  anderes 
Mal  tritt  genau  dieselbe  Affection  chronisch  auf,  dauert  8 — 10  Monate  imd 
vielleicht  noch  länger.    Ich  zeige  Ihnen  die  Abbildung  des  Falles,   den 


der  Wiener  denuatologischen  Gesellschaft.  145 

wir  voriges  Jahr  hier  hatten;  die  Sache  beginnt  mit  einem  Erythema 
Folliculare,  einzelne  Knötchen  sieht  man  schon  sich  peripher  aasbreiten, 
das  Gesicht  schnppt  diffus  ab;  die  Person  lag  6  Wochen  bei  uns,  wir 
gaben  ihr  Arsenik  innerlich;  die  Sache  schien  gut  zu  werden,  doch  ist 
sie  noch  nicht  ganz  geheilt  Yor  ca.  8  J.  habe  ich  den  17jährigen  Sohn 
einer  Fleischselcherin  vorgestellt,  der  genau  dieselbe  Erkrankung  zeigte; 
wir  dachten  damals  an  ein  toxisches  Erythem;  das  ganze  dauerte  4 
Monate,  bis  es  gut  wurde.  Die  Exsudation  war  so  mächtig,  dass  sich 
nebst  den  allgemeinen  Knötcheneruptionen  auf  der  Streckseite  der  Ell- 
bogen und  Knie  ganze  Krustenlamellen  bildeten. 

Bei  diesem  Kinde  nun  hat  das  Gesicht  bereits  das  Aussehen  wie 
bei  allen  desquamativen  Processen,  Epidermis  glatt,  glänzend,  vielfach 
schülfemd,  Ectropium,  tiefe  Furchung  der  Stime,  am  Nacken  Zerklüf- 
tungen der  Epidermis,  am  Stamme  noch  deutlich  kenntlich  das  Entstehen 
aus  massig  derben,  unter  dem  Fingerdruck  abblassenden  Knötchen,  an 
den  Knien  Desquamation,  wobei  die  Gentren  bereits  von  Epidermis 
entblösst  sind,  während  am  Rande  wie  bei  Pemphigus  foliaceus  die  Epi- 
dermis unterwühlt  erscheint.  Das  Kind  fiebert  nicht,  das  ganze  dauert 
8  Tage,  binnen  welcher  Zeit  das  Erythem  eine  so  kolossale  Ausbreitung 
gewann. 

Der  Vater  gibt  an,  voriges  Jahr  habe  das  Kind  dasselbe  gehabt, 
daraufhin  habe  es  MorbiUen  bekommen;  das  ganze  dauerte  damals  2 
Monate. 

Ich  kann  weder  über  die  innere  Bedeutung  des  Processes  noch  über 
die  ätiologischen  Momente,  noch  über  die  Verlaufsweise  oder  Prognose 
etwas  sagen.  Einen  ganz  ähnlichen  Fall  zeige  ich  Ihnen  im  Bilde,  wo 
die  Sache  über  ein  Jahr  dauerte  und  auch  aus  solchen  Anfangen  her- 
vorging ;  in  noch  einem  andern  ging  die  Affection  von  den  Gelenksbeugen 
aus,  schritt  mit  einem  gerötheten  Rand  weiter. 

Dass  die  Knötchen  als  erste  Eruption,  von  der  die  diffusen  Rö- 
thungen  ausgehen,  wobei  jedoch  an  einzelnen  Stellen  sofort  flächenhafte 
Röthungen  auftreten,  ist  immer  schwer  zu  deuten.  Wenn  man  solche 
Dinge  nur  durch  Publioationen  Anderer  kennen  gelernt  hat,  so  wird  die 
gegenseitige  Verständigung  äusserst  erschwert; 

2.  im  Vergleich  dazu  einen  Mann  mit  Psoriasis  universalis, 
der  mit  kleinen  Knötchen  wie  besäet  war ; 

3.  eine  Frau  mit  Psoriasis  universalis,  die  im  Gesichte  auch  einen 
satinartigen  Glanz  bietet,  mit  diffuser  Röthung  und  Trockenheit  der 
jungen  Epidermis. 

Wieviel  Dunkel  noch  auf  diesem  Gebiete  herrscht,  wird  Ihnen  aus 
einem  von  mir  vor  3 — 4  Tagen  zum  erstenmal  gesehenen  Falle  klar 
werden,  der  in  seiner  Art  ein  Unicum  ist;  es  handelt  sich  dabei  um  eine 
acute  Eruption  von  Knötchen  von  erytbematöser  Form,  hie  und  da  mit 
Gangrän,  vollständiger  Verschorfung,  so  dass  ganz  das  Bild  einer  Rupia 
syphilitica  acuta  entsteht. 

ArchiT  f.  Dermatol.  n.  Syphll.  Band  XXVI.  2Q 


146  yerbandlangen 

4.  ein  Madchen  mit  einer  Erkrankung  analog  jener  der  Wärterin,  die 
sich  auf  der  DittePschen  AbtheUong  mit  einem  Nagel  ritzte  und  nach 
einiger  Zeit  in  aufsteigender  Linie  Blasenemptionen  bekam,  die  3^4 
Monate  halbseitig  loealisirt  blieben  nnd  dann  universell  wurden.  Das 
ganze  dauerte  3  Jahre,  die  Patientin  kam  furchtbar  herunter,  allerlei 
nervöse  Störungen  traten  ein,  ähnlich  wie  bei  Pemphigus  neuroticus.  Bei 
der  demonstrirten  Patientin  wurde  im  vorigen  Jahre  ein  Finger  der  1. 
Hand  exnucleirt  wegen  chronischem  Panaritium,  wovon  noch  die  feste 
Narbe  sichtbar  ist.  Von  dieser  aus  bildete  sich  eine  Reihe  von  Blasen  über 
den  ganzen  Vorderarm  hinauf. 

n.  Ehrmann  zeigt  einen  Mann,  der  zu  beiden  Seiten  der  1.  Ferse 
rostbraune,  punktförmige,  zu  Gruppen  stehende  Flecke  bietet. 

Er  erinnert  an  die  von  ihm  im  vorigen  Jahre  demonstrirten  Fälle, 
die  ganz  ähnliche  Erscheinungen  boten.  Der  erste  Fall  betraf  ein  anä- 
misches Individuum,  das  den  ganzen  Tag  auf  den  Beinen  war  und  zwar 
nicht  bloss  stand,  sondern  auch  starke  Muskelanstrengungen  machte;  im 
2.  Falle  litt  das  Individuum  an  Rheumatismus.  Die  punktförmigen  Hämor- 
rhagien  haben  erst  ihren  Grund  in  einer  Alteration  der  Gefasswand,  doch 
muss  als  unterstützendes  Moment  eine  chronische  Stauung  hinzutreten, 
die  sich  meist  in  Form  von  Yenenectasien  zeigt.  Es  kommt  dann  bei 
Leuten,  die  nicht  normale  Capillaren  haben,  zur  Berstung  der  Gapillar- 
wand,  und  von  dem  ausgetretenen  Blut  bleibt  ein  brauner  Farbstoff 
zurück.  In  dem  einen  Falle  fanden  sich  auch  Hämorrhagien  in  den  Ef- 
florescenzen  eines  bestehenden  Liehen  scrophulosorum.  Heuer  sah  E. 
eine  ältere  Frau  mit  hochgradiger  harnsaurer  Diathese;  die  Pat.  bekam 
am  ganzen  Körper  Hämorrhagien,  die  ebensolche  rostfarbene  Flecke  hin- 
terliessen. 

In  dem  demonstrirten  Falle  —  Postbeamter,  der  oft  10 — 12  Stunden 
stehen,  aber  auch  in  der  Postambulanz  von  Fach  zu  Fach  gehen  muss  — 
legt  E.  auf  die  Muskelcontractionen  ein  grosses  Gewicht,  üeber  die  prä- 
disponirende  Ursache  lassen  sich  nur  Hypothesen  aufstellen.  Vor  4 — 5 
Jahren  Lues.  Man  könnte  vielleicht  in  solchen  Fällen  durch  genaue  Be- 
obachtung und  Zusammenstellung  zu  einem  positiven  Resultat  kommen. 

Derselbe  Patient  hatte  im  Jahre  1887  eine  beiders.  Paraurethritis 
und  zwar  beiders.  neben  dem  Frenulum.  E.  behandelte  ihn  mit  Elektro- 
lyse mittels  Einstechen  einer  Nadel  bis  in  den  Sack,  ein  Verfahren,  das 
nach  ihm  auch  Jadas söhn  einschlug.  Bis  auf  eine  kleine  Einziehung  hat 
sich  alles  vollkommen  geschlossen. 

Neumann.  Als  Prodromalexanthen  von  Variola  sieht  man  bis- 
weilen längs  des  Verlaufes  der  Muskeln  Hämorrhagien  in  Form  von  Pe- 
techien, was  für  den  Einfluss  der  Muskelwirkung  auf  das  Entstehen  von 
solchen  Hämorrhagien  und  dem  Zusammenhang  der  Muskel-  und  Haut- 
capillare  spricht. 

in.  Hlawatsch  zeigt  eine  50j ähr .  Frau  aus  der  Abtheilung  Scholz 
mit  Melanosarcom.    Im  Sommer    des    vorigen   Jahres    hat    sich    ein    ca. 


der  Wiener  dennatologischen  Gesellschaft.  147 

4kreazerstück  grosser  dunkler  Fleck  in  der  r.  Lendengegend  gebildet, 
der  zu.  nässen  anfing,  juckte  und  sich  ziemlich  rasch  vergrösserte.  Im 
April  d.  J.  suchte  Pat.  die  Klinik  Albert's  auf.  An  Stelle  des  Fleckes 
hatte  sich  ein  stark  eiternder  Tumor  entwickelt;  im  Umkreise  waren 
bereits  Metastasen.  Albert  sah  von  der  Operation  ab  und  verordnete 
lediglich  ein  Eisenpräparat. 

Wir  finden  einen  ca.  faustgrossen  höckerigen  Tumor  mit  blumen- 
kohlartiger Oberfläche,  pilzartig  überwuchernd,  Metastasen  in  der  Um- 
gebung, in  der  Haut  des  Rumpfes,  der  Extremitäten  und  in  den  inneren 
Organen.  Früher  sass  an  dieser  Stelle  ein  Naevus,  überhaupt  kommen  Naevi 
in  ihrer  Familie  häufig  vor. 

Der  Harn  war  zeitweilig  dunkel  geförbt,  enth.  Melanogen.  Gegen- 
wärtige Behandlung :  Arsenik  innerlich.  Die  histologische  Untersuchung  wird 
Ausgeführt  werden. 

IV.  Kaposi  demonstrirt  einen  65jähr.  Mann  mit  multiplem  idiopa- 
thischem Figmentsarcom.  Derselbe  zeigt  eben  dieselben  Erscheinungen 
wie  jener  Fall,  wo  der  Knotenbildung  an  Füssen  und  Händen  diffuse 
Blauröthe  mit  derber  fibröser  Infiltration  vorherging,  so  dass  dadurch 
«ine  kolossale  schmerzhafte  Spannung  entstand,  die  den  Pat.  Tag  und 
Nacht  quälte,  während  am  übrigen  Körper  schon  ganz  prononcirte  Knoten 
waren.  Erst  später  traten  innerhalb  der  infiltrirten  Partien  Knoten  auf.  K. 
machte  damals  aufmerksam,  dass  er  schon  1870  auf  das  Vorkommen  mikro- 
skopischer Hämorrhagien  in  dem  Gewebe  hinwies  und  ausfahrte,  dass  die 
Pigmentirung  nicht  so  entstehe  wie  bei  den  melanotischen  Sarcomen, 
sondern  einzig  und  allein  aus  den  Hämorrhagien  entstehe,  indem  die  Zer- 
reisslichkeit  der  Blutgefässe  das  Primäre  sei. 

Der  demonstrirte  Pat.  ist  ein  analoger  Fall.  Beide  Hände  und 
Füsse  zeigen  diffuse  Blauröthe  mit  derber  Infiltration,  eigentlich  relativ 
wenig  Knoten,  einzelne  zu  fungösen  Geschwülsten  angewachsen,  die  hie 
und  da  bersten  und  bluten.  Stellenweise  Eückbildung  der  Knoten.  Auf 
der  Schleimhaut  nichts.  Nur  am  Stamm  ein  paar  Knoten.  Pat.,  der  schon 
6  Jahre  an  der  Affiection  leidet,  befindet  sich  ziemlich  wohl. 

V.  Nobel  demonstrirt  (aus  der  Abtheilung  Lang) 

1.  einen  Mann  mit  einer  seltenen  Form  von  universeller  Acne,  an 
den  U.  E.  charakteristische  honigwabenartige  Auflagerungen. 

2.  einen  Mann  mit  einer  seltenen  Complication  des  gonorrhoischen 
Urethralprocesses,  näml.  metastatische  gonorrhoische  Iritis.  Vor  10  Wochen 
Gonorrhoe,  darauf  beiders.  Gonitis,  dann  eine  Augenaffection ,  die  die 
Ophthalmologen  für  eine  Blenorrhoea  conjunct  erklärten.  Dazu  trat  Er- 
krankung der  beiders.  Tibio-Tarsalgelenke  und  der  kleinen  Zehengelenke 
auf.  Function  des  r.  Kniegelenks  ergab  trüb  serös  eitrige  Flüssigkeit,  durch 
Cultur  w^urde  in  derselben  nur  Staphyloc.  pyogen,  aur.  gefunden.  Die 
Augenaffection  nahm  nach  14  Tagen  eine  günstige  Wendung,  später  ent- 
wickelten sich  Iritis  und  catarrhal.  Geschwüre  auf  der  Cornea.  Der 
Process  ging  langsam  zurück.  Die  Therapie  (Salol)  nahm  keinen  beson- 
deren Einfluss  darauf.    Das  rasche  Schwinden    der  Augenaffection   Hess 

10* 


148  Verhandlungen 

den  Verdacht  begründet  erscheinen,  dass  dieselbe  keine  primäre  sei.  Vor 
2  Tagen  trat  Iritis  auf  dem  bisher  gesunden  Auge  auf;  als  Ursache  war 
nur  die  Urethralafifection  aufzufinden.  Die  Iritis  unterscheidet  sich  in 
nichts  von  dem  gewöhnlichen  Bilde. 

3.  ein  Mädchen,  die  seit  8  Wochen  an  Gonorrhoe  leidet,  vor  4 
Wochen  eine  Ulceration  der  Cornea  mit  Perforation  sich  zuzog,  Irisprolaps 
trat  ein. 

Lang  bemerkt, dass  man  wohl  diese Affectionen  mit  der  Blenorrhoe 
in  Zusammenhang  bringen  muss,  dass  jedoch  nicht  mit  Bestimmtheit  gesagt 
werden  kann,  dass  die  Gonococcen  die  Metastase  herbeifähren.  Es  ist  ja 
möglich,  dass  andere  Entzündungserreger  in  die  Cornea  verschleppt 
wurden,  aber  der  klinische  Zusammenhang  mit  Blenorrhoe  ist  wohl  nicht 
von  der  Hand  zu  weisen. 

Ehr  mann  sah  im  heurigen  Sommer  einen  Fall,  der  ihm  zur  lo- 
calen  Behandlung  der  Blenorrhoe  überschickt  wurde.  Es  war  die  2. 
Kecidive,  in  der  3.  kam  eine  Iritis  blenorrhoica,  der  Pat.  war  wiederholt 
wegen  blenorrhoischer  Gelenksaffectionen  in  Pistyan.  Bei  Blenorrhoikem 
sah  man  nicht  selten  gewisse  schmerzhafte  Infiltrationen,  nicht  grösser  als 
eine  Erbse  oder  Bohne,  in  Fascien  auftreten,  auch  vielleicht  in  den  seh- 
nigen Spiegeln,  die  die  Muskeln  überziehen,  so  über  der  Supinatoren- 
gruppe,  in  der  Fascia  teres,  in  der  Fascie,  welche  die  Vasti  überzieht. 
Die  Mikroben,  Streptococcen  oder  andere  Eitererreger  nehmen  ja  immer 
dieselben  Wege.  Aehnlich  ist  dies  auch  bei  der  Syphilis  der  Fall,  wo  wir 
das  Virus  gar  nicht  kennen.  Es  wäre  interessant,  nachzudenken,  warum 
das  Virus  immer  in  derselben  Richtung  abgelagert  wird,  das  könnte  zu 
einer  interessanten  allgemein  pathologischen  Beobachtung  führen,  die  auch 
klinisch  zu  verwerthen  wäre. 

VI,  Hierauf  hält  Dr.  Arnold  Lorand  seinen  Vortrag: 

Neuere  Beobachtungen  über  Lepra  in  Schweden 

und  Norwegen. 

Während  des  Sommers  dieses  Jahres,  welchen  Dr.  Lorand,  mit 
Empfehlungen  und  Weisungen  Prof.  Neumanns  versehen,  behufs  Studiums 
der  Lepra  in  Schweden  und  Norwegen  zugebracht  hatte,  fand  er,  dass  es 
in  Schweden  Lepra  in  bedeutender  Ausbreitung  gebe.  So  fand  Dr.  Lorand 
2  Personen  in  Dalekarlien  in  dem  Kirchspiel  Leksand,  eine  Mutter  und 
Tochter,  wo  die  Tochter  Lepra  tuberosa  hatte  mit  Knötchen  im  Auge, 
während  die  Mutter,  deren  Krankheit  gar  nicht  bekannt  war,  Lepra 
anästhütica  hatte.  In  Mora  in  Dalekarlien  fand  er  4  Personen,  wovon  einer 
Lund  Pers  Larsson  im  Krankenhause  von  Mora  mit  Lepra  tuberosa  in- 
temirt  war,  die  anderen  3  wieder  angaben,  von  ihm  angesteckt  worden 
zu   sein. 

Der  74  J.  alte  Djugos  Per  Persson  gab  an,  Lund  Per  Larsson  eine 
Nacht  beherbergt  zu  haben,  und  7  Monate  darauf  bemerkte  er  die  ersten 
Symptome  der  Krankheit ;  die  50jährige  Finn  Kjerstin  Matsdotter  gab  an^ 
öfters   die  Schwester  des  Lund  Per  Larsson  besucht  und  auch  mit  ihm 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  149 

selbst  verkehrt  zu  haben.  Die  dritte  Person,  welche  vonLundPer  Larsson 
Lepra  aqmrirt«,  war  seine  Schwester,  welche  seit  2  Jahren  erkrankt  war. 
In  der  kleinen  Ortschaft  Vamhus  unweit  von  Mora  gibt  es  9  Fälle  von 
Lepra,  so  dass  dies  ein  endemischer  Lepraherd  ist.  In  ganz  Dalekarlien 
gibt  es  30  Fälle.  Man  findet  hier  die  Lepra  in  den  am  Siljan-See  und 
entlang  der  Dal'elf  liegenden  Ortschaften. 

Der  Provinzialarzt  von  Leksand  erzählte  Dr.  Lorand,  dass  einer 
seiner  Patienten  Lepra  dadurch  acquirirte,  dass  er  5  Jahre  die  von  einem 
Leprösen  gekauften  Kleider  trug.  Nach  Ablauf  dieser  5  Jahre  kamen  die 
ersten  Symptome  der  Lepra  zum  Vorschein. 

Dr.  Lorand  findet,  dass  die  in  Dalekarlien  gesehener  Fälle  unter 
die  schrecklichsten  der  238  Fälle,  welche  er  in  Schweden  und  Norwegen 
gesehen  hatte,  gehörten,  und  dass  der  Mangel  an  Pflege  daran  hauptsäch- 
lich Schuld  wäre. 

Die  zweite  Provinz,  wo  Lepra  endemisch  vorkommt,  ist  nach  Dr. 
Lorand  die  Provinz  Helsingland.  Hier  liegt  auch  das  Lepra  Hospital 
in  Jerfsö,  an  der  Linie  der  schwedischen  Staatsbahnen  nach  Norrland. 

Das  Hospital  wurde  im  Jahre  1864  errichtet  und  beherbergt  50  Pa~ 
tienten.  Director  des  Hospitals  ist  Dr.  Frederich  Ohm.  Als  interessante 
Fälle  von  den  Patienten  erwähnt  Dr.  Lorand  einen  Fall  von  Lepra  tube- 
rosa,  wo  am  Penis  mehrere  runde,  hart  anzufühlende  Geschwüre  waren, 
die  von  exulcerirten  Knötchen  herrührten,  und  dabei  die  Leistendrüsen 
beiderseitig  geschwellt  waren.  Weiterhin  den  Fall  eines  anästhetischen 
alten  Patienten,  der  an  der  Ferse  ein  tief  greifendes  Geschwür  hatte,  und 
dessen  Schuhe  eiserne  Nägel  vorwiesen,  auf  denen  der  Patient  herumging, 
ohne  sie  zu  fühlen.  Vortragender  meint,  dass  neben  anderen  durch  die 
anästhetische  Lepra  bedingten  Momenten  auch  diesem  Umstände  eine 
gewisse  Rolle  zufallen  würde.  Weiterhin  sah  Dr.  Lorand  zahlreiche 
Panaritien,  welche  wahrscheinlich  so  entstanden  sind,  dass  die  Patienten 
gewisse  schädigende  Momente,  so  beim  Angreifen  spitziger  Gegenstände 
nicht  fühlen,  und  durch  die  entstandenen  Excoriationen  der  Weg  für  die 
Eiterung  hervorrufende  Mikroorganismen  geebnet  würde. 

Bei  den  meisten  Patienten  fehlten  die  Augenbrauen,  wie  auch  die 
Gegend  der  Augenbrauen  der  Lieblingssitz  der  Knötchen  ist.  Dieses  Fehlen 
der  Augenbrauen  kann  man  sowohl  bei  der  tuberösen,  wie  auch  nach 
Photographien  im  Besitze  Dr.  Lorand's  bei  der  anästhetiachen  Form  finden. 

Dr.  Lorand  fand  an  den  Knoten  oft  einen  Nabel  in  der  Mitte, 
welcher  sich  gegen  die  Peripherie  zu  auszubreiten  pflegte,  bis  das  Ganze 
nnter  das  Niveau  der  Haut  eingesunken  war.  Besonders  konnte  man  solche 
eingesunkene  Stellen  oberhalb  der  Augenbrauen  finden.  Bei  einem  über- 
haselnussgrossen  Knoten  fand  er  denselben  aus  4  kleineren  bestehend. 

Bei  einem  Mädchen  in  Reitgjaerdet  fand  Dr.  Lorand  im  Gesichte 
nur  vereinzelte  wenige  Knoten,  wenn  er  aber  mit  dem  Finger  über  die 
Haut  glitt,  konnte  er  deutlich  in  der  Tiefe  zahlreiche  Knötchen  fühlen. 

Die  Anästhetiker  hatten  eine  charakteristisch  gelb-weisse  Gesichts- 
farbe, dabei  im  Gesichte  gar  keine  Mimik,  dasselbe  ganz  ausdruckslos  und 


1 50  Verhandlungen 

etarr,  so  dass  er  dasselbe  am  liebsten  mit  dem  Gesichtsausdrucke  bei  Paralysis 
agitans  vergleichen  möchte.  Dabei  Ectropium  der  Augenlider,  wie  der  Unter* 
lippe,  so  dass  die  Pat.  gegen  den  lästigen  Speichelfluss  beim  Sprechen  oder 
Speisen  die  Unterlippe  mit  dem  Zeigefinger  in  die  Höhe  schieben  mussten. 
Bei  den  Anästhetikem  fand  er  constant  die  Verstümmelungen  der  Finger 
oder  Zehen,  oder  der  ganzen  Hand  manchmal,  wie  auch  öfters  des  ganzen 
Vorderfusses.  Sehr  oft  hatten  die  verstümmelten  Extremitäten  gar  keine 
J^arbe,  so  dass  die  Haut  über  den  Stümpfen  vollkommen  glatt  war.  Dabei 
waren  die  Stümpfe  der  Füsse  ganz  plump,  stark  geschwellt,  hypertrophisch, 
so  dass  sie  mit  ihrem  plumpen,  kurzen  Aussehen  wie  Elephantenfüsse  aus- 
schauten. Die  Ursache  dieser  Erscheinong  dürfte  vielleicht  sein,  dass  in- 
dem die  Patienten  den  fehlenden  Vorderfuss  nicht  mehr  zur  Stütze  des 
Körpers  heranziehen  können,  die  ganze  Last  nur  auf  dem  Hinterfusse  auf- 
ruht,  infolge  dessen  derselbe  hyperämisch  wird  und  anschwellt,  wie  eine 
Art  Activitäts-Hypertrophie.  Jedenfalls  durfte  neben  den  anderen  Ursachen, 
die  in  der  Krankheit  begründet  sind,  die  obenerwähnte  die  Hauptrolle 
spielen. 

Bei  mehreren  Anästhetikem  findet  man  die  Finger  spindelförmig 
aufgetrieben,  wie  auf  einer  Photographie  ersichtlich,  so  dass  dieselben  am 
Lebenden  die  Form  der  Spina  ventosa  darbieten.  Wenn  man  aber  die 
Knochenpräparate  ansieht,  so  kann  man  bemerken,  dass  diese  Spinae  nicht 
wie  bei  der  Tuberculose  Hyperostose  sind,  sondern  dass  sie  am  Knochen- 
präparate, wie  aus  den  Abbildungen  der  Präparate  aas  Prof.  Heiberg's 
Laboratorium  ersichtlich,  wahrhafte  echte  Stacheln  darstellen,  welche  von 
der  Basis  der  Phalange  sich  bis  zur  Peripherie  gleichmässig  verdünnen, 
bis  sie  mit  einer  nadelfeinen  Spitze  enden.  Dr.  Lorand  schlägt  für  diese 
Bildungen  den  Namen  „Spina  leprosa"  vor. 

Indem  nun  diese  deformen  Knochenenden  dünn  wie  eine  Nadelspitze 
sind,  kann  es  leicht  geschehen,  dass  die  anästhetischen  Patienten,  welche 
ohne  Gefühl  z.  B.  auf  steinigen  Wegen  gehen  oder  mit  den  Fingern  an 
Gegenständen  anschlagen  oder  überhaupt  schädigenden  Einflüssen  ihre 
Endglieder  aussetzen,  dieselbe  einfach  mechanisch  abbrechen,  so  dass  es 
zu  einer  langsamen  Abbröckelung  ohne  Narbenbildung  kommt. 

Die  Contractur  der  Hände,  die  Klauenhand  der  Anästhetiker  ist  eine 
einfache  Ulnarlähmung.  Man  findet  bei  Lepra  anästhetica  wie  bekannt 
die  Nerven,  so  besonders  Ulnaris  und  Peronaeus  degenerirt,  infolge  Läh- 
mung des  Ulnaris  kommt  es  zur  Contractur  durch  Wirkung  der  Anta- 
gonisten. 

Dr.  Lorand  fand  sowohl  in  JerfsÖ  als  in  Reitgjaerdet  mehrere  An-^ 
ästhetiker  mit  Pes  varus. 

Der  Pes  varus  leprosus  entsteht  nach  Meinung  von  Dr.  Lorand 
gerade  so  wie  die  Contractur  der  Hand  durch  Ulnarlähmung,  so  auch  hier 
durch  Lähmung  des  Peronaeus  und  darauffolgender  Wirkung  der  Anta- 
gonisten. Indem  die  Mm.  Peronaei  gelähmt  sind,  bekommen  die  Antago- 
nisten derselben,  die  Supinatoren,  die  Oberhand  und  es  entsteht  der  Pes 
varus  leprosus. 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellscliaft.  X5X 

An  den  Augen  findet  man  bei  Lepra  die  tuberöse  und  anästbetische 
Form.  Bei  der  ersteren  findet  man  am  Sderahrande  der  Cornea  ein  grau- 
weisses  sulziges  Knötchen,  welches  sich  immer  weiter  auf  die  Cornea  er* 
streckt  und  dabei  Fon  der  Sclera  aus  beinahe  fächerförmig  wie  bei  Con- 
jnnct.  lymphatica  Gelasse  nach  sich  zieht.  In  weiterer  Folge  erstreckt  sich 
die  Auflagerung,  welche  auch  gleichzeitig  in  die  Tiefe  greift,  auf  die  ganze 
Cornea,  welche  von  dieser  fleischigen  Masse  bedeckt  wird.  Daneben  be- 
stellt Iritis,  ciliare  und  conjunetivale  Injection  wie  auch  Lichtscheu  und 
Thränentraufeln  wie  auch  Blepharospasmus. 

Bei  der  anästhetischen  Form  wird  die  Zerstörung  des  Auges  durch 
£ctropium,  Legophtalmus,  Geschwüre  der  Cornea  und  recht  häufig  Xero- 
phtalmus  verursacht.  Dabei  konnte  Dr.  Lorand  bei  Xerophtalmus  eine 
beinahe  perlmutterähnlich  schimmernde  Schichte  über  der  Cornea  be- 
obachten, und  die  Patienten  konnten  den  Unterschied  zwischen  HeD  und 
Dunkel  noch  erkennen. 

Was  die  Statistik  der  Lepra  in  Schweden  anbelangt,  theilt  Dr.  L  o- 
rand  mit,  dass  nach  Angaben,  welche  er  in  Jerfsö  gehört  hatte,  in  ganz 
Schweden  462  Fälle  von  Lepra  bekannt  wären. 

Was   die  einzelnen  Provinzen  anbelangt,   sind  die  Fälle  folgender- 
•  massen  vertheilt : 

1  Fall    in  Gottland, 
24  Fälle    „   Vermland, 

1  Fall     „   Stockholm, 
4  Fälle   „   Bohuslän, 
^      V      n   Upsalalan, 

2  „      „   Jemtland, 
11      „      9   Meddelpad, 
30      „       „  Dalekarlien, 

1  FaU     „  Blekkingen, 

14  Fälle   „  Angermannland  (Wester  Norrland), 

3^9  Ealmarlän, 

57      „      „  Helsingland. 

Die  Uebrigen  dürften  sich  auf  Lappland,  Norrland  und  andere  Pro- 
vinzen vertheilen. 

Bezüglich  der  462  Fälle  in  ganz  Schweden  möchte  Dr.  Lorand 
diese  Zahl  mit  Vorsicht  aufnehmen,  bis  nicht  die  ofQciellen  Berichte  über 
die  Lepra-Conferenz  in  Gefle,  welche  am  5.  September  tagte  und  deren 
Berichte  nicht  vor  Ablauf  des  Jahres  publicirt  werden,  erschienen  sind. 
Bis  dorthin  möchte  Dr.  Lorand  auf  die  Protokolle  der  Provinz  Helsingland 
hinweisen,  nach  welchen  in  Helsingland  allein  zwischen  den  Jahren  1864 
bis  1892  412  Fälle  vorgekommen.  Wenn  in  einer  Provinz  allein  innerhalb 
28  Jahren  so  viele  Fälle  vorkamen,  dürfte  obige  Zahl  nicht  so  unwahr- 
scheinlich sein. 

Als  Beweise  der  Vortheile  der  Intemirung  von  Leprösen  in  den 
Leproserien  fuhrt  Dr.  Lorand  folgende  Daten  an: 


152  Verhandlungen 

Kacb  der  Errichtung  der  Leproserie  in  Jerfsö  haben  sich  folgende 
Veränderungen  im  Leprösen-Krankenstande  innerhalb  der  einzelnen  Ge- 
meinden in  Helsingland  ergeben:  Im  Jahre  1874  gab  es  in  der  Gemeinde 
Ljusdal  noch  32  Lepröse,  wovon  12  intemirt  waren,  im  Jahre  1876  gab 
es  26,  im  Jahre  1879  nur  17  und  im  Jahre  1885  gab  es  deren  nur  16, 
wovon  6  isolirt  waren.  Innerhalb  12  Jahren  also  hat  die  Krankheit  um 
60*/o  abgenommen.  In  der  Gemeinde  Jerfsö  gab  es  im  Jahre  1889  23  Fälle , 
im  J.  1881  16  Fälle  und  im  J.  1885  nur  12. 

Dr.  Lorand  erwähnt  weiterhin,  dass  man  von  eingewanderter 
Lepra  in  Schweden  umso  weniger  sprechen  kann,  weil  die  wenigsten  in 
den  an  Norwegen  angrenzenden  Provinzen,  die  meisten  aber  im  Herzen 
Schwedens  in  Dalekarlien  oder  im  Osten  in  Helsingland  vorkommen.  Dr. 
Lorand  bemerkt  auch  weiterhin,  dass  es  keine  Lepraliteratur  über 
Schweden  gäbe,  da  in  Schweden  selbst  nur  2  kleine  Brochuren  über  diese 
Frage  erschienen  sind  u.  zw.  die  eine  von  Dr.  Öhrn  über  die  Fälle  in 
Helsingland,  die  andere  von  Dr.  Sederhol m,  der  als  Dermatolog  in 
Schweden  einen  guten  Ruf  geniesst  über  die  Fälle  ausserhalb  Helsingland. 
Die  Lepra  in  Norwegen  betreffend  gibt  Dr.  Lorand  an,  dass  dieselbe 
von  1377  Fälle  im  Jahre  1885  auf  800  Fälle  in  diesem  Jahre  zusam- 
men geschmolzen  ist,  während  im  Jahre  1870  es  2607  Fälle  gab. 
Dr.  Lorand  erwähnt,  dass  unter  238  Fällen,  die  er  in  Schweden  und' 
Norwegen  gesehen  hatte,  es  nur  2  Kinder  gab,  welche  auch  unter  allen 
Leprösen  in  Norwegen  die  Jüngsten  waren.  Das  eine  war  9  J.,  das  andere 
12  J.  alt.  Beide  waren  in  Keitgjärdet.  Kinder  scheinen  gegen  die  Lepra 
ziemlich  widerstandsfähig  zu  sein.  Was  die  Lebensstellung  der  Le- 
prösen anbelangt,  gab  es  im  Jahre  1890  unter  505  Patienten  144  Hof- 
bauer, 124  Kleinbauer  und  nur  25  Fischer  und  Seeleute.  Wenn  man  in 
Betracht  zieht,  dass  man  die  Lepra  besonders  an  den  Küsten  findet,  ist 
es  sonderbar,  dass  man  so  wenig  Fischer  unter  den  Leprösen  findet.  Weiterhin 
erwähnt  Dr.  Lorand  mehrere  Fälle  von  Ansteckung  durch  Lepra  aus 
Jerfsö,  Reitgjärdet  und  Molde. 

Die  Isolation  werde  von  den  Patienten  gut  vertragen. 

Dr.  Lorand  kommt  schliesslich  zu  der  Ueberzeugung,  dass  die 
Lepra  eine  ansteckende  Krankheit  sei,  deren  Entstehung  durch  Ansteckung, 
vielleicht  durch  angeerbte  individuelle  Anlage,  dagegen  aber  ganz  bestimmt 
durch  schlechte  Ernährungs-  und  Wohnverhältnisse  wie  durch  Mangel  an 
Reinlichkeit  begünstigt  wird. 


Venerische  Krankheiten. 


(Redigirt  von  Prof.  Neisser  und  Frimararit  Jadassohn  in  Breslau.) 


Therapie  der  Syphilis. 

1.  Foiimier,  A.  L'excision  da  chancre.  Gazette  hebdomadaire  de  Me- 
decine  et  de  Chirurgie.   1892.  22.  Oct.  Nr.  43. 

2.  SpiUmann,  P.  A  propos  de  l'excision  da  chancre  syphilitique.  Mer- 
credi  m^dical  1892  p.  14. 

3.  Gerber.  Zur  Frage  der  Excision  der  Initialsclerose.  Ther.  Monatsh. 
1892.  Heft  10. 

4.  Waugh,  W.  F.  Treatment  of  Syphilis.  The  Times  and  Register 
Philadelphia.  Nr.  741  p.  Ö72. 

5.  Bontemps.  Traitement  regulier  de  la  syphilis.  Journ.  med.  et  chir. 
prat.  Paris,  25.  Sept.  1691  p.  719—720.  Bef.  im  Journal  des  maladies 
cutanees  et  syphilitiques.  1891  p.  697. 

6.  Greene,  R.  H.  The  treatment  of  Syphilid.  (Read  before  the  Nort- 
western  med.  20.  April  1892.)  The  New  York  Medical  Journal. 
Nr.  780  p.  601). 

7.  Ehrmann.  Die  Principien  der  neueren  Syphilisbehandlung.  Centralbl. 
f.  ges.  Therap.  1891.  VI— XII. 

8.  Fr^mieourt.  Considerations  sur  le  traitement  constitutionnel  de  la 
Syphilis.  These  de  Paris  1892. 

9.  Kuznitzky.  Wie  und  wann  ist  Syphilis  zu  behandeln?  Inaugural- 
Dissertation.  Strassburg  1892. 

10.  £tieiliie.  Behandlung  der  Syphilis  während  der  Schwangerschaft. 
Annales  de  Gynec.  et  d'obstet.  April  1892.  Ref.  The  British  Med. 
Jonrnal.   6.  Aug.  1892. 


154  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

(1)  Foarnier  ist,  wie  bekannt,  ein  Oegner  der  Excision  des 
Schankers  als  Abortivbehandlang  der  Lues.  In  dem  vorliegenden  Auf- 
satz hat  er  seine  Anschauungen  über  diesen  Gegenstand  mit  alter  Meister- 
schaft dargelegt.  Er  schildert  zunächst  die  Methode,  erwähnt  schwer 
stillbare  Blutungen  und  Recidiye  in  loco  als  Nachtheile  derselben,  emp- 
fiehlt, um  eine  Infection  bei  der  Operation  zu  yerhindem,  das  Ulcus  vor 
der  Evcision  mit  GoUodium  zu  bedecken  oder  auszubrennen,  und  gibt 
dann  einige  Bemerkungen  aus  der  Literatur:  Crinelli  fand  unter  454 
Fällen  102,  Ehlers  unter  447  Fällen  137  Misserfolge.  Als  Fehler  bei 
dem  bisher  vorliegenden  Material  bezeichnet  er:  1.  den  unitarischen 
Standpunkt  mancher  Autoren ;  2.  die  zu  geringe  Incubationszeit  in  vielen 
Beobachtungen  —  als  Minimum  verlangt  er  8  Wochen;  S.  die  ungenü- 
gende Beobachtung^zeit  nach  der  Excision  ~  er  verlangt  6  Monate;  4. 
das  Fehlen  der  Confrontation  in  den  meisten  Fällen.  Er  fordert  ferner 
für  weitere  Beobachtungen  den  stricten  Nachweiss,  dass  der  Patient  nicht 
schon  früher  eine  Lues  durchgemacht  hat. 

Weiterhin  bespricht  Fournier  eine  Anzahl  eclatanter  Misserfolge 
und  schlechter  Beobachtungen:  In  6  Fällen,  in  denen  die  Gonfrontation 
stattgefunden  hat  (Mauriac,  Gibier,  Rasori  und  Taylor)  keine  Goupirung 
der  Lues ;  in  einzelnen  Beobachtungen  (Mauriac,  Rasori)  trotz  sehr  früh- 
zeitiger Excision  dasselbe  negative  Resultat.  Auch  die  Anschauung,  dass  die 
Lues  durch  die  Excision  gemildert  wird,  wird  durch  Beispiele  bekämpft. 

Schliesslich  betont  der  Verf.,  dass  bei  der  ganzen  Erörterung  der 
Frage  der  Fehler  gemacht  worden  sei,  dass  man  auf  beiden  Seiten  von 
aprioristischen  Erwägungen  an  die  Excision  herangetreten  sei,  dass  man 
aber  bei  therapeutischen  Fragen  ganz  besonders  ohne  alle  Yomrtheile 
vorgehen  solle.  Trotzdem  er  aus  seiner  praktischen  Erfahrung  heraus  ein 
Gegner  der  Excision  sei,  glaubt  er  doch,  dass  man  sie  in  bestimmten, 
allerdings  seltenen  Fällen  versuchen  solle,  da  die  Frage  noch  nicht  ge- 
löst sei.  Dabei  soll  man  die  obenerwähnten  Momente  berücksichtigen, 
damit  das  weiterhin  zu  sammelnde  Material  werthvoUer  werde,  als  das 
bisher  vorhandene.  Er  hält  die  Excision  für  „abusive  presque  puerile**, 
wenn  dielnduration  schon  wirklich  ausgesprochen  („nettement  accentuee'), 
die  Drüsenschwellung  schon  ausgebildet,  oder  gar  Beides  der  Fall  ist; 
eine  2.  oder  8.  Excision  zu  machen  sei  irrationell.  Jadassohn. 

(2)  Spillmann  ist  ein  energischer  Gegner  der  Schanker-Excision 
—  er  hält  die  Diagnose  der  Sclerose  vor  Auftreten  der  Allgemeinerschei- 
nungen für  zu  unsicher,  um  irgend  einer  Statistik  in  dieser  Beziehung 
Werth  beimessen  zu  können.  Bleiben  die  secundären  Symptome  unbe- 
achtet, so  können  sich  tertiäre  und  Nachkrankheiten  einstellen  —  der 
Verfasser  selbst  hat  in  so  behandelten  Fällen  Tabes  oder  cerebrale  Lues 
sehr  früh  auftreten  sehen. 

(3)  Gerber  theilt  zwei  Fälle  mit,  bei  welchen  trotz  Excision  der 
Initialsclerose  ~  in  dem  einen  Fall  war  1  Tag  nach  dem  suspecten 
Goitus  nur  eine  Rhagade  entstanden,  die  von  selbst  verheilte;  trotzdem 
wurde  die    ganze   verdächtige  Präputialhaut    entfernt   —    syphilitische 


der  Syphilis.  155 

AllgemeiDerscheicuDgen  aufgetreten  waren.  G.  warnt  daher  vor  der  £x- 
ciaion  der  Sclerose,  welche  „die  im  Entree  abgegebene  Visitekarte  eines 
Gastes  sei,  der  längst  in  das  Innere  der  Wohnung  eingedrungen  ist.** 

Karl  Herxheimer. 
(4)  Waugh  bringt  seine  syphilitischen  Kranken  unter  den  Einfluss 
eines   stark   wirkenden  Hg.-Präparates    wie   der   blauen   Pillen.    Davon 
nehme  der  Kranke  1*2—1*8  tagl.  durchschnittlich.    Man  beginne  mit  0*6 
and  steige  tägL  um  0*12.   Sobald  1*2  tagL  erreicht  sind,  zeigt  sich  häufig 
Ptyalismus  und  Schwierigkeit,  harte  Nahrungsmittel   zu   beissen.    Dann 
höre  man  nicht  gleich  mit  dem   Hg.-Gebrauch   auf,   sondern  gehe  mit 
der   Gabe   aaf  1*08   zurück   und  wenn  nach  wenigen   Tagen  der  Spei- 
chelfluss  noch  nicht  geschwunden  ist,  vermindere  man  die  Dosis  auf  0*96 ; 
dann  pflegt  der  Speichelfluss  zu  weichen.    Kehrt  derselbe  in  2  Wochen 
nicht  wieder,   so  gebe  man   wieder  grössere  Dosen.    Die  Verbindung  der 
blauen  Pillen  mit  Opium  ist  möglichst  zu  meiden,  damit  das  Hg.  leichter 
durch  Kieren,  Haut  und  Eingeweide  eliminirt  werde.    Wie  nützlich  die 
ungehinderte  Elimination  ist,  beweisen   die  guten  Erfolge  der  Thermen. 
Nur  scrophulöse  Personen  können  Hg.  nicht  gut  vertragen.    Die  grosse 
Neigung   spontanen  Gewebszerfalls    lässt   in   mi^nchen  solcher   Fälle  die 
Anwendung   von    Hg.    nicht    zu.    Man    nähre    dann    den  Kranken    gut, 
gebe  Chinin,  Leberthran,  Jodeisen,  oder  JK.  oder  JNa.  Diejenigen,  welche 
Hg.  durchaus  nicht  vertragen,  müssen  lange  Zeit  hindurch  unter  der  Be- 
einflussung von  J.-Präparalen  bleiben. 

Gold-  und  Piatinasalze  wirken  ähnlich  wie  Hg.,  doch  haben 
sie  keinerlei  Vorzöge  vor  diesem  und  nur  den  Nachtheil  des  viel  höheren 
Preises. 

Congenitale  und  Kindersyphilis  wird  wie  die  später  erworbene 
behandelt.  Wenn  es  erwüoscht  ist,  mit  der  Behandlung  schnell  vorzugehen 
wie  bei  Hirnsyphilis ,  sind  Hg.-Inunctionen,  subcutane  Injectiouen, 
Käucherungen  und  JK.  in  heroischen  Gaben  am  Platze,  damit  die  Hirn- 
substanz nicht  eine  nicht  wieder  gut  zu  machende  Veränderung  erleide. 
Auch  Speichelfluss  muss  dann  als  das  kleinere  Uebel  in  den  Kauf  ge- 
nommen werden.  Ebenso  wie  Constitutionen,  wird  das  Hg.  auch  local 
angewandt.  W.  bevorzugt  das  Hg.  bijodatum  sei  es  in  Lösang,  sei  es 
als  Salbe  und  lässt  es  im  letzteren  Falle  mit  Lanolin  verreiben.  Unter 
allen  Umständen  ist  es  uothwendig,  bei  der  Hg.-Behandlung  weder  zu 
hastig  noch  zu  furchtsam  zu  sein,  da  sie  in  beiden  Fällen  ihren  Zweck 
verfehlen  würde.  Loeser. 

(5)  Nach  einer  warmen  Befürwortung  einer  mindestens  4  Jahre 
hindurch  fortgesetzten  Behandlung  der  Syphilis  macht  Bontemps  den 
Vorschlag,  den  Patienten  zur  genauen  Innehaltung  der  Termine  ein  ge- 
drucktes Schema  in  die  Hand  zu  geben,  auf  welchem  nach  Monaten  die 
einzelnen  Behandlungsmethoden  und  die  Ruhepausen  angegeben  seien. 
Nach  Fournier's  und  Martineau's  Vorschlag  verlangt  er  für  das 
erste  Jahr  6  Monate  Hg.-Behandlung,  8  Monate  Jodkali  und  S  Monate 
Ruhe,  für  das  zweite  Jahr  2  Monate  Hg.,  5  Monate  Jodkali  und  5  Monate 


156  Bericht    über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Ruhe,  für  das  dritte  Jahr  2  Monate  Hg.,  5  Monate  Jodkali  und  5  Monate 
Ruhe  in  Verbindung  mit  Schwefelbädern,  für  das  vierte  Jahr  7  Monate 
Jodkali,  abwechselnd  mit  Ruhe  und  Schwefelbadern,  ohne  jedoch  in 
jedem  Falle  schematisiren  und  nicht  je  nach  den  Erscheinungen  Ab- 
weichungen gestatten  zu  wollen.  Paul  Neisser. 

(6)  Die  Behandlung  beginnt  Green  e  gewöhnlich  beim  Erschei- 
nen des  Erythems ;  früher  nur  dann ,  wenn  eine  grosse  Ausdehnung, 
gefahrlicher  Sitz  des  Primäraffects  oder  bedeutende  Vergrösserung  der 
Lymphdrüsen,  die  besonderen  ehelichen  Verhältnisse,  Ungeduld  des 
Kranken,  oder  vorzeitiges  Allgemeinleiden  es  verlangen.  Im  Beginu 
kann  man  innerlich  möglichst  grosse  Dosen  des  am  wenigsten  reizenden 
Hg. -Präparates  und  zwar  Hg.  jodatum  flav.  in  Verbindung  mit  Chin.  ferr. 
citr.  und  £xr.  Hyoscyami  geben.  Die  Dosis  richtet  sich  nach  dem 
Kräftezustande  des  Kranken.  In  der  Regel  gebe  man  2 — 3mal  täglich 
eine  Pille  zu  0*02;  manchmal  wirkt,  wenn  auch  etwas  mehr  reizend,  das 
Tannat  Smal  täglich  0,03  besser.  Besonders  ist  auf  das  Gesundbleiben  der 
Verdauungswege  vom  Munde  bis  zum  Darm  zu  achten. 

G.  sah  in  einem  Fall  von  Frühsyphilis,  in  dem  das  Protojoduret 
nicht  wirkte,  vom  Hydr.  bijodat.  in  einer  Mixtur  zusammen  mit  0,18  JK. 
täglich  (durch  welche  Verbindung  das  Hg.  bijodat.  besser  resorbirbar 
gemacht  zu  werden  scheint)  gute  Resultate.  Diese  Behandlung  wird 
gegen  2  Monate  unter  sorgfaltigster  Beobachtung  gesundheitsgemässer 
Lebensweise  fortgesetzt.  In  dieser  Zeit  verschwindet  gewöhnlich  das 
Erythem,  sowie  die  Lymphdrüsenvergrösserungen.  Solange  noch  die 
Rundzelleniufiltration  in  der  Cutis  und  deren  Anhängen,  Blutgefässen, 
Talg-  und  Schweissdrüsen,  sowie  den  Haarfollikeln  besteht,  scheinen 
immer  noch  Herde  für  neue  Infection  gegeben  und  von  diesem  Gesichts- 
punkte die  Einreibung  mit  grauer  Hg.-Salbe  oder  Hg.-OIeat  wirksamer 
zu  sein.  Von  ersterer  werden  täglich  2,10  gebraucht  und  der  Körper  in 
11  Sectionen  eingetheilt.  1.  Nacken  und  Kopf,  2.  und  3.  Arme.  Flach- 
häude  und  Achselhöhlen,  4.  und  5.  Beine  und  Fusssohlen,  6.  und  7. 
Lenden,  Leistenbeugen  und  das  Scarpasche  Dreieck,  8.  und  9.  Brust  und 
Bauch,  10.  und  11.  der  Rücken  vom  Nacken  bis  zur  Glutäalgegend.  In 
eine  dieser  Theile  werde  jede  Nacht  die  Salbe  sorgfaltig  eingerieben, 
nachdem  er  vorher  mit  Seife  und  warmem  Wasser  und  dann  mit  einer 
27o  Garbollösung  abgewaschen  ist.  Der  eiugeriebene  Theil  wird  am 
besten  die  Nacht  über  mit  einem  Handtuch  bedeckt.  Bei  dieser  Methode 
soll  der  ganze  Körper  in  15  Tagen  ev.  mit  einer  Pause  von  2—3  Tagen 
eingerieben  sein.  Dann  lasse  man  wieder  eine  Pause  von  wenigen  Tagen 
und  eine  2.  Reihe  von  Einreibungen  folgen,  darauf  eine  etwas  längere 
Pause.  Nach  4  solchen  Einreibungstouren,  ca.  4—5  Monate  nach  dem 
Auftreten  des  Erythems  wird  der  Erfolg  häufig  ein  überraschend 
guter  sein.  Dann  folgt  nach  einer  Pause  von  1  oder  2  Wochen  eine 
kürzere  Reihe  von  Einreibungen  und  eine  längere  Pause  oder  man  kehre 
zeitweise  zum  Gebrauch  der  Pillen  zurück.  Eine  sichere  Wirkung  ist 
nicht   zu   erwarten,    wenn   nicht   wenigpstens   40   Einreibungen   gemacht 


der  Syphilis.  157 

sind.  Die  Lymphdrüsenvergrösserung  sei  im  Allgemeinen  ein  Massstab 
für  die  Fortsetzung  der  Einreibungen.  Im  2.  Jahre  gibt  man  dem 
Kranken,  wenn  sein  Zustand  befriedigend  ist,  Hg.  bijodat.  im  Durch- 
schnitt 0,0075  in  Verbindung  mit  JK.  und  einem  Toni  cum  amarum. 
Finden  sich  Zeichen  einer  neuen  Eruption  oder  Lymphdrüsenvergrösserung, 
dann  kehre  man  zu  den  Einreibungen  zurück.  Wenn  nach  einer  solchen 
Methode  der  Kranke  2  Jahre  von  Anfang  an  behandelt  ist,  kann  derselbe 
als  gesund  und  fähig,  gesunde  Nachkommen  zu  erzeugen  erklärt  werden. 
Kommt  der  Kranke  erst  mit  einem  papulösen  Exanthem  in  Behandlung, 
dann  folgen  die  Einreibungen  hintereinander  fort  und  ebenso  wenn  es 
sich  um  ein  pustulöses  oder  Rupia-Exanthem  handelt.  Solche  Eruptionen 
sieht  man  öfter  bei  Hospitalkranken,  deren  ausschweifende  Lebensgewohn- 
heiten und  Unsauberkeit  Gelegenheit  zur  Invasion  pyogener  Mikroben 
geben.  In  solchen  Fällen  gebe  man  zuerst  eine  Einreibung  von  Hg. 
praecipitat.  alb.  1:8  Vaseline  mit  Hinzufügung  von  27o  Carbolsäure  und 
Zinkoxyd. 

Für  subcutane  Hg.-Iajectionen  wird  nur  Sublimat  0,02  täglich 
oder  einen  um  den  anderen  Tag  mit  genauen  antiseplischen  Vorsichtsmass- 
regeln angewandt,  doch  kommt  die  subcutane  Methode  hauptsächlich  nur 
bei  ausgedehnten  Afifectionen  oder  wenn  ein  wichtiger  Körpertheil 
erkrankt,  oder  wenn  Eile  noth  ist,  besonders  nur  bei  tieferen  Läsionen  in 
Betracht. 

Hg.- Räucherungen  und  Bäder  werden  nur  in  ganz  besonderen  Fällen 
verordnet,  wenn  die  Eruption  sehr  diffus  ist  und  zur  Pustel bildung 
neigt.  Ausserdem  kommen  noch  häufige  warme  und  kalte  Bäder  mit 
Nutzen  zur  Anwendung. 

JK.  wird  gegen  die  Spätformen  und  besonders  gegen  die  Nerven- 
syphilis  entweder  allein  oder  combinirt  mit  Hg.  bijodat.  angewandt. 
Hg.-Einreibungen  und  subcutane  Sublimatinjectionen  kommen  besonders 
dann  in  Betracht,  wenn  die  Syphilis  schon  in  der  Frühperiode  die 
Tendenz  hat,  die  tieferen  Gewebe  zu  ergreifen,  oder  wenn  die  Secundär- 
erscheinungen  recidiviren  und  hartnäckig  der  gewöhnlichen  Behandlung 
trotzen.  Zum  Schluss  berichtet  G.  über  einige  Fälle,  so  über  ein  Ehepaar, 
welches  gleichzeitig  im  Verlaufe  der  Syphilis  hemiplegisch  wurde.  Die 
Erscheinungen  gingen  unter  Hg.-Einreibungen  und  JK.-Gebrauch  zurück. 
Ein  anderer  Fall  betrifft  ein  junges  kräftiges  Mädchen,  das  bei  7monat- 
lichem  Gebrauch  von  Hg.  jodat.  fiav.  in  Verbindung  mit  Chin.  ferr.  citr. 
und  Ex.  Hyosc.  Appetit  und  16  Ffund  ihres  Körpergewichts  verlor.  Nach 
Aussetzen  des  Hg.-Jodürs  und  unter  Gebrauch  von  Eisen  und  Chinin  besserte 
sich  der  Zustand.  Als  sie  nun  mit  Hg.-Einreibungen  behandelt  wurde, 
erlangte  sie  ihre  frühere  Körperfülle  und  Gesundheit  wieder.  Dieser  Fall 
beweise,  wie  wenig  nützlich  es  ist.  Hg.  unausgesetzt  innerlich  zu 
geben.  G.  hat  in  vielen  solchen  Fällen,  ohne  dass  Salivation  dabei  ent- 
standen wäre,  eine  ungewöhnlich  starke  Anämie  sich  entwickeln  sehen, 
so  dass  sich  zu  dem  toxischen  Einfluss  des  Syphilisgiftes  noch  der  des 
Hg.   addirt   hatte.    Aehnlich    wie    der    letzterwähnte    verhielt    sich    ein 


158  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

anderer  Fall,  in  dem  der  Primäraffect  an  der  Lippe  sass  mit  vielen 
Plaques  an  der  Zunge,  dem  Rachen  und  der  Innenseite  der  Wangen.  Alle 
diese  Theile  wie  der  Kehlkopf  waren  sphr  hyperämisch.  Unter  innerlichem 
Jodquecksilbergebrauch  wurde  der  Zastand  und  besonders  die  Laryn- 
gitis, verbunden  mit  stürmischem  Husten,  immer  stärker.  Nachdem  das 
Mittel  ausgesetzt,  die  betr.  Schleimhaut  local  behandelt  und  Chin.  ferr. 
citr.  gegeben  wurde,  übten  die  wiederverordneten  Pillen  eine  günstige 
Wirkung  aus. 

Ein  letzter  Fall  endlich  bezieht  sich  auf  ein  syphilitisches 
Erythem,  mit  zugleich  bestehenden  Schmerzen  im  Kopf,  Rücken  und 
den  Beinen.  Der  Fall  wurde  mit  JHg.-Pillen  in  Verbindung  mit  JK.  er- 
folgreich behandelt.  Loeser. 

(7)  Ehr  mann  ist  ein  Gegner  der  Excision  als  Abortivcur,  da  er 
der  Ueberzeugung  ist,  beim  Initialaffecte  seien  die  Mikroorganismen 
schon  über  die  anatomisch  veränderte  Region  gegen  die  Lymph- 
drüse zu  vorgedrungen.  Tiefere  Gründe  gegen  die  Excision  liegen 
aber  nicht  vor,  ein  Yortheil  liege  in  der  Entfernung  des  Geschwürs  und 
schneller  Heilung. 

Eine  Präventivcur  will  er  nur  bei  Complicationen  des  Initialaffectes 
eingeleitet  wissen;  dieselbe  verhindere  und  mildere  den  Verlauf  der  secun- 
dären  Syphilis  nicht. 

Hierauf  kommt  E.  auf  die  systematische  Syphilistherapie  zu 
sprechen.  Er  bespricht  die  Applicationsweisen  des  Hg.,  deren  Indicationen, 
Vor-  und  Nachtheile,  wobei  er  sich  als  Anhänger  der  Injectionen  un- 
löslicher Salze  und  des  Ol.  cinereum  documentirt.  Er  plaidirt  für  aus- 
schliessliche Hg. -Behandlung  in  der  Secundärperiode ;  „die  Darreichung 
von  Jodpräparaten  sei  nur  Zeitvergeudung^,  erklärt  sich  aber  als  An- 
hänger laDgwähr ender,  also  rein  mercurieller  intermittirender  Behandlung 
durch  etwa  zwei  Jahre. 

Die  chronische  intermittirende  Behandlung  habe  den  Vorzug,  die 
Häufigkeit  hereditärer  sowie  maligner   Lues  herabzusetzen. 

Finger. 

(8)  Fremicourt  erörtert  zunächst  einige  allgemeine  Gesichts- 
punkte der  Pathologie  der  Syphilis,  ohne  wesentlich  Neues  vorzubringen. 
Gelegentlicli  der  Behandlung  der  Initial-Sclerose  streift  der  Verf.  die 
Frage,  ob  der  Primäraffect  der  locale  Ausdruck  einer  allgemeinen  Er- 
krankung ist  und  glaubt  seinen  Lehrern  —  Fournier  und  Leloir  — 
folgend,  dies  bejahen  zu  müssen,  indem  er  die  entgegenstehenden  Inocula- 
tionsversuche  Pontoppidans  u.  A.  für  Inoculationen  von  Ghancres  mixtes 
erklärt,  bei  denen  das  noch  virulente  Ulcus  molle-Gift  die  neue  Affec- 
tion  an  den  Inoculationsstellen  hervorgerufen  hätte.  Trotz  dieser  An- 
schauung plaidirt  Verf.  für  die  Excisiou  des  Primäraffectes,  falls  dieser 
gut  gelegen  ist,  weil  dadurch  eine  Verminderung  der  Zahl  der 
Infectionserreger  erreicht  würde,  weil  ferner  der  Primäraffect  schneller 
heile  und  ein  Ansteckungsherd  verschwände.  Sobald  die  syphilitische 
Natur  der  Erkrankung  feststünde,  sei  mit  Hg.  zu  beginnen ;  Verf.  empfiehlt 


der  Syphilis.  15  9 

mehr  die  inteme  als  die  subcutane  Einverleibung,  warnt  vor  zu  grossen 
Dosen  und  räth  von  vornherein  zur  Hebung  der  Verdauung  und  Er- 
nährung Strychnin  und  Eisen  zu  geben.  Die  Jodsalze  räth  der  Yerf.  zur 
Verbesserung  der  Blutbeschaffenheit  auch  in  Frühstadion  zu  geben  und 
empfiehlt  Jodnatrium,  das  besser  vertragen  würde  als  Jodkalium  und 
von  dem  er  gute  Erfolge  gesehen  habe.  Für  die  Spätperioden  fordert  er 
die  Jodmedication  dringend.  Ebenso  empfiehlt  er  sie  in  den  Früh- 
stadien bei  den  y^nervösen  Beschwerden  der  Neurastheniker** ,  hier 
besonders  in  Verbindung  mit  Brom  oder  kleinen  Dosen  Chloral- 
bydrat. 

Dann  bespricht  F.  die  Therapie  bei  den  häufigsten  Complicationen 
der  Syphilis  und  zwar  besonders  ausfuhrlich  bei  der  Tubereulose.  Nach 
seinen  Elrfahrungen  ist  bei  Syphilis  mit  Tuberculose  Jod  —  unterstützt  von 
Eisen,  Chinin  etc.  —  dringend  zu  empfehlen ;  er  warnt  besonders  vor  dem 
Laisser  aller,  wie  es  Viele  wegen  der  vermeintlichen  Trostlosigkeit  der 
Therapie  lieben. 

F.  weist  mit  grosser  Ausführlichkeit  in  der  ganzen  Abhandlung 
darauf  hin,  wie  enorm  wichtig  für  eine  rationelle  Behandlung  die  Be- 
rücksichtigung der  Constitution  des  Patienten  sei.  Lasch. 

(9)  Nach  einer  kurzen  historischen  Üebersicht  über  die  Syphilis- 
literatur und  einer  Polemik  gegen  die  Ansichten  des  allzu  bekannten 
Antimercurialisten  Hermann  in  Wien  entwickelt  Euznitzky  die 
Principien,  welche  bei  der  Syphilistherapie  in  der  Wo!  ff  sehen  Klinik 
maasgebend  sind:  Solerosen  sind,  so  weit  angängig,  zu  cxcidiren,  da 
doch  immerhin  die  Möglichkeit  vorhanden  sei,  eine  Allgemeininfection 
zu  vermeiden,  und  eine  glatte,  schnell  heilende  Narbe  der  nur  langsam 
verheilenden  Sclerose  vorzuziehen  sei.  Mit  der  allgemeinen  Behandlung 
wartet  Wolff  bis  zum  Erscheinen  der  Secnndärerscheinung,  welche  er 
dann  meist  mit  Succinimid-Hg.  (Hydrar^.  succinimid.  0,5,  Cocaini  mur. 
0,6,  Aqu.  dest.  50,0,  80  Injectionen  ä  1,0)  vornimmt,  ohne  jedoch  den 
Werth  anderer  Behandlungsmethoden,  wie  Einreibungscuren,  Darreichung 
von  Jodpräparaten,  Zittmann*scher  Decocte  gänzlich  negiren  zu  wollen. 
Im  Laufe  des  ersten  Jahres  wird  diese  Cur  gewöhnlich  noch  einmal 
wiederholt  und  dann,  falls  keine  neuen  Erscheinungen  auftreten,  mit 
der  Behandlung  gänzlich  aufgehört,  da  Wolff  gegen  eine  chronische, 
oontinuirliohe  Behandlung  (auch  bei  Fehlen  von  Erscheinungen)  ist. 

Paul  Neisser. 

(10)  E  t  i  e  n  n  e  fand  auf  Grund  einer  grossen  Statistik  eine  enorme 
Sterblichkeit  der  Kinder  bei  nicht  behandelter  Lues  der  Mutter.  Er 
constatirt,  dass  der  Foetus  gemeinhin  im  5.-7.  Monat  befallen  wird. 
Wird  die  Mutter  innerhalb  der  ersten  8  Monate  der  Gravidität  inficirt 
und  bleibt  sie  unbehandelt,  so  stirbt  das  Kind  wohl  ausnahmslos.  Je 
später  die  Infection  der  Mutter,  desto  besser  für  das  Kind.  Jeden- 
falls räth  E.   zur  Behandlung  der  Lues  einer   graviden  Frau. 

Lascb. 


Buehanzeigen  und  Besprechungen. 

Prof.  Dr.  Moriz  Kaposi.  Pathologie  und  Therapie  der  Haut- 
krankheiten in  Vorlesungen  für  praktische  Aerzte  nnd  Studie- 
rende. Vierte  umgearbeitete  und  vermehrte  Auflage.  Wien 
und  Leipzig.  Urban  und  Schwarzenberg  1893. 

Besprochen  von  Prof.  F.  J.  Pick  in  Prag. 
Kaum  sind  sieben  Jahre  verflossen^  seit  wir  im  Jahrgange 
1886  dieses  Archiv  die  erste  Hälfte  der  eben  erschienenen  dritten 
Auflage  und  im  Jahrgange  1887  die  zweite  Hälfte  der  3.  Auflage 
von  Kaposi's  Pathologie  und  Therapie  der  Hautkrankheiten  zur 
Anzeige  brachten  und  schon  liegt  uns  die  vierte  Auflage 
des  Buches  vor.  Das  ist  gewiss  bei  einem  Buche,  das  nicht  den 
ersten  Bedürfnissen  eines  Studierenden  genügen  will,  vielmehr 
einen  verlässlichen  Wegweiser  dem  vorgeschrittenen  Arzte  darbietet, 
ja  vermöge  der  hervorragenden  Stellung  des  Autors,  dessen  Ansichten 
Über  die  Materie  kennen  zu  lernen  ein  BedUrfniss  des  Fachmannes 
ist,  ein  ausserordentlicher  Erfolg.  Was  wir  damals  bei  unserer 
Besprechung  gesagt  haben,  war  voll  der  Anerkennung  und  des 
Lobes  und  hat  heute  bezüglich  der  vierten  Auflage  uneingeschränkte 
Geltung.  Aber  auch  einige  Desiderata  von  damals  blieben  für  die 
vierte  Auflage  theilweise  bestehen,  ja  in  mancher  Beziehung  in 
erhöhtem  Grade.  Wenn  wir  seinerzeit  gesagt  haben,  „dass  es  den 
gewiegten  Lehrer  und  den  die  ganze  Materie  beherrschenden  selbst- 
ständigen  Forscher  charakterisirt,  dass  er  neue  wohlfnndirte  Lehren 
willig  aufnimmt  und  an  die  Stelle  der  früheren  setzt,  nicht  genügend 
gestützte  dagegen  nur  als  solche  behandelt,  die  beachtet  zu  werden 
aber  nicht  zu  ersetzen  geeignet  sind"  und  hinzugefügt  haben  „die 
Beurtheilung  dessen,  was  in  die  eine,  was  in  die  andere  Kategorie 
von  Forschungsresultaten  zu  stellen  ist,  natürlich  dem  Ermessen 
des  Autors    überlassen    bleibt'',    so    müsste   man    doch   annehmen 


Bucbanzeigea  und  Besprechungen.  161 

dürfen,  dass  dieses  eigene  Krmessen  dort  seine  Grenze  findet^  wo 
der  Autor  die  seiner  früheren  Ansicht  entgegenstehende,  theilweise 
oder  ganz ,  schon  concedirt  hatte.  Wir  könnten  mehrere  der^ 
artige  Fülle  namhaft  machen,  wollen  uns  aber  auf  den  eclatan- 
testen  Fall  beschränken.  Während  der  Autor  die  tuberculöse  Natur 
des  Lupus,  in  seinem  Keferate  über  Tubcrculinbehandlung  am 
Congresse  der  Deutschen  dermatologischen  Gesellschaft  in  Leipzig 
1891,  voll  und  ganz  anerkannt  hat,  derart,  dass  ich  selbst  unter 
allgemeiner  Zustimmung  der  Versammlung  meiner  Freude  Ausdruck 
gab  über  „die  nun  in  aller  Form  erfolgte  Einbekenntniss  der 
tuberculösen  Natur  des  Lupus  durch  Kaposi''  und  so  dieses 
wichtige  Einbekenntniss,  um  es  vulgär  auszudrücken,  annagelte, 
finden  wir,  dass  der  Autor  in  dieser  vierten  Auflage  von  der 
Anerkennung  der  tuberculösen  Natur  dieses  Leidens  viel  weiter 
entfernt  ist,  als  selbst  in  der  dritten  Auflage.  Wer  wollte  dem 
Autor  das  Recht  bestreiten,  innerhalb  der  Zeit  von  1891  bis  zur 
Ausgabe  seiner  vierten  Auflage,  1893,  sich  wieder  eines  Anderen 
besonnen  zu  haben,  dann  aber  hätte  der  Autor  die  neuen  Gründe 
für  eine  solche  Sinnesänderung,  klipp  und  klar  darlegen  sollen,  ich 
habe  aber  trotz  eifrigen  Suchens  nichts  derartiges  gefunden. 

Trotz  alledem  bleibt  unser  Urtheil  über  die  Vortrefflichkeit 
des  Buches,  dessen  Schwerpunkt  in  der  ausgezeichneten  Schilderung 
der  Krankheitsbilder  liegt,  aufrecht.  Für  diese  meisterhafte  Darstel- 
lung, für  die  aus  reicher  Erfahrung  und  sorgfältiger  Prüfung  her- 
vorgegangenen therapeutischen  Rathschläge,  zollen  wir  dem  Autor 
grössten  Dank.  Die  Ausstattung  des  mit  zahlreichen  Abbildungen 
versehenen  Buches  ist  vortrefflich. 


B.  E  0  b  e  r  t.  Gompendium  der  Arzneiverordnungslehre  fär  Studie- 
rende und  Aerzte.  Zweite  erweiterte  Auflage  mit  1*21  Abbild. 
Stuttgart.   Ferd.  Enke  1893. 

Besprochen  von  Dr.  Spietschka  in  Prag. 
Dieses  Buch  ist  aus  Cursen  hervorgegangen,  welche  der  auf 
dem  Gebiete  der  Pharmakologie  hervorragende  Verfasser  bereits  vor 
etwa  15  Jahren  in  Halle,  und  seitdem  wieder  etwa  15  mal  in 
Dorpat  gehalten  hat.  Das  Buch  enthält  einen  allgemeinen  und  einen 
specielien  Theil.  Li  dem  einen  sowie  im  anderen  findet  nicht  nur 
jeder   Arzt  und   Student   das  Wichtigste   und    Nothwendige,   aucJi 

Archiv  f.  Dermatol.  u.  Syphil.  Band  XXVI.  n 


162  Buchanzeigen  und  Besprechungen. 

dor  SpqcialiBt  wird  darin  selbst  die  all  erneuesten  Mittheilungen 
über  die  auf  seinem  Gebiete  empfohlenen  Arzneiverordnungen 
Aufschluss  erhalten,  wobei  das  Gebiet  der  Dermatologie  besonders 
berücksichtigt  erscheint,  lieber  die  officinellen  Präparate,  deren 
Zusammensetzung  und  Bereitungs weise  angegeben  ist,  sind  am 
Ende  eines  jeden  Capitels  zahlreiche  Beispiele  angeführt ;  dabei 
scheint  uns  von  Wichtigkeit,  dass  bei  diesen  Beispielen  nicht  nur 
die  Indicationen  angegeben  sind,  sondern  auch  die  Preise  der  ein- 
zelnen Recepte  berücksichtigt  wurden.  Forner  war  der  Verfasser 
bemüht,  in  übersichtlicher  Weise  eine  Tabelle  z\i  liefern,  welche 
die  wissenschaftlichen  Bezeichnungen  der  modernen  Vulgärnamen 
von  Arzneimitteln  enthält.  Das  sehr  gut  ausgestattete  Buch  ist 
mit  über  hundert  gut  ausgeführten  Abbildungen  versehen.  Wir 
kcinnen  das  Buch  nicht  nur  dem  Anfänger  und  Praktiker,  sondern 
auch  dem  Specialisten  wärmsten»  empfehlen,  und  sind  überzeugt, 
dass  alle  den  gewünschten  Aufschluss  in  kurzer  aber  klarer  Weise 
erhalten  werden. 


T.  Barth^lemy.  Etüde  sur  le  Dermographisme  ou  Dermoneurose 

toxivasomotrice.     Soci^te     d'6ditions    scientifiques.     Paris,    Ruc 
Antoine  Dubois  4.  1893.  293  S.,  17  Tafeln. 

Angezeigt  von  Dr.  Friede!  Pick  in  Prag. 

In  dieser  elegant  ausgestatteten  Monographie  gibt  B.  ein  über- 
sichtliches Bild  des  jetzigen  Standes  der  Kenntnisse  über  die  so 
vieldeutige  Affection  der  Dermographie.  Neben  der  Erörterung  der 
Symptomatologie  und  der  Pathogenese  dieses  dunklen  Symptomen- 
complexes,  für  welche  er  zahlreiche  neue  Beobachtungen  und  Experi- 
mente beibringt,  hat  er  auch  der  historischen  Seite  —  in  Bezug 
auf  den  Zusammenhang  mancher  Befunde  in  Hexenprocessen  mit 
der  vorliegenden  Affection  —  Beachtung  geschenkt.  Ein  ausführ- 
liches Literaturverzeichniss,  sowie  mehrere  instructive  Photographien 
erhöhen  den  Werth  der  verdienstvollen  Monographie. 


Varia. 


Bei  der  Redaction  eingelaafene  Bücher: 

Archive»  des  scienccs  biologiques  public»  par  l'Institut  imperial  de 
medecine  expcriraentale  a  St.  Petersbourg.  Tome  II  Nr.  1  und  2. 

ßlascbko  Dr.  A.:  Syphilis  und  Prostitution  vom  Standpunkte  der  öffent- 
lichen Gesundheitspflege.  Berlin  1893.  S.  Karger. 

Barthelemy  T.  fitude  sur  le  dermographismc  ou  dermoueurose  toxi- 
vasomotrice.  Paris  1893.   Societe  d^editions  scientifiqueB. 

Czermak  Prof.  Dr.  W.:  Die  augenärztlichen  Operationen.  Heft  1  bis  4. 
Wien  1893.  Karl  Gcrold's  Sohn. 

Finger  Dr.  E. :  Die  Blennorrhoe  der  Sexualorgane  und  ihre  Coniplica- 
tionen.  8.  Aufl.  Leipzig  und  Wien  1893.  Franz  Deuticke. 

J  e  s  8  n  e  r  Dr.  S. :  Hautkrankheiten  einschliesslich  Syphilide  und  Cosraetik. 
Königsberg  i.  Pr.  Ferd.  Beyer.  1893. 

Kaposi  Prof.  Dr.  M. :  Pathologie  und  Therapie  der  Hautkrankheiten. 
4.  Aufl.  Wien  und  Leipzig  1893.  Urban  und  Schwarzenberg. 

Kopp  Dr.  C. :  Atlas  der  Geschlechtskrankheiten.  München.  J.  F.  Leh- 
mann 1894. 

Kopp  Dr.  C:  Atlas  der  Hautkrankheiten.  München.  J.F.Lehmann  1893. 

Kobert  Prof.  Dr.  R.:  Compendium  der  Arzneiverordnungslehre  für  Stu- 
dierende und  Aerzte.  2.  Aufl.   Stuttgart  1893.  Ferd.  Enke. 

Kraft -Ebing  Prof.  Dr.  R.  v.:  Lehrbuch  der  Psychiatrie  auf  klinischer 
Grundlage  für  prakt.  Aerzte  und  Studierende.  5.  Aufl.  Stuttgart  1893. 
Ferdinand  Enke. 

L  ef  e  r  t  Paul  Prof.  Dr. :  La  Pratique  Dermatologique  et  Syphiligraphique  des 
Hopitaux  de  Paris.  Paris  1893.  J.  B.  Bailliere  et  Fils. 

Lapin  A. :  Zur  Pharmakologie  der  Camphergruppe.  Jurjew  1893. 
G.  Mattiesen. 

Münch  Prof.  Dr.  G.  N.:  Die  Zaraath  (Lepra)  der  hebräischen  Bibel. 
Hamburg  und  Leipzig  1893.  Leop.  Voss. 

MoreiraJ. :  Etiologia  da  Syphilis  maligna  precoce.  Bahia  1891.  Liguori  et C. 

Oberländer  F.  M.  Dr.:  Lehrbuch  der  Urothroskopie.  Leipzig  1893. 
Georg  Thieme. 

Rona  S.  Dr.:  A  Bnja  vagy  Nemi  Beteksegek  Budaiiest  1894.  Frauke. 

Wolf  f  Prof.  Dr.  A.:  Lehrbuch  der  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  für 
Aerzte  und  Studierende.  Stuttgart  1898.  Ferd.  Enke. 


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W 


1 64  Varia. 

Bulkley  L.  I).:  Ou  tlie  relation  ofeczema  to  disturbanooB  of  tbe  nervous 
System.   Medical  News.   1891. 

Cazeneuve  P.  et  Rollet  E. :  Lc  Gallaiiol  daus  le  psoriasis  et  Peczema. 
Lyon  Medical  1893. 

Cartaz  A.  Dr.:  La  soudure  couiplete  du  voile  du  palais  et  du  pharynx. 
Arch.  int.  de  Laryngologio  1893.  T.  VI. 

Colorabini  P.  Dr.:  Süll  cczema  acuto  del  labbro  inferiore.  Riforma 
mcdica.  Nov.-Dic.  1892. 

Christraann  Ferd.  Dr.:  Wirkung  des  Europbens  auf  den  Bacillus  der 
menscblicben  Tuberculose.  Centralbl.  iiir  Bakteriologie  und  Parasiten- 
kunde. Bd.  XIII,  Nr.  13. 

£tienne  A.  Dr.:  ('ystite  cbez  un  sujet  blennorragique  suspect  de  tuber- 
culose.  Annal.  de  la  policlin.  de  Toulouse.   April  1893. 

Eicbbuff  P.  J.  Dr.:  Ueber  pulverföriuige  niedicinische  Seifen.  Therapeut. 
Monatshefte.  Oct.-Nov.  1892. 

Fabry  J.  Dr.:  Ueber  die  tuberculösen  Affeetionen  der  Haut.  Festschrift 
zur  Feier  des  25jähr.  Jubiläums  des  ärztl.  Vereines  des  Reg.-Bezirkes 
Arnsberg.  Wiesbaden  1893.  J.  F.  Bergmann. 

Goldschmidt  J.  Dr.:  Die  Behandlung  und  Heilung  der  Lej)ra  tuberosa 
mit  Europlien.   Therapeutische  Monatshefte.   April  1893. 

H  a  1 1  o  p  e  a  u  H.  Prof.  Dr. :  Etüde  sur  les  differentes  formes  de  tuberculose 
cutanee.   Union  Medicale  1893. 

Lahusen  Dr.:  Die  Lungentuberculose  und  ihre  Verhütung  vermittelst 
rationeller  Abhärtung  durch  Wasserkur  im  Hause.  München.  Dr.  E. 
Albert  &  Co.  1893. 

Mi l ton  J.  L.  On  Lupus.  Edinburgh  Medical  Journal  f«n*  December  1892. 

Neisscr  A.  Prof.  Dr.:  Die  deutschen  Universitäten.  Für  die  Universitäts- 
ausstellung in  ('hicago  1893  im  Auftrage  des  Cultus-Ministeriums  heraus- 
gegeben. X.  Dermatologie. 

Paltauf  R.  Prof.  Dr.:  Ueber  lymphatische  Neubildungen  der  Haut.  Sep.- 
Abdruck  aus  dem  Protokolle  des  zweiten  intemat.  dermatol.  Congresses 
in  Wien  1892. 

La  Roumanio  Medicale  Nr.  2,  1898:  Petrini  Galatz.  Prophylaxie  de 
la  Syphilis  en  Roumanie.  Le  traitemeut  de  Perysipele  a  Phopital  Colen- 
tina.    Kalindero :  Note  sur  Petiologie  de  la  pellage. 

T  o  u  t  o  n  K.  Dr. :  Ueber  RussePsche  Fuchsinkorperchen  und  Goldmann'- 
sche  Kugelzellen.    Virchow's  Archiv  1893,  Bd.  132. 

Ulimann  K.  Dr.:  Ein  neuer  Untersuchungs-  und  Operationstisch  für  den 
praktischen  Arzt.   Wiener  med.  Wochenschrift.  1893.  Nr.  15. 

Weber  Mathilde:  Aerztinen  für  Frauenkrankheiten.  5.  Auflage.  Berlin 
1893.  L.  Oehmigk. 


Alle   bei   der   Redaction    in    zwei   Exemplaren   eingelanfenen 
Druckgaehen  gelangen  hier  znr  Anzeige  und  znr  eventuellen 

Besprechung. 


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Luka^iewicz   llb(;i  lithen  scrotjlü'.r'iijni 


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Lukasicwicz.  über  Liehen  ^croinli.f]' 


Afchiv  f  Deiinai'-lc^iiL- 1;  SypNr],.    Band  XXVJ, 


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P  Tommasoli  Epilhelioma  verrucos  abortiv 


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Archiv  f  Dermatologie  u  Syphiirs  Band  XXV]. 

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P  Tommasoli  Epithelioma  verrucos.aborliv 


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Archiv  fDermaiologteu  Syphilis  Band  XXVI, 


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Kaposi .  Acne  leleangiectodes 


Originalabhandlungen . 


Archiv  fllr  Dormatol.  n.  Syphll.  Band  XXVI.  ^2 


Extragenitale  Syphilisinfection.  539  Fälle. 


Von 


Dr.  Rudolf  Krefting, 

I.  AssisteDsarzt  an  der  üniTenitttaUinik  für  Hantkranke  In  Chrlstiania. 


Die  extragenitale  Syphilisinfection  muss  einen  jeden  prak- 
tischen Arzt  ebenso  sehr  interessiren  wie  den  Fachmann,  da  es 
im  Allgemeinen  jetzt  dessen  Sache  sein  wird,  bei  Zeiten  eine 
richtige  Diagnose  zu  stellen,  um  den  localen  Epidemien  vorzu- 
beugen, die  oft  eine  Folge  davon  sind,  dass  ein  solcher  Fall 
unbeachtet  bleibt. 

Im  Allgemeinen  ist  es  jedoch  so,  dass  der  Arzt  erst  um 
Rath  gefragt  wird,  nachdem  die  Krankheit  secundäre  SjTnptome 
gezeigt  hat  und  in  der  langen  Zeit,  die  verstreicht  vom  Beginn 
der  primären  Wunde  bis  zum  Erscheinen  der  secundären  Symp- 
tome, ca.  6 — 8  Wochen,  ist  die  Krankheit  oft  bereits  auf  ver- 
schiedene Arten  weitergeführt. 

Die  Berichte  über  die  gi'ossen  Syphilisepidemien,  die  am 
Ende  des  15.  und  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  ganz  Europa 
heimsuchten,  scheinen  darauf  hinzudeuten,  dass  diese  Krankheit, 
die  man  damals  gern  Morbus  gallicus  benannte,  sich  vielleicht 
ebenso  sehr  auf  extragenitalem  als  auf  geschlechtlichem  Wege 
ausbreitete. 

Wenn  man  sieht,  wie  häufig  die  extragenitale  Infectionsart 
selbst  in  unserer  aufgeklärten  Zeit  ist,  wird  man  sich  nicht 
wundern  über  eine  so  heftige  epidemische  Ausbreitung,  wenn 
man  ausserdem  die  Intensität  und  Bösartigkeit  berücksichtigt, 
die  die  Krankheit   zu  jener  Zeit  zeigte.     Erst   später  hat   die 

12* 


168  Krefting. 

Kranldieit   ihre  jetzige   mildere   Form   angenommen,    die    eine 
Abschwächung  des  Änsteckungsstoffes  voraussetzen  lässt. 

Die  Auffassung  der  Krankheit  zu  jener  Zeit  scheint  völlig 
correct  gewesen  zu  sein,  indem  die  auf  diesem  Gebiete  reiche 
Literatur  jener  Zeit  den  vermutheten  Ansteckungsstoff  als  fix 
bezeichnet,  übertragbar  nur  durch  directe  Berührung,  meistens 
durch  Coitus,  aber  auch  durch  Kuss,  Säugen,  vom  Kinde  auf 
die  Amme,  durch  Blasinstrumente,  Ess-  und  Trinkgeräthschaften. 
(Johann  Almenar  1502,  de  Vige  1513,  Fracastorius  u.  A.) ') 

Die  bekannten  interessanten  Mittheilungen  von  W.  B  o  e  ck  *) 
über  die  Radesyge,  die  nichts  anderes  als  verkannte  Syphilis, 
zeigen,  dass  die  Krankheit  am  Schlüsse  des  vorigen  und  zu 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  hier  im  Laude  in  einer  Weise  auf- 
trat, die  stark  an  die  soeben  erwähnte  grosse  europäische  Epi- 
demie erinnerte,  obschon  sie  derselben  an  Litensität  und  Bös- 
artigkeit nachgestanden  zu  haben  scheint. 

Dass  die  extragenitalen  Infectionsarten  eine  wesentliche 
Bolle  spielten,  geht  deutlich  aus  Boeck's  obenerwähnter  Ar- 
beit hervor. 

Um  der  um  sich  greifenden  Epidemie  Abhilfe  zu  schaffen, 
wurde  im  Jahre  1778  von  der  Administration  eine  königliche 
Commission,  aus  5  Mitgliedern  bestehend,  ernannt,  die  die  Ki'ank- 
heit  erforschen  und  Bestinmiungen  treffen  sollte,  die  darauf 
zielten,  die  weitere  Ausbreitung  derselben  zu  verhindern  und 
die  Erkrankten  zu  heilen. 

Die  Commission  verschaffte  sich  durch  die  Bischöfe  Ant- 
wort auf  verschiedene  gestellte  Fragen  und  aus  den  Berichten 
der  Geistlichen  geht  hervor,  dass  die  meisten  die  Radesyge 
richtig  als  venerische  Krankheit  aufgefasst  haben. 

Es  geht  ferner  aus  diesen  Berichten  hervor,  dass  die 
Krankheit  sich  über  ganz  Norwegen,  mit  Ausnahme  von  Ost- 
Finmarken,  verbreitet  hatte. 

Die  Commission  zeigte  jedoch  geringe  Kritik  bei  der  Be- 
nutzung   der   vielen   guten  Aufklärungen,    die   sie    sowohl   von 


')  Kaposi.  Syphilis.  1891  p.  7. 

*)  Boeck  et  Danielsse n.    Recueil  d'observations  sur  maladies  de 
la  peau.  Christiania  1860. 


Extragenitale  Syphilisinfeetion.    539  Fälle.  169 

Aerzten  als  auch  von  Geistlichen  erhalten,  und  verwechselte 
Radesyge  mit  der  Lepra,  indem  sie  die  Lepra  für  einen  höheren 
Entwicklungsgrad  der  Radesyge  ansahen.  Diese  Auffassung  ging 
auch  später  in  die  ausländische  Literatur  über. 

Die  Berichte  der  Geistlichen  zeigen  auch,  dass  man  schon 
damals  völlig  aufmerksam  war  auf  die  extragenitalen  Ueber- 
tragungsarten.  Ein  Geistlicher  in  Oerkedalen  berichtet  demge- 
mäss,  dass  die  Krankheit  vor  14  Jahren  durch  eine  Amme  aus 
Tönseth,  nach  dort  gebracht  sein  sollte.     100 — 200  erkrankten. 

Der  Pfarrer  Abildgaard  auf  Röraos  berichtet :  „Die  Krank- 
heit ist  vor  etwas  über  20  Jahren  von  einer  Frau  aus  Drontheim 
hierhergeschleppt  worden.  Es  sind  jetzt  100  Erkrankte.  Sie 
hat  sich  besonders  auf  die  Weise  verbreitet,  dass  ein  mit  der 
Seuche  behaftetes  Kind  von  einer  gesunden  Frau  gesäugt 
worden,  die  dann  sofort  angesteckt  wurde;  oder  ein  gesundes 
Kind  ist  von  einer  kranken  Frau  gesäugt  worden  und  ist  selbst 
angesteckt  worden  und  hat  seine  Eltern  angesteckt." 

Dieser  Bericht  ist  von  einem  Geistlichen  im 
Jahre  1778  geliefert,  während  die  grössten  Pariser 
Syphilidologen  diese  Verbreitungsart  bestritten 
haben  und  erst  im  Jahre  1859  sich  für  die  Conta- 
giosität  der  secundären  syphilitischen  Fälle  er- 
klärten. 

Dass  eine  jede  beliebige  zugängliche  Stelle  am  mensch- 
lichen Körper  der  Sitz  für  die  syphilitische  Primäraffection  sein 
kann,  ist  bereits  von  Hunter  ausgesprochen  worden;  aber  die 
Literatur  der  letzten  20  Jahre  hat  erst  eine  grössere  Menge 
extragenitaler  Infectionen  mitgetheilt  mit  Angabe  des  Sitzes 
der  Primäraffectionen  und  der  Infectionsarten.  Diese  Literatur 
ist  von  Pospelow  übersichtlich  gesammelt  und  im  Archiv  für 
Dermatologie  und  Syphilis  1889,  p.  235  mitgetheilt. 

In  der  Literatur  der  verschiedenen  Länder  wird  eine  grössere  oder 
geringere  Anzahl  von  extragenitalen  Infectionen  mitgetheilt,  aber  irgend 
welche  grössere  gesammelte  Angaben  solcher  Fälle,  verglichen  mit  den 
gleichzeitig  vorgekommenen  Fällen  von  genitalen  Infectionen,  liegen  nur 
in  dürftiger  Anzahl  vor. 

Es  ist  in  in  dieser  Literatur  besonders  Gewicht  gelegt  auf  seltene 
Localisiningen  von  Primäraffectionen  und  seltene  Infectionsarten.  Was  die 
meisten  Länder  anbetrifft,  finden  sich  keinerlei  zuverlässige  Angaben  über 


170  Krefting. 

die  absolute  oder  relative  Häufigkeit  der  extragenitalen  Infectionen.  von 
Broich')  hat  in  dieser  Beziehung  versucht,  die  verschiedenen  Länder 
zu  vergleichen. 

Einzelne  Schriftsteller  aus  verschiedenen  Ländern  berichten  freilich 
eine  grosse  Anzahl  von,  in  einem  bestimmten  Zeitraum  vorgekommenen, 
extragenitalen  Infectionen,  geben  jedoch  nicht  an,  wie  viele  Fälle .  von 
gewöhnlichen  genitalen  Infectionen  gleichzeitig  behandelt  wurden. 

In  Cop,enhagen  scheint  die  extragenitale  Infectionsart  nicht  häufig 
zu  sein,  indem  Bergh  von  1872 — 86  unter  431  Fällen  von  frischer  Sy- 
philis nur  5  extragenitale  Schanker  observirte. 

In  Wien  constatirte  Mraöek  in  Sigmunds  Klinik  bei  Männern 
l^'o  und  bei  Frauen  14*/,  extragenitaler  Infection. 

Aus  Amsterdam  werden  von  einer  dortigen  Klinik  unter  einer 
kleineren  Anzahl  Infectionen  im  Jahre  1886 — 87  10*/«  extragenital  Infi- 
cirte  gemeldet,  4%  von  den  männlichen  und  lö*/«  von  den  weiblichen.  Von 
Doutrelepont's  Klinik  in  Bonn  berichtet  von  Broich,  dass  vom 
1.  April  1888  bis  1.  April  1889  unter  115  Fällen  von  frischer  Syphilis  nicht  ein 
einziger  Fall  von  extragenitaler  Infection  vorkam;  dagegen  vom  1.  April 
1889  bis  1.  April  1890  unter  120  Fällen  11  Initialsclerosen  —  3  bei  Män- 
nern und  8  bei  Frauen  —  ca.  lO*/,. 

Man  kann  doch  aus  diesen  Berichten  nicht  allzu  viel  schliessen, 
wenn  schon  man  wohl  berechtigt  sein  darf  anzunehmen,  dass  diese  extra- 
genitale Infection,  wenigstens  in  den  obenerwähnten  Ländern,  nicht  so 
häufig  gewesen  ist,  dass  sie  sich  irgena  welche  besondere  Aufimerksamkeit 
zugezogen  hätte. 

Was  Frankreich  und  besonders  Russland  anbetrifft,  so  haben 
die  extragenitalen  Infectionen  sich  mehr  Aufmerksamkeit  zugezogen,  indem 
auch  von  diesen  Ländern  derartige  statistische  Berichte  vorliegen,  dass 
dieselben  einen  Begriff  geben  können  von  dem  Verhältniss  zwischen  der 
Häufigkeit  der  genitalen  und  der  extragenitalen  Infectionsart.  Die  grösste 
gesammelte  französische  Statistik  ist  von  Jullien.  *) 

Genitale  Schanker  Extragenitale  Schanker 

Frauen  ....    277  61 

Männer     .    .    .  1700  65 

1977  126 

Von  sämmtlichen  sind  5*7  7o  extragenital  angesteckt.  Unter  den 
Frauen  187«  und  unter  den  Männern  3*607o. 

Von  Russland  liegen  statistische  Mittheilungen  von  einer  Menge 
von  Aerzten  vor.  Was  die  grossen  Städte  anbetrifft,  so  scheinen  die  extra- 
genitalen Infectionen  nicht  so  sehr  häufig  zu  sein,  obschon  die  Angaben 
sehr  verschieden  lauten. 


*)  Ueber  extragenitale  Syphilisinfection.    Archiv  f.  Denn.  u.  Syph. 
1890  p.  497. 

•)  JuUien.   Maladies  veneriennes.  1886,  p.  528. 


Extragenitale  Syphiüsinfection.    539  Fälle.  171 

AoB  Moskau  (dem  J^ässnitzky^sohen  ErankenhauB)  liegen  Berichte 
von  Pospelow*)  über  198  Fälle  von  extragenitalen  Infectionen  vor,  die 
im  Laufe  von  10  Jahren  beobachtet  worden,  doch  ist  nicht  angegeben 
wie  viele  genital  Inficirte  gleichzeitig  behandelt  wurden.  Es  wird  aber 
ausgerechnet,  dass  jährlich  15  bis  25  Personen  aus  der  Arbeitsciasse  auf 
unschuldige  Weise  inficirt  werden. 

Vom  Alexanderhospital  in  St,  Petersburg  gibt  Petersen*)  das 
procentweise  Yerhältniss  der  extragenital  zu  den  genital  Angesteckten  auf 
1,9%  an. 

Prof.  Gay')  gibt  den  Procentsatz  der  extragenitalen  Infectionen 
in  Russland  für  Männer  mit  3,87,  for  Frauen  mit  18,9  7o  ^^»  Diese  Zahlen 
entsprechen  sowohl  Julliens  als  auch  meiner  Statistik. 

In  Cronstadt  finden  sich  nach  einem  Berichte  von  Bogolubow 
über  753  Fälle  von  Syphilis  nur  4  extragenitale,  0,507o- 

Aus  Riga  liegen  Berichte  vor,  die  auf  1,3%  lauten. 

In  Samora  fanden  sich  nach  Wirpscha*)  im  Laufe  von  10 
Jahren  unter  5147  Fällen  249  extragenitale,  also  4,46 Vo- 

Die  Berichte  aus  den  grösseren  Städten  erscheinen  also  keineswegs 
auffallend. 

Dagegen  lauten  die  Berichte  aus  den  Landdistricten  und  Dörfern 
fast  unglaublich,  indem  die  Krankheit  danach  viel  häufiger  auf  extrageni- 
talem als  auf  genitalem  Wege  übertragen  wird. 

Aus  verschiedenen  Gouvernements  werden  75*/«,  ja  sogar  bis  90 7o 
extragenital  Inficirte  gemeldet. 

Da  es  wünschenswerth  sein  wird,  von  den  verschiedenen 
Ländern  umfassende  Mittheilungen  über  das  Vorkommen  der 
extragenitalen  Syphilisinfection  zu  erhalten,  die  sich  auf  Be- 
obachtungen während  eines  längeren  Zeitraums  stützen,  habe 
ich,  um  meinen  Beitrag  dazu  zu  geben,  die  Journale  der  Uni- 
versitätsklinik aus  einem  Zeitraum  von  25  Jahren  durch- 
gearbeitet und  dadurch  ein  gutes  Material  zur  Beleuchtung 
dieser  Frage  für  Norwegen  oder  richtiger  für  dessen  Hauptstadt 
gefunden. 

Das  Hospital  hat  ausser  den  Patienten  aus  der  Stadt  selbst 
auch  solche  aus  den  nächsten  Landdistricten  aufgenommen,  so 
dass  die  Statistik  nicht  nur  eine  reine  Stadtstatistik  wird. 

In  dem  obengenannten  Zeitraum  sind  behandelt  worden: 
2916  Patienten  mit  Syphilis,  genital  inficirt. 


*)  üeber  extragenitale  Syphilisinfection.  Dieses  Archiv  1889. 
*)  Monatsh.  f.  prakt  Dermatol.  1888  p.  807. 
')  Ref.  in  diesem  Archiv  1889  p.  240. 
♦)  dto. 


172 


Er  ef  ting. 


Von  diesen  waren  1354  erwachsene  Männer  und  1562 
Frauen,  die  alle  erwachsen  waren,  mit  Ausnahme  von  4  (eine 
7  Jahre,  eine  11,  eine  12  und  eine  14  Jahre  alt.) 

In  demselben  Zeitraum  befanden  sich  im  Hospital:  539 
Patienten,  die  auf  extragenitalem  Wege  inficirt 
worden  —  also  l5,67o  ^o^  sämmtlichen  Kranken  waren  extra- 
genital angesteckt. 

Von  diesen  waren  292  Erwachsene,  wovon  61  Männer, 
231  Frauen  und  247  Kinder  und  zwar  von  letzteren  117  Knaben 
und  130  Mädchen. 

Die  extragenitale  Infectionsart  zeigt  sich,  wenigstens  in 
Betreff  der  im  Hospital  Behandelten,  bei  Weitem  häufiger 
unter  den  Frauen  als  unter  den  Männern,  welcher 
Umstand  auch  den  an  anderen  Orten  gemachten  Beobachtungen 
entspricht  (vgl.  oben  erwähnte  Angaben  von  Jullien). 

Auf  1354  genital  inficirte  Männer  kommen  nur  61  extra- 
genital inficirte  d.  i.  4,3%?  während  auf  die  1562  genital  inficirten 
Frauen  231  mit  extragenitaler  Infection  d.  i.  12,87©  kommen. 

Diese  Zahlen  entsprechen  den  Angaben  Julliens  ziem- 
lich genau. 

Was  die  Kinder  anbetrifft,  findet  man  ebenso  viele  Knaben 
als  Mädchen  behandelt. 

In  dem  genannten  Zeitraum  von  25  Jahren  hat  die  Häufig- 
kieit  der  extragenitalen  Infectionen  bedeutend  varürt,  wie  solches 
aus  nebenstehender  Tabelle  hervorgeht. 


1867 
1868 
1869 
1870 
1871 


Grenital 
angesteckt 


Extragenital  an- 
gesteckt 


Erwachsene 


Kinder 


M&nnl. 


Welbl. 


Summe'  M&nnl. 


68 
74 
79 
73 

78 


69 

75«) 

69 

74') 
44 


137 
149 
148 
147 
122 


3 
3 
2 
6 
1 


Weibl. 


MInnl. 


Weibl. 


a 

B 

0 
OD 


6 
10 

3 
15 
21 


7 
3 

10 
8 

19 


9 

9 

10 

8 
8 


25 
25 
25 
37 
49 


si  • 

«S  9 

M  u 


15% 

14 

14 

20 

29 


')  Ein  Mädchen,  7  Jahre  alt,  genital  inficirt. 
')  12j  ähriges  Madchen,  genital  inficirt. 


Extragenitale  Syphilisinfection.    539  Fälle. 


173 


1 
1 

1 

Grenital 
angesteckt 

Extragenital  an 
gestellt 

- 

Summe 

!      —  ^ 
1      XZ 

1          WS 

i       f*  ® 

1    Sg 

1 

Erwachsene 

Kinder 

1 

1 

MAunl. 

Weibl. 

Summe 

Ifinnl.    Weibl.    Mftnnl. 

Weibl. 

1872 

51 

22 

73 

4 

10 

8 

1 
7 

1 

29 

28% 

1873 

1 

25 

46 

71 

6 

7 

4 

4 

21 

23 

1874 

27 

49')       76 

2 

8 

5 

4 

19 

1      20 

1875 

18 

25 

43 

— 

12 

6 

4 

22 

34 

1876 

24 

37 

61 

1 

8 

— 

1 

10 

14 

j    1877 

36 

57 

93  ' 

4 

5 

1 

1 

10 

10 

1878 

45 

65 

110 

2 

11 

3 

1 
2   , 

18 

14 

1879 

48 

93        141 
77       142 

4 

11 

5 

5 

25 
19 

15 

1880 

65 

1 

11 

4 

3 

12 

1881 

64 

61 

125 

1 

10 

4 

5 

1     20 
30 

13 

1882 

;      79 

73 

152 

;      3          14 

5 

8 

,      16 

,    1883   j 

57 

66 

123 

1      2            6 

5 

6 

19 

12 

1884 

42 

55 

97 

1          11 

8 

9 

29 

'      23 

1885 

35 

68 

103 

1 

9 

1 

3 

14 

12 

1886   1 

25 

61  j      86 

1 

11 

4 

6 

22 

20 

1887 

40 

49 

89 

4 

5 

1 

4 

;  14 ' 

:       14 

1888 

44 

63 

107  1 

1 

1 

4 

1 

2 

8   ' 

7 

1889 

57 

77  j     134 

1      3 

1 

8 

4 

6 

21 

'      14 

1890 

101 

96 

197  1 

2 

9 

2 

5 

18 

8 

:    1891 

1 

99 

91')     190  1 

1            1 

3 

6 

— 

1 

!     10   , 

!        5 

'  Total  i 

1 

1 

1354 

1562 

2916 

1 

61 

231 

1 

117 

130 

539   ! 

1 

1  15-67. 

1 

1                                                               1 

Wie  man  sieht,  ist  die  relative  Häufigkeit  der  extrageni- 
talen  Lifectionen  im  Jahre  1875  am  grössten  gewesen,  indem 
von  65  Behandelten  22  mit  extragenitaler  Infection  d.  i.  34% 
waren,  während  die  absolut  grösste  Anzahl  von  extragenital 
Inficirten  im  Jalire  1871  behandelt  wurde,  nämlich  49  Fälle. 

Das  procentweise  Verhältniss  war  in  dem  Jahre  jedoch 
nicht  mehr  als  297o- 


^)  lljähriges  Mädchen,  genital  inficirt. 
^)  Hjähriges  Mädchen,  genital  intirirt. 


1 74  K  r  ('  f  t  i  n  g. 

In  den  letzten  4  Jahren  des  erwähnten  Zeitraums  sieht 
man  ein  bedeutendes  Fallen  in  der  absoluten  und  relativen 
Häufigkeit  extragenitaler  Infectionen,  während  die  Anzahl  der 
genital  inficirten  Patienten  in  diesen  Jahren  eine  bedeutende 
Steigerung  aufweiste. 

Die  Ursache  der  Steigerung  in  der  Anzahl  der  Letzteren  muss 
in  der  im  Jahre  1888  erfolgten  Aufhebung  der  controllirten  Prosti- 
tution gesucht  werden,  während  ich  mir  gedacht  habe,  dass  das  be- 
deutende Abnehmen  der  extragenitalen  Infectionen  seinen  Grund 
haben  muss  in  der  Furcht  vor  ansteckenden  Krankheiten,  welche 
die  Lehre  von  den  Bakterien  selbst  bei  dem  weniger  aufge- 
klärten Theil  der  Bevölkerung  hervorgerufen  hat.  Besonders 
hat  vielleicht  ein  bei  uns  von  den  Aerzten  eingeführtes  Tuber- 
culose-Placat  zu  grösserer  Vorsicht  mit  Rücksicht  auf  Essge- 
räthschaften  etc.  beigetragen. 

In  der  obenerwähnten  Arbeit  von  Pospelow  über  extra- 
genitale Syphilis  in  Moskau  sehen  wir,  dass  der  Verfasser  der 
Meinung  ist,  dass  Syphilis  insons  von  Jahr  zu  Jahr  häufiger 
wurd,  ohne  dass  hierfür  Zalilenangaben  geliefert  werden. 

Gleichwie  Pospelow 's  Patienten,  gehören  auch  fast 
sämmtliche  in  der  Universitätsklinik  wTgen  extragenitaler  Sy- 
philis Behandelte  der  Arbeitsciasse  an. 

Wenn  man  die  gi-osse  Häufigkeit  von  extragenit.  Syphilis- 
Infection  bei  uns  sieht,  sollte  man  geneigt  sein  zu  glauben,  dass 
die  untere  Schicht  der  Bevölkerung  Norwegens  in  socialer 
Beziehung  ebenso  niedrig  stände,  wie  die  derselben  entsprechende 
Classe  der  russischen  Bevölkerung. 

Dies  ist  jedoch  keineswegs  der  Fall,  indem  die  arbeitenden 
Classen  in  Norwegen  und  Russland  in  Bezug  auf  Aufklärung 
kaum  einen  Vergleich  dulden. 

Auch  sind  diese  Fälle  fast  ausschliesslich  in  der  Haupt- 
stadt oder  in  der  Nähe  derselben  vorgekoiomen,  wäJirend  man 
wolü  sagen  darf,  dass  das  Vorkommen  der  Syphilis  im  übrigen 
Lande  im  Ganzen  genommen  selten  ist. 

Nach  den  Berichten  aus  Russland  dagegen  scheint  dort 
die  Landbevölkerung  und  die  kleinen  Dörfer  besonders  heim- 
gesucht zu  sein. 


^ 


Extragenitale  Syphilisinfection.    539  Fälle.  175 

Das  oben  erwähnte  reiche  Material  könnte  dazu  auffordern, 
die  klinischen  Symptome  hervorzuheben,  welche  für  die  extra- 
genitalen Infectionen  charakteristisch  sind,  sowie  die  Primär- 
affectionen  genauer  zu  beschreiben. 

Pospelow   hat   in   seiner  Arbeit   in   diesem   Archiv    die 

Ur  die  extragenitalen  Syphilisinfectionen  charakteristischen  Kenn- 

Mchen  —  gesammelt  aus  einem  Material,  ungefähr  dem  meinigen 

itsprechend  —  so  ausführlich  besprochen,  dass  ich  gut  darauf 

iweisen   und  nur  in  aller  Kürze   die  verschiedenen  Localisa- 

nen  besprechen  kann. 

Bei  280  Fällen  d.  i.  gut  die  Hälfte  der  besprochenen  539 
«genitalen  Infectionen  sehen  wir,  dass  der  Sitz  der  Primäraffection 
bigenden  Stellen  beobachtet  worden: 

Lippen,  inbegriffen  die  Mundwinkel,  142  Fälle,  wovon  112  Er- 
3ene  und  30  Kinder.  Von  den  Ei'wachsenen  35  Männer  und  77  Frauen. 

Zahnfleisch:  1  Fall,  ein  erwachsener  Mann. 

Zunge:  11  Fälle,  6  Erwachsene,  5  Kinder.   Von  den  Erwachsenen 

uier  und  3  Frauen. 

Rachen:    58  Fälle,  Erwachsene  52,   Kinder  6.    Von   den  Erwach- 

9  Männer  und  43  Frauen. 

Brustdrüsen:  58  Frauen. 

Kinn:  1  Fall,  eine  Frau. 

Stein:  1  Fall,  ein  erwachsenes  Mädchen. 

Pars  capillosa:  2  Fälle,  ein  Mann  und  ein  erwachsenes  Mädchen. 

Popletaea:  1  Fall,  eine  Frau. 

Abdomen:  1  Fall,  ein  Mann. 

Finger:  4  Fälle,  3  Männer  und  eine  Frau. 

Lippeninfection  ist  somit  unbedingt  die  am  häufigsten  vorkommende 
extragenitale  Infectionsart.  Demnächst  kommen  Rachen-  und  Brustdrüsen- 
Infection,  die  gleich  häufig  sind. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  der  grösste  Theil  der  259  Fälle  —  57 
Erwachsene  und  202  Kinder  —  wo  der  Sitz  der  Primäraffection  nicht 
observirt  worden  ist,  auf  die  eine  oder  andere  Weise  per  os  inficirt  worden 
und  die  Krankheit  wird  in  diesen  Fällen  ihren  Invasionsort  wesentlich 
zwischen  dem  Rachen  und  den  Lippen  getheilt  haben,  so  dass  die  wirkliche 
Anzahl  von  Lippen-  und  Rachen-  Infectionen  bei  Weitem  grösser  sein 
wird  als  die  aufgegebenen  Zahlen. 

Von  den  bekannten  extragenitalen  Infectionen  sehen  wir  51 7o  von 
Lippeninfection,  20^^  von  Racheninfection,  20%  von  Brust- 
drüseninfection  und  3,57o  von  Zungeninfection  repräsentirt. 

Die  Diagnose  dieser  an  den  verschiedenen  Stellen  localisirten 
Primäraffectionen  hat  in  der  Regel  keine  Schwierigkeiten  geboten  und 
wii*d  für  Syphilidologen  nur  ausnahmsweise  solche  darbieten ;  während  der 
gewöhnliche  praktische  Arzt  und  besonders  vielleicht   der  Hausarzt  der 


176  Krefting. 

Gefahr  ausgesetzt  ist,  allzn  lange  mit  einer  sicheren  Diagnose  zu  warten, 
indem  er  sich  so  lange  als  möglich  scheut  vor  dem  Scandal,  zu  dem  eine 
solche  Diagnose  in  der  Familie  des  Betreffenden  oft  Veranlassung  geben 

könnte. 

I 

Infectionen  durch  den  Mund.  —  Lippeninfection.  | 

I 

Auf  den  Lippen   sieht  man  die   syphilitische   Neubildung  sich   auf  ! 

eine  charakteristische  Weise  entwickeln. 

Die  Bezeichnung  „das  primäre  Syphilom",  die  übrigens  auf  eine 
jede  Primäraffection  passen  dürfte,  scheint  hier  besonders  bezeichnend 
wegen  des  in  die  Augen  fallenden  und  prominirenden  Aussehens  des 
Lippenschankers. 

Bei  den  142  Fällen  von  Lippeninfection,  wo  die  Primäraffection 
observirt  worden,   ist  deren  Sitz  aus  folgender  Tabelle  ersichtlich. 

Erwachsene  Kinder  Summe 

HXnnl.       Weibl.       Hinnl.        Weibl. 

Oberlippe 16  48  7  5  76 

Unterlippe 15  23  4  7  49 

Mundwinkel 1  6  5  4  16 

01)er-  und  Unterlippe    .       — 1 -— — - 1^ 

32  78  16  16  142 

Während  nach  Julliens  Statistik  Schanker  auf  der  Unterlippe  bei  der 
Frau  häufiger  als  auf  der  Oberlippe  zu  sein  scheint,  zeigen  die  obenste- 
henden Zahlen  das  umgekehrte  Yerhältniss,  indem  gerade  die  Oberlippe 
am  häufigsten  der  Sitz  für  die  Primäraffection  unter  den  Frauen  war. 

Was  die  Männer  anbetrifft,  zeigen  Ober-  und  Unterlippe  dieselben 
Zahlen,  dasselbe  Yerhältniss,  w^elches  auch  Julliens  Statistik  aufweist. 

Die  unbehandelten  Lippenschanker  zeigten  stets  eine  mehr  oder 
weniger  dicke  Kruste  und  beim  Ablösen  derselben  fand  sich  entweder 
nur  eine  Erosion  oder  eine  tiefere  Wunde  von  knorpelartiger 
Consistenz  mit  scharfer  Begrenzung  und  von  braunrother 
Farbe. 

Die  Secretion  aus  der  Wunde  gewöhnlich  spärlich  und  dünn. 

In  den  meisten  Fällen  ist  die  Induration  charakteristisch  und 
leicht  wie  ein  Knoten  zu  fühlen  gewesen.  Oft  sind  die  Patienten  erst  unter 
Behandlung  gekommen,  wenn  die  Krankheit  so  weit  vorgeschritten,  dass 
nur  Reste  der  Induration  zu  fühlen  waren. 

Solche  Reste  einer  Induration  haben  oft,  wenn  man  wegen  der 
Infectionsart  in  Zweifel  gewesen,  solche  in's  Reine  gebracht. 

Während  man  behaupten  kann,  dass  bei  Erwachsenen  die  Induration 
stets  vorhanden  gewesen,  scheint  dieselbe  dagegen  bei  Kindern  oft  ent- 
weder zu  fehlen  oder  so  unbedeutend  gewesen  zu  sein,  dass  sie  übersehen 
worden. 

Die  Zahlen  zeigten  femer,  dass  Lippeuschanker  nur  bei  32  Kindern 
observirt  worden,  während  solcher  gleichzeitig  bei  109  Erwachsenen  beob- 
achtet wurde. 


Extragenitale  Öyphilisinfection.    539  Fälle.  177 

Die  wirkliche  Anzahl  von  Lippeninfectionen  bei  Kindern  ist  sicherlich 
bedeutend  grosser,  da  nicht  weniger  als  ungefähr  200  Kinder  per  os  infi- 
cirt  worden,  ohne  dass  der  Sitz  der  Primäraffection  observirt  worden. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  der  grösste  Theil  dieser  Kinder  seine 
Primäraffection  auf  den  Lippen  oder  im  Rachen  gehabt  hat.  Nur  verhält- 
nissmässig  wenige  haben  solche  vermuthlich  auf  der  Zunge  oder  an  anderen 
Stellen  der  Mundhöhle  gehabt. 

Auch  muss  man  annehmen,  dass  ein  Theil  der  57  Erwachsenen,  die 
durch  den  Mund  angesteckt  worden,  ohne  dass  die  Primäraffection  obser- 
virt wurde,  durch  die  Lippen  inficirt  worden  sind. 

Die  Diagnose  auf  Lippenschanker  bietet  in  der  Regel  keine  Schwierig- 
Ifeiten,  indem  dieselbe  gewöhnlich  schon  von  Weitem  gestellt 
werden  kann,  in  demselben  Augenblicke,  wo  der  Patient  beim 
Arzte  in  die  Thüre  tritt. 

Wenn  derselbe  in  seiner  vollen  Entwicklung  auf  seinem  Höhepunkt 
ist,  gibt  er  der  Lippe  ein  auffallend  asymmetrisches  Aussehen. 

Sitzt  er  mitten  auf  der  Oberlippe,  steht  dieselbe  wie  ein  formlicher 
Schnabel  hervor.  Zuweilen  hat  derselbe  kolossale  Dimensionen  gezeigt  mit 
indurativem  Oedem  in  grosser  Ausstreckung  um  die  Wunde  herum. 

Das  beste  pathognomonische  Zeichen  für  Lippeninfection  muss  in 
der  holzharten  Geschwulst  der  Submaxillar-  und  Halsdrüsen, 
besonders  auf  der  Seite,  wo  die  Primäraffection  ihren  Sitz 
hat,  gesucht  werden. 

Die  Drüsen  haben  oft  mehr  als  die  Grösse  eines  Taubeneis  erreicht, 
fast  in  sämmtlichen  Journalen  erwähnt. 

Die  Deformation  des  Halses,  welche  dii«  asymmctiische  Drüsen- 
geschwulst hervorgerufen  hat,  wird  auch  oft  in  den  Journalen  genannt. 

Bei  einzelnen  Fällen  sieht  man  jedoch,  dass  die  Submaxillardrüsen 
am  meisten  geschwollen  waren  just  auf  der  entgegengesetzten  Seite  des 
Sitzes  der  Primäraffection. 

Wenn  somit,  wie  es  zuweilen  der  Fall  gewesen,  die  Spuren  der 
IMmäraffection  wenig  deutlich  sind,  so  gibt  die  regionäre,  einseitige 
Drüsengeschwulst  die  sichersten  und  besten  Aufklärungen  über  die  Inva- 
aionsstelle  der  Krankheit. 

Es  sind  demgemäss  Fälle  vorgekommen,  wo  bedeutend  einseitige 
Geschwulst  der  Submaxillar-  und  Halsdrüsen  vorhanden  war,  während 
gleichzeitig  die  Leistendrüsen  nicht  geschwollen  waren. 

Wenn  dann  ein  einigermassen  glaubwürdiger  Patient  erklärt  eine 
Wunde  auf  der  Lippe  gehabt  zu  haben,  lange  bevor  die  secundären  Aus- 
brüche kamen,  so  kann  mau,  selbst  wenn  keine  bedeutende  Spur  vom 
Lippenschanker  vorhanden,  auf  die  Invasionsstelle  der  Krankheit  schliessen. 

Das  Zuheilen  der  auf  der  Universitätsklinik  behandelten  Lippen- 
flchanker  ist  verhältnissmässig  langsam  vor  sich  gegangen. 

Quecksilberbehandlung,  die  die  Neubildung  am  schnellsten  zum 
Schwinden  bringt,  ist  principiell  sehr  selten  angewandt  worden. 


178  Krefting. 

Rachenin  fection. 

Von  unzweifelhaften  Racheninfectionen  sind  in  dem  oben  erwähnten 
Zeitraum  58  F  ä  1 1  e  observirt  worden.  Die  Primäraffectionen  sind,  wenigsten» 
in  den  besser  observirten  Fällen,  stets  Tonsillarschanker  gewesen,  die  sich 
zuweilen  mehr  oder  weniger  nach  den  anstossenden  Gaumenbögen  oder 
dem  am  nächsten  gelegenen  Theil  von  Uvula  verbreitet  haben.  In  36  Fällen 
ist  der  Sitz  des  Tonsillarschankers  erwähnt,  indem  er  in  15  Fällen  auf 
der  rechten,  in  21  Fällen  auf  der  linken  Tonsille  gesessen  hat. 

Von  diesen  86  Fällen  waren  28  erwachsene  Frauen,  4  Männer  und 
4  Kinder.  Von  Pospelow^s  50  Fällen  waren  14  Männer  und  36  Frauen. 

Die  rechte  TonsiUe  ist  nach  Pospe low  die  am  häufigsten  afficirte, 
während  Obenstehendes  zeigt,  dass  die  linke  am  häufigsten  angegriffen  wird. 

Man  sieht,  dass  die  Weiber  der  Ansteckung  bedeutend  mehr  aus- 
gesetzt sind,  als  die  Männer. 

Nur  in  einem  Falle  scheinen  beide  Tonsillen  Sitz  für  die  Pri- 
märaffection  gewesen  zu  sein. 

Die  Anzahl  der  Racheninfectionen  bei  den  auf  der  Universitätsklinik 
behandelten  extragenitalen  Infectionen  ist  freilich  bedeutend  grösser  als 
die  oben  genannte,  da  ein  grosser  Theil  sich  vermuthlich  der  Aufmerk- 
samkeit entzogen  hat. 

£s  ist  anzunehmen,  dass  ein  grosser  Theil  der  früher  erwähnten 
57  Erwachsenen  und  19f)  Kinder,  die  per  os  angesteckt  waren,  ohne  dass 
der  Sitz  der  Primäraffection  observirt  worden,  durch  den  Rachen  inficirt 
worden. 

Pospelow  fand,  dass  fast  die  Hälfte  der  Iniectionen  per  os  Rachen- 
infectionen waren. 

Die  genauer  beschriebenen  Fälle  von  Tonsillarschankem  schreiben 
sich  besonders  von  den  Journalen  der  letzten  10  Jahre  her,  indem  diese 
Infectionsart  früher  wenig  bekannt  war  und  sich  wenigstens  keine  besondere 
Aufmerksamkeit  als  eine  häufige  Infectionsart  zugezogen  hat. 

Unsere  eigene  medicinische  Literatur  zeigt,  dass  bei  uns  kleine 
Epidemien  vorgekommen  sind,  wo  die  Infection  zweifellos  durch  den 
Rachen  vor  sich  gegangen  ist. 

In  P  o  s  p  e  1  o  w's  sehr  umständlicher  Literaturangabe  sind  Berichte  aus 
Norwegen  von  Boeck,  Malm  und  Graarud  erwähnt  über  15  Fälle  von 
Tonsillarschanker,  in  der  Privatj^raxis  beobachtet.  Die  Ansteckung  war  in 
diesen  Fällen  theils  durch  Essgeräthschaften,  Tabakspfeifen,  Kuss  über, 
tragen  worden.   1  Fall  durch  Pflege     eines  syphilitischen  Kindes. 

In  Bezug  auf  die  Symptomatologie  bieten  die  auf  dem  Hospital 
observirten  Fälle  von  Tonsillarinfcctionen  nichts  besonderes  dar. 

Von  subjectiven  Symptomen  sind  allerdings  Beschwerden  beim 
Schlucken  in  den  meisten  Fällen  en^^ähnt,  doch  haben  dieselben  für  den 
Patienten  nichts  besonders  Eigenthümlicbes  dargeboten  und  sind  auch  nicht 
immer  vorhanden  gewesen.  Dieses  erste  Symptom  für  Tonsillarinfection 
wird  von  dem  Patienten  selbstredend  im  Allgemeinen  als  auf  einem  ge- 
wöhnlichen Halsübel  beruhend  angesehen  und  daher  übersehen. 


Extragenitale  Syphilisinfection.    539  Fälle.  179 

£in  solcher  Patient,  der  umher  geht  ohne  etwas  von  seinem  Ton- 
sillarschanker  zu  wissen,  ist  selbstredend  eine  für  die  Gesellschaft  gefahr- 
liche Person. 

Selbst  wenn  ein  solcher  Patient  einen  Arzt  consultirt,  wird  er 
vielleicht  in  den  meisten  Fällen  als  an  Angina  oder  Diphtheritis  leidend 
angesehen. 

Eine  nicht  geringe  Anzahl  der  imHospital  behandelten 
Falle  haben  erst  ihren  Weg  nach  dem  Diphtheritlazareth 
gemacht,  ehe  die  richtige  Diagnose  gestellt  worden. 

Ans  Pospelow's  Arbeit  scheint  hervorzugehen,  dass  die  Diagnose 
der  primären  Bachen  wunden  keine  Schwierigkeiten  verursachen  sollte.  Die 
Diagnose  lässt  sich  auch  meistens  mit  Leichtigkeit  stellen,  wenn  man  hinzu- 
kommt zu  einer  Zeit,  wo  die  besonders  charakteristischen  Symptome  noch 
vorhanden  sind. 

Ist  die  Primäraffection  einseitig  und  sitzt  dieselbe  auf  der  einen 
Tonsille,  wie  solches  gewöhnlich  in  den  Journalen  beschrieben  worden, 
ist  die  Diagnose  verhältnissmässig  leicht. 

Die  einseitige  Geschwulst  und  Hyperämie  der  Tonsillen, 
die  sich  oft,  scharf  begrenzt,  bis  auf  die  Gaumeubögen  und  gegen  die 
Uvula  erstreckt,  ist  von  grosser  diagnostischer  Bedeutung  und  gibt  dem 
ganzen  Rachen  ein  auffallend  asymmetrisches  Aussehen. 

Wenn  hierzu  wie  in  den  oben  erwähnten  besser  observirten  Fällen 
von  einseitiger  Tonsillarinfection  starke  Geschwulst  der  Submaxi Uardrusen, 
besonders  derjenigen  hinter  Angulus  maxillae  sowie  der  lateralen  Hals- 
drüsen  auf  derselben  Seite  wie  die  Primäraffection,  kommt,  so  bietet  die 
Diagnose  keine  Schwierigkeiten. 

Solange  die  Krankheit  noch  verhältnissmässig  neueren  Datums  war, 
waren  die  Drüsen  von  einer  knorpelharten  Consistenz  und  bildeten  oft 
grössere  Packete,  die  Veranlassung  zu  einer  auffallenden  Deforma- 
tion des  Halses  waren  noch  mehr  als  bei  Lippenschanker,  indem 
die  lateralen  Halsdrüsen  längs  M.  stemo-cleido-mastoid.  den  ganzen  Hals 
hinunter,  oft  geschwollen  waren. 

Oft  sieht  man,  dass  die  syphilitische  Primärwunde  auf  den  Ton- 
sillen ziemlich  tief  gewesen  mit  Gangrän  des  Gewebes  und  wird  dann 
mit  einer  schmutzig  grauen  Schicht  belegt  sein. 

Induration  der  Wunde  ist  oft  gefühlt  worden,  aber  man  darf 
nicht  verlangen,  dass  dieselbe  stets  zu  fühlen  ist. 

Die  Schwierigkeit  bei  der  Diagnose  auf  Tonsillarschanker  wird 
selbstredend  grosser,  wenn  derselbe  doppelseitig  ist. 

Unter  den  beobachteten  Fällen  sieht  man  nur  einen  Fall,  wo  die 
Primäraffection  auf  beiden  Tonsillen  beobachtet  worden. 

Der  doppelseitige  Tonsillarschanker  wird  die  grössten  Schwierig- 
keiten in  Bezug  auf  die  Diagnose  darbieten  können. 

Ausser  dem  Gedanken  an  Diphtheritis  wird  man  auch  dieAufinerk- 
samkeit  auf  Ulcerationen  im  Rachen  hingewendet  haben  können,  die  in 
der  secundären  Periode  vorkommen. 


180  Krefting. 

Die  Glandelgeschwulst  am  Halse  und  hinter  Angulus  maxillae  wird 
beim  doppelseitigen  Tonsillarschanker  auch  auffallend  sein,  ohne  jedoch 
eine  besondere  Asymmetrie  der  Halspartie  hervorzurufen. 

Bei  einem  solchen  weniger  klaren  Falle  wird  man  doch  stets  An- 
haltspunkte für  die  Diagnose  finden,  wenn  erst  der  Verdacht  auf  Syphilis 

erweckt  ist. 

Zungeninfection. 

Diese  Infection  ist,  wie  man  sieht,  bei  11  Fällen  —  6  Erwachsene 
und  5  Kinder  —  beobachtet  worden.  Von  den  Erwachsenen  3  Manner 
und  3  Frauen.  £s  sind  theils  indurirte  Wunden,  theils  indurirte 
Narben  auf  der  Zunge  beschrieben. 

Bei   zweien  der  Kinder  ist  der   Sitz    der  Primäraffection   auf  der 

Zunge    nur    aus  der  Krankheitsgeschichte    aufgeklärt.     Im   Allgemeinen 

sind  mehr  oder  weniger  (reschwulst  oder  Submaxillardrüsen  erwähnt, 

besonders  auf  der  Seite,  wo  die  Primäraffection  gesessen  hat,  ebenso  wie 

auch   gewöhnlich   asymmetrische   Geschwulst    der   Halsdrüsen 

vorhanden  gewesen. 

Zahnfleisch. 

Nur  in  einem  Falle,  bei  einem  erwachsenen  Manne,  sehen  wir,  dass 
die  Primäraffection  auf  dem  Zahnfleisch  am  Oberkiefer  über  den  Vorder- 
zähnen gesessen  hat.  Da  eine  jede  Wunde  an  dieser  Stelle  wegen  der 
anatomischen  Verhältnisse  sich  hart  anfühlen  wird,  hat  das  sonst  patho- 
gnomonische  Zeichen  in  Bezug  auf  diese  Localisation  keine  diagnostische 
Bedeutung. 

Bedeutende  Geschwulst  der  Submaxi Uar-  und  Nuchaldrüsen,  beson- 
ders auf  der  linken  Seite  sind  im  Journal  erwähnt. 

Brustdrüseniufection. 

Die  gesammelte  Anzahl  von  beobachteten  Brustdrüseninfectionen  war 
58,  dieselbe  Anzahl  wie  die  von  Racheninfectionen. 

In  19  Fällen  waren  die  rechten  und  in  27  die  linken  Mammae  der 
Sitz  der  Primäraffection  und  in  6  Fällen  beide.  In  6  Fällen  ist  es  nicht 
aufgeklärt,  auf  welcher  Brust  dieselbe  gesessen. 

Das  primäre  Syphilom  nahm  meistens  die  Basis  der  Brustwar- 
zen ein,  indem  es  sich  bis  über  die  eine  Hälfte  der  Brustwarze  erstreckte. 
Zuweilen  konnte  die  Affection  sich  rings  um  die  Basis  der  Brustwarze 
erstrecken.  Meistens  hatte  die  Wunde  eine  mehr  oder  weniger  unregel- 
mässigc  Halbmondform. 

So  lange  sie  nicht  unter  Behandlung  waren,  zeigten  die  primären 
Wunden  sich  mit  einer  blutigenKruste  belegt.  Beim  Entfernen  derselben 
wies  die  Oberfläche  der  Schankerwunde  eine  dunkelrothe  Farbe  auf. 

Induration  war  «tets  mehr  oder  weniger  deutlich  vorhanden. 

Einige  Patienten  kamen  in^s  Hospital  mit  indurirten  hyperämischen 
Narben  nach  längst  zugeheilten  Schankem.  Diese  waren  lange  zu  sehen 
und  zu  fühlen  im  Verlaufe  der  Krankheit. 

Die  Wunden  an  den  Brustdrüsen  heilten  stets  ohne  grosseren  Sub- 
stanz verlust. 


Extragenitale  Syphilisinfection.    539  Fälle.  Igl 

Die  Axillardrüsen  auf  derselben  Seite  werden  stets  als  geschwol- 
len erwähnt. 

Nicht  selten  werden  eine  Reihe  geschwollener  Drüsen  längs 
Musculuspectoralis  auf  derselben  Seite  erwähnt.  Wenn  Primärwunden 
auf  beiden  Mammae  vorhanden  waren,  waren  auch  die  Drüsen  in  beiden 
Axillen  geschwollen,  jedoch  nicht  gleich  stark  auf  beiden  Seiten« 

Die  Diagnose  der  syphilitischen  Primäraffection  an  den  Brustdrüsen 
bot  niemals  Schwierigkeiten,  da  sowohl  Induration  als  auch  charakteri- 
stische Drüsengeschwulst  stets  deutlich  ausgesprochen  vorhanden  war, 
selbst  ziemlich  lange  Zeit  nach  der  Infection. 

Andere  Localisationen  der  Primäraffection. 

An  den  Fingern  ist  der  Sitz  der  Primäraffection  in  4  Fällen  ob- 
servirt  worden:  2  Männer  und  2  Frauen.  Bei  den  beiden  Frauen  sass  die 
Aifection  auf  dem  rechten  Zeigefinger.  In  Bezug  auf  den  einen  dieser 
Fälle  ist  eine  Reihe  geschwollener  Drüsen  nach  dem  rechten 
Cubitus  zu  sowie  geschwollene  Axillarglandeln  erwähnt. 

Von  den  Männern  hatte  der  eine  die  Primäraffection  am  rechten 
Ringfinger,  der  andere  am  rechten  Zeigefinger.  Cubital,  Axillardrüsen  sind 
besonders  erwähnt  als  geschwollen  auf  beiden  Seiten. 

In  Betreff  des  einen  ist  auch  Geschwulst  der  Pectoraldrüsen 
auf  derselben  Seite  erwähnt.  Im  Uebrigen  scheint  die  Primäraffection  an 
den  Fingern  kein  besonderes  charakteristisches  Schankeraussehen  dargeboten 
zu  haben.  Die  Glandelgeschwulst  muss  hierbei  entscheiden. 

Als  ein  Beispiel,  wie  leicht  ein  solcher  Fingerschanker  übersehen 
werden  kann,  will  ich  einen  Fall  anfuhren,  der  mir  zufallig  von  einem 
GoUegen  gezeigt  wurde.  Es  war  ein  Bäcker,  der  sich  bei  dem  betreffenden 
CoUegen  unter  Behandlung  befand  wegen  secundärer  Syphilis,  ohne  dass 
es  aufgeklärt  wurde,  auf  welche  Weise  die  Krankheit  erworben  worden. 
Um  seinen  rechten  Zeigefinger  hatte  der  Patient  einen  kleinen  Verband 
und  gab  an,  einen  „Wurm  am  Finger**  zu  haben. 

Der  Arzt  hatte  auch  seit  einiger  Zeit  diesen  Verband  bemerkt,  aber 
nicht  näher  den  Finger  angesehen. 

Ausser  einer  Wunde  an  der  äussersten  geschwollenen  Phalanx 
waren  harte  Geschwulste  einiger  Drüsen  auf  der  Innenseite  des  Unterarms 
gegen  den  Cubitus,  sowie  geschwollene  Axillardrüsen  zu  fahlen. 

Der  Invasionsort  der  Krankheit  war  klar. 

Auf  Parscapillata  war  die  Primäraffection  in  2  Fällen  observir  t, 
bei  einem  erwachsenen  Manne  und  einer  Frau.  Was  den  Mann  betrifft, 
sind  die  Cervicaldrüsen  als  besonders  geschwollen  erwähnt. 

Was  die  Frau  betrifft,  ist  Geschwulst  der  Nucal -  Cervicaldrüsen 
bes.  auf  der  rechten  Seite  auch  der  Submaxillar-  und  Axillardrüsen  erwähnt 

Am  Kinn   ist  indurirter  Schanker  bei  einer  28jährigen  Frau   ob- 

servirt.    Es  waren  geschwollene  Drüsen  vor  dem  rechten  Ohr  beobachtet. 

Submaxillar-  und  Submentaldrüsen   geschwollen,  auch  einige  Geschwulst 

der  Leistendrüsen.    In  einem  Falle   bei  einer  Frau  sieht  map,   dass  die 

Arehir  f.  D^rmatol.  n.  Syphll.  Band  XXVL  J3 


182  Krefting. 

Primäraffection  auf  der  Aussenseite  der  rechten  Hand  gesessen  hat,  bei 
einer  anderen  Frau  in  Poplitaea. 


Die  Art  der  Ansteckung. 

Mit  Ausnahme  von  ungefähr  100  Fällen  liegen  für  sämmt- 
liehe  oben  genannte  Fälle  von  extragenitaler  Infection  Aufklä- 
rungen über  die  Art  der  Ansteckung  vor.  Die  Journale  geben 
schon  gleich  vom  Anfang  der  ersten  Jahre  des  genannten  Zeit- 
raums an  gute  Aufschlüsse  in  dieser  Beziehung.  Die  Infectionen 
pr.  OS,  die  zusammen  ungefähr  ^/j  sämmtlicher  Fälle  aus- 
machen, schreiben  sich  theils  von  Ess-  und  Trinkgeräthschaften, 
tlieils  von  Küssen  her,  in  Betreff  einiger  Säuglinge  vom  Saugen 
und  einiger  Erwachsener  von  Pfeife  oder  Cigarre. 

Unter  den  Erwachsenen,  die  speciell  als  durch  Kuss 
angesteckt  angegeben  sind,  befinden  sicli  14  Männer  und 
87  Frauen.  Von  den  letzteren  sind  8  aufgeführt  als  von  ihren 
respectiven  Verlobten  angesteckt.  Diese  Ali;  der  Uebertragung 
ist  jedoch  vermuthlich  weit  häufiger,  als  diese  Zahlen  angeben. 

Besonders  muss  diese  Infectionsart  unter  Kindern  vorge- 
kommen sein  bei  Haus-  und  Familienepidemien. 

Uebertragung  durch  Pfeife  oder  Cigarre  ist  nur  in 
5  Fällen  nachgewiesen. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  bei  uns  Mund-  und  Racheninfec- 
tion  durch  perversen  geschlechtlichen  Umgang  nicht  vorgekom- 
men ist.  In  keinem  Falle  ist  Ansteckung  durch  Blasinstru- 
mente oder  andere  Geräthschaften  nachgewiesen. 

Als  angesteckt  beim  Säugen  liegt  vollständige  Aufklä- 
rung bei  19  Kindern  vor. 

Auch  ein  erwachsenes  Mädchen  ist,  wie  man  sieht,  dadurch 
angesteckt  worden,  dass  es  an  den  Brüsten  einer  syphyli- 
tischen  Wöchnerin  gesogen  (um  sie  vom  Andrang  der  Milch  zu 
befreien).  Eine  bei  weitem  grössere  Anzahl  Kinder  ist  walir- 
scheinlich  auf  diese  Weise  angesteckt  worden,  da  es  sehr  ge- 
wöhnlich unter  dem  Volke  ist,  dass  die  Weiber,  wenn  sie  ein- 
ander besuchen,  fremden  Kindern  die  Brust  reichen.  Dies 
wird  fast  als  ein  Beweis  von  Artigkeit  angesehen. 


Extragenitale  Syphilisinfection.    539  Fälle.  183 

Es  ist  auch  allgemein  unter  der  arbeitenden  Classe,  dass  die 
Kinder  von  den  Nachbarinen  gesäugt  werden,  die  sie  warten, 
wenn  ihre  Mütter  nicht  zu  Hause  sind. 

Fast  sämmtliche  Infectionen  pr.  os,  die  nicht  auf  eine  der 
eben  genannten  Arten  vor  sich  gegangen,  müssen  auf  die  eine 
oder  andere  Weise  durch  Ess-  und  Trinkgeräthschaften 
geschehen  sein. 

Wenn  man  annimmt,  dass  ^4  sämmtlicher  extragenitaler 
Infectionen  auf  diese  Weise  vor  sich  gegangen  sind,  so  glaub© 
ich,  dass  man  der  wirklichen  Anzahl  ziemlich  nahe  kommt. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  einige  kleine  Kinder  —  wie 
solches  auch  zuweilen  nachgewiesen  ist  —  beim  Essen  angesteckt 
sind,  ohne  dass  ein  Löffel  gebraucht  wurde,  indem  es  nicht 
ungewöhnlich  ist,  dass  Mütter  oder  Pflegerinen  das  Essen  erst 
kauen,  bevor  sie  es  den  Kindern  in  den  Mund  stecken. 

Unter  den  oben  erwähnten  58  Fällen  von  Brustdrüsen- 
infection  ist  eine  Frau,  die  dadurch  inficirt  worden,  dass  sie 
sich  von  einem  erwachsenen  syphilitischen  Mädchen  an  den 
Brüsten  saugen  liess. 

Die  übrigen  sind  beim  Säugen  inficirt,  theils  von  fremden 
Kindern  und  zwar  am  häufigsten  von  hereditär  syphilitischen, 
theils  von  ihren  eigenen  Kindern,  die  die  Krankheit  erworben, 
indem  sie  von  syphilitischen  Frauen  gesäugt  worden  oder  ange- 
steckt wurden  durch  Kuss  oder  durch  Essgeräthschaften  von 
Pflegerinen  oder  Geschwistern. 

Bei  einem  grossen  Theil  der  oben  besprochenen  Fälle 
ist  ausser  der  Infectionsart  auch  nachgewiesen,  von  wem  die 
Ansteckung  herrührte,  besonders  in  Betreff  der  Kinder. 

73  Kinder  werden  ausdrücklich  als  von  ihren  Müttern 
angesteckt  angeführt,  die  wiederum  meistens  von  ihren  Männern 
genital  angesteckt  worden. 

13  Kinder  von  ihren  Eltern  angesteckt  (Beide  liaben  die 
Krankheit  gehabt),  37  Kinder  von  Pflegerinen  und  Dienst- 
mädchen angesteckt,  19  Kinder  sind  angegeben  als  beim  Säugen 
angesteckt,  dagegen  nur  ein  Kind  durch  die  Amme  (der  Gebrauch 
von  Ammen  ist  ungeheuer  selten  bei  demTheile  der  Bevöl- 
kerung, der  die  Hospitalkundschaft  bildet). 

13* 


184  Krefting. 

Bei  14  Kindern  ist  nur  nachgewiesen,  dass  sie  der  An- 
steckung ausgesetzt  gewesen.  4  Kinder  von  Logirenden  ange- 
steckt. 

Unter  den  Erwachsenen  sind  35  Frauen  angegeben  als 
von  Pflegekindern  angesteckt. 

13  Dienstmädchen  und  Pflegerinen  von  syphilitischen 
Kindern  angesteckt. 

Wie  aus  Vorstehendem  hervorgeht,  sind  die  Kinder  der 
unteren  Classen  der  Bevölkerung  verhältnissmässig  sehr  der 
Gefahr  ausgesetzt,    von  Syphilis  insons  angegriffen  zu  werden. 

Syphilitische  Kinder  ringsum  in  den  kleinen  ärmlichen 
Wohnungen  sind  besonders  gefährlich  und  sind  oft  Veran- 
lassung zu  grösseren  Haus-  und  Familienepidemien. 

In  dem  obenerwähnten  Zeitraum  finden  sich  in  den  Jour- 
nalen gute  Aufschlüsse  über  22  grössere  Haus-  und  Familien- 
epidemien, wo  Kinder  und  Erwachsene  um  einander  angegrifien 
worden  sind. 

Verlauf  und  Behandlung  der  Krankheit. 

Was  den  Verlauf  der  Krankheit  anbetrifft,  so  scheint  ein 
verhältnissmässig  grosser  Theil  der  beobachteten  extragenital 
inficirten  Fälle  schwere  Formen  mit  starken  Exanthem- Aus- 
brüchen und  Iriten  gezeigt  zu  haben,  gleichwie  der  Aufenthalt 
im  Hospital  in  der  Regel  bedeutend  länger  gewesen  ist,  als 
bei  den  genital  Inficirten. 

Besonders  scheinen  Brustdrüseninfection  und  Lippenin- 
fectionen  bei  Erwachsenen  oft  Anlass  gegeben  zu  haben  zu 
schwerer  Syphilis  mit  verhältnissmässig  späten  Recidiven.  Diese 
Beobachtungen  sind  auch  völlig  übereinstimmend  niit  den 
Observationen  Anderer.  Was  die  bei  secundärer  Syphihs  ge- 
brauchte Behandlung  angeht,  weist  dieselbe  wesentlich  von 
der  allgemein  gebräuchlichen  ab,  indem  Quecksilbermittel  nur 
ausnahmsweise  angewandt  worden  sind. 

Jodkalium  ist  dagegen  fast  immer  benutzt  worden  in  allen 
Fällen,  die  Tendenz  gezeigt  haben,  sich  in  die  Länge  zu  ziehen. 
Im  Uebrigen  ist  stets  wesentlich  Gewicht  auf  eine  roborirende 
Behandlung  mit  Eisen  und  Chinin  gelegt  worden. 


Extragenitalc  Syphilisinfection.    530  Fälle.  185 

Bei  Iriten  sind  Atropin,  Vesicatoren  und  Blutigel  an  den 
Schläfen  sowie  Jodkalium  angewandt  worden. 

Seit  W.  Boecks  Zeiten  ist  die  Quecksilberbohandlung 
selten  auf  der  Universitätsklinik  angewandt  worden. 

Es  wäre  daher  sehr  am  Platze,  die  Resultate  der  Be- 
handlung daselbst  mit  den  Resultaten  der  Mercurialbehandlung 
an  anderen  Orten  zu  vergleichen. 

Die  Schwierigkeiten,  die  sich  darbieten,  wo  es  gilt,  einen 
bestimmten  Schluss  aus  einem  solchen  Vergleich  zu  ziehen,  ei^- 
scheinen  mir  indessen  so  ungeheuer  gross,  dass  ich  mich  nicht 
daran  wagen  will. 

Dennoch  glaube  ich  aussprechen  zu  können,  dass  die  meisten 
Syphilidologen  sich  schwerlich  die  Möglichkeit  denken  werden, 
so  gute  Resultate  zu  erzielen  mit  einer  Behandlung,  die  man 
zunächst  als  expectativ  bezeichnen  muss. 

Allgemeine  Bemerkungen. 

• 

Ohne  dass  von  Seiten  der  Oe£fentlichkeit  besondere  Ver- 
anstaltungen getroffen  worden,  sieht  man  in  den  letzten  4  Jahren 
eine  bedeutende  Abnahme  der  im  Hospital  behandelten  Fälle 
von  extragenital  Inficirten. 

Die  Gesammtzahl  der  Behandelten  hat  dagegen  in  dem- 
selben Zeitraum  bedeutend  zugenommen,  so  dass  die  Ab- 
nahme in  der  Anzahl  der  extragenitalen  Infectionen  in  gar 
keinem  Verhältniss  zum  Vorkonmien  der  Syphilis  überhaupt 
zu  stehen  scheint.  Das  starke  Steigen  in  der  Anzahl  der 
genital  Inficirten  zu  erklären  fällt  nicht  schwer,  indem  dies 
mit  der  Aufhebung  der  Controle  der  Prostitution  in  Ghristiania 
im  Jahre  1888  zusammenfiel,  seit  welcher  Zeit  die  Controle  nur 
auf  Angabe  der  Ansteckungen  basirt  gewesen. 

Die  Ursache  der  gleichzeitigen  bedeutenden  Abnahme 
der  Anzahl  von  extragenital  Inficirten  erscheint  dagegen  räthsel- 
haft  und  muss  vielleicht  in  einer,  in  der  letzteren  Zeit  unter 
dem  Volke  mehr  verbreiteten  Kenntniss  ansteckender  Krank- 
heiten überhaupt  gesucht  werden. 

Besonders  glaube  ich,  dass  die  Furcht  vor  Ansteckung, 
welche  in  der  letzteren  Zeit  auch  unter   der  unteren   Bevölke- 


186  Krefting. 

rung  der  Tuberculose  gegenüber  hervorgebracht  worden,  zu 
grösserer  Reinlichkeit  und  Vorsicht  im  Hauswesen  beigetragen 
hat,  60  dass  man  in  Betreff  der  Syphilis  insons  eine  auffal- 
lende Wirkung  der  Ansteckungsfurcht  spüren  kann. 

Da  es  sich  besonders  oft  gezeigt  hat,  dass  die  erste  An- 
steckungsquelle zu  den  erwähnten  Haus-  und  Familieepidemien 
ein  ausgesetztes  hereditär  syphilitisches  Kind  gewesen,  so  liegt 
hierin  eine  Aufforderung  zu  strenger  ärzthcher  Controle  solcher, 
meistens  aussereheUch  geborenen,  Kinder.  Selbst  Kinder,  die 
im  Hospital  behandelt  und  als  geheilt  entlassen  wurden,  haben 
zuweilen,  nachdem  sie  hinausgekommen  sind,  die  Krankheit 
weitergebracht. 

Selbst  solche,  aus  dem  Hospital  als  geheilt  entlassene  Kinder 
müssen  daher  regelmässiger  ärztlicher  Untersuchung  unterworfen 
werden,  gleichwie  die  Umgebung  ernstlich  auf  die  Gefahr  der 
Ansteckung  aufmerksam  gemacht  werden  muss. 


Bemerkungen  zur  Behandlung  der  Nasen- 

höhlensyphüis. 


Von 
Dr.  Schnster  in  Aachen. 


Eine  Reihe  von  Fällen  ernster  syphilitischer  Erkrankungen 
der  Nasenhöhlen,  die  mir  in  der  letzten  Zeit  wieder  in  ver- 
mehrter Weise  zur  Behandlung  zugegangen  sind,  haben  mir  den 
Beweis  geliefert,  dass  sowohl  in  Bezug  auf  Diagnose  dieser 
Affectionen  eine  sichere  Untersuchungsweise  noch  lange  nicht 
Oemeingut  der  Aerzte  geworden  ist,  als  auch  zum  Theil  wohl 
in  Folge  dessen  die  Behandlung  eine  sehr  wenig  genügende  ist. 
Zu  diesem  Schlüsse  wird  man  gezwungen,  wenn  man  z.  B.  bei 
einem  Kranken,  der  soeben  wegen  seines  Nasenleidens  eine  sechs- 
wöchentliche Inunctionscur  mit  dem  angeblichen  Resultat 
„geheilt"  beendet  hat,  nicht  allein  die  des  Septums  und  der 
unteren  Muscheln  beraubten  Nasenhöhle  voller  klebrig  schmieriger 
Borken  sieht,  sondern  auch  nach  deren  Entfernung  granulirende 
blutende  Schleimhaut-  und  cariöse  Knochenflächen  vorfindet; 
oder  wenn  man  z.  B.  Fälle  sieht,  die  mehrere  Jahre  örtlich 
und  allgemein  specifisch  behandelt  wurden,  und  es  zeigen  sich 
dann,  wie  in  einem  Falle  aus  dem  Lande  Mackenzies  und  Hut- 
chinsons neben  wallnussgrosser  Perforation  des  Palatum  durum, 
Verwachsung  des  Velum  mit  der  hintern  Pharynxwand,  Caries 
necrotica  in  verschiedenster  Richtung  und  Ausdehnung  der 
Nasenhöhlenwandungen  nebst  fauligem,  foetidem  Gerüche  der 
sich  immer  wieder  anhäufenden,  festauklebeuden,  oft  verhärteten 


188  Schuster. 

Sekretmassen ;  oder  wenn  ein  vor  3  Jahren  8y|)liilitisch  infi- 
cirter  Kranke,  der  über  Verstopfung  der  Nase,  Taubheit 
des  rechten  Ohres  klagt  und  nun  erwähnt,  dass  in  den  letzten 
6  Wochen  alle  zwei  Tage  mittels  Ohrcatheters  die  Luftdusche 
neben  Mercurpillenbehandlung  mit  dem  Bemerken  angewandt 
worden  sei,  die  Nasenknochen  seien  etwas  miterkrankt  —  und 
die  durch  den  geschwellten  Introitus  narium  eingehende  Sonde 
stösst  nun  auf  ein  Trümmerfeld  von  entblössten  Enochenflächen 
und  Splittern. 

Solcher  Fälle  wären  noch  ähnliche  anzuführen. 

In  Bezug  auf  Behandlung  wird  nun  der  Standpunkt 
noch  vertreten  selbst  von  solchen,  die  sich  speciell  mit  Syphilis- 
therapie beschäftigen,  aber  auch  von  Rhinologen,  dass  die  örtliche 
Behandlung  nebensächlich,  wenn  nicht  überflüssig  sei,  dass  die 
Allgemeinbehandlung,  indem  sie  die  Grundursache  des  Leidens 
zu  heilen  trachte,  gleichzeitig  Heilung  der  örtlichen  Erankheits- 
äusserungen  bedinge,  dass  denmach  gerade  das  Verhalten  der 
letzteren  ein  Leitmesser  sei  für  die  Dauer  der  Behandlung. 

Es  ist  allerdings  selbstverständlich,  dass  wir  nach  dem 
heutigen  Stande  unserer  Erfahrungen  bei  jeder  Aeusserung 
der  Syphilis  und  so  auch  der  in  der  Nase  eine  specifische 
Allgemeinbehandlung  durclizuführen  suchen.  Die  Anschauung, 
dass  Mercuranwendung  die  Nekrose  der  Nasenknochen  beför- 
dere oder  gar  bedinge,  hat  gerade  so  wenig  und  so  viel  Werth, 
wie  die,  dass  eine  solche  die  Ursache  der  Tabes  sei  sie  macht 
sich  nur  dann  bemerkbar,  wenn  man  wegen  mangebider  ge- 
nauer Diagnose  der  Behandlung  eben  nicht  gewachsen  ist; 
darum  soll  aber  nicht  unberücksichtigt  bleiben,  dass,  wie 
dies  überhaupt  bei  der  Syphilis  vorkommt,  eine  Mercurbe- 
handlung  insbesondere  nach  wiederholter  Mercuranwendung  oft 
bei  geschwächter  Constitution  durchaus  nicht  immer  günstig 
wirken  muss,  selbst  bei  gleichzeitiger  guter  örtlicher  Behand- 
lung. —  Dagegen  kann  ich  Fälle  aufweisen,  wo  eine  oder 
wiederholte  mercurielle  energische  Allgemeinbehandlung  ohne 
örtliche  Behandlung  die  Nasenhöhlenerkrankung  in  grossem 
Umfange  fortbestehen  liess,  während  beide  vereint  meist  den 
specifischen  Process  in  der  Nase  zu  günstigem  Abschluss 
brachten;   auch  erlaube  ich  mir  hier   hervorzuheben,    dass  da, 


Bemerkungen  zur  Behandlung  der  Nasenhöhlensyphilis.  189 

wo  Mercur  nicht  mehr  vertragen  wurde,  kräftigste  Jodkalicuren 
bis  zu  Tagesdosen  Ton  25  und  mehr  Gramm  im  Verein  mit 
sorgfältigster  örtlicher  Behandlung  geradezu  Wunder  der 
Heilung  innerhalb  weniger  Wochen  erzielten,  cariöse  Knochen- 
flächen zur  Vemarbung,  blutende,  granulirende  Hächen  zum 
Schwinden  brachten  und  hiermit  jede  stinkende,  klebrige  Ab- 
sonderung beseitigten. 

Ich  meinerseits  glaube  also,  dass  da,  wo  wir  eine  örtliche 
Krankheitsäusserung,  die  zudem  mit  Rücksicht  auf  ihre  Nach- 
barschaft, wie  die  syphilitischen  Nasenhöhlena£fectionen,  zu 
bleibender  Verunstaltung  des  Naseninnem,  aber  auch  des 
Nasenäussern,  Ton  anderen  Gefahren  abgesehen,  führen  kann, 
wo  wir,  sage  ich,  solche  Erankheitsäusserunp;  örtUch  günstig 
beeinflussen  können,  wir  es  eben  auch  thun  müssen. 

Zu  dem  Zwecke  bedürfen  wir  aber  zunächst  einer  genauen 
Erforschung  des  Sitzes  und  der  Ausdehnung  der  Nasena£fec- 
tion.  Die  Rhinoskopia  anterior  gibt  meist  allein  keine  genügende 
Auskunft.  Man  übersieht  nur  dann  grössere  Tiefen,  wenn  schon 
bedeutende  Defecte  eingetreten  sind;  den  Yordern  Theil  des 
unteren  Nasenganges  kann  man  zudem  vermöge  seiner  Abwärts- 
biegung meist  gar  nicht  sehen.  Die  Rhinoskopia  posterior,  die 
insbesondere  für  die  Erforschung  der  Nasopharynxhöhle  aus- 
schlaggebend ist  und  in  keinem  Falle  unbenutzt  bleiben  darf, 
ist  bei  Anwendung  von  Cocainbepinselung  und  Athmenlassen 
durch  die  Nase  bei  geöffuetem  Munde  leicht  ausführbar.  Dennoch 
bleibt  die  Nasensonde  das  wichtigste  Untersuchungsinstrument. 
Bereits  1878  habe  ich  als  wohl  der  Erste  deren  hohe  Bedeutung 
für  die  Erforschung  der  Nasenaffectionen  ausführlich  betont. 
Trotzdem  musste  noch  in  diesem  Jahre  Dr.  L.  Grünwald 
die  Nasensonde  gewissermassen  neu  entdecken;  in  seinem 
gediegenen  Werke  über  Eiterungen  der  Nasennebenhöhlen  musste 
er  gerade  seinen  Fachrhinologen  gegenüber  den  Vorwurf  erheben, 
dass  sie  die  Nasensonde  nicht  gebraucht  hätten  in  von  ihnen 
jahrelang  vergebens  behandelten  Fällen,  wo  er  in  leichter 
Weise  mittels  derselben  Caries  als  Ursache  der  vorher  ver- 
gebens behandelten  Eiterungen  und  damit  den  Heilungsweg 
gefunden    habe.      „Ohne    Nasensonde  lässt   sich    keine  nega- 


190  Schuster. 

tive   Diagnose    der  Naseneiterung   stellen."     Dieser  Ausspruch 
Grünwald's  gilt  auch  für  die  syphüitischen  Naseneiterungen. 

Ich  benutze  seit  Jahren  an  beiden  Enden  verschieden 
stark  geknöpfte,  ca.  22 — 25  Ctm.  lange  Nasensonden ;  dieselben, 
deren  ich  immer  mehr  als  ein  Dutzend  bereit  liegen  habe,  dienen 
mir  auch  zur  Bildung  von  Wischern  behufs  Reinigen  der  Nase. 
Um  das  Knopfende  drehe  ich  zu  dem  Zwecke  Wundwatte  in  ge- 
ringerer oder  grösserer  Dicke  je  nach  den  zu  untersuchenden 
Gängen.  Will  man  das  Naseninnere  untersuchen,  so  muss  es 
zunächst  gut  gesäubert  sein.  Haben  sich  Borken  angesammelt, 
kleben  Eitermassen  den  Wandungen  an,  so  genügt  die  Irrigation 
von  warmem  Wasser  nach  meinen  Erfahrungen,  auch  wenn  man 
2  und  3  Liter  Bor-  oder  Lysolwassers  durchlaufen  lässt,  durch- 
aus nicht ;  es  müssen  die  zu  Wischern  umgeformten  Sonden  noch 
eingeführt  werden  unter  Leitung  des  Nasenspiegels ;  man  wird  sich 
dann  wundem,  welche  Schleimeitermassen  man  insbesondere  aus 
dem  untern  Nasengange,  ihrem  Sammelraume,  herauskehrt ;  auch 
sind  eine  Menge  Wischer  zur  Stillung  der  Blutung  erforderlich, 
die  aus  den  von  ihren  klebrigen  Bedeckungen  entblössten  oft 
wunden  Flächen  erfolgt.  Mittels  dieser  Watteputzer  entdeckt  man 
dann  oft  schon,  indem  sie  vorsichtig  kehrend  über  die  Gänge 
und  Flächen  fahren,  kranke  entblösste  Knochen,  indem  die 
Watte  sich  an  deren  freien  Kanten  fängt;  manchmal  werden 
diese  mit  den  Wischern  herausbefördert.  Jetzt  erst  lässt  sich 
das  erkrankte  Feld  rhinoskopisch  übersehen,  man  merkt  an 
dem  aus  den  Spalten  sich  drängenden  Schleim,  wohin  die 
Knopfsonde  zur  Untersuchung  sich  zu  wenden,  aus  dem  Bluten 
umschriebener  Granulationen,  dass  man  hier  nach  krankem 
Knochen  zu  forschen  hat,  indem  man  mit  der  Sonde  in  die 
weichen  Granulationsflächen  eindringt.  Das  und  ähnliches  müsste 
heute  als  selbstverständlich  nicht  mehr  hervorgehoben  zu  werden 
brauchen.  Aber  das  selbstverständliche  wird  eben  noch  zu  oft 
in  den  Heilbestrebungen  vergessen.  Den  unteren  Nasengang, 
namentlich  in  seinem  vordem  Theile,  kann  man  rhinoskopisch 
niclit  sehen.  Um  ihn  zu  erforschen,  muss  die  Sonde  gebogen 
eingeführt  werden.  Es  erregt  immer  meine  Verwunderung,  wie 
sehr  man  das  Knopfende  biegen  muss,  wenn  man  sicli  über 
den   erkrankten  vordem   Theil   des    untern   Xasenganges  Aus- 


Bemerkungen  zur  Behandlung  der  NasenhöhlensyphiÜB.  191 

kuuft  verscliaflFen  will.  Die  Sonde  erkennt  aber  auch,  von  den 
Choanen  auf  dem  Boden  nach  vorne  gleitend,  genau  etwa  vor- 
handene wunde,  dann  sich  etwas  vertiefende,  schmerzende 
oder  bereits  vernarbte  Stellen.  Es  ist  wichtig,  freihgend  ge- 
fundene Knochenflächen  genau  in  Bezug  auf  Begrenzung  ab- 
zutasten, sich  etwa  freiligend  anzufühlende  Knochenränder 
genau  zu  lokalisiren  behufs  späterer  etwaiger  chirurgischer 
Entfernung. 

Man  taste  auch,  namentlich  wenn  man  auf  dem  Nasen- 
boden entblössten  Knochen  findet,  mit  dem  Finger  den  harten 
Gaumen  in  Bezug  auf  seine  Empfindlichkeit  vom  Munde  aus  ab. 
Ist  letztere  in  solchem  Falle  vorhanden,  so  ist  man  nicht  weit 
mehr  von  einer  Perforation  des  Gaumendaches.  Ueber  die 
Pmgeruntersuchung  verweise  ich  auch  auf  meine  bereits  er- 
wähnte Arbeit  Jahrg.  1878  des  Archivs  für  Dermatologie  und 
Syphilis.  Ich  erlaube  mir  an  dieser  Stelle  zu  erwähnen,  dass 
ich  in  einem  Falle,  wo  das  os  palati  an  der  Grenze  der  linken 
Choane  beweghch  herabhing,  dasselbe  mit  dem  hinter  das 
Velum  geführten  Zeigefinger  in  die  von  vom  eingeführte 
Komzange  hineindrängte ,  womit  dann  dessen  bis  dahin 
schwierige  Entfernung  leicht  bewerkstelligt  w^urde.  Was  nun 
die  genauere  örtliche  Behandlung  betrifft,  so  müssen  da,  wo 
sich  Schleimhäute  und  Knochenulcera  vorfinden,  das  wird  wohl 
jeder  zugeben,  die  heute  geltenden  Grundsätze  der  Wund- 
behandlung so  weit  wie  möglich  durchgeführt  werden.  Der 
Standpunkt,  die  Zerfallsprocesse  des  Naseninnem  bloss  der 
allgemeinen  specifischen  Behandlung  zu  überlassen,  heisst  die 
Lister'sche  Errungenschaft  geradezu  verhöhnen.  Zur  Durch- 
fuhrung dieser  Grundsätze  gehört  zunächst  die  bereits  be- 
schriebene Ausreinigung  des  erkrankten  Gebietes.  Erst  jetzt 
kann  demnach  davon  die  Rede  sein,  die  Wundflächen  mit  desin- 
ficirenden  Substanzen  in  flüssiger  oder  Pulverform  zu  bedecken. 
Wer  nach  vorgenommener  Irrigation  Jodoform-  oder  Aristol- 
pulver  in  die  Nasenhöhle  bläst,  wird  oft  noch  Borkenmassen 
statt  der  von  ihnen  entblössten  Flächen  treffen  und  demnach 
nicht  den  raschen  Erfolg  der  Besserung  sehen,  den  man  nach 
vollendeter  Ausputzung  mittelst  der  Ts  c h e  c  h'schen  Jodglycerin- 
bepinselung  resp.   von  Aristol-   oder  Europhenpulvereinblasung 


192  Schuster. 

liat.  Man  sieht  so  das  nicht  selten  bestehende  hohe  abendliche 
Fieber  wie  mit  einem  Zauberschlage  schwinden.  Das  gilt  auch 
für  das  Fieber,  welches  die  oft  ausgedehnten  Geschwüre  der 
oberen  Pharynxwand  begleitet,  die  entsprechend  gesäubert 
und  behandelt  werden  müssen. 

Findet  man  bereits  entblösste  Knochenflächen,  die  dem 
knöchernen  Septum  und  dem  Nasenboden  besonders  gerne  ange- 
hören, so  ist  damit  durchaus  nicht  immer  deren  Abstossung  oder 
Entfernung  zur  Heilung  erforderlich.  Diese  früher  von  mir 
gehegte  Meinung  habe  ich  wiederholt  als  irrthümlich  erkannt. 
Solche  Flächen  heilen  oft  unter  täglich  fortgesetzter  Reinhaltung 
und  allgemeiner  Behandlung.  Ich  benütze  gerne  eine  Jodglycerin- 
lösung,  mittels  deren  diese  Flächen  täglich  oder  einigemale 
in  der  Woche  bestrichen  werden;  nekrotische  festhaftende 
Knochentheile,  die  ich  oft  über  den  andern  Tag  mit  Jodtinctur 
bestreiche,  gewissermassen  zu  tränken  suche,  scheinen  sich 
unter  dem  Jodeinfluss  rasch  zu  begrenzen  und  können  dann 
leicht  losgelöst  werden.  Behufs  Loslösung  der  nekrotischen 
Theile  des  Nasenbodens  habe  ich  mir  ein  dem  Schielhäkchen 
ähnliches,  nicht  biegsames  festes  Häkchen  machen  lassen. 
Dasselbe  lässt  sich  leicht  an  einen  freien  Knochenrand  an- 
setzen; durch  Zug  findet  man  dann  bald,  ob  das  Knochen- 
stück beweglich  ist ;  ohne  besondere  Blutung  zu  erzeugen,  hebelt 
man  oft  in  leichte8t<3r  Weise  den  horizontalen  Sequester  heraus, 
ohne  wegen  des  abgerundeten  Hakenendes  befürchten  zu 
müssen,  die  Gaumenschleimhaut  zu  perforiren.  Letzteres  kann  bei 
Benutzung  eines  scharfen  Häkchens  schon  eher  geschehen ;  auch 
die  kleinst«  Perforation  in  den  Mund  wird  zu  grosser  Belästi- 
gung des  Kranken.  Die  Entfernung  grösserer  oder  tiefsitzender 
Sequester  muss  oft  unter  Narkose  geschehen  und  geben  da  die 
in  dem  Grünwald'schen  Buche  angefühlten  Verfahren  gute 
Unterweisung.  Hier  beginnt  schon  das  Gebiet  der  gröberen  oder 
vielmehr  der  grösseren  Chirurgie.  Ich  verweise  auch  auf  meine 
1878  citirte  Arbeit. 

Ich  bin  demnach  der  Ansicht,  wenn  bei  Zeiten  die  Speci- 
fität  des  Nasenleidens  erkannt  und  mittelst  genannter  Unter- 
suchungen, d.  h,  theils  der  Rhinoskopia  anterior  und  posterior 
einerseits,  der  Abtastung  der  Naseugänge  mittelst  freier,  sowie 


Bemerkangen  zur  Behandlung  der  Nasenhöhlensyphilis.  193 

mit  dünner  Wattelagen  umwickelter  Knopfsonden  andererseits 
—  letztere  lassen  leichter  umschriebene,  wunde,  blutende  Stellen 
erkennen  —  Eiterungsprocesse  ausgeschlossen  werden  können, 
dass  dann  eine  der  Constitution  angepasste  specifische  Behandlung 
die  Nasenhöhlen  vor  Geschwürsbildung  resp.  Nekrose  schützen 
kann,  dass  ferner  da,  wo  solche  bereits  sich  eingestellt  hat, 
sie  durch  die  gleichzeitig  vorzunehmende  reinigende,  örtliche 
Behandlung  begrenzt  gehalten  und  mit  Sicherheit  zur  Heilung  ge- 
bracht werden  kann ;  dass  umgekehrt  da,  wo  in  solchen  Fällen 
die  örtliche  Behandlung  unterbleibt  oder  mangelhaft  durchgeführt 
oder  gar  dem  Patienten  überlassen  wird,  Missstaltungen  des 
Naseninnem  und  nicht  selten  des  Nasenäussem,  aber  auch 
der  Mund-  und  Rachenhöhle  mit  ihren  Annexen  sich  gerne 
ausbilden  werden. 


Atu  der  med.  Zünik  des  Frof.  Erb  in  Heidelberg. 


lieber  den  bakteriologischen  Befand  und 

die  anatomischen  Yeränderimgen  bei  der 

Urethritis  gonorrhoica  des  Mannes. 


Von 

Dr.  M.  Dinkler, 

I.  Awlsteut  and  Priratdoeant. 

(ffierzu  Taf.  XI.) 


In  den  letzten  fünf  Jahren  haben  sich  in  der  Lehre  von 
den  gonorrhoischen  Erkrankungen  neue  und  wichtige  Anschau- 
ungen Bahn  gebrochen.  Während  es  nach  der  grundlegenden 
Monographie  von  Bumm  *)  (1885)  den  Anschein  hatte,  als  seien 
Plattenepithel  sowie  Bindegewebe  vor  einer  Invasion  von  Gono- 
coccen  durch  ihren  Bau  und  ihi-e  specifischen  Lebensvorgänge 
geschützt,  war  wenige  Jahre  später  von  mir  an  der  Cornea  und 
Iris«)  (1888),  von  Pick»)  und  Touton*)  (1889),  Jadassohn*) 
(1890)  und  Anderen  an  Drüsen  des  männlichen  und  weiblichen 
Urogenitalapparates  constatirt  worden,  dass  diese  Art  Immu- 
nität entweder  in  einzelnen  Fällen  verloren  geht,  oder  überhaupt 
nicht  besteht. 

Gegen  die  Beweiskraft  dieser  Beobachtungen  sind  von 
mehreren  Seiten  deshalb  Zweifel  erhoben  worden,  weil  zum 
Nachweis  eines  Mikroorganismus  im  Gewebe  ausser  dem  miki'O- 
skopischen  Befund  auch  die  Reinzüchtung  und  erfolgreiche 
Ueberimpfung  gehören.  Wiewohl  die  Berechtigung  dieser  For- 
derung vom  streng  wissenschaftlichen  Standpunkte  nicht  be- 
stritten   werden    kann,    so    unterliegt   es    doch  keinem  Zweifel, 


196  Dinkler. 

dass  gerade  die  Gonococcen  in  ihrer  Gestalt,  ihrem  Vorkommen, 
ihrer  Lagernng  in  den  Zellen  und  ihrem  Färheverhalten 
charakteristische  Kennzeichen  genug  darbieten,  um  auch  ohne 
Culturversuche  mit  Sicherheit  richtig  erkannt  und  nachgewiesen 
zu  werden. 

Erst  Wertheim®)  hat  in  seiner  inhaltreichen  und  sorg- 
fältigen Arbeit  über  „Die  ascendirende  Gonorrhoe  beim  Weibe" 
diese  Streitfrage  gelöst  und  durch  Culturversuche  und  Inocu- 
lation  der  Gonococcen  auf  die  menschliche  Harnröhre  den 
Nachweis  erbracht,  dass  die  Neisser 'sehen  Mikroben,  sowohl 
eiterige  Peritonitis  wie  auch  erysipelartige  Entzündungen  des 
Unterhautzellgewebes  in  ähnlicher  Weise  wie  die  gewöhnlichen 
Eitercoccen  zu  erzeugen  vermögen.  Die  Annahme  von  Misch- 
infectionen,  welche  früher  häufig  für  die  Entstehung  der  ver- 
schiedenen Complicationen  der  Gonorrhoe  verantwortlich  gemacht 
wurden,  ist  damit  als  unbegründet  und  falsch  widerlegt  und  es 
kann  nach  den  Wertheim 'sehen  Untersuchungen  als  erwiesen 
gelten,  dass  die  localen  Entzündungen,  wie  die  para- 
urethralen Abscesse,  die  Prostatitis,  die  Lymphangoitis  dorsah's 
etc.  durch  ein  continuirliches  Fortschreiten  des  go- 
norrhoischen Processes,  die  metastatischen  Erkrankun- 
gen der  Gelenke,  des  Gef ässsystems  und  anderer  Organe  durch 
Verschleppung  der  Gonococcen  auf  dem  Wege  der 
Blutbahn  zu  Stande  kommen.  Angesichts  der  ausgesprochenen 
Entzündungserscheinungen,  welche  in  dem  von  Gonococcen 
durchsetzten  Bindegewebe  auftreten,  ist  ein  gelegentliches  Ein- 
dringen der  Mikroorganismen  in  die  Blutgefässe  umso  leichter 
verständlich,  als  die  Gefässwandungen  selbst  eine  hochgradige 
Alteration  erfahren.  Zur  Erklärung  der  Seltenheit  metasta- 
tischer Complicationen  fehlen  uns  noch  sichere  Anhaltspunkte, 
doch  lässt  sich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  annehmen,  dass 
die  beiden  für  alle  Infectionskrankheiten  so  bedeutungsvollen 
Factoren:  der  Wechsel  in  der  Virulenz  der  Mikroorganismen 
und  in  der  Empfänglichkeit  des  Individuums  auch  hier  eine 
wichtige  Rolle  spielen. 

Ein  vor  Kurzem  in  der  Erb 'sehen  Klinik  beobachteter 
Fall  von  gonorrhoischer  Urethritis,  welcher  in  Folge  einer 
tul)erculösen  Mouingitis  tödtlich  verlief,  hat  so  schwere  Verän- 


Ueber  den  bakter.  Befund  bei  der  ürethr.  gon.  des  Mannes.      197 

derungen  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  erkennen 
lassen,  dass  mir  seine  ausführliche  Mittheilung  von  anatomischen 
und  klinischen  Gesichtspunkten  aus  berechtigt  erscheint,  zumal 
sich  keine  ähnlichen  Beobachtungen,  ausser  der  später  zu  be- 
sprechenden Bo ckhart 'sehen,  ^)  in  der  neueren  Literatur 
mitgetheilt  finden. 

I.  Krankengeschichte. 

A«  S.,  24jä]ir.  lediger  Tüncher  aus  Gross-Ingstingen,  wurde  am  13. 
Kovember  1892  in  die  medicin.  Klinik  aufgenommen. 

Anamnese:  Familiengeschichte  nicht  zu  erheben ;  Fat.  stürzte  beim 
Militär  und  wurde  infolge  dessen  entlassen ;  vor  4  Wochen  Sturz  von  einer 
Leiter ;  nach  Angabe  der  Hausleute  ist  Pat.  in  der  letzten  Zeit  immer  wie 
benommen  gewesen.  Am  7.  November  Schüttelfrost,  Steilheit  im  Kreuz 
und  Nacken;  seitdem  abendliche  Temperatursteigerang  bis  38  und  39^, 
keine  Pulsbeschleunigung;  ziemlich  reichliche  Durchfalle,  Druckempfind- 
lichkeit in  der  Gocalgegend.    (Poliklin.  Beobachtung.) 

Status  praesens:  Ziemlich  kräftig  gebauter  Mann  mit  entwickelter 
Musculatur  und  massigem  Fettpolster ;  Gesichtsfarbe  ist  blass ;  die  Augen, 
meist  geschlossen,  blicken  ziemlich  starr,  Pupillen  gleich  weit,  reagiren 
träge  auf  Lichteinfall. 

Pat.  ist  comatös;  bei  Druck  auf  die  Waden-  und  Ober- 
schenkelmusculatur  oder  auf  die  Nackenmuskeln  stöhnt  er 
unter  schmerzhaft  emVerziehen  des  Gesichtes;  Abdomen  ein- 
gezogen;  leichte  Cutis  anserina. 

Thorax  normal  gebaut,  Athmung  etwas  oberflächlich  und  langsam; 
Lungen  frei;  Herz  anscheinend  gesund;  kein  Lebertumor,  Milz  nicht  pal- 
pabel;  lleocöcalgegend  druckempfindlich;  aus  der  Harnröhre  lässt 
sich  weisslich-gelber  Eiter  ausdrücken,  in  dem  sich  grosse 
Mengen  von  Gonococcen  in  charakteristischer  Form  und 
intracellulärer  Lagerung  finden.  —  Die  Zunge  ist  vollkommen 
trocken,  mit  braunen  Krusten  bedeckt ;  die  rechte  Tonsille  ist  etwas  ange- 
schwollen, das  Gaumensegel  leicht  geröthet.  Der  Kopf  wird  etwas 
dorsalflectirt  steif  gehalten,  lässt  sich  nur  wenig  und  unter 
Schmerzen  drehen;  Wirbelsäule  desgleichen  steif  und  fixirt; 
am  rechten  Unterkieferwinkel  ist  eine  ca.  taubeneigrosse 
derbe  Drüse  zu  fühlen;  links  mehrere  verdickte  Cervicaldrüssen.  — 
Sehnenreflexe  sehr  lebhaft,  desgleichen  Plantarreflexe;  Cremaster- 
und Bauchreflex  beiderseits  deutlich,  jedoch  schwach  auszulösen;  starke 
Muskelspannungen  in  den  Armen  und  Beinen;  die  Hände  sind 
fast  ununterbrochen  in  unruhiger  Bewegung;  vasomotorische  Stö- 
rungen ;  ophthalmoskopisch  beiderseits  ausgesprochene 
Papillitis,  keine  Miliartuberkel.  Temperatur  über  39*.  —  Aben  ds 
Pat.  schluckt  schlecht,  lässt  den  Urin  in's  Bett.     14.  November 

ArrhiT  f.  Dermatol.  u.  Syphll.  Band  XXVI.  ^4 


198  Dinkler. 

im  Urin  Spuren  Albumin;  Zustand  unverändert.  Klin.  Vorstellung. 
Diagnose:  Gonorrhoe;  Meningitis  cerebrospinalis  acuta,  gonorrhoica? 
tuberculosa?  endemica?  nach  Gehimabscess  ?  Tumor?  15.  und  16.  Nov. 
keine  wesentliche  Aenderung,  Retentio  urinae,  ab  und  zu  An- 
deutung von  Gheyne-Stokes'scherAthmung,  Puls  schwächer,  Trache- 
airasseln anhaltend;  am  16.  Nov.  Temperaturabfall  bis  37*3*.  Fat. 
reagirt  wieder,  beantwortet  Fragen,  Gonorrhoe  besteht  fort;  17. 
Nov.  erneutes  Fieber,  Abnahme  der  Kräfte,  Ex.  letalis.  —  Vor  der  Section 
w^ird  bei  Besprechung  des  Falles  hervorgehoben,  dass  es  sich  jedenfalls  — 
mit  Bücksicht  auf  die  Verlaufsschwankungen  in  den  letzten  Tagen  und 
die  noch  etwas  zunehmenden  Dräsenschwellungen  —  um  eine  tuber cu- 
löse  Meningitis  handelt. 

II.  Pathologisch-anatomischer  Befund. 

Die  Section  ergab  folgende  Veränderungen:  Meningitis  cerebro- 
spinalis tuberculosa,  tuberculöse  Herde  in  der  rechten  Kleinhimhemisphäre, 
tuberculöse  Infiltration  des  Plexus  choroides,  verkäste  Lymphdrüsen  am 
Hals  und  am  Brustbein,  an  den  Bronchien  und  dem  Hilus  von  Milz  und 
Leber,  Tuberculöse  beider  Lungen,  linksseitige  Bronchopneumonie. 

Der  Penis  wurde  ca.  7  Stunden  nach  dem  Tode  amputirt  und  im 
Alkohol  in  einzelnen  Stücken  von  1 — 1'/,  Cm.  Länge  gehärtet. 

1.  Vordere  Hälfte  der  Glans  penis. 

In  der  Lichtung  des  Hamröhrencanales  liegen  zahlreiche  Haufen 
von  Epithel-  und  Eiterzellen  verstreut;  besonders  dicht  sind  sie  in  dem 
Bereiche  der  hinteren  ('ommissur  angeordnet.  Während  die  Eiterzellen 
mit  ihren  mehrfach  gelappten  und  getheilten  Kernen  den  bekannten 
Typus  der  für  die  eiterige  Entzündung  charakteristischen  Zellformen 
zeigen,  fallen  die  Epithelien  sowohl  wegen  der  regressiven  Metamorphosen 
von  Kern  und  Protoplasma:  hyaliner  Degeneration,  Vacuolenbildung, 
Kemzerfall  u.  s.  w.  wie  auch  besonders  wegen  ihrer  Vielgestaltigkeit  auf; 
neben  abgeplatteten,  vieleckigen  Zellen  trifft  man  cubische  oder  rundliche, 
bald  auch  ausgesprochen  cylindrische  Formen;  die  einzelnen  Zellen 
werden  durch  eine  feinfadige  und  kömige  Kittsubstanz,  welche  anschei- 
nend aus  zerfallenen  Kernen  und  geronnenem  Exsudat  besteht,  zusammen- 
gehalten. Das  Epithel  der  Urethra  selbst  lässt  verschiedene  Grade  der 
entzündlichen  Veränderungen  erkennen;  auf  kleine  Strecken  hin  ist  die 
Dicke  des  Epithellagers  wohl  annähernd  normal,  hingegen  erscheint  das 
Zellengefüge  alterirt  und  gelockert.  Zwischen  den  einzelnen  Epi- 
thelzellen sind  in  den  oberflächlichen  Schichten  ebenso,  wie  in  den  tiefen 
zahlreiche  p]iterzellen  eingelagert,  resp.  eingekeilt.  Besonders  regelmässig 
lif^gen  diese  Eindringlinge  an  den  Punkten,  wo  mehrere  interepitheliale 
Saftspalten  zusammenfliessen ,  und  zwar  haben  sie  dann  entsprechend 
dem  Verlaufe  dieser  Intercellularräume  eine  ganz  sonderbare  Gestalt.  Von 
den  Epithelien  zeigen  die  tiefer  gelegenen  cubischen,  sowie  die  Cylinder- 
zellen  der  Pallisadenschicht  darin  eine  bemerkenswerthe  Veränderung,  dasa 


üeber  den  bakter.  Befund  bei  der  Urethr.  gon.  des  Mannes.      199 

ihre  rifif-  oder  stachelartigen  Fortsätze  auf  ein  Minimum  reducirt,  ja 
vielfach  gänzlich  geschwunden  sind.  Da  die  interepithelialen  Saftspaltei^ 
schon  an  und  für  sich  erweitert  sind,  so  tritt  der  Mangel  dieser  für  die 
Festigkeit  der  Zellenverbindung  so  wichtigen  Zähnelung  umso  mehr  hervor. 
Eine  Entscheidung  darüber,  ob  die  Quellung  des  Zellenleibes  oder  die 
Verflüssigung  der  Eittsubstanz  für  das  Verschwinden  der  zahnartigen  Er- 
bebungen an  der  Oberflache  der  Epithelzellen  verantwortlich  zu  machen 
ist,  lasst  sich  durch  die  mikroskopische  Untersuchung  allein  nicht  gewinnen. 
Unmittelbar  an  diese  etwas  gequollen  erscheinenden  Epithelgebiete 
schliessen  sich  erheblich  verdickte  Strecken  an;  die  Dickenzunahme  ist  zum 
Theil  eine  Auflagerung  von  mehreren  Schichten  cubischer  und  abgeplatteter 
Zellen,  zum  Theil  auch  durch  ein  stärkeres  Auseinanderweichen  der 
einzelnen  Zellenlagen  unter  gleichzeitiger  Bildung  ausgesprochener  Hohl- 
räume bedingt.  Die  Kerne  der  Epithelien  befinden  sich  innerhalb  dieser 
Zonen  häufig,  wie  aus  der  knäuelartigen  Anordnung  und  der  Vermehrung 
der  chromatischen  Substanz  hervorgeht,  in  dem  Zustande  der  Theilung, 
ohne  dass  sich  bestimmte  mitotische  Figuren  nachweisen  lassen.  Dies 
zunächst  etwas  befremdende  Fehlen  ausgesprochener  Mitosen  ist  möglicher- 
weise zum  Theil  auf  die  verspätete  Fixirung  der  Präparate  (7  St.  post 
mortem  1)  zurückzuführen;  dieser  Zeitraum  zwischen  dem  Erlöschen  der 
vitalen  Processe  und  der  Härtung  ist  erfahrungsgemäss  zu  lang,  als  dass 
sich  die  feineren  Structurverhältnisse  unverändert  erhalten  können.  —  In 
die  kleinen  Hohlräume,  welche  dadurch  entstehen,  dass  die  unter  sich 
innig  verbundenen  oberflächlichen  Zellenlagen  von  den  tiefer  gelegenen 
unter  dem  Drucke  gesteigerter  Exsudation  abgehoben  werden,  ist  hie  und 
da  eine  so  reichliche  Einwanderung  von  Eiterzellen  erfolgt,  dass  es  zur  Bil- 
dung miliarer  Abscesse  kommt.  An  anderen  Stellen  haben  die  exsudativen 
Vorgänge  im  Verein  mit  der  Lockerung  der  Zellenverbindung  zu  einer  so 
erheblichen  Abstossung  von  Epithel  geführt,  dass  mehrfach  nur  noch  die 
basalen  Zellenschichten  vorhanden  sind  (a).  Vereinzelt  finden  sich  auch 
völlig  epithellose  Partien,  in  deren  Bereich  die  eiterig  infiltrirte  Sub- 
mucosa  die  HamrÖhrenlichtung  begrenzt.  —  Bis  zur  Nekrose  gehende 
Veränderungen  des  Epithels  sind  nur  in  der  Gegend  der  hinteren  Gom- 
missur  vorhanden;  die  Mortification  erstreckt  sich  hier  auf  die  ganze 
Dicke  des  Epithellagers  und  ist  wahrscheinlich  schon  vor  längerer  Zeit 
erfolgt,  da  die  abgestorbenen  Zellen  zu  glasig-homogenen  Schollen  aufge- 
quollen und  zu  grösseren  einheitlichen  Klumpen  verschmolzen  sind  (6).  — 
Das  Bindegewebe  zeigt  sich  je  nach  den  Veränderungen  der  Epitheldecke 
in  verschiedenem  Grade  afBcirt.  An  den  Stellen,  w^o  die  Epithelschicht 
sich  annähernd  erhalten  findet,  ist  die  fibrilläre  Structur  noch  deutlich 
erkennbar,  wenn  schon  der  entzündliche  Zustand  sich  durch  Auflockerung 
und  Quellung  der  einzelnen  Fibrillenbündel,  durch  Erweiterung  der 
kleinen  Lymphspalten  und  durch  Infiltration  mit  Rundzellen  kenntlich 
macht.  Hin  und  wieder  ist  jedoch  die  Ansammlung  von  Hundzellen  so 
beträchtlich,  dass  das  ursprüngliche  Gewebe  gänzlich  in  der  kleinzelligen 
Infiltration  untertaucht.    Die  Blutgefässe  sind  beträchtlich  erweitert,   ihre 

14* 


200  Dinkler. 

Wandungen  durch  Rundzelleneinlagemngen  verdickt ;  innerhalb  des  Geföss- 
lumens  sind  häufig  die  zwischen  den  rothen  Blutzellen  liegenden  Lenko- 
cyten  vermehrt.  Erheblicher  sind  alle  diese  Veränderungen  des  Binde- 
gewebes da  ausgesprochen,  wo  das  Epithel  vollständig  abgestossen  oder 
mortificirt  ist ;  zum  Theil  in  Zerfall  begriffene  Eiterzellen,  Detritusmassen 
verschiedenster  Provenienz,  vereinzelte  degenerirte  Bindegewebskörper 
bilden  mit  der  aus  Fibrinfaden  und  Fibrillenresten  zusammengesetzten 
Intervellularsubstanz  ein  wabenartiges,  mit  Hohlräumen  erfülltes  Gewebe, 
welches  an  jedem  seiner  elementaren  Bestandtheile  die  Wirkung  der  eite- 
rigen Einschmelzung  erkennen  lässt  (e).  Fibrinöses  Exsudat  (d)  ist  nur 
in  der  Nähe  der  hinteren  Gommissur  in  grösserer  Menge  vorhanden  und 
erstreckt  sich  von  dem  nekrotischen  Epithel  keilförmig  in  die  Tiefe  der 
Submucosa.  Die  Blutgefässe  zeigen  in  den  eiterigen  Infiltraten  eine 
stärkere  Einlagerung  von  Rund-  und  Eiterzellen  und  hie  und  da  erhebliche 
Ernährungsstörungen  der  Wandung,  die  mit  Thrombenbildung  (/)  ab- 
schliessen ;  die  Zellelemente  der  Capillaren  sind  abgestorben,  die  Kerne  nicht 
mehr  farbbar,  und  nur  hie  und  da  weist  eine  schwache  Streifung  noch  auf 
den  ursprünglichen  Contour  der  Zellen  hin;  das  Gefasslumen  wird  durch 
eine  homogene,  fast  stnict  urlose  Masse  ausgefüllt,  die  in  ihrem  Färbe- 
verhalten den  fibrinösen  Ausschwitzungen  etwas  ähnelt.  Nach  der  Tiefe 
zu  dringen  die  entzündlichen  Veränderungen  bis  an  die  Scheide  der  Sub- 
mucosa gegen  das  Corp.  cavern.  vor;  der  Schwellkörper  selbst  ist  in  keiner 
Weise  mitafficirt.  Die  kleinen  Nervenstämmchen  des  submucösen  Binde- 
gewebes sind  kleinzellig  infiltrirt.    (Vergl.  Fig.  1.) 

2.  Hintere  Hälfte  der  Glans  penis. 

Zahlreiche  Eiter-  und  Epithelzellen  liegen,  ähnlich  wie  in  dem  vor- 
deren Abschnitt  der  Glans,  unregelmässig  im  Lumen  der  Urethra  vertheilt ; 
eine  feinkörnige  und  streifige  Masse  hält  die  Zellcnconglomerate  gleichsam 
als  Intercellularsubstanz  zusammen.  Auffallend  an  diesem  Gemisch  von 
zelligen  Elementen  und  geronnenem  Exsudat  ist  die  Menge  von  Zerfalls- 
producten;  KemschoUen  von  jedem  Caliber  sind  in  Massen  vorhanden. 
Die  Epitheldecke  ist  nur  in  der  Gebend  der  vorderen  Gommissur  an- 
nähernd erhalten;  in  dem  ganzen  übrigen  Bereiche  ist  sie  entweder 
gänzlich  oder  bis  auf  1  oder  2  Zcllenlagen  dcsquamirt.  Die  erhalten 
gebliebenen  Zellen  sind  cubisch  oder  plattenformig  gestaltet;  von  ihnen 
zeigen  die  basal  gelegenen  letzteren  eine  auffallende  Stellung  zur  Oberfläche 
des  Bindegewebes  ;  anstatt  vertical  auf  den  Papillen  der  Submucosa  zu  stehen, 
liegen  sie  ihr  tangential  oder  parallel  an  (Fig.  2  a),  ein  Verhalten,  welches 
besonders  deutlich  an  den  Zellen,  welche  mit  einem  längeren  Protoplasma- 
fortsatz in  das  Bindegewebe  eindringen,  zu  Tage  tritt.  Von  einem  ent- 
wickelten epithelialen  Papillarkörper,  d.  h.  regelmässigen  Einsenkungen  des 
Epithels  in  die  Submucosa  in  Form  zapfenartiger  Gebilde  sind  kaum  noch 
Andeutungen  vorbanden.  Selbstverständlich  verläuft  auch  das  Bindegewebe 
als  Negativ  des  Epithels  ziemlich  gerade,  selbst  an  den  Stellen,  wo  es 
nackt  in  die  Harnröhre  hineinragt.  Die  fibrilläro  Structur  des  Gewebes  ist 
nur    im   Bereiche    der    vorderen    Comniinsur,    analog    dem   Verhalten   des 


lieber  den  bakter.  Befund  bei  der  Urethr.  gon.  des  Mannes.      201 

Epithels,  noch  einigermassen  erhalten;  in  dem  übrigen  Gebiet  (ca.  %  ^^ 
ganzen  Qnerschnittes)  sind  die  Fibrillenbündel  and  die  fixen  Bindegewebs- 
körper  dicht  von  Rnndzellen  umlagert  und  zum  grössten  Theile  verdeckt. 
(Fig.  3e.) 

Im  Grossen  und  Ganzen  tragen  diese  Infiltrate  das  Gepräge  des 
adenoiden  oder  lymphatischen  Gewebes,  in  dem  ja  bekanntlich  die  reticu* 
läre  Zwischensubstanz  zwischen  den  dicht  gelagerten  Lymphzcllen  kaum 
zur  Geltung  kommt.  Die  eiterige  Natur  des  entzündlichen  Processes  tritt 
an  den  gänzlich  epithellosen  Stellen  in  den  Vordergrund ;  in  wechseln- 
der Menge  finden  sich  hier  Eiter-  und  Rundzellen,  Kemschollen  und  De- 
tritus, durch  eine  fibrilläre  und  exsudirte  Intervellularsubstanz  zu  einem 
den  Stempel  des  Zerfalles  tragenden  Gewebe  vereinigt ;  als  die  Folgen  der 
eiterigen  Zerstörung  sind  die  zahlreichen  Hohlräume  in  derartigen  Partien 
hervorzuheben.  Das  Verhalten  der  Blutgefässe  ist  verschieden  und  richtet 
sich  nach  den  Veränderungen  des  Epithels  und  Bindegewebes.  Während 
die  CapiUaren  in  den  oberflächlichen  und  tiefen  Schichten,  welche  nur 
kleinzellig  infiltrirt  sind,  bei  erweiterter  Lichtung  einfach  gequollen  und 
durch  zellige  Einlagerungen  verdickt  erscheinen,  sind  sie  in  den  eiterig 
infiltrirten  Gebieten  grösstentheils  durch  opake  oder  feinkörnige  Thromben 
verlegt;  die  Zellen  der  Gefasswände  sind  fast  ausnahmslos  necrotisch  und 
mit  der  Thrombusmasse  innig  verschmolzen.  Die  Gerinnung  und  Verlegung 
des  Gefasslumens  erstreckt  sich  bisweilen  durch  die  ganze  Dicke  der  Sub- 
mnoosa  hindurch.  Hämorrhagien  sind  nirgends  vorhanden.  Dagegen  ist 
die  Erweiterung  der  regionären  Blutgefässe  sehr  beträchtlich. 
Die  Nervenstämmchen  der  Submucosa  sind  in  ihrer  bindegewebigen 
Scheide  von  Rundzellen  durchsetzt.    (VergL  Fig.  2  u.  3.) 

3.  Schnitthöhe  an  der  Grenze  des  Sulcus  coronarius. 

Die  Lichtung  der  Harnröhre  ist  im  Vergleich  zu  normalen  Präpa- 
raten erheblich  verengt,  die  Schwellung  der  Schleimhaut,  resp.  des  sub- 
mucösen  Gewebes  an  einzelnen  Stellen  so  erheblich,  dass  die  beiden  gegen- 
überliegenden Flächen  mit  einander  verwachsen  erscheinen.  Die  frei  im 
Lumen  liegenden  zelligen  Pilemente  und  Exsudatmassen  sind  dementspre- 
chend sehr  gering.  Von  dem  Epithel  der  Urethra  sind  nur  auf  der  einen 
Seite  einzelne  Reste  erhalten;  dieselben  bestehen  hie  und  da  aus  2 — 3 
Schichten,  meist  ist  nur  eine  einzige  Lage  cubisch-platter  Zellen,  welche 
der  Submucosa  ähnlich  wie  die  Endothelien  der  serösen  Häuten  aufliegen, 
nachweisbar.  Kern  Veränderungen,  welche  als  Theilungs  Vorgänge  gedeutet 
werden  können,  sind  sehr  selten;  ebenso  ist  es  auch  die  Bildung  von 
Epithelzapfen.  In  keinem  der  untersuchten  Präparate  sind  mehr  als  drei 
Epithelaosläofer  zu  finden;  die  Form  der  zelligen  Elemente  ist  in  ihnen 
die  gleiche,  wie  sie  an  der  Epitheloberfläche  oben  beschrieben  ist.  Hervor- 
zuheben ist  noch,  dass  sich  in  der  Nähe  der  Zapfenbildungen,  vrie  auch 
in  den  eiterig  infiltrirten  Stellen  der  freiliegenden  Submucosa  häufiger 
Kpithelzellen  finden,  welche  völlig  isoUrt,  jedes  Zusammenhanges  mit  dem 
Papillarkörper  entbehren,  anscheinend  aber  ganz  lebensfähig  sind.  Daa 
tubmucöse  Gewebe  zeigt  an  den  vom  Epithel  entblössten  Theilen  mehrfach 


202  Dinkler. 

fibrinöse  Auflagerungen ,  welche  sich  hie  und  da  auch  in  die  Tiefe  er- 
strecken und  in  ihrem  Netzwerk  Eiterzellen  und  Detritus  einschliessen. 
Die  oberen  Schichten  des  Bindegewebes  sind  durch  Eiterzellen,  Kömchen - 
massen  und  spärliche  Reste  von  Fibrillen  und  Bindegewebskörpem  er- 
setzt. Auch  in  der  Tiefe  überwiegt  der  eiterige  Charakter  der  Entzündung, 
was  die  gleichmässige  Infiltration  mit  Eiterzellen  und  die  Anhäufung  von 
allerlei  Zerfallsproducten  beweist.  In  ähnlicher  Weise  haben  die  entzünd- 
lichen Veränderungen  auch  in  den  noch  mit  Epithel  überzogenen  Theileii 
der  Submucosa  eine  mehr  eiterige  Beschaffenheit  angenommen;  der  an 
lymphoides  Gewebe  erinnernde  Bau  ist  zwar  nicht  gänzlich  verwischt,  doch 
sind  die  RundzeUen  vielfach  von  dicht  aneinander  liegenden  Eiterzellen 
verdrängt.  Die  fibrilläre  Structur  der  zwischen  den  einzelnen  Infiltraten 
liegenden  Septen  ist  durch  die  Anhänfung  von  Eiterzellen  unkenntlich 
gemacht.  Die  Blutgefässe  zeigen  besonders  im  Bereiche  der  epithellosen 
Partien  der  Submucosa  degenerative,  bis  zur  Necrose  der  Zellen  gehende 
Veränderungen;  an  die  Mortification  der  Gefässwand  schliessen  sich  viel- 
fach Gerinnungsvorgänge  an.  Die  Zahl  der  thrombotisch  verstopften  Ge- 
iasse  ist  eine  ziemlich  grosse ;  von  den  wegsam  gebliebenen  Capillaren  sind 
die  meisten  erweitert  und  in  ihrer  Wandung  verdickt.  Die  Nervenstämm- 
chen  sind  kleinzellig  infiltrirt.  —  An  einer  Anzahl  von  Schnitten  ist  es 
durch  die  beträchtliche  Schwellung  des  Gewebes,  sowie  die  Abstossung 
necrotischer  und  eiterig  infiltrirter  Bindegewebsfetzen  zu  einer  brücken- 
artigen Verbindung  der  beiden  Hamröhrenflächen  gekommen ;  es  bestehen 
somit  in  einer  gewissen  Höhe  zwei  partiell  mit  Epithel  ausgekleidete  Ca- 
näle,  die  nach  beiden  Seiten,  d.  h.  in  der  Richtung  nach  der  Glans  und 
der  Blase  zu,  in  die  ungetheilte  Harnröhre  übergehen. 

4.  Entfernung  der  Schnitthöhe  ca.  1'4  Cm.  vom  Sulcus 
coronarius. 

Neben  Eiterzellen  finden  sich  in  der  Hamröhrenlichtung  haupt- 
sächlich Cylinderepithelien ;  die  abgeplatteten  Zellen  treten  an  Menge  er- 
heblich zurück.  Die  zwischen  den  Zellen  liegenden  Detritus-  und  Exsudat- 
massen sind  ziemlich  gleichmässig  vertheilt  und  setzen  sich  häufig  direct 
in  das  necrotische  Bindegewebe  der  freiliegenden  Submucosa  fort.  Das 
Epithel,  welches  zum  mehrschichtigen  Cylinderepithel  gehört,  ist  zum 
grösseren  Theil  abgestossen.  Die  epithelfreie  Strecke  des  Urethrallumens 
beträgt  ca.  Vs  des  ganzen  ümfanges.  Nur  innerhalb  enger  Grenzen  besteht 
es  aus  mehreren  Schichten  cubischer  und  cylindrischer  Zellen;  der 
grössere  Theil  ist  nur  einschichtig  und  zeigt  in  Form  und  Richtung  seiner 
Zellen  auffallende  Abweichungen.  Die  Zellen  sind  meist  abgeplattet  und 
so  niedrig,  dass  sie  den  Endothelien  der  serösen  Häute  täuschend  ähnlich 
sehen  und  sich  beim  ersten  Blick  nicht  in  genetische  Beziehungen  zu  dem 
ursprünglichen  Epithel  bringen  lassen.  Die  charakteristischen  Eigenschaften, 
welche  ihre  epitheliale  Abkunft  jedoch  sichern,  liegen  in  der  Kemgrösse 
und  -Form,  sowie  in  der  Structur  und  Menge  des  Protoplasmas.  Die  Er- 
kennung derartiger  Epithelien  wird  nicht  selten  durch  ihre  isolirte  Lage- 
rung  und   die    dichte  Anordnung   der  Eiterzellen    beträchtlich  erschwert. 


lieber  den  bakter.  Befund  bei  der  Urethr.  jfon.  des  Mannes.      203 

Von  papiUenähnlichen  Einsenkungen  in  das  Bindegewebe  ist  nur  wenig 
nachzuweisen;  an  einzelnen  Stellen  dringen  schmale,  1 — 2reihige  Epithel- 
zapfen, deren  Ende  meist  keulenförmig  anschwillt,  in  senkrechter  oder 
schräger  Richtung  in  die  Snbmucosa  ein.  Obwohl  sich  charakteristische 
Kemtheihmgsfigaren  nur  sehr  selten  nachweisen  lassen,  so  deutet  doch 
die  Zunahme  und  unregelmässige  Anordnung  der  chromatischen  Substanz 
der  Kerne  vielfach  auf  eine  bevorstehende  Vermehrung  hin.  —  Der  Bau 
des  Bindegewebes  zeigt,  je  nachdem  es  noch  mit  Epithel  bekleidet  ist 
oder  nicht,  erhebliche  Differenzen.  Unter  dem  Epithel  ist  das  Bindegewebe 
von  zahllosen  Bundzellen  durchsetzt;  die  Vertheilung  der  kleinzelligen 
Infiltrate  ist  regelmässig  so,  dass  die  einzelnen  Knötchen  durch  zellen- 
ärmeren Züge  fibrillären  Gewebes  von  einander  getrennt  werden.  Dieser 
IVechsel  von  dichten  Zellenhaufen  und  bindegewebigen  Scheidewänden 
erinnert  nnwillkührlich  an  den  Bau  von  Lymphdrüsen,  in  welchen  die  ein- 
zelnen Follikel  von  den  Septen  umgeben  sind.  Je  dünner  das  Epithel 
wird  und  je  näher  die  epithelfreie  Zone  rückt,  um  so  häufiger  wird  das 
Vorkommen  der  Eiterzellen  und  um  so  ausgesprochener  treten  die  destruc- 
tiven  Vorgänge  an  der  Intercellularsubstanz  wie  auch  an  den  Bindegewebs- 
körpem  hervor;  die  einzelnen  FibriUenbündel  erscheinen  gequollen  und 
aufgebläht,  zum  Theil  zerfallen;  auch  die  Zahl  der  Ghromatinkömer  und 
Schollen  nimmt  erheblich  zu.  Mit  dem  völligen  Verluste  des  Epithels  wird 
der  Charakter  der  entzündlichen  Veränderungen  in  den  oberflächlichen 
Lagen  wieder  ein  rein  eiteriger  und  erst  in  der  Nähe  der  Grenze  des 
Corp.  cavemos.  urethrae  tritt  die  rundzeUige  Infiltration  wieder  in  den 
Vordergrund.  Vielfach  trifft  man  kleine  Inseln  von  necrotischem  und  eiterig 
infiltrirtem  Bindegewebe,  welche  auf  der  einen  Seite  mit  der  Submucosa 
noch  zusammenhängen,  auf  der  andern  mit  dem  in  der  Harnröhrenlichtung 
nachweisbaren  zelligen  und  plastischen  Exsudat  ausgedehnt  verklebt  sind. 
Auch  fibrinöse  Auflagerungen  werden  hie  und  da  angetroffen ;  sie  erstrecken 
sich  in  Form  eines  vielfach  verzweigten  Balkennetzes  in  die  Tiefe.  Die 
Blutgefässe  zeigen  im  Bereiche  der  epitheltragenden  Strecken  neben  der 
kleinzelligen  Infiltration  ihrer  Wandung  und  Anfüllnng  des  Lumens  mit 
Leukocyten  nur  selten  schwerere  destructive  Processe:  Necrose  des  Peri- 
und  Endothels  mit  consecutiver  Gerinnung  des  Gefassinhaltes.  Häufig 
hingegen  sind  diese  mit  Thrombose  einhergehenden  necrotischen  Ver- 
änderungen in  dem  epithelfreien,  zum  Theil  von  fibrinösen  Massen  durch- 
setzten Theile  der  Submucosa.  Die  Ernährungsstörungen  scheinen  in  der 
GefasBwandung  primär  aufzutreten  und  erst  secundär  die  Thrombenbildung 
zu  veranlassen;  es  geht  dies  aus  einzelnen  Präparaten,  in  welchen  die 
Zellelemente  der  Gefasswand  nicht  mehr  farbbar  sind,  die  Gerinnung 
aber  nur  im  Bereich  einer  schmalen  Randzone  eingetreten  ist,  hervor. 
Die  benachbarten  CapiUaren  sind  in  der  Regel  sehr  erweitert  und  haben 
bisweilen  den  doppelten  und  dreifachen  Durchmesser  der  thrombotischen; 
Die  weissen  Blutkörper  sind  im  Gefasslumen  oft  auffallend  zahlreich, 
bisweilen  nehmen  sie  allein  den  ganzen  Querschnitt  der  CapiUaren  ein. 
Die  Scheiden  der  Nervenstämmchen  sind  kleinzellig  infiltrirt. 


204  Dinkler. 

5.  Schnitthöhe  in  einer  Entfernung^  von  ca.  3'/«  Cm.  von 
dem  Sulcus  coronarius. 

Die  anregelmässig  Y-formige  Lichtung  der  Harnröhre  ist  von  einer 
an  Zellen  und  Detritus  reichen  Masse  eo  vollständig  ansgefuUt,  dass  nur 
kleine  Stellen  frei  bleiben.  Die  betreffenden  Zellen  sind  grösstentheils 
Epithelien;  Eiterzellen  liegen  nur  vereinzelt  zwischen  ihnen.  Die  Form 
der  Epithelzellen  ist  zwar  eine  ausserordentlich  mannigfaltige,  —  man  trifft 
spindelförmige,  cubische,  rundliche,  oylindrische  in  buntem  Durch- 
einander, -—  doch  überwiegen  die  cubisoh-cylindrischen  Gebilde.  NacL 
der  Kemform,  der  Structur  des  Protoplasmas,  dem  Färbeverhalten  zu 
schliessen  sind  diese  Zellen  von  schwereren  destructiven  Veränderungen 
frei  geblieben;  es  gibt  sich  dies  auch  darin  zu  erkennen,  dass  sich  in 
ihnen  häufiger  als  in  den  vorderen  Abschnitten  der  Harnröhre  mitotische 
Vorgänge  beobachten  lassen;  so  kann  man  in  der  sogenannten  „Tonnen- 
figur^  noch  einzelne  achromatische  Fäden  erkennen,  obwohl  die  Chro- 
matinschleifen  zu  kugeligen  und  wurstformigen  Gebilden  zusammenge- 
schrumpft sind. 

In  den  Eiterzellen  ebenso  wie  in  den  Detritusmassen  liegt  ziemlieh 
häuHg  gelblich  gefärbtes  Blutpigment  in  kleinen  Schollen  eingeschlossen; 
freie  rothe  Blutkörper  sind  nicht  nachweisbar.  Die  Hamröhrenlichtung 
ist  wieder  durch  eine  continuirliche  Epithelschichte  begrenzt,  doch 
ist  der  grössere  Theil  des  Epithellagers  nur  aus  1 — 2  Zellenschichten 
zusammengesetzt. 

Die  Oberfläche  des  Epithels  ist  in  Folge  der  bald  intensiveren 
bald  geringeren  Desquamation  sehr  unregelmässig  und  die  Verbindung 
der  Zellen  unter  einander  so  gelockert,  dass  die  Mucosa  wie  zerklüftet 
und  zerrissen  erscheint.  Die  von  einschichtigem  Epithel  überzogenen 
Strecken  setzen  sich  aus  cubischen  und  cylindrischen  Stellen  zusammen, 
welche  durch  ihre  schräge  Stellung  zur  Oberfläche  der  Submuoosa  und 
durch  die  Infiltration  mit  Eiterzellen  an  die  früher  beschriebenen  Befunde 
erinnern. 

Von  dieser  einschichtigen  Epithelmembran  gehen  zahlreiche  Epi- 
thelzapfen in  die  Tiefe  der  Submucosa  ab;  in  den  Kernen  der  Epithel- 
zellen finden  sich  ab  und  zu  modificirte  Theilungsfiguren.  Die  von  der 
Mucosa  ausgehenden  drüsigen  Apparate,  welche  theilweise  durch  die 
Grenze  des  Corpus  cavemosum  hindurch  in  den  Schw^lkörper  der  Harn- 
röhre selbst  vordringen,  sind  in  der  Mehrzahl  ganz  unverändert;  in 
einzelnen  findet  man  jedoch  auch  ein  eitriges  Exsudat  und  abgestossene 
Epithelien.  Es  betrifft  dies  jedoch  nur  die  in  der  Submucosa  verzweigten 
Abschnitte;  die  Acini,  welche  im  Schwellkörper  liegen,  sind  stets  un- 
verändert. 

Das  Bindegewebe  zeigt  im  Grossen  und  Ganzen  wieder  eine  vor- 
herrschend fibrilläre  Structur,  obwohl  die  rundzelligen  Infiltrate  an  vielen 
Stellen  noch  durch  ihre  Intensität  an  den  Bau  des  lymphatischen  Ge- 
webes erinnern.  Am  dichtesten  liegen  die  Rundzellen  unter  dem  Epithel 
und    um   die  Epithelzapfen  und  die   Blutgefässe  herum;    in   den   tiefen 


üeber  den  bakter,  Befund  bei  der  ürethr.  gon.  des  Mannes.      205 

Schiebten  nimmt  die  Zahl  der  eingelagerten  Zellen  immer  mehr  ab.  An 
den  Gefassen  sind  schwere  Emährungsstörangdn  mit  nachfolgender 
Thrombusbildong  sehr  selten;  nur  an  wenigen  Stellen,  welche  schwerer 
befallen  sind  und  eine  beginnende  eiterige  Infiltration  zeigen,  sind  die 
Capillaren  durch  Pfropfe  verlegt. 

6.  Schnitthöhe  in  einer  Entfernung  von  ca.  6  Cm.  von 
dem  Sulcns  coronarius. 

Die  Lichtung  der  Harnröhre  ist  erheblich  weiter  als  bisher  und 
entspricht  einem  ca.  3  Mm.  langen,  '/«  ^™*  breiten  längsovalen  Spalt, 
von  dessen  einem  Pol  noch  zwei  divergirende  Schenkel  nach  Art  eines 
Y  ausgehen.  In  dem  Lomen  liegen  nur  ganz  vereinzelte  Häufchen  von 
Eiter-  und  Epithelzellen;  die  desquamativen  und  exsudativen  Processe 
sind  nur  in  den  zahlreichen  kleinen  Falten  der  Schleimhaut  etwas  intensiver. 
Das  Epithel  selbst  ist  in  toto  erhalten  und  zeigt  nur  an  einzelnen  Stellen 
eine  Abstossung  der  obersten  Zellenlagen.  Von  seinem  Bau  ist  zunächst 
hervorzuheben,  dass  es  aus  einem  mehrschichtigen  Gylinderepithel  zu 
einem  mehrschichtigen  Plattenepithel  geworden  ist;  diese  transi torische 
Metaplasie  ist  überall  nachweisbar,  wo  die  Epitheldicke  annähernd  erhalten 
geblieben  ist.  Die  sich  anschliessenden  tieferen  Zellenlagen  bestehen  aus 
cubischen  und  polyedrischen  Zellen,  denen  Eiterzellen  in  ziemlich  grosser 
Zahl  eingelagert  sind  und  die  Lockerung  der  Zellenverbindung  steigern. 
In  gleicher  Weise  infiltrirt,  zeigen  sich  auch  die  Epithelzapfen  und  Aus«- 
fohrungsgänge  der  Drüsen;  die  Acini  der  letzteren  sind  nicht  afficirt. 
Das  Bindegewebe  zeigt  nur  in  den  subepithelialen  Schichten  der  Submucosa 
und  in  der  Peripherie  der  Drüsenausfuhrungsgänge  eine  rundzellige  Infilt- 
ration; an  letzteren  ist  es  auffallend,  dass  die  kleinzellige  Infiltration 
regelmässig  mit  den  Driisenläppchen  abschneidet.  Die  Grefasse  sind  theil- 
weise  erweitert,  ihre  Wandungen  durch  Einlagerung  von  Bundzellen 
verdickt.    Die  Nervenstämmohen  sind  unverändert. 

7.  Sohnitthöhe  in  einer  Entfernung  von  ca.  7  Gm.  vom 
Sulcns  coronarius. 

Das  Lumen  der  Harnröhre  ist  weit  klaffend  und  enthält  nur 
spärliche  wandständige  Zellengruppen.  Das  Epithel  zeigt  hie  und  da  den 
normalen  Bau;  der  grössere  Theil  gehört  jedoch  noch  dem  mehrfach 
geschichteten  Plattenepithel  an.  Oeffcers  sind  auch  mehrere  Zellen- 
lagen unvollständig  abgestossen,  so  dass  die  Grenze  der  Hamröhren- 
lichtong  wie  gezackt  erscheint.  Die  Verbindung  der  Zellen  ist  durchweg 
in  massigem  Grade  gelockert,  in  erheblichem  nur  da,  wo  eine  stärkere 
Desquamation  stattgefunden  hat.  In  den  interepithelialen  Lücken  liegen 
in  wechselnder  Menge  Eiterzellen  eingekeilt.  Das  Bindegewebe  ist  sub- 
epithelial in  geringer  Tiefe  kleinzellig  infiltrirt.  Die  Blutgefässe  haben 
nur  eine  geringe  Verdickung  ihrer  Wandung  erfahren. 

8.  Schnitthöhe  in  einer  Entfernung  von  ca.  9  Cm.  von 
dem  Sulcus  coronarius. 

Die  Weite  der  Urethra  ist  annähernd  normal.  Das  Verhalten  des 
Epithels  und  des  Bindegewebes  unterscheidet  sich  nur  dadurch  von  den 


206  Dinkler. 

eben  beschriebenen  Schnitten,  dass  die  Erscheinungen  der  Desquamation 
und  kleinzelligen  Infiltration  etwas  intensiver  sind  und  den  Eindruck 
erwecken,  als  ob  es  sich  um  ein  acuteres  Stadium  handle. 

9.  Schnittführung  durch  die  Pars  membranacea. 
Die    entzündlichen    Veränderungen     sind    bis    auf    geringe    Reste 
geschwunden. 

III.  Bakteriologisoher  Befund. 

Zur  Färbung  der  Gonococcen  im  Gewebe  sind  folgende  Farbstoffe 
verwendet  worden:  Methylviolett-Tolindinwasserlösung  (nach  Bumm  und 
der  von  mir  angegebenen  Modification  [1.  c.  p.  58j),  Carbolfnchsin  (nach 
Pfeifer)  und  Methylenblau  (in  wässeriger  und  LöfflerWher  Lösung. 
Ausserdem  sind  von  jedem  Abschnitt  mehrere  Schnitte  nach  Gram'scher 
Methode  differenzirt  worden.  Mit  Rücksicht  auf  die  tuberculöse  Natur 
der  Meningitis  ist  auch  die  Färbung  auf  Tuberkelbacillen  an  einer  Anzahl 
von  Schnitten,  in  welchen  die  follikelähnlichen  lymphatischen  Infiltrate 
nachgewiesen  waren,  versucht  worden. 

1.  Schnittführung  durch  die  Spitze  des  Praeputium. 
Bezüglich    der    histologischen    Verhältnisse    ist     vorauszuschicken, 

dass  das  Epithel  unverändert  und  insbesondere  das  Stratum  comeum 
vollständig  erhalten  ist;  im  subepithelialen  Bindegewebe  des  inneren 
Praeputialblattes  liegen  zahlreiche  Mastzellen  und  Pigmentzellen  verstreut. 
Der  Homschicht  haften  streckenweise  fibrinöse  Exsudatmassen  an, 
zwischen  deren  opaken  und  vielfach  verzweigten  Fäden  zahlreiche  Eiter- 
zellen, Detritus  und  Bakterien  eingelagert  sind.  Die  letzteren  lassen  zwei 
Formen:  Kurzstäbchen  und  Coccen  unterscheiden.  Bei  Anwendung  der 
Gram'schen  Methoden  bleiben  nur  die  Stäbchen  und  frei  in  Zügen 
liegenden  Coccen  gefärbt.  Ausser  diesen  beiden  Bakterienarten  finden 
sich  in  wechselnder  Vertheilung  charakteristische,  die  freien  Coccen  an 
Grösse  erheblich  übertreffende  Diplococcen,  welche  meist  innerhalb  der 
Eiterzellen  liegen  und  bei  der  Differenzirung  mit  Jod-Jodkaliumlösung 
und  Alkohol  den  Farbstoff  (Methylviolett)  nicht  festzuhalten  vermögen. 
Einzelne  von  den  Eiterzellen,  in  deren  Protoplasma  die  Coccen  liegen^ 
sind  mit  Alkohol  allein  nur  wenig  differenzirbar,  da  die  Coccen  eehr  dicht 
und  zahlreich  aneinander  gelagert  und  mit  Farbstoff  intensiv  imprägnirt 
sind.  Frei  zwischen  den  Eiterzellen  und  auf  der  Oberfläche  der  spärlichen 
desquamirten  Epithelien  liegen  die  Coccen  nur  selten. 

2.  Schnitte  durch  die  vordere  und  hintere  Hälfte  der 
Glans  penis. 

In  allen  Schiebten  des  submucösen  Bindegewebes  finden  sich  zahl- 
reiche Mastzellen;  ihr  Protoplasma  ist  aus  dicht  aneinander  g^pressten 
ovalen  bis  runden  Körnern,  welche  sich  mit  den  verschiedenen  Anilin- 
farben fast  noch  intensiver  als  Mikroorganismen  der  gleichen  Form 
imbibiren,   zusammengesetzt.    Der  Kern  besteht  in  einem  bald  deutlich 


lieber  den  bakter.  Befund  bei  der  ürethr.  gon.  des  Mannes.      207 

erkennbaren,  bald  verdeckt  liegenden  ungefärbten  Bläschen  von  ovaler 
und  runder  Gestalt.  Die  Zellenform  ist  ebenso  wie  die  Lage  der  Kerne 
in  den  Zellen  eine  so  verschiedene,  dass  öfters  Anklänge  an  Lymph- 
gefasse  oder  Blutgefasscapillaren,  welche  mit  Coecen  vollgestopft  sind, 
zu  Tage  treten.  Besonders  eigenartig  und  verführerisch  wirkt  das  Verhalten 
der  Mastzellen  dann,  wenn  die  Zellmembran  bei  der  Anfertigung  der 
Schnitte  angerissen  ist  und  die  Körnchen  des  Protoplasmas  in  das  um- 
liegende Gewebe  resp.  dessen  Saftspalten  verschoben  sind. 

Gonococcen  von  charakteristischer  Form  und  specifischem  Färbe- 
vcrhalten  finden  sich  in  dem  das  Harn  röhr  enlumen  theilweise  ausfällenden 
Secret  sowie  auch  auf  der  Oberfläche  und  in  den  oberen  Schichten  des 
Epithels;  sie  liegen  zum  Theil  in  dem  Protoplasma  der  Eiterzellen,  zum 
Theil  auch  auf  den  desquamirten  Epithelien.  In  grösseren  Verbänden 
werden  sie  selten  beobachtet.  Eine  völlige  Durchwanderung  des  Epithel» 
ist  nicht  nachweisbar;  dementsprechend  trifft  man  die  Coecen  nur  in 
den  Theilen  des  submucÖsen  Bindegewebes,  welche  ihren  Epithelüberzug 
verloren  und  eine  eiterige  Infiltration  erfahren  haben.  Auch  an  diesen 
eiterig  entzündeten  Partien  lassen  sie  sich  nicht  in  die  Tiefe  des 
Gewebes  verfolgen,  sondern  liegen  in  Zellen  eingeschlossen  nur  der 
Oberfläche  an. 

3.  Schnitthöhe  in  einer  Entfernung  von  ca.  l'/a  Cm.  vom 
Sulcus  coronarius. 

Die  Coecen  liegen  vereinzelt  innerhalb  der  Eiterzellen  dem  Epithel 
und  dem  eiterig  infiltrirten  Gewebe  der  frei  liegenden  Submucosa  auf. 
Ausser  diesen  an  Form,  Grösse  und  Färbeverhalten  den  Gonococcen 
völlig  gleichenden  Mikroorganismen  triflft  man  noch  rasenartige  Colonien 
von  Coecen,  welche  zwar  auch  als  Diplococcen  erscheinen,  aber  erhebliche 
Schwankungen  in  der  Grösse  der  Einzelexemplare  und  der  Distanz 
zwischen  den  beiden  Hälften  erkennen  lassen.  Die  grösseren  Gebilde 
entsprechen  ungefähr  den  Gonococcen  und  sind  intensiver  gefärbt,  an 
Zahl  jedoch  weit  geringer  als  die  kleineren  Formen.  Da  sie  sich  inter- 
epithelial einige  Schichten  in  die  Tiefe  verfolgen  lassen  und  bei  Anwen- 
dung der  G  r  a  mischen  Methode  entfärben,  so  sind  sie  höchstwahrscheinlich 
als  Gonococcen,  welche  vielleicht  im  Absterben  begrifi'en  sind,  zu  bezeich- 
nen« Eine  Verwechslung  mit  irgendwelchen  zufaDigen  Gebilden  exsuda- 
tiver Herkunft  u.  s.  w.  erscheint  mir  bei  dem  immer  gleichmässigen 
Verhalten  zum  Epithel  und  der  bestimmten  Topographie  ausgeschlossen. 

Es  darf  hier  noch  darauf  hingewiesen  werden,  dass  sich  die  Coecen 
nie  in  den  tief  gelegenen  rundzelligen  Infiltraten  finden,  sondern  dass 
sich  ihr  Vorkommen  nur  in  den  oberflächlichen  eiterig  veränderten 
Gewebetheilen  constatiren  lässt  und  dass  sowohl  bei  Anwendung  der 
Gram'schen  Methode  wie  bei  der  Färbung  auf  Tuberkelbacillen  das 
Resultat  ein  constant  negatives  gewesen  ist. 

4.  Schnitthöhe  in  einer  Entfernung  von  3 — 4'/«  Cm.  vom 
Sulcus  coronarius. 


208  Dinkler. 

Sowohl  die  intracellalär  gelegenon  Diplococceo  wie  die  in  rasen» 
artigen  Colonien  zusammengelagerten '  Coccen ,  welche  in  den  soeben 
beschriebenen  Schnitten  nachweisbar  waren,  werden  an  der  Oberflache 
des  desquamirten  Epithels  und  eiterig  infiltrirten  Bindegewebes  angetroffen, 
doch  sind  sie  zweifellos  weit  spärlicher  vorhanden.  Ausserordentlich 
zahlreich  sind  dagegen  in  allen  Schnitten  die  polymorphen  Mastzellen; 
sie  finden  sich  in  den  entzündlich  infiltrirten  Partien  ebenso  wie  in  den 
weniger  veränderten;  oft  kommen  sie  in  grosser  Entfernung  von  den 
eingelagerten  Rundzellen  isolirt  im  fibrillären  Bindegewebe  vor. 

5.  Schnitthöhe  in  einer  Entfernung  von  6—9  Cm.  vom 
Sulcus  coronarius. 

Coccenhaltige  Zellen  sind  nicht  mehr  nachweisbar;  dagegen  finden 
sich  ganz  vereinzelt  noch  kleine  freie  Häufchen  von  Diplococcen,  die  sich 
nach  der  Gram'schen  Methode  entfärben. 

IV.  Epikrise. 

Der  klinische  Verlauf,  welchen  der  vorliegende  Fall  ge- 
nommen hat,  ist  kurz  folgender:  Bei  einem  24jähr.  Tüncher 
entwickeln  sich  einige  Wochen  nach  einem  Sturz  von  einer 
Leiter  unter  gewissen  Prodromen  w^ie  Benommenheit,  Kopfweh, 
die  Erscheinungen  einer  cerehrospinalen  Meningitis.  Als  Aus- 
gangspunkt dieser  Erkrankungen  kommen  zwei  Processe  in 
Frage:  Einmal  die  wahrscheinlich  tuberculösen  Lyrophome  am 
Hals  und  zweitens  die  floride  gonorrhoische  Urethritis.  Obwohl 
die  letztere  nicht  mit  voller  Bestimmtheit  als  primärer  Krank- 
heitsherd ausgeschlossen  werden  kann,  so  spricht  doch  der 
intermittirende  Verlauf  des  Fiebers,  das  ganze  Krankheitsbild, 
die  kurz  vor  dem  Tode  plötzlich  eintretende  Remission  sämmt- 
licher  Erscheinungen  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  für  den 
tuberculösen  Charakter  der  Meninge<alerkrankung.  Der  bei  der 
Section  erhobene  Befund  von  tuberculöser  Entartung  der  Lymph- 
drüsen, Tuberkeleruptionen  in  den  verschiedenen  Abschnitten 
der  Hirnhäute  etc.  bestätigte  die  Richtigkeit  der  differentiell 
diagnostischen  Erwägungen  und  beweist,  dass  die  beiden  in- 
fectiösen  Processe:  Die  Tuberculose  und  die  Gonorrhoe  unab- 
hängig von  einander  bestanden  haben. 

Bei  der  Untersuchung  des  in  einzelne  Stücke  von  circa 
1 V«  Cm.  Länge  zerlegten  Penis  ergeben  sich  sowohl  am  Epithel 
wie  am  Bindegewelie  eine  Reihe  von  Veränderungen,  welche 
für  die   pathologische  Anatomie   der  gonorrhoischen  Urethritis 


üeber  den  bakter.  Befand  bei  der  ürethr.  gon.  des  Mannes.      209 

von  Bedeutung  sind.  Schon  im  Bereiche  der  vorderen  Hälfte 
der  Glans  penis  sind  die  desquamativen  Erscheinungen  des 
Epithels  so  erheblich,  dass  auf  grössere  Strecken  hin  mehrere 
Schichten  der  Mucosa  abgestossen  und  die  basalgelegenen 
cylindrischen  und  cubischen  Zellen  entblösst  sind.  An  umschrie- 
benen Stellen  ist  das  Epithel  gänzlich  exfolürt,  zum  Theil 
haftet  es  auch  in  abgestorbenem  Zustande  der  Submucosa 
noch  an.  Wie  aus  verschiedenen  Befunden  unzweifelhaft  her- 
vorgeht, kann  die  totale  Abstossung  der  Mucosa  verschiedene 
Vorstadien  haben :  entweder  setzt  sie  mit  einer  mehr  und  mehr 
zunehmenden  Lockerung  des  Epithelgefiiges  und  einer  partiellen 
Desquamation  ein,  die  allmalig  zur  völligen  Freilegung  führt, 
oder  es  kommt  zu  einer  rascli  verlaufenden  Necrose  und  Ab- 
stossung des  Epithels  in  seiner  ganzen  Dicke,  ohne  dass  vorher 
erhebliche  Aenderungen  in  der  Zellenverbindung  und  ihrer 
Configuration  zu  Tage  treten. 

Dieser  letztere  Modus,  der  offenbar  einer  besonders  dele- 
tären  Wirkung  des  gonorrhoischen  Virus  seine  Entstehung 
verdankt,  ist  anscheinend  der  seltenere.  Mit  der  der  Desqua- 
mation vorangehenden  Lockerung  der  Mucosa  sind  auch  ver- 
schiedene Veränderungen  der  Form  der  einzelnen  Zellen  ver- 
bunden; die  Epithelien  queUen  auf,  verlieren  ihre  ursprüngliche 
Configuration  und  Begrenzung;  während  unter  normalen  Ver- 
hältnissen ihre  Oberfläche  mit  feinen  Erhebungen,  welche  zahn- 
radartig in  einander  greifen  und  so  die  feste  Zusammenfügung 
der  Epithelmembran  vermitteln  helfen,  besetzt  ist,  erscheint  sie 
hier  vollkommen  glatt  und  gleichmässig.  Die  Kerne  bilden 
häufig  statt  des  normalen  Bläschens  mit  seinem  zierlichen 
Chromatingerüst  ein  Convolut  von  dicken  Chromatintropfen  und 
-Faden;  typische  Mitosen  finden  sich  vereinzelt  in  der  Tiefe 
der  Urethra;  im  Bereiche  der  schweren  entzündlichen  Ver- 
änderungen sind  nur  die  oben  erwähnten  Kernbilder  nach- 
weisbar, die  zum  Theil  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit 
als  pathologische  oder  abnorme  Theilungsphasen  anzusprechen 
sind.  Wenn  früher  darauf  hingewiesen  ist,  dass  es  sich  in 
diesen  Formen  vorwiegend  um  postmortale  Zerfallserschei- 
nungen handelt,  so  soll  damit  natürlich  keineswegs  behauptet 
werden,  dass  die  verspätete  Härtung  allein  und  nicht  auch  die 


210  Diukler. 

specifische  Wirkung  des  gonorrhoischen  Vii-us  einen  derartigeu 
Effect  haben  kann.  Das  in  Tiefe  der  Urethra  beobachtete  Vor- 
kommen Yon  Kemtheilungsfignren,  welche  sich  mehr  an  das  be- 
kannte Schema  anlehnen,  spricht  in  gewissem  Sinne  dafür; 
ausserdem  braucht  man  sich  nur  der  von  Hess®)  bei  dem 
acuten  infectiösen  Milztumor  gefundenen  Theilungsfiguren  zu 
erinnern,  um  sich  von  der  Möglichkeit  einer  derartig  speci- 
fischen  Einwirkung  zu  überzeugen. 

Zwischen  den  Epithelien  liegen  Eiterzellen  in  wech- 
selnder Zahl  yertheilt;  bald  sind  diejenigen  Stellen,  welche 
eine  erhebliche  Desquamation  zeigen,  bald  auch  die,  deren 
Epithel  zwar  in  hohem  Grade  gelockert,  aber  noch  in  toto 
vorhanden  ist,  besonders  reichlich  durchsetzt. 

Während  im  Bereiche  der  Glans  penis  die  basale  Epithel- 
schicht und  damit  das  typische  Gepräge  der  Mucosa  —  mit 
Ausnahme  umschi-iebener  Inseln  —  erhalten  bleibt,  wird  der 
destructive  Charakter  der  entzündlichen  Erscheinungen  umso 
ausgesprochener,  je  weiter  die  Untersuchung  in  die  Tiefe  der 
Urethra  vordringt.  An  der  Grenze  der  Glans  und  ca.  1  Cm. 
hinter  dem  Sulcus  coronarius  ist  mehr  als  die  Hälfte  der 
Urethrallichtung  gänzlich  ihres  Epithels  beraubt  und  durch 
eiterig  iiifiltrirtes  Bindegewebe  abgegrenzt.  Die  noch  restirende 
Epithelschicht  zeipjt  nicht  nur  eine  hochgradige  Zerklüftung  und 
Desquamation,  sondern  auch  eine  mehr  oder  weniger  vollstän- 
dige Metaplasie  des  Epithels.  Von  einer  Grenzschicht  cylind- 
rischer  oder  cubischer  Zellen,  welche  vertical  dem  submucösen 
Bindegewebe  aufsitzen,  sind  nur  kümmerliche  Reste  erhalten- 
statt  ihrer  findet  man  entweder  abgeplattete  Zellen,  welche  den 
Endothelien  der  serösen  Häute  auffallend  gleichen  oder  spindel- 
förmige und  vieleckige  Gebilde  der  Submucosa  aufgelagert;  die 
letzteren  enden  häufig  mit  einem  keilförmigen  Fortsatz  im 
Bindegewebe.  Auch  die  Form  des  Papillarkörpers  hat  eine  hoch- 
gradige Veränderung  erfahren ;  die  regelmässigen  Epitheleinsen- 
kungen, welche  mit  den  Papillen  der  Submucosa  altemiren,  sind 
grösstentheils  geschwunden;  nur  ganz  vereinzelt  sind  schmale 
Epithelzapfen,  deren  kolbiges  Ende  meist  abnorm  tief  in  das 
Bindegewebe  liineingewuchert  ist,  vorhanden.  Fast  ausnahmslos 
findet  man  diese  flaschenförmigen  Einwucheiiingen  im  Bereiche 


^. 


lieber  den  bakter.  Befund  bei  der  Urethr.  gon.  des  Mannes.      211 

und  in  Verbindung  mit  den  erhaltenen  Partien  der  Mucosa. 
In  ihrer  Umgebung  sowie  auch  in  den  des  Epithels  beraubten 
Theilen  lassen  sich  femer  öfters  isolirte,  aus  mehreren  (circa 
3 — 6)  Zellen  bestehende  Epithelnester  nachweisen. 

In  den  hinteren  zwei  Dritteln  der  Pars  cavemosa  nehmen  die 
Veränderungen  des  Epithels  wieder  an  Intensität  allmälig  ab; 
der  ursprüngliche,  mehrschichtige  Epithelbau  tritt  wieder  hervor, 
während  die  Metaplasie  der  oberen  Schichten  in  Plattenepithel 
bis  zur  Pars  membranacea  sich  erstreckt.  Die  drüsigen  Gebilde, 
welche  in  der  hinteren  Hälfte  der  Pars  cavernosa  sich  verzwei- 
gen und  theilweise  auch  durch  die  Submucosa  hindurch  in  das 
cavemöse  Gewebe  eindringen,  zeigen  nur  geringe  Infiltrations- 
und Desquamationserscheinungen  an  den  Ausfiihrungsgängen  und 
einzelnen  Drüsenacinis. 

Im  Lumen  der  Urethra  liegen  verschieden  grosse  Zellen- 
haufen, die  aus  polymorphen  Epithelien  und  Eiterzellen  bestehen 
und  durch  eine  feinfadige  Exsudatmasse  zusanmiengehalten 
werden ;  besonders  erwähnenswerth  in  ihnen  sind  die  zahlreichen 
Zerfallsproducte,  welche  bald  in  Form  eines  feinkörnigen  De- 
tritus bald  auch  als  grössere  Schollen  und  Tropfen  ungleich- 
massig  verstreut  sind  und  durch  ihre  intensive  Färbung  mit 
den  Anilinfarbstoffen  die  Unterscheidung  von  den  Mikroorga- 
nismen vielfach  erschweren.  Abgesehen  von  diesen  Secretmassen, 
denen  sich  hie  und  da  noch  necrotische  Bindegewebsfetzen  an- 
legen, ist  die  Lichtung  der  Harnröhre  selbst  durch  die  ent- 
zündliche Schwellung  der  Mucosa  und  Submucosa  in  verschieden 
hohem  Grade  verengt,  vne  es  besonders  an  den  Schnitten  hinter 
dem  Sulcus  coronarius  heiTortritt. 

Die  Veränderungen  des  Bindegewebes  entsprechen  in  ihrer 
Intensität  im  Grossen  und  Ganzen  denen  des  Epithels ;  zwei  Typen 
der  Entzündung  kann  man  unterscheiden:  die  eine  geht  mit 
emer  rundzelligen  Infiltration,  die  andere  mit  einer  eiterigen 
Einschmelzung  der  Submucosa  einher.  Im  Bereiche  der  mit 
Epithel  bekleideten  Stellen  überwiegt  die  kleinzeUige  Infiltra- 
tion :  Rundzellen  mit  grossem,  bald  homogenem,  bald  granulirtem 
Kern  liegen  in  dichter  Anordnung  zwischen  den  Bindegewebs- 
fibrillen  und  fixen  Bindegewebskörpern  vertheilt.  Die  Einlage- 
rung ist  je  nach  der  Tiefe  verschieden ;  direct  unter  dem  Epithel 


212  DinkKr. 

ist  sie  diffus,  flächeuhaft,  während  sie  in  den  tieferen  Schichten 
zu  ausgesprochener  Knötchenbildung,  deren  Bau  den  foUiculären 
Apparaten  anderer  Schleimhäute  auffallend  ähnlich  sieht,  führt 
Einen  eiterigen  Charakter  zeigt  die  Entzündung  an  den 
Stellen,  deren  Epithel  nekrotisch  geworden  oder  in  toto  abge- 
stossen  ist.  Die  kekannten  Merkmale:  vielkernige  EiterzeUen, 
Detritus,  kleine  Yacuolenbildung  bilden  die  Vorläufer  der  nahen 
Einschmelzung  des  Gewebes. 

Von  besonderer  Bedeutung  im  Bereiche  dieser  Zonen  ist 
das  Verhalten  der  Blutgefässe;  eine  grössere  Anzahl  derselben 
ist  abgestorben  und  durch  Thrombusbildung  verlegt.  Die  um- 
liegenden Gefässe  sind  ziemlich  erheblich  erweitert  und  in  ihren 
Wandungen  durch  Zelleneinlagerung  verdickt.  Bei  der  Unter- 
suchung auf  (jonococcen  zeigt  es  sich  trotz  vielfacher  Modifica- 
tionen  des  Färbeverfahreus,  dass  die  Zahl  zweifelloser  Diplo- 
coccen  von  dem  Verhalten  der  Neiss  er 'sehen  Mikroben  in 
Bezug  auf  Färbung  und  intracelluläre  Lagerung  sehr  klein  ist 
und  mit  der  Menge  der  im  Secret  intra  vitam  nachweisbaren 
Gonococcen  im  grellen  Widerspruch  steht.  Wenn  sich  für  dieses 
Verhalten  auch  keine  sichere  Erklärung  hat  finden  lassen,  so 
beweisen  doch  ähnliche  Beobachtungen  von  anderen  Autoren, 
dass  die  Schuld  nicht  an  der  Färbung  der  Präparate  liegen 
kann.  Vielleicht  spielen  degenerative  Veränderungen  in  Folge 
der  verspäteten  Härtung  eine  gewisse  Rolle ;  hierfür  würde  der 
früher  erwähnte  Befund  von  rasenartigen  Colonieh  von  Diplo- 
coccen  verschiedener  Griisse  und  Färbbarkeit  in  gewissem 
Sinne  sprechen  können. 

Durch  die  Färbung  der  Schnitte  nach  der  Gram 'sehen 
Methode  und  nach  Gabbett  lässt  sich  feststellen,  dass  weder 
Eitercoccen  noch  Tuberkelbacillen  vorhanden  sind  und  dass 
demnach  im  Inneren  der  Harnröhre  die  Gonococcen  thatsächlich 
die  einzigen  Krankheitskeime,  wie  dies  vielfache  Secretunter- 
suchungen  und  Impfungen  nahe  gelegt  haben,  bilden. 

Von  anatomischen  Untersuchungen  über  den  Bau  der 
männlichen  Harnröhre  bei  GonoiThoe  scheint  nur  die  eine  von 
Bockhart")  zu  existiren.  Die  Veränderungen,  welche  dieser 
Autor  beobachtet  hat,  betreffen  nicht  nur  das  Epithel  und  die 
Submucosa,   sondern  auch  das  Gewebe  des  Corpus  cavernosum 


lieber  den  bakter.  Befund  bei  der  Urethr.  gon.  des  Mannes.     213 

urethrae ;  das  Epithel  ist  erheblich  gelockert  und  einzelne  Schichten 
sind  desqoamirt.  Bockhart  selbst  bezeichnet  es  als  gequollen 
und  zerklüftet,  letzteres  namentlich  in  der  Fossa  navicularis,  wo  der 
Mucosa  viel  Exsudat  auflag.  Die  Bluträume  der  Pars  cavemosa, 
heisst  es  weiter,  desselben  Theiles  der  Harnröhre  enthalten  eine 
grosse  Anzahl  weisser  Blutzellen.  Das  bindegewebige  Balken- 
werk der  Pars  cavemosa  ist  aufs  reichlichste  durchsetzt  von 
ausgewanderten  weissen  Blutzellen,  die  gegen  die  Albuginea 
hin  an  Zahl  abnehmen  und  nicht  über  dieselbe  hinaus 
in  die  Schwellkörper  des  Penis  eindringen.  Die  Durch- 
setzung mit  emer  grossen  Anzahl  dicht  beisammen  liegender 
weisser  Blutzellen  erstreckt  sich  auf  die  Mucosa,  Submucosa 
und  die  in  ihr  liegenden  Blutgefässe  bis  zur  Pars  prostatica. 
Berücksichtigt  man  noch,  dass  es  in  dem  Bockhart^schen 
Fall  zu  Cystitis  und  Nierenabscessen  gonorrhoischer  Natur  ge- 
kommen ist,  so  tritt  ein  auffallender  Contrast  —  in  beiden 
Fällen  hat  die  Gonorrhoe  wahrscheinlich  ziemlich  gleich  lange 
Zeit  bestanden  —  zwischen  diesem  und  dem  hier  mitgetheilten 
eigenen  Fall  zu  Tage.  In  dem  ersteren  führt  die  Tripperinfec- 
tion  zur  Zerklüftung  und  Quellung  des  Epithels  und  zur  klein- 
zelligen Infiltration  der  Submucosa  und  des  Corpus  caver- 
nosum  urethrae,  in  dem  letzteren  zur  Desquamation  und 
vollständigen  Exfoliation  grosser  Epith  eist  recken, 
zur  kleinzelligen  und  eiterigen  Infiltration  der  Sub- 
mucosa, während  das  Corpus  cavern.  urethr.  trotz  der 
erheblichen  Schleimhautveräuderungen  gänzlich  frei  bleibt 
Den  Ansammlungen  weisser  BlutzeUen  in  den  Bluträumen  des 
Schwellkörpers  ist  keine  Bedeutung  zuzumessen,  da  sie  unter 
normalen  Verhältnissen  auch  vorkommen.  Hingegen  finden 
imsere  Beobachtungen  eine  volle  Bestätigung  in  den  bei  Blen- 
norrhoea  neonatorum  auftretenden  Conjunctivalveränderungen, 
welche  von  Bumm  mit  grosser  Sorgfalt  untersucht  und  be- 
schrieben sind. 

Die  Gleichmässigkeit  der  verschiedenen  Erscheinungen, 
welche  an  den  beiden  Typen  des  mehrschichtigen  Cylinder- 
epithels  der  Conjunctiva  und  Urethra  sich  vollziehen,  ist  mu- 
tatis  mutantis  eme  so  allgemeine,  dass  sie  die  a  priori  gehegten 
Erwartungen  fast  noch  übertrifft ;  sowohl  die  Desquamation  wie 

ArebiT  f.  Dennatol.  n.  Syphll.  Band  XXVT.  15 


214  Dinkler. 

die  Lockerung  und  Wucherung  des  Epithels,  die  ausgesprochene 
Metaplasie  des  Epitheltypus,  wie  auch  die  entzündliche  Reaction 
des  Bindegewebes  stimmten  yollkonmien  überein.  Nur  in  der 
Deutung  einzelner  Veränderungen  treten  gewisse  Differenzen 
hervor.  Bumm  hält  z.  B.  die  regelmässig  nach  einer  gewissen 
Zeit  erfolgende  Umwandlung  des  Cylinderepithels  in  Plattenepithel 
für  eine  wirksame  Schutzvorrichtung  gegenüber  der  Gonococcen- 
Invasion  und  bringt  diese  Metaplasie,  welche  er  als  specifische 
Gewebereaction  anzusehen  geneigt  scheint,  mit  dem  Ablauf  des 
gonorrhoischen  Processes  in  ursächlichen  Zusammenhang. 

Wenn  auch  die  Bumm^sche  Anschauung  von  der  Resistenz 
des  Plattenepithels  gegenüber  den  Gonococcen  durch  die  go- 
norrhoische Entzündung  von  Plattenepithelmembranen  noch  nicht 
widerlegt  wäre,  so  könnte  man  trotzdem  in  dieser  transitorischen 
Metaplasie  keine  specifische  Reaction  des  mehrschichtigen  Cy- 
linderepithels gegen  die  N  eis  s  er 'sehen  Mikroben  erkennen,  da 
die  mehrschichtigen  Cylinderepithelhäute  auf  die  verschiedensten 
Entzündungsreize  regelmässig  mit  Desquamation  und  Umwandlung 
des  Zellentypus  reagiren  und  ein  provisorisches  Plattenepithel 
zu  bilden  pflegen.  Wahrscheinlich  spielen  übrigens  bei  dem 
Ersatz  der  Cylinderzellen  durch  Plattenepithelien  auch  die 
rein  mechanischen  Verhältnisse  in  der  Weite  der  Urethral- 
lichtung  eine  gewisse  Rolle  mit.  Ist  doch  die  Schwellung  der 
Schleimhaut  eine  so  erhebliche  und  gleichmässige,  dass  die 
Wandungen  förmlich  an  einander  gepresst  werden!  Die  früher 
mehrfach  erwähnten  Haufen  und  Nester  von  abgesprengten 
Epithelien  stehen,  wie  dies  auch  von  Bumm  schon  ausführlich 
mitgetheilt  ist,  mit  den  regenerativen  Processen  in  directer 
Beziehung  und  sind  offenbar  für  die  rasche  Ueberhäutung  von 
so  grossen  Epitheldefecten,  wie  sie  in  dem  vorliegenden  Fall 
zur  Beobachtung  gekommen  sind,  von  Bedeutung. 

Während  die  anatomischen  Veränderungen  in  dem  B  o  ck- 
har tischen  Fall  an  Intensität  hinter  den  von  uns  beschriebenen 
zurückstehen,  ist  das  Verhalten  der  Coccen  gerade  ein  umge- 
kehrtes; nach  unserer  Beobachtung  sind  die  Coccen  ausser- 
ordentlich spärlich  und  finden  sich  nur  in  den  oberen 
Schichten  des  Epithels  und  des  eiterig  infiltrirten  submucösen 
Gewebes,  Bockhart  hingegen  findet  die  Gonococcen   sowohl 


Ueber  den  bakter.  Befund  bei  der  Urethr.  gon.  des  Mannes.     215 

in  Zellen  wie  in  Lymph-  und  Blutgefässen  der  ganzen  Dicke 
der  Schleimhaut  in  sehr  beträchtlicher  Zahl.  Die  Haufenbildui^ 
und  das  Vorkommen  der  Mikroorganismen  in  den  verschieden- 
sten Schichten  des  submucösen  Gewebes  ist  in  den  beigegebenen 
Zeichnungen  so  charakteristisch  für  Mastzelleo,  dass  schon 
Arning*)  die  Vermuthung  ausgesprochen  hat,  Bockhart  habe 
sich  durch  eine  Verwechselung  mit  diesen  Gebilden  täuschen 
lassen.  In  der  That  lässt  sich  heute  schon  aus  der  Art  des 
Nährbodens  (Fleischextract-Peptongelatine),  auf  welchem  die  Go- 
nococcen-Reincultur  gewachsen  war,  mit  voller  Sicherheit  be- 
weisen, dass  Bockhart  überhaupt  nicht  mit  Gonococcenculturen 
gearbeitet  hat ;  ausserdem  sind  die  oben  erwähnten  Zeichnungen 
so  anschaulich  und  klar,  dass  man,  wie  dies  Arning  schon 
betont,  über  die  Vei-wechselung  der  Mastzellen  mit  coccenhal- 
tigen  Zellen  und  Gefässen  nicht  im  Zweifel  sein  kann.  Es  wird 
dennoch  weiteren  Untersuchungen  vorbehalten  bleiben,  über 
die  Häufigkeit  und  das  Verhalten  der  Gonococcen  im  Gewebe 
der  Urethra  Aufschluss  zu  geben. 

Die  Veränderungen,  welche  die  Urethralschleimhaut  in  dem 
mitgetheilten  Fall  von  Urethritis  gonorrhoica  darbietet,  sind 
folgende : 

1.  Das  Epithel  ist  in  den  geringer  erkrankten  Gebieten 
(ca.  der  vorderen  Hälfte  der  Glans  und  den  hinteren  %  der 
Pars  cavemosa  penis)  gelockert,  kleinzellig  infiltrirt  und  partiell 
desquamirt.  Im  Bereiche  der  hinteren  Hälfte  der  Glans  sowie 
des  sich  anschliessenden  vorderen  Drittels  der  Pars  cavernosa 
ist  es  grossentheils  mortificirt  oder  gänzlich  abgestossen;  die 
noch  erhaltenen  Reste  zeigen  vielfach  eine  Umwandlung  in 
Plattenepithel  (transitorische  Metaplasie). 

2.  Das  submucöse  Gewebe  ist  unter  den  erhalten  geblie- 
benen Epithelstrecken  flächenhaft  und  umschrieben  (unter  Bil- 
dung von  Knötchen  mit  lymphoidem  Bau)  kleinzellig  infiltrirt. 
An  den  epithellosen  Stellen  ist  das  Bindegewebe  von  Eiterzellen 
durchsetzt  und  in  Einschmelzung  begriffen;  einzelne  Partien 
sind  ausserdem  nekrotisch  geworden  und  abgestossen. 

3.  Die  Capillargefässe  sind  im  Bereiche  der  eiterigen  Ent- 
zündung  häufiger  mortificirt   und   ihre  Lichtung   durch    einen 

15* 


216  Dinkler. 

Thrombus  geschlossen.    In  den  übrigen  Theilen  ist  die  Gefäss- 
Wandung  kleinzellig  infiltrirt  nnd  verdickt. 

4.  Bezüglich  der  Verbreitung  des  gonorrhoischen  Processes 
sprechen  die  geschilderten  anatomischen  Veränderungen  für  die 
Richtigkeit  der  klinischen  Erfahrung,  dass  die  Gonorrhoe  beim 
Manne  zunächst  nur  als  Urethritis  anterior  verläuft. 

Literatur-Verzeichniss. 

1.  E.  B  u  m  m.  Der  Mikroorganismus  der  gonorrh.  Schleimhanterkran- 
kongen.  Gk)nococcus  Neisser.  1885. 

2.  M.  Dinkler.  Zwei  Fälle  von  Ulcus  perforans  corneae  nach  Con- 
junctivaltripper.   v.  Graefe's  Archiv.  Bd.  34.  3. 

3.  F.  J.  P  i  c  k.  Ueber  einen  Fall  von  Folliculitis  praeputialis  gonor- 
rhoica. Verhandl.  d.  deutschen  denn.  Gesellschaft  1889. 

4.  K.  Touton.  Ueber  Folliculitis  praeputialis  etc.  Archiv  f.  Derm. 
u.  Syph.  Bd.  21  und  „Weitere  Beitrage  zur  Lehre  von  den  gonorrh.  Er- 
krankungen der  Talgdrüsen  am  Penis  etc."   BerL  klin.  Wochenschr.   1892. 

6.  Jadassohn.  Ueber  die  Gonorrhoe  der  paraurethralen  und  prae- 
put.  Drüsengänge.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1890. 

6.  E.  Wertheim.  Die  ascendirende  Gonorrhoe  beim  Weibe.  Archiv 
f.  Gynaekologie.  Bd.  42. 

7.  M.  Bockhart.  Beitrag  zur  Aetiologie  und  Pathologie  des  Ham- 
röhrentrippers.    Yierteljahresschrift  f.  Dermatol.  und  Syphil.  1883. 

8.  R.  Hess.  Ueber  Vermehrungs-  und  Zerfallsvorgänge  an  den 
grossen  Zellen  in  der  acut,  hyperpl.  Milz  etc.  Beitrage  zur  pathol.  Ana- 
tomie etc.  von  £.  Ziegler.  Bd.  8. 

9.  E.  Arning.  Ueber  das  Vorkommen  von  Gonococcen  bei  Barto- 
linitis.    Yierteljahresschrift  für  DermatoL  u.  Sypb.  1883. 


ErUänmg  der  Abbildungen  auf  Tafel  ZI. 

Fig.  1.  Schnitt  durch  die  vordere  Hälfte  der  Eichel,  a  Erhalten 
gebliebene  Epithelleiste  des  mehrschichtigen  Plattenepithels  der  Urethra,  h 
necrotisches  Epithel,  e  epithelloses  Bindegewebe  mit  fibrinös-eitrigem  Ex- 
sudat, (2  fibrinöse  Exsudatmasse,  eektatische  Gapillargefasse, /thrombosirte 
Gapillaren,  g  Zerfallsproducte  der  Zellkerne. 

Fig.  2.  Schnitt  vom  hinteren  Ende  der  Eichel,  a Hamröhrenschleim- 
hant,  bestehend  aus  einer  Lage  von  abgeplatteten  Epithelien  mit  Epithel- 
zapfen (transitorische  Metaplasie),  b  eitrig  infiltrirte  Submucosa  mit  Detritus. 

Fig.  3.  Querschnitt  der  Urethra,  ca.  4  Gm.  hinter  dem  Grificium 
extemum  (halbschematisch).  l  Lumen  der  Urethra,  e  Epithelreste,  t  Infil- 
trate mit  adenoider  Anordnung,  r  ringförmig  angeordnete  Bindegewebs- 
züge  an  der  Grenze  des  Corpus  cavemosum. 


Ueber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut 

des  Menschen. 


Von 

Prof.  Georg   Lewin  in  Berlin. 

(ffierzu  Taf.  XII.) 

(Schlnai.) 


Symptomatologie. 

Sensibele,  motorische,  trophische 
Erscheinungen. 

Die  relativ  geringe  Auffindung  von  Finnen  in  der  Haut 
erklärt  sich  theilweise  dadurch,  dass  der  Parasit  oft  unbe- 
deutende Störungen  für  den  Kranken  erzeugt  und  deshalb  ihn 
nicht  veranlasst,  ärztliche  Hilfe  aufzusuchen.  Treten  aber  Be- 
schwerden auf,  so  wird  der  Körper  meist  gar  nicht  genau  vom 
Arzte  palpirt,  oder  der  wirklich  gefühlte  Tumor  verkannt  Dass 
aber  auch  Störungen,  selbst  schwerere  durch  den  Cysticercus, 
als  einen  in  der  Haut  vorhandenen  fremden  Körper  auftreten 
können,  ist  wohl  natürlich.  Sie  treten  jedoch  meist  nur  sehr 
langsam  mit  der  allmäligen  Yergrösserung  des  Parasiten  auf. 
Die  Behauptung  Stich's,  dass  der  Cysticercus  überhaupt  keine, 
irgendwie  erhebliche  Störung  zur  Folge  habe,  ist  nicht  richtig. 
Die  Casuistik  zeigt,  dass  sowohl  die  sensible  und  motorische, 
als  auch  die  vasomotorische  und  selbst  trophische  Sphäre  mehr 
oder  weniger  in  Mitleidenschaft  gezogen  wird. 

Wenn  man  den  betrefifenden  Tumor,  an  welchen  ein  Kranker 
Stiches  litt,  für  einen  Gichtknoten  halten  konnte,  so  müssen 
wohl  ziemlich  starke,  an  Gicht  erinnernde  Schmerzen  vorange- 
gangen  sein.     Ein  Kranker   Himly's   klagte   über   derartige 


218  Lewin. 

Muskelschmerzen,  dass  sie  Wadenkrampf  vortäuschten.  Ein 
Kranker  Erukenberg^s  litt  an  „dolor,  rheumatico  non  dissi- 
milis",  welcher  nach  Exstirpation  des  Wurmes  schwand.  Litten's 
und  Broca^s  Kranke  mit  Cysticercus  in  der  Lebergegend  und 
im  Epigastrium  klagten  über  heftige  Schmerzen  daselbst.  Die 
Patienten  HempeFs,  Fischer's,  Delore's  und  Rathey's 
klagten  ebenfalls  über  Sensibilitätsstörungen,  Abgeschlagenheit 
und  Müdigkeit  bei  Bewegung  der  erkrankten  Theile.  Einer 
meiner  Patienten  gab  als  Sitz  von  Neuralgien  den  Rücken- 
wirbel an,  auf  welchem  ein  Tumor  sass,  ein  anderer  Kranker 
klagte  über  Taubheit  in  der  rechten  Hand.  Bei  einem  dritten 
Kranken  mit  Finnen  in  der  rechten  Vola  manus  war  die  Bewegung 
mit  Schmerzen  verbunden.  Noch  ein  anderer  Patient  mit  einem 
Tumor  in  der  rechten  Ellenbogenbeuge  klagte  über  schmerzhaftes 
Ziehen  in  der  Bahn  des  N.  ulnaris  volaris.  Benda's  Kranker 
betonte  die  Schmerzen  im  Verlaufe  des  Nervus  ischiadicus 
dexter.  Karewski's  Patienten  litten  theilweise  an  „abnormer 
Sensation"  des  betreffenden  Armes,  der  beinahe  „gelähmt"  war. 
Auch  der  im  linken  Glutaeus  sitzende  Wurm  geiiirte  beim 
„Sitzen  und  bei  der  Defaecation".  Bei  Gros's  Kranken  mit  der 
Geschwulst  in  der  rechten  Augenbrauengegend  bestanden  remit- 
tirende  einseitige  Kopfschmerzen.  Bei  Dumreicher's  Pati- 
enten strahlten  von  der  erkrankten  rechten  Schläfengegend 
neuralgische  Schmerzen  aus.  In  Fischer's,  Forster's  und 
KarewskTs  Fällen  konnte  der  Arm  nicht  völlig  ausgestreckt 
werden.  Bei  dem  Falle  Lafitte's  handelte  es  sich  um  „Steifheit 
und  Krümmung  des  kleinen  Fingers" .  Lancereaux's  Kranke 
litt  an  Schwäche  der  unteren  Extremitäten. 

Aber  auch  entzündliche  Erscheinungen  treten  auf.  Für 
solche  Gewebsstörungen  spricht  das  sehr  blasse  Aussehen  oder 
die  bisweilen  dunkel  kastanienbraune  Farbe  und  die  von  Delore 
beobachtete  leichte  ZeiTeisslichkeit  des  Gewebes.  F  e  r  b  e  r  (Virch. 
Arch.  Bd.  32  p.  249)  und  Ordonnez  (Gaz.  de  Paris  1862,  p. 
686)  betonen  die  unregelmässige  Streifung  der  occupirten  Mus- 
kelfibrillen  und  ihre  Verfettung.  Auch  die  beobachteten  capiUären 
Hämorrhagien  sind  auf  Degeneration  der  Gelässwände  zurück- 
zuführen. Derartige  Befunde  haben  v.  Graefe,  Ferber, 
Maillon  und  Ordonnez  publicirt;  ja  v.  Graefe  fand  selbst 


lieber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.  219 

einen  hämorrhagischen  Herd  in  der  Cysticercushöhle.  Die  Ent- 
zündung kann  auch  einen  phlegmonösen  Charakter  annehmen.  So 
z.  B.  bei  Gaermonpr  ez's  *)  Kranken.  Hier  sass  der  Cysticercus 
in  der  Brustdrüse  und  erzeugte  wiederholt  Mastitis.  Aehnliche 
Erscheinungen  zeigte  einer  meiner  Kranken.  Aber  auch  zur  Ab- 
scedirung  können  sich  die  entzündlichen  Erscheinungen  steigern? 
wie  die  Casuistik  von  Karewski,  Fischer  und  mir  beweist. 
Welche  Momente  die  Abscesse  verursachen,  ist  noch  nicht  sicher. 
Man  könnte  annehmen,  dass  der  Parasiten-Embryo  der  vom 
Magen  und  Darmcanal  aus  den  Organismus  invasirt,  Keime  von 
Eitercoccen  mit  sich  führe.  Leber  (Arch.  f.  Ophthalm.  Bd.  32, 
p.  312)  meint,  dass  die  Cysticerken  selbst  Ptomaine  erzeugen 
und  dadurch  die  erkrankten  Gewebe  minder  widerstandsfähig 
gegen  die  Niederlassung  und  das  Wachsthum  der  durch  den 
Blutstrom  importirten  Bacterien  werden.  Auch  die  Hypothese 
ist  aufgestellt  worden,  dass  eine  pathologische  Alteration  der 
Haut,  wie  Epithelium-Defect,  Rhagaden  etc.  leicht  durch  eine 
äussere  Laesion  verursacht  werden  könne. 

Wichtig  ist  noch  folgende  Beobachtung :  Durch  Experimente 
an  Thieren  ist  von  Leukardt,  Zenker  und  Gerlach  nach- 
gewiesen, dass  die  jenen  beigebrachten  Parasiten  bisweilen 
plötzlich  und  massenhaft  gleichzeitig  in  die  Haut,  die  Muskeln 
und  den  Darm  einwandern  und  dadurch  ebenso  plötzlich  auf- 
tretende Erscheinungen  erzeugen,  so  z.  B.  Muskelkrämpfe,  Diar- 
rhöen und  Erbrechen.  Nichts  spricht  dagegen,  dass  ein  gleicher 
Process  sich  auch  beim  Menschen  vollziehen  kann.  So  erklärt 
sich  die  interessante  Mittheilung  Stich's,  dass  bei  einer  Frau 
mit  Finnen  während  einer  Cholera-Epidemie  auch  Cholera  an- 
genommen wurde,  weil  sie  Wadenkrämpfe  und  diarrhoische 
Stühle  hatte.     Erst  die  Section  klärte  den  Irrthum  auf. 

Diagnose. 

Die  Verschiebbarkeit  oder  Beweglichkeit  des 
im  subcutanen  Gewebe  sitzenden  und  von  einer,  durch  entzünd- 
liche Reaction  entstandenen,  bindegewebigen  Kapsel  umgebenen 
Cysticercus  ist  mehr  oder  weniger  vorhanden.     Es  hängt  dies 


»)  Lyon  medic.  1883.  Nr.  41. 


220  L  e  w  i  n. 

Yon  der  Tiefe  des  Sitzes  und  auch  davon  ab,  ob  einzebie  Fasern 
des  naheliegenden  Muskels  ihn  fester  fixiren. 

Die  Prominenz  über  das  Niveau  der  umgebenden  Haut 
fehlt  oft  ganz,  in  einzelnen  Fällen  ist  sie  mehr  oder  weniger 
auffallend«  Auch  dies  Moment  wird  durch  mehr  oder  weniger 
oberflächlichen  Sitz  und  dadurch  bewirkte  Spannung  der  Haut 
bedingt. 

Die  Grösse  der  Finnen,  selbst  gleichaltriger,  ist  keineswegs 
die  gleiche.  Dass  selbst  in  einem  und  demselben  Organe  solche 
von  verschiedenen  Volumen  vorkommen  können,  haben  die  Ex- 
perimente der  Finnenzucht  gezeigt.  Die  Durchschnittgrösse  ist 
die  einer  Linse  bis  Haselnuss,  doch  finden  sich  auch  grössere, 
namentlich  im  Gehirn  vor.  Die  Grösse  der  Finnen  kann  aber 
intra  vitam  ab-  und  zunehmen. 

Bei  einer  meiner  Kranken  hatten  einzelne  Tumoren, 
welche  anfangs  linsengross  waren,  schon  nach  4 — 6  Monaten 
die  Grösse  einer  Haselnuss  erreicht.  Stich  sah  bei  einem 
Kranken  die  anfangs  linsengrossen  Geschwülste  innerhalb  eines 
Monats  bis  zur  Bohnengrösse  wachsen.  Bei  dem  v.  Gräfe'schen 
Kranken  erhob  sich  die  Geschwulst  in  6  Wochen  „von  wenigen  auf 
6  Linien  Durchmesser."  Diese  Volumenzunahme  kann  die 
Folge  sein  einer  Vermehrung  des  wässerigen  Inhaltes,  der 
Verdickung  der  Kapsel-  oder  auch  des  selbständigen  Wachsthums 
des  Cysticercus  selbst.  Man  muss  daran  denken,  dass  sich 
schon  in  der  Finne  die  erste  Anlage  des  Bandvmrmkörpers  zeigt, 
und  zwar  als  eine  cylindrische  Röhre,  welche  sich  zwischen  das 
obere  halsförmig  verdünnte  Ende  des  Kopfes  und  den  andern 
Pol  des  Blasenkörpers  einschiebt,  und  dass  dieser  Hohlraum 
sich  mit  dem  fortschreitenden  Alter  der  Finne  auch  erweitert. 
Hierbei  nimmt  sie  eine  runzliche  Beschaffenheit  an,  bildet  Quer- 
falten, Einschnürungen,  so  dass  man  eine  schon  mit  Proglottiden 
versehene  kleine  Tänie  vor   sich  zu  haben  glaubt. 

Die  Form  der  Geschwulst  ist  entweder  rund  oder  ovaL 
Ersteres  tritt  besonders  bei  den  im  subcutanen  Gewebe  hegenden, 
das  andere  mehr  bei  den  an  die  Muskeln  gehefteten  Cysti- 
cerken  hervor.  Während  das  nachgiebige,  subcutane  Gewebe 
ein  gleichmässiges  Wachsen  des  Tumors  vom  Centrum  nach 
der  Peripherie   gestattet,    scheinen    die    strafferen  Fasern    der 


Ueber  Cysticercus  cellnlosae  in  der  Haut  des  Menschen.         221 

Muskeln  mehr  die  Längsrichtung  der  Geschwulst  und  damit 
die  OTaleForm  zu  bedingen.  Aus  dieser  verschiedenen  Beschaf- 
fenheit der  Umgebung  des  Cisticercus  lässt  es  sich  auch  er- 
klären, dass  grade  die  Gehimcysticercen  die  grösste  Mannig- 
faltigkeit in  der  Faimation  zeigen,  so  namentlich  der  Cysticer- 
cus racemiformis. 

Die  Consistenz  des  Tumors  ist  füi*  die  Diagnose 
besonders  charakteristisch.  Der  Tumor  ist  nicht  allein  prall 
elastisch,  sondern  nahezu  knorpelhart,  meist  so  resistent, 
wie  ein  \irirklicher  Knorpel,  speciell  des  Kalbes;  dadurch 
unterscheidet  er  sich  vorzüghch  yon  der  Gummigeschwulst, 
welche  bekanntlich  meist  eine  mehr  teigige  Consistenz  zeigt. 

Die  Beschaffenheit  der  Oberfläche  der  Tumoren 
ist  nie  höckerig,  sondern  glatt.  Nur  wo  eine  Muskelfascie 
straff  und  einschneidend  über  ihn  hinzieht,  erscheint  die  Ge- 
schwulst wie  in  zwei  Hälften  getheilt,  wie  dies  bei  einem 
meiner  Kranken  der  Fall  war,  bei  welchem  ein  Cysticercus 
seithch  vom   Condylus  externus   des  Ellenbogens  sass. 

Ebenso  wie  eine  Vergrösserung  kann  sich  auch  eine 
Verkleinerung  des  Tumors  entwickeln  und  zwar  durch  den 
Process  einer  allmäligen  Verkalkung. 

Auch  von  verschiedener  Grosse  werden  Finnen 
bei  einem  und  demselben  Individuum  gefunden«  Welche  Bedin- 
gungen des  verschiedenen  Wachsthimis  hier  obwalten,  ist  nicht 
bestimmt  anzugeben.  Wahrscheinlich  wird  die  für  die  Entwick- 
lung mehr  oder  weniger  günstige  Localisation  hier  mitspielen. 
Auch  können  Invasionen  zu  verschiedenen  Zeiten  vielleicht  die 
Erklärung  abgeben,  wie  Helminthologen  bei  Thieren  beobachtet 
haben. 

Der  Pai*asit  scheint  sowohl  s elitär,  als  auch  in  sehr 
grosserAnzahl  im  Menschen  vorzukommen.  Einige  Autoren, 
so  z.B.  Stich,  leugnen  das  solitäre  Vorkommen,  dagegen  habe 
ich  und  Andere,  so  z.  B.  Lafitte,  Lumreichr,  Garski 
solche  Fälle  publiiert.  Leuckhardt  fand  bei  einem  Ver- 
suchsthier,  welches  eine  erkleckliche  Menge  Bandwürmer  ver- 
schluckt hatte,  nur  eine  einzige  Finne.  Unbekannte  Bedingungen 
würden  wohl  die  übrigen  Eier  bis  auf  das  Eine  an  der  Entwickelung 
gehindert  haben.  Auch  Küchenmeister  ist  derselben  Ansicht. 


222  Lewin. 

Natürlich  lässt  sich  gegen  alle  diese  Angaben  der  schon  erhobene 
Einwand  wiederholen,  dass  nicht  alle  Organe  genau  untersucht 
wurden;  aber  auch  umgekehrt  ist  daranzudenken,  dass  gleich- 
zeitig vorhandene  Parasiten  leicht  übersehen  werden  können. 

Doch  zugegeben,  dass  es  Solitärfinnen  gibt,  so  ist  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  der  Parasit  in  mehreren  Exemplaren  vor- 
handen —  ein  Moment  von  Bedeutung  für  den  diagnostischen 
Werth  des  Haut-Cysticercus.  Schon  Wharton  zählte  in  seinem, 
allerdings  zweifelhaften  Falle  Hunderte.  Himly ')  zählte  eben- 
falls bei  der  Section  eines  Kranken  viele  Hunderte  von  Finnen  in 
den  Muskeln  und  eine  fast  gleiche  Anzahl  im  Gehirn  und  in  der 
Lunge.  Bei  Lancereaux's  Kranken  wurden  die  Finnen  auf 
etwa  1000  geschätzt.  Bonhomme*)  zählte  bei  einem  von  ihm  se- 
cirten  77jährigen  900  Cysticerken  in  den  Muskeln  und  etwa  2000 
im  subcutanen  Gewebe.  In  den  innem  Organen  wurden  nur  125 
aufgefunden  und  zwar  84  im  Gehirn,  22  in  den  Meningen,  16  in  der 
Lunge,  dem  Pancreas,  in  der  Parotis  und  der  Medulla  oblongata. 
E.  Gellerstedt  hat  bei  einer  47jährigen  Frau  nicht  allein 
im  Gehirn  sondern  namentlich  in  allen  Muskeln  „unzählige 
Finnen"  gefunden.  Delore  (1.  c.)  gibt  die  Zahl  der  bei  der 
Section  eines  77jährigen  Mannes  gefundenen  Cysticerken  auf 
2000  an  und  zwar  900  in  den  Muskeln,  die  übrigen  im  subcu- 
tanen Gewebe.  Giamattei's*)  Kranker  hatte  bei  der  Sec- 
tion 200  Cysticerken  im  Gehirn,  1000  in  den  Muskeln  (im  Biceps 
allein  24)  und  mehrere  im  Herzen. 

G  u  b  a  i  n  fand  bei  der  Section  einer  Kranken  alle  Organe, 
namentlich  die  Muskeln,  so  voller  Hydatiden,  dass  er  sich  den 
Ausdruck  „Diathesis  hydatitosa"  erlaubte. 

Den  entscheidenden  Beweis  für  den  Cysticercus  liefert 
aber  die  Exstirpation  desselben.  Man  macht  vorsichtig  einen 
Einschnitt  in  die  Cutis,  dessen  Länge  und  Tiefe  der  Form  und 
dem  Sitze  des  Wurmes  entspricht  und  verfährt  dann  ganz  wie 
beim  Ausschneiden  eines  Atheroms.  Nach  weiterer  Trennung  der 
die  Cysticercusblase  umgebenden  bindegewebigen  Kapsel   zeigt 


')  Himly.  Hufeland-.s  Journal.  1809. 

*)  Bonhomme.  Compt. rendu de seanoe de la societe biol.  1884p. 62. 

')  Giaroattei.   li  Morgagni.  1888. 


Ueber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.         223 

die  darunterliegende  Blase  meist  eine  wellige  Oberfläche.  An 
einer  Stelle  der  Blase  macht  sich  mehr  oder  weniger  deutlich 
eine  Einziehung  bemerklich,  von  deren  Innerem  ein  derber, 
weisslicher,  stecknadelkopfgrosser,  runder  Körper  durch  die 
Blasenwand  durchscheint.  Dieser  Körper  bildet  einen  birnförmi- 
gen  Sack,  welcher  den  Kopf  handschuhartig  umhüllt.  Der  Kopf 
ist  der  der  Taenia.  Er  ist  quadratisch  und  zeigt  vier  etwas 
prominirende  Säugenäpfe,  in  deren  Seite  das  Rostellum  mit  den 
24 — 30  Haken  und  Häkchen  liegt.  Diese  bilden  zwei  concentri- 
sehe  Kreise,  in  deren  äusserem  die  Häkchen  grösser  sind  als 
die  in  dem  inneren.  Die  Haken  stecken  in  meist  pigmentirten 
Taschen.  Nicht  ganz  selten  fallen  einzelne  oder  ganze  Reihen 
Haken  ab,  die  man  aber  in  der  Blasenflüssigkeit  wiederfinden 
kann.  Dem  Kopfe  folgt  ein  kürzerer  oder  längerer,  quergerun- 
zelter Stiel,  der  Halstheil,  und  diesem  der  embryonale  Blasen- 
körper, die  Schwanzblase.  Um  den  Blasenbandwurm  genauer  zu 
studiren,  empfiehlt  es  sich,  ihn  aus  seiner  Kapsel  zu  nehmen 
und  in  laues  Wasser  zu  legen.  Hier  contrahirt  er  sich  in  die 
mannigEstltigsten,  zum  Theil  wellenförmigen  Formen,  Meist  zeigen 
sich  auch  Kalkpartikel  in  der  Wand  als  Zeichen  beginnender 
Verkalkung. 

Auch  kann  man,  wenn  die  Exstirpation  yermieden  werden 
soll,  mit  der  Prayaz'schen  Spritze  die  Flüssigkeit  aus  der 
Blase  ziehen,  in  welcher  sich  nicht  selten  einzelne  Hakenkränze 
nachweisen  lassen. 

Differential-Diagnose. 

Die  Cysticerken  können,  wie  sich  dies  zum  Theil  schon 
aus  dem  Vorigen  ergibt,  mit  Tumoren  jegUcher  Art  verM-echselt 
werden,  so  mit  Fibrom,  Molluscum,  Atherom,  Condylom 
subcutaneum,  Neurom,  Enchondrom,  Carcinom,  mit  syphiliti- 
schen Lymphdrüsen,  syphilitischen  Sclerosen  und  Gummata. 
Wenn  entzündliche  Erscheinungen  hinzutreten,  täuschen  die 
Finnen  auch  Furunkeln  und  Abscesse  vor. 

Guermonprez  und  Delbeau  z.  B.  hielten  den  Cysti- 
cercus für  ein  Atherom,  Delore  und  Bonhomme  für  ein 
Fibrom,  Hempel  für  ein  Enchondrom,  Giamattei  für  Lipom, 
Werther  für  ein  Neurom.  Bei  dem  Kranken  Gre  wer  Vs  nahm 


224  Lewin. 

man  ein  Carcinom  an,  und  machte  eine  umfangreiche  Operation. 
Im  Falle  Dolbeau's  wurde  Lupusknoten  angenommen  und 
ebenfalls  operativ  eingegiififen.  Bei  circa  12 — 15  Kranken 
Lafitte's,  Fischer's,  Westphal's,  Karewski's,  von 
GraefeX  Hacker's  etc.  wurden  Abscease  und  Phlegmonen, 
ja  selbst  Spina  ventosa  vorgetäuscht 

Bei  Stich's  Kranken  wurden,  wie  schon  erwähnt,  Gicht- 
knoten diagnosticirt.  W harten  publicirte  seinen  Fall  unter  dem 
Titel  „De  glandulis  corporis".  Dolores  gesteht,  dass  er  Finnen 
für  syphilitische  Lymphdrüsen  gehalten.  Der  Tumor  des  Kranken 
Amici's  zwischen  den  Lamellen  des  Präputiums  zeigte  das 
Aussehen  und  namentlich  die  Härte  einer  Sclerose.  Auch  B  r  o  c  a 
glaubte  eine  „production  syphilitique"  in  seinem  Falle  vor  sich 
zu  haben.  Die  Verwechslung  mitGummata  haben  wir  schon  bei 
dem  1669  von  W harten  beschriebenen  Falle  erwähnt.  Aehnliche 
Täuschungen  wurden  publicirt  von  Griesinger,  Kessen 
und  Küchenmeister.  Ich  habe  ebenfalls  eine  Anzahl  solcher 
Fälle  zu  verzeichnen  und  es  waren  nicht  unbedeutende  Aerzte, 
welche  solchen  Täuschungen  unterlagen.  Die  Verwechslung  ist 
aber,  wie  kaum  noch  betont  zu  werden  braucht,  nicht  allein  für 
die  Therapie,  sondern  auch  deshalb  von  grosser  Bedeutung, 
als  die  gleichzeitig  durch  Finnen  im  Gehirn  erzeugten  Erschei- 
nungen, wie  wir  zeigen  werden,  fälschhch  auch  für  syphilitisch 
gehalten  worden  sind.  Der  Wichtigkeit  der  Materie  halber  fiihre 
ich  hier  nur  zwei  meiner  Kranken  an,  auf  die  übrigen  werde  ich 
später  noch  näher  eingehen. 

1.  Der  38j.  Kaufmann  N.  N.,  von  sehr  kraftiger  Constitution,  hatte 
sich,  bis  auf  mehrmalige  Gonorrhöen,  stets  einer  guten  Gesundheit  erfreut. 
Seit  2  Jahren  litt  er  an  Ekzem.  Von  seinem  Hausarzte  in  D.  wurde  er 
mit  Terschiedenen  Salben  und  innerlich  mit  Arsen  behandelt,  jedoch  ohne 
£rfolg.  Deshalb  reiste  er  nach  Dresden  zum  Dr.  N.  N.  Schon  auf  der 
Heise  dorthin  stellte  sich  eine  geringe  Augenentzündung  ein.  Der  neue 
Arzt  entdeckte  beim  Kranken  mehrere  Tumoren  auf  dem  Kücken,  unter- 
halb des  rechten  Schulterblattes  und  auf  dem  linken  Oberschenkel,  welche 
er  für  Gummata  hielt.  Die  Ophthalmie,  das  £kzem,  die  noch  bestehende 
Gonorrhoea  chronica  wurden  namentlich  imter  Berücksichtigung  der  „Gum- 
mata'' sämmtlich  für  Symptome  der  Lues  erklärt  and  mit  einer  Schmier- 
cur  von  4  Wochen  behandelt.  Das  Ekzem  verschlimmerte  sich,  der 
Tripper  nahm  nicht  ab,  die  Geschwülste  blieben  stationär.  Jodkalium  in 
steigender  Dosis  mehrere  Monate  lang  gebraucht,  brachte  keine  Heilung. 


lieber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.         225 

Ein  anderer  Arzt  verordnete  Pillen  von  Quecksilberjodür  und  örtlich 
Theereinreibungen.  Das  Ekzem  schwand,  der  Ausfluss  aus  der  Harnröhre 
minderte  sich,  aber  die  Tumoren  blieben  hartnäckig;  Jodkalium  bis  zu 
15-0  auf  200  blieb  auch  ohne  Erfolg.  Im  März  1876  kam  der  Kranke  zu 
mir.  Das  Ekzem  war  nur  noch  sehr  gering,  Gonorrhoe  nicht  mehr  vor- 
handen, ebenso  die  Augenentzündung.  Die  Tumoren  wurden  als  Cysti- 
cerken  durch  Excision  erkannt.  Von  Syphilis  aber  wurde  keine  Spur 
aufgefunden. 

2.  Ein  28jähr.  Tischler,  aus  gesunder  Familie,  wurde  vor  2  Jahren 
inficirt.  Die  Sclerose  am  Penis  wurde  local  behandelt,  das  nachher  ent- 
stehende Exanthem  mit  Quecksilber- Jodür.  Wegen  eines  Recidivs  machte 
er  5  Wochen  lang  eine  Schmierern*  durch.  Bald  darauf  bemerkte  er  „Ge- 
schwülste an  sich"  und  erhielt  von  dem  consultirten  Arzte  7«  Jahr 
hindurch  Jodkalium  in  steigender  Dosis.  Da  die  „Geschwülste  sich  mehrten 
und  vergrösserten",  kam  er  auf  meine  Poliklinik  in  der  Charite.  Wir 
constatirten  neben  einer  leichten  syphilitischen  Laryngitis  12  Tumoren 
und  zwar  3  auf  dem  rechten  Pectoralis  major,  4  auf  dem  rechten  Ober- 
schenkel, 5  auf  beiden  Armen.  Die  Diagnose  auf  Cysticercus  wurde  durch 
die  Exstirpation  bestätigt. 

Trotz  der  angegebenen  differential-diagnostischen  Criterien 
können  aber  Fälle  vorkommen,  bei  welchen  eine  sichereEnt- 
scheidung  nicht  möglich  ist.  Dies  zeigt  sich  nament- 
lich bei  solch  tieferen  Sitze  des  Blasenbandwurmes,  dass  eine 
palpable  Untersuchung  nicht  hinreichend  Ausschlag  gebend  ist. 
Ein  Beispiel  möge  dies  zeigen: 

Frau  0.,  32  Jahre  alt,  sehr  kräftig,  wurde  von  ihrem  Manne 
inficirt.  Nach  „Blasen'^  an  den  grossen  Schamlippen  entstand 
ein  maculo-papulöses  Exanthem.  Bei  der  von  mir  vorgenom- 
menen Untersuchung  fand  ich  syphilitische  Erosionen  an  den 
grossen  und  kleinen  Schamlippen,  sowie  an  den  Tonsillen.  Nach 
30  Injectionen  von  Sublimat  waren  die  Erscheinungen  ge- 
schwunden. Nach  einem  Jahre  kehrte  sie  zu  mir  zurück.  Es 
hatten  sich  auf  beiden  Armen  haselnussgrosse  Geschwülste  ge- 
bildet, die  ich  mit  Berücksichtigung  der  anamnestischen  Mo- 
mente für  gummös  hielt.  Wiederum  erhielt  die  Kranke  Sublimat- 
Injectionen  und  zwar  24.  Die  Tumoren  wurden  kleiner,  dafür 
entstand  aber  bald  darauf  ein  neuer,  der  anfangs  linsengross, 
allmälig  über  bohnengross  wurde.  Eine  neue  Cur  und  grosse 
Gaben  von  Jodkalium  hatten  keinen  Erfolg,  es  entstanden  sogar 
mehrere  linsengrosse  neue  Tumoren  auf  den  Armen  und  auf 
der  rechten  Wade.    Die  Tumoren  sassen  so  tief  in  der  Haut 


226  L  e  w  i  n. 

und  schienen  den  Muskeln  so  zu  inseriren,  dass  sie  weder 
prominirten  über  das  Niveau  der  Haut,  noch  in  ihrer  Beschaf- 
fenheit, Glätte  der  Oberfläche  und  namentlich  in  ihrer  Consistenz 
genau  zu  beurtheilen  waren.  Aus  einem  Tumor  zog  ich  mittelst 
Prayaz'scher  Spritze  etwas  Flüssigkeit,  Hakenkranze  konnte 
ich  darin  nicht  finden.  Eine  weitere  Beobachtung  steht  bei  der 
Rückkehr  der  Kranken  von  ihrer  Reise  bevor.  Vielleicht  ent- 
schliesst  sie  sich  zur  Exstirpation  einer  Geschwulst,  was  sie  bis 
jetzt  abgelehnt  hat. 

Wenn  nicht  mehrere  Beispiele  solcher  bisweilen  schwer- 
wiegender diagnostischer  Irrthümer  in  der  Literatur  existiren, 
so  deutet  dies  keineswegs  auf  die  factische  Seltenheit  der- 
selben hin,  sondern  beweist  nur,  dass  diese  Irrthümer  nicht 
aufgedeckt  worden  sind.  Wäre  dies  der  Fall,  so  würde  es  sich 
zeigen,  dass  in  einer  grossen  Zahl  von  Fällen  Cysticercus  für 
Tumoren  anderer  Gattung  gehalten  und  dementsprechend 
falsch  behandelt  wurde.  So  wird  von  den  gediegensten  Syphili- 
dologen  eine  relativ  grossse  Anzahl  von  Gummata  hervorge- 
hoben, welche  trotz  sehr  langen  Gebrauches  von  Hydrargyrum 
und  Jodkalium  nicht  schwinden  wollten.  Ein  französicher 
Autor  referirt,  dass  er  einen  solchen  Kranken  sogar  3  Jahre 
lang  einer  solchen  Cur  ohne  Wirkung  unterworfen  habe.  Wie 
nahe  liegt  hier  der  Verdacht  des  von  mir  gerügten  diagnostischen 
Irrthums!  Auch  Hebra  erwähnt  in  seinem  Berichte  über  80.000 
Hautkranke  keinen  Fall  von  Cysticercus  —  und  wie  viel  sind 
und  möchten  wohl  darunter  gewesen  sein?  Ja  in  seinem  grossen 
schönen  Werke  über  Dermatologie  wird  der  Parasit  mit  keinem 
Worte  erwähnt.  *)  Dasselbe  galt  von  allen  Lehrbüchern  der  Haut- 
krankheiten bis  zu  meiner  Arbeit  im  Jahre  1875.  Nach  dieser 
Zeit  wird  zwar  der  Cysticercus  angeführt,  aber  nur  unvollständig 
und  mit   vielen    irrigen    Angaben.     Auch    die  Handbücher   der 


')  Der  mögliche  Einwurf,  dass  z.  B.  in  Wien  der  Cysticercus  nicht 
oder  äusserst  selten  yorkomme,  wird  durch  Rokitansky's  (Bd.  II,  p.  230,, 
415,  424,  474)  Aeusserung  widerlegt,  dass  er  die  Finnen  zuweilen  in 
wuchernder  Menge  in  der  Haut  vorgefunden  habe.  Ausserdem  hat  Becker 
und  Heidelberg  während  seiner  mehrjährigen  Wiener  Thätigkeit  5mal 
und  Fuchs  auf  der  Arlt 'sehen  Klinik  3mal  Cysticerken  im  Auge  be- 
obachtet.  (Schiff.  Arch.  f.  Syph.  u.  Dermat.  1879  p.  275.) 


üeber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.         227 

pathologischen  Anatomie  vernachlässigen  diesen  Parasit,  während 
sie  anderen,  unbedeutenderen  grössere  Aufmerksamkeit  widmen. 

Ich  führe  für  meine  Ansicht  noch  an,  dass  auch  andere 
Autoren  sich  derselben  anschliessen.  Schiff  in  Wien  sagt, 
^dass  unter  dem  grossen  Materiale  von  multipeln  Tumoren, 
welches  den  Wiener  Beobachtern  seit  Jahrzehnten  zur  Vei-fügung 
steht,  doch  eine  Venvechslung  beim  Stellen  der  Dinge  mit  unter- 
laufen sein  muss".  AehnUch  lässt  sich  Engel  *)  in  Prag  aus  :  Ver- 
gleicht mit  dem  Befunde  von  Cysticercen  in  inneren  Organen 
die  Reihe  von  Fällen,  bei  denen  bisher  die  klinische  Diagnose 
auf  Finnen  in  einem  innem  Organ  gestellt  wurde,  so  ergibt  sich 
ein  auflfallender  Gegensatz. 

Aber  auch  für  die  Diagnose  und  Therapie  der 
Krankheiten  innerer  Organe  ist  der  Nachweis  der  Cysti- 
cerken  in  der  Haut  oft  von  entscheidender  Bedeutung.  In  nicht 
ganz  seltenen  Fällen  ist  nämlich  nicht  allein  die  Haut  von  der 
Finne  befallen,  sondern  auch  viscerale  Organe.  Hier  kann  sie 
Erscheinungen  und  Symptomengruppen  mannigfachster  Art  her- 
vorrufen, die  aber  auf  andere  und  zwar  sehr  verschiedene 
Ursachen  bezogen  werden  können. 

Die  Erkennung  und  Aufkläning  wird  aber  vorzüglich  durch 
den  Nachweis  einer  gleichzeitig  in  der  Haut  vorhandenen  und 
aufgefundenen  Finne  mit  mehr  oder  weniger  Sicherheit  oder 
wenigstens  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  geliefert.  Dieser  Aus- 
spruch wird  erhäi-tet  durch  eine,  bis  jetzt  zwar  noch  winzige 
Casuistik,  in  welcher  die  Diagnose  z.  B.  von  Gehirn-Cysticerken 
auf  diesem  Wege  ermöglicht  wurde.  Noch  mehr  fallen  die  Fälle 
ins  Gewicht,  in  welchen  die  post  mortem  in  visceralen  Orga- 
nen aufgefundenen  Würmer  hätten  diagnosticirt  werden  können, 
wenn  man  die  Haut  gewissenhaft  untersucht  hätte. 

Ich  hebe  nur  ein  Paar  bezügliche  Beispiele  aus  einer 
grösseren,  hierher  gehörenden  Anzahl  hervor: 

Himly')  fand  bei  der  Section  eines  Kranken  viele  Finnen  in 
Gehirn   und  Lungen.    Als  er   darauf  die  Haut  untersuchte,  zeigten   sich 


')  Engel.  Prager  med.  Wochenschr.  1888  p.  10. 

»)  Himly.  Joum.  d.  pract.  Heilkd.  1809.  Bd.  29  p.  115. 


228  L  e  w  i  n. 

noch  viele  Hundert  linsengrosse  auf  Brost  und  Bauch,  die  auch  im  Leben 
hätten  aufgefunden  werden  können« 

Stich  ')  entdeckte  bei  der  Autopsie  1.  eines  Gefangenen,  der  an 
Kopfschmerz,  Neigung  zum  Schlafe  und  Zittern  der  Muskeln  bei  Bewe- 
gung gelitten  hatte  und  bei  dem  eine  Diagnose  intra  vitam  nicht  gestellt 
werden  konnte,  eine  Anzahl  Finnen  im  Gehirn  und  in  der  Haut,  2.  bei  der 
Autopsie  eines  jungen  kraftigen  Dienstmädchens,  das  an  Herzstichen, 
Kopfschmerz,  Luftmangel  etc.  gelitten  hatte,  und  deren  Diagnose  unklar 
war,  Finnen  in  vielen  inneren  Organen  und  in  der  Haut. 

0  n  i  m  u  s  ^)  fand  bei  der  Section  eines  32jähr.  Mannes,  dessen 
Krankheit  als  Meningitis  erklärt  worden  war,  zahlreiche  Gehirn-  und  Haut- 
Cysticercen. 

Paulicki')  fand  bei  der  Section  eines  Kranken,  „dessen  Krankheit 
nicht  diagnosticirt  werden  konnte^,  viele  Cysticerken  im  Gehirn  und  in 
der  Haut;  dass  „die  Diagnose  der  letzteren  im  Leben  leicht  möglich  ge- 
wesen**, gibt  der  Autor  selber  zu. 

G.  Giammattei.  Cisticerchi  multiplL  II  Morgagni  1888.  L  Eine 
60jähr.  Frau  war  wegen  eines  grossen  Lipoms  des  Nackens  aufgenommen. 
Auf  Zungenrücken  eine  Cyste.  Anämie  mit  psychischen  Störungen,  welche 
mit  einer  abgelaufenen  Pellagra  in  Verbindung  gebracht  wurden.  Fieber. 
Tod.  Section:  In  Herz  und  Hirn,  vor  allem  im  Kleinhirn  200  Cysticercen. 
Desgleichen  zahlreiche  in  der  Intercostal-Musculatur,  in  der  übrigen  Mus- 
kulatur etwa  1000  Finnen.    In  der  Cyste  der  Zunge  gleichfalls  Cysticerken. 

Gehen  wir  zunächst  auf  das  Gehirn  ein,  so  ist  oben 
nachgewiesen,  dass  der  Parasit  sehr  häufig  hier  vorhanden  ist. 
V  i  r  c  h  0  w  fand  denselben,  wenn  auch  nur  ausnahmsweise  in  6%. 
Die  Finne  kann  hier  zwar  solitär  sein,  doch  findet  sich  meist 
eine  grössere  Anzahl  vor.  Uebersehe  ich  die  Ton  mir  gesam- 
melte Casuistik  von  120  Fällen,  so  finden  sich 
in  40  FäUen  1 — 3  Blasen, 

,  50—60       „        5—6       „ 
„  15 — 30       „        eine  sehr  grosse  Anzahl,  selbst  über  50. 

Alle  Versuche,  ohne  Nachweis  der  Finnen  in  der  Haut 
oder  im  Auge  nur  aus  einer  bestimmten  Symptomengruppe  die 
Gehirn-Cysticercen  zu  constatiren,  führen  zu  keinem  hinreichend 
sicheren  Resultat.  „Eine  generelle  Beantwortung  der  Frage 
nach  Bedeutung  der  Finnen  für  die  Gehirnfunction  ist  nicht 
zulässig"  sagt  Virchow   sehr  zutreffend.     Die   Zahl   der  Cy- 


')  Stich,  1.  c.  p.  200. 

')  Onimus.  Gaz.  des  hop. 

»)  Paulicki.  Memorabilien  XIV.  1809. 


üeber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.         229 

sticerken,  ihre  Grösse,  ihre  Beschaffenheit  d.  h.  ob  sie  noch 
activ  bewegtingsfahig  oder  schon  verkalkt  waren,  der  gleich- 
zeitige Sitz  an  verschiedenen  Stellen,  die  Grösse  der  Thiere, 
die  Dignität  der  befallenen  Hirntheile  etc.  etc.  bedingen  eine 
solche  Mannigfaltigkeit  der  Phänomene,  dass  ein  constantes, 
einheitliches  Bild  nicht  resultirt.  Dazu  kommt  noch,  dass  die 
Ton  den  Parasiten  erzeugten  pathologischen  Veränderungen 
äusserst  mannigfaltig  sein  können.  Trübung  der  Hornhaut, 
Verwachsungen  der  Arachnoidea  mit  der  Dura,  Verdickungen 
des  Ependyms,  Compressionszustände,  Atrophie,  Erweichung, 
Eiterung,  Hydrocephalus,  ausgedehnte  Pachjrmeningitis,  chron. 
Meningitis  und  Oedem,  capillare  und  grössere  Blutungen  etc. 
können  sich  einstellen.  Mit  Recht  sagt  Gruveilhier  in 
Bezug  auf  die  Diagnose  Je  ne  connais  rien  de  positif  a  cet 
€gard. 

Dennoch  hat  es  Griesinger  versucht,  Criterien  zur 
Diagnose  von  Hirncysticerken  aufzustellen.  Es  kamen  ihm 
nämlich  innerhalb  kurzer  Zeit  zwei  Fälle  von  eigenthümlichen 
Gehimkranken  vor.  Der  erste  starb  schon  nach  zwei  Stunden 
und  bei  der  Section  wurden  Finnen  im  Gehirn  gefunden.  Ge- 
stützt auf  seine  liierbei  gemachten  Beobachtungen  stellte  Grie- 
singer  bei  dem  zweiten  Kranken  die  Wahrscheiulichkeits- 
Diagnose  auf  Finnen  im  Gehirn,  welche  durch  die  Section 
bestätigt  wurde.  Weitere  Studien  über  ähnliche  Befunde  von 
56  publicirten  Sectionen  veranlassten  ihn  nun  zur  Aufstellung 
der  Ej-iterien.  Er  ordnete  die  Casuistik  in  fünf  Hauptabthei- 
lungen. Die  erste  umfasste  fünf  Fälle,  welche  symptomenlos 
verhefen ;  die  zweite  hatte  zwölf  Fälle,  bei  denen  Epilepsie  das 
überwiegende  Leiden  gewesen  war.  Die  dritte  Kategorie  um- 
fasste sechs  Fälle  von  Epilepsie  mit  psychischen  Störungen 
(Geisteskrankheiten) ;  die  vierte  betraf  22  Fälle  psycliischer 
Störungen  von  meist  chronischer  Dauer,  ohne  Epilepsie;  die 
fünfte  endlich  hatte  13  Fälle,  in  welchen  Himreizung  und 
Torpor  vorwaltete. 

Am  Schlüsse  seiner  Arbeit  gesteht  jedoch  Griesinger 
zu,  dass  erst  „äusserlich  auffindbare  Cysticerken 
die  Wahrscheinlichkeit  fast  zur  völligen  Gewiss- 
heit erheben". 

ArehlT  f.  DennAtoI.  u.  Syphil.  Band  XXVI.  16 


230  L  e  w  i  n. 

Merkwürdig  bleibt  es  indessen,  dass  es  diesem  Praktiker 
nie  gelang,  einen  Cysticercus  in  der  Haut  aufzufinden. 

Nach  Griesinger  war  es  Küchenmeister  (L  c. 
p.  127  u.  f.),  welcher  gestützt  auf  eine  Zusammenstellung  von 
159  Fällen  publicii-ter  Gehimfinnen  eine  Kritik  der  von  Grie- 
singer aufgestellten  Thesen  versuchte  und  diese  vielfach 
modificirte. 

Ich  selbst  habe  nach  Küchenmeister  noch  eine  grös- 
sere Zahl  von  Fällen  in  der  Literatur  aufgefunden,  die  ich  im 
zweiten  Theile  dieser  Arbeit  näher  angeben  werde.  Gestützt 
auf  diese  sowie  auf  meine  eigene  Erfahrungen  erlaube  ich  mir 
diagnostische  Anhaltspunkte,  aber  nur  für  solche  Encephalo- 
pathien  aufzustellen,  bei  welchen  zugleich  Finnen  in  der  Haut 
oder  im  Auge  nachgewiesen  sind.     Diese  Kriterien  sind: 

1.  Der  Mangel  an  einer  Symptomengruppe,  welche  bekannte 
andere  Gehimkrankheiten  charakterisirt. 

2.  Ausschluss  von  hereditärer  nervöser  Belastung,  von 
Trauma,  Syphilis  und  Tuberculose  sowie  von  Erkrankung  des 
Herzens  und  der  Gefässe. 

3.  Vorhandensein  vorzüglich  von  epileptoiden  und  epilep- 
tischen Anfällen  bei  zuvor  gesunden,  nicht  an  erblicher  Dispo- 
sition leidenden  Personen,  namentlich  wenn  diese  Anfälle  an- 
fangs unbedeutend  sind,  sieh  aber  schnell  qualitativ  und  quanti- 
tativ steigern,  sich  mit  schweren  Hirnsymptomen  combiniren 
und  selbst  zum  Tode  führen. 

4.  Geistesstörung  mit  dem  Charakter  der  Verworrenheit 
und  Depression  bei  zunehmender  physischer  Schwäche  Kopf- 
schmerz, Schwindel  und  Lähmungen. 

5.  Nachweis  einer  früher  oder  noch  jetzt  vorhandenen 
Taenia  beim  ([ranken  oder  seiner  Umgebung.  Auch  die  etwaige 
Gewohnheit  des  Kranken,  rohes  Fleisch  zugemessen,  ist  zu  be- 
achten, ebenso  der  Beruf  des  Kranken,  ob  er  Fleischer  ist, 
oder  sonst  mit  rohem  Fleisch  zu  thun  hat. 

6.  Untersuchung  des  auf  Stauungspapille,  die  natürlich 
auch   durch  andere  Ursache   als  Finnen  verursacht  sein  kann. 

Griesinger  will  auch  das  Alter  des  Kranken  be- 
rücksichtigt wissen,  weil  solche  selten  über  40  Jahre  alt  sein  sollen. 


üeber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.         231 

Dass  aber  dieses  nicht  der  Fall,  zeigt  nicht  allein  die  Gasuistik 
meiner  Fälle,  sondern  auch  das  Factum,  dass  selbst  bei 
jungen  Kindern  Gehirnfinnen  aufgefunden  worden  sind.  Ob,  wie 
einzelne  Autoren  meinen,  das  männliche  Geschlecht  be- 
sonders befallen  wird,  lasse  ich  unentschieden. 

Betrachten  wir  die  Gasuistik  der  Fälle,  in  welchen  der 
Cysticercus  in  der  Haut  wirklich  aufgefunden  und  als  eine  re- 
lativ sichere  Handhabe  zur  Deutung  der  gleichzeitig  durch 
diese  Finnen  erzeugten  Gehirnkrankheit  angesehen  werden 
musste,  so  weist  die  Literatur  nur  sehr  wenig  Fälle  auf. 

Ich  glaube  wohl  der  Erste  gewesen  zu  sein,  welcher  in 
solche  Diagnose  intra  vitam  stellte,  welche  durch  die  Sec- 
tion  bestätigt  wurde.*) 

Der  bezügliche  Fall  ist  folgender: 

Der  47jähr.  Arbeiter  E.  S.  wurde  am  6.  Juli  1875  auf  die  Gefangen- 
abtheilung ')  der  Charit e  aufgenommen.  Der  kräftige ,  aus  gesunder 
Familie  stammende  Kranke  litt  an  leichter  Pleuritis,  die  nach  6  Wochen 
noch  nicht  geheilt  war.  Da  seine  Haftzeit  inzwischen  abgelaufen  war, 
sollte  er  auf  eine  andere  Abtheilung  der  Charite  transportirt  werden. 
Vor  seiner  Entlassung  untersuchte  ich  ihn  noch  einmal  und  fand  5  Tu- 
moren, 2  auf  der  Brust,  2  auf  dem  rechten  Oberarm  und  1  in  der  rechten 
Snbmaxillargegend,  wo  sie  sehr  schwer  von  den  daselbst  angeschwollenen 
Drüsen  zu  unterscheiden  war.  Die  Excision  bestätigte  meine  Yermuthung. 
Auf  mehrmaliges  Befragen  nach  etwaigen  anderen  Erkrankungen  gab  Pat. 
endlich  an,  schon  seit  4  Jahren  mehrere  Anfalle  von  Epilepsie  gehabt  zu 
haben«  Nach  Erwägung  aller  vorher  die  Diagnose  auf  Gehimfinnen  fah- 
renden Kriterien  stellte  ich  die  Wahrscheinlichkeits-Diagnose  auf  Gehim- 
Cysticerken.  Auf  der  Abtheilung  Fraentzel's,  wohin  der  Kranke  trans- 
portirt war,  erlag  derselbe  nach  mehrw^öchentlichem  Aufenthalte  einem 
Schlaganfall.  Die  Section  ergab  eine  Anzahl  Cysticerken  meist  im  Anfang 
der  vorderen  Centralwindung  der  rechten  Hemisphäre  des  Grosshirns. 

Stabsarzt  Arndt  stellte  folgenden  Fall  aus  der  Klinik  Senator's 
in  der  Gesellschaft  der  Charite-Aerzte  mit  der  Diagnose  auf  Gehirn-Finnen. 


*)  Küchenmeister  (Die  Parasiten.  2.  Aufl.,  p.  132)  behauptet, 
dass  er  und  Griesinger  vor  mir  den  diagnostischen  Werth  der  palpallen 
Cysticerken  gewürdigt  hätten.  Die  Verdienste  Griesinger 's  habe  ich  her- 
vorgehoben, doch  nirgends  einen  Fall  gefunden,  in  welchem  K.  den  Blasen- 
bandwurm im  Gehirn  intra  vitam  diagnosticirt  hätte.  K.  hätte  ihn  doch 
citiren  müssen. 

')  Die  Abtheilung,  auf  welche  Grefangene,  mit  Krankheiten  jeglicher 
Art  behaftet,  gebracht  werden,  war  bis  zum  Jahre  1868  Virchow  unter- 
stellt.   Seit  dieser  Zeit  verwalte  ich  sie  als  dirigirender  Arzt. 

16* 


232  L  e  w  i  n. 

F.  G.,  Kutscher,  44  Jahre  alt.  Seit  einem  Jahre  alle  Leiden  der  Lungen- 
schwindsucht, zur  Zeit  tuberculose  Affection  beider  Lungen.  Im  Sputum 
Tuberkel-Bacillen.  Zeitweise  Uebelkeit  und  Erbrechen.  An  10  Stellen 
finden  sich  unter  der  Haut  haselnussgrosse  kuglige,  harte  Geschwülste,  die 
bei  der  Exstirpation  als  Cysticerken  erkannt  werden.  Der  Augenhinter- 
grund ist  normal.  F.  G.  hat  früher  an  Bandwürmern  gelitten;  auf  Be- 
fragen erzählt  er,  dass  er  bewusstlos  vom  Kutscherbock  gefallen  sei. 
Nachdem  sich  eine  Haemaptoe  eingestellt  hatte,  starb  der  Kranke  am  23. 
December  1892.  Section:  Phthisis  pulmonum;  Atrophia  granularis  renum, 
Cysticerci  telae  subcutaneae  regionis  umbilicalis  et  cerebri.  Im  Gehirn 
fand  sich  am  hintern  Ende  des  Balkens  in  den  dritten  Ventrikel  hinein- 
ragend eine  cystische  Geschwulst,  auch  im  vorderen  Ende  des  Thalamus 
opticus  wird  ein  Cysticercus  constatirt. 

Die  Fälle,  in  welchen  nach  Auffinden  der  Hautfinnen  und 
unter  Berücksichtigung  aller  oben  angegebenen  Kriterien  eine 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose  auf  gleichzeitig  vor- 
handene Hirnfinnen  von  mir  undAnderen  gestellt 
worden  ist,  sind,  so  weit  ich  die  Literatur  verfolgen  konnte, 
folgende : 

Dumreicher.  *)  Ein  25jähr.  Tischler  hatte  einen  Tumor  in  der 
rechten  vorderen  Temporalgegend  von  der  Grösse  und  Gestalt  einer  ge- 
quollenen Erbse.  Die  Oberfläche  war  sehr  glatt,  die  Consistenz  massig  derb. 
Nach  einem  Einschnitt  in  die  Haut  zeigte  der  ausgelöste  Balg  einen 
Cysticercus  cell.  Der  Kranke  gab  an,  dass  ihm  die  Geschwulst  etwa  vor 
4  Jahren  zuerst  aufgefallen  sei,  dass  sie  von  da  gleichmässig  gewachsen 
und  seit  mehreren  Monaten  stationär  geblieben.  Seit  der  Zeit  leidet  er 
häufig  an  Kopfschmerz  und  Schlaflosigkeit.  Seine  Angaben  zeugten  übrigens 
von  geistiger  Beschränktheit.  Abnorme  Erscheinungen  im  Bereiche  der 
sensibeln  und  motorischen  Nerven  waren  nicht  zu  constatiren.  „Es  lasst 
sich  mit  einer  gewissen  Berechtigung  vermuthen,  dass  es  sich  nächstbei 
um  einen  Cysticercus  cerebri  handelt.^ 

Broca  stellte  in  der  Societe  de  Chirurgie  23.  Feb.  1876  folgenden 
Kranken  vor: 

27jähr.  Fleischer,  bis  dahin  gesund,  fiel  vor  3  Jahren  bewusstlos 
vom  Bock.  Seitdem  litt  er  an  Gliederschmerzen,  allgemeiner  Schwäche, 
Kopfschmerz,  Schwindel,  Ohrensausen,  Gesichtsstörungen.  Später  trat  ein 
Schlaganfall  mit  Fieber,  zunehmendem  aber  intermittirendem  Kopfschmerz 
und  Schwere  der  Zunge  auf.  Hauttumoren  wurden  von  ihm  selbst  bemerkt. 
Angenommen  insHopital  des  Cliniques  stellte  Broca  oie  Diagnose  auf  C. 
Eine  neue  Attaque  trat  ein,  wobei  aber  Pat.  nicht  umfiel.  Der  Patient 
hatte  früher  Taenia  gehabt  und  verlor  auch  noch  jetzt  räch  Kousso 
viele  Proglottiden.    Gegen  400  Cysticerken  wurden   in  der  Haut  nachge- 


*)  Wiener  med.  Presse.  1872  p.  426. 


Ueber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.         233 

wiesen,  namentlich  aof  der  Brost,  Bücken,   Schultern,  Extremitäten  und 
Diaphragma. 

Gerhardt')  hat  in  der  Berliner  Gesellschaft  der  Gharite - Aerzte 
einen  Kranken  demonstrirt^  bei  dem  er  die  Diagnose  auf  Gehim-Cysticerken 
intra  vitam  stellte.  Ein  öljähr.  Arbeiter  wurde  am  11.  December  1887 
in  völlig  verwirrtem  Zustande  auf  die  Abtheilung  aufgenommen.  Die 
Anamnese  ergab,  dass  derselbe  mehrere  Monate  vor  seiner  jetzigen  Er- 
krankung einige  Male  an  drei  aufeinander  folgenden  Tagen  Erampfanfalle 
der  rechten  Körperseite,  Arm  und  Bein  betreffend,  gehabt  hatte.  Im  No- 
vember erkrankte  er  mit  Stechen  auf  der  Brust  und  Schüttelfrost.  Bei 
seiner  Aufnahme  war  er  völlig  verwirrt,  delirirte  mehrere  Tage  heftig. 
Die  körperliche  Untersuchung  ergab  eine  in  Lösung  begriffene  Pneumonie 
des  rechten  Unterlappens.  Nach  Ablauf  der  heftigen  Erregung  war  der 
Kranke  zwar  klar,  zeigte  aber  noch  ein  eigenthümlich  mürrisches  und 
verschlossenes  Wesen.  Auf  dem  Rücken  des  Patienten  wurde  ein  Cysti- 
cercus exstirpirt.  Gleiche  Knötchen  unter  der  Haut  fanden  sich  noch  in 
der  einen  Ellenbogenbeuge  und  im  linken  Glutaeus.  Aus  der  Combination 
dieser  Erscheinungen:  Krampfanfall  der  rechten  Körperseite,  Verwirrtheit 
im  Anschluss  an  eine  Pneumonie,  nachher  einsilbiges  mürrisches  Wesen, 
Nachweis  von  Hautcysticerken,  Hess  sich  die  Diagnose  auf  Cysticercus 
cerebri  stellen.    Die  Aetiologie  ist  unklar  geblieben. 

In  derselben  Sitzung  berichtet  Oppenheim  über  zwei  Fälle,  in 
welchen  auch  aus  den  Haut-Cysticercen  die  Diagnose  auf  Cysticercus  ce- 
rebri gestellt  wurde.  In  dem  einen  Falle  waren  Krämpfe  mit  dem  Char- 
akter der  corticalen  Epilepsie,  in  dem  anderen  mehr  allgemeine  Krämpfe 
vorhanden.  Ein  dritter  Fall  bot  das  Bild  eines  Hirntumors;  die  Section 
ergab  Cysticercus.  —  Die  Fälle  sind  bis  jetzt  nicht  in  extenso  publicirt. 

Schiff.  „Ein  Fall  von  Cysticercus  cellulosae  cutaneus",  (Viertel- 
jahrsschr.  für  Dermat.  und  Syphil.  1879,  p.  275.)  Patient,  ein  26jähr, 
kräftiger  Mann,  hat  in  seinem  10.  Jahre  Typhus  durchgemacht.  Seitdem 
litt  er  an  heftigem  Tremor,  vor  allem  der  oberen  Extremitäten.  Vor 
einem  Jahre  bemerkte  er  einen  kleinen  Tumor  am  vorderen  Rande  des 
rechten  Musculus  pectoralis  major.  Seitdem  entstand  eine  ganze  Anzahl 
solcher  Geschwülste  unter  der  Haut,  im  subcutanen  Fettgewebe  und 
zwischen  den  einzelnen  Muskelfasern.  Die  Diagnose  Cysticercus  wurde 
durch  die  Exstirpation  der  Tumoren  bestätigt.  Seit  dem  Auftreten  der 
Tumoren  leidet  der  Kranke  an  Kopfschmerzen,  üebelkeit  und  epilepti- 
formen,  mit  tonischen  und  klonischen  Krämpfen  und  mit  Bewusstlosigkeit 
einhergehenden  Anfallen,  die  nicht  selten  durch  starken  Schwindel  und 
heftiges  Autblitzen  vor  den  Augen  (aura   epileptica)  eingeleitet  werden. 

Kahler-Engel  (Prager  med.  Wochenschr.  1888).  23jähr.  Dienst- 
magd. Seit  3  Jahren  Anfalle  von  Kopfschmerzen.  Beiderseitige  Stauungs- 
papille.  Üeber  100  kleine,  harte  Geschwülste  im  Unterhautzellgewebe  des 


»)  Berl.  klin.  Wochenschr.  1888.  Nr.  20.  p.  40^. 


234  L  e  w  i  n. 

Stammes  und  der  oberen  Extremitäten,  deren  Natar  durch  Ezstirpation 
einer  Oeschwulst  als  Cysticercus  erwiesen  wurde.  Die  Diagnose  wurde  auf 
Himcysticerken  gestellt. 

Wecker  in  Paris,  (v.  Graefe  Saemisch.  Handb.  der  ges.  Augen- 
heilk.  Bd.  IT,  J.  13;  Prager  med.  Wochenschr.  1888  p.  12.) 

27jähr.  Mann.  Seit  18  Mon.  Kopfschmerz  und  Schwindel,  Schmerzen 
und  Abgeschlagenheit  in  den  Gliedern,  epileptoide  Anfälle  mit  Bewusst- 
losigkeit.  Plötzlich  kurz  anhaltende  Aphasie.  Bandwurmglieder  mehrmal» 
abgegangen.  Seit  einiger  Zeit  flammende  Lichterscheinungen  mit  pfeifen- 
dem Geräusch  auf  dem  1.  Ohre.  Beiderseits  Stauungspapille.  Auf  der  1. 
Papille  ein  kleiner  apoplektischer  Herd.  Der  ganze  Körper  mit  Ausnahme 
des  Gesichtes  und  der  Hände  mit  erbsengrossen  Tumoren  wie  übersäet. 
Die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  wurde  auf  Cysticerken  im  Gehirn  gestellt. 
Den  Augenbestand  erklärte»  W.  als  beginnende  Neuritis. 

Engel  (Prager  med.  Wochenschr.  1888  p.  11).  Fall  von  Cysticerken 
der  Haut,  Gobirns  und  Milz. 

22jähr.  Magd  leidet  an  heftigem  Kopfschmerz,  Uebelkeit  und  Er- 
brechen und  Arbeitsunfähigkeit.  Der  Beginn  ist  Ameisenlaufen  in  der  1. 
untern  Extremität,  Verbreitung  der  Parästhesie  auf  die  1.  obere  Extremität, 
zunehmender  Kopfschmerz.  Bewusstlosigkeit,  Krämpfe  nicht  vorhanden. 
Auf  dem  Körper  gegen  100  Cysticerken  und  zwar  auf  dem  Kopfe,  am 
Halse,  Rücken,  Oberschüsselbeingrube,  in  den  Mm.  stemo  cleido  mastoides 
und  Scatenus  pectorales,  biceps  triceps.  Die  Exstirpation  wies  die  Cysti- 
cerken nach.  Gleichzeitig  beiderseitige  Stauungspapille.  Milz  stark  ver- 
grössert.  Die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  wurde  von  Gussenbauer  auf 
Finnen  im  Gehirn  und  Milz  gestellt. 

Meine  eigenen  Fälle,  in  welchen  ich  nach  Auffinden  von  Hautfinnen 
und  unter  Berücksichtigung  aller  oben  angegebenen  diagnostischen  Kriterien 
eine  an  Sicherheit  grenzende  Diagnose  auf  Himfinnen  stellte,  sind  folgende : 

1.  Ein  22j.  Strassenfeger,  auf  meine  Klinik  1875  Sept.  recipirt,  hatte 
vier  Tumoren,  drei  davon  sassen  in  der  Nähe  der  rechten  Brustwarze,  der 
vierte  auf  dem  r.  Glutaeus.  Der  Kranke,  der  vor  mehreren  Jahren  Syphilis 
acquirirt  hatte,  war  sowohl  bei  der  Initialerkrankung  als  auch  bei  zwei 
Recidiven  mit  Quecksilber  und  Jodkalium  behandelt  worden.  1876  liess 
er  sich  wegen  eines  Brustkatarrhs  in  ein  hiesiges  Krankenhaus  aufnehmen, 
wo  er,  da  man  die  Tumoren  auffand,  einer  fünfwöchentlichen  Schmiercur 
unterworfen  wurde  —  natürlich  ohne  Erfolg.  Später  consultirte  er  Dr.  X., 
der  ihn  einer  Zittmann'schen  Cur  unterzog  und  besonders  streng  auf 
Enthaltung  von  Fleisch  und  anderen  kräftigen  Nahrungsmitteln  hielt  — 
ohne  einen  anderen  Erfolg  als  Verlust  von  Kräften.  Ziemlich  abgemagert 
kam  der  Patient  zu  mir.  Die  bisher  für  Gummata  gehaltenen  Geschwülste 
entleerten  bei  der  Punktion  eine  seröse  Flüssigkeit  in  der  sich  die  für 
Finnen  charakteristischen  Hakenkränze  befanden.  Die  gleichzeitig  vor- 
handenen Cerebral-Erscheinungen,  welche  ich  von  Gehirnblasenwürmem 
erzeugt  annahm,  waren:    Eigenthümlicher  Kopfschmerz,  welcher  Morgens 


lieber  Gysticercns  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.         235 

mit  dem  Grefuhle  von  Steifheit  im  Nacken,  Kopf  und  AugenUdem  begann, 
worauf  ein  Dröhnen  im  Kopfe  folgte.  Dies  steigerte  sich  bis  zum  Gefahle, 
^als  wenn  eine  Dampfmaschine  daher  brause^. 

2.  Frau  S.,  52  Jahre  alt,  Arbeiterin,  consultirt  im  September  1877 
Senator.  Sie  klag^  über  Herzklopfen,  Angstgefühl,  Kopfschmerz.  .Bei 
einer  früheren  Behandlung  war  sie  für  neurasthenisch  erklärt  worden. 
S.  fand  bei  Percussion  der  Brust  in  der  rechten  Regio  infra  clayicularis 
eine  Geschwulst,  welche  er  als  Cysticercus  ansah.  Er  war  so  freundlich 
mir  die  Kranke  zuzusenden.  Ich  fand  ausser  dem  erwähnten  Tumor 
noch  mehrere  dergleichen  am  Körper,  so  zwei  am  Abdomen  rechts  vom 
Nabel,  und  drei  am  rechten  Oberarm  nahe  der  Ellenbogenbeuge.  Ein 
ausgeschnittener  Cysticercus  bestätig^  die  schon  von  Senator  gestellte 
Diagnose.  Beide  waren  wir  der  Meinung,  dass  höchst  wahrscheinlich  der 
Kopfschmerz  und  das  Angstgefühl  auf  Gehimcysticercen  zu  deuten  sei, 
ja  dass  nicht  ausgeschlossen  wäre,  dass  dies  auch  bei  der  Herzaffection 
der  Fall  sein  könne.  Patientin  litt  ausserdem  an  einer  Panophthalmie  des 
linken  Auges;  ob  auch  diese  auf  einer  Finne  beruhe,  konnte  durch  den 
Augenspiegel,  wie  überhaupt  in  solchen  voigeschrittenen  Fällen,  nicht 
festgestellt  werden.  Dass  solche  Augenkrankheit  in  Folge  von  Cysticerken 
auftritt,  lehrt  die  Geschichte  der  Augenheilkunde. 

Erwähnen  will  ich  noch,  dass  bei  dieser  Kranken  eine  Locomotion 
des  einen  Cysticercus  vorgekommen  zu  sein  schien.  Auf  diesen  Punkt 
will  ich  im  zweiten  Theile  dieser  Arbeit  zurückkommen. 

8.  Der  37jähr.  kräftige  Schuhmacher  N.  N.,  aus  gesunder  Familie, 
zog  sich  vor  5  Jahren  eine  Sclerose  zu,  der  eine  Roseola  folgte.  Er 
wurde  auf  meiner  Abtheilung  mittelst  subcutaner  Sublimat- Injection  be- 
handelt. Vor  4  Jahren  wurde  dieselbe  Cur  wegen  Psoriasis  palmaris  et 
plantaris  wiederholt.  Vor  ca.  2  Jahren  bemerkte  er  Geschwulste  am 
Körper,  welche  der  behandelnde  Arzt  für  syphilitische  Tumoren  erklärte 
und  mit  Jodkalium  in  steigender  Dosis  behandelte.  Da  kein  Erfolg 
erzielt  wurde,  musste  Patient  6  Wochen,  ebenfalls  erfolglos,  schmieren. 
Im  Jahre  1891  consultirte  er  uns.  Ich  fand  gegen  200,  durch  Exstir- 
pation  als  solche  nachgewiesene  Cysticerken  von  Erbsen-  bis  doppelter 
Bohnen^rösse.  Auf  Befragen  wegen  sonstiger  Leiden  erklärte  der  Kranke, 
seit  circa  1*/,  Jahren  öfters  mitten  in  seiner  Arbeit  bewusstlos  umge- 
fallen zu  sein.  Sein  Meister  hätte  die  während  des  Anfalles  zusammen- 
geballten Hände  immer  auseinander  gerissen,  wodurch  er  wieder  zum  Be- 
wusstsein  gekommen  sei.  Ein  consultirter  Arzt  erklärte  die  Krämpfe  für 
Epilepsie. 

Zu  bemerken  ist  noch  der  ophthalmoskopische  Befund  beiderseitigen 
Stauungs-Papille. 

4.  H.  W.,  eine  54jähr.  Frau,  welche  drei  gesunde  Kinder  geboren 
hat,  ist  bis  vor  3  Jahren  immer  gesund  gewesen,  als  sich  plötzlich  beim 
lebhaften  Sprechen  in  einer  Gesellschaft  eine  solche  Schwäche  des  rechten 
Armes  bei  ihr  bemerklich  machte,  dass  sie  die  ihr  vorgesetzte  Tasse 
Kaffee  nur  mit  äusserster  Anstrengung  an  ihren  Mund  bringen  konnte.    Zu 


23G  L  e  w  i  n. 

dieser  Schwäche,  die  noch  etwas  zunahm,  kam  Sprachstörung,  „so  dass 
sie  nur  langsam  sprechen  und  schwere  Wörter  kaum  noch  aussprechen 
konnte^.  Der  damals  zugezogene  Arzt  soll  zu  ihrem  Manne  von  einem 
leichten  Schlaganfall  gesprochen  haben.  Die  Leiden  schwanden  allmälig 
nach  innerer  Medicin  und  einer  Kissinger  Cur.  Jedoch  schon  im  nächaten 
Jahre,  1671,  bemerkte  man  —  wiederum  plötzlich  —  ein  auffallendes 
Schielen,  zu  dem  sich,  besonders  Nachts,  rechtsseitiger  Kopfschmerz  ge- 
sellte. Dieselben  Curen  wie  vorher  wurden  durchgemacht,  und  ihr  Erfolg 
war  insofern  günstig,  als  das  Schielen  schwand  und  der  Kopfschmerz 
schwächer  wurde,  obwohl  er  nun  den  ganzen  Kopf  einnahm.  Alsbald 
trat  aber  ein  neues  Leiden  auf.  Es  zeigten  sich  nämlich  im  linken  Fusse 
Schmerzen,  zu  denen  sich  nach  zwei  Monaten  eine  Lähmung  gesellte,  so 
dass  die  Kranke  nur  mit  Krücken  gehen  konnte.  Im  Juli  1875  consultirte 
Patientin  Frerichs.  Die  von  ihm  vorgenommene  Untersuchung  ergab 
normale  Beschaffenheit  aller  visceralen  Organe,  auch  im  Auge  wurde  von 
einem  Special-Arzte  nichts  Krankes  constatirt.  Aber  auf  der  Brust  wurden 
mehrere  überbohnengrosse  Tumoren  gefunden,  welche  möglicher  Weise 
als  Gummata  erklärt  werden  konnten.  Von  überstandener  Lues  wusste 
jedoch  die  Kranke  Nichts.  Der  Ehemann  dagegen  wollte  zwei  Jahre  vor 
der  Ehe  eine  Schmiercur  wegen  eines  harten  Schankers  durchgemacht 
haben.  Frerichs  übergab  mir  die  weitere  Untersuchung  des  Mannes  und 
der  Frau  auf  Syphilis.  Diese  ergab  nicht  den  geringsten  Anhalt  für  diese 
Krankheit.  Nach  Erwägung  der  anamnestischen  Momente  konnte  ich  den 
Ausspruch  thun,  dass  der  frühere  „harte  Schanker^  des  Mannes  nur  ein 
weicher  gewesen  sei.  Die  Geschwülste  auf  der  rechten  Brust  der  Frau 
zeigten  aber  alle  Charaktere  von  Cysticerken.  Auch  Frerichs  überzeugte 
sich  von  dieser  Diagnose  und  Beide  waren  wir  der  Ansicht,  dass  auch 
die  vom  Gehirne  ausgehenden  Erscheinungen  auf  Cysticerken  zurückzu- 
führen seien.  —  Bandwurm  je  gehabt  zu  haben  erinnerte  sich  die  Kranke 
nicht,  auch  nicht  in  Bezug  auf  ihre  Umgebung.  Patientin  ist  im  vorigen 
Jahre  verstorben,  doch  hat  Section  nicht  stattgefunden. 

5.  Der  47jähr.  Kaufmann  L.  W.,  von  zarter  Constitution,  aus  ge- 
sunder Familie,  hat  schon  in  seiner  frühen  Jugend  mehrmals  Gonorrhoe 
gehabt.  Einmal  gesellte  sich  zum  Tripper  Epididymitis,  das  letzte  Mal, 
vor  7  Jahren,  Gelenkrheuma,  welches  ihn  2  Monat  ans  Bett  fesselte. 
Knie  und  Hände  sollen  besonders  befallen  gewesen  sein.  Noch  jetzt  ist 
der  rechte  Ring-  und  Zeigefinger  ankylotisch.  Vor  2%  Jahr  fielen  ihm 
einige  „Knoten''  am  Körper  auf,  deren  wegen  er  einen  Arzt  aufsuchte. 
Dieser  erklärte  die  Knoten  für  Gummata,  verordnete  Jodkalium  und,  da 
keine  Besserung  eintrat,  Pillen  und  später  eine  Sassaparillen  Cur.  Der 
Erfolg  war  Schwächung  des  Körpers,  aber  keine  Heilung  der  Knoten,  ja  ea 
schien,  als  wenn  diese  noch  grösser  geworden  seien.  Seit  einem  halben 
Jahre  traten  zeitweise  Ohnmächten  und  epileptische  Anfalle  auf;  ausser- 
dem fühlte  Patient  auf  der  Strasse  „ein  eignes  Gefühl  von  Angst  und 
Furcht  umzufallen^.  „Ich  eilte  dann  in  einen  Hausflur  und  setzte  mich 
wie  ohnmächtig  auf  die  Treppe.    Namentlich  wenn  ein  Wagen  rasch  bei 


üeber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.         237 

mir  vorbeifahrt,  kommen  solche  Anfalle.  Gleichzeitig  fängt  dann  mein  Herz 
an  angstvoll  und  schnell  zu  schlagen.  Des  Nachts  habe  ich  oft  ein  krampf- 
haftes Ziehen  im  Hinterkopfe.^  Die  Untersuchung  des  Kranken  ergab 
nichts  Krankhaftes,  ausser  5  Tumoren  auf  der  Brust  und  dem  rechten 
Oberarm,  welche  sich  nach  Exstirpation  als  Gysticerken  erwiesen.  Band- 
wurm will  der  Patient  nie  bemerkt  haben.  Die  ophthalmoskopische  Unter- 
suchung ergab  starke  Röthung  der  auffallend  prominirenden  und  verwa- 
schenen rechten  Papillae  nervi  optici,  Arterien  etwas,  mehr  die  Venen 
erweitert. 

6.  K.,  29  Jahre  alt,  Sattler,  war  31.  März  1892  wegen  Go- 
norrhoe recipirt.  Bei  Untersuchung  des  Körpers  wurden  gegen 
16  Geschwülste  aufgefunden,  die  von  mir  als  Gysticerken  erkannt 
wurden.  Die  Diagnose  wurde  durch  Excision  erhärtet.  Die  Parasiten 
Sassen  an  verschiedenen  Stellen  des  Thorax ,  des  Abdomen ,  der 
oberen  und  unteren  Extremitäten  und  zwar  jeder  einzelne  vom  anderen 
entfernt,  keiner  nahe  dem  andern.  Gleichzeitig  klagte  der  Kranke  über 
vielerlei  Beschwerden.  Um  ein  Bild  von  diesen  zu  geben,  führe  ich  die 
eigenen  niedergeschriebenen  Worte  des  ziemlich  intelligenten  Kranken 
an:  „1886 — 1887  verlor  ich  nach  verschiedenen  Guren  eine  ganze  Zahl 
Bandwurmglieder  und  habe  seitdem  keine  der  früheren  Beschwerden. 
Seit  September  1890  leide  ich  an  Kopfschmerzen,  Benommenheit,  Ge- 
dächtnissschwäche, Druck  und  Schwindelgefuhl,  so  dass  ich  meine  Be- 
schäftigung aufgeben  musste.  Ich  ging  in  beinahe  sämmtliche  Polikliniken 
von  Berlin  und  wurde  für  neurasthenisch  erklärt  und  mit  vielen  Medi- 
cinen,  bes.  Bromkali  und  Bromnatrium,  später  mit  Antipyrin  und  Phena- 
cetin  behandelt,  wurde  elektrisirt,  bekam  Bäder  und  kalte  Abreibungen. 
Dabei  verschlimmerte  sich  mein  Leiden  immer  mehr  und  gestaltet  sich 
augenblicklich  folgender  Massen.  Will  ich  z.  B.  ein  Handwerkzeug 
nehmen,  welches  vor  mir  auf  dem  Tische  liegt,  so  werde  ich  in  dem  Mo- 
mente, wo  ich  mich  umdrehe,  derart  verwirrt,  dass  ich  mich  erst  eine 
Zeitlang  wieder  besinnen  muss,  ehe  ich  dasselbe  vollführe.  Ebenso  werde 
ich  ganz  verwirrt,  wenn  ich  schnell  gehe.  Wenn  mich  Jemand  anspricht, 
bin  ich  so  befangen,  dass  ich  nicht  gleich  eine  Antwort  geben  kann.  Die 
freie  Luft  bewirkt  Schwindelgefuhl.  Zum  Briefschreiben  brauche  ich  4mal 
so  viel  Zeit  wie  früher.  Sprechen  gibt  Schwäche  im  Kopf.  Zuweilen,  be- 
sonders beim  Treppensteigen  habe  ich  starke  Stiche  im  Gehirn,  so  dass 
ich  stets  einen  Gehirnschlag  befurchte.  Ich  bin  auch  nicht  ein  Viertel  soviel 
Mann  wie  früher.  Für  mancherlei  andere  Leiden  weiss  ich  keinen  Ausdruck'' 
etc.  Patient  wurde  in  der  medicinischen  Gesellschaft  vorgestellt  und  meine 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose   auf  Gehimfinnen   fand  keinen  Widerspruch. 

7.  Ich  führe  noch  folgenden  Fall  an,  weil  die  beim  Kranken  vorhan- 
denen Erscheinungen  auch  wahrscheinlich  durch  Gysticercus  verursacht  sind. 

Der  28jähr.  Oekonom,  von  kräftiger  Gonstitution,  hatte  sich  vor 
4  Jahren  ein  Genitalgeschwür  zugezogen,  welches  unter  localer  Behand- 
lung heilte.  Seit  2  Jahren  bemerke  er  Geschwülste  am  Körper;  der  con- 
sultirte  Arzt   erklärte   die  Tumoren   für  Gummata  und   verordnete   eine 


238  Lewin. 

combinirte  Kur  von  Jodkalium  und  Inunctionen,  welche  ohne  Erfolg  fünf 
Wochen  durchgeführt  wurde.  Ein  neu  hinzugezogener  Arzt  erklärte  die 
Tumoren  für  Balggeschwülste.  Später  suchte  Patient  meine  Hilfe  wegen  eines 
vermeintlich  syphilitischen  Pharynx-Catarrhes  auf.  Dieser  erwies  sich  als 
rein  catarrhalischer  Natur.  Auch  sonst  fand  ich  keine  syphilitischen  Er- 
scheinungen. Weiter  klagte  Patient  über  starke  Kopfschmerzen  und  asth- 
matische Anfalle,  welche  nicht  in  regelmässigen  Intervallen  auftraten, 
ohne  dass  atmosphärische  oder  andere  Einflüsse  einzuwirken  schienen.  Die 
Anfalle  begannen  Morgens  unter  Röthung  des  Gesichts,  Herzklopfen  und 
Beklemmung,  welche  Symptome  sich  allmälig  steigerten,  indem  die  Athem- 
züge  flacher  und  häufiger  wurden.  Plötzlich,  wie  der  Anfall  gekommen, 
schwand  er  auch.  Die  Untersuchung  sämmtlicher  Organe,  namentlich  des 
Larynx,  der  Bronchien,  der  Lungen  und  des  Herzens  ergab  keine  Abnor- 
mität; dagegen  sassen  auf  dem  Rucken  zerstreut  erbsen- bis  über  doppelt- 
bohnengrosse  Tumoren,  sechs  auf  dem  Ober-  und  Vorderarme,  einer  auf 
der  S timmitte.  Die  Diagnose  auf  Cysticercus  wurde  durch  Exstirpation 
bestätigt.  Der  Verdacht,  dass  die  Gehirn-  und  asthmatischen  Beschwerden 
durch  visceral  sitzende  Finnen  erzeugt,  war  zwar  nicht  von  der  Hand  zu 
weisen,  liess  sich  aber  zu  wenig  sicher  begründen. 

Es  verstellt  sich  wohl  von  selbst,  dass  ein  Cysticercus 
im  Auge  von  gleicher  diagnostischer  Wichtigkeit  für  compli- 
cirte  Gehirn  -  Erscheinungen  ist,  als  ein  Parasit  in  der  Haut, 
v.  Graefe  scheint  der  Erste  gewesen  zu  sein,  welcher  solche 
Diagnose  stellte.  Ein  40j.  Mann  wurde  vor  8  Jahren  von  einem 
Gehirnleiden  befallen,  welches  sich  durch  vereinzelte  epilepti- 
forme  Anfälle  und  ein  permanentes  Taumelgefühl  charakterisirte. 
Dieses  letzteren  wegen  versichert  Patient  zwei  Jahre  nicht  im 
Stande  gewesen  zu  sein  auf  der  Strasse  allein  zu  gehen.  Nach 
dieser  Zeit  verloren  sich  die  Symptome  und  Patient  war  5 
Jahre  hindurch  völlig  gesund,  als  er  von  der  Sehstörung  heim- 
gesucht wurde,  deren  Ursache  ein  Cysticercus  im  Auge  war.  Bei 
dem  zweiten  Falle  blieb  die  Annahme  eines  Cysticercus  nur  eine 
Wahrscheinlichkeits-Diagnose.  Patient  stand  in  den  Zwanzigern, 
hatte  seit  einem  Jahre  in  längeren  Intervallen  epileptische  An- 
fälle gehabt  (wegen  deren  bereits  Griesinger  den  Verdacht 
auf  Gehirncysticerken  geschöpft)  und  erst  seit  4  Monaten  eine 
Sehstörung  bemerkt,  die  sich  vorwaltend  durch  „eine  dunkle,  im 
oberen  Theile  des  Gesichtsfeldes  schwebende  grosse  Kugel 
kundgab.    Die  Contur  erinnerte  an  eine  Cysticercusblase. 

Im  dritten  Falle  „war  die  „Succession"  zwischen  den 
Augenbeschwerden  und  der  Encephalopathie  eine  umgekelirte''. 


Ueber  Cysticercus  cellulosae  in  der  Haut  des  Menschen.         239 

„Die  Kranke,  eine  Vierzigerin,  war  vor  4  Jahren  wegen  einer 
rechtsseitigen  Sehstörung  hei  mir  (v.  Graefe)  gewesen.  Ein 
Cysticercus  hatte  die  Netzhaut  durchbrochen.  Patientin  wollte 
meinen  Operations-Vorschlag  nicht  annehmen. 

In  diesem  Sommer  sah  ich  sie  wieder,  das  Auge  phthisisch, 
hei  der  Betastung  kaum  mehr  empfindlich,  was  es  bis  zum 
letzten  Herbste  im  hohen  Grade  gewesen  sein  soll.  Seit  einem 
Jahre  waren  in  Intervallen  von  1 — 2  Monaten  epileptoide  Anfälle 
eingetreten,  zwischen  denselben  auch  Schwindel- Anfälle  und 
rasch  vorübergehende  Bewusstlosigkeit. 

Nebenbei  erwähnt  v.  Graefe,  dass  auch  eine  Patientin 
Jacobson 's  (Arch.  f.  OphthalmoL  XI.  2,  p.  147)  an  cepha- 
lischen  Zuständen,  denen  allemal  bewusstlose  folgten,  gelitten 
habe.  Er  setzt  hinzu:  „Der  Verdacht  präexistirender  Gehirn- 
Cysticerken  würde  somit,  bei  Ausschluss  anderer  Ursachen,  sehr 
nahe  liegen." 

Auch  P  o  1 1  a  k  *)  hat  aus  dem  Augenbefund  Gehimcysticerken 
intra  vitam  bei  einem  8jährigen  Knaben  diagnosticirt,  welcher 
ausser  an  den  durch  eine  Augenfinne  erzeugten  Beschwerden  an 
Kopfschmerz  und  Erbrechen  litt. 


»)  Pollak.  Wiener  Presse.  1878  p.  78. 


240  L  e  w  i  n. 


Erklärung  der  Abbildtmgen  auf  Tafel  ZII. 

1.  Kopf  mit  5  Sangnäpfen.  (MöUenberg.) 

2.  Cysticercus  in  der  Haut  liegend,  die  durch  Schnitt  eröfinet  ist. 

3.  Cysticercus  mit  Schwanzblase  und  zum  Theil  ausgestülptem  Kopfe. 

4.  Eier  des  C,  aufgehellt. 

5.  Eier  des  C.  in  kaum  durchsichtiger  Schale. 

6.  Ei  mit  primitiver  Dotterhaut. 

7.  Embryo. 

8.  Ei  aus  der  Kapsel  austretend. 

9.  Kopf  mit  zwei  sichtbaren  Saugnäpfen  und  Hakenkranz. 

10.  Einzelne  reife  Glieder  mit  Eiern  und  seitwärts  sich  öffnendem 
Geschlechtskanal. 


Finden  sich  in  den  als  leprafrei  bekannten 

Landstrichen  Frankreichs,  insbesondere  im 

Norden  und  in  Paris,  Spuren  der  alten 

Lepra  ? 


Von 

Prof.  Henri  Leloir  in  Lille. 

(Schlasi.) 


In  den  Jahren  1885  und  1886  hielt  ich  an  der  medici- 
nischen  Facultät  zu  Lille  zwei  Vorträge  über  vier  Fälle  einer 
unbenannten  Affection,  welche  der  Lepra  nervorum  oder  der 
Lepra  mixta  glichen,  und  welche  ich  mit  dem  Namen  lepröse 
Trophoneurosen  bezeichnete. 

Der  erste  Fall  bezieht  sich  auf  einen  Mann  t  on  52  Jalu*en 
der  im  höchsten  Grade  Erscheinungen  zeigte,  welche  in  frap- 
panter Weise  denen  der  Lepra  nervorum  glichen ;  auf  der  einen 
Seite  Ausbildung  einer  Klauenhand,  auf  der  anderen  eine  solche 
Verstümmelung  der  Hand,  dass  diese  der  Tatze  einer  gi'önlän- 
dischen  Robbe  glich  (wie  ich  das  bei  VameUsen,  als  ich  in 
Norwegen  die  Lepra  studirte,  sah).  Verunstaltung  und  Ver- 
stümmelung der  Füsse,  Anästhesie  der  Extremitäten;  leichte 
Verdickung  der  Cubitalnerven,  neuralgiforme  Schmerzen  in  den 
Gliedern,  Bildung  von  Pemphigusblasen  im  Bereiche  der  Extre- 
mitäten, malum  perforans  pedis. 


242  Leioir. 

Dieser  Kranke,  in  der  Umgebung  von  Gambrai  geboren, 
hatte  niemals  die  nördliche  Gegend  verlassen  (Departement  du 
Nord  des  Ardennes  Belgiques). 

Hier  folgt  übrigens  dieser  Fall: 

Fall  n. 

Lepröse  TrophonearoM. 

56jähriger  Landwirth,  in  der  Umgehung  von  Cambrai  geboren,  hat 
das  Departement  du  Nord  niemals  verlassen  and  hat  nur  in  den  benach- 
barten Departements  und  in  Belgien  gereist    [st  niemals  Soldat  gewesen. 

Nichts  besonderes  in  seinen  hereditären  Verhältnissen.  Keine  Syphilis 
durchgemacht,  kein  Potator. 

War  bis  zu  seinem  32.  Jahre  stets  gesund.  Um  diese  Zeit  litt  er 
an  heftigen  Schmerzen  in  den  oberen  und  unteren  Extremitäten,  welche 
Schmerzen  er  einer  heftigen  Erkühlung,  die  er  1862  durchmachte,  zuschrieb ; 
sie  hielten  ungefähr  1  Jahr  an.  um  diese  Zeit,  also  1863,  bemerkte  er 
auf  dem  Dorsum  manus  das  Auftreten  von  Blasen,  welche  nach  seiner 
Beschreibung  wirkliche  Pemphigusblasen  gewesen  zu  sein  scheinen.  Diese 
Blasen,  welche  er  zuerst  einer  Verbrennung  zuschrieb  (er  sah  später,  dass 
das  nicht  so  war),  hinterliessen  an  einigen  Stellen,  besonders  im  Bereiche 
des  Vorderarmes  und  der  Beine,  oberflächliche,  glatte,  weisse,  von  einem 
pigmentirten  Hofe  umgebene  Narben. 

In  dieser  Zeit  des  Auftretens  der  Blasen  im  Bereiche  der  Beine 
und  Füsse,  also  einige  Monate  nach  dem  Auftreten  der  ersten  Blasen 
auf  den  oberen  Extremitäten,  bemerkte  der  Kranke  das  erstemal,  dass 
die  Sensibilität  seiner  Hände  und  Füsse  beträchtlich  abgenommen  hatte. 

1865  war  diese  Sensibilität  so  sehr  abgestumpft,  dass  es  ihm 
öfters  passirte,  dass  er  sich  in  die  Finger  stach  oder  schnitt,  ohne  es  zu 
fühlen,  und  mit  nackten  Füssen  auf  spitzigen  Steinen  marschirte,  ohne 
den  geringsten  Schmerz  zu  empfinden. 

Trotzdem  persistirten  die  neuralgiformen  Schmerzen  in  den  Gliedern, 
und  1868  constatirte  er,  dass  seine  Hände  abmagerten,  und  dass  an  der 
rechten  Fusssohle  eine  Art  Geschwür  entstanden  war.  Diese  ülceration 
war  nach  der  Beschreibung  des  Kranken  nichts  anderes  als  ein  Malum 
perforans  pedis. 

Damals  consultirte  er  einen  Arzt,  der  die  Diagnose  Rheumatismus 
machte  und  ihm  verschiedene  Medicamente  und  Pomaden,  übrigens  ohne 
irgend  einen  Erfolg  verordnete. 

1873  constatirte  er,  dass  seine  rechte  Hand  immer  difformer  werde, 
einer  Klaue  gleiche  und  abmagere.  Zur  selben  Zeit  bemerkte  er,  dass  die 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  243 

Zehen  des  rechten  Fnsses  sich  zu  verkürzen  beginnen.  £s  entstehen 
zuerst  Verkürzungen  der  Phalangen,  dann  treten  Ulcerationen  auf,  welche 
den  Verlust  mehrerer  Zehen  herbeifuhren,  und  das  Malum  perforans, 
das  im  Bereiche  der  Articulatio  metatarso-phalangea  der  grossen  Zehe  sich 
befindet,  wird  grösser. 

1879  fallt  die  grosse  Zehe  ab  und  er  amputirt  eigenhändig,  wie 
er  sagt,  „ein  kleines  herabhängendes  Stückchen  derselben'^  mit  einem 
stumpfen  Messer. 

Ebenso  entstanden  1879  die  Verstümmelungen  der  linken  Hand 
und  schritten  immer  weiter  fort. 

Dass  diese  Verstümmelungen  der  linken  Hand  nur  in  Folge  Bildung 
von  Geschwüren  entstanden,  dürfte  nicht  richtig  sein.  Immerhin  steht  es 
fest,  dass  im  Bereiche  der  Dorsalfläche  der  Finger  der  linken  Hand 
Geschwüre  entstanden,  welche  nach  seiner  Aussage  nach  und  nach  die 
Knochen  entblössten. 

Gleichzeitig  griffen  die  Zerstörungen,  welche  1879  seine  Hand  zu 
einem  unförmlichen  Stummel  verwandelt  hatten,   immer  weiter  um  sich. 

1880  nahmen  die  neuralgiformen  Schmerzen  der  Glieder  an  Inten- 
sität ab ;  da  sie  aber  1882  mit  erneuerter  Intensität  losbrachen,  consultirte 
mich  Patient  1884. 

Status  praesens:  Mai  1884. 

Patient  ist  gross,  aber  blass  und  abgemagert,  Gesichtszüge  normal, 
ebenso  die  Augenlider.  Wimpern  sind  nicht  vorhanden,  aber  er  behauptet, 
nie  welche  gehabt  zu  haben. 

Vollkommene  Anästhesie  der  beiden  oberen  Extremitäten,  von  der 
Mitte  der  Vorderarme  beginnend ;  sie  ist  so  vollkommen ,  dass  man 
mit  einer  Nadel  die  Haut  vollkommen  durchbohren  kann,  ohne  dass  es 
der  Kranke  merkt. 

Eine  leichte  Verdickung  der  Cubitalnerven  oberhalb  des  Ellbogens 
besonders  links. 

Ausser  dem  Vorhandensein  von  pigmentfreien  und  leicht  narbigen, 
von  einer  braunen  Zone  umsäumten  Flecken  von  der  Grösse  eines  halben 
Centimestückes,  welche  sich,  ungefähr  20  an  der  Zahl,  über  die  Vorder- 
arme und  Beine  zerstreut  finden,  constatirt  man  noch  im  Bereiche  der 
rechten  Planta  unterhalb  des  Köpfchens  des  ersten  Metatarsus  ein  Malum 
perforans  von  der  Grösse  eines  IFrankstückes,  1  Cm.  ungeföhr  tief  und 
r.mgeben  von  einem  stark  verhornten  Epidermiskranze. 

Der  rechte  Fuss  ist  verstümmelt,  seiner  grossen  Zehe  beraubt, 
während  die  übrigen  Zehen  verschwunden  oder  zu  unförmlichen  Stümpfeu 
zusammengeschrumpft  sind;  so  gleicht  dieser  Fuss  dem  gewisser  Le- 
pröser. 

Die  Zehen  des  linken  Fusses  sind  im  Gegentheil  in  Krallen  umge- 
wandelt, wie  in  manchen  Fällen  von  Lepra  nervorum  deformans.  Di& 
rechte  Hand  ist  in  höherem  Grade  als  in  gewissen  Fällen  von  Lepra  ner*^ 
vorum  deformans  verunstaltet  und  in  eine  Klauenhand  umgewandelt. 


244  L  e  1 0  i  r. 

t>ie  linke  ELand  ist  vollkommen  verstümmelt.  Die  Finger  sind  zn 
unförmlichen,  mit  rudimentären  Nägeln  theils  versehenen,  theils  nicht 
versehenen  Stümpfen  zusammengeschrumpft ;  sie  sind  verkürzt ;  kurz  diese 
so  verstümmelte  Hand  erinnert  ausserordentlich  an  die  gewisser  Lepröser, 
welche  an  Lepra  nervorum  mutilans  leiden,  wie  man  das  sehr  gut  an 
vorliegender  Photographie  erkennen  kann. 

December  1884  kam  der  Kranke  zurück,  um  mir  ein  Malum  per- 
forans  im  Bereiche  der  plantaren  Fläche  der  Articulatio  metatarso-phalangea 
der  linken  kleinen  Zehe  zu  zeigen. 

Ich  constatire  gleichzeitig  an  der  dorsalen  Fläche  dieses  Fusses  dan 
Vorhandensein  von  2  Pemphigusbla^^en,  welche  vollkommen  dem  Pemphigus 
leprosus,  den  ich  soeben  in  Norwegen  studirt  hatte,  ähneln. 

Die  zweite  dieser  Beobachtungen  bezieht  sich  auf  einen 
Drescher  im  Alter  von  46  Jaliren,  der  im  Allgemeinen  Krankeu- 
hause  auf  der  Klinik  meines  Fachgenossen  und  Freundes  Dr. 
Olivier,  damals  von  meinem  CoUegen  und  Freunde,  Prof. 
Dubar  vertreten,  verpflegt  wurde. 

Dieser  Kranke  bot  im  höchsten  Grade  die  Erscheinungen 
der  Lepra  nervorum  dar;  pigmentirte  und  pigmentfreie  Flecke 
mit  Anästhesie  im  Bereiche  derselben,  Klauenhände  mit  Atro- 
phie der  Muskeln  des  Thenar  und  Antithenar,  Verunstaltung 
der  Füsse  und  Verstümmelung  der  Zehen,  vollkommen  dem 
Fussstummel  gleichend,  wie  man  ihn  bei  Leprösen  findet; 
Atrophie  der  Muskeln  der  oberen  und  unteren  Extremitäten, 
Anästhesie  der  Extremitäten  zugleich  mit  einigen  Stellen  von 
Hyperästhesie;  Pemphigusblasen ;  Geschwüre,  Malum  perforans 
pedis,  Ichthyosis  der  Haut  der  Beine;  heftige  Neuralgien  in 
den  Gliedern;  leichter  Grad  von  Alopecia  palpebralis,  leichte 
Verdickung  der  Cubitalnerven. 

Den  Eiter  von  einem  der  Hautulcera  des  Kranken  und 
ein  kleines  Hautstückchen  vom  Rande  einer  Ulceration  habe  ich 
der  histologischen  Untersuchung  unterzogen,  ohne  etwas  chara- 
kteristisches zu  finden.  Ich  habe  2  Bacillen,  welche  die  histo- 
chemische  Reaction  des  Leprabacillus  gaben  und  seinen  Chara- 
kteren ziemlich  entsprachen,  gefunden,  während  es  doch  bekannt 
ist,  wie  zahlreich  im  Allgemeinen  die  Bacillen  im  leprösen 
Gewebe  sind.    Ich  lege   dieser  Untersuchung  wenig  Werth  bei. 

Der  Patient,  in  der  Umgebung  von  Bergues  geboren,  ist 
niemals  Soldat  gewesen  und  hat  das  französische  Flandern 
niemals   verlassen. 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  245 

Fall  m. 

Lepröse  Trophonearose. 

Felix,  46jähriger  Drescher,  eingetreten  am  15.  März  1885  in  die 
Abtheilung  Olivier^s,  vertreten  von  Da  bar,  allgemeines  Krankenhaus, 
Saal  Set.  Johann,  Nr.  17. 

Hereditäre  Verhältnisse :  Nichts  besonderes  zu  bemerken.  Kein  Glied 
<ler  Familie  hat  an  ähnlichen  AfTectionen  gelitten. 

Der  Vater,  im  Alter  von  85  Jahren  gestorben,  soll  an  Ekzemen 
der  unteren  Extremitäten  und  Oedemen  der  Beine  gelitten  haben ;  niemals 
«ollen  aber  die  Nägel  der  Zehdn  abgefallen  sein. 

Persönliche  Verhältnisse:  Bei  Bergues  geboren,  ist  er  niemals 
Soldat  gewesen,  hat  Frankreich  niemals  verlassen ;  im  20.  Lebensjahre  hat 
«r  eine  Krankheit,  deren  Natur  er  nicht  genau  angeben  kann  und  welche 
6  Wochen  gedauert  hat  (fievre  maligne),  durchgemacht. 

Verheiratet,  Vater  von  2  Mädchen  und  2  Knaben,  welche  stets 
gesund  waren.  Vor  6  Jahren  hatte  unser  Patient  die  Füsse  erfroren, 
ohne  Geschwüre,  ohne  Excoriation,  im  allgemeinen  ohne  besondere 
Bedeutung. 

Seit  jeher  hat  er  an  Fussschweiss  gelitten;  ausserdem  gibt  er  eine 
))eträchtliche  Hyperästhesie  der  Plantae  an,  welche  ihn  oft  zwang,  nach 
der  Feldarbeit  sich  nach  Hause  tragen  zu  lassen.  Er  leidet  sehr  viel  an 
€allosituten  der  Füsse  und  an  Hühneraugen. 

Den  Beginn  seiner  Erkrankung  verlegt  er  auf  die  Zeit  vor  2 
Jahren.  Zuerst  bemerkt  er,  dass  die  plantae  beim  Stehen  schmerzhafter 
wurden,  und  dass  er  nach  Verlauf  einiger  Zeit  nur  sehr  schwer  gehen 
konnte. 

Unser  Patient  ist  ein  Flamländer  und  kann  uns  nur  sehr  kurze 
Auskünfte  über  die  Entwicklung  der  Affectionen  und  Deformationen 
geben,  welche  wir  jetzt  constatiren;  übrigens  gesteht  er  selbst,  dass  er 
sich  sehr  schlecht  beobachtet.  Die  Verunstaltungen  der  Füsse  sind  früher 
aufgetreten  als  die  der  Hände;  vor  letzteren  traten  die  über  die  Haut 
iserstreuten  Flecke  auf. 

Genauere  Angaben  zu  machen,  ist  Patient  ausser  Stande. 

Nie  Hess  sich  unser  Patient  ernstlich  behandeln;  nur  verschiedene 
Salben  applicirte  er  auf  die  Füsse. 

Nach  seinem  vor  2'/,  Monaten  erfolgten  Eintritt  ins  allgemeine 
Krankenhaus  entwickelte  sich  in  kurzer  Zeit  im  Bereiche  des  Kreuz- 
beines ein  Schorf,  der  eine  leichte  Tendenz  zur  Vemarbung  zeigt. 

Status  praesens  vom  22.  Mai  1885. 

Patient  bbws,  von  gelblicher,  kachektischer  Hautfarbe,  das  Gesicht 
«in  wenig  abgemagert. 

Auf  den  seitlichen  Partien  des  Halses,  besonders  links  und  hinter 
dem  rechten  Ohre  finden  sich  reichliche  Flecken,  welche  an  die  pigmen- 
tirten  und  pigmentfreien  Stellen  bei  Vitiligo  oder  gewisse  pigmentfreie 

Archiv  f.  Dermatol.  n.  Syphll.  Band  XXVI.  jy 


246  Lelair. 

und  starker  pig^entirte  Flecken  bei  Lepra  cutanea  erinnern.  Im  Bereiche 
dieser  Flecken  constatirt  man  eine  leichte  Anästhesie,  und  zwar  nnr  im 
centralen,  pigmentfreien  Antheile  der  Flecke. 

Bemerkenswerth  ist  die  auffallend  helle,  weisse  Farbe  der  Haut  des 
Stammes,  vom  Halse  angefangen  hemnter  bis  zn  den  Kates.  Man  würde 
sagen,  dass  in  diesem  Bereiche  die  Haut  pigmentfrei  ist;  die  Haut  der 
oberen  Extremitäten  im  Gegentheile  zeigt  von  den  Handgelenken  ange- 
fangen einen  gewissen  Grad  von  Hyperpigmentirung,  welche  besonders 
im  Bereiche  der  Dorsalfläche  der  Hand  bis  zu  den  Interdigitalfalten  aus- 
gesprochen ist,  während  im  Bereiche  der  zwei  letzten  Phalangen  die  Haut 
wieder  pigmentfrei  wird. 

Ausserdem  findet  man  auf  der  Dorsalfläche  der  Hände  eine  wahre 
Marmorirung,  erzeugt  durch  ein  Durcheinander  von  pigmentfreien  und  vor 
pigmentirten  Flecken;  auch  hier  besteht  im  Bereiche  der  pigmentlosen 
Stellen  ein  gewisser  Grad  von  Anästhesie. 

Ausserdem  findet  man  noch  einige  weisse,  von  einer  pigmentirten 
Zone  umgebene  Flecken  von  der  Grösse  eines  20Centimes8tückes  zer- 
streut in  den  Flanken  und  in  ihrem  Bereiche  einen  leichten  Grad  von 
Anästhesie. 

Am  Stamme  und  den  oberen  Extremitäten  findet  sich  eine  dicke 
Fettschiohte,  welche  die  Magerkeit  des  Kranken  und  die  Atrophie  der 
darunterliegenden  Muskeln  verbirgt. 

Athrophie  der  Muskeln  des  Thenar  und  Antithenar  besonders  rechts. 

Die  Finger  sind  ein  wenig  schmal  und  klauenartig,  im  Bereiche 
des  Gelenkes  der  2.  und  3.  Phalange  wie  bei  gewissen  leprösen  Defor- 
mationen zurüekgebogen.  Sie  sind  blass,  weiss  und  der  Kranke  scheint 
von  Zeit  zu  Zeit  in  denselben  Erscheinungen  der  localen  Anämie  zu 
zeigen.  Anästhesie  der  Hände  und  der  Vorderarme.  Verdickung  der 
Cubitalnerven  oberhalb  der  Ellenbogen. 

Die  Muskeln  der  unteren  Extremitäten  sind  atrophisch.  An  den 
Beinen  und  Füssen  sind  harte  Oedeme  vorhanden,  aber  man  muss 
die  Veränderungen  der  rechten  und  der  linken  unteren  Extremität  ge- 
sondert betrachten. 

Rechts  findet  man  solche  Verstümmelungen,  dass  der  Fuss 
vollkommen  gewissen,  durch  die  Lepra  nervorum  verstümmelten  Füssen 
gleicht.  Der  bedeutend  verkürzte  platte  Fuss  hat  eher  die  Form  eines 
Stössels. 

Die  kleine  Zehe  ist  von  einem  fleischfarbenen  Schilde  bedeckt,  hat 
aber  die  Form  nicht  geändert. 

Die  4.  Zehe  wird  nur  von  einem  kleinen  Stumpfe,  der  aus  der 
letzten  Phalanx  und  ihrem  Nagel  besteht,  repräsentirt ;  dieser  kleine 
Stumpf  sohliesst  sich  unmittelbar  dem  Metatarsus  an. 

Die  dritte  Zehe  ist  gesund. 

Die  2.  Zehe  besteht  aus  einem  Stumpfe,  die  letzte  gespaltene 
Phalange  ist  mit  einem  hornigen  Schilde  bedeckt;    dieser  Stumpf  scheint 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  247 

direct  auf  dem  Meiatarsus   aufzusitzen,  als   ob   die  dazwischenliegenden 
Phalangen  vollständig  resorbirt  worden  wären. 

Die  grosse  Zehe  ist  vollständig  verschwunden. 

Vor  2  Jahren  war  sie  so  schwer  erkrankt,  dass  ein  Arzt  sie  am- 
putiren  musste.  Trotzdem  Patient  nicht  narcotisirt  war,  hat  er  doch 
nichts  von  der  Operation  gefohlt. 

Das  ganze  Bein  und  der  Fuss  auf  der  dorsalen  Fläche  sind  von 
einer  Art  Schuppen  bedeckt,  während  die  Planta  pedis  im  Gegentheil 
eher  eine  bläuliche  Farbe  hat. 

Im  Bereiche  des  Fusses  und  des  Beines  ist  eher  Hyperästhesie  als 
Anästhesie  vorhanden. 

In  der  hinteren  Hälfte  des  5.  Metatarsus  am  Aussenrande  des  Fusses 
findet  sich  eine  bläuliche  Vorwölbung,  nicht  entzündlicher  Natur, 
schmerzhaft,  ähnlich  denen,  welche  man  bei  manchen  Leprösen  im  Be- 
ginne der  Entstehung  eines  Malum  perforans. 

An  der  linken  unteren  Extremität  constatirt  man  eine  nur  geringe 
Atrophie  der  Lendenmuskeln  und  ein  massig  hartes  Oedem  des  ganzen 
Beines  und  Fusses.  Kleine  Homplättchen  in  Form  derichtyose  Serpentine 
an  der  Yorderfläche  des  Beines. 

In  der  Gegend  der  Achillessehne  und  der  Aussenfläche  des  Beines 
finden  sich  oberflächliche,  rothe  Substanzverluste,  welche  an  diejenigen 
erinnern ,  die  man  im  Gefolge  des  Pemphigus  leprosus  auftreten  sieht. 
Man  findet  zwei  derselben  von  der  Grösse  eines  20Centimes8tückes  an  der 
vorderen  äusseren  Fläche  des  Beines,  5 — 6  von  der  Grösse  eines  öOCenti- 
messtückes,  einen  neben  dem  anderen,  an  der  hinleren  unteren  Fläche 
des  Beines. 

Am  Dorsum  pedis  löst  sich  die  Epidermis  in  Form  von  Lamellen 
oder  oberflächlichen  Blasen,  welche  ausserordentlich  an  die  Blasen  des 
Pemphigus  leprosus  erinnern,  ab. 

Die  3.,  4.,  5.  Zehe  sind  normal. 

Die  2.  Zehe  ist  verdickt,  starr  ödematös  und  trägt  an  der  dorsalen 
inneren  Fläche  eine  ein  wenig  nässende  Wucherung. 

Die  grosse  Zehe  ist  an  der  Basis  verkürzt,  an  ihrem  Ende  wie  weg 
geschmolzen,  und  hat  ihren  Nagel  vollkommen  verloren.  Am  Dorsum  im 
Bereiche  des  hier  normal  vorkommenden  Haarbüschels  findet  man  eine 
röthlich-violette  Hervorwölbung  von  der  Grösse  eines  IFrankstückes,  glatt, 
gespannt,  mit  einer  grossen  Menge  von  Höhlungen  versehen,  aus  denen 
eine  seröse  Flüssigkeit  fliesst. 

Der  Fuss  ist  platt,   die  Epidermis  der  Ferse  beträchtlich  verdickt. 

Incomplete  Ankylose  des  linken  Knies,  während  dasselbe  unter 
einem  rechten  Winkel  gebeugt  ist. 

Complete  Ankylose  des  rechten  Knies. 

Die  ganze  linke  untere  Extremität  ist  anästhetisch ;  am  Fusse 
findet  man  an  einigen  Punkten  Hyperästhesie  und  totale  Anästhesie. 

An  der  rechten  unteren  Extremität  finden  sich  Zonen  von  Anästhesie 
am  Beine  und  Fusse. 

17* 


248  L  e  1 0  i  r. 

Am  Schenkel  anästhetische  Zonen  mit  hyperästhetischen  a1>- 
wechselnd. 

Heftige  Neuralgien  und  zuckende  Schmerzen  in  den  oberen  und 
unteren  Extremitäten. 

Diese  zuckenden  Schmerzen  sind  nach  dem  Ausdrucke  des  Kranken 
fliegend.  Sie  kommen  anfalls weise,  um  manchmal  5  Minuten  zu  dauern; 
sie  sind  manchmal  so  heftig,  dass  sie  den  Patienten  aus  dem  Schlafe 
wecken  oder  ihn  nicht  schlafen  lassen. 

Kein  Tic  douloureux;  Gesichtszüge  normal. 

Patient  firöstelt  beständig. 

Schleimhäute  normal. 

Leichte  Yergrösserung  der  Drüsen  in  Inguine  beiderseits.  Hoden 
normal. 

Bnlbi  nicht  verändert.  £in  geringes  Ausfallen  der  Cilien  der 
unteren  Lider. 

Ohren  normal,  nur  hört  Patient  seit  ungefähr  20  Jahren  weni|;er 
deutlich. 

Eingeweide  normal.  Harn-  und  Kothentleerung  normal.  Harn  zeigt 
keine  abnormen  Bestandtheile. 

Potenz  vermindert.    Kein  Atherom  der  Gefasse. 

Die  dritte  dieser  Beobachtungen  bezieht  sich  auf  einen 
66jährigen  Hirten,  der  am  1.  Juli  1885  in  meine  Klinik  (Hospital 
St.  Sauveur)  eintrat. 

Dieser  Kranke  bot  Veränderungen  dar,  welche  an  die  der 
Lepra  mixta  erinnern:  Deformation  der  Hand,  Beginn  der  Ver- 
stümmelung dei*8elben  wie  bei  der  Lepra  nervorum;  Tendenz 
zur  Bildung  Ton  Ulcerationen,  welche  an  das  Malum  perforans 
erinnern,  im  Bereiche  der  Hand;  Elephantiasis  der  unteren 
Extremität,  Verstümmelung  des  Fusses  zu  einem  Stumpfe  wie 
bei  der  Lepra  mutilans,  Ichthyosis  der  Haut,  Malum  perforans 
pedis;  Pemphigusblasen  mit  Geschwüren,  welche  an  die  des 
Pempliigus  leprosus  erinnern,  Anästhesie  mit  Hyperästhesie  im 
Bereiche  der  Extremitäten,  neuralgiforme  Schmerzen  in  den 
Gliedern ;  im  Bereiche  der  Stirn,  Nasenwurzel,  Augenbrauen  und 
des  linken  Ellenbogens  subepidermoidale  Knoten,  welche  an 
Lepraknoten  erinnern,  multiple  Narben  auf  dem  Körper,  auf 
den  Corneae  Makeln. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  eines  Stückchens 
der  Stimknoten  fand  ich  keine  Leprabacillen,  da  ich  nicht  wage, 
3  Bacillen,  welche  im  Grossen  und  Ganzen  an  Leprabacillen 
erinnerten  und   die   ich   in  der  Nachbarschaft  einer  Talgdrüse 


Finden  sich  in  Frankreich  Sporen  der  alten  Lepra?  249 

fand,    diesen  Namen   zu  geben,    obwohl   sie   sehr  deutlich  die 
Ehrlich'sche  Färbung  annahmen. 

Dieser  Kranke,  in  Cogecques  bei  Faüquembergues  (Pas  de 
Calais)  geboren,  hatte  weder  Artois  noch  Flandern  je  verlassen. 

Hier  folgt  übrigens  dieser  Fall. 

Fall  IV. 
TrophoueurosiN  leprosa  mutilans. 

F.  . .  Karl,  66jähr.  Hirt,  in  Cogecqaes  bei  Faaqaembergues  (Pas  de 
Calais)  geboren,  tritt  am  1.  Juli  1881  in  die  Klinik  Leloir's,  Saal  St. 
Anton,  ein. 

Patient  hatte  stets  am  Lande  (Pas  de  Calais)  gewohnt;  erst  seit 
1  Jahre  wohnt  er  in  der  Stadt. 

Sehr  lange  Lebensdauer  der  Ascendenten ;  Vater  starb  im  81.  Jahre, 
ohne  je  krank  gewesen  zu  sein ;  ebenso  starb  die  Mutter  in  hohem  Alter ; 
in  der  Familie  waren  5  Kinder:  1  Bruder  starb  im  15.  Lebensjahre  an 
einer  unbekannten  Affection;  eine  Schwester  starb  nach  einem  Falle;  ein 
Bruder  und  eine  Schwester,  die  ihm  blieben,  sind  ganz  gesund. 

Struma,  Ausschläge,  Rheumatismus  kommen  nicht  vor  in  der 
Familie. 

Li  seiner  Jugend  hat  unser  Kranker  keine  schwere  Krankheit  durch- 
gemacht, nur  hatte  er  sich  im  Alter  von  6  Jahren  einen  Fuss  erfrört;  er 
kann  sich  nicht  mehr  erinnern,  welchen. 

Dieser  Zwischenfall  zog  nur  einen  mehrtägigen  Aufenthalt  im  Bette 
nach  sich,  keine  sichtbaren  Folgen.  Im  10.  Lebensjahre  schwere  Variola, 
deren  Spuren  man  noch  einzeln  auf  der  Nase  und  den  Wangen  sieht; 
einige  Pusteln,  welche  das  linke  untere  Lid  occupirt  hatten,  haben  hier 
ein  Ektropium  erzeugt,  welches  seither  besteht.  Einige  Zeit  nachher 
Keratitis,  von  welcher  die  beiden  punktförmigen  Narben  auf  der  linken 
Cornea  herrühren. 

Mit  14  Jahren  beginnt  unser  Kranker  in  einer  Papierfabrik  zu 
arbeiten;  im  21.  Jahre  fallt  ein  Holzstück  auf  seine  rechte  Hand  und 
erzeugt  im  Bereiche  der  Articulation  des  Medius  mit  seinem  Metacarpus 
eine  Wunde,  welche  lange  Zeit  zur  Verheilung  brauchte  und  einen  rothen, 
nicht  schmerzhaften  Fleck  zurückliessen,  auf  dem  sich  Krusten,  und  nach 
Abfall  derselben  eine  leichte  Eiterung  zeigten. 

Möglicherweise  hat  die  Art  der  Beschäftigung  des  Kranken,  dessen 
Hände  beständig  in  kaltes  Wasser  tauchten  und  mit  irritirenden  Sub- 
stanzen, besonders  Chlorwasser  in  Berührung  waren,  zur  Persistenz  und 
Vergrössenmg  der  ersten  Verletzung  beigetragen.  Der  Kranke  bemerkte, 
dass  imter  dem  Einflüsse  der  Ruhe  die  Geschwüre  auf  der  Hand  die 
Tendenz   hatten,    zu  heilen.    Im  Alter   von    23   Jahren    verlässt   er   die 


250  Leloir. 

Fabrik,  um  Landarbeiter  zu  werden.  Seine  Gesundheit  war  stets 
eine  g^te. 

Im  Alter  von  ungeföhr  80  Jahren  erschien  unter  der  Articulatio 
metatarso'phalangea  hallucis  ein  rundes ,  nicht  schmerzhaftes  oder 
wenigstens  sehr  wenig  empfindliches  Geschwür,  das  dem  Kranken  er- 
laubte, Schuhwerk  zu  tragen  und  zu  marschiren,  es  schloss  sich  manch- 
mal theilweise,  wurde  krustig,  öffnete  sich  wieder  und  eiterte  ein  wenig. 
Für  das  Erscheinen  dieses  Geschwüres  Hess  sich  kein  Grund  aus- 
findig machen ;  nach  den  Angaben  des  Patienten  war  es  offenbar  ein 
Malum  perforans. 

Patient  heiratete  mit  32  Jahren ,  er  hat  6  Kinder  gehabt ,  Ton 
denen  zwei  leben  und  gesund  sind;  3  sind  jung  gestorben;  das  letzte 
wurde  zur  Zeit,  aber  todt  geboren.     Die  Mutter  starb  8  Tage  darauf. 

Die  genaueste  Untersuchung  lässt  bei  unserem  Kranken  keine 
Syphilis  constatiren ;  zu  bemerken  ist  indessen,  dass  auf  dem  Gute,  wo  er 
arbeitete  und  nach  der  alten  Sitte,  die  Mahlzeit  der  Arbeiter  in  einer 
grossen  Schüssel  servirt  wurde,  aus  welcher  alle  gemeinsam  assen. 

Im  44.  Jahre  ungefähr  eine  Brustkrankheit,  welche  ihn  für  1  Monat 
ans  Bett  fesselte. 

Während  dieser  letzten  Jahre  und  der  folgenden,  das  heisst  bis 
gegen  das  55.  Lebensjahr,  änderte  sich  der  Zustand  des  Patienten  wenig; 
Hand  und  Fuss  waren  fast  vollkommen  beweglich  noch,  aber  es  fand  sich 
schon  die  Hand  fast  in  der  ganzen  gegenwärtigen  Ausdehnung  ergriffen; 
die  Finger  functionirten  noch  ein  wenig,  aber  der  Kranke  constatirte, 
dass  die  Interdigitalfalte  vorrückte  und  den  Daumen,  den  2.  und  3.  Finger 
zu  verkürzen  schien. 

In  seinem  55.  Jahre  wurde  der  Patient  Hirt ;  er  musste  den  ganzen 
Tag  auf  den  Beinen  sein,  die  Hände  in  der  freien  Luft,  die  Füsse  oft 
schmerzhaft,  starr  vor  Frost;  in  dieser  Epoche  wurden  die  erkrankten 
Stellen  noch  grösser ;  die  Füsse  erfroren  ihm,  und  der  kranke  Fuss  wurde 
da  gross,  hart  und  sehr  schmerzhaft. 

Vor  6  Jahren,  in  einem  strengen  Winter,  bemerkte  Patient,  dass 
seine  linke  Augenbraue  der  Sitz  von  Krusten  in  kleinen  knotigen  Herden 
war,  welche,  gegen  die  andere  Augenbraue  vorschreitend ,  heilten ,  so 
dass  sie  im  Bereiche  der  rechten  Augenbraue  eine  leicht  schuppende, 
scheinbar  narbige  Haut  mit  fast  vollkommenem  Fehlen  von  Haar  zurück- 
liessen.  Dieses  ausserordentlich  langsame  Fortschreiten  hat  die  gegen- 
wärtigen Veränderungen  des  rechten  Augenbrauenbogens  erzeugt. 

Vor  3  Jahren  erschien  ein  anderer  kleiner,  schuppender  Herd  am 
linken  Olecranon. 

Seit  einem  Jahre  endlich  hat  der  Kranke  wegen  der  Schmerzen  im 
Fusse  und  Beine  jede  Arbeit  verlassen.  Diese  sehr  lebhaften  Schmerzen 
waren  hauptsächlich  blitzartige  Schmerzen  fast  in  der  ganzen  unteren 
Extremität.  Dann  übersiedelte  er  in  die  Stadt.  Eines  Morgens,  als  er 
sich  erhob,  hatte  er  ungeheuere  Schmerzen  und  ohne  irgend  ein  Trauma 
entstand  eine  heftige  Blutung,  welche  nach  seiner  Angabe  von  der  plan- 


Finden  rieh  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  251 

taren  Fläche  der  rechten  grossen  Zehe  stammte.  In  seinem  Schrecken 
consoltirte  er  Dr.  Graill,  der  Umschläge  mit  einer  nicht  näher  bekannten 
Flüssigkeit  und  Kohlenpulver  verordnete. 

Die  Hand  wurde  nicht  behandelt. 

Das  ist  das  erste  und  einzige  Mal,  dass  unser  Patient  einen  Arzt 
um  Rath  gefragt  hat. 

Nach  dieser  Behandlung  Hessen  die  Schmerzen  nach,  die  Blutung 
stand,  ohne  dass  sich  das  Aussehen  des  Fusses  änderte.  Die  Hand 
schrumpfte  endlich  zusammen,  verkürzte  sich  und  wurde  vollkommen 
deformirt. 

Am  1.  Juli  tritt  Patient  ins  Spital  ein. 

Status  präsens :  Für  sein  Alter  gut  erhaltener  Mann,  nicht  anämisch, 
kein  Alkoholismus,  kein  Rheumatismus,  manchmal  von  leichten  Husten- 
stössen  befallen. 

Auf  dem  Stamme,  den  Vorderarmen  besonders  links,  an  den  Innen- 
flächen der  Schenkel,  der  Mehrzahl  nach  excoriirte  Prurigoknötchen; 
intermittirendes  Jucken;  keine  Scabies,  keine  Phthirii. 

Hie  und  da  verschiedene  Narben,  über  deren  Entstehung  Patient 
nichts  anzugeben  weiss,  oberflächlich,  rund,  von  weisslicher  Farbe,  einige 
von  einem  leicht  braun  gefärbten  Hofe  umgeben.  Trichterartige  Ein- 
senkong  der  unteren  Hälfte  des  Stemum,  wahrscheinlich  durch  den 
Hirtenstab,  gegen  welchen  Patient  beim  Hüten  der  Schafe  sich  an- 
stemmte, erzeugt. 

An  den  unteren  Extremitäten,  besonders  links  (gesunde  Seite) 
Varicen. 

Einige  Veränderungen,  und  zwar  an  der  rechten  Hand,  dem  rechten 
Fusse,  dem  rechten  Augenbrauenbogen,  dem  linken  Ellenbogen  werden 
unsere  Aufmerksamkeit  ganz  besonders  fesseln. 

Obere  Extremitftten.  Rechte  Hand :  Sie  ist  dick,  ein  wenig 
geschwollen;  Finger  verkürzt,  ankylotisch,  und  in  Klauen  verwandelt 
durch  ihre  halbflektirte  Stellung  wie  in  gewissen  Fällen  von  Lepra  de-, 
formans  durch  die  Retraction  der  Gewebe.  Der  2.  und  der  mittlere 
Fmger  berühren  einander,  fast  ohne  sich  von  einander  entfernen  zu 
können,  so  dass  man  glauben  könnte,  der  Kranke  hielte  eine  Cigarette 
zwischen  den  2  Fingern  (Daumen  und  Zeigefinger). 

Alle  Finger  sind  hart  und  verdickt;  in  diesem  Bereiche  nimmt 
die  Haut  fast  das  Aussehen  wie  bei  Sclerodermie  an ;  an  der  Fingerspitze 
adbärirt  die  Haut  dem  Knochen. 

Der  Daumen  ist  abgestutzt  und  von  einem  starken ,  dicken, 
trockenen,  längs  gerieften,  langen,  gekrümmten  Nagel  bedeckt ;  ausserdem 
sind  alle  Nägel  gefaltet  und  zeigen  die  Tendenz  der  Länge  nach  zu 
bersten.  Die  Interdigitalspatia  sind  verkürzt,  indem  die  Interdigitalfalten, 
bei  ihrer  Vergrösserung  gegen  die  Fingerspitzen  zu,  die  Finger  wie  die 
Schwimmhaut  der  Amphibien  vereinigen. 

Kurz,  im  ersten  Augenblicke  sieht  diese  Hand  einer  behandschuhten 
Hand  ähnlich,  deren  Handschuh  aber  viel  zu  kurze  Finger  hat,  während 


252  L  e  1  o  i  r. 

er  zugleich  ätuserst  eng  ist.  Diese  Finger  sind  halb  gebeugt ;  der  Zeige- 
finger und  der  Daumen  sehen  aus,  als  hielten  sie  eine  Cigarette;  die 
Hand  lässt  sich  nicht  ausbreiten  and  zeigt  das  Bild  einer  Klauenhand, 
wie  die  gewisser  Lepröser,  welche  von  Lepra  nervosnm  befallen  sind. 

Die  Palma  manus  ist  fast  vollkommen  gesund,  die  Haut  hat  hier 
den  normalen  Charakter  bewahrt,  während  die  dorsale  Flache  fast  ia 
ihrer  ganzen  Ausdehnung  von  einer  glatten,  glanzenden ,  ein  wenig 
schuppenden  und  an  gewissen  Stellen  weiss,  an  anderen  Stellen  rosa 
gefärbten  und  wie  entzündet  aussehenden  Haut  bedeckt  ist«  Auf  diesem 
Grande  erscheinen  schwärzliche ,  unregelmässige ,  in  Reihen  stehende 
Flecke,  während  auch  andere  kleinere,  von  der  Grösse  eines  Steck- 
nadelkopfes, oder  etwas  grösser  sich  auf  dieser  Haut,  welche  wie  durch- 
sichtig erscheint,  befinden. 

Endlich  finden  sich  Erosionen  und  Geschwüre  von  der  Grösse 
einer  Linse  bis  zu  der  eines  2FrankBtücke8  auf  der  Dorsalilftche  des 
MediuSy  der  Articulatio  metacarpo-phalangea  des  Index,  der  inneren  und 
äusseren  Fläche  des  Daumens. 

Alle  diese  Substanzverluste  sind  rosa  gefärbt,  oberflächlich,  theil- 
weise  granulirend,  hie  und  da  im  Gentrum  Punkte  zeigend,  wo  der 
Substanzverlust  tiefer  geht  und  eine  gelbliche  Farbe,  fast  diphtheritischen 
Charakter  annimmt.  Diese  in  ihrer  Begrenzung  ziemlieh  unregelmässigeD 
Substanz  Verluste  erscheinen  der  Mehrzahl  nach  von  einem  etwas  stärker 
verhornten  Epidermis  walle  umgeben.  Sie  erinnern  etwas  an  manche  dem 
Pemphigus  leprosus  folgende  Ulcerationen. 

An  der  äusseren  Partie  des  Medius  findet  man  eine  tiefe  ÜIceration 
mit  etwas  stärker  verhornten  Rändern,  stark  Eiter  secemirend,  ohne  Zu- 
sammenhang mit  dem  Knochen  und  ohne  Entblössung  desselben.  Keiner 
dieser  Substanz ver laste  ist  schmerzhaft,  sie  heilen  ziemlich  leicht,  um  an 
einer  anderen  Stelle  wieder  aufzutreten,  und  haben  so  bei  dem  regel- 
mässigen Weiterkriechen  fast  die  ganze  Dorsalfl&che  der  Hand  ergriffen, 
woraus  dann  offenbar  die  narbige  Beschaffenheit  der  Haut  der  Dorsalfläch^ 
der  Hand  hervorging. 

Im  Bereiche  der  ganzen  oberen  Extremität  ist  die  Sensibilität 
vermindert,  und  zwar  ist  die  Anästhesie  am  deutlichsten  ausgesprochen 
an  der  Hand.  Ebenso  neuralgische  Schmerzen  in  den  oberen  Extremitäten^ 
besonders  rechts. 

Die  linke  Hand  ist  gesund,  doch  bieten  die  Nägel  das  Aussehen 
von  Binsemark  dar. 

Am  linken  Ellenbogen  findet  man  einen  kleinen  Herd  von  Knöt- 
chen von  bläulich-rother  Farbe  von  der  Grösse  eines  ÖFrankstückes. 

Im  Centrum  des  Herdes  finden  sich  runde  grünlichweisse  Schuppen, 
welche  sich  ziemlich  leicht  ablösen  und  so  eine  nur  wenig  excoriirte  Haut 
biossiegen.    Keine  Schwellung  der  Achsellyrophdrüsen. 

Kopf.  In  der  Nähe  der  Nasenwurzel  auf  dem  rechten  Augenbrauen- 
bogen  findet  sich  ein  Herd  von  Knötchen,  der  in  der  Richtung  der  Augen- 
braue länglich  geformt  ist.  Dieser  an  ein  flächenhafb  ausgebreitetes  Lepra- 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  253 

intiltrat  erinnernde  Herd  bat  eine  bläolich-rothe  Farbe,  ist  von  Schuppen 
l>edeckt,  schmerzlos,  leicht  anästhetiech,  wenn  man  mit  einer  Nadel  in 
denselben  sticht.  Dieser  schon  lange  Zeit  (seit  mindestens  6  Jahren)  be- 
stehende Herd  hat  die  Tendenz  sich  auszubreiten;  er  hat  an  der  linken 
Augenbraue  begonnen  und  ist  hier  mit  Hinterlassung  einer  leichten, 
schuppenden  Narbe  ausgeheilt.  Die  behaarte  Haut  ist  normal,  die  cervi- 
calen  Lymphdrüsen  sind  leicht  vergrössert. 

Untere  Extremitftten.  Rechter  Fuss.  Vom  unteren  Drittel  der 
Extremität  angefangen  bis  zur  Ferse  ist  das  Volumen  des  Beines  ver- 
mehrt, besonders  ausgesprochen  und  deutlich  in  der  Gegend  der  Malleolen ; 
sie  hängt  theilweise  wenigstens  von  der  auffallenden  Volumszunahme  der 
Knochen,  besonders  der  Malleolen  ab.  Der  Vorderfuss  bietet  einen  An- 
blick, den  wir  sogleich  beschreiben  werden. 

Der  untere  Viertel  des  Unterschenkels  und  die  Gegend  der  Mal- 
leolen hat  eine  bläulich-braune  Farbe  und  ist  hie  und  da  pigmentirt. 
Ausserdem  sind  mehrere  oberflächliche  Narben  von  unregelmässigen  Con- 
touren  noch  vorhanden.  Durch  die  Hypertrophie  der  Knochen  sind  die 
Bewegungen  des  Beines  ein  wenig  gehemmt. 

Der  Vorderfuss  zeigt  in  seiner  vorderen  Hälfte  ganz  merkwürdige 
Veränderungen,  indem  er,  allgemein  gesprochen,  der  Gestalt  eines  Kegels 
ähnlich,  nach  vorne  zu  schmaler  wird,  so  dass  die  das  Köpfchen  des  1. 
mit  dem  des  6.  Metatarsus  verbindende  Linie,  welche  links  10  Gm.  misst, 
rechts  nur  6  Cm.  misst. 

Im  Bereiche  der  Zehen  ist  diese  Verschmälerung  noch  viel  deutlicher 
ausgesprochen,  indem  z.  B.  eine  die  Mitte  der  5.  mit  der  Mitte  der  1. 
Zehe  verbindende  Linie,  welche  links  8  Cm.  misst,  rechts  nur  4  bis  6 
Cm.  hat. 

Nicht  der  Fuss  allein  im  Bereiche  der  Metatarsi  ist  zu  einem  Conus 
verschmälert,  sondern  die  Zehen  vermehren  diese  Verschmälerung  der 
Extremität  noch  durch  die  Verbildung,  welche  sie  erlitten  haben.  In  der 
That  scheinen  die  Zehen  comprimirt  und  gegen  einander  gedrängt  zu  sein, 
wodurch  die  2.  dorsal  etwas  vorspringt,  während  die  1.  einen  schmalen, 
beträchtlich  verkürzten  Klumpen  ohne  Nagel  darstellt. 

Ebenso  ist  die  2.  Zehe  nur  ein  formloser  Stumpf,  der  ein  wenig 
dorsal  vorspringt,  etwas  verkürzt  ist  und  einen  schwarzen,  linsengrossen 
Nagel  in  der  Mitte  tragt. 

Die  3.  und  4.  Zehe  sind  an  die  2.  formlich  festgeklebt,  so  dass  sie 
kaum  getrennt  werden  können;  sie  selbst  sind  zu  einer  einzigen  Masse, 
welche  einen  unförmlichen  Klumpen,  an  dem  die  Grenze  zwischen  den 
beiden  Zehen  kaum  angezeigt  ist,  verschmolzen ;  auf  der  dorsalen  Fläche 
einer  jeden  dieser  rudimentären,  deformirten  Zehen  findet  man  ein  Ueber- 
bleibsel  eines  schwarzen  Nagels  von  der  Grösse  eines  Getreidekoms.  Von 
der  5.  Zehe  existirt  kaum  eine  Spur ;  dieselbe  trägt  an  ihrem  Ende  einen 
schwarzen,  missbildeten  Nagel. 

Der  ganze  Vorderfuss  und  die  Zehen  sind  von  einer  Art  schuppigem 
Schilde,  ziemlich  ähnlich  dem,  welches  eine  Lage  von  CoUodium,  auf  der 


254  Leioir. 

erkrankten  Stelle  antrocknend,  erzeugen  würde.  Diese  pergamentartige 
Schale  lasst  sich  leicht  in  grossen  Epidennislamellen,  die  dem  Pflanzen- 
pergament oder  getrockneter  Goldschlägerhant  ziemlich  ähneln,  ablösen. 
Diese  Veränderungen  sind  den  von  Leioir  bei  einem  Kranken  im  Hospital 
St.  Louis  1883  beobachteten  analog. 

Trotz  dieser  Auflagerungen  constatirt  man  im  Bereiche  der  Zehen 
sehr  genau  Geschwüre,  welche  an  die  oberflächlichen,  entzündlich  gerö- 
theten  Formen  des  Malum  perforans  erinnern;  an  der  inneren  Hälfte  der 
Plantarfläche  der  1.  Zehe  befindet  sich  eine  solche  Exulceration  von  der 
Grösse  eines  20Centimes8tückes.  Eine  andere,  linsengrosse,  auf  der  plan- 
taren Fläche  der  2.  Zehe.  Im  Bereiche  dieser  Geschwüre  totale  Anästhesie. 

Unter  diesen  grossen  Lamellen  findet  man  eine  verdünnte,  glatte 
und  gespannte  Epidermis  von  rosa  Farbe  mit  einigen  bläulichen  Flecken, 
welche  die  capilläre  Congestion  der  Haut  anzeigen.  An  einigen  unregel- 
mässig über  das  Bein  und  das  Dorsum  pedis  zerstreuten  Stellen  findet 
sich  eine  Herabsetzung  der  Sensibilität,  während  im  Gegentheil  an  ande- 
ren Stellen  Hyperästhesie  vorhanden  ist. 

Die  Sensibilität  an  der  Planta  ist  deutlich  herabgesetzt ;  im  Bereiche 
der  Ulcerationen  an  der  Planta  absolute  Anästhesie.  Neuralg.  Schmerzen 
in  der  rechten  unteren  Extremität.   Die  linke  untere  Extremität  ist  gesund. 

2.  October.  Beim  Verbandwechsel  hat  man  im  Interstitium  der  1. 
und  2.  Zehe  eine  ziemlich  unregelmässige,  frische  ülceration  bemerkt; 
dieselbe  ist  anästhetisch.  Ebenso  ist  im  Bereiche  der  Articulatio  meta- 
tarso-phalangea  eine  Blase  von  Taubeneigrösse  mit  einer  röthlichen  Flüs- 
sigkeit gefüllt,  entstanden  (Pemphigusblase). 

18.  October.  Die  Pemphigusblase  hat  in  ihrem  Gefolge  eine  rothe 
ülceration  von  der  Grösse  eines  iFrankstückes  hinterlassen;  sie  erinnert 
an  die  ulcerationen  im  Gefolge  des  Pemphigus  leprosus. 

1886,  16.  Febr.  In  der  Nachbarschaft  der  Blase  vom  2.  Oct.  1885 
ist  eine  andere  Pemphigusblase  entstanden ;  der  Entstehimg  gingen  Prickeln 
und  neuralgiforme  Schmerzen  voraus. 

Die  5.  Beobachtung  bezieht  sich  auf  eine  Frau  von  58 
Jahren,  welche  durch  meinen  Collegen  Dr.  Halle  z  meiner 
Klinik  zugeschickt  wurde. 

Diese  Kranke  bot  der  Lepra  nervorum  sehr  ähnliche  Ver- 
änderungen dar:  Deformation  der  Hände  und  Füsse,  wie  bei 
manchen  Fällen  von  Lepra  nervorum,  Hyperkeratosis  der  Planta, 
Ichthyosis,  Elephantiasis  der  Beine,  Muskelatrophien,  Hyperästhe- 
sie der  Haut,  geringer  Grad  von  Anästhesie  der  Extremitäten, 
neuralgiforme  Schmerzen  in  den  Gliedern. 

Diese  Patientin  konnte  ich  seciren  und  Alterationen  der 
Extremitätennerven  constatiren. 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  255 


Fall   V. 

Lepröse  Trophoneurose. 

H. . .,  58jähr.  Haushälterin  im  Departement  du  Nord  geboren,  wurde 
am  28.  Juli  1886  auf  die  Klinik  des  Prof.  Leloir  geschickt. 

Hereditäre  Verhältnisse:  Eltern  beide  an  Cholera  gestorben,  bis 
dahin  waren  sie  stets  gesund  gewesen.  In  der  Familie  waren  3  Kinder, 
welche  stets  gesund  waren. 

Die  Kranke  ist  verheiratet  und  hat  8  Kinder  gehabt,  welche  alle 
gestorben  sind.  Das  älteste  an  Variola,  das  2.  an  Croup,  das  3.  an  Masern 
mit  Complicationen,  das  4.  an  Croup  und  Masern,  das  5.  an  einer  Pneu- 
monie, das  7.  und  8.  sind  zwar  zur  Zeit  aber  todt  geboren  worden. 

Die  Kranke  selbst  gibt  an,  früher  nie  krank  gewesen  zu  sein,  nur 
ist  sie  nervös  und  leidet  an  Migräne.  Sie  hat  niemals  gehustet,  hat  aber 
«eit  4  oder  5  Wochen  etwas  Blut  ausgeworfen  und  reichliche  Nachtschweisse 
gehabt.   Vor  13  Jahren  einen  Anfall  von  Rheumatismus. 

In  dieser  Zeit  wurde  sie  während  der  M«nses  von  einem  Wagen 
umgeworfen.  Kurze  Zeit  darauf  entstand  eine  Deformation  der  linken 
Hand,  welcher  Veränderung  geringe  Schmerzen  im  Handgelenk  voraus- 
gingen; um  dieselbe  Zeit  ungefähr  begannen  die  Finger  der  rechten 
Hand  difform  zu  werden,  dann  wurden  in  kurzer  Zeit  die  Füsse  ergriffen. 

Diesen  Deformationen  soll  weder  Hyperästhesie  noch  Anästhesie 
vorausgegangen  sein,  dagegen  aber  blitzartige  Schmerzen. 

Status  praesens :  Patientin  vom  kachektischen  Aussehen  mit  gedun- 
senem Gesichte  bietet  den  Anblick  einer  tuberculösen  Person  (3.  Stadium) 
dar.  Sie  ist  gelähmt;  auf  dem  Rücken  liegend,  die  Beine  von  einander, 
kann  sie  sich  nicht  bewegen.  Die  Kranke  schläft  wegen  der  Schmerzen, 
welche  sie  beständig  plagen,  nur  sehr  schlecht. 

Sie  ist  appetitlos,  die  Fxpectoration  ist  reichlich,  der  Puls  ist  klein, 
fadenförmig,  kein  Gefassatherom.  Prof.  Hallez  hat  Zeichen  von  Endo- 
carditis  constatirt.  Bei  dieser  Frau  finden  wir  nun  absolut  symmetrische 
Deformationen  der  oberen  und  unteren  Extremitäten. 

Untere  Extremitäten:  Von  vorneherein  bieten  die  Fasse  den  An- 
blick der  Füsse  mancher  Lepröser.  Die  Zehen  sind  von  einander  wie 
krampfhaft  entfernt.  Die  1.  Phalange  der  grossen  Zehe  ist  halb  gebeugt, 
die  letzte  ist  in  forcirter  Extension  zur  ersten.  Die  erste  Phalange  der 
2.  und  3.  Zehe  ist  in  leichter  Extension,  die  2.  Phalange  in  halber  Flexion, 
die  dritte  gegen  die  2.  leicht  extendirt.  Die  4.  und  5.  Zehe  sind  ganz  in 
halber  Extension,  nur  ist  die  5.  ziemlich  stark  gegen  den  äusseren  Fuss- 
rand  gezogen. 

Alle  Kägel  sind  ein  wenig  alterirt,  verdünnt,  leicht  quergerieft, 
während  der  Nagel  der  grossen  Zehe  im  Gegentheile,  wie  manche  Nägel 
bei  Ekzemen,  längsgerieft  erscheint.  Der  Fuss  ist  nicht  platt  und  hat  viel- 
mehr seine  normale  Plantarconcavität  beibehalten.    Muskelatrophien  sind 


256  L  e  1  o  i  r. 

keine   vorhanden,    wohl    aber  eine  allgemeine   Abmagerung    der   Foss- 
muBCulatur. 

Auf  der  Planta  pedis  (n.  zw.  in  den  vorderen  Theilen  und  den 
Plantarflächen  der  Zehen)  findet  man  breite  Lamellen  von  verdickter,  stark 
verhornter  Epidermis.  Diese  übermässige  Verhomung,  welche  der  bei 
manchen 'Leprösen  an  den  Füssen  vorkommenden  entspricht,  ist  um  so 
überraschender,  als  sich  Patient,  der  Füsse  nicht  bedient. 

Die  Haut  des  Dorsum  beider  Füsse,  ebenso  wie  die  der  unteren  */« 
der  Unterschenkel  bietet  einen  merkwürdigen  Anblick  dar.  Diese  Haut 
sieht  im  Allgemeinen  wie  gerunzelt  aus  und  erinnert  ziemlich  deutlich  an 
gewisse  dünne  Ledersorten,  welche  im  Feuer  gehärtet  wurden.  Sie  ist 
durchzogen  von  im  Allgemeinen  nach  der  langen  Achse  der  Extremitäten 
gerichteten  Falten,  welche  ihrerseits  wieder  von  querverlaufenden  Falten 
geschnitten  werden,  so  dass  auf  diese  Weise  warzenförmige  Räume  ab- 
gegrenzt werden ;  diese  Beschaffenheit  der  Haut  findet  sich  vor  Allem  auf 
dem  Dorsum  der  Füsse  und  Zehen.  Diese  Falten  sind  von  einander 
1 — 2  Cm.  entfernt. 

Diese  so  gerunzelte  Haut  erscheint  nicht  bedeutend  verdünnt,  sie 
ist  ein  wenig,  a))er  durchaus  nicht  vollkommen  der  Subcutis  adhärirend, 
und  diese  selbst  erscheint  theilweise  mit  den  Muskeln  und  dem  darunter- 
liegenden Bindegewebe  verbunden. 

Kurz,  obwohl  die  verschiedenen  weichen  Gewebsschichten  adhärenter 
als  normal  erscheinen  und  ihre  Consistenz  ein  wenig  vermehrt  ist,  finden 
wir  doch  durchaus  nicht  die  absolute  Fixation  und  Marmorhärte  der 
Sclerodermie. 

Die  diese  Theile  bedeckende  Epidermis  schuppt  etwas,  ähnlich  wie 
bei  der  Ichthyose  Serpentine.  Dieses  schlangenformige  Aussehen  ist  be- 
sonders im  Bereiche  der  dorsalen  Flächen  der  Zehen  ausgesprochen. 

Das  rechte  Knie  erscheint  leicht  geschwellt,  Patella  etwas  balotti- 
rend.  Eine  Beugung  der  Beine  ist  unmöglich.  Vor  einigen  Jahren  empfand 
Patientin  Schmerzen  und  Knarren  im  rechten  Knie,  jetzt  ist  es  ankylotisch 
(oder  pseudo-ankylotisch  wegen  des  Schmerzes)  und  zwar  ist  jede  Bewe- 
gung fast  vollkommen  unmöglich.  Das  linke  Knie  zeigt  dieselben  Verän- 
derungen, nur  in  geringerem  Grade  entwickelt. 

Beträchtliche  Hyperästhesie  für  Berührung  ebensowohl  als  ganz 
besonders  für  Nadelstiche  vom  Knie  herab  bis  za  den  Zehen,  anästhetische 
Partien  auf  der  Planta;  Hyperästhesie  der  tiefen  Gewebe,  wenn  man  das 
Bein  in  die  volle  Faust  nimmt.  Das  Volumen  der  Unterschenkel  contra* 
stirt  mit  dem  der  Oberschenkel.  Diese  Volumsvermehrnng  ist  von  einem 
harten,  Bindegewebe  erzeugenden  Oedeme  abhängig,  aber  nicht  von  der 
Erhaltung  der  Musculatur,  welche  verschwunden  ist,  während  die  Muscu- 
latur  des  Oberschenkels  vollkommen  erhalten  ist. 

Obere  Extremitäten.  Die  Hände  zeigen  beide  im  gleichen  Masse 
eine  Beschaffenheit,  wie  sie  bei  manchen  Fällen  von  Lepra  nervorum  de*- 
formans  vorkommt.    Sie  sind  abgemagert  und  deformirt,  die  Musculatur 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  257 

ist  fast  verschwunden  (aber  doch  noch  nicht  ganz),  besonders  die  des 
Thenar  und  Antithenar. 

Die  8.  Phalanx  des  Daumens  ist  gegen  die  2.  in  forcirter  Extension, 
so  dass  es  in  diesem  Gelenke  zu  einer  Subluxation  gekommen  ist.  Der 
Zeige-  und  der  Mittelfinger  zeigen  eine  forcirte  Extensionsstellung  der 
3.  und  2.  Phalanx  gegen  die  erste;  im  Gelenke  zwischen  1  und  2  besteht 
eine  Subluxation.  Aehnliche  Verhältnisse  zeigt  der  4.  Finger.  Die  kleinen 
Finger  zeigen  beiderseits  eine  Z-Form.  Nirgendwo  bemerkt  man  aber 
eine  Zerstörung  der  Phalangen.    Am  Handrücken  leichte  Anästhesie. 

Die  Nägel  zeigen  kaum  irgendwelche  Yerbildungen.  Die  Aponeu- 
rosis  palmaris  ist  leicht  verdickt. 

Gesicht  und  Augen  vollkommen  normal,  ebenso  die  Schleimhaut 
des  Mundes  und  Pharynx. 

Seit  drei  Jahren  stehen  die  Zähne  nach  vorwärts  wie  die  Zähne 
mancher  Engländerinen.  Sie  stecken  nicht  mehr,  fest  im  Zahnfache, 
sondern  lassen  sich  leicht  hin  und  her  bewegen. 

Heffcige  neuralgische  Schmerzen  in  den  oberen  und  unteren  Extre- 
mitäten.   Der  Kranke  stirbt. 

Bei  der  Autopsie  habe  ich  einen  gewissen  Grad  von  Verdickung 
der  Extremitätennerven  constatirt,  welche  Verdickung,  wie  die  histologische 
Untersuchung  ergeben  hat,  bedingt  ist  durch  einen  massigen  Grad  von 
Perineuritis.  Diese  Veränderungen  an  den  Nerven  waren  besonders  an 
dem  Nervus  tibialis  (u.  zw.  in  der  Mitte  desselben)  und  an  den  Nerven 
in  der  Cubita  bis  zur  Mitte  des  Armes  ausgesprochen. 

Diese  Verdickung  betraf  die  ganze  Ausdehnung  des  erkrankten 
Nerven,  war  nicht  sehr  deutlich  ausgesprochen  und  liess  sich  am  besten 
bei  histologischer  Untersuchung  constatiren,  indem  sich  bei  derselben 
eine  leichte  Perineuritis  erkennen  liess. 

Die  histologrische  Untersuchung  vermittels  der  von  mir  1881  aus- 
einandergesetzten Technik  hat  mir  die  Diagnose  einer  Neuritis  parenchy- 
matosa  gestattet. 

Die  Spinalwurzeln  waren  vollkommen  normal,  ebenso  wie  das 
Kückenmark. 

Trotz  einer  genauen  und  aufmerksamen  Untersuchung 
konnte  ich  weder  in  der  Haut  noch  in  den  Nerven  Lepra- 
bacillen  nachweisen. 

Auf  die  bei  diesen  Kranken  beobachteten  Erscheinungen 
mich  stützend,  machte  ich  in  meinen  1885 — 1886  im  Hospitale 
St.  Sauveur  gehaltenen  Vorlesungen  darauf  aufmerksam,  dass 
es  sich  in  diesen  5  Fällen  um  Veränderungen  handelt,  welche 
denen  bei  Lepra  nervorum  deformans  oder  mutilans  auffallend 
ähneln. 

Handelte  es  sich  in  diesen  Fällen  um  Lepra,  wie  man 
von    vorneherein    annehmen    könnte  ?     Aber    wo    hatten    die 


258  L  e  1 0  i  r. 

Kranken  sich  dann  die  Lepra  zugezogen?  Diesem  Einwurf, 
iugte  ich  hinzu,  könnte  man  indessen  hegegnen,  wenn  man 
annähme,  dass  es  sich  hier  um  Fälle  von  autochtoner  Lepra 
handelt,  Spuren  der  alten  Lepra,  welche  in  Europa  und 
ganz  besonders  in  Frankreich  bis  gegen  das  15.  Jahrhundert 
heiTschte.  Und  ich  wies  wiederum  auf  die  Möglichkeit  hin,  dass 
eine  Krankheit,  welche  zur  Zeit  des  Ablebens  Ludwigs  VIIL 
(1229)  in  Frankreich  die  Errichtung  von  2000,  in  der  ganzen 
Christenheit  aber  von  19.000  Leproserien  nothwendig  gemacht 
hatte,  in  den  Ländern,  wo  man  sie  seit  langem  erloschen  glaubte, 
noch  nicht  vollständig  verschwunden  wäre. 

Aber  vorsichtig  fügte  ich  hinzu,  dass  es  nothwendig  wäre, 
dass  damit  eine  Solche  Theorie  aus  dem  Gebiete  der  Hypothese 
in  das  der  wahren  Wissenschaft  vorrücke,  die  von  mir  gebo- 
tenen Fälle  ebenso  die,  welche  andere  Beobachter  später  even- 
tuell untersuchen  würden,  in  indiscutabler  Weise  der  Lepra 
zugerechnet  werden  könnten,  indem  man  sich  auf  klinische, 
pathologisch-anatomische  und  genaue  bacteriologische  Unter- 
suchung stützen  würde. 

In  den  5  Beobachtungen,  welche  meinen  Veröflfenthchungen 
zur  Grundlage  dienen,  erinnerten  die  Kranken  zwar  ausser- 
ordentlich an  Lepröse ;  dennoch  stimmen  manche  klinische 
Einzelheiten  (z.  B.  das  Fehlen  der  Lähmung  des  Orbicularis. 
palpebrarum  mit  Anästhesie  des  Gesichtes,  .  .  .)  nicht  absolut 
genau  mit  der  Diagnose  „Lepra",  zumal  da  der  bacteriologische 
Befund  uns  fehlte. 

Nichts  destoweniger  könnte  man  noch  voraussetzen,  dass. 
diese  Fälle  von  autochtoner  Lepra,  Spuren  der  alten  Lepra, 
sich  unter  einem  leicht  veränderten  Bilde  darbieten  könnten, 
indem  die  Krankheit  in  unseren  Gegenden  seit  dem  Mittelalter 
gewissermassen  degenerirt  wäre. 

1886  kam  ich  auf  Seite  263  meiner  Abhandlung  über  die 
Lepra  auf  diese  Frage  zurück.  Jüngst  endlich,  März  1892, 
brachte  mich  ein  Kranker  meiner  Klinik,  der  trophische  Muskel- 
und  Hautaffectionen,  welche  in  mancher  Hinsicht  an  die  bei 
Lepra  nervorum  vorkommenden  erinnern,  aber  wahrscheinlich 
syringo-my elitischen  Ursprunges  sind,  zeigte,  in  einer  klinischen 
Vorlesung   zur  WiederaufroUung   der  Frage  von  der  möglichen 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  259 

Persisteuz  der  Spuren  der  alten  Lepra  in  unseren  Ge- 
genden. 

Der  betreflfende  Kranke  bot  Störungen  dar,  welche  an  die 
bei  Lepra  uervorum  vorkommenden  ausserordentlich  erinnern: 
Atrophie  der  Muskulatur  der  Schultern,  Ai-me,  Vorderanne ;  des 
Thenar  und  Antithenai*,  der  Interossei;  vollständige  Analgesie 
der  oberen  Extremitäten  und  der  oberen  Hälfte  des  Stammes, 
des  Halses,  des  Gesichtes,  so  dass  der  Kranke  sich  oft,  ohne 
etwas  davon  zu  wissen,  verbrannte;  Analgesie  der  Schleimhaut 
der  Lippen  und  Zunge  (man  muss  aber  bemerken,  dass  man 
im  Bereiche  des  Thorax,  des  Gesichtes  und  Kopfes  sehr  genau 
die  von  C  h  a  r  c  o  t  unter  dem  Namen  syringomyeli tische  Dissocia- 
tion  beschriebenen  Erscheinungen  beobachten  kann) ;  zahlreiche 
Narben  und  mit  Krusten  bedeckte  Ulcerationen  an  den  Fingern 
(Geschwüre ,  welche  aus  Pemphigusblasen  entstanden  sind) ; 
Hyperkeratosis  der  Palma;  Alterationen  der  Nägel. 

Dieser  Kranke,  zu  Warhem  geboren  (Arrondissement  Dün- 
kirchen) hatte  nie  sein  Vaterland  verlassen. 

Es  folgt  hier  dieser  Fall,  wie  ihn  mein  Interne  Herr 
Patoir  gefiihi-t  hat. 

Fall  VI. 

Die  Krankheit  wurde  vor  2  Jahren  durch  das  Auftreten  von  Stö- 
rungen der  Muskulatur  und  Haut  hemerkt. 

Amyotrophie  der  oberen  Extremitäten  (scapulo-humeraler  Typus 
nach  Yulpian  und  type  Aran-Duchenne).  Bildung  von  Blasen  und  Knoten 
an  den  Händen.  Alteration  der  Nägel.  Störungen  der  Sensibilität.  Syringo- 
myelitische  Dissociation.  Parese  und  Steifigkeit  der  unteren  Extremitäten. 
Leichte  Contractur  der  Sphincteren.    Redressirbare  Scoliose. 

D. . .  August,  20  Jahre  alt,  zu  Warhem  geboren,  trat  am  29.  März 
1892  auf  die  Klinik  des  Prof.  Leloir  ein. 

Hereditäre  Verhältnisse:  Vater  im  Alter  von  ungefähr  60  Jahren 
an  einer  dem  Patienten  unbekannten  Krankheit,  wahrscheinlich  Herzaüec- 
tion  (er  hatte  Oedeme  an  den  unteren  Körperpartien)  gestorben.  Er  war 
emphysematös,  kein  Potator.  Mutter  lebt  und  leidet  an  asthmatischen  Be* 
Bchwerden.  Ein  Bruder  starb  in  jugendlichem  Alter.  Drei  Schwestern 
leben,  von  denen  eine  anämisch  ist  und  oft  hustet.  Eine  nervöse  Be- 
lastung kann  man  in  der  Familie  nicht  nachweisen.  Da  aber  der  Kranke^ 
das  Französische  nur  schlecht  spricht  und  schwer  begreift,  ausserdem 
seine  geistigen  Fähigkeiten  viel  zu  wünschen  lassen,  so  kann  man  sich 
auf  die  Angaben  des  Kranken  nicht  allzusehr  verlassen.  Nichtsdestoweniger 


260  L  e  1  o  i  r. 

lasse  ich  seine  Angaben  über  seinen  früheren  Gesundheitszustand  und  über 
den  Beginn  der  Krankheit  folgen. 

Seine  eigenen  Antecedentien :  Bis  zu  seinem  19.  Lebensjahre  war 
Patient  stets  vollkommen  gesund.  Damals  im  Winter  verbrachte  er  oft 
die  ganze  Nacht  in  Holzbaracken,  welche  an  einem  Sumpfe  gelegen  waren. 
Damals  litt  er  oft  Kälte,  doch  scheint  er  keine  Erfrierungen  erlitten  zu 
haben.  Von  dieser  Zeit  an  bemerkte  er  eine  gewisse  Steifigkeit  der  oberen 
Extremitäten.  Seine  Hände  wurden  ungeschickt,  indem  er  eine  längere 
Zeit  noth wendig  hatte,  um  sich  anzukleiden  öder  um  manche  feinere  Be- 
wegungen zu  vollziehen.  Gleichzeitig  bemerkte  er,  dass  er  weniger  kräftig 
sei  und  dass  die  Druckkraft  seiner  Hände  abnahm.  Ausserdem  entstanden, 
und  das  fiel  ihm  besonders  auf,  Hautaffectionen.  An  den  Händen  erschie- 
nen Blasen,  welche  einschrumpften  oder  exulcerirten  und  so  noch  jetzt 
sichtbare  Narben  oder  Knoten  von  beträchtlicher  Grosse  hinterliessen. 
Niemals  bestanden  gleichzeitig  zahlreiche  Blasen,  sondern  die  Eruption 
erfolgte  schubweise  in  verschieden  langen  Intervallen  und  zwar  gewöhn- 
lich nur  1 — 2  Blasen  auf  einmal.  Der  Patient  machte  die  Beobachtung, 
dass,  wenn  er  die  sich  entwickelnden  Blasen  zerkratzte,  die  folgenden 
langsamer  auftraten.  Ebenso  hat  er  bemerkt,  dass  die  Blasen  rascher 
entstanden,  wenn  er  tüchtig  arbeitete. 

Vor  1  Jahre  hatte  er  eine  Bronchitis,  welche  nach  5  Monaten  heilte 
und  welche  vor  3  Wochen  wieder  auftrat. 

Status  präsens :  Kräftig  gebauter  Mann,  nur  die  oberen  Extremitäten 
stechen  durch  ihren  geringen  umfang  von  der  übrigen  Musculatur,  welche 
gut  entwickelt  zu  sein  scheint,  ab.  Der  Panniculus  adiposus  ist  an  den- 
selben auch  weniger  gut  entwickelt  als  an  anderen  Stellen. 

Appetit  ist  gut,  die  Verdauung  erfolgt  ganz  normal. 

Von  Seite  des  Respirationstractus  bemerkt  man  eine  ziemlich  in- 
tensive Dyspnoe. 

Der  Kranke  hustet  und  wirlt  ziemlich  reichlich  aus.  In  dem  Sputum 
findet  man  manchmal  Blutfaden ;  das  Sputum  ist  schaumig  und  von  weiss- 
licher  Farbe.  Bei  der  physikalischen  Untersuchung  der  Lunge  constatirt 
man  folgende  Veränderungen:  Vorne  auf  beiden  Seiten,  deutlicher  aber 
links  als  rechts  Verminderung  des  Stimmfremitus.  Der  Brustkorb  ziemlich 
gewölbt,  die  Intercostalräume  verstrichen.  Bei  der  Percussion  findet  man 
einen  auffallend  hellen  Schall  über  dem  ganzen  Brustkorb,  über  der  linken 
Spitze  leichte  Dämpfung.  Bei  der  Auscultation  hört  man  rechts  ein  rauhes 
Athmen  mit  einigen  Rasselgeräuschen  in  beiden  Athmungsmomenten.  Links 
das  Athmen  rauher,  leicht  hauchend.  Hinten  der  Stimmfremitus  fast  feh- 
lend, links  aber  etwas  deutlicher  wahrzunehmen. 

lieber  beiden  Lungen  lauter  Schall,  ohne  einen  Unterschied  erkennen 
zu  lassen.  In  beiden  Spitzen  rauhes  und  hauchendes  Athmen.  Bei  der 
Exspiration  Rasseln  und  Knistern  zu  hören.  An  der  Basis  Vesiculärathmen, 
jedoch  sehr  leise,  begleitet  von  Rasselgeräuschen  in  beiden  Phasen  der 
Athmung.  Rechts  scheint  die  Athmung  deutlicher  hörbar  zu  sein. 


Finden  sich  in  Frankreich  Sparen  der  alten  Lepra?  261 

Hersspitzenstoss  kräftig.  Herztöne  in  beiden  Momenten  rein,  ohne 
Geränseh.  Leichte  Hypertrophie  des  rechten  Herzens,  PalsuB  epigastrieiifl. 
Pols  links  «cfanellend,  rechts  dagegen  kleiner,  fast  fadenförmig. 

Leber  erscheint  normal. 

Im  Harne  weder  Eiweiss  noch  Zncker.  Harnentleerung  normal,  nur 
mnss  sich  Patient,  wie  er  bemerkt,  im  Beginne  der  Harnentleerung  mehr 
anstrengen. 

Seit  einigen  Wochen  leidet  er  auch  an  Stuhlrerstopfung,  so  dass 
es  sich  um  eine  Vermehrung  des  Tonus  der  Sphinkteren  zu  handeln  scheint. 

Kein  Alkoholismus,  keine  Lues.  Keine  Bleivergiftung,  ebenso  keine 
Malaria.  Ihn  für  einen  Leprösen  zu  halten,  hat  man  wenig  Grund,  wenn 
man  nicht  an  die  Ueberreste  der  alten  Lepra,  welche  ganz  Europa  im 
Mittelalter  yerseucht  hatte,  denken  wiU. 

Besonders  aufi&Uig  an  ihm  ist  das  geringe  Volumen  der  Arme.  Bei 
der  Untersuchimg  der  Musculatur  der  Schultern  und  der  oberen  Extremi- 
täten findet  man  dieselbe  weich,  schlaff;  sie  scheint  mit  den  übrigen  Ge- 
weben verschmolzen  zu  sein.  Wenn  man  den  Arm  im  Ellenbogengelenke 
beugen  lässt,  fühlt  man  nicht,  wie  beim  gesunden  Menschen,  wie  der  Biceps 
sich  zu  einem  vorspringenden,  harten  Wulste  contrahirt,  so  dass  er  das 
Vermögen  zu  erschlaffen  und  sich  dann  zu  contrahirrai  verloren  zu  haben 
scheint. 

An  den  Schultern  sind  die  Knochenvorsprünge  sehr  deutlich  aus- 
geprägt und  in   der  Fossa  supra-  et  iniraspinata  findet  man  auffallende 
Einsenkungen.    Die  Schulter  scheint  verstrichen,   der  Deltoides  ist  stark 
atrophisch,   so  dass   die  Abduction  des  Armes   sehr   erschwert  ist.    Der 
Pectoralis  major  ist,  wenigstens  in  der  Portio  clavicularis  von  geringerem 
Volumen,  so  dass  die  Clavicula  sehr  deutlich  vorspringt.   Diese  allgemeine 
Atrophie  der  Schul termusculatur   ist  rechts   deutlicher  als  links  und  be- 
sonders rechts  kann  man  die  Einzelheiten  der  Atrophien  studiren.   Ebenso 
verhält  es  sich  mit  der  Armmusculatur.    10  Centimeter  unter  dem  Acro- 
mion  misst  der  rechte  Oberarm  27  Cm.,  der  linke  29  Gm.,  trotzdem  der 
Patient  sich  vorzugsweise  der  rechten  Hand  bedient ;  am  Vorderarme  findet 
man  4  Gm.  unter  dem  Ellenbogen  eine  Differenz  von  I  Cm«  zu  Gunsten 
des  linken  Arms.    Besonders  befallen  sind  die  Supinatoren.    Die  Hand  in 
Supinationsstellung  zu  bringen,  kostet  dem  Patienten  die  grösste  Mühe  und 
gelingt  ihm  nur  durch  Gombinationen   und  Drehungen,   wodurch  andere 
Muskeln  die  Rolle  der  Supinatoren  übernehmen.    Die  Atrophie  folgt  dem 
Type  Aran-Duchenne  der  progressiven  Muskelatrophie.   Wenn  Patient  auf 
seine  Hand  nicht  Acht  gibt,  nimmt  sie  Klauenhandstellung  ein  (Affenhand), 
ohne  dass  das  aber  sehr  ausgesprochen  wäre.    Die  Spatia  interossea  sind 
am  Handrücken   grubenformig   vertieft,   während   die  Metacarpusknochen 
deutlich  vorspringen.    An  der  Palma  manus  sind  Thenar  und  Antithenar 
fast  vollständig  verstrichen,   die  ganze  Hand  ist  verflacht,   die  Haut  ge- 
runzelt.  Rechts  sind  die  Veränderungen  an  der  Hand  viel  deutlicher  aus- 
gesprochen als  links.   Ebenso  beträgt  die  Druckkraft  der  rechten  Hand  am 
Dynamometer  gemessen  19,  die  der  linken  25  Ko.  Ausserdem,  dass  Amyo- 

Archiv  ntr  Doruiatol.  ii.  Syphil.  LMnd  XXVI.  28 


262  Leloir;     . 

trophie  vorhanden  iftt,  reagiren  die  Maskeln  auch  nicht  auf  den  elektrischen 
Strom.  Man  kann  die  Stromstärke  langsam  oder  rasch  variirea.  Der 
Kranke  empfindet  zwar  das  durch  den  Strom  erzeugte  ^genthümliche 
Erabheln,  aber  kein  Muskel  contrahirt  sich. 

Dennoch  ist  keiner  der  Muskeln  vollständig  paralytisch,  indem  man 
zwar  eine  gewisse  Parese  und  eine  gewisse  Schwere  der  Bewegungen,  aber 
durchaus  keine  absolute  Unbeweglichkeit  constatiren  kann. 

Auf  beiden  Seiten  fehlt  der  Reflex  der  Trioepssehne. 

Oft  bemerkt  man  fibrilläre,  manchmal  auch  voUkomoiene  Contrac- 
tionen  der  Muskeln,  was  die  Schwierigkeiten  bei  den  Bewegungen  noch 
vermehrt. 

Trotz  dieser  schweren  Lasionen  ist  doch  der  Muskelsinn  erhalten. 
Der  Kranke  hat  das  Bewusstsein  von  der  Lage  seiner  Arme  im  Baume 
und  er  vollführt  mit  dem  freien  Arme  ziemlich  genau  die  dem  anderen 
Arme  mitgetheilten  Lageveränderungen. 

Die  genaue  Untersuchung  der  Sensibilität  in  ihren  verschiedenen 
Qualitäten  lässt  uns  ein  wichtiges  Phänomen  entdecken,  die  von  Charcot 
sogenannte  Dissociation  syringo-myelique.  Dass  der  Muskelsinn  vollkom- 
men erhalten  ist,  habe  ich  bereits  erwähnt;  ebenso  verhält  es  sich  mit 
dem  Tastsinn.  Der  Kranke  fühlt  die  Gegenstände,  welche  er  berührt,  kann 
ihre  Form  beschreiben,  aber  er  vermag  ihre  Temperatur  nicht  zu  schätzen, 
ja  er  empfindet  keinen  Schmerz.  Das  Gefühl  der  Kälte,  der  Hitze,  des 
Schmerzes  fehlt,  während  der  Tastsinn  normal  ist.  Trotzdem  hat  Patient 
nicht  selten  das,  dann  rein  subjective  Gefühl  der  Wärme;  er  erklärt  sogar 
oft^  von  der  Wärme  in  seinem  Bette  belästigt  zu  werden. 

Die  Thermo'-Anästhesie  erstreckt  sich  bei  ihm  über  die  beiden 
oberen  Extremitäten  und  die  obere  Hälfte  des  Stammes  bis  zu  einer 
Horizontalen,  welche  ungefähr  1  Cm.  über  der  Verbindungslinie  beider 
Brustwarzen  verläuft.  Der  Uebergang  von  der  erkrankten  Partie  zur  nor- 
malen geschieht  ganz  allmälig ;  in  der  Magengrube  ist  der  Temperatursinn 
ziemlich  genau.  Nach  oben  zu  wird  er  immer  unsicherer,  um  endlich 
vollkommen  zu  verschwinden. 

An  den  Extremitäten  wird  die  Thermo- Anästhesie  peripherwärts 
immer  deutlicher.  Während  nämlich  der  Kranke  über  einen,  wenn  auch 
nur  leichten  Schmerz,  bei  der  Application  einer  erhitzten  Spitze  an  der 
Halswirbelsäule  klagte,  konnte  man  am  Vorderarme  die  feine  Spitze  des 
Thermocauters  ohne  weiters  ziemlich  tief  einbohren,  ohne  eine  andere 
Empfindung  als  die  der  Berührung  zu  haben.  Uebrigens  weist  er  selbst 
auf  eine  rothe  Narbe  am  linken  Vorderarme  hin,  von  der  er  angibt,  dass 
sie  von  einer  Verbrennung,  deren  er  sich  aber  nicht  bewusst  war  im 
Momente  der  Entstehung,  herrühre.  Hals,  Gesicht  und  der  behaarte  Kopf 
scheinen  ebensowenig  Hitze  oder  Kälte  zu  empfinden.  Was  die  Schleim- 
häute* betrifft,  so  erklärt  der  Kranke,  sich  niemals  beim  Rauchen  oder 
Essen  den  Mund  verbrannt  zu  haben  und  behauptet  auch,  die  Temperatur 
der  Nahrung  zu  erkennen.  Die  Punkte,  wo  Thermo-Anästhesie  vorhanden 
ist,  sind  auch  von  Analgesie  befallen,  und  man  konnte  Lippen  und  Zunge 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  263 

stechen,  ohne  Schmerz  hervorzurufen,  so  dass  es  sich  hier  scheinbar  um 
eine  neue  Dissociation  handelt.  Inmitten  der  iür  Temperatur  und  Schmerz 
anäBthetischen  Theile  findet  man  einzelne  Partien  yon  nur  geringer  Aus- 
dehnung, wo  diese  Qualitäten  des  Tastsinnes  normal  oder  sogar  ein  wenig 
gesteigert  erscheinen.  Will  man  die  Vertheilung  der  kranken  Partien 
schematisiren,  so  kann  man  sagen:  Die  Theile,  welche  dem  Rocke,  dem 
Helme  und  der  Maske  entsprechen,  sind  erkrankt  (Zone  des  Plexus  bra- 
chialis,  des  1.  Intercostalis,  des  X.  occipitalis  major  et  minor,  des  N. 
auricularis  und  der  aufsteigenden  Trigeminuswurzel).  • 

Subjective  Symptome  von  Schmerz  werden  keine  angegeben. 
Während  die  Störungen  der  Sensibilität  an  beiden  Annen  gleich- 
massig  ausgesprochen  sind,  ist  die  Amiotrophie  rechts  deutlicher  ausge- 
sprochen, was  uns  zu  der  Ansicht  fuhren  könnte,  dass  die  Krankheit  mii 
diesen  Störungen  der  Sensibilität  begonnen  hat  und  zwar  lange  bevor  der 
Kranke  nur  etwas  ahnte.  Er  scheint  seine  Krankheit  erst  erkannt  zu  haben, 
als  sichtbare  Störungen  auftraten. 

An  den  unteren  Extremitäten  ist  die  Sensibilität  in  allen  ihren 
Qualitäten  erhalten ;  dieselben  sind  sehr  gut  entwickelt  und  scheinen 
durchaus  nicht  atrophisch  zu  sein.  Trotzdem  gibt  Patient  das  Gefühl  von 
Steifigkeit  und  Schwere  bei  den  Bewegungen  an.  Lässt  man  ihn  gehen, 
dann  bemerkt  man  in  der  That,  dass  er  die  Beine  nur  mühsam  vom  Boden 
hebt,  ein  wenig  hüpfend  geht  und  die  Fussspitze  nach  vorwärts  schleu- 
dert. Es  ist  also  Steifigkeit  und  Parese,  aber  keine  Ataxie  vorhanden.  Die 
Wendung  erfolgt  langsam  mit  geringem  Schwanken.  Lässt  man  ihn  während 
des  Stehens  die  Augen  schliessen,  so  zeigt  sich  eine  geringgradige  Ataxie. 
Die  Patellarreflexe  sind  besonders  rechts  lebhafter  als  normal. 
Rechts  findet  man  deutlichen  Fussclonus.  Die  Plantarrefiexe  sind 
vermindert.  Keinerlei  subjective  Symptome. 

Von  den  Sinnesorganen  erscheinen  der  Geschmack  und  der  Geruch 
intact.  Der  Schlundreflex  ist  normal.  An  den  Augen  ist  nur  ein  leichter 
Nystagmus  von  Wichtigkeit. 

Pupillen  reagiren  auf  Licht  und  Accomndation  prompt.  Keine  Ptosis, 
kein  Enophthalmus.  Gornealreflex  normal. 
Gehör  normal. 

Beim  Sprechen  bemerkt  man  ein  geringes  Zögern,  ein  leichtes 
Stottern,  aber  der  Patient  behauptet,  immer  so  gesprochen  zu  haben«  Der 
Schlingact  erscheint  normal.  Beim  Sprechen  bemerkt  man  auch  leises  Er- 
zittern der  Lippen. 

Als  Stönmgen  der  Sphinkteren  haben  wir  bereits  eine  geringe  Er- 
schwerung der  Harnentleerung  im  Beginne  derselben  und  die  seit  einiger 
Zeit  bestehende  Stuhlverstopfung  bezeichnet. 

Die  Haut  zeigt  im  Bereiche  der  Brust  einen  Herd  von  seborrhoischem 
Ekzem  und  auf  dem  Rücken  einige  Acneefflorescenzen.  Die  unteren  Ex- 
tremitäten zeigen  keine  Hautaffectionen. 

An  den  oberen  Extremitäten  constatirt  man,  und  zwar  an  der 
inneren  und  oberen  Hälfte  des  rechten  Armes  einen  kleinen,  rothen  Herd, 

18* 


264  L  e  1  o  i  r. 

bedeckt  mit  einer  trockenen  Epidermisschuppe,   offenl^ar  der  Rest  einer 
B!s8e,  von  der  der  Patient  nichts  gewnsst  hatte. 

Am  linken  Oberarme  und  den  beiden  Vorderarmen  nichts  zn 
bemerken. 

An  den  Händen,  besonders  an  der  rechten  Hand,  kann  man  rer- 
scbiedene  trophische  Störungen  constatiren. 

Ueber  den  Gelenksverbindungen  der  1.  und  2.  Phalanx  des  2.,  3. 
und  4.  Fingers  der  rechten  Hand  bemerkt  man  vorspringende,  harte, 
runzelige  Knoten  von  der  Breite  eines  '/,  Centimesstückes  und  ungefähr 
um  V«  Cm.  die  Haut  überragend.  An  allen  Fingern  findet  man  rothe 
Narben,  theils  wulstig  vorspringend,  theils  eingezogen ;  manche  sind  noch 
mit  Krusten  bedeckt. 

Alle  diese  Veränderungen  sind  angeblich  aus  Blasen  hervorgegangen. 

An  der  Palma  der  rechten  Hand  geringe  Hyperkeratose.  An  der 
Spitze  des  Daumens  eine  Ulceration  mit  wulstigen,  harten,  umgestülpten 
Bändern.  Das  Gentrum  nässt  ein  wenig.  An  der  dorsalen  Fläche  der 
linken  Hand,  ebenso  wie  der  Phalangen  dieselben  Veränderungen  wie 
rechts.  In  der  Mitte  der  Hand  ungefähr  ein  fast  kreisrundes  Geschwür 
mit  blasB-grauem,  trockenem  Grunde  und  wie  mit  dem  Locheisen  aus- 
geschlagenen Rändern.  (Eine  gangränöse  Blase,  welche  den  Papillarkörper 
auch  ergrifien  hatte.)  An  der  Palma  manus  in  der  Furche,  welche  den 
Daumen  vom  Zeigefinger  trennt,  eine  Rhagade  mit  ausgezackten,  wulstigen, 
verhornten  Rändern  versehen. 

Seit  dem  Eintritt  des  Kranken  ins  Hospital  haben  sich  neue  Blasen 
entwickelt  und  zwar  zwei  auf  dem  rechten  Zeigefinger  auf  der  1.  und  3. 
Phalanx,  eine  andere  voluminöse  an  der  Innenfläche  der  letzten  Phalanx 
des  rechten  Daumens.  Links  findet  sich  eine  auf  der  ersten  Phalanx  des 
Daumens  und  eine  andere  kleine  auf  der  letzten  des  Zeigefingers.  Alle 
diese  neuen  Blasen  befinden  sich  an  der  Palma  manus. 

Die  Nägel  erscheinen  verbreitert  und  abgeplattet.  In  der  Nähe  des 
Nagelbettes  des  rechten  Zeigefingers  ist  eine  mit  blutiger  Flüssigkeit  ge- 
füllte Blase,  welche  den  Ausfall  des  Nagels  erzeugt  hatte,  so  dass  das 
Nagelbett  jetzt  von  unregelmässigen  und  gestaltlosen  hornigen  Producten 
bedeckt  ist. 

Die  Störungen  der  Haut  der  oberen  Extremitäten  beschränken  sich 
bis  jetzt  auf  die  oberflächlichen  Schichten.  Erkrankungen  der  tieferen 
Schichten  wie  Phlegmonen  oder  Panaritien  waren  nicht  vorhanden.  Doch 
gibt  Patient  an,  vor  einiger  Zeit  (vor  ungefähr  3 — 4  Jahren)  einige  Ab- 
scesse  am  Arme  gehabt  zu  haben.  Die  Gelenke  normal,  keine  Akromegalie. 

Das  Skelett  der  oberen  Extremitäten  scheint  vollkommen  normal 
zn  sein.  Die  Halswirbelsäule  scheint  stärker  gekrümmt  zu  sein  als  normal ; 
doch  gibt  Patient  an,  keine  Aenderung  in  der  Stellung  seines  Halses  be- 
merkt zu  haben.  Ebenso  hat  er  hier  nie  Beschwerden  gehabt,  so  dass  es 
schwer  ist,  sich  hier  für  oder  gej^en  eine  beginnende  Scoliose  zu  ent- 
scheiden. 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  265 

Als  vasomotorische  Erscheinung  kann  man  den  unterschied  in  der 
Spannung  der  rechten  und  der  linken  Radialis  ansehen ;  links  ist  der  Puls 
kräftiger,  schnellender  als  rechts.  Manchmal  erzeugt  ein  Stich  oder  ein 
Kneifen  auf  der  Bani  der  rechten  Hand  eine  lebhaftere  Rothung  als  linkii 
ohne  dass  jedoch  diese  Erscheinung  constant  wäre. 

Im  Bereiche  der  oberen  Extremitäten,  sowie  in  der  Achselgrube 
scheint  Hyperidrosis  zu  bestehen;  deshalb  wurde  die  Reaction  auf  Pilo- 
carpin untersucht :  7  Minuten  nach  Injection  von  1  Cgr.  geringe  Salivation, 
nach  25  Minuten  hatte  man  noch  nirgendwo  Schweiss. 

Geistige  Entwicklung :  Der  Kranke  war  intellectnell  stets  nur  wenig 
entwickelt  (er  kann  kaum  lesen),  doch  gibt  er  an,  dass  sein  Gedachtniss 
nicht  mehr  so  gut  sei  wie  früher.  Während  der  Nacht  hat  er  oft  unan- 
genehme Träume,  welche  ihn  aus  dem  Schlafe  wecken. 

Kurze  Zusammenfassung:  Fehlen  einer  nervösen  Belastung, 
keine  AUgemeinerkranknng  vorhergegangen.  Die  jetzige  Krankheit  trat 
vor  2  Jahren  durch  sichtbare  Störungen  der  Muskeln  und  der  Haut  deutlich 
zu  Tage. 

Status :  Amyotrophie  der  oberen  Extremitäten  (Type  seapulo-humeral 
de  Yulpian  und  Type  Aran-Duchenne).  Blasen,  Rhagaden  und  Knoten  an 
den  Händen.  Erkrankung  der  Nägel.  Störungen  der  Sensibilität :  Syringo- 
myeütische  Dissociation.  Parese  und  Steifigkeit  der  unteren  Extremitäten. 
Leichte  Gontracturen  der  Sphinkteren.  Redressirbare  Skoliose. 

Therapie:  Gegen  die  Bronchitis  Schröpfköpfe  und  Morphium.  Dann 
0*5  Gr.  Jodkali  und  3  Tropfen  Solutio  Fowleri.   Am  Nacken  Moxen. 

4.  April.  Es  wird  auf  5  Tropfen  Arsenik  gestiegen. 

6.  April.  Erst  4  Stunden  nach  Injection  von  0*01  Pilokarpin  tritt 
Schweiss  ein  und  zwar  nur  an  der  oberen  Rumpfhälfte  und  den  oberen 
Extremitäten.    Die  untere  Rumpfhälfte  dagegen  schwitzt  nicht 

Der  Kranke  hat  sich  an  der  Palmarfläche  der  rechten  Hand  ver- 
brannt, hat  dabei  aber  nur  eine  leise  Empfindung  davon  gehabt. 

Er  gibt  an,  dass  er  sich  ohne  es  zu  fühlen  verbrennt,  wenn  die 
Temperatur  langsam  ansteigt;  dass  er  es  aber  deutlich  föhlt,  wenn  die 
Hitze  plötzlich  einwirkt. 

11.  April.    Die  linke  Hand  ist  beträchtlich  ödematös.    Borvaseline. 

13.  April.  Einige  Blasen  werden  schlafi*,  nehmen  eine  derbe  Con- 
sistenz  an,  während  andere  sich  in  Geschwüre  umwandeln« 

22.  ApriL  Die  nach  der  Verbrennung  zurückgebliebenen  Geschwüre 
werden  mit  Borvaseline  und  gepulvertem  ferrum  carbonicum  gedeckt. 
Der  Kranke  gibt  an,  dass  seine  Arme  kräftiger  zu  werden  scheinen; 
Moxen. 

4.  Mai.  Auftreten  einer  Blase  auf  dem  rechten  Mittelfinger.  Entlang 
der  Armnerven. 

10.  MaL  Auftreten  von  Blasen  auf  dem  rechten  Daumen  und  dem 
rechten  Zeigefinger.  Die  Symptome  der  Bronchitis  verschlimmem  sich; 
man  könnte  an  eine  Bulbäraffection  des  Phrenicus  denken. 


266  L  e  1  o  i  r. 

15.  Mai.  Unter  dem  Einflttsse  der  Medication  scheinen  die  trophischeu 
Störungen  einen  Stillstand  zu  erleiden. 

'  Von  Seite  der  Mnsculatnr  wenig  Verändemngen.    Von  Seiten  'der 

Atlimung8(H*gane  Zeichen  der  Bronchitis.    Schröpfköpfe  und  0,15  Gentg. 
Guaiacol. 

SO.  Mai.  Auftreten  eines  Bläschens  auf  dem  linken  Vorderarme. 

4.  Juni.  Auftreten  kleiner  Bläschen  auf  dem  1.,  2.  und  3.  Finger 
der  linken  Hand.  Elektrisirung.  Bei  der  1.  Sitzung  17  Milliampere» 
entlang  dem  Halsmarke.     Status  idem. 

8.  Juni.  8.  Sitzung.  Die  Sensibilitätsstörungen  persistiren.  Er  hat 
sich  soeben  eine  tiefe  Brandwunde,  ohne  etwas  davon  zu  fühlen,  bei- 
gebracht.   Elektrisirung  wird  fortgesetzt. 

13.  Juni.  Auftreten  2  grosser  Blasen  an  den  Fingern  der  rechten 
Hand.  Trotz  der  Behandlung  scheinen  die  trophischeu  Störungen  zuzu- 
nehmen. 

Die  Steifigkeit  der  unteren  Extremitäten  wird  noch  grösser  und  der 
Gang  wird  immer  schwieriger. 

16.  Juni.  Die  Blasen  haben  tiefe  Ulcerationen,  welche  bis  auf  den 
Knochen  gehen,  hinterlassen.    Verband  mit  Borvaseline. 

Wichtig  ist  die  Bemerkung,  dass  alle  diese  Affectionen  schwer  heilen 
und  ausserordentlich  langsam  vernarben. 

30.  Juni.  An  der  rechten  Hand  haben  sich  3  neue  Blasen  gebildet. 
Sie  sind  geplatzt  und  hinterlassen  jetzt  Geschwüre.  Zwei  von  diesen  sind 
an  der  Innenfläche  des  Zeigefingers,  und  zwar  eines  an  der  Basis,  das 
andere  nahe  beim  Nagel  gelegen,  beide  von  der  Grösse  eines  halben  Gen- 
timestückes. 

Das  3.  tiefere  und  auch  grössere,  welches  eine  Länge  von  3 — 1  Gm. 
und  eine  Breite  von  1 V, — 2  Gm.  hat,  ist  an  der  äusseren  Fläche  des 
rechten  Mittelfingers  gelegen,  und  zwar  an  dem  Gelenke  zwischen  der  1. 
und  2.  Phalanx.    Es  steht  ein  wenig  schief. 

Diese  Geschwüre,  besonders  das  letzte,  zerstören  die  Epidermis  und 
greifen  in  die  Tiefe  aufs  Gorium  über.  Sie  sind  geruchlos.  Der  Grund 
ist  weisslich-grau.  Kurz  sie  bieten  das  typische  Büd  des  Pemphigus 
gangränosus. 

Zur  Zeit  zeigt  die  linke  Hand  nur  geringe  Veränderungen;  seit 
ziemlich  langer  Zeit  sind  auf  derselben  keine  Blasen  entstanden.  An 
einer,  an  der  palmaren  Fläche  d^r  Daumenspitze  befindlichen  Ulceration 
findet  man  Hyperkeratose.  An  der  Basis  des  Daumens  eine  tiefe  Brand- 
wunde, von  deren  Entstehung  er  nichts  genaueres  wusste. 

An  der  rechten  Hand,  besonders  am  Daumen,  Zeige-  und  Mittel- 
finger zahlreiche  Blasen  und  Geschwüre.  Störungen  der  Verhomung. 
Die  Nägel  sind  mit  Ausnahme  geringer  Störungen  am  '  rechten  Zeige- 
finger normal. 

Die  Untersuchung  des  Professors  Doumer  ergibt:  Keine  Spur  von 
Entartungsreaction,  weder  an  den  Muskeln  noch  an  den  wichtigsten  meto- 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  267 

risohcn  Nerven;    Die  Muskeln  contrahiren  idt^h  im  Allgemeinen    ftehr  gut 
auf  den  elektrischen  Reiz  hin. 

Der.  Kranke  gibt  an,  zu  Beginn  der  Behandlung  ein^  gß wisse  Besse- 
rvmg  in  Bezug  auf  die  Kraft  der  Arme  bemerkt  zu  haben ;  seit  einiger 
Zeit  aber  würden  die  Arme  immer  schwerer  und  ungeschickter.  Und  in 
der  That  kann  er  sich  nicht  mehr  ankleiden  und  die  geringste  etwas 
complicirtere  Bewegung'  verlangt  ausserordentlich  viel  Zeit  und  Ainstrengüng. 

Die  Intelligenz  sinkt;  es  handelt  sich  nicht  um  logische  Fehler, 
sondern  um  cerebrale  Apathie,  tim  intelectuelle  Faulheit;  Sein  Öehim  ist. 
schwerfallig  und  ungeschickt  wie  seine  Glieder.  Er  stockt,  in  einem  fort, 
stosst  mit  der  Zunge  an,  scandirt  oft  und  sucht  die  Wort^. 

23. .  Juli.  Status  idem.  I^s  sind  keine  neuen  Blasen  erschienen.  Drei- 
mal.  wöchentlich  wird  er  elektrisirt, 

..."  «  ■ 

27.  Juli.  Es  sind  auf  den  Zeigefingern  und  Daumen  beider  Hände 
zerstreut  8  neue  Blasen  aufgetreten;  regelmässig  ist  die  rechte  Hand  am 
stärksten  befallen.  Die  Blasen  varüren  in  der  Grösse  von  der  einer  Erbse 
zu  der  eines  IFrankstückes. 

Die  Sensibilität  hat  sieh  nicht  geändert,  sie  seheint  nur  noch  ge- 
sunken zu  sein.  Die  Störungen  derselben  sind  au  dieselben  Orte  localisirt. 

29.  JuU.  Die  Blasen  platzten,  so  dass  das  Gorium  blosliegt,  ohne 
dass  dieses  selbst  ergriffen  wäre.   Verband  mit  Dermatolvaselipe. 

Heute  Früh  hat  Patient  sehr  reichlich  ausgeworfen ;  im  Sputum  sind 
Streifen  Blutes  sichtbar.  Ad  basim  beider  Lungen  die  intensivsten  Er- 
scheinungen. Bronchitis  diffusa.  Keine  Anzeichen,  welche  auf  den  Beginn 
einer  Pneumonie  schlieftsen  liesseri.  Am  Herzen  manchmal  At*hythmie. 
An  den  Ostien  nichts  Abnormes.        * 

Afai  Dynamometer:  Rechte  Hand  15,  linke  24. 

Der  Kranke  fShlt  sieh  selbst  immer  schwächer  werden.  Die  Nach- 
barn des  Patienten  klagen,'  er  störe  ihren  Sehkf  durch  Deliriren  und  sogar 
durch  somnambule  Handlungen.  Er  erhebt  sich,  auch  wirklich  während 
der  Nacht,  geht  im  Saale  umher,  begeht  ganz  zusammeiüianglose  Hand- 
lungen und  das  alles  im  Schlafe  oder  wenigstens  im  Halbschlummer. 

Die  geistigen  Fähigkeiten  des  Kranken  sinken  übrigens  zusehends; 
ohne  Unsinn  zu  sprechen,  ist  er  in  einem  solchen  Zustande  der  Apathie 
und  geistigen  Faulheit,  dass  es  an  Idiotie  sohon  grenzt.  Das  Stottern  und 
die  Schwere  der  Zunge  werden  immer  deutlicher. 

5.  August.  Xrotz  unserer  Abmahnungen  verlässt  er  die^  Klinik ;  er 
schützt  seine  stets  zunehmende  Schwäche  etc.  vor. 

Mit  dem  lebhaftesten  Interesse  habe  ich  vor  Kurzem  die 
Yon  meinem  Freunde  Dr.  Zambaco -Pascha  der  Academie  de 
Medecine  im  August  1892  vorgelegte  Arbeit,  gelesen;  ich  ersah 
aus   derselben,    dass   die   Hypothese,    welche   ich    1884'— 1885 


268  L  e  1  o  i  r. 

(Memoire  sur  la  lepre  en  Norwege  depose  en  1884  au  Mim- 
stere  de  l'instruction  publique,  in  der  biologischen  Ge- 
sellschaft und  endlich  in  den  Vorlesungen  im  Hospital  St. 
Sauveur),  dann  1886  (in  den  Vorlesungen  im  Hospital  St. 
Sauveur  und  in  der  Abhandlung  über  die  Lepra)  bezüglich  der 
Möglichkeit  der  Persistenz  von  Ueberresten  der  alten  Lepra  des 
Mittelalters  in  unseren  nördlichen  Provinzen  (Flandern  und  Ar- 
tois)  und  in  Paris  ausgesprochen  hatte,  nicht  so  kühn  war,  als 
ich  vorausgesetzt  hatte. 

Die  Möglichkeit  der  Existenz  der  Lepra  in  der  Bretagne, 
80  deutlich  durch  einen  so  bedeutenden  Lepraforscher  wie 
Zambaco-Pascha  demonstrirt,  unterstützte  also  meine  Hy- 
pothese, aber  sie  ist  nicht  absolut  überzeugend. . 

In  der  That,  man  kann  der  von  mir  1884 — 1885  ausge- 
sprochenen Theorie  dasselbe  voi'werfen,  was  Besnier  und 
Vidal  1892  Zambaco-Paschagelegenthchseiner  Arbeit  über 
die  Lepra  in  der  Bretagne  gesagt  haben:  „Wir  fordern  den 
materiellen  Beweis  der  Ideen  des  Henn  Zambaco  in  Gestalt 
der  Leprabacillen.  Diese  müssen  so  genau  als  möglich  nachge- 
wiesen werden,  so  dass  kein  Zweifel  aufkommen,  kein  Einwand 
erhoben  werden  kann. 

Herr  Zambaco  bemüht  sich  jetzt  um  eine  der  interes- 
santesten Fragen  in  lebhafter  Weise ;  er  sucht  in  einem  ganzen 
Abschnitt  der  Geschichte  der  Medicin  eine  wahi*e  Umwälzung 
hervorzurufen.  Sein*  wichtig  ist  es,  dass  er  stricte,  wissen- 
schaftliche Beweise  für  das,  was  er  behauptet,  beibringt.  Für 
die  Ehrenrettung  seiner  verführerischen  Theorie  ist  es  nothwen- 
dig,  dass  er  uns  Lepra-Bacillen  bei  einem  einzigen  an  auto- 
chtoner  Lepra  in  der  Bretagne  erkrankten  Menschen  zeigt; 
dami  wird  er  einen  gewaltigen  Schritt  zu  dem  unumstösslichen 
Beweise,  wie  ihn  unsere  Periode  des  wissenschaftlichen  Positi- 
vismus fordert,  gemacht  haben." 

Ich  erlaube  mir  noch  auf  das  diagnostische  Capitel  meiner 
Abhandlung  über  die  Lepra  zu  vei"weisen,  wo  man  die  oft  bedeu- 
tenden Schwierigkeiten  der  Diagnose  dieser  Krankheit  hervor- 
gehoben findet.  Wenn  das,  was  ich  in  diesem  Capitel  gesagt 
habe,  und  was  ich  1889  in  den  Annales  de  Dermatologie  bei 
Gelegenheit    eines  Falles  meiner  Klinik,    der   von   meinem  In- 


Finden  sich  in  Frankreich  Spuren  der  alten  Lepra?  269 

teme  Baude*)  veröffentlicht  worden  ist  und  später  von 
Thibierge  der  Societe  medicale  des  Hopitaux^)  vorgeführt 
wurde,  gezeigt  habe,  dass  nämlich  die  Lepra  selbst  von  den 
gewi^testen  Aerzteu,  wenn  sie  sich  nicht  speciell  mit  derselben 
beschäftigt  haben,  verkannt  werden  kann,  so  ist  auch  das  Ge- 
gentheil  nicht  weniger  sicher,  dass  man  nämlich  an  die  Möglich- 
keit stets  denken  muss,  dass  grundverschiedene  Krankheiten 
mit  der  Lepra  zusammengeworfen  werden.  Und  das  gut  ganz 
besonders  für  die  Lepra  nervorum,  eine  wahre  specifische  Poly- 
neuritis, die  man  mit  sehr  vielen  Krankheiten  trophoneuroti- 
schen  Ursprungs  ganz  leicht  vei'wechseln  kann.  ^) 

Wie  ich  in  meiner  Abhandlung  über  die  Lepra  sagte, 
begreift  man  sehr  wohl,  dass  mit  der  Lepra  nervorum,  die  ja 
nichts  anderes  als  eine  specifische  Polyneuritis  ist,  sehr  viele 
Affectionen  nervösen  Ursprungs  verwechselt  werden  können. 
Aber  gerade  diese  Specifität  der  leprösen  Neuritis  bewirkt,  dass 
sie  in  ihrem  ganzen  Charakter,  in  ihrer  Entwicklung,  in  ihrer 
Vertheilung,  in  ihrer  Localisation  auf  gewisse  Nerven  etc.,  Eigen- 
schaften, welche  von  denen,  die  man  für  gewöhnlich  beobachtet, 
so  verschieden  sind  und  ein  so  specifisches  Gepräge  darbieten, 
dass,  im  Allgemeinen  wenigstens,  die  Diagnose  für  denjenigen, 
der  die  Lepra  nervoi-um  kennt,  leicht  sein  wird. 

Ich  fasse  meine  Ansichten  kurz  zusammen: 

1.  Wie  ich  für  den  Norden  und  für  Paris  1884—1885 
und  1892  Zambaco-Pascha  für  die  Bretagne  gezeigt  hat, 
kommen  in  Frankreich  noch  unbenannte  Krankheitsbilder  vor, 
welche  ausserordentlich  an  Lepra  erinnern. 

2.  Wie  ich  in  den  Jahren  1884 — 1885  und  Zambaco 
1892  ausgesprochen  hat,  liegt  die  Möglichkeit  vor,  dass  es  sich 


')  Bande.  Ein  in  Lille  beobachteter  Leprafall.  Annales  de  Derma- 
tologie. 1889. 

')  Thibierge.   Sociöte  Medicale  des  Hopitaux.  März  1891. 

•)  Man  darf  nicht  vergepsen,  dass  nicht  selten  die  Folgen  einer 
Erfrierung  an  den  Extremitäten  Bilder  von  Verstümmelungen  hervorrufen 
können,  welche  denen  der  Lepra  nervorum  im  höchsten  Grade  ähneln, 
Verstümmelungen,  wie  sie  Cedenat  in  seiner  schönen  Arbeit  über  die 
Erfrierungen  beschrieben  hat. 


270  Leloir. 

in  diesen  Fällen  um  mehr  weniger  entartete  Ueberreste  der 
alten  Lepra,  welche  im  Mittelalter  Frankreich  und  Europa  ver- 
heert hatte,  handelt. 

3.  Diese  Theorie  ist  verlokend,  verführerisch,  aber  sie 
han*t  noch  jenes  wissenschaftlichen  Beweises,  der  auf  einer 
Summe  von  genau  beobachteten  und  genau  beschriebenen  pa- 
thologisch-anatomischen und  bacteriologischen  Thatsachen  basirt 
wäre. 


BericM  üter  die  Leistunpn 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  und  Syphilis. 


Verliandlungen  der  Wiener  dermatologischen 

Gesellscliaft. 


Sitzung  Tom  26.  October  1898. 

Vorntzender:  Neu  mann.  Schriftfülirer :  Gehak. 

Neumann  zeigt  1.  eine  35jährige  Kranke  mit  Pemphigus  vegetans. 
Das  Leiden  besteht  seit  5  Monaten,  begann  an  der  r.  Wangenschleimhaut 
mid  wurde  von  mehreren  Aerzten  für  Syphilis  gehalten«  An  den  grossen 
Labien  und  den  Genitocruralfalten  umschriebene,  fleischrothe,  drusig  un- 
ebene, leicht  elevirte  Stellen  von  einem  macerirten  Epidermissaume  in  Form 
von  Schlangenlinien  begrenzt«  Am  Mons  veneris  hanfkomgrosse  Bläschen« 
Unter  dem  Nabel  eine  linsengrosse  nässende  Stelle,  an  deren  Peripherie 
abgehobene  Epidermis.  Unterhalb  der  tinken  Brustwarze  eine  thalergrosse, 
elevirte  Stelle  mit  Borken  belegt,  darunter  Wucherungen  und  an  der 
Peripherie  gleichfalls  in  serpiginöser  Form  sich  ausbreitende,  blasige 
Abhebungen  der  Epidermis.  An  der  Lippen-  und  Wangenschleimhaut 
schmutziggelbe  Exsudatmassen.  Aehnlich  afficirt  sind  Mund-  und  Augen- 
winkel, dieselben  rissig,  mit  geplatzten  Bläschen  versehen.  Am  weichen 
und  harten  Gaumen  an  vielen  Stellen  das  Epithel  abgeschilfert.  Die 
Zunge  geschwellt,  rissig,  am  Rande  excoriirte  Zahnabdrucke.  Blutbefund: 
85*/,  Hgb.  Rothe  Blutzellen  4,100.000,  weisse  16.000,  eosinophile  Zellen 
vermehrt,  der  Blaseninhalt  fast  vollständig  aus  solchen  bestehend. 

Das  charakteristische  Merkmal  gegenüber  nässenden  Papeln  ist  das 
Weiterschreiten  mit  einem  scharien  serpiginösen  Rande;  während  jene 
derbe  Wucherungen  darstellen,  liegt  hier  ein  weiches  Gewebe  vor.  Der 
FaU  ist  von  besonderem  Interesse,  weil  die  Krankheit  im  Initialstadium 
ist.  In  manchen  Fällen  findet  man  Efflorescenzen  bloss  an  der  Lippen- 
schleimhaut, auch  am  Rand  der  Labien.  Ich  erinnere  an  den  Fall  einer 
alten  Frau  mit  Efflorescenzen  am  Genitale,  die  ganz  wie  nässende  Papeln 
aussahen,  nur  schritt  die  Affection  serpiginös  weiter.  In  dem  ersten  von 
mir  beobachteten  Falle  waren  fleischrothe,  leicht  blutende  Stellen  in  der 
Achselhöhle  vorhanden ;  erst  nach  einigen  Tagen  zeigten  sich  am  Oberarm 
und  am  Genitale  einzelne  Blasen.    Die  grössten  Beschwerden  verursacht 


274  Verbandlungen 

die  afficirte  Mnnd-  und  Nasenschleimhaut,  das  Schlingen  ist  erschwert» 
Bei  einer  Affection,  wo  die  Blasen-Flüssigkeit  sich  so  rasch  zersetzt,  ist 
es  wohl  begreiflich,  dass  eine  Wacherang  des  PapiUarkörpers  entsteht.  Es 
ist  das  jetzt  der  9.  Fall,  den  ich  sehe;  in  dieser  Zahl  befanden  sich 
2  Manner  and  7  Weiber.    Der  Ausgang  war  stets  ein  letaler. 

Nobl  stellt  einen  Patienten  der  Abtheilang  Lang  vor,  der  vor 
einigen  Tagen  wegen  Geschwüren  an  den  Vorderarmen  das  Ambalatoriam 
der  Abtheilang  aufsuchte.  Lang,  der  den  Fall  gleich  zu  sehen  Grelegenheit 
hatte,  sprach  die  Ulcerationen  an  der  Streckseite  der  Vorderarme  als  durch 
Lioculation  entstandene  venerische  Geschwüre  an.  Bei  genauerer  Unter- 
suchung des  Patienten  stellte  es  sich  auch  heraus,  dass  er  mit  einer 
venerisch  ulcerirten  Sclerose  im  Solcus  behaftet  ist,  die  er  vor  vier  Wochen 
acquirirt  haben  will,  üeber  die  Provenienz  der  Greschwüre  an  den  Armen 
gibt  er  an,  dass  er  vor  vierzehn  Tagen  in  angeheitertem  Zustande  nach 
Hause  kommend,  in  eine  Glasscheibe  gefallen  sei  and  sich  hiebei  mehrfache 
tiefe,  stark  blutende  Schnittwunden  an  den  Vorderarmen  beibrachte.  Die 
mit  Essigwaschungen  behandelten  Verletzungen  sollen  bis  vor  acht  Tagen 
einer  normalen  Heilung  entgegen  gegangen  sein;  zu  jener  Zeit  bemerkte 
or  an  einzelnen,  der  noch  nicht  ganz  übemarbten  Verletzangen  eitrig  be- 
legte, geschwürige  Stellen,  die  rasch  progredient  wurden  und  innerhalb 
fünf  Tagen  ihre  heutige  Ausbreitung  erreichten. 

An  der  Streckseite  beider  Vorderarme  sieht  man  an  deren  unterem 
Drittheile  theils  zahlreiche  lineare,  noch  gerÖthete,  bis  7  Cm.  lange  Karben, 
Iheils  einzelstehende  and  einander  kreuzende  5  bis  7  Cm.  lange,  0*6  bis 
1*0  Cm.  breite  Ulcerationen  mit  wallartig  erhabenen,  gezackten,  leicht 
unterminirten  Rundem  und  eitrig  belegter,  höckerig  unebener  Basis,  die 
sich  bei  einzelnen  der  Ulcerationen  derb  anfühlt.  Die  meisten  der  (be- 
schwüre setzen  sich  in  1  bis  2  Cm.  lange,  lineare  Narben  fort,  die  in  der 
Richtung  der  Längsaxe  der  Ulcera  verlaufen  und  den  verheilten  Antheilen 
der  Verletzungen  entsprechen.  Die  Cubitaldrüsen  beiderseits  multipel  ge- 
sehwellt, rechts  stark  druckempfindlich.  Ausserdem  besteht  eine  massige 
Intumescenz  der  Achseldrüsen  beiderseits. 

2.  Eine  26jährige  Patientin,  bei  welcher  Prof.  Lang  wegen  eines 
mannsfaustgrossen,  vielfach  exulcerirten,  in  die  Muskulatur  hineinreichen- 
den Gummaknotens  an  der  linken  Wade,  Anfangs  Juni  1.  J.  die  Trans- 
plantation nach  Thiersch  vornahm.  Der  Beginn  des  Leidens  datirt  in 
das  Jahr  1891  zurück.  Juni  1891  war  Pat.  mit  papulösem  Exanthem,  Pa- 
peln am  Genitale,  Sclerosenresiduum  und  Plaques  an  den  Tonsillen  behaftet, 
gegen  welche  Erscheinungen  sie  local  and  mit  Injectionen  von  Hg.  sozo- 
jodolic.  (8  Inj.)  behandelt  wurde.  Schon  im  September  desselben  Jahres 
trat  Recidive  in  Form  multipler  Gummata  cutanea  auf.  Seither  recidivirten 
die  gummösen  Eruptionen  meist  in  zahlreichen  Nachschüben  fast  in  ununter- 
brochener Reihenfolge,  so  dass  sich  Patientin  mit  nur  geringen  Unter- 
brechungen seit  3  Jahren  in  Spitalsbehandlung  befindet.  Der  Abtheilung  war 
sie  neuerdings  Ende  April  1.  J.  wegen  eines  überfaustgrossen,  von  derben, 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  27o 

callösen  Rfindem  umsäumten,  vielfach  zerklüfteten  und  in  die  Muskulatur 
hinein  wuchernden  Gummaknoten  an  der  Innenfläche  der  linken  Wade 
zugewachsen,  der  trotz  einer  mehrere  Monate  hindurch  angewendeten  anti- 
luetischen Therapie  keinerlei  Heilungstendenz  zeigte.  Ausserdem  waren 
zerstreut  einzelne  bis  nuBsgrosse,  exulcerirte  Gummaknoten  an  der  Streck- 
seite desselben  Unterschenkels  und  in  der  Kniekehle.  Anfangs  Mai  wurde 
das  Gumma  in  Narcose  excochleirt,  der  12  Gm.  lange,  8*5  Cm.  breite  tind 
3  Cm.  tiefe  Defect  mit  Quecksilberoxydul-Gaze  bedeckt. 

Die  Plastik  wurde,  nachdem  sich  die  Basis  des  Substanzyerlustes 
mit  frischen,  üppig  aufschiessenden  Granulationen  bedeckt  hatte,  anfangs 
Juni  Torgenommen.  Die  Epidermislappen  entstammten  der  Aussenfläche 
des  r.  Unterschenkels ;  da  sich  auch  der  Unterschenkel  gleich  allen  anderen 
Körperregionen  vielfach  von  bis  thalergrossen  Narbenresiduen  früherer 
Gummen  eingenommen  erwies  (solche  konnten  bei  90  an  der  allgem.  Decke 
gezählt  werden),  so  war  die  Entnahme  der  Lappen  mit  einiger  Schwierig- 
keit verbunden  und  konnte  nur  mit  vielfacher  Umgehung  der  Narben  aus- 
geführt werden.  Nach  14  Tagen  waren  die  Lappen,  von  denen  keiner 
mortificirte  —  angelegt  und  nach  3  Wochen  konnte  Patientin  bereits  mit 
einer  Flanellbandage  herumgehen.  Seither  sind  vier  Monate  verstrichen 
und  sind  an  der  consolidirten  derben  Ueberkleidung  des  faustgrossen 
Defectes  keinerlei  Veränderungen  wahrzunehmen,  obgleich  Patientin,  die 
viel  Bewegung  macht,  sich  keinerlei  Verbandes  bedient.  Gegenwärtig  st.eht 
Patientin  wegen  eines  bereits  in  Verheilung  begriffenen  Infiltrats  an  der 
Stime  in  Behandlung. 

Lang  bemerkt  zu  dem  1.  Falle,  dass  es  der  Zeit  nach  ganz  gut 
möglich  wäre,  dass  es  sich  hier  nicht  um  blosse  venerische  Ulcerationen, 
sondern  um  Sclerosenentwicklung  handle.  Dies  wird  ja  die  weitere  Be- 
obachtung entscheiden.  Zu  dem  Falle  2.  fährt  L.  aus,  dass  der  Fall  den 
Nutzen  eines  chirurgischen  Eingriffs  unter  diesen  Umständen  deutlich  de- 
monstrirt.  Wenn  man  hier  nicht  chirurgisch  vorgegangen  wäre,  so  hätte 
sich  der  locale  Process,  wer  weiss  wie  lange  noch,  fortgeschleppt  und  man 
hätte  eine  unbrauchbare  Narbe  bekommen.  Das  gummöse  Infiltrat,  das 
bis  an  die  Muskelmasse  heranreicht,  hätte  für  die  Heilung  ungünstige 
Verhältnisse  dargeboten,  wenn  nicht  chirurgisch  vorgegangen  worden  wäre. 
Allerdings  ist  durch  die  chirurgische  Behandlung  die  Patientin  nicht  von 
ihrer  Syphilis  befreit  worden. 

Schiff  hat  voriges  Jahr  einen  Fall  von  ausgebreiteter  Ulceration 
d«s  Unterschenkels  erwähnt,  den  Gersuny  auf  seine  Veranlassung  in 
dieser  Weise  behandelte;  die  Hautlappen  wurden  vom  Oberschenkel  ge- 
nommen. Seit  '/,  Jahren  ist  keine  Recidive  eingetreten.  Anlässlich  dieses 
günstigen  Resultates  hat  Seh.  noch  andere  Transplantationen  unternommen 
u.  zw.  bei  Scrophuloderma  an  jugendlichen  Individuen.  Alle  Transplanta- 
tionen sind  glänzend  gelungen. 

Neumann.  Die  Kranke  bekam  an  meiner  Klinik  146  Einreibungen. 
Bei  ihrer  Demonstration  bemerkte  ich  schon  damals,  dass  bisweilen  eine 
Uebersättigung  des  Blutes  mit  Quecksilber  eintritt,  wobei  stets  ein  Stillstand 


276  Verbandlungen 

im  Krankheitsverlaofe  eintritt.  Während  bei  dieser  Patientin  alle  anderen 
Gesebwftre  schon  verheilt  waren,  blieb  immer  noch  das  Geschwür  am 
Unterschenkel  bestehen.  In  diesem  Zustande  machte  damals  die  Patientin 
einen  Selbstmordversuch  und  musste  auf  die  psychiatrische  Klinik  trans- 
ferirt  werden.  Ich  freue  mich,  jetzt  zu  sehen,  dass  durch  die  Trans- 
plantation dieses  tiefe  Geschwür  so  schön  vernarbt  ist.  Doch  ist  den  Re- 
cidiven  noch  immer  nicht  Einhalt  geboten. 

Kaposi.  1.  Anknüpfend  an  die  Demonstration  des  kleinen  Knaben 
in  der  letzten  Sitzung,  der  eine  acute,  seit  S — 4  Wochen  bestehende  Erup- 
tion interessanter  Art  darbot,  machte  ich  auf  eine  Patientin  aufmerksam, 
bei  der  ähnliche  Knötchen  entstanden  waren,  wo  aber  die  AnfSuigsforn^en 
mit  den  linsen-  bis  pfenniggrossen,  in  der  Mitte  blaurothen  Knötchen  nicht 
demonstrirt  werden  konnten.  Die  Frau  war  viele  Monate  an  der  Klinik. 
Wir  konnten  sowohl  die  physiologische  als  die  durch  örtliche  applicirt« 
Mittel  herbeigeführte  Involution  beobachten ;  lange  Zeit  konnten  die  Ge- 
fasse  ihren  Tonus  nicht  wieder  erlangen.  Wir  gaben  ihr  an  der  Klinik 
Arsenik  und  riethen  ihr  beim  Verlassen  derselben,  das  Mittel  draussen 
fortzusetzen.  Jetzt  zeigt  sich  an  den  Armen  und  Beinen  ganz  das  Bild 
einer  im  Ablaufe  begriffenen  Psoriasis  oder  eines  Eczema  squamosum.  Von 
eigentlichen  EfHorescenzen  ist  nichts  zu  sehen,  dagegen  sieht  man  über 
der  1.  Mamma  und  über  dem  Stemum  noch  immer  den  Follikeln  ent- 
sprechende, da  und  dort  figurirte,  unter  dem  Fingerdruok  abblassende 
Knötchen;  man  wird  an  das  Bild  eines  Liehen  ruber  erinnert.  Erwägt 
man  aber,  dass  von  vornherein  die  Sache  nicht  so  aussah,  sondern  dass 
nach  und  nach  aus  den  einzelnen  EfHorescenzen  pfenniggrosse,  im  Gentrum 
cyanotische  Herde  entstanden,  so  muss  man  an  dem  Typus  des  Erythems 
festhalten.  Dazu  treten  immer  noch  schwielige  Verdickungen  an  der  Epi- 
dermis der  Ilachhand  und  Fusssohle.  Diese  Fälle  kann  ich  mir  nicht  gut 
deuten.  Ich  beziehe  mich  abermals  auf  den  Fall  des  Selcherjungen,  der 
mehrere  Monate  brauchte,  bis  er  gesund  wurde,  wobei  ebenfalls  die  Epi- 
dermisanhäufung  so  mächtig  war  und  der  Process  erst  in  der  letzten  Zeit 
sich  rückbildete.  Die  Sache  schien  mir  bei  der  Frau  auf  Arsenik  rasch 
gut  zu  werden,  dasselbe  war  bei  dem  in  der  letzten  Sitzung  demonstrirten 
Kinde  der  P^all,  dem  ein  consultirter  Arzt  Sol.  Fowlers  gab.  Ich  erinnere 
mich  dabei  an  ein  Kind,  das  viele  Monate  bei  uns  lag,  zu  Hause  schon 
ein  Jahr  krank  war ;  dasselbe  zeigte  gar  keine  Efflorescenzen,  nur  Desqua- 
mation. Ich  erinnere  femer  an  die  von  Besnier  beschriebenen  Formen 
von  „Erythrodermie".  Diese  Formen  entstehen  acut,  lassen  den  Typus  des 
Erythems  erkennen  und  schreiten  sehr  rasch  diffus  fort.  Die  Erscheinungen 
wechseln  ausserordentlich  rasch.  Zum  totalen  Ablauf  des  Processes  braucht 
es  aber  meist  Wochen  und  Monate. 

Anknüpfend  an  diese  Fälle  möchte  ich  2.  einen  Fall  von  allgemeiner 
Psoriasis  demonstriren  mit  intensiver  Affection  der  Flachhand  und  Fuss- 
sohle. Die  Epidermis  ist  noch  immer  gespannt,  zeigt  gleichmässige  Röthung. 
An  den  Extremitäten  nimmt  die  ödematöse  Schwellung,  die  so  intensiv 
war,    dass   man   von   einer  Application    der   gewöhnlichen  Mittel  absehen 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  277 

musste,  allmälig  ab.  Während  wir  früher  mit  erweichenden  und  Comprcs- 
fliwerbänden  vorgehen  mussten,  ist  der  Pat.  jetzt  so  weit  gekommen,  dass 
wir  schon  abwechselnd  Ol.  Rusci,  Wilkinson,  Pyrogallus  anwenden  können. 
An  den  Händen,  an  denen  er  seit  einigen  Tagen  Kautschukhandschuhe 
trägt,  fangt  jetzt  erst  die  Epidermis  an,  sich  zu  maceriren,  so  dass  erst 
jetzt  etwas  Beweglichkeit  möglich  ist.  In  solchen  Fällen  kann  man  eben  nicht 
nach  der  Schablone  vorgehen,  man  muss  wechseln  nach  dem  momentanen 
Effect.  Ich  erinnere  mich  an  einen  Kranken,  der,  so  oft  er  ein  erweichen- 
des Pflaster  auflegte,  sofort  eine  Dermatitis  bekam.  Bei  unserem  Pat.  sind 
die  Hände  jetzt  leichenblass,  kalt,  nur  hie  und  da  sieht  man  einen  rothen 
Strich.  An  einzelnen  Stellen  ist  die  Schwiele  noch  so  dick,  dass  man  einen 
Finger  hineinlegen  kann.  Die  Schwiele  übt  selbst  eine  Compression  aus, 
so  dass  die  Circulation  behindert  ist. 

Hebra  macht  auf  eine  Beobachtung  aufmerksam,  die  er  in  zwei 
Fällen  machen  konnte,  die  allerdings  schon  vor  15  Jahren  gemacht,  aber 
seitdem  nicht  beachtet  wurde,  nämlich  auf  den  Einfluss  des  Arseniks  auf 
Schwielen  der  Vola  und  Planta.  Er  erinnert  an  den  Fall  der  Lehrers- 
tochter mit  Schvrielen  an  Handfläche  und  Fusssohle,  wo  allerdings  der 
Process  mit  Hyperhydrosis  in  Zusammenhang  gebracht  wurde,  ohne  dass 
jedoch  eine  sichere  Ursache  nachgewiesen  werden  konnte.  Voriges  Jahr 
anlässlich  des  CJongresses  sah  College  Pringel  diesen  Fall  an  H.^s  Abthei- 
lung und  bezeichnete  die  Schwielenbildung  als  Folge  der  Arsenikmedication, 
bereits  Wilson  habe  diese  Beobachtung  gemacht.  Seit  ungefähr  einem 
Jahr  wird  nun  der  Arsenik  ausgesetzt  und  der  Zustand  hat  sich  so  we- 
sentlich gebessert,  dass  H.  wirklich  nicht  mehr  zweifelt,  dass  der  Arsenik 
die  Ursache  der  Schwielenbildung  war.  Die  Hände,  früher  schiefergrau 
und  mit  zahlreichen  grossen  Warzen  bedeckt,  wurden  immer  blasser,  die 
Schwielen  kleiner.  Vor  einigen  Monaten  gab  H.  einem  Patienten  aus  einem 
anderen  Grunde  Sol.  fowleri.  Schon  nach  6  Wochen  klagte  er  über  Schmerzen 
in  den  Fusssohlen  und  erschwertes,  ja  unmögliches  Gehen.  Die  Sol.  fowleri 
wurde  ausgesetzt  und  binnen  8  Tagen  war  das  Gehen  wieder  möglich, 
nach  weiteren  8  Tagen  hatten  die  Schmerzen  aufgehört.  Salicylpflaster 
hatte  gar  keinen  Erfolg.  Gerade  die  Hartnäckigkeit  der  Schwielen  gegen- 
über jeder  Behandlung,  wie  sie  Kaposi  erwähnte,  hat  H.  den  von  ihm 
entwickelten  Gedanken  nahegelegt. 

Kaposi  führt  aus,  dass  man  ja  Psoriatische  und  Ekzematöse  sieht, 
die  enorme  Schwielen  an  Flachhand  und  Fusssohle  zeigen,  ehe  sie  Arsenik 
genommen ;  ja  man  findet  dies  überhaupt  in  allen  Fällen  mit  chronischer 
Hyperämie  mit  oder  ohne  gleichzeitige  Exsudation.  Ueber  die  Möglichkeit 
einer  solchen  Wirkung  des  Arseniks  will  K.  gar  keine  Meinung  äussern. 
Immer  aber  ist  eine  so  mächtige  Schwielenbildung  motivirt  durch  die  von 
Haus  aus  mächtige  Epidermis,  die  sich  schlecht  abhebt,  wie  man  dies 
deutlich  bei  Variola  sieht.  Es  wäre  ja  interessant,  wenn  eine  weitere  Reihe 
von  Beobachtungen  für  die  geäusserte  Anschauung  Anhaltspunkte  liefern 
sollte.    Bei  der  von  Hebra  angeführten  Patientin  könnte  ja  auch  die  all- 

ArehW  f.  Dertnatol.  v.  Syphil.  Band  XXVI.  29 


278  Verhandlungen 

gemeine  Ernährung  eine  solche  Besserung  erfahren  haben,  dass  die  Hyper- 
hidrosis geschwunden  ist. 

Hebra.  Jeder  von  uns  kennt  ja  die  Fälle  von  Hyperhidrosis,  die 
entweder  von  selbst  aufhören  oder  einen  grossen  Theil  des  Lebens  dauern, 
absolut  oder  gar  nicht  schwinden,  aber  nie  mit  Schwielenbildung  einher- 
gehen. Er  möchte  also  die  Schwielenbildung  und  die  Hyperhidrosis  nicht 
zusammenwerfen.  Wenn  aber  auf  Darreichung  von  Arsenik  eine  Schwielen- 
bildung auftritt,  die  nach  Aussetzen  des  Mittels  wieder  schwindet,  so  ist 
das  wohl  auffallend  genug.  Natürlich  wird  sich  erst  bei  einem  grossen 
Beobachtungsmaterial  ein  Schluss  ziehen  lassen. 

Neumann.  Jedenfalls  wäre  es  etwas  Neues,  dass  durch  das  Arsen 
eine  Verdickung  der  Epidermis  herbeigeführt  wird.  Bis  jetzt  wissen  wir 
nur,  dass  der  Arsenik  eine  Verdünnung  der  Epidermis  bewirkt,  die  sich 
schon  nach  6—8  Wochen  einstellt.  Wir  müssten  uns  hier  die  Wirkung 
in  der  Art  vorstellen,  dass  der  Arsenik  an  der  Ausscheidungsstelle  eine  Hy- 
perämie hervorruft,  die  allerdings  bei  etwa  vorhandener  Schwielenbildung 
subjective  Erscheinungen  hervorruft. 

Ehrmann.  Diese  Wirkung  des  Arsens  hängt  gewiss  auch  von  dem 
betreffenden  Individuum  ab.  In  dieser  Beziehung  möchte  er  auf  den  Ein- 
fiuss  des  NerveiiHystems  hinweisen.  Es  ist  ja  bekannt,  dass  Clavi  und 
Hyperkeratosis  an  Flachhand  und  Fusssohle  mit  gewissen  Nervenkrank- 
heiten zusammenhängen  können.  Er  führt  diesbezüglich  einen  Fall  von 
Tabes  mit  folgender  Demenz  aus  seiner  Erfahrung  an.  Bei  gewissen  Leuten 
könnte  ja  durch  das  Arsen  die  Innervation  herabgesetzt  und  durch  seinen 
Einfluss  auf  die  graue  Axe  des  Rückenmarks  leichter  solche  Hyperkeratosen 
liervorgerufen  werden. 

Neu  mann  zeigt  2.  eine  37jährige  Frau  mit  Gummata  cutanea 
nasi,  bisher  unbehandelt.  Am  rechten  Stimhöcker  ein  kreuzergrosses,  an 
der  Nasenwurzel  ein  thalergrossos  Geschwür  mit  infiltrirtem  steilem,  kupfer- 
rothem  Rande,  das  Centrum  vertieft,  drusig  uneben.  Am  Genitale  Narben 
nach  Papeln. 

3.  und  4.  Zwei  Madchen,  beide  Virgines  intactae,  in  der  Entwick- 
lung zurückgeblieben.  Das  eine  Mädchen  zeigt  Gummata  pharyngis  und 
Narben  nach  Keratitis  interstialis.  Die  Uvula  und  ein  Theil  des  weichen 
Gaumens  fehlen,  die  hinteren  Gaumenbögen  theils  zerstört,  theils  mit  der 
hinteren  Rachenwand  verwachöon.  An  der  letzteren  ein  fast  g^nUenstück- 
grosses,  mit  drusig  unebenen  Wucherungen  versehenes,  graugelb  belegtes 
Geschwür.  An  den  Oberschenkeln  longitudinale  Narbenzüge,  dieselben  nicht 
weiter  charakteristisch;  das  andere  hat  Gummata  cruris  und  antibrachii 
in  Gruppen  stehend.  Trotzdem  an  den  Grenitalien  keine  Spur  eines  Primär- 
affectes  nachzuweisen  ist,  kann  man  doch  nicht  von  Syphilis  hereditaria 
tarda  sprechen,  weil  man  zu  diesem  Behufe  erst  die  Eltern  kennen  und 
die  Kinder  von  der  Geburt  an  beobachten  muss.  Daher  gelingt  der  Nach- 
weis der  Syphilis  tarda  nur  in  den  wenigsten  Fallen,  die  Möglichkeit  einer 
«oloboii  ist  allerdings  nicht  auszuschliessen. 


der  Wiener  dermatologi sehen  Gesellschaft.  279 

Neumann  zeigt  5.  einen  SOjähr.  Mann  mit  Onychia  syphilitica  an 
einzelnen  Fingern  beider  Hände.  Primäraffect  im  J.  1889. 

6.  Einen  27jähr.  Kranken  mit  Sclerose  und  frischem,  maculösem 
Syphilid.  Derselbe  zeigt  femer  an  den  Unterschenkeln  hanfkomgrosse, 
schuppende  und  mit  dunklen  Borken  belegte,  in  Gruppen  gestellte  EfHo- 
rescenzen  von  braunrother  Farbe,  die  namentlich  ihrer  Färbung  und  Grup- 
pirung  wegen  anfanglich  als  Gummata  cutanea  imponirten  und  somit  den 
Gedanken,  es  könne  sich  um  eine  Reinfection  handeln,  nahelegten,  wo 
neben  frisch  acquirirter  Syphilis  noch  tertiäre  Erscheinungen  bestanden. 
Bei  weiterer  Beobachtung  erwiesen  sich  jedoch  diese  schuppenden  Efflo- 
rescenzen  als  solche  von  Psoriasis  vulgaris. 

7.  Eine  69jähr.  Taglöhnerin,  mit  einem  ausgebreiteten  Lupus  vul- 
garis papillaris  hypertrophicus  am  1.  Fussräcken.  Der  Fall  ist  ferner  auch 
wegen  des  Auftretens  dieser  Affection  in  einem  so  hohen  Lebensalter  von 
Interesse.  Das  Leiden  besteht  seit  2  Jahren. 

Kaposi  berichtet  über  einen  von  ihm  in  der  vorigen  Sitzung  zuletzt 
demonstrirten  Kranken.  Einige  Tage  hindurch  traten  ähnliche  Eruptionen 
auf  in  Form  von  lebhaft  rothen,  fast  durchwegs  länglichen  Knötchen ;  aus 
vielen  bildeten  sich  ubererbseugrosse,  mit  wasserheller  Flüssigkeit  gefüllte 
Blasen,   einzelne  mit  hämorrhagischer  Beimischung,   einige  getrübt.     Wo 
grössere  Blasen  sassen,  wie  in  der  Regio  inguinalis,  trat  Necrose  ein,  die 
necrotischen  Massen  stiessen  sich  ab  und  Hessen  eine  sehr  schön  scharf- 
randig  begrenzte  Fläche  mit  rothen  Granulationen  zurück,  die  an  vielen 
Stellen  sich  überhäutete.    An  vielen  Stellen  waren  die  Blasendecken  mit 
dem  Inhalt  zu  flächenförmigen  Borken  vertrocknet,  andere  Knötchen  per- 
sistirten  mehrere  Tage  oder  wurden  blässer.    Am  folgenden  Tage  Einhül- 
lung in  nasse  Tücher.    Die  Entzündungserscheinungen  Hessen  zwar  rasch 
nach,  bald  aber  stieg  die  Temperatur  wieder  auf  40°  und  darüber,  schwankte 
immer  zwischen  39*  und  40°.    Auf  der  Zunge  Epithelabschürfungen,  aber 
keine  Necrose,  kein  tieferer  Substanzverlust.  Aus  dem  wasserheUen  Bläs- 
cheninhalt entnahm  Spiegier  Proben,  um  Culturen  anzulegen.  Grub  er 
meinte,  die  Affection  erinnere  ihn  an  Rotz.  Meteorismus  trat  auf,  Erbre- 
chen, Singultus,  Exitus  letalis.  Bei  der  Obduction  (von  Kolisko  ausgeführt) 
fanden  sich  die  inneren  Organe  vollständig  normal.    Die  angelegten  Cul- 
turen  ergaben   das   Vorhandensein   von    kurzen,   breiten   Bakterien,    die 
G ruber  nicht  classificiren  konnte.    An  dem  FaU  ist  also  bis  jetzt  alles 
unklar.    K.  hat  in  seinem  Leben  etwas  ähnliches  weder  gesehen  noch  in 
der  Literatur  gelesen.  Der  Eindruck  einer  schweren  Krankheit,  an  der  der 
Kranke  zu  Grunde  gehen  könnte,  habe  sich  ihm  von  Anfang  an  aufgedrängt. 

Lang  hatte  daran  gedacht,  ob  der  Kranke  nicht  Alkoholiker  und 
daher  zu  Hämorrhagien  disponirt  gewesen  sei.  In  solchen  Fällen  müsse 
man  immer  an  Sepsis  oder  an  eine  ConstitutionsanomaHe  denken. 

Kaposi  bemerkt,  dass  die  Hämorrhagien  ja  kein  so  aufifaUendes 
Symptom  waren. 

Nenmann.  Nachdem  längere  Zeit  papulöse  EfQorescenzen  neben 
Pusteln    und   gangränösen    Stellen   bestanden,   ist   der  Fall    ein  ünicum. 

19* 


280  Verhandlungen 

Er  erinnert  an  Fälle,  die  Stokes  beschrieben,  wo  Blasen  mit  hämorrha- 
gischem Inhalt  bei  Kindern,  namentlich  solchen,  die  an  Tussis  convulsiva 
leiden,  an  der  Haut  des  Eanne»,  in  der  Gegend  des  Proc.  mastoideus  ent- 
stehen; dieselben  vertrocknen,  die  Kruste  fallt  ab,  darunter  sieht  man 
Geschwüre,  die  aussehen  wie  syphilitische.  Ferner  kommen  bei  Kindern 
mit  Impetigo  gangränosa  vorerst  Blasen,  Pusteln,  die  nach  wenigen  Stun- 
den vertrocknen  und  nach  Abfallen  der  Krusten  tiefe  (beschwüre  zeigen. 
Kaposi  demonstrirt  3.  einen  Kranken  mit  Lupus.  An  der  Unter- 
lippe ein  lochförmiger,  mit  Krusten  bedeckter  Substanzverlust.  Man  hätte 
an  Syphilis  oder  Neubildung  denken  können.  Jetzt,  nachdem  die  Krusten 
entfernt  und  durch  Compressiwerband  die  complicirende  Infiltration  ge- 
schwunden ist,  die  Lippe  flach  erscheint,  tritt  das  fungöse  Gewebe  zu  Tage. 
Am  harten  Gaumen  ein  paar  Lupusknötchen.  Der  Fall  ist  deshalb  schwerer 
zu  diagnosticiren,  weil  in  der  Nachbarschaft  keine  Veränderungen  mit 
den  Charakteren  des  Lupus  zu  sehen  sind. 

4.  Eine  Frau  mit  einer  Sclerose  an  der  Oberlippe  und  einer  Roseola 
syphilitica. 

5.  Eine  Frau  mit  4  Gummata  cutanea  an  der  Lippe  als  Recidivform. 
Im  vorigen  Jahr  Syphilis. 

6.  Einen  Mann  mit  einem  flachen  Epitholialcarcinom  an  der  ünter- 
lippo  in  Form  von  3  isolirten  Herdon. 


Verliandlungeii  der  Berliner  dermatologischen 

Vereinigung. 


Sitzung  vom  4.  Juli  1893. 

Vorsitzender:  Lew  in.    Schriftführer:  Rosenthal. 

i.  Gebert  stellt  aus  der  Klinik  Blas chko's  einen  Fall  von  eigen- 
artiger Geschwnlstbildung  am  linken  Unterschenkel  und  in  geringem 
Grade  auch  am  rechten  Unter-  und  Oberschenkel  vor.  Es  handelt  sich 
um  einen  65jährigen  Arbeiter,  der  bis  vor  5  Jahren  gesund  war.  £r 
verspürte  damals  am  linken  Unterschenkel  oberhalb  des  Malleolus  int. 
starkes  Jucken.  An  dieser  Stelle  bildete  sich  eine  Geschwulst,  die  sich 
langsam  vergrössert  hat.  Auch  am  anderen  Unterschenkel  hat  sich  später 
die  gleiche  Affection  entwickelt.  Es  handelt  sich  dabei  um  eigenthüm- 
liche,  z.  Th.  warzig  zerklüftete  kleine  Geschwülste,  die  an  der  Innenseite 
der  betreffenden  Extremitäten  sitzen  und  stark  geschlängelten  Venen 
folgen.  Dieselben  sind  z.  Th.  von  einem  lichenartigen  Ekzem  umge))en, 
und  erreichen  die  Höhe  von  1 — 2  Ctm.  Die  meiste  Aehnlichkeit  haben 
sie  mit  gewöhnlichen  Warzen,  von  denen  sie  indessen  der  mikroskopische 
Bau  deutlich  unterscheidet.  Denn  während  diese  hauptsächlich  die  epi- 
thelialen Gebilde  betreffen,  handelt  es  sich  hier  um  ein  Tumorgewebe, 
welches  grösstentheils  in  der  Cutis  liegt.  Dasselbe  besteht  aus  deutlichen 
bindegewebsförmigen  Zellen  mit  länglichem  Kern  und  ist  an  manchen 
Stellen  mit  Rundzellen  durchsetzt.  Aehnlichkeit  hat  das  Bild  mit  dem 
von  Leichentuberkeln  und  Tuberculosis  verrucosa  cutis,  doch  unterscheidet 
es  sich  durch  das  Fehlen  eines  entzündlichen  Hofes  und  den  Mangel  au 
Eiteransammlung.  Was  das  Verhältniss  des  lichenartigen  Ekzems  zu  den 
Tumoren  betrifft,  so  fragt  es  sich,  welche  von  beiden  Affectionen  die 
primäre  ist.  Wahrscheinlich  sind  die  Warzen  das  primäre  und  das 
Ekzem  das  secundäre,  es  könnte  sich  aber  auch  um  einen  Liehen  verru- 
cosus handeln.  Sehr  ähnlich  ist  die  Affection  demjenigen  Bilde,  das 
Kaposi  unter  dem  Namen  Liehen  monileformis  beschrieben  hat,  und 
möchte  G.  ev.  diesem  Namen  noch  die  Bezeichnung  verrucosus  hinzufügen. 

n.  Palm  stellt  ein  Kind  mit  einem  doppelseitigen  Herpes  zoster 
des  3.  Trigeminusastes  vor,  der  sich  am  zweiten  Tage  einer  Angina  folli- 
cularis plötzlich  innerhalb  weniger  Stunden  unter  heftigem  Brennen  ent- 
wickelt hat.  Dass  der  Herpes  zoster  in  der  Nachbarschaft  von  erkrankten 
Organen  vorkommt,  ist  bekannt;   ob  das  in  dem  vorgestellten  Falle  ein- 


282  Verhandlungen 

trifft  oder  ob  der  Zoster  und  die  Angina  gleiche  Ursachen  haben,  ist  nicht 
zu  emiren. 

m.  Femer  stellt  Palm  ein  6  Monate  altes  Kind  vor  mit  einem 
sehr  ausgebreiteten  Naevus  pigmentosus,  der  sich  Tom  untern  Theil  des 
Rückens  bis  zum  Hinterkopf  hinauf  erstreckt.  Auch  auf  der  Stirn  finden 
sich  einige  Flecke.  Die  Schleimhäute  sind  bisher  frei  geblieben.  Die  Mutter 
behauptet,  dass  die  Affection  bei  der  Geburt  entstanden  ist.  Das  Kind 
ist  sonst  vollkommen  gesund. 

lY.  Rosenthal  stellt  den  Fat.  mit  Dermatitis  herpetiformis  vor, 
von  dem  er  bereits  in  der  vorigen  Sitzung  gesprochen  hat.  Es  handelt 
sich  um  einen  23jährigen  Kaufmann,  der  im  Alter  von  2 — 3  Jahnen  eine 
Gehirnentzündung  und  später  einen  Darmcatarrh  durchmachte.  Vor  5 
Jahren  bemerkte  er  im  Anschluss  an  einen  Anfall  von  Diphtherie  einen 
juckenden  Ausschlag  im  Gesicht,  der  sich  allmälig  über  den  ganzen 
Körper  ausbreitete  und  in  häufigen  Intervallen  wiederkehrte.  Fat.,  der 
inzwischen  vielfach  behandelt  ist,  befindet  sich  seit  dem  26.  Mai  in  der 
Klinik  R's.  Er  zeigte  damals  auf  dem  Körper  vielfache,  in  kleinen  Herden 
und  segmentartig  angeordnete  Efflorescenzen  von  polymorpher  Form,  ery- 
.thematös,  papulös  und  vesiculös,  zwischendurch  auch  viele  Krusten, 
die  daher  rührten,  dass  Fat.  sich  in  Folge  eines  starken,  die  Kachtruhe 
störenden  Juckreizes  intensiv  kratzte.  Zwischendurch  bestanden  auf 
der  Haut  tiefe  Figmentationen,  welche  den  Beweis  lieferten,  dass  Fat.  seit 
Jahren  an  einer  Hautaffection  leidet.  Der  Ausschlag  erstreckte  sich 
ziemlich  gleichmässig  vom  Scheitel  bis  zu  den  Zehen;  am  meisten  be- 
fallen waren  Bauch  und  Rücken.  Fat.  wurde  mit  Antipyrin  behandelt, 
das  entschieden  den  Juckreiz  verminderte,  nebenbei  mit  Salben,  z.  B. 
Salicylvaselin,  er  hat  Theerbäder  bekommen  und  in  letzter  Zeit  vielfach 
geschwitzt.  Der  Frocess  ist  jetzt  in  der  Abnahme,  das  Gesicht  ist  fast 
vollkommen  frei.  Alle  Erfordernisse  für  eine  Dermatitis  herpetiformis 
treffen  bei  dem  vorgestellten  Kranken  zu:  1.  die  polymorphe  Gestalt  des 
Ekzems,  2.  der  heftige  Juckreiz,  der  sich  über  den  ganzen  Körper  erstreckt, 
3.  die  lange  Dauer,  die  durch  häufige  freie  Intervalle  unterbrochen  wird 
und  4.  das  sonstige  gute  Allgemeinbefinden. 

V.  Lewin  stellt  einen  Fat.  vor,  der  sich  i.  J.  1882  eine  Sclerose 
zugezogen  und  nachher  mehrere  Guren  durchgemacht  hatte.  Jetzt  zeigt 
Fat.  auf  der  Stirn  ein  Gummi,  das  seit  angeblich  drei  Jahren  besteht  und 
besonders  in  letzter  Zeit  gewachsen  und  ulcerös  zerfallen  ist.  Bemerkens- 
werth  ist,  dass  man  beim  Betasten  eine  tiefe  Impression  und  einen  her- 
vortretenden, knochigen  Rand  fühlt,  die  von  einer  sog.  Caries  sicca  herrühren. 
L.  hat  dieselbe  bisher  nur  an  der  Stirn  beobachtet.  Er  glaubt,  dass  die 
Atrophie  des  Knochens  durch  das  Verhältniss  der  Tabula  ext.  zur  Tabula 
int.  hervorgerufen  wird.  Femer  zeichnet  sich  der  Fall  durch  eine  voll- 
kommene Atrophie  der  Zungenbalgdrüsen  aus.  Wenn  man  mit  dem 
Finger  untersucht,  so  fühlt  man  am  Rande  der  Epiglottis  eine  deutliche 
Narbe,  die  auf  einem  kleinen  Defect  sitzt.  Nebenbei  besteht  eine  ge- 
wisse   Anästhesie    der    hinteren    Fharynxwand    und    der    Zungen wurzel. 


der  Berliner  dermatologischen  Voreinigunpr.  283 

Diese  letztere  Eigenthümlicbkeit  findet    man   gewöhnlich  nur   bei  Hy- 
sterischen. 

Mankiewicz  fuhrt  in  Bezug  auf  die  letzte  Bemerkung  des  Vor- 
tragenden an,  dass  er  sich  die  Mühe  genommen  hat,  das  gesanimtc  ihm 
zugängliche  Erankenmaterial  zu  untersuchen,  und  gefunden  hat,  dass  man 
gerade  bei  Leuten,  die  als  nervös  gelten,  den  Spiegel  häufig  bis  an  die 
hintere  Rachenwand  drücken  kann,  ohne  dass  sie  die  Empfindung  von 
einem  Fremdkörper  haben.  Also  nicht  nur  bei  hysterischen,  sondern  auch 
bei  nervösen  Personen  gelten  diese  Erscheinungen. 

Lewin  betont,  dass  es  möglich  ist,  dass  dieses  Symptom  durch 
Druck  auf  den  Glosso-Pharyngeus  entsteht. 

Lassar  bemerkt,  dass  er  einen  Fall  von  Caries  sicca  des  Os 
parietale  beobachtet  hat. 

VI.  L  e  w  i  n  stellt  einen  Kutscher  aus  gesunder  Familie  vor,  welcher 
selbst  immer  gesund  gewesen  ist  und  nur  seit  der  Kindheit  an  linsengrossen 
Pigmentflecken  gelitten  hat.  Vor  5  Jahren  begann  einer  dieser  Flecke  am 
Thorax  grösser  zu  werden ;  derselbe  wurde  vor  bald  zwei  Jahren  exstirpirt. 
Der  Tumor  ist  aber  nachher  vrieder  gewachsen.  Derselbe  ist  leicht  blutend, 
champignonartig  und  zeigt  eine  bläuliche  Verfärbung.  In  der  rechten 
Achselhöhle  besteht  eine  deutliche  Metastase ;  die  Axillardrüsen  sind  höher 
gelegen  und  fühlbar.  Es  fragt  sich,  ob  es  sich  um  ein  Sarcom  oder  ein 
Carcinom  handelt.  Das  mikroBkopische  Bild  spricht  eher  für  das  ersterc 
als  für  das  letztere,  mit  Bestimmtheit  gibt  dasselbe  aber  über  diese  Frage 
keine  Auskunft;  nur  enthält  es  sehr  viel  Pigment,  wie  es  gerade  bei  Sar- 
comen  vorkommt.   Der  Pat.  wird  subcutan  mit  Arsenik  behandelt. 

L.  zeigt  im  Anschluss  daran  zwei  Abbildungen,  von  denen  die  eine 
einen  Kranken  mit  multiplen  Pigmentsarcomen  darstellt.  Es  entstanden 
bei  demselben  zuerst  Flecke,  die,  wenn  man  sie  untersuchte,  das  histolo- 
gische Gewebe  eines  vollendeten  Sarcoms  zeigten.  Der  Pigmententwickluug 
auf  dem  Körper  ging  eine  Erkrankung  der  Ghorioidea  voraus.  Der  F^ll 
endete  letal.  Auf  der  zweiten  Abbildung  ist  das  mikroskopische  Bild  sicht- 
)>ar,  das  sich  durch  die  Anwesenheit  zahlreicher  Alveolen  auszeichnet. 
Billroth  hat  einen  ähnlichen  Fall  als  Alveolarsarcom  beschrieben. 

L.  zeigt  schliesslich  die  Abbildungen  von  allen  derartigen  Fällen, 
die  bis  vor  10  oder  15  Jahren  bekannt  waren. 

Hof  mann  fragt,  ob  der  Augenhintergrund  bei  dem  betreff.  Pat. 
untersucht  worden  ist. 

Lewin  verneint  die  Frage. 

Ho  ff  mann  unterstützt  die  Diagnose  Sarcom;  es  scheint  ihm  aber 
nicht  klar,  von  welcher  Stelle  dasselbe  seinen  Ursprung  hat. 

Mankiewicz  erwähnt  einen  Fall,  den  Abel  in  der  medicinischen 
Gesellschaft  vorgestellt  hatte  und  den  er  Gelegenheit  hatte,  öfter  zu  sehen. 
Es  handelt  sich  um  eine  Gravida,  die  einen  Tumor  der  Mamma  hatte; 
bei  der  Geburt  wurde  derselbe  entfernt.  Nach  dem  Wochenbett  traten  auf 
dem  ganzen  Körper  bläuliche  Flecke  auf,  die  «ich  in  Knoten  umwandelten 
und  schliesslich  die  Pat.  ganz  und  gar  bedeckten. 


2^4  Verhandlungen 

Grimm  macht  darauf  aufmerksam,  dass  es  ein  bekanntes  Factum 
sei,  dass  nach  Exstirpationen  von  melanotischen  Sarcomen,  selbst  wenn 
sie  ausgiebig  exstirpirt  werden,  in  kürzerer  oder  längerer  Zeit  massenhafl 
Metastasen  eintreten. 

Lassar  möchte  die  gelegentlich  gemachte  Bemerkung  Lewin's, 
dass  tertiäre  Syphilis  nicht  übertragbar  ist,  nicht  unwidersprochen  lassen. 
£r  behält  sich  vor,  auf  diese  Frage  ausführlicher  zurückzukommen. 

Vn.  Isaac  stellt  eine  Frau  vor,  die  bereits  vor  einiger  Zeit  von 
Brück  der  Gesellschaft  gezeigt  wurde.  Es  wurde  damals  ein  Wachsab- 
druck von  der  betr.  Aifection  angefertigt,  der  mit  vorgelegt  wird.  Es 
handelte  sich  um  eine  Afiection  der  Nägel  und  der  Finger  beider  Hände. 
Pat.  ist  inzwischen  mit  einer  107ogön  Pyrogallussäure  behandelt  und  be- 
deutend gebessert  worden.  Die  Diagnose  war  damals  fraglich.  I.  glaubte 
an  eine  localisirte  Psoriasis;  durch  die  Behandlung  hat  sich  diese  Dia- 
gnose bestätigt. 

Vin.  Discussion  über  den  Vortrag  Isaac^s:  lieber  die  Beziehungen 
der  Tabes  zur  Syphilis. 

Es  wird  zunächst  zur  Debatte  gestellt    These  I: 

„Die  Statistiken  haben  zu  viele  Fehlerquellen,  um  zu  einem  sicheren 
Resultate  über  den  ätiologischen  Zusammenhang  zwischen  Lues  und  Tabes 
zu  gelangen.*^ 

Rosenthal  hätte  gern  die  Einwände,  die  er  gegen  alle  Thesen 
L's  hat,  zusammen  vorgebracht.  Er  hält  es  für  verdienstvoll,  das  Thema, 
das  seit  Jahren  in  der  Literatur  auf  der  Tagesordnung  Bt«ht,  zur  Dis- 
cussion zu  stellen,  glaubt  aber,  dass  die  Gesellschaft  nicht  das  richtige 
Forum  ist,  weil  die  Syphilidologen  im  allgemeinen  nur  wenig  Tabesfälle 
sehen,  während  die  meisten  derartigen  Kranken  Keuropat belogen  aufsuchen. 
Der  einzige  in  der  Gesellschaft,  dem  vielleicht  eine  grosse  Reihe  von 
Erfahrungen  persönlich  zu  Gebote  steht,  ist  Geh.  R.  Lewin.  Da  aber 
das  Thema  besprochen  ist,  so  hält  R.  es  für  richtig,  dass  die  Ansichten 
I  s  a  a  c's  mit  denen  er  nicht  übereinstimmt,  nicht  unwidersprochen  bleiben. 
Wenn  Isaac  behauptet,  dass  die  Statistiken  an  zu  vielen  Fehlerquellen 
leiden,  so  hat  er  sich  die  Sache  entschieden  leicht  gemacht.  Den  Beweis 
für  seine  Behauptungen  ist  er  schuldig  geblieben.  Was  die  letzte  D  in  kl  er'- 
sche  Arbeit  aus  der  Erhaschen  Klinik  betrifft,  so  ist  zweifelsohne,  dass 
der  eine  oder  der  andere  Fall  nicht  bestimmte  syphilitische  Antecedentien 
hat.  Dagegen  besitzen  wir  eine  Statistik  von  Fournier  —  und  Isaac  wird 
dessen  syphilitische  Kenntnisse  wohl  anerkennen  —  die  folgendermasseu 
lautet:  Im  Jahre  1882  brachte  Fournier  eine  erste  Liste  von  119 
Fällen  mit  und  9  Fällen  ohne  syphilitische  Antecedentien.  Zwei  Jahre 
später  führte  er  eine  zweite  Zusammenstellung  von  146  neuen  Fällen  an. 
Davon  sind  112  mit  unzweifelhaft  syphilitischen,  22  mit  zweifelhaften  und 
9  ohne  syphilitinche  Antecedentien;  3  waren  mit  wahrscheinlicher  here- 
ditärer Syphilis  behaftet.  Diese  beiden  Statistiken  zusammen  geben  also 
2H1  Fälle  mit  und  18  Fälle  ohne  Syphilis,  d.  h.  93%.  Den  Beweis,  dass 
diese    Statistik  an  einer  Fehlerquelle   leidet,    muss  Isaac   erst    bringen, 


diT  BtTliinT  dermal ologischon  Vcrciiiigung'.  2>^b 

bevor  er  die  P^olgorungen,  die  Fournier  daraus  schliepst,  unriHtösst. 
Selbst  wenn  hiervon  noch  einige  Fälle  abzuziehen  wären,  so  bleibt  immer 
noch  ein  grosser  Procentsatz  übrig.  Auch  hat  Isaac  keine  Daten  von 
seinen  Krankheitsfallen  angefahrt.  Wenn  er  die  Fehler  in  anderen  Sta- 
tistiken rügt,  so  hätte  er  vor  allen  Dingen  eine  einwandsfreie  Zusammen- 
stellung geben  müssen.  Man  weiss  also  nicht  einmal,  wie  sich  der  Pro- 
ceutsatz  dieser  Fälle  zu  denjenigen,  die  von  Klinikern  wie  Erb,  Four- 
nier etc.  gegeben  sind,  stellt. 

Blaschko  glaubt,  dass  von  allen  Thesen  Isaac's  die  erste  noch 
am  wenirifsten  Widerspruch  erfahren  wird.  Sicher  hat  Rosen thal  Recht, 
dass  es  Statistiken  gibt,  welche  den  Einwurf  Isaac's  nicht  verdienen. 
Aber  ein  grosser  Theil  ist  in  der  That  ausserordentlich  mangelhaft.  B. 
möchte  vor  allen  Dingen  bei  diesem  Punkte  auf  die  sehr  ungenügende 
Art  und  Weise  hindeuten,  wie  Kichtspecialisten  die  Anamnese  auf  Sy- 
philis zu  erheben  pflegen.  Er  glaubt  deshalb,  dass  es  nützlich  sein  wird, 
in  Zukunft  bei  der  Beurtheilung  der  Frage,  ob  ein  Pat.  Syphilis  gehabt 
hat  oder  nicht,  vorsichtiger  zu  verfahren.  Es  dürfen  sich  die  Erörte- 
rungen nicht  nur  auf  die  Frage  beschranken,  ob  der  Betreffende  einen 
Schanker  gehabt  hat,  sondern  ob  eine  Reihe  von  Gonsecutiverscheinungen 
eingetreten  sind  oder  nicht.  Die  Frage  nach  der  Nachkommenschaft  ist 
ein  Punkt,  der  oft  übersehen  wird  und  der  einen  gewissen  Ausschlag 
gibt.  Lewin  hat  zu  wiederholten  Malen  auf  zwei  Symptome  hinge- 
wiesen, welche  bei  tertiärer  Syphilis  als  unzweifelhafte  Beweise  gelten 
können,  die  glatte  Atrophie  der  Zungenwurzel  und  die  Hodenerkrankung. 
B.  warnt  davor,  diesen  beiden  Symptomen,  namentlich  dem  letzteren, 
eine  zu  grosse  Aufmerksamkeit  zu  schenken,  weil  es  sich  dabei  um  Ra- 
ritäten handelt.  Die  Aufmerksamkeit  muss  sich  auf  die  Erscheinungen 
richten,  die  allgemein  und  häufig  sind.  Es  wird  deshalb  nothwendig  sein, 
wenn  der  Befund  beim  Pat.  selbst  negativ  ist,  auch  die  Nachkommen- 
schaft zu  untersuchen.  B.  erinnert  dabei  an  die  sog.  HutchinsonVhen 
Zähne,  welche  nach  seiner  Meinung  ein  absoluter  Beweis  hereditärer 
Syphilis  sind.  Dass  diese  Missbildung  in  Misscredit  gekommen  ist,  hängt 
damit  zusammen,  dass  eine  grosse  Zahl  von  Aerzten  nicht  weiss,  was 
Hutchinson  als  diese  Deformität  beschrieben  hat.  Was  auf  der  anderen 
Seite  die  Statistiken  in  ausserordentlicher  Weise  beeinträchtigt,  ist  der 
Umstand,  dass  eine  ganze  Zahl  von  Pat.  mit  der  Zeit  bona  fide  vergessen, 
dass  sie  krank  waren.  So  hat  vor  einigen  Jahren  Hugo  Noumann  an 
einem  grossen  Krankenmaterial  aus  Moabit  nachgewiesen,  dass  nicht,  wie 
man  nach  der  Regel  der  Mathematik  verlangen  könnte,  die  Zahl  derer, 
welche  Syphilis  gehabt  hat,  von  Jahr  zu  Jahr  zunimmt,  sondern  dass  sie 
abnimmt.  Das  beweist,  dass  die  Pat.  im  Laufe  der  Zeit  ganz  vergessen 
haben,  dass  sie  krank  waren.  Aber  abgesehen  von  diesen  Fehlerquellen 
muss  man  doch  sagen,  dass  die  von  zuverlässigen  Autoren  vorgebrachten 
Statistiken  zu  Recht  bestehen,  denn  dieselben  Fehler  werden  bei  allen 
pat.  und  nicht  nur  bei  Syphilitikern  gemacht.    Wenn  Erb  z.  B.  90'/,  von 


286  Verhandlungen 

Syphilis  bei  Tabikern  und  22*57o  bei  Nichttabikem  angibt,  so  ist  doch  in 
beiden  Fällen  die  Anamnese  in  gleicher  Weise  erhoben  worden. 

Heller  findet  auch,  dass  Isaac  sich  die  Sache  leicht  gemacht 
hat.  Fournier  weist  z.  B.  in  einer  neueren  Arbeit  über  progressive 
Paralyse  und  Syphilis  darauf  hin,  dass  bei  dieser  Affection  in  607«  Sy- 
philis anamnesisch  nachgewiesen  werden  konnte,  während  bei  anderen 
Geisteskrankheiten  das  nur  in  107«  der  Fall  war. 

Lewin  ist  ebenfalls  der  Ansicht,  dass  die  Frage  mehr  vor  das 
Forum  der  Neurologen  gehört;  da  diese  darüber  uneinig  sind,  so  wird 
hier  die  Frage  ebenfalls  nicht  zur  Entscheidung  kommen.  L.  selbst  hat 
ungefähr  100  Fälle  beobachtet;  er  ist  aber  noch  nicht  in  der  Lage  ge- 
wesen, eine  genaue  Statistik  anzufertigen.  £r  glaubt,  dass  Fournier's 
Statistik  in  Paris  selbst  angezweifelt  wird  und  möchte  daher  von  dieser 
Statistik  absehen.  Wenn  man  bedenkt,  dass  manche  Autoren  den  Befund 
einer  Narbe  auf  Syphilis  zurückfahren,  so  muss  man  dagegen  anfahren, 
dass  eine  Narbe  ohne  weiteres  gar  keinen  Rückschluss  gestattet,  da  ein 
Ulcus  molle  ebenfalls  eine  solche  erzeugt..  Auch  ist  es  nicht  richtig,  auf 
Syphilis  zu  schliessen,  selbst  wenn  der  Pat.  sagt,  dass  er  einen  harten 
Schanker  gehabt  und  geschmiert  hat.  Ebenso  ist  es  mit  dem  Exanthem. 
Wie  häufig  wird  ein  solches  für  syphilitisch  gehalten,  das  nicht  das  ge- 
ringste damit  zu  thun  hat.  Nicht  minder  ist  das  der  Fall  mit  den  Hais- 
und Mundaffectionen,  die  ebenfalls  häufig  für  specifisch  gehalten  werden 
und  es  nicht  sind.  Auch  die  Drüsen  werden  stets  als  ein  Beweis  ange- 
führt; im  tertiären  Stadium  sind  dieselben  indessen  sehr  klein  oder 
fehlen  vollständig.  Das  alles  spricht  für  die  These  Isaac^s.  Wenn  man 
aber  auf  der  anderen  Seite  sieht,  dass  Strümpell  z.  B.  herausgefunden 
hat,  dass  in  62 7o  Tabiker  bestimmt  an  Syphilis  gelitten  haben,  und  er 
deshalb  zu  dem  Resultat  kommt,  dass  er  noch  keinen  Fall  von  Tabes  ge- 
sehen habe,  wo  Syphilis  mit  Bestimmtheit  auszuschliessen  wäre,  so  ist 
das  doch  sehr  wichtig.  Zu  demselben  Resultat  sind  übrigens  auch 
Mendel  und  Jolly  gekommen.  Dazu  kömmt  noch,  dass  die  Tabes  in 
allen  Classen  und  besonders  in  der  Stadt  in  jedem  Alter  vorkömmt,  dass 
dieselbe  gewöhnlich  in  einem  Alter  auftritt,  bei  dem  ein  Rückschluss 
auf  eine  vorangegangene  Affection  möglich  ist  und  dass  Männer  häufiger 
befallen  und  auch  inficirt  werden  als  Frauen.  Es  gibt  aber  10  Fälle  von 
Kindern  im  Alter  von  10 — 18  Jahren,  die  an  Tabes  erkrankten,  und  bei 
denen  nachgewiesen  wurde,  dass  die  Eltern  krank  waren  und  dass  sie 
selbst  zu  gleicher  Zeit  hereditäre  Syphilis  hatten.  Ein  solcher  Fall  ist 
erst  jetzt  aus  Breslau  veröffentlicht  worden,  ebenso  hat  Hirschberg 
drei  derartige  Fälle  publicirt.  Was  die  Zungenbalgdrüsen  anbetrifft,  so 
nimmt  Virchow  ebenfalls  diesen  Befund  als  absolut  pathognostisch  an 
und  wenn  jemand  einen  Gummiknoten  im  Hoden  hat,  so  ist  der  Be- 
treft'ende  mit  Sicherheit  tertiär  Byi)hiliti8ch.  Diese  beiden  Befiinde  haben 
natürlich  nur  einen  absoluten  Werth,  wenn  sie  vorhanden  sind. 

0.   Rosenthal. 


Hautkrankheiten. 

(Redigirt  von  Prof.  Kaposi  in  Wien.) 


Erythematöse,  ekzematöse,  parenchymatöse 

Entzündungsprocesse. 

1.  Eichhorst.  Zur  Kenntnies  des  Antipyrinexanthems.  Tber.  Monatsh. 
1892.  Nr.  6. 

2.  Forssberg,  Edv.  üeber  Quinckes  „acutes  circumscriptes  Oedem'*. 
Hygiea.  1892.  Januar. 

3.  Philippson.  Aus  Dr.  Unna's  Klinik  in  Hamburg-Eimsbüttel.  Ein  Fall 
von  Lupus  erythematosus,  disseminat.  mit  Gelenkafifection.  Berl.  klin. 
Wocbenscbr.  1892.  Nr.  35. 

4.  Möller,  Dr.  M.  Ein  Fall  von  Liehen  ruber  planus  mit  Affection  der 
Mundschleimhaut.   Hygiea.   April  1882. 

5.  Senger.  Multipel  auftretender  Brand  der  Haut.  21.  Gongr.  d.  deutsch. 
Gesellsch.  für  Chirurg.    D.  med.  Wochenschr.  1892.  Nr.  33. 

6.  Waugh,  William  F.  Herpes  zoster.  A  case.  The  Times  and  Register. 
15.  Ootober  1892. 

7.  Ssemtoehenko,  G.  D.  Zur  Lehre  vom  Pemphigus  neonatorum.  Wratsch 
1892.   Nr.  48  pag.  1213. 

8.  Mlirray,  Alan  B.  The  treatment  of  carbuncle  by  injection  of  carbolic 
acid.   Med.  Record.   15.  Oct.  1892. 

9.  Kianizln.  Zur  Frage  der  Todesursache  bei  ausgedehnten  Verbren- 
nungen der  Haut.  Vorläufige  Mittheilung.  Wratsch  1892.  Nr.  16. 

10.  Je9§ner.  Zur  Behandlung  der  ünterschenkelgeschwnre.  Therap.  Mo- 
natsh. 1892.  Nr.  10. 

11.  Suboff.  Die  Behandlung  des  Geschwürs  von  Pendeh  (ulcus  tropicum) 
mit  Methylviolett.   Wratsch  1892.   Nr.  39  p.  980. 

12.  Popoif,  D.  D.  üeber  Elephantiasis  labiorum  roinorum  in  klinischer 
und  pathologisch-anatomischer  Beziehung.  Wratsch  1892.  Nr.  3  p.  66. 
Sitzung  der  Gesellschaft  russischer  Aerzte  vom  9.  Jänner  1892. 

13.  Lwow,  J.  M.  Elephantiasis  der  Mammae.  Wratsch  1892.  Nr.  37  p.  926- 

14.  Gerhardt,  üeber  Erythromelalgie.  D.  med.  Wochenschr.  1892.  Nr.  39. 

15.  Gerhardt.  Ueber  Erythromelalgie.  Vortrag  geh.  in  der  Ges.  der 
Gharite-Aerzte  am  30.  Juni  1892.    Berl.  klin.  Wchschr.   1892.   Nr.  45- 

16.  Senator.  Ueber  Erythromelalgie.  Vortrag  geh.  in  der  Gesellsch.'  der 
Charite-Aerzte  am  30.  Juni  1892.  Berl.  kl.  Wochenschr.  Nr.  45,  1892. 


288  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

17.  Bernhardt.  Ueber  Erythromelalgie.  Vortrag  geh.  in  d.  Ges.  d.  Charite- 
Aerzte  am  30.  Juni  1892.   Berl.  klin.  Wochenschr.  1892.  Nr.  45. 

18.  lieber  Erythromelalgie.  Sitzung  der  Gesellsch.  der  Charite-Aerzte  am 
30.  Juni  1892.    Berl.  klin.  Wochenschr.  1892.  Nr.  45. 

19.  Ueber  Erythromelalgie.  Sitzung  der  Berliner  medic.  Gesellschaft  vom 
9.  Nov.  1892.   Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  48,  1892. 

20.  Klotz.  Gase  of  periodical  erythema  of  the  palms  and  soles  follewed 
by  sbedding  of  the  epi dermis.  New  York  derm.  Soc.  Joom.  of  cut.  and 
gen.-ur.  dis.  Jan.  1893. 

21.  Wolberg,  L.  Erythema  nodosum  bei  Kindern.  (Eiythema  nodosum 
u  dzieci.)   Gazeta  Lekarska.  Nr.  32.  J.  1892. 

22.  Whitmore  Steele.  A  case  of  dermatitis  exfoliativa.  Med.  Record. 
N.  Y.    19.  Nov.  1892. 

23.  Campbell.  Williams.  Two  cases  of  dermatitis  gangrenosa  infantum. 
The  Lancet.    12.  Nov.  1892. 

24.  Blanc*,  William.  Ein  Fall  von  Hautabschuppuug.  Joum.  of  cut  and 
gen.-urin.  dis.  Jan.  1893.  Rede  vor  der  „Tri-State  med.  assoc.**  in 
Chatanooga.  Tenn.  Oct.  1892. 

2f).  Elsenberg,  A.  Salolum  camphoratum  zur  Behandlung  der  Furunkel 
und  Anthraxe  angewendet.  (Salolum  camphoratum  w  zastosowaniu  do 
leczenia  wrzedzionek  i  antbraxow.)   Gazeta  Lekarska.  Nr.  32.  1892. 

2ti.  Vidal,  E.  Betrachtungen  über  die  Prurigo  (Hebra).  Vortrag,  geh.  in 
der  Sitzg.  vom  6.  Sept.  1892  des  II.  intemat.  Dermat.-Congresses  in 
Wien.    Monatsh.  f.  prakt.  Derm.  Nr.  1.  1893. 

27.  Fox.  Report  on  the  effects  of  Thilanin  and  Tumeuol.  Joum.  of  cut. 
and  gen.-ur.  dis.    Febr.  1893.   New  York  derm.  Soc. 

28.  Malcolm  Morris.  Lupus  erythemadosus.  The  Brit.  Joum.  of  Derm. 
Nov.  1892. 

29.  Pollitzer,  S.  Prickly  heat.  Liehen  tropicus.  Miliaria  papulosa,  Mil* 
rubra.   Journ.  of  cut.  and  gen.-ur.  dis.    Febr.  1893. 

30.  Fox.  Case  for  Diagnosis.  New  York  derm.  Soc.  Joum.  of  cut.  and 
gen.-ur.  dis.    Febr.  1893. 

31.  Leivin,  G.  Pemphigus  hystericns.  Sitzungsbericht  der  Berl.  med.  Ges. 
Berl.  klin.  Wochenschr.  1892,  Nr.  47. 

32.  Quimby,  Charles  E.  The  treatment  of  ulcers  by  strapping.  Med. 
Record.   N.  Y.    31.  Dec.  1892. 

33.  Giovannini,  S.  Ueber  die  histologischen  Veränderungen  der  syphi- 
litischen Alopecie  und  ihr  Yerhältniss  zu  den  Veränderungen  der 
Alopecie  areata.   Monatsh.  f.  pr.  Denn.   XVI.   4.    15  .Febr.  1893. 

34.  Fox,  George  Henry.  A  case  of  socalled  coUoid  degeneration  of  the 
skin.   Journ.  of  cut.  and  gen.-ur.  dis.  Febr.  1893. 

(1)  Eichhorst  beobachtete  bei  mnem  28jährigen  Corporal  ein 
Masern  ähnliches  Exanthem,  das  den  ganzen  Rumpf  und  die  Ober- 
schenkel einnahm,  das  Gesicht  dagegen  fast  vollständig  und  die  Schleim- 
haut des  Mundes  gnnz  frei  Hess.  Dasselbe  schwand  nach  7  Tagen 
langifani   ohne  Abschuppuug.    E.  führt  dasselbe  auf  eine  Dosis  von  0,5 


der  Dermatologie.  289 

Antipyrin  zurück,  das  Patient  10  Tage  früher  genommen  hatte  und 
faast  dasselbe  als  Spätexanthem  auf.  Dagegen  sah  er  ein  Früh-  und 
ein  recidivirendes  Antipyrin*  Exanthem  bei  einem  23jährigen  Studenten 
der  Medicin.  Schon  eine  Stunde  nachdem  Patient  mn  Gramm  des  Medi. 
kaments  genommen  hatte,  zeigte  sich  ein  grossfieckiges,  ausgebreitetes 
Exanthem,  das  schon  nach  einigen  Stunden  wieder  verschwunden  war. 
Erst  4  Tage  später  trat  zum  zweiten  Male  ein  Masern  ähnlicher 
kleinfleckiger  Ausschlag  auf,  der  mehrere  Tage  bestehen  blieb. 

0.  Rosenthal. 

(2)  Der  Verfasser  fahrt  folgende  Fälle  an:  Eine  58jährige  Frau 
wurde  am  4.  August  1890  von  einem  Insect  in  die  rechte  Hand  gestochen ; 
während  der  beiden  folgenden  Tage  schwoll  der  rechte  Arm  an;  alle 
Geschwulst  war  jedoch  nach  einigen  Tagen  verschwunden.  Nach  dieser 
Zeit  trat  einige  Monate  hindurch  ungefähr  alle  14  Tage  bald  hier,  bald 
da  am  Körper,  zumeist  aber  an  den  Armen  und  Beinen,  ohne  jede 
denkbare  Veranlassung,  ein  circumscriptes  Oedem  auf.  Der  Verfasser 
sagt,  dass  die  Haut  an  den  angegriffenen  Stellen  äusserst  ausgespannt 
und  von  einer  durchsichtigen,  weisslichen,  porzellanähnlichen  Farbe  war, 
sich  hart  anfühlte  und  einen  unbedeutenden  Eindruck  vom  Finger  zeigte. 
Nach  ein  paar  Tagen  war  das  Oedem  stets  verschwunden.  Eirmal,  als 
das  Oedem  seinen  Sitz  an  dem  unteren  Theil  des  Gesichtes  hatte, 
schwollen  auch  die  Zunge  und  der  Gaumenbogen  an,  wodurch  eine 
höchst  bedeutende  Dyspnoe  hervorgerufen  wurde.  Seit  dem  Frähjar  1891 
hat  die  Patientin  nur  zwei  gelinde  Anfälle  gehabt.  Niemals  hat  sie  einen 
Anfall  von  Urticaria  gehabt,  und  ihre  Gesundheit  ist  stets  eine  gute 
gewesen.  Der  Verfasser  ist  der  Ansicht,  dass  die  Benennung  „periodisches 
vasomotrisches  Oedem''  passender  als  „acutes  circumscriptes  Oedem"  ist. 

E.  Welander. 

(3)  Die  24jährige  Patientin  erkrankte  mehrere  Monate  später,  nach- 
dem sie  starken  Haarausfall  an  den  Schläfen  und  eine  schmerzhafte  Röthe 
des  Nagelfalzes  wahrgenommen  hatte,  an  acutem  Gelenksrheumatismus, 
der  sie  6  Wochen  an  das  Bett  fesselte  und  auch  nachher  noch  leichte 
Schwellungen  der  Finger-  und  Schm erzhaft igkeit  der  grösseren  Gelenke 
zurückliess.  Im  Laufe  von  1 — 2  Monaten  breitete  sich  das  Hautleiden 
über  den  Körper  aus.  So  zeigten  sich  charakteristische  Lup.  erythem. 
Eflflorescenzen  und  Plaques  auf  verschiedenen  Stellen  des  Gesichts,  der 
Kopfhaut,  an  vier  Punkten  des  Rückens  und  auf  den  Phalangen.  Auch 
auf  der  Schleimhaut  der  rechten  Wange  wurde  ein  blutrother  ovaler 
Fleck,  der  von  einem  opaken  Rande  umgeben  war,  gesehen. 

Die  Patientin  wurde  mit  gutem  Erfolge  mit  dem  Flachbrenner 
behandelt.  0.  Rosenthal. 

(4)  Ein  31  jähriger  Mann  bekam  Papeln  an  dem  Penis,  Scrotum 
und  Körper ,  sowie  eine  Plaque  in  der  Schleimhaut  des  Mundes. 
Der  Ausschlag  erweist  sich  als  Liehen.  Der  Verfasser  excidirte  eine 
Papel,  konnte  aber  nichts  anderes  finden,  als  was  schon  vorher  ziemlich 
gut    bekannt    war.     Er   hebt    das    luteresse    aus    Falles    in    ditfereutiai- 


290  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

diagnostischer  Hinsicht  hervor;  denn  man  konnte  die  Krankheit  mit  Sy- 
philis yerweohseln.  E.    Welander. 

(5)  Senger  stellt  eine  26j&hrige  Patientin  vor,  die  sich  vor  drei 
Jahren  eine  Nadel  in  die  Brust  gestossen  hatte.  Darauf  bildeten  sich 
auf  der  linken  Brust  eine  grosse  Anzahl  von  Geschwüren.  Die  ganze 
Brusthaut  wurde  exstirpirt  und  der  Verlust  theils  durch  Hautverschie- 
bung, theils  durch  Thiersch'sche  Transplantation  gedeckt.  Nach  S-4 
Wochen  fielen  die  überpflanzten  Hautstückchen  nekrotisch  ab  und  es 
bildeten  sich  neue  Brandherde  und  Geschwüre.  Da  nebenbei  Ameisen- 
kriecheu,  taabes  Gefühl  und  eine  Sensibilitätsherabsetzung  am  Thorax 
bestandi  so  nimmt  S.,  gestützt  auf  negative  mikroskopische  und  bakterio- 
logische Untersuchungen,  eine  centrale,  nervöse  Störung  an  und  stellt 
den  Fall  5—6  ähnlichen  schon  beschriebenen  (Doutrelepont,  Neissor) 
an  die  Seite.  0.  Rosenthal. 

(7)  Ssemtschenko  verfügt  über  5  Fälle,  von  denen  einer  letal 
endigte;  alle  5  Kinder  waren  von  derselben  (geprüften)  Hebamme  em- 
pfangen worden.  In  einem  Falle  erkrankten  ausser  dem  Neugeborenen 
noch  die  Wöchnerin  und  2  ältere  Geschwister,  in  einem  anderen  hatten 
Mutter  und  Wärterin  auch  Pemphigusblasen.  Die  Mutter  des  gestorbenen 
Kindes  hatte  Blasen  an  den  Füssen.  Das  Kind  st«rb  an  Erbrechen  und 
Durchfall.  Diese  5  Fälle  hat  S.  innerhalb  4  Wochen  beobachtet,  bis 
dahin  in  11  Jahren  keinen  einzigen.  In  der  Stadt  sind  um  diese  Zeit 
keine  weiteren  Fälle  vorgekommen.  Strauch. 

(8)  Murray  empfiehlt  reine  Garbolsäure  tief  in  den  Karbunkel  zu 
injiciren;  der  Schmerz  ist  nur  momentan,  die  Wirkung  angeblich  eine 
ausgezeichnete:  nämlich  die  starken  Schmerzen  und  das  schlechte  All- 
gemeinbefinden schwinden  schon  nach  48  Stunden,  der  Verlauf  der  Ent- 
zündung wird  abgekürzt.  Sternthal. 

v9)  Es  ist  Kianizin  gelangen  aus  dem  Blut,  den  inneren  Or- 
ganen und  dem  Urin  von  Thieren,  die  er  in  Ghloroformnarkose  theils 
mit  Wasser  von  70 — 98*  G.,  theils  mit  angezündetem  Benzin  verbrühte 
einen  giftigen  Körper  (Ptomäin)  zu  gewinnen,  durch  dessen  Injection  er 
bei  Fröschen,  Kaninchen  und  Hunden  den  der  Verbrennung  analoge 
Symptome  erzeugen  konnte.  Das  Gift  steht,  seiner  physiologischen 
Wirkung  nach,  dem  Leichenmuskarin,  dem  Brieger*schen  Neurin  und 
Peptotoxin  (letzterem  auch  seinen  physikalischen  und  chemischen  Eigen- 
schaften nach)  nahe.  Die  Thiere  wurden  durch  Durchschneidung  der 
Garotiden  getödtet,  wenn  die  Temperatur  zu  sinken  begann.  Das  ge- 
wonnene Blut,  die  inneren  Organe  und  der  Harn  wurden  sofort  bear- 
beitet. Letzterer  enthielt  stets  nur  geringe  Mengen.  Die  Stas-Otto'sche 
Methode  ergab  keine  Resultate,  wohl  aber  die  Briegersche;  die  besten 
ergab  die  von  Brieger  für  das  Peptotoxin  angegebene  Modification 
seiner  Methode.  Das  Blut,  die  inneren  Organe  und  der  Urin  gesunder 
Thiere  euthielten  diesen  Körper  nicht,  was  beweist,  dass  er  kein  che- 
misches Product  der  Bearbeitung  ist. 


der  Dermatologie.  291 

Die  Eigenschaften  des  neuen  Ptomains  sind:  Es  ist  ein  amorpher, 
leicht  gelblicher,  bis  gelblich- bräunlicher  Körper  von  ätzendem  unan- 
genehmen Oeruch,  leicht  löslich  in  Wasser  und  Alkohol,  unlöslich  in 
Aether,  schwer  löslich  in  Chloroform  und  Benzin.  Von  den  Alkaloid- 
reactionen  gibt  er  folgende:  mit  Jodjodkali  und  Jodsäuie  sehr  reichliche 
rothbraune  Niederschläge,  mit  phosphormolybdänsauren  und  phosphor- 
wolframsaurem  Natron  und  Meyer^s  Reagens  reichliche  weisse  Nieder- 
schläge, Milton^s  Beagens  gibt  einen  sehr  reichlichen  weissen  käsigen 
Niederschlag,  der  sich  an  der  Luft  röthet.  Jodkali  und  Jodwismuth 
gibt  eine  geringe  orange  Fällung,  Gerbsäure  eine  braune,  Sublimat  eine 
weisse,  rothes  Blutlaugensalz  und  Eisenchlorid  —  Berlinerblau,  Platin- 
chlorid und  Goldchlorid  einen  geringen  gelblichen  Niederschlag. 

Specielle  Reactionen  sind  :  Frochde's  Reagens,  blau  violette 
Färbung,  die  in  blaugrüne,  Mondeliu's  Reagens  —  rosaviolette,  die 
in  grüne,  Erdmann *s  Reagens  röthliche,  die  in  gelbliche  Färbung 
übergeht. 

Von  den  Symptomen  der  Verbrennung  bezieht  K.  einen  Theil, 
den  er  durch  Injection  seines  Ptomains  hervorrufen  konnte,  wie  das 
Sinken  der  Temperatur,  der  Herzthätigkeit,  des  Pulses  und  des  Blut- 
drucks, femer  die  Diarrhoe,  das  Erbrechen,  die  Mattigkeit,  die  Apathie 
und  Schlafsucht  auf  das  neue  Ptomäin,  weitere  wie  die  heerdweiae 
Läsion  der  Nieren  und  anderer  parenchymatöser  Organe,  den  blutigen 
Urin  und  die  Ulcerationen  im  Duodenum  auf  Verstopfung  der  kleinen 
Arterien,  Venen  und  Capillaren  durch  das  zerstörte  Blut.  Ausserdem 
könnten  die  Veränderungen  in  den  parenchymatösen  Organen,  namentlich 
den  Nieren,  auch  direct  durch  das  Gift  bedingt  sein.  Fälle  von  plötz- 
lichem Tod  nach  sehr  ausgedehnten  Verbrennungen  will  er  auf  Shok 
oder  Embolien  in  lebenswichtigen  Organen,  wie  z.  B.  der  Medulla 
oblongata  beziehen.  Strauch. 

(10)  J essner  empfiehlt  auf  das  Wärmste  die  von  Unna  ange- 
gebene Methode  der  Behandlung  der  Untersohenkelgeschwüre,  die  in 
der  Anlage  eines  Gazelein  Verbands  besteht.  J.  bedeckt  das  Geschwür 
selbst  mit  einer  Spur  Jodoform  und  Silk  protectiv,  damit  das  Secret 
besser  abfliessen  kann.  Zur  Nachbehandlung  soll  einige  Monate  hindurch 
der  gleiche  Verband  getragen  oder  der  betreffende  Unterschenkel  ein- 
geleimt, mit  Watte  betupft  und  eine  Tricotschlauchbinde  angelegt 
werden.  0.  Rosenthal. 

(11)  Die  Frage,  ob  der  von  Heyden reich  und  Duelaux  ge- 
fundene Mikrococous  specifisch  für  das  ulcus  tropicum  sei  oder  nicht, 
lässt  Suboff  offen.  Er  hält  das  Pendeh-Geschwür  für  ein  infectiöses 
Granulom  und  hat  ihn  die  Aehnlichkeit  mit  malignen  Neubildungen  auf 
den  Gedanken  gebracht,  das  Geschwür  nach  der  Mosetig-Moorhof- 
schen  Tinctionsmethode  zu  behandeln.  Er  entfernte  mit  der  Pinzette 
oder  erweichte  den  etwaigen  Schorf  mit  einer  5%  Lösung  von  Aethyl- 
violett.  Ehe  er  das  Pyoktanin  erhielt,  hat  er  Salon tinte  von  Leonhardi 
in  Dresden  verwandt ;    die   Erfolge   waren   die  gleichen.     Nacbilem    die 


292  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

aufgepinselte  Lösung  eingetrocknet  war,  hat  er,  je  nach  Grösse  und 
Lage  des  Geschwürs,  dasselbe  entweder  trocken  verbunden  oder  un- 
bedeckt gelassen.  Zuweilen  genügte  eine  Pinselung;  es  bildete  sich 
dann  ein  trockener  dünner  Schorf,  der  nach  5 — 6  Tagen  abfiel  und 
eine  glatte  pigmentirte  Narbe  hinterliess.  Häufiger,  namentlich  in  ver- 
nachlässigten Fällen  bildete  sich  ein  dicker  poröser  Schorf,  die  Um- 
gebung des  Geschwürs  röthete  sich  und  schwoll  an,  der  Schorf  hob  sich 
stellenweise  ab.  Unter  demselben  befand  sich  dann  dicker  Eiter.  Eine 
Absonderung  einer  halbdurchsicLtigen  Flüssigkeit,  wie  in  nicht  be- 
handelten Fällen,  hat  S.  nie  beobachtet.  In  solchen  Fällen  wnrde  dann 
das  Verfahren  wiederholt.  Recidive  an  schon  vernarbten  Stellen  hat  er 
nur  zwei  beobachtet,  einen  Aufbruch  neuer  Geschwüre  nicht  so  selten. 
Zuweilen  erhielt  das  Geschwür  einen  serpiginösen  Charakter.  S.  hält 
das  Pyoktanin  zum  Theile  für  ein  Desinficiens,  die  Hauptwirkung  sieht 
er  mit  Mo  s  et  ig  im  Kerutod  und  aseptischer  Nekrose.  Letateres  scheint 
ihm  um  so  wahrscheinlicher,  als  stärkere  Antiseptika  (Garbol,  Sublimat, 
Jodoform)  keinen  trockenen  Schorf  erzeugen  und  den  Verlauf  nicht  ab- 
kürzen. Von  seinen  87  Fällen  hat  er  50  bis  zu  Ende  beobachtet,  die  Darch- 
schnittsdaucr  der  Behandlung  der  letzteren  war  19*7  Tage.  Auf  die 
Schnelligkeit  der  Verheilung  hat  die  Localisation  grossen  Einflus?.  Die 
an  den  Zehen  befindlichen  kleinen  Geschwüre  heilten  viel  langsamer 
als  grössere,  die  nicht  solchen  Reizen  ausgesetzt  waren.  Die  Be- 
handlung war  ambulatorisch.     S.  stellt  weitere  Berichte  in  Aussicht. 

Strauch. 

(12)  Der  von  Popoff  1890  beobachtete  Fall  ist  folgender:  L.  P. 
20  a.  n.  ledig,  Papeln  seit  dem  13.  Jahr  alle  2—3  Monate,  keine  An- 
zeichen von  Syphilis,  auch  die  Verwandten  sollen  gesund  sein.  Seit 
Beginn  der  Menses  hat  sie  zuweilen  eine  schleimige  Absonderung  aus 
den  Genitalien  bemerkt.  1887  bemerkte  sie  zuerst  eine  Anschwellung 
des  linken  Unterschenkels,  dann  auch  des  rechten;  später  ging  die  An- 
schwellung auch  auf  die  Oberschenkel  über.  Seit  1688  vergrösserten  sich 
auch  die  äusseren  Genitalien.  Gegenwärtig  ist  die  linke  kl.  Schamlippe 
18  Cm.  lang,  grösster  Umfang  24  Cm.,  von  gleich  massiger  mittlerer 
Härte.  Die  Oberfläche  des  Tumors  ist  an  der  Basis  glatt,  am  verdickten 
unteren  Ende  knollig  und  rauh,  von  dunkler  Färbung.  Die  rechte  kl. 
Schamlippe  ist  6  Cm.  lang  von  gleicher  Beschaffenheit. 

Trotz  Badern,  Einwickelungen ,  Ruhelage  wuchsen  die  Tumoren, 
daher  nach  3  Monaten  Excisiou;  prima  intentio.  Der  Tumor  der  linken 
kleinen  Schamlippe  wog  75  Gr.,  der  der  rechten  25.  Bei  der  Entlassung 
war  die  linke  kleine  Schamlippe  4  Cm.  lang,  die  rechte  3,  von  fast  nor- 
maler Form.    8  Monate  später  Status  idem. 

Das  Mikroskop  zeigte:  Normales  Epithel,  die  Papillen  stellenweise 
verbreitert  und  verlängert.  Das  Rate  Malpighii  bildet  hier  längere 
Zapfen.  Das  zartfaserige  Gewebe  der  Papillen  durchsetzt  von  Lymph- 
körpcrchen,  die  um  die  verbreiterten  Lymphspalten  angehäuft  sind. 
In  den  tieferen  Schichten  theils  zerstreute,   theils  um  Lymphspalten  und 


der  Dermatologie.  293 

eetasirte  Venen  angehäufte  Leucoeyten.  Die  fixen  Gewebselemente, 
namentlich  um  die  Blutgeflisse,  im  Zustande  der  Mitose,  doch  ist  im 
Ganzen  wenig  janges  Bindegewebe  gebildet.  Stellenweise  Oedem,  die 
Nerven  sowohl  im  Längs-  als  im  Querschnitt  unverändert. 

P.  rieht  folgende  Schlüsse:  1.  Die  kl.  Schamlippen  werden  sel- 
tener (10*8Vo  aller  Elephantiasisfalle)  als  die  grossen  (43*5%)  befallen. 
2.  Die  Elephantiasis  erscheint  in  einzelnen  Fällen  als  Folge  von  L3rmph- 
angrioitis.  8.  Die  weiblichen  Genitalien  werden  am  häufigsten  in  der  Blüthe 
der  Geschlechtsthätigkeit  befallen.  4.  Die  Excision  der  kl.  Schamlippen 
bei  Elephantiasis  ist  indicirt.  6.  Die  locale  Reaction  des  befallenen  Organs 
besteht  in  einer  starken  Erweiterung  der  Lymphgefässe  und  Venen  und 
einer  Vermehrung  der  fixen  Gewebselemente.  Strauch. 

(18)  Die  Krankheit  begann  bei  der  21jährigeQ  Bäueria  im  7. 
Monat  der  Schwangerschaft.  Nach  der  Entbindung  ging  die  Ver- 
grösserung  der  Brüste  rapid  weiter.  Milch  wurde  nicht  abgesondert. 
Bt'i  der  Amputation  wog  die  rechte  Brust  1590  Gr.,  die  linke  1280.  Die 
histiologische  Untersuchung  bestätigte  die  Diagnose.  Strauch 

(14)  Die  44jährige  schwächliche  Patientin,  Schneiderin,  erkrankte, 
nachdem  sie  vielfach  an  Magen-  und  Darmkatarrhen  und  nervösen  Be- 
schwerden (Herzklopfen,  Schwindelanfallen  etc.)  gelitten  hatte,  mit 
heftigen  Schmerzen  in  Fingern  und  Zehen.  Dazu  gesellte  sich  Kopf- 
schmerz und  Erbrechen.  Die  Hände  waren  roth  geschwollen,  schwitzten 
leicht  und  die  Endphalangen  waren  massig  verdickt.  Nebenbei  bestand 
an  diesen  Theilen  eine  deutliche  Hyperalgesie.  Der  Harn  enthielt 
Spuren  von  Albumen.  Diese  Krankheitsform  ist  unter  dem  Namen  der 
„Paralysie  vaso  -  motrique  des  extremites^  oder  Erythromelalgie  be- 
schrieben worden.  Vor  allem  scheint  Kälteeinwirkung,  stärkere  An- 
strengung der  Gliedmassen  und  vorausgegangene  Schwächezustände  die 
Entstehung  der  Krankheit  zu  begünstigen.  Das  hauptsächlichste  und 
gewöhnlich  das  erste  Symptom  ist  der  Schmerz,  der  sich  anfallsweise 
steigert  In  der  Mehrzahl  der  wenigen  bisher  beschriebenen  Fälle  sind 
die  Unterextremitäten  befallen.  Der  Verlauf  war  ein  äusserst  hart- 
näckiger und  die  Therapie  ziemlich  machtlos.  Es  lassen  sich  von  dieser 
Neurose  drei  Formen  unterscheiden,  die  angiospastische  (Nothnagel), 
eine  Zweite  ohne  Erscheinungen  von  Seiten  der  Geiässnerven  (Bernhardt) 
und  als  Dritte  die  angioparaly tische,  die  nach  G.  die  seltenste  ist. 

0.  Rosenthal. 

(15)  Es  ist  das  derselbe  Fall,  den  Gerhardt  bereits  in  der 
deutsch,  med.  Wochenschr.  Nr.  39.  1892  beschrieben  hat.  (Ref.  Arch.  f. 
Derm.)  Die  Affection  ist  hauptsächlich  von  Weir-Mitchell  heschrieben 
worden  und  in  einer  Dissertation  von  Lannois  sind  24  Fälle,  die 
hauptsächlich  Männer  betrafen  und  bei  denen  Ueberanstrengung,  Nässe- 
oder Kälteeinwirkungen  eine  gewisse  Rolle  spielten,  zusammengestellt 
worden.  Sie  gehört  zu  der  von  Schulze  unlängst  benannten  Gruppe 
der  Akroparästhesien ,  bei  denen  G.  das  Vorkommen  gewisser  Kor» 
perchen  in  den  Nerven  nachzuweisen  versuchte.  0.  Rosenthal. 

Archiv  f.  Dermfttol.  n.  Syphil.  Band  XXYI.  20 


294  Bericht  über  die  Leistungen  aaf  dem  Gebiete 

(16)  Der  44jährige  Patient,  Pottschafifner,  früher  gesund,  erkrankte 
im  Herbste  1890  plötzlich  mit  neuralgischen  Schmersen  in  den  Armen 
und  dann  in  den  Beinen,  denen  sich  bald  ein  fast  symmetrisches  £rythem 
der  Haut  an  Händen  und  Füssen  hinzugesellte.  Die  Schmersen  hörten 
allmälig  auf,  die  Böthung  blieb  aber  in  wechselnder  Stärke  bestehen, 
besonders  intensiv  während  der  Sommerszeit.  Ueber  einzelnen  Finger- 
gelenken zeigten  sich  im  Verlauf  röthliohe  Knötchen,  von  denen  ein- 
zelne wieder  verschwanden,  um  neuen  Platz  zu  machen.  Die  £rythro- 
melalgie  verläuft  äusserst  chronisch  mit  vielfachen  Schwankungen.  Sie 
ist  als  vasomotorische  Neurose  aufzufassen,  die  in  einer  Lähmung  der 
Vasoconstrictoren  ihren  Grund  hat.  Vielleicht  gehört  mancher  Fall  des 
„chronischen  fixen  oder  diffusen  habituellen  Erythems''  der  älteren  Patho- 
logen in  dieses  Capitel.  Was  den  Sitz  des  Leidens  anbetrifft,  so  ist  es 
wahrscheinlich,  dass  es  sich  um  eine  Affection  der  peripherischen  Fasern 
handelt.  Die  Affection  bildet  das  Gegenstück  zur  symmetrischen  Gangrän 
Raynaud^s,  der  ein  Angiospasmus  zu  Grunde  liegt.  Was  die  Behand' 
lung  anbetrifft,  so  soll  in  einem  von  Sigerson  mitgetheilten  Fall  von 
Duchenne  die  Faradisation  der  oberen  Extremitäten  mit  gutem  Erfolg 
angewendet  worden  sein.  0.  Rosenthal. 

(17)  Bernhardt  stellt  ein  ÖOjähriges  Fräulein  vor,  das  seit  5 
Jahren  an  Erythromelalgie  leidet.  Sie  erkrankte,  nachdem  sie  4  Monate 
in  einem  Geschäft  thätig  war,  in  dem  sie  den  ganzen  Tag  stehen  musste, 
mit  Schmerzen  und  Röthung  an  den  Hacken,  den  Ballen  und  unter  den 
Zehen,  sodass  sie  keine  Stiefel  mehr  anziehen  konnte.  Mehrere  Monate 
später  zeigten  sich  auch  an  den  geschwollenen  und  gerotheten  Händen 
heftige  Schmerzen,  die  nach  den  unbedeutendsten  Haudgriff'en  auftraten 
und  die  Patientin  Tag  und  Nacht  störten.  Augenblicklich  besteht 
nur  eine  geringe  Röthung  und  Schwellung  an  der  Haut  der  Fusssohle.  B. 
bemerkt,  dass  auch  ein  derartiges  chronisches  Erythem  der  Handflächen 
ohne  Schmerzen  verkommt.  0.  Rosenthal. 

(18)  In  der  sich  an  diese  Demonstrationen  anschliessenden  Discus- 
sion  erwähnt  Hen och,  dass  er  vor  20  Jahren  einen  höheren  Staatsbeamten 
behandelt  hat,  der  3 — 4  Monate  hindurch  über  die  heiligsten  Schmerzen 
im  linken  Fuss  geklagt  hatte.  In  diesem  Falle  ging  eine  Parese  der 
linken  Körperhälfte,  sowie  eine  intensive  linkeseitige  Hemiidrosis  voraus. 
Später  traten  Angina  pectoris  auf  und  der  Patient  ging  an  einer 
Hirnblutung  zu  Grunde.  Der  ganze  Verlauf  schien  hier  für  einen  centralen 
Ursprung  zu  sprechen. 

Senator  bemerkt,  dass  wahrscheinlich  nicht  alle  Fälle  gleichen 
Ursprungs  sind  und  dass  in  dem  eiuen  Falle  eine  spinale,  in  dem 
anderen  eine  periphere  Erkrankung  angenommen  werden  muss. 

Koch  glaubt,  dass  3  im  vergangenen  Winter  auf  der  FräntzeT-* 
sehen  Abtheilung  beobachtete  Kranke  hierher  gehören.  Die  Patienten 
klagten  über  anfallsweise  auftretende,  starke  Schmerzen  beider  Hacken, 
die  3,  4,  8  Tage  bestanden   und  öfters  mit  Morphium  behandelt  werden 


der  Dermatologie.  295 

mQMten.  Ausser  Röthang  und  Turgor  war  nichts  nachzuweisen.  Die  Kran- 
ken wurden  nicht  geheilt. 

Landgraf  erinnert  sich  einer  Frau  von  38  Jahren,  bei  der  auf 
der  II.  medicinischen  Klinik  die  Diagnose  auf  Myxödem  gestellt  war. 
Ein  Jahr  nach  der  Entlassung  kam  die  Patientin  zu  ihm  und  klagte 
über  heftige  Schmerzen  im  rechten  Zeigefinger,  der  starke  Röthung 
und  geringe  Schwellung  zeigte.  L.  machte,  in  der  Meinung,  es  handle 
sich  um  ein  beginnendes  Panaritium,  eine  Incision.  Es  fand  sich  aber 
kein  Eiter.  Nach  einem  halben  Jahr  zeigte  die  Patientin  dieselbe 
Erscheinung  am  linken  Zeigefinger.  L.  meint  mithin,  dass  Erythromelalgie 
auch  bei  Myxödem  vorkommt.  0.  Rosenthal. 

(19)  Lewin  hält  die  Erythromelalgie  für  keinen  Morbus  sui  ge- 
neris.  Nach  seiner  üeberzeugung  können  die  Erscheinungen  unter  den 
Angioparesen  untergebracht  werden,  welche  theils  idiopathische  sind  und 
durch  traumatische  oder  thermische  Ursachen  erzeugt  werden,  theils  auf 
reflectorischem  Wege  entstehen.  Bei  letzteren  bilden  die  Genitalorgane 
die  Ursprungsstellen  der  Reizungen. 

Eulen  bürg  führt  zum  Beweis,  dass  es  sich  bei  der  Erythromelalgie 
um  centrale  Affectionen  handelt,  2  Fälle  an.  Der  erste  ist  der  Gerhard'- 
sehe  Fall,  den  E.  seit  3  Monaten  beobachtet.  Alle  Erscheinungen  der 
Er3rthromelalgie  sind  geschwunden,  dagegen  haben  sich  Symptome  eines 
schweren  Gerebralleidens  gezeigt  (Kopfschmerzen,  Schlaflosigkeit,  Schwin- 
delgefuhl,  Angstempfindungen,  taumelnder  Gang,  Gedächtnissabnahme, 
liallucinationeu).  Ein  2.  Fall  betraf  eine  neuropathisch  belastete  30jährige 
Frau,  die  im  Anschluss  an  eine  Entbindung  in  typischer  Weise  erkrankte. 
Nebenbei  bestanden  aber  noch  hochgradige  Ernährungsstörungen  der 
Musculatur  der  Oberarme  und  des  Schultergürtels,  die  in  die  Form  der 
sogen,  juvenilen  Dystrophie  (Erb)  eingereiht  werden  mussten. 

He  noch  erwähnt  den  in  der  Gesellschaft  der  Charite  l>erichteten 
Krankheitsfall,  sowie  ein  Kind  im  Alter  der  ersten  Zähnung,  das  von  Zeit 
zu  Zeit  blaurothe,  ödematöse  Anschwellungen  beider  Ohren  bekam,  die 
nach  dem  vollendeten  Zahndurchbruch  verBchwanden. 

A.  Baginsky  berichtet  über  einen  10jährigen  nervösen  Knaben, 
der  plötzlich  Röthung  und  Schmerzen  an  den  oberen  Extremitäten, 
besonders  an  den  Fingern  beider  Hände  darbot.  Die  Affection  widerstand 
der  Therapie  sehr  lange. 

Zum  Schloss  widerspricht  Senator  den  Lewi naschen  Aus- 
führungen, dass  es  sich  bei  der  Erythromelalgie  um  ein  zu  den 
bisher  bekannten  Erythemformen  gehörendes  Kraukheitsbild  handelt. 

0.  Rosenthal. 

(20)  Der  41jährige  Kranke,  ein  Deutscher,  bekam  seit  5  Jahren 
im  Frühling  regelmässig  eine  Eruption  der  Handteller  und  Fusssohlen, 
die  durch  Uebelkeit  und  Magenschmerzen  eingeleitet  wurde  und  mit  einer 
vollständigen  Abschoppung  endigte.  Fünf  Tage  vor  der  jetzigen  Attaque 
zeigte  die  Radialseite  des  Daumens  und  Zeigefiogers  eine  dififusse  Röthung, 
daneben  eine  Anzahl  sehr  intensiv  gerötheter  runder  Flecke,  an  welchen 

20* 


296  Bericht  über  die  Leistungen  aof  dem  Gebiete 

2  Tage  später  das  Hornlager  der  Epidermis  sich  wie  eine  Blase  abhobt 
ohne  dass  sich  Flüssigkeit  darunter  befand.  In  der  Discussion  weist 
Taylor  dazu,  den  Process  als  Folge  einer  mechanischen  Irritation 
aufanfassen. 

Klotz  weist  auf  die  Aehnlichkeit  des  Falles  mit  der  in  Frank- 
reich epidemisch  auftretenden,  Acrodynie  genannten  Affeetion  hin. 

Ledermann. 

(21)Wolberg  gibt  eine  Beschreibung  Yon  zwei  Fällen  an,  in 
welchen  ein  2 '/Jähriges  und  ein  6jähriges  Mädchen  mit  Erythema  nodosnm 
angegriffen  waren.  W.  fügft  den  Beobachtungen  Bemerkungen  über  den 
Verlauf  dieses  Leidens  zu.  Elsenberg. 

(24)  Blanc  veröffentlicht  die  Krankengesciiichte  eines  von  einem 
Gollegen  beobachteten  Falls,  in  welchem  es  im  Anschlnss  an  eine 
Erkältung  unter  Uebelkeit,  Erbrechen,  massigem  Fieber  zu  einer 
universellen  Hautröthe  mit  consecutiver  Hautabschuppung  kam.  Das 
betreffende  junge  Mädchen  hatte  schon  früher  analoge  Attaque  und 
auch  nach  diesem  Anfall  eine  ähnliche  Eruption  gehabt.  Zwei  ähnliche 
Fälle  hatte  Blanc  schon  früher  zu  beobachten  Gelegenheit  und  unter  der 
Bezeichnung:  Erythema  exfoliativum  recurrens  veröffentlicht.  Gharakte- 
ristisch  für  diese  drei  Fälle  ist  Folgendes: 

1.  Das  Recidiviren.  Ein  Patient  Blanc's  hatte  die  Affeetion  schon 
2dmal  gehabt.  Die  Ursache  der  Recidive  ist  ebenso,  wie  die  Ursache  der 
Affeetion  unbekannt. 

2.  Die  geringe  Pulsfrequenz,  wodurch  die  Affeetion  sich  von 
Scharlach  in  charakteristischer  Weise  unterscheidet. 

8.  Das  Fehlen  ausgesprochener  Fiebersymptome. 

4.  Die  ausgedehnte  Desquamation  (die  sogenannte  Dermatitis 
exfoliativa  [Brocq]  unterscheidet  sich  von  der  in  Rede  stehenden 
Aäection  durch  die  geringere  Schuppung,  und  durch  die  längere  Krank- 
heitsdauer). 

6.  Die  Aehnlichkeit  mit  Scharlach.     Die  Unterschiede   dassificirt 
Blanc  in  folgender  Tabelle: 
Scharlach: 

1.  Einmaliges  Auftreten. 

2.  Contagiosität. 

3.  Ausgesprochener  Fieberzustand. 

4.  Stark  goschwollener  Rachen. 

5.  Sehr  schneller  Puls. 

6.  Eruption  hält  5  Tage  an. 

7.  Nur  manchmal  starke  Desquain. 

8.  Gewöhnlich  Albuminurie. 


Erythema  exfol.  recurrens : 

1.  Häufige  Recidive. 

2.  Keine  Uebertragung. 

3.  Leichte  Temperatursteigerung. 

4.  Leichte  Röthung  im  Hals. 

5.  Geringere  Pulsfrequenz. 

6.  Eruption  hält  3  Tage  an. 

7.  Stets  beträchtliche  Desquamat. 

8.  Keine  Albuminurie. 

Ledermann. 

(25)  Salolum  camphoratum  wird  nach  Nencki  aus  1  Theile  (aufc 

Gewicht)  Kampfer,    mit   einigen   Tropfen   Alkohol   befeuchtet,   und    1-4 

Theile   Salol   zubereitet.     Man   zerreibt   sie    in  einem  Porzellan-Mörser 

und  nach  einigen  Minuten  wird  die  krystalleue  Masse  zur  durchsichtigen 


der  Dermatologie.  297 

Fläisigkeit.  Dieses  Mittel,  seit  2  Jahren  von  Elsenberg  bei  ver- 
schiedenen Hautkrankheiten  angewendet,  zeigte  sich  sehr  wirksam  bei 
Furunkeln  und  Anthrax.  Nach  12 — 24  Stunden  wird  der  Furunkel 
sohmerslos,  nimmt  an  Grösse  ab,  es  schwindet  die  Röthe  und  Infiltration 
der  umgebenden  Hauttheile,  der  Furunkel  wird  hellblau;  bei  weiterer 
Behandlung  kommt  es  niemals  zur  Eiterung  und  der  Furunkel  wird 
immer  kleiner  bis  zum  vollkommenen  Schwinden.  Die  Impfung  des  In- 
haltes des  an  der  Spitze  eines  Furunkels  liegenden  Bläschens  oder  das 
Uebertragen  eines  Infiltrat-Theilchens  eines  noch  nicht  zur  Eiterung 
gerathenen  Furunkels  gewährt  auf  Agar-Agar  eine  reine,  höchst  üppige 
Gultur  von  Staphylococcus  aureus.  Nach  dauerhafter  Wirkung  (24stündigen) 
des  Salolum  camphoratum  geben  die  überimpften  Furunkeltheilchen  mehr 
keine  derartige  Gultur  oder  sehr  wenig  Golonien.  Wenn  im  Furunkel  die 
Eiterung  schon  eingetreten  ist,  wird  durch  die  Anwendung  des  Salolum 
camphoratum  nach  Entfernung  des  nekrotischen  Zapfens  der  Schmerz  und 
die  Hyperaemie  beseitigt  und  die  Eiterung  beschränkt.  Es  kommt  schnei^ 
zur  Yerheilnng  des  Furunkels  und  an  der  Stelle  desselben  bleibt  nur  auf 
kurze  Zeit  eine  dunkelviolette  Pigmentation  und  ein  kleines  hartes, 
schmerzloses  Knötchen.  Das  Mittel  wird  folgendermassen  angewendet: 
Man  entblösse  die  Spitze  des  Furunkels,  bei  Anthrax  wäre  es  gpit  in  g^ 
wissen  Fällen  einige  massig  tiefe  Incisionen  vorzunehmen,  um  das  Ein- 
dringen des  Mittels  in  die  tieferen  Schichten  des  Infiltrates  zu  erleichtem ; 
nachher  bedecke  man  den  Furunkel  sammt  den  umgebenden  hyperämischen 
Theilen  mit  einem  mit  Salolum  camphoratum  reichlich  benetzten  Watta- 
tampone ;  darüber  lege  man  Waohsleinwand  und  befestige  alles  mit  einer 
Binde.  Elsenberg. 

(26)  Vi  dal  fasst  den  Inhalt  seines  kurzen  Vortrags  in  folgenden 
Schlüssen  zusammen: 

1.  Die  Prurigo  de  Hebra  ist  ebenso  wie  der  Liehen  simplex 
circumscriptus  eine  chronische  papulöse  Neurodermitis,  welche 
bei  einer  Eintheilung  nach  pathologisch-anatomischen  Gesichtspunkten 
in  die  papulösen  Affectionen  eingereiht  werden  muss,  und  was 
die  Pathogenese  der  Krankheit  anbetrifft,  zu  den  Dermatoneurosen 
gehört. 

2.  Die  Prurigo  de  Hebra  ist  keine  selbständige  Krankheit. 
Dieselbe  resultirt  aus  mehreren  pathologischen  Zuständen,  von  denen 
die  beiden  wichtigsten  die  Nervosität  und  die  lymphatische  Constitution 
(scrophulöse  Diathese  der  älteren  Autoren)  sind. 

3.  Gewöhnlich  beginnt  die  Krankheit  in  den  beiden  ersten  Jahren 
des  Lebens.  Man  kann  indessen  die  ersten  Anzeichen  derselben  auch 
während  der  zweiten  Kindheit  und  in  noch  späterem  Alter  sehen. 

4.  Obgleich  die  Heilung  nicht  die  Regel  ist,  so  ist  sie  doch  nicht 
sehr  selten.  Durch  eine  wohlgeleitete  Behandlung  kann  man  Besse- 
rungen und  Bemissionen  von  langer  Dauer  erzielen,  namentlich,  wenn 
man  die  Haut  vor  allen  Jucken  hervorrufenden  Ursachen  schützt. 


298  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Zur  Behandlung  empfiehlt  Vi  dal  Pflaster,  (Sparadrap  ä  V  huile  de 
foie  de  morue),  Naphtohalben ,  Mentholpräparate,  Glycerinstärkepasten, 
Zinkleim  u.  a.  Leder  mann. 

(27)  Fox  hat  von  dem  Thilanin  nar  bei  Lupus  erythematosus  eine 
Wirkung  gesehen,  welche  die  Empfehlung  des  von  Saalfeld  in  die  The- 
rapie eingeführten  Mittels  rechtfertigt. 

Dagegen  hat  er  mit  dem  Tumenol  bei  acuten  und  chronischen  Ec- 
zemen  günstige  Erfolge  erzielt.  Bei  Infiltrationen  scheint  es,  wie  Theer, 
zu  wirken  ohne  die  reizenden  Eigenschaften  desselben  zu  besitzen. 

Ledermann. 

(28)  Eine  historisch-kritische  Studie,  in  deren  Verlauf  Morris  zu 
folgenden  resumirenden  Schlüssen  gelangt:  Die  Aufifiusung  des  Lupus 
erythematosus  als  Neoplasma  hat  sich  vollständig  überlebt,  da  weder 
die  klinische  noch  mikroskopische  Beobachtung  diese  Ansicht  bestätigt. 
Der  entzündliche  Charakter  des  Processes  ist  deutlich  bewiesen  durch 
die  mikroskopischen  Bilder  des  afficirten  Gewebes  (Leloir,  Schütz);  der 
Process  hat  keine  nothwendigen  Beziehungen  zu  den  Talg-  oder 
Schweissdrüsen,  sondern  beginnt  an  den  Blutgefässen.  Die  Ursache  der 
Entzündung  ist  nicht  sicher  bekannt.  Die  Lehre,  dass  der  Tuberkel- 
bacillus  das  ätiologische  Moment  ist,  kann  nicht  als  bewiesen  angesehen 
werden.  Die  anatomische  und  bakteriologische  Untersuchung  spricht 
absolut  dagegen  und  die  klinische  Beobachtung  ruht  auf  unsicherer 
Basis.  Was  andere  Mikroben  anbetrifift,  so  ist  ihr  Vorkommen  in  der 
an  Lupus  erythematosus  erkrankten  Haut  sehr  zweifelhaft.  Augenblicklich 
muss  man  den  Lupus  erythematosus  definiren  „als  eine  chronische  Ent- 
zündung der  Haut,  local  in  ihrem  Ursprung  und  hauptsächlich  local  in 
ihrem  Verlauf  ohne  Beziehung,  soweit  unsere  jetzigen  Kenntnisse 
reichen,  mit  irgend  einer  constitutioaellen  Erkrankung. ** 

Ledermann. 

(29)  Die  mikroskopische  Untersuchung  einer  grösseren  Anzahl  von 
excidirten  Hautstückchen  von  Liehen  tropicus  ergab  im  Wesentlichen 
Schwellong  der  Hornschicht,  leichte  ödematöse  Schwellung  der  Rete 
Malpighii,  cystisch  erweiterte  Schweissdrüsenausführungsgänge  im  Rete, 
geringe  perivasculäre  Infiltration  der  Papillarschicht  der  Cutis.  Die 
Entstehung  der  Cysten  führt  Pollitzer  auf  mangelhafte  Einfettung 
der  schweissgetränkten  Haut  zurück.  Als  prophylaktische  Massregel  em- 
pfiehlt er  morgentliche  Einfettung  der  Haut  mit  Lanolin,  als  thera- 
peutische Puder.  Die  Affection  endet  mit  einer  Restitutio  der  Schweiss- 
drüsenausführungsgänge in  integrum.  Sie  ist  scharf  zu  trennen  von  der 
sogenannten  Miliaria  crystallina.  Ledermann. 

(30)  Fox  stellt  eine  64jährige  Frau  von  kachectischem  Aussehen 
vor,  welche  zahlreiche  theils  disseminirte,  theils  gruppirte  Papeln  im 
Gesicht,  Hals  und  Armen  zeigt,  die  z.  T.  annulär  angeordnet,  in  der 
Mitte  ein  pigmenti rtes  und  eingesunkenes  Centrum  zeigen.  Einige  sind 
besonders  glatt  und  durchsichtig  und  ähneln  dem  Liehen  obtusus.  Die 
Efflorescenzen    am   Nacken    ähneln    sehr    dem   Liehen    planus,    die  iüi 


der  Dermatologie.  299 

Gesicht  mehr  Bypbilitischen  Knötchen.  In  der  Discuasion  spricht  sich  die 
Mehrzahl  der  Anwesenden  für  die  Diagnose:  Syphilis  aus.  Cut  1er  hält 
einige  EfBorescenzen  för  syphilitischi  andere  für  Liehen  planus,  eine 
Ansicht,  der  Redner  beitritt.  Ledermann. 

(31)  Lewin  macht  darauf  aufmerksam,  dass  der  Pemphigus 
hystericus  durch  ein  in  kochendes  Wasser  erhitztes  metallenes  Instrument 
z.  B.  einen  Hammer,  oder  durch  Einreiben  mit  Cantharidenpulver 
erzeugt  wird.  In  den  Blasendrüsen  findet  man  im  letzteren  Falle 
mikroskopisch  Theilchen  der  Flügeldecken  der  Lytha  vesicatoria. 

0.  Rosenthal. 

(32)  Quimby  empfiehlt  zur  Behandlung  der  Unterschenkel- 
geschwüre eine  Modification  der  alten  B  ay  n  t  o  n'schen  Heftpflasterverbände. 
Er  legt  Heftpflasterstreifen,  die  höchstens  einen  Zoll  breit  sein  dürfen, 
so  an,  dass  sie  niemals  den  ganzen  Unterschenkel  umgreifen,  sondern 
eben  auf  der  gesunden  Haut  festkleben  können.  Alle  Streifen  werden  im 
rechten  Winkel  zur  Längsaxe  des  Geschwüres  angelegt  mit  einer  leichten 
Modification  je  nach  der  Richtung  der  grössten  Hautelasticität.  Daa 
Befestigen  der  Streifen  erfolgt  in  2  Abtheilungen:  Bei  der  ersten  werden 
sie  mit  einem  Ende  an  der  gesunden  Haut  festgeklebt,  die  Geschwür*, 
ränder  einander  genähert  und  dann  das  andere  Ende  befestigt.  Der 
erste  Streifen  wird  so  gelegt,  dass  er  die  Geschwürs  fläche  halbirt,  jeder 
folgende  soll  wieder  die  übrig  bleibenden  Geschwürsflächen  halbiren. 
Wird  dabei  ein  Streifen  gelockert,  so  kann  das  eine  Ende  freigemacht 
und  unter  geeigneter  Spannung  wieder  befestigt  werden.  Sind  die  vom 
Geschwür  übrig  bleibenden  Flächen  schmäler  als  die  Hefipflasterstreifen, 
so  erfolgt  das  Anlegen  der  zweiten  Abtheilung:  Jeder  Streifen  wird  von 
seiner  Mitte  nach  beiden  Enden  hin  gleichzeitig  unter  geeigneter 
Spannung  so  angelegt,  dass  er  einen  freigebliebenen  Streifen  des 
Geschwüres  und  zwei  daneben  liegende  Heftpflasterstreifen  bedeckt. 
Zum  SchlusB  kann  man  Oeffnungen  für  den  Secretabfluss  anbriugen. 

Sternthal. 

(33)  Giovannini  formulirt  die  Resultate  seiner  Untersuchungen  in 
folgenden  Sätzen: 

1.  Bei  der  secundär-syphilitischen  Alopecie  ist  in  der  Haut,  ohne 
klinische  Veränderung  derselben,  ein  Entzündungsprocess  vorhanden,  der 
vorzugsweise  die  Follikel  an  deren  unterem  Theile  befällt  (Folliculitis  pilaris 
profunda).  Infolgedessen  finden  in  den  Haaren  progressive  Veränderungen 
statt,  welche  deren  Ausfallen  herbeiführen. 

3.  Vom  histologischen  Gesichtspunkte  aus  bietet  die  Haarfollikel- 
entzündung  der  syphilitischen  Alopecie,  ihrem  Sitz  und  ihrer  Aus- 
dehnung nach,  grosse  Aehnlichkeit  mit  jener  der  Alopecia  areata 
dar.  Auch  die  Veränderungen,  die  in  einem  und  dem  anderen  Falle  infolge 
der  HaarfoUikelentzündung  in  den  Haaren  stattfinden,  sind  grösstentheils 
die  gleichen. 

Verf.  Bohliesst  aus  diesen  Ergebnissen,  dass  auch  die  Ver- 
änderungen   der   Alopecia    areata    durch    ein    im    Blute    circulirendes 


300  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

pathogenes  Agens  yerändert  werden,  wie  dies  der  Fall  bei  der  ty- 
phili  tischen  Alopecie  ist  —  ein  Analogieschlnss,  der  in  mancher  Beziehung 
anfechtbar  ist.  Der  Arbeit  sind  wohlgetroffene  Mikrophotogramme  beigefügt. 

Ledermann. 
(84)  Bei  einem  82jährigen  Mann  hatte  sich  plötElieh  unter  starker 
Schwellung  des  Gesichts  eine  grosse  Anaahl  Stecknadelkopf-  bis  erbsen- 
grosser  Knötchen  auf  den  Wangen,  Knien  und  zwischen  den  Augenbrauen 
gebildet.  Die  Knötchen  waren  dunkelroth,  glichen  mehr  einem  tuberöse u 
Syphilid  als  den  Knötchen  der  Rosacea;  ihre  Gonsistenz  war  weich, 
grössere  oonfluirte  Prominenzen  fühlten  sich  wie  multiloculäre  Cysten 
an.  Auf  Druck  entleerte  sich  Blut  und  Eiter.  Sie  sassen  ungemein  tief 
in  der  Haut  und  hinterliessen  bei  Gurettement  ein  netzförmiges  Ulcus, 
dessen  Seoret  einen  gelatinösen  Inhalt  enthielt.  Bei  der  Heilung,  welche 
auf  der  einen  Gesichtshälfte  vermittelst  der  Curette  erzielt  wurde,  an 
anderen  Stellen  spontan  erfolgte,  hinterblieb  auch  an  den  nicht 
behandelten  Stellen  ein  pockennarbiges  Aussehen.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  ergab  einen  ausgesprochenen  tubercnlösen  Charakter  der 
Geschwülste,  so  dass  die  provisorische  Diagnose  von  Fox:  Lupus  acutus 
disseminatus  gestutzt  wurde.  LedermaiLo. 


Bildangsanomalien. 

1.  Herzfeld.  Epidermolysis.  Yerhandl.  d.  Berl.  med.  Gesellsch.  Berl. 
klin.  Wochenschr.  Nr.  34, 

2.  Mackenzie,  Hector  W.  G.  A  case  of  myxoedema  treated  with  great 
benefit  by  feeding  with  fresh  thyroid  glands.  The  Brit.  Med.  Joum. 
29.  Oct.  1892. 

3.  Fox,  E.  L.  A  case  of  myxoedema  treated  by  taking  extract  of  thy- 
roid by  the  mouth.   The  Brit.    Med.  Joum.  29.  Oct.  1892. 

4.  Trape§nikoff.  Mycosis  fungoides  mit  Demonstration.  Wratsch  1892. 
Nr.  5  pag.  117.    Sitzung  der  russischen  syphilido-dermatol.  Gesellsch. 

5.  Pliilipp§on.  Aus  Dr.  Unna's  Klinik.  Hamburg-Eimsbüttel.  Zwei  Fälle 
von  Mycosis.   Berl.  klin.  Wochenschr.  1892.  Nr.  39. 

6.  MarianeUi,  Amedeo.  Sopra  un  caso  die  Granuloma  fungoide.  (Mycosi 
fungoide  di  Alibert.)  Giornale  Italiano  delle  Malattie  venerree  e  della 
pelle.  1892.  IT. 

7.  Uona.  Naevi  und  Naevocarcinome.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1893.  Nr.  1. 

8.  During,  E.  v.  Ichthyosis  mit  pemphigoiden  Eruptionen.  Monatsh.  f. 
prakt.  Derm.  Nr.  12.  XV.  15.  Dec.  1892. 

9.  HalperD.  Seltener  Fall  einer  complicirten  Ichthyosis.  (Niezwykly 
przypadek  powiklania  rybiej  luski.)   Gazeta  Lekarska.  Nr.  49.  1892. 

10.  CiougüÄski  und  Hewelke.  Zur  Frage  über  die  sogenannte  schwarze 
Zunge.  (W  kwestyi  tak  zwanego  czarnego  j§zyka.)  Kronika  Lekarska. 
Nr.  11.  1892. 


der  Dermatologie.  301 

11.  l!I*CalI  Anderaon,  T.  A  case  of  Xeroderma  pigmentosum,  with 
Post-mortem  examinaton.  Dec.  1892.  The  Brit.  Joum.  of  Dermatolog. 

12.  Foulerton.  Alex.  G.  R.  A  case  of  localised  gangrene  of  the  leg 
occurring  in  the  course  of  scleroderma ;  amputation  through  thigh ; 
recovery.   The  Lancet.  12.  Nov.  1892. 

13.  Haie,  G.  E.  Four  cases  of  myxoedeme  treated  by  injections  of  thyroid 
extract.   The  Brit.  Med.  Joum.  31.  Dec.  1892. 

14.  Mc.  Call  Anderson,  T.  A  case  of  Xanthoma  multiplex  in  a  child. 
The  Brit.  Med.  Joum.  3.  Dec.  1892. 

15.  Morrow,  Prince  A.  Xanthoma  tuberculatum.  Bericht  eines  Falles, 
nebst  Bemerkungen  über  eine  neue  und  erfolgreiche  Methode  der  Be- 
handlung. Joum.  of  cut.  and  gen.-urin.  dis.  Jan.  1893. 

16.  Brooke.  Epithelioma  adenoides  cysticum.  The  Brit.  Joum.  of  Derm. 
Sept.  1892. 

17.  Kaposi.  Sarcomatosis  cutis.  Aus  dem  officiellen  Protokolle  der  k.  k. 
Ge«.  d.  Aerzte  in  Wien.  Sitzung  v.  3.  Febr.  1893. 

18.  Hartzell.  Sarcoma  cutis.  Read  at  the  16  ann.  meeting  of  the  Am. 
derm.  assoc.  13.  Sept.  1892.  Joum.  of  cut.  and  genito-urin.  diseases. 
Januar  1893. 

19.  Sfdzlak.  Seltener  Fall  von  Sarcomata  multiplicia  cutis  et  lympho- 
sarcoma  tonsillae  dextrae.  (Niezwykly  przypadek  sarcomata  multiplicia 
cutis  et  lympho-sarcoma  tonsillae  dextrae.  Gazeta  Lekarska.  Nr.  44. 1892. 

(1)  Herzfeld  stellt  2  Brüder  mit  Epidermolysis  vor,  bei  denen 
sich  aber  die  Blasenbildung  nur  auf  H&nden  und  Füssen  zeigte.  Zugleich 
bestand  an  diesen  Theilen  eine  starke  Hyperidrosis,  sowie  secundire 
Veränderungen. 

Auf  der  Dorsalseite  war  die  Haut  dünn,  atrophisch,  auf  der  Vo- 
larfläche  war  dieselbe  gespannt,  zum  Theil  eingerissen;  ein  vollständiges 
Strecken  war  nicht  möglich.  Zwischendurch  fanden  sich  unregelmässig 
▼eriheilte  kleinere  und  grössere  Blasen.  Die  Nägel  waren  verkümmert. 
In  aufsteigender  Linie  war  in  der  Familie  die  Krankheit  nicht  nach- 
weisbar, dagegen  litten  von  8  Geschwistern  4  an  derselben  Affection. 
In  der  Ditcossion  bemerkt  Lewin,  dass  es  sich  möglicherweise  bei 
den  Kranken  um  das  Stadium  atrophicum  der  Sclerodermie  handelt. 
Lassar  hat  Epidermolysis  hereditär,  bei  6  Geschwistern  beobachtet,  bei 
denen  ausserdrai  auf  Heredität  beruhende  Ichthyosis  vorhanden  war. 

0.  Rosenthal. 

(2)  Mackenzie  gab  in  einem  Falle  von  Myxoedem,  theils  um 
eine  bequemere  Methode  zu  haben  als  die  lästige  Darstellung  des 
Extraotes  aus  der  glandula  thyreoidea,  theils  um  die  mit  der  Injection 
verbundenen  Gefahren  zu  vermeiden,  die  frischen  Drüsen  oder  ein  aus 
ihnen  bereitetes  Extract  per  os.  Eine  halbe  Sohafsthyreoidea  täglich  ist 
für  gewöhnlich  genügend.  Bei  der  Patientin  des  Verf.  trat  jedesmal 
nach  dem  Einnehmen  eine  deutliche  Pulsbeschleunigung  und  Temperatur- 
erhöhung ein,  proportional  der  Menfre  der  gegebenen  Thyreoidea;  diese 
Erscheinungen  hielten  einige  Zeit  nach  der  Darreichung  an.   Unter  dieser 


302  Bericht  über  die  Lei>tungeii  auf  dem  Gebiete 

Behandlung  besserten  sich  alle  Symptome  des  Myxoedems.  Die  Darreichung 
geschieht  am  besten  mit  etwas  Brandy,  da  das  Mittel  sonst  leicht  Nausea 
erregt.  Sternthal. 

(3)  F'ox  gab  einer  an  Myxoedem  leidenden  Frau  das  nach  Vorschrift 
von  Murray  aus  einer  halben  Schafsthyreoidea  bereitete  Extract 
2  Mal  wöchentlich  per  o  s,  und  Ewar  die  Hälfte  1  Stunde  vor  dem  Früh- 
stück, die  andere  Hälfte  1  Stunde  vor  dem  Abendessen.  Der  Erfolg  war 
ein  sehr  befriedigender.  Verf.  will  beim  nächsten  Falle  kleine  Dosen  der 
kleingehackten  Drüse  geben,  da  dies  noch  wirksamer  zu  sein  scheint, 
weniger  Last  bei  der  Herstellung  macht  und  von  den  Patienten  lieber 
genommen  wird.  Sternthal. 

(4)  Nach  einer  kurzen  historischen  Einleitung  stellt  Trapes- 
nikoff  den  Kranken  vor.  Vor  14  Monaten  hat  sich  am  Halse  des 
Patienten  eine  kleine  blaurothe  Geschwulst  gebildet,  die  sich  stetig 
vergrösserte,  zerfiel  und  sich  in  das  gegenwärtige  grosse  und  tiefe 
Geschwür  verwandelte,  dessen  Grund  die  Musculatur  bildet.  Ein  zweites 
beinahe  rundes  Geschwür  unter  dem  Ohr  hat  sich  aus  einem  erst  in 
der  Klinik  zerfallenen  Knoten  gebildet.  Eine  enorm  vergrösserte  Cer- 
vicaldrüse  ist  exstirpirt  worden:  prima  intentio.  Die  ursprünglich  stark 
vergrösserten  Submaxillar«,  Axillar-  und  andere  Drüsen  haben  sich 
auf  Jodkali  beinahe  zur  Norm  zurückgebildet.  Locale  Behandlung 
mit  Jodoform,  innerliche  Darreichung  von  Jodkali  haben  das  Aussehen 
des  Geschwürs  wesentlich  gebessert. 

Die  Diagnose  ist  per  exclusionem  gestellt  worden,  zumal  dieser 
Fall  sich  von  früher  beschriebenen  durch  die  bedeutende  Vergrösserung 
vieler  Lymphdrüsen  unterscheidet;  auch  Vi  dal  und  Hallopeau  hätten 
Mischformen  dieses  Leidens  erwähnt.  Was  die  Natur  der  Mycosis  fun- 
goides  betrifft,  so  hält  T.  sie  für  ein  infectiöses  Granulom.  Die  mikro- 
skopischen Präparate  haben  ihm  grösstentheils  das  Bild  eines  vasculari- 
sirten  Granuloms  gegeben.  T.  hat  einen  Diplococcus  gefunden,  kann 
aber  seine  Specificität  noch  nicht  nachweisen.  Kulneff  bemerkt, 
dieser  Fall  sei  gerade  wegen  des  Befallenseins  des  ganzen  Lymph- 
systems nicht  charakteristisch  für  Mycosis  fungoides.  Strauch. 

(5)  Philipps on  beschreibt  aus  der  Unna'schen  Klinik  2  Fälle 
von  Mycosis: 

Der  erste  betrifft  eine  36jährige  Frau,  bei  der  zuerst  vor  4  Jahren 
auf  dem  rechten  Ellbogen  und  Schulter  rothe  juckende  Stellen  aufge- 
treten waren.  Seit  einem  Jahre  bestand  Knoten bildung.  Bei  der  Auf- 
nahme zeigte  sich  ein  fleckiges,  leicht  schuppendes  Erythem  des 
Gesichts  und  des  Kopfes,  auf  dem  das  Haar  gelichtet  war;  auf  der 
linken  Wange  bestand  eine  derb  anzufühlende  Papel.  Am  Nacken  und 
Hals  befanden  sich  hellbraune  Pigmentflecke  und  verschieden  geformte 
Papeln.  Auch  der  übrige  Körper  zeigte  die  gleichen  Erscheinungen  in 
den  verschiedensten  Stadien  der  Entwicklung  und  der  Rückbildung. 
Die  grössten  Knoten,  zum  Theil  nässend,  sassen  in  der  Gürtelgegend 
und  den  umgebenden  Theilen.  Die  Patientin  wurde  innerlich  mit  Arsenik 


der  Dermatologie.  303 

und  austerdem  mit  Resorcin   und  Ghrysarobin  behandelt.      Das  Jucken 
yerschwand  und  die  Knoten  gingen  zum  Theil  zurück. 

Der  zweite  Fall  betrifft  eine  60jährige  Frau,  bei  der  sich  seit 
einem  Jahre  ein  von  den  Oberschenkeln  ausgehender  fleckiger  Ausschlag 
und  Knoten  der  verschiedensten  Grösse  ausgebildet  hatten.  Im  Verlauf 
eines  Jahres  ulcerirten  eine  Anzahl  der  letzteren,  es  traten  neue  auf 
und  das  Gesicht  gewann  das  Aussehen  einer  Facies  leprosa.  Unter 
Fiebererscheinungen  bildete  sich  ein  Abscess  am  Unterkiefer  und  die 
Patientin  ging  pyämisch  zu  Grunde. 

Auf  Grund  histologischer  Untersuchungen  rechnet  auch  P.  die  My- 
cosis fungoides  zu  den  Granulationsgeschwülsten.  Nach  ihm  gestattet 
bereits  das  ekzematiforme  Yorstadium  eine  histologische  Diagnose, 
da  dasselbe  den  Beginn  der  Tumorbildung  zeigt:  ein  flächenhaft 
ausgebreitetes  Granulom,  hervorgegangen  aus  den  fixen  Bindege- 
webszellen durch  Mitosenbildung  und  bestehend  aus  runden  einkernigen 
und  hyperplas tischen  (mehrkernigen  und  Riesen-)  Zellen. 

0.  Rosenthal. 

(6)  Mariauelli  veröffentlicht  einen  Fall  von  Mycosis  fungoides, 
der  dadurch  bemerkenswerth  erscheint,  dass  der  Krankheilsprocess  auch 
in  den  Stadien  vor  den  fungösen  Bildungen  histologisch  untersucht 
und  dass  der  Patient  geheilt  wurde.  Die  Krankheit,  welche  beim  Ein- 
tritte des  14jährigen  Patienten  in  die  Klinik  bereits  über  ein  Jahr 
gedauert  hatte,  hatte  zu  mannigfachen  Veränderungen  auf  der  Haut 
gefuhrt.  Einerseits  fanden  sich  zahlreiche  papulo  -  vesiculöse  Efdores- 
cenzen  und  diffuse  violettrothe  Verfärbungen  der  Haut,  die  eine  be- 
stimmte Localisation  zeigten,  und  andrerseits  waren  auch  wahre  Knoten- 
bildungen  vorhanden,  namentlich  an  der  Innenfläche  der  Oberschenkel 
und  am  Fussrücken.  Die  Krankheit  war  mit  starkem  Jucken  verbunden. 
Nach  4 '/«monatlicher  Behandlung  mit  Sol.  Fowleri  subcutan  wurde  der 
Ki'anke  fast  geheilt  entlassen,  und  die  vollständige  Heilung  unter 
Weitergebrauch  von  Arsen  constatirt.  Die  histologische  Untei-suchung 
ergab  in  den  Anfangssladien  einen  Process,  der  mit  den  gewöhnlichen 
entzündlichen  Gefässveränderungen  begann,  wie  sie  sich  bei  allen  Ent- 
zündungen des  Bindegewebes  vorfinden.  Im  weiteren  Verlaufe  fuhrt 
dieser  Process  zur  entzündlichen  Neubildung,  zur  Bildung  eines  Granu- 
loms; nirgend  aber  finden  sich  die  Charaktere  einer  wahren  Neubildung. 
Dieser  histologische  Befund  wird  bei  der  Stellung  der  Differenzial- 
diagnose  zwischen  Lymphadenia  cutanea,  Sarcomatosis  und  entzünd- 
licher lymphadenoider  Neubildung  zu  Gunsten  der  letzteren  benützt. 
Die  in  ätiologischer  Beziehung,  namentlich  ob  die  Krankheit  infectiöser 
Natur  sei,  angesteilen  Forschungen  blieben  resultatlos.  Die  Untersuchung 
des  Blutes  auf  Mikroorganismen  war  negativ.  In  vielen  Schnitten  aus 
den  Tumoren  konnten  zwar  viele  Coccen  nachgewiesen  werden,  allein 
diese  Schnitte  stammten  stets  aus  exulcerirten  Knoten,  und  die  Coccen 
befanden  sich  in  der  Nachbarschaft  der  Exulcerationen,  und  erwiesen 
sich  als    gewöhnliche   Eitercoccen.    In   den   kleinen,   nicht  exulcerirten 


304  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Knoten  konnten  weder  lustologisoh  noch  bacteriologisch  irgendwelche 
Mikroorganismen  nachgewiesen  werden.  Auf  Grund  sämmtlicher  Be- 
obachtungen   glaubt    Verfasser    folgende    Schlüsse    ziehen    zu    dürfen: 

1.  „Die  Tumoren  entwickeln  sich  bei  der  Mycosis  fungoides 
auf  Basis  der  Bindegewebszellen,  und  die  pathol.  anatom.  Verande- 
ruDgen  zeigen  sich  nach  Art  der  Granulationsgeschwvlste  oder  Gra- 
nulome. 

2.  Wird  die  Krankheit  gleich  anfangs  diagnosticirt,  so  gibt  sie 
keine  absolut  infauste  Prognose,  da  sie  durch  eine  Arsencur,  namentlich 
auf  hypodermatischem  Wege,  Yollständig  geheilt  werden  könne.* 

Spietschka. 

(7)  Bei  der  Untersuchung  von  4  primären  Naevocarcinomen  fand 
Unna,  dass  diese  Geschwülste  sämmtlich  einen  deutlichen  alveolären 
Bau  zeigen,  mithin  als  alveoläre  Krebse  aufzufassen  sind,  ein  Typus, 
den  U.  unter  70  Hantcarcinomen  nur  lOmal  vertreten  fand.  Diese 
Naevocarcmome  entwickeln  sich  aus  den  im  Bindegewebe  herdweise 
eingeschlossenen  eigenthümlichen  Zellen,  den  Naevuszellen.  Diese  zeigen 
keine  Zwischensubstanz  und  gleichen  dadurch  mehr  Deckepithelien,  als 
Bindegewebszellen.  Von  den  ersteren  unterscheiden  sie  sich  allerdings 
dadurch,  dass  sie  ein  an  basophilen  Körnchen  armes  Protoplasma  und 
keinerlei  Epithelfaserung  zeigen.  Der  Kern  ist  aber  wiederum  epithel- 
ähnlich, gleichmässig  oval,  gross,  chromatinreich.  Am  meisten  haben 
also  diese  Zellen  mit  gewissen  Drüsenepithelien  Aehnlichkeit.  U.  trat 
darauf  der  Frage  näher,  ob  der  gleichmässige  Befund  bei  den  von  ihm 
untersuchten  Naevusgeschwülsten  auf  Zufall  beruhe.  Zu  diesem  Zweck 
durchmusterte  er  einige  ihm  zur  Verfügung  gestellte  Knoten  des  im 
Glasgow  Medical  Journal  (August  1885)  von  Tennent  veröffentlichten, 
bekannten  Falles  von  goneralisirtem  Pigmentsarcom.  Es  stellte  sich  dabei 
heraus,  dass  es  sich  um  ein  pigmeutirtes  Garcinom  handelte.  Das  gleiche 
Resultat  ergab  die  Untersuchung  eines  ihm  von  anderer  Seite  über- 
lassenen  Falles  von  metastatischem  subcutanem  Pigmentsarcom.  Mithin 
glaubt  U.,  dass  sicher  Fälle  von  melanotischem  Garcinom  als  Sarcome 
beschrieben  worden  sind  und  dass  die  Lehre  vom  Pigmentsarcom  einer 
Revision  bedarf.  Was  den  Ursprung  der  Naevuszellen  betrifft,  so  gelang 
es  U.  an  pigmentirten  Naevis  von  Neugeborenen  und  aus  den  ersten 
Lebensjahren  nachzuweisen ,  dass  es  sich  dabei  um  echte  Epithelien 
handelt,  die  sich  in  der  Embryonalzeit  oder  den  ersten  Lebensjahren 
von  Deckepithel  abgeschnürt  haben.  Dieser  eigenthümliche  Befund  weist 
daher  in  sich  bereits  auf  die  Natur  der  späteren  Geschwulst  hin.  Diese 
Thatsache  scheint  eine  wichtige  Stütze  der  bekannten  Cohnheim'schen 
Garcinomtheorie  abzugeben,  wenngleich  dieselbe  bei  der  Mehrzahl  der 
Hautcarcinome  nicht  ausreicht.  0.  Rosenthal. 

(8)  In  dem  vorliegenden  P^all  von  Düring,  von  dem  Hallopeau 
und  Vidal  je  einen  analogen  Fall  beobachtet  haben,  handelt  es  sich 
um  eine  congenitale,  auf  xerotisch  veränderter  Haut  über  den  ganzen 
Körper  sieh  ausbreitende,    anscheinend   symmetrisch  auftretende  Blasen- 


der  Dermatologie.  305 

emption.    Die  an  Grösse  sehr  differirenden  Blasen,  mit  theils  serösem, 
theils   eitrigem   oder   hämorrhagischem  Inhalt   heilen    mit  Hinterlassung 
einer  zarten,  rosarothen,  leicht  abschuppenden  Narbe  ab,  welche  später 
abblasst  und   einen   scharfen,    leicht   pigmentirten  Hof  behält.    In  der 
Narbe  finden  sich  kleine  Knötchen  mit  schleimigem  Inhalt.    Prädilections- 
stellen    sind    die    Streckseiten    der    Gelenke    und    die    Dorsalfiäche    der 
Hände   und  Füsae,  jedoch  ist  keine   Stelle    des  Körpers   ausgenommen. 
Die  Nägel  fallen  gewöhnlich   ganz   aus    oder  atrophiren  stark   oder  ver- 
ändern sich   nach  Art  der  Onychogryphose.    Der  Inhalt   der    Knötchen 
besteht  aus  Detritus,  Fett  und  Epithelsellen.   Die  Entstehung  der  Knötchen 
beruht  auf  cystischer  Entartung  des  durch  die  Entzündungsvorgänge  ob- 
literirten  Ausfuhrungsganges  der  Schweissporen  resp.  Follikel.   Die  Aetio- 
logie  ist  unbekannt.   Verf.  hält  die  Krankheit  für  eine  seltene  Ichthyosis- 
forro  und  bezeichnet  sie  als  Ichth.  bullosa  oder  Ichth.  mit  pemphigoiden 
Eruptionen.   Vi  dal  nennt  sie:  Lesions  trophiques,  d'origine  congenitale, 
ä  marche  progressive;    Hallopeau:    Dermatose  buUeuse  infantile  avec 
cicatrices  indelebiles,    Gystes   epidermiques   et   manifestations   buccales; 
Brocq:  Pemphigus  successiv  ä  Gystes  epidermiques.  Am  nächsten  der  von 
D  ü  h  r  i  n  g*schen  Bezeichnung  kommt  die  B  e  s  n  i  e  r'sche .  Ichthyose  ä  pous- 
sees  buUeuses.     Die  Prognose  hält  Yerf.  mit  Rücksicht  auf  den  ichthyo- 
tischen  Gharakter  der  Affection  für  ungünstig.  Ledermann. 

(9)  V.  beschreibt  einen  Fall  von  Ichthyosis  bei  einem  14] ährigen 
Knaben,  complicirt  mit  Folliculitis  und  Gomedones  auf  der  hinteren  Ober- 
flächts  der  Arme  und  Vorderarme,  wie  auch  diffusen  begrenzten  dergleichen 
Efflorescencen  am  Rumpfe.  Elsenberg. 

(10)  Eine  24jährige  Frau  bemerkte  nach  einem  während  10  Tagen 
durchgemachten  Fieberznstande  (Influenza)  eine  schwarze  Pigmentation 
ihrer  Zunge,  die  sich  auf  ihrer  oberen  Fläche  bis  gegen  die  Papillae 
circumvallatae  erstreckte ,  ohne  ihre  Ränder  und  Spitze  anzugreifen. 
Die  Zunge  war  glatt  und  feucht;  der  allgemeine  Zustand  gut  ohne  die 
geringsten  Klagen.  Nach  zweitäglichem  Spülen  mit  Borsäure  verschwand 
gänzlich  die  Pigmentation.  Die  mikroskopische  Untersuchung  erwies  im 
schwarzen  Belage:  dicke  Hyphomycetenfäden  ohne  Verdickungen,  auch 
Köpfchen  bedeutender  Grösse,  mit  schwarzen  Sporen  bestreut  und  mit 
einem  dünnen  äusseren  Häutchen,  die  die  ganze  Masse  der  Sporen 
bedeckte,  umgeben.  Auf  Brot  und  Kartoffeln  entwickelten  sie  sich  im 
Thermostate  als  schwarzer  Belag  bei  Zimmertemperatur;  dasselbe  trat 
noch  bei  Temperatur  25' — 27*  G.  ein,  zeigte  sich  schon  aber  nicht  bei 
37*.  Am  zweiten  Tage  nach  der  Ueberimpfung  bedeckte  sich  die 
Oberfläche  des  Nährbodens  mit  einem  feinen  schnee weissen  Belage  und 
nahm  während  2  Tagen  die  ganze  Oberfläche  ein.  Am  dritten  Tage 
bemerkte  man  schon  an  den  freien  Enden  der  Fäden  schwarze  runde 
Köpfchen,  zu  Folge  dessen  die  ganze  Gultur  nach  5—7  Tagen  vollständig 
schwarz  schien.  Die  Verfasser  finden  den  Pilz  dem  Mucor  rhizopodiformis 
ähnlich.  Er  unterscheidet  sich  jedoch  durch  die  Farbe  der  reifen 
Gulturen,   durch  die  Gestalt   der  Sporen;    er  entwickelt  sich  auch  bei 


305  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

niedrigerer  Temperatur  und  ist  nicht  pathogen,  was  das  Hineinbringen 
der  Gnltur  in  die  Halsvene  eines  Kaninchens  bewiesen  hat ;  es  verursachte 
eben  nicht  die  geringsten  Veränderungen  —  das  Kaninchen  blieb  gesund. 
Die  Verfasser  rathen  den  Pilz,  als  Mucor  niger  und  die  Erkrankung 
der  Zunge  als  Mycosis  linguae  mucorina  nigra  s.  nigrities 
mucorina  linguae  zu  benennen.  Elsenberg. 

(11)  Anderson  schildert  einen  typischen  Fall  yon  Xeroderma 
pigmentosum  bei  einem  Knaben,  dessen  Schwester  an  der  gleichen 
Affection  erkrankt  ist.  Der  Fall  zeichnet  sich  durch  enorme  Zerstörungen 
im  Gesicht  aus.  'Die  Section  ergab  Yollständiges  Intactbleiben  der 
inneren  Organe  und  ein  zweifelloses  Epitheliom  im  Gesicht.  In  welcher 
Weise  und  wodurch  die  Umwandlung  der  Primärefflorescencen  in 
epitheliomatöse  Bildungen  in  diesen  Fällen  vor  sich  geht,  vermag  Verf. 
nicht  zu  erklären.   Die  Arbeit  enthält  sonst  keine  neuen  Gesichtspunkte. 

Ledermann. 

(12)  Fouler  ton  behandelte  ein  zweijähriges  Mädchen  an  diffuser 
Scierodermie,  in  deren  Verlauf  sich  am  rechten  Fussrücken  und  am 
rechten  Obersehenkel  gangränöse  Stellen  bildeten.  Das  Kind  kam  auf 
das  Aeusserste  herunter  und  schien  dem  Tode  nahe,  bis  durch  eine 
Amputation  im  mittleren  Drittel  des  Oberschenkels  eine  Genesung 
erfolgte.  Die  Wunde  heilte,  abgesehen  von  einer  kleinen  Randgangrän, 
die  sich  bald  abstiess,  glatt  und  auch  die  Sclerodermie  schien  sich  zu 
involviren.  Als  aber  das  Kind  aus  dem  Krankenhause  entlassen  wurde, 
schritt  sie  weiter  fort.  Ein  Querschnitt  durch  den  abgesetzten  Ober- 
schenkel zeigte,  dass  alle  Gewebe  erkrankt  waren.  Die  Haut  war 
aufs  Engste  verbunden  mit  dem  subcutanen  Gewebe,  das  sehr  hart  und 
beträchtlich  verdickt  war.  Es  konnte  von  den  Muskelfasern  nicht  entfernt 
werden,  ohne  dass  man  stellenweise  die  Oberfläche  der  degenerirten 
Muskelsubstanz  mitnahm.  Die  Muskeln  waren  völlig  degenerirt  und  sahen 
grau,  wächsern  aus.  Das  Bein  war  völlig  blutleer  —  (auch  bei  der 
Operation  war  nach  Unterbindung  der  Arteriae  femoralis  et  profunda 
kein  Blut  mehr  geflossen).  —  Der  Knochen  war  sehr  atrophisch.  Verf. 
fasst  die  Erkrankung  als  eine  primäre  Erkrankung  auf,  die  eine  weit- 
verbreitete und  genetisch  verwandte  Gruppe  von  Geweben  meso- 
blastischen  Ursprungs  befällt  und  zwar  das  subcutane  Gewebe,  die 
Muskelfasern  und  die  fibrösen  Gelenkkapseln.  Sternthal. 

(13;  Haie  t heilt  4  Fälle  von  Myxoedem  mit,  die  durch  In- 
jectionen  mit  Saft  der  gland.  thyreoidea  mehr  oder  weniger  gebessert 
wurden.  Bei  allen  trat  aber,  wenn  3  4  Wochen  die  Behandlung  auegesetzt 
wurde,  wieder  eine  deutliche  Verschlechterung  des  Zustandes  ein,  die 
auf  erneute  Behandlung  wich.  Sternthal. 

(14)  Mc.  Call  Anderson  theilt  einen  Fall  von  angeborenem 
Xanthom  bei  einem  3jährigen  Mädchen  mit.  Der  Ausschlag  besteht  aus 
zahlreichen,  sehr  eng  bei  einander  stehenden  Knötchen,  deren  Grösse 
von  einem  Stecknadelkopf  bis  '/,,  Zoll  im  Durchmesser  wechselt.  Wo 
zvfei  oder    mehrere    von    ihnen    aneinanderrücken,    bilden    sie    Flecken 


der  Dermatologie.  307 

angef&hr  vod  der  Grösse  einer  halben  £rbse.  Die  einzelnen  Knötchen 
sind  rand,  haben  eine  platte  Oberfläche  nnd  glänzen  bei  Beleuchtung. 
Die  Grenzlinien  der  Flecken  sind  bogenförmig.  Die  Knötchen  sind  hell 
lederfarben,  weich,  und  die  Haut  in  ihrer  Umgebung  ist  weder  verdickt 
noch  infiltrirt  oder  sonstwie  verändert.  Der  Ausschlag  ist  symmetrisch 
über  Gesicht,  Nacken,  Schultern,  Arme  und  Beine  vertheilt  und  ist  am 
reichlichsten  auf  den  Schultern.  Die  Knötchen  und  Flecken  liegen  in 
unregelmässigen  Gruppen.  Die  grösste  derselben  liegt  beiderseits  über 
dem  Deltoideus  und  erstreckt  sich  die  Hinterfläche  der  Arme  entlang 
bis  zum  Ellbogen.  Eine  farbige  Tafel  zeigt  diese  Verhältnisse.  —  Von 
den  Knötchen  fertigte  Coats  Schnitte  an,  von  denen  4  Abbildungen 
gt'geben  werden.  Nach  Ansicht  von  Coats  handelt  es  sich  beim 
Xanthoma  tuberosum  um  einen  Reiz,  der  die  Haut  trifft  und  das  Bild 
einer  chronischen  Entzündung  in  Form  einer  Zellenneubildung  erzeugt. 
Die  Zellen  ähneln  denen,  die  in  Folge  des  Reizes  der  Tuberculose  und 
der  Syphilis  entstehen,  haben  aber  nicht  die  Anordnung  oder  Art  der 
Anhäufung  der  letzteren.  Weiter  gleicht  es  einer  tuberculösen  Störung, 
dass  die  Zellen  die  auffallende  Neigung  haben  zu  degeneriren,  was  sich 
an  ihrem  Fettgehalt  zeig^.  Der  Reiz,  der  hier  wirkt,  ist  zwar  nicht 
Tuberculose,  aber  die  Anwesenheit  von  Riesenzellen  und  die  Nei- 
gung zur  Degeneration  legen  den  Gedanken  nahe,  dass  irgend  ein 
Krankheitsgift  bei  der  Erzeugung  dieses  Ausschlages  eine  Rolle  spiele. 

Sternthal. 

(15)  Der  von  Morrow  beobachtete  Kranke  datirt  den  Beginn 
seines  Leidens  auf  das  Frnl^jahr  von  1884,  wo  er  zuerst  Schmerzen  im 
linken  Fuss  empfand;  drei  Monate  später  traten  dieselben  Schmerzen 
im  rechten  Fuss  auf  und  einige  Monate  später  machten  sich  an  beiden 
Füssen  kleine  Knötchen  bemerkbar,  die  einen  brennenden  Schmerz 
verursachten  und  durch  äussere  Irritation  ulcerirten.  Später  traten 
gleiche  Efflorescencen  an  beiden  Knien  und  den  Händen  auf.  Das  AlU 
gemeinbefinden  blieb  gut,  wenngleich  die  Schmerzen  den  Kranken 
längere  Zeit  von  seiner  Beschäftigung  fern  hielten. 

Als  Morrow  den  Kranken  sah,  fand  er  an  den  geoannteu  Locali- 
sationsstellen  theils  kleine,  bis  schrotkorngrosse ,  tief  in  der  Haut 
sitzende,  ziemlich  harte  Knötchen  von  einem  graugelblichen  Colorit, 
der  nur  manchmal  durch  die  Anwesenheit  von  Teleangiectasien  mehr 
ins  Röthliche  strahlte,  theils  Conglomerate  solcher  Knötchen,  welche  dann 
prominente  bräunliche  Massen  repräsentirten.  Einzelne  Efflurescenzen 
machten  den  Eindruck  von  Warzen,  andere  den  von  Milien.  Die 
Epidermis  über  den  meisten  Knötchen  war  verdünnt,  bei  anderen,  welche 
einem  Druck  ausgesetzt  waren,  verloren  gegangen  und  durch  Krusten 
ersetzt.  An  einzelnen  Stellen  befanden  sich  Narben.  Während  gewöhnlich 
das  klinische  Bild  des  Xanthoma  durch  die  Farbe  und  die  weiche 
Consistenc  der  Geschwülste,  durch  ihre  Prädilection  für  gewisse  Ge- 
genden und  durch  die  Allgemeinerscheinungen  fest  charakterisirt  ist 
und*  leicht  diagnosticirt  wird,  war  in  dem  vorliegenden  Falle  der  erfahrene 


308  Beriebt  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Diagnostiker  zuerst  im  Zweifel.  Gegen  die  Diagnose  sprach  die  besondere 
Gruppirung  der  EfHorescencen ,  das  Freibleiben  der  gewöhnlichen 
Prädilectionsstellen  und  besonders  die  ausserordentliche  Härte  der  Ge- 
schwülste ;  dazu  kam  die  reiche  Entwicklung  von  Capillaren,  welche  den 
Tumoren  einen  röthlichen  Farbenton  gab,  so  dass  Verf.  geneigt  war  an 
eine  künstliche  Färbung  eu  denken.  Störungen  von  Seiten  der  Leber 
fehlten  vollständig,  auch  waren  die  sensitiven  Störungen  für  Xanthom 
ungewöhnlich.  Die  von  Fordyce  vorgenommene  mikroskopische  Unter- 
suchung Hess  an  dar  Xanthomatosen  Natur  der  excidirten  Knötchen  keinen 
Zweifel. 

Durch  Behandlung  mit  20— 257,  Salicylpflaster  und  nachfolgender 
Application  von  Ung.  diachylon  gelang  es  in  relativ  kurzer  Zeit  die 
meisten  Knötchen  zur  Heilung  zu  bringen,  weshalb  Verf.  dieser  ebenso 
einfacheui  wie  wirksamen  Methode  sehr  das  Wort  redet.  Jedoch  halt 
er  für  voreilig,  die  Entfernung  bestehender  Geschwülste  als  gleichwerthig 
mit  einer  vollständigen  Heilung  zu  betrachten,  da  der  ätiologische  Factor 
des  Xanthomprocesses  unzweifelhaft  in  unteren,  constitutionellen  Stö- 
rungen zu  suchen  ist.  Ledermann. 

(16)  Brooke  gibt  in  der  Einleitung  einen  ausführlichen  üeber- 
blick  über  die  Geschichte  und  Natur  der  von  Darier  uud  Jacquet 
zuerst  als  „Hydradönome  eruptif"  beschriebenen  Affection  und  schildert 
im  Anschluss  daran  vier  selbst  beobachtete  Fälle,  in  denen  die 
Affection  in  der  bekannten,  typischen  Form  auftrat.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  excidirter  Knötchen  ergab  zunächst  Zellanhäufungen  im 
Gorinm,  die  den  Eindruck  eines  Adenoms  der  Schweissdrüsen  machten. 
In  diesen  Herden  fanden  sich  circuläre  und  ovale  Cysten,  welche  theils 
rein  colloiden  Inhalt,  theils  concentrische  Lager  anscheinend  verhornter 
Epithelzellen  enthielten.  Die  Zellen,  aus  denen  die  Herde  bestanden, 
waren  zweifellos  epithelialer  Natur.  Ueber  die  Abstammung  dieser 
Zellstränge  sind  die  Ansichten  getheilt.  Darier  glaubt,  dass  sie  Ver- 
längerungen vorhandener  Schweissdrüsen  sind.  Török  hält  sie  für 
embryonale  Schweissdrüsenbildungen,  welche  erst  in  späterem  Alter  zur 
Entwicklung  kommen.  Brooke  ist  der  Meinung,  dass  es  sich  nicht  um 
identische  Bildungen  bei  allen  handelt  und  dass  die  Röhrenform,  die 
sie  annehmen,  nur  eine  scheinbare  ist.  Er  hat  niemals  ein  richtiges 
Lumen  gefunden.  Das  Bindegewebe,  welches  die  epithelialen  Zellan- 
häufuDgen  umgibt,  ist  von  feinerer  Textur  als  das  gewöhnliche  Binde- 
gewebe des  Coriums  und  bildet  eine  feste  Kapsel.  Es  ist  nach  Brooke 
ein  Irritationsproduct,  wie  aus  den  zahlreichen  in  ihm  enthaltenen 
Granulationszelleu  uud  den  perivasculären  Infiltrationen  hervorgeht.  Die 
Gegenwart  von  colloider  Materie  hält  Verf.  für  einen  essentiellen 
Factor  für  die  Bildung  von  Cysten,  da  es  nur  durch  den  extensiven 
Druck  der  wachsenden  Colloidmassen  zur  Bildung  wirklicher  Cysten 
kommt.  Die  Affection  selbst  ist  nach  seiner  Ansicht  durchaus  epithelialen 
Ursprungs,  weshalb  er  ihr  den  Namen  „Epithelioma  adenoides 
oysticum**  gegeben  hat.  Ledermann. 


der  Dermatologie.  309 

(17)  Kaposi  stellt  3  verschiedene  Typen  von  Sarcomatosis  cutis 
vor  und  will  als  Hautsarcomatosis  nur  jene  eigenthümlichen  und 
interessauten  Krankheitsformen  ins  Auge  fassen,  welche  durch  die 
allgemeine  Verbreitung  der  Neubildungen  eine  schwere  Allgemein* 
erkrankung  darstellen  und  wahrscheinlich  in  der  Haut  entstehen  und 
«ich  wesentlich  auf  sie  beschranken.  Im  ersten  Typus  ist  das  idiopathische 
multiple  Pigment-Sarcom  an  einem  51jährigen  Manne  zu  sehen.  Diese 
Form  ist  durch  das  erste  Auftreten  von  Knoten  auf  Händen  und 
Füssen  eharakterisirt.  Sie  sind  roth  und  werden  durch  interstitielle  Ca- 
pillarh&morrhagien  blauroth  bis  schwarzblau ;  drängen  sich  zu  mächtigen 
knotigen  Verdickungen  des  Handrückens,  der  Finger,  der  Flachhand, 
der  Füsse  zusammen  und  verursachen  schmerzhaftes  Brennen.  Sie 
exulceriren  selten.  Die  alten  Knoten  sinken  ein,  werden  resorbirt  und 
hinterlassen  braunpigmentirte  atrophische  Narben.  Nach  Jahren  tauchen 
an  entfernten  Stellen  neue  Knoten  auf,  mit  derselben  Tendenz  zur 
narbigen  Atrophie,  bis  endlich  die  inneren  Organe  ergriffen  werden.  Bei 
schleichendem  Verlaufe,  wirkungsloser  Arsentherapie  ist  das  letale  Ende 
voraussichtlich.  Merkwürdig  war  in  diesem  Falle  die  anfängliche  polster- 
artige Verdickung  der  Haud-  und  Fussrücken  bis  gegen  die  grossen 
Gelenke  und  das  steinharte  Anfühlen  felbst  der  nicht  geschwellten 
Theile.  Das  randständige  Auftreten  von  schrotkorngrosseu,  blaurothen 
Knötchen,  die  Schmerzen  und  die  Gegenwart  charakteristischer  Knötchen 
an  beiden  Ohrmuscheln,  den  Augenlidern  und  eine  narbigatrophisohe 
Stelle  am  Gefasse  ermöglichten  die  Diagnose.  Der  zweite  Typus  stellt 
•das  echte  melanotische  Sarcom  an  einem  51  Jahre  alten  Manne  dar. 
Das  Uebel  begann  vor  3  Jahren  mit  Schwellung  der  1.  Untereztremität, 
führte  zu  Elephantiasis  arabum  dieser  und  der  zweiten  Seite  bis  zum 
Becken  hinan  und  zur  Bildung  schrotkorn-  bis  erbsengrosser  schwarz- 
blauer derber  Knoten. 

Der  dritte  Typus  war  an  einer  76jährigen  Frau  zu  demonstriren. 
Da  die  Beziehung  dieser  Form  zu  Pseudoleukämie  und  Leukämie  trotz 
vieler  Aehnlichkeit  noch  nicht  deutlich  zu  umschreiben  :8t,  so  hält  K. 
dafür,  diese  Form  noch  als  sarcomatös  zu  bezeichnen  und  durch  Blut- 
Untersuchungen  und  klinische  Beobachtungen  das  Dunkle  dieser  Fälle  zu 
klären.  An  der  vorgeführten  Frau,  deren  Uebel  3—4  Jahre  alt  ist,  sieht 
man  an  beiden  Schulterregionen  vorne  und  rückwärts,  ebenso  in  der 
oberen  Thoraxgegend  etwa  100  erbsen-  bis  nussgrosse,  derbelastische  Ge- 
schwülste, von  denen  die  kleineren  lebhaft  roth,  die  grossen  dunkel- 
blauroth  gefärbt  erscheinen.  Nebstdem  finden  sich  handtellergrosse 
fiachkuchenförmige  Plaques  mit  centraler  Depression  und  kerbigen 
Vertiefungen  des  Randes.  Aehnliche  Knoten  in  der  Rücken-  und  Sacral- 
gegend  und  auf  den  Extremitäten.  Nach  dem  histologischen  Bilde  gleicht 
diese  Geschwulst  dem  Rundzellensarcom,  aber  doch  nicht  vollends.  In 
einem  Theile  ähnlicher  Fälle  war  bald  Leukämie,  bald  Pseudoleukämie 
zu    constatiren;    bei  dieser  Kranken    war   der  Blutbefund    normal.    Au 

ArehiT  f.  Dennatol.  u.  Sypbil.  Band  XXVI.  21 


310  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

6 — 8    Injectionen     von    Natr.    arsenic.    verflachten     sich    die    meisten 
Knoten,  nm  dann  trotz  Arseniktherapie  wieder  zuzunehmen. 

Horovitz. 
(18)  Es  handelt  sich  in  dem  von  Hartzeil  beobachteten  Fall  nm 
einen   Kranken,   bei   dem    zuerst   Erscheinungen  einer    Geschwulst    im 
rechten  Bein  auftraten,  so  dass  eine  Amputation  im  unteren  Drittel  des 
Femur  nothwendig   wurde.     Die  Amputationswunde    nahm    einen   nor- 
makn  Heilverlauf,  jedoch   kamen   später  Recidivknoten,    welche    durch 
Aetzung    mit    starker    Salpetersaure    zerstört    wurden.     Während    der 
klinische    Verlauf   des    Falles    keine   Besonderheiten    aufweist,    hat  die 
histologische  Untersuchung   excidirter   Knoten  sehr    interessante   Facta 
ergeben.  In  dem  einen  bei  Beginn  des  Leidens  untersuchten  Knoten  war 
die  Epidermis  sehr  dünn,  wo  sie  noch  vorhanden  war;   im  Gentrum  der 
Neubildung  fehlte  sie  vollkommen.    Die  interpapillären  Verlängerungen 
des  Rete  mucosum  fehlten  an  den  meisten  Stellen,  hier  und  da  waren 
im  Corium   sich   verzweigende  Epithelzellenzüge,  in  welchen  die  Basal- 
zellen  vollständig   verloren   gegangen    und   durch  Rundzellen   der  Neu- 
bildung   ersetzt    waren.    Das    Gorium    papilläre    war    dicht    mit    tief 
pigmentirten  Rundzellen  infiltrirt,  welche  besonders  die  Papillen  guirlan- 
denförmig    umgaben.    In    dem   Gorium  reticulare    waren,    durch    grosse 
Zwischenräume   getrennt,    runde   und    ovale    Ansammlungen  von  Zellen 
mit  grossem  Kern  und  spärlichem  Protoplasma,  zum  grossen  Theil  durch 
den  gegenseitigen   Druck   polygonal   abgeplattet.    Ausser   diesen  Rund- 
zellennestem  waren  zahlreiche,  isolirte  grosse  Rundzellen  mit  ungewöhnlich 
grossen  Kernen.    Die  Blutgefässe  besonders  im  oberen  Theil  des  Goriums 
waren   stark  erweitert   und   gleichen   eher  einem  Sinus    als   wirklichen 
Blutgefässen.    Die  Schnitte   von  einem  später  excidirten  Knoten  zeigten 
das    gewöhnliche   Bild   des   Sarcomgewebes    und    waren    nur    durch   die 
grosse    Menge    des    theils    in   Zellen    eingeschlossenen,    theils    frei    im 
Gewebe  liegenden  Pigments   bemerkenswerth.    Im  Anschluss   an   diesen 
Fall   beschreibt  Verf.  das  klinische  und  mikroskopische  Bild   eines  Jahre 
lang    isolirt    gebliebenen    Sarcomknotens     am    rechten    Nasenflügel  bei 
einem  48jährigen  Mann.  Zum  Schluss  gibt  Verf.  casuistische  und  kritische 
Uebersicht  über  einschlägige  Mittbeilungen  aus  der  Literatur. 

Ledermann. 
(19)  Ein  iSjähriger  Mann  hatte  an  der  Brust,  auf  dem  Rücken 
und  auf  oberen  Extremitäten  sehr  zahlreiche  Geschwülste,  die  theils 
erbsengross  waren,  theils  der  Grösse  einer  wälschen  Nuss  entsprachen, 
verschiedener  Farbe,  von  hellroth  bis  dunkel  violett,  fast  schmerzlos  mit 
bedeutender  Vertiefung  in  der  Mitte  derselben.  Die  am  Gesicht  und 
besonders  in  der  Gegend  der  Parotiden  liegenden  haben  das  Aussehen 
kleiner  begrenzter,  dunkelvioletter  Infiltrate.  Der  Isthmus  faucium  ist 
durch  eine  hühnereigrosse  Geschwulst  von  glatter  Oberfläche  und 
dunkelblauer  Farbe  ausgefüllt.  Die  Hals-,  Achsel-  und  Leistendrüsen  sind 
vergrössert,  aber  schmerzlos.  Die  mikroskopische  Untersuchung  der 
Geschwulst    der    Mandel    nach     entsprechender    Färbung    der    oberen 


der  Dermatologie.  311 

Schichten  fahrte  zur  Diagnose  Lympho-Sarcoma.  Ans  der  ganzen  Be- 
schreibang  von  S^dsiak  schliesst  der  Referent,  dass  der  Verf.  einen 
einfachen  Fall  von  Haiitsarcomen,  die  von  Kaposi  als  „idiopathische 
multiple  Pigmentsarcome''  beschrieben  wurden,  beobachtet  hat. 

Elsenberg. 


Parasiten  und  parasitäre  AfTectionen. 

1.  9Iibelli,  V.  Sul  Favo.  Giomale  Italiano  delle  malattie  veneree  et  della 
pelle.  1892.  IT. 

2.  Kot^ar,  E.  J.  Morphologie  des  Mikrosporon  furfur.  Wratsch  1892. 
Nr.  42  pag.  1055.   Nr.  43  pag.  1083. 

8.  £Tan§,  Shelden  Guthrie.  Favus  and  its  treatment  —  results  in  one 
hundred  and  thirtynine  cases.  The  Med.  Record.  New  York.  1892. 
30.  April. 

4.  Neebe  0.  u.  Unna.  Die  bisher  bekannten  neun  Favusarten.  Monats- 
hefte f.  prakt.  Derm.  Nr.  1  und  2.  XVI. 

(1)  Mi  belli  bringt  zunächst  einen  klinischen  Bericht  über  jene 
7  Fälle  von  Favus,  die  hauptsächlich  zu  mycologischen  und  histolo- 
gischen Untersuchungen  verwendet  wurden.  Diese  Fälle  zeigten  den 
Favus  in  seinen  verschiedensten  Formen,  als:  Fav.  herpetic,  erythemat., 
papulo  squam.  und  wahren  Scutulum- Favus.  Dann  folgt  eine  ausführliche 
historische  Darstellung  der  Frage  über  die  Einheit  oder  Mehrheit  des 
Favus  erzeugenden  Pilzes.  Auf  Grund  seiner  Beobachtungen  spricht 
sich  Verfasser  entschieden  für  die  Einheit  des  Favuserregers  aus. 

Die  verschiedenen  klinischen  Formen  des  Favus  sucht  er  einerseits 
durch  die  verschiedene  Beschaffenheit  der  Haut  an  den  verschiedenen 
Körperstellen  und  bei  verschiedenen  Personen,  durch  das  Vorhandensein 
verschiedener,  complicir ender  Erkrankungen  als  Ekzem,  Seborrhoe  etc. 
und  andrerseits  durch  den  Sitz  der  Pilzentwicklung  in  der  Haut  selbst 
zu  erklären,  ob  dieselbe  nämlich  in  den  obersten  oder  tieferen 
Epithelschichten  oder  an  einem  Haarfollikel  stattfindet  etc.  Die  An- 
nahme Quincke^s,  es  gebe  zwei  Favus-Arten,  die  durch  verschiedene 
Pilze  hervorgebracht  würden  {a  u.  /?),  müsse  schon  auf  Grund  der 
klinischen  Beobachtungen  entschieden  zurückgewiesen  werden.  Die  lieber- 
tragung  desselben  Favuspilzes  auf  verschiedene  Personen  brachte  die 
versobiedensten  Formen  des  Favus  hervor,  und  es  zeigte  sich,  dass 
gewisse  Personen  nur  für  ganz  bestimmte  Formen  des  Favus  indiniren. 
Im  zweiten  Theile  bringt  der  Verfasser  nach  einer  historischen  Rück- 
schau auf  die  Biologie  des  Favus -Erregers  die  Resultate  seiner  eigenen 
Culturversuche.  Bei  5  von  6  der  Untersuchung  unterzogenen  Kranken 
ergab  sich  ein  positives  Resultat.  Neben  der  gewöhnlich  gebräuchlichen 
(classischen)   Methode   der   Uebertragung   von  Scutulum-Partikelchen  in 

21* 


312  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

die  Nährmedien  gebrauchte  M.  auch  ein  anderes  Verfahren,  indem  er 
nämlich  den  unteren  Theil  des  Scutulums  in  sterilisirtem  Wasser  so 
lange  zerrieb,  bis  auch  nicht  das  kleinste  schwimmende  Partikelchen 
mehr  wahrzunehmen  war.  Immer  war  das  Resultat  ein  ganz  constantes, 
indem  sich  immer  nur  ein  und  derselbe  Pilz  entwickelte,  dessen  Aus- 
sehen und  Wachsthum  auf  den  verschiedenen  Nährmedien  und  bei 
verschiedenen  Temperaturen  dann  geschildert  wird.  Interessant  ist,  dass 
der  Pilz  auf  schräg  gegossenem  Agar  an  dessen  dünnem,  bald  ein- 
trocknendem Ende  Entwickelungen  zeigt,  die  einem  wahren  Scutulum 
sehr  ähnlich  erscheinen.  Die  mit  den  Reinkulturen  auf  Menschen  ge- 
machten Inoculationen  ergaben  in  6  (von  12)  Fällen  ein  positives  Re- 
sultat und  zeigten,  dass  es  ganz  unzulässig  sei,  einen  Favus  herpeticus 
und  vulgaris  zu  unterscheiden,  die  sich  in  Folge  verschiedener  Pilz- 
arten entwickeln.  Der  gezüchtete  Pilz  erwies  sich  beim  Vergleiche  mit 
den  von  Pick,  Kral,  Dubreuilh  und  Marianelli  gezüchteten  als 
vollkommen  identisch  mit  diesen.  Die  Arbeit  ist  somit  eine  Bestätigung 
der  Ergebnisse  von  Pick  über  die  Einheit  der  Favuserkrankung  und  des 
dieselbe  erzeugenden  Pilzes. 

Spietschka. 

(2)  Eotljar  hat  seine  Gulturen  auf  rasirte  Kaninchen  überimpfen 
können;  die  Farbe  der  entstehenden  Flecke  war  die  der  Pityriasis 
versioolor.  Sein  Pilz  ist  ein  anderer,  als  der  von  Schien  und  Unna 
beschriebene,  gegen  welche  Autoren  K.  polemisirt.  Abgesehen  von  der 
Impfbarkeit  unterscheidet  sich  der  Pilz  vom  Sohle n-Unna'schen  durch 
die  Fortpflanzung,  die  bei  ihm,  wie  bei  dem  oidium  lactis,  durch 
Theilung  der  Hyphen  erfolgt.  Die  Hyphen  zeigen  bei  gewöhnlicher  Be- 
handlung keine  Gliederung,  die  sich  aber  durch  Ghlor-Zink-Jodbehand- 
lung  nachweisen  lässt.  Anastomosen  der  einzelnen  Hyphen  kommen 
nicht  vor.  Die  Details  des  Verhaltens  auf  diversen  Nährböden  und  der 
Anatomie  passen  nicht  in  den  Rahmen  eines  Referats.  Als  neuen  Namen 
statt  des  alten  Mikrosporon  furfur  schlägt  er  Oidium  subtile  vor. 

Strauch. 

(4)  Die  zur  Gattung  Achorion  gehörigen  Favusarten,  welche 
sowohl  auf  natürlichem,  als  auch  künstlichem  Nährboden  gedeihen, 
schmarotzen  auf  den  Homsubstanzen  der  Menschen  und  Thiere  und 
bilden  bei  längerem  Aufenthalte  daselbst  stets  charakteristische  schüssei- 
förmige Fruchtstände  „Scutula^.  Eine  physiologisch  ebenso  wie  morpho- 
logisch ausgeprägte  Hauptdifferenz  der  Favuspilze  besteht  in  dem 
grösseren  oder  geringerem  Sauerstoffbedürfniss.  Die  einen  bilden  auf 
der  Oberfläche  der  Gulturen  ein  reichliches  Luftmycel  mit  besonderen 
Luftsporen.  Zu  diesen  gehören  drei  Species.  Sie  wachsen  auf  Gulturen 
schneller,  haften  bei  Impfung  auf  lebende  Wesen  leichter,  sind  aber 
auch  leichter  therapeutisch  zu  bekämpfen.  Die  zur  aerophoben  Gruppe 
gehörigen  produciren  ein  spärliches  Luftmycel  ohne  Luftsporen,  zeitigen 
dagegen  eigenartige  Anschwellungen  an  den  Hyphen  im  Nährboden. 
Diese  letzteren  dienen  zur  üntertheilung  dieser  Gruppe.   In  der  ersten 


der  Dermatologie.  313 

der  drei  Unterabtheilungen  fignrirt  bis  jetzt  allein  das  Achorion 
dichroon,  das  akromegalisch  wächst,  Rosenkränze,  aber  keine  Endblasea 
bildet.  Die  zweite  Unterabtheilung  nmfasst  drei  Arten,  die  neben  akro- 
megalischem  Wachsthum  Endblasen  nnd  gelbe  Massen,  aber  keine 
Rosenkränze  aufweisen.  Sie  heissen  Achorion  aoromegalium, 
demergens  und  oystieum  nnd  können  durch  die  Reichlichkeit  der 
£ndblasen,  sowie  durch  ihr  verschiedenes  makroskopisches  Wachsthum 
leicht  unterschieden  werden.  In  die  dritte  Unterabtheilung  gehören 
zwei  Arten,  die  neben  akromegalischem  Wachsthum  sowohl  Endblasen 
und  gelbe  Massen  wie  Rosenkränze  bilden:  Achorion  monili forme 
und  tarsiferon.  Diese  unterscheiden  sich  sehr  scharf  durch  die 
Bildung  der  von  den  Verf.  so  genannten  Tarsi  d.  i.  eigenthümlicher, 
knötchenförmiger  Fruchtstände.  Die  Verf.  halten  es  für  erforderlich,  bei 
einem  Favusfalle  des  Menschen  in  der  Nachbarschaft  nicht  nur  die 
Existenz  von  Thierfavus  nachzuweisen,  um  den  Schluss  auf  die  Ueber- 
tragung  zu  rechtfertigen,  sondern  auch  im  Einzelfalle  die  Identität  der 
Favusspecies  zwischen  dem  Menschenfavus  und  der  vermutheten  Quelle 
sicherzustellen.  Sie  glauben,  dass  mit  den  9  bisher  differenzirten  Favus- 
arten  keineswegs  alle  existirenden  Species  der  Gattung  Achorion  erschöpft 
sind  und  dass  wir  uns  erst  am  Anfang  unserer  botanischen  Favus- 
kenntnisse  befinden. 

Bei  den  Culturversuchen  verwendeten  die  Verf.  meist  den 
Unna'schen  „mittleren  Nährboden **  aus  2— 47o  Agar  mit  y,7o  Kochsalz, 
17o  Pepton  und  57o  Levulose.  Von  der  Unterfläcbe  des  Scutulums  ab- 
gekratzte Partikelchen  wurden  auf  die  Agaroberfläche  übertragen,  indem 
ein  langer  Strich  auf  die  Mitte  des  Nährbodens  gemacht  wurde.  Die 
entstandenen  isolirten  Colon ien  wurden  auf  Agarröhrchen  übertragen 
und  bildeten  die  Stammculturen,  von  denen  alle  8 — 14  Tage  abgeimpft 
wurde.  Von  letzteren  wurden  theils  Strich  Impfungen  auf  Agar  gemacht, 
theils  nur  ein  kleines  Partikelche u  des  Pilzes  auf  eine  Stelle  des  Nähr- 
bodens placirt.  Meist  wurden  auch  noch  Nebenimpfungen  gemacht. 
Auf  Gelatine  wurden  kleine  Partikelchen  des  Pilzes  mittelst  einer 
Platinnadel  eingestochen.  Auf  Blutserum  wurde  ebenso  wie  auf  Agar 
geimpft.  Die  Kartofifelculturen  liessen  die  Verfif.  stets  in  einer  feuchten 
Kammer,  alle  übrigen  in  offenen  Körben  bei  87°  G.  wachsen. 

Zur  Prüfung  der  morphologischen  Eigenschaften  der  Pilze  wurden 
von  den  aerophilen  Favusarten  kleine,  mittelst  Platinnadel  von  der 
Oberfläche  des  Luftrasens  abgestrichene  Partikelchen  in  verflüssigten 
und  auf  40 **  C.  abgekühlten  Agar  geimpft,  der  flüssige  Agar  geschüttelt, 
und  1 — 2  Verdünnungen  angelegt.  Das  Ausgiessen  wurde  stets  unter 
einer  Glasglocke  vorgenommen,  deren  Boden  mit  in  IVoo  Sublimatlösung 
getauchtem  Fliesspapier  bedeckt  war. 

Da  jedoch  bei  den  täglich  nothwendigen  Untersuchungen  Ver- 
unreinigungen nicht  zu  vermeiden  waren,  so  wurde  auch  öfter  das 
von  Unna  eingeführte  Verfahren  der  Minimalculturen  in  Anwendung 
gebracht.    Anstatt   in  Petrische  Schalen   wird  dabei  der  Agar  in  leere 


316     Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Dermatologie. 

sterilisirte  Röhrchen  ausgegossen ,  welche  dabei  horiEontal  umgelegt 
werden,  bis  der  Agar  erstarrt  ist.  Diese  Rohrchen  wurden  ebenfalls  bei 
87*  in  den  feuchten  Kammern  gehalten.  . 

Bei  den  an  Luftfruchten  ärmeren  Pilzen  wurde  meist  nur  eine 
Verdünnung  angelegt.  Bei  den  früchtenreichen ,  aber  luftmycellosen 
Pilzen  wurden  stets  zwei  Verdünnungen  angelegt  und  ebenfalls  in  sterili- 
sirte Reagenzgläser  ausgegossen. 

Das  Auskeimen  der  Sporen  konnte  bereits  am  ersten  oder 
zweiten  Tage  wahrgenommen  werden.  Bei  Achorion  euthytrix  und 
atacton  begann  die  Luftsporenbildung  bereits  am  vierten  Tage,  bei 
den  anderen  war  die  Fruchtbildung  vom  5.  bis  8.  Tage  vollendet. 

Von  den  Agarculturen  wurden  dann  auch  Stücke  in  Glycerin- 
gelatine  und  Celloidin  eingebettet  und  die  Schnitte  besonders  nach  der 
Weiger  tischen  Färbung  tingirt.  Gleichfalls  wurden  Kartofielculturen 
gehärtet  und  in  Celloidin  eingebettet.  Hier  ist  jedoch  die  Weigert^sche 
Färbung  nicht  anwendbar  wegen  der  Affinität  des  Jods  zum  Amylum.  Zu 
empfehlen  ist  dagegen  die  Tinction  mit  alkalischem  Methylenblau  und 
Entfärbung  in  Alkohol. 

Der  zweite  Theil  der  Arbeit  gibt  die  bei  den  einzelnen  Pilzarten 
gefundenen  Eigenthümlichkeiten  im  Einzelnen  wieder.  Da  sich  gleich- 
artige Thatsachen  aneinanderreihen,  so  ist  es  nicht  möglich  bei  der 
Fülle  der  Einzelbeobachtungen  ein  erschöpfendes  Referat  zu  geben  und 
müssen  wir  bezüglich  dieses  Abschnittes  auf  das  Original  verweisen. 

Ledermann. 


Venerische  Krankheiten. 

(Redigirt  von  Prof.  Neiisser  und  Primararzt  Jadassohn  in  Breslau.) 


Therapie  der  Syphilis. 

1.  Tommasoli.  Sulla  azione  del  siero  di  sangue  di  agnello  contro  la 
sifilide.   Gazz.  degli  Ospitali.  1892.  Nr.  2^. 

2.  CotterelL  Preliminary  note  on  the  treatment  of  Syphilis  by  dogs 
serom.    The  Times  and  register.    Philadelphia  1892.   Nr.  748  p.  621. 

3.  Beates.  L*expectation  dans  les  cas  douteux  d^infection  syphilitique. 
Reporter  med.  and  chir.  of  Philadelphia.   2.  Mai  1891. 

Ref.  im  Journal  des  maladies  catanees  et  syphilitiques.   1891  p.  332. 

4.  F0X9  Hlngfitoil.  The  use  of  mercury  in  suspected  Syphilis.  Lancet. 
1892.  Bd.  I.  p.  1272. 

5.  Simon  y  Nieto.  Traitement  de  la  syphilis  par  la  methode  hypoder- 
mique.  Gazeta  medica  Gatalana.  16.  März  1891.  Ref.  im  Journal  des 
maladies  cutanees  et  syphilitiques.  1891  p.  571. 

6.  Ullmann»  K.  Zur  klinischen  Verwendung  einiger  schon  im  Gebrauche 
stehender!  sowie  zweier  noch  nicht  benutzter,  schwer  löslicher  Hg.- 
Injections-Präparate.   Wiener  klin.  Woohenschr.  1892.  Nr.  6—17. 

7.  Raymond.  Les  injections  mercurielles  dans  le  traitement  de  la  syph. 
Gazette  des  hopitaux.  1892.  Nr.  79. 

8.  Levy,  C.  Beitrag  zur  hypodermatischen  Anwendung  unlöslicher  Queck- 
Silberpräparate  zur  Behandl.  der  Syph.  Ther.  Monatsh.  1892,  p.  610. 

9.  Amaud.  Traitement  de  la  syphilis  par  les  iiijections  de  succinimide 
mercurique.   Paris,  Steinheil.   Ref.  Ann.  gen.-ur.  1892  p.  764. 

10.  Jnllien.  Du  traitement  de  la  Syphilis  par  les  injections  de  succini- 
mide mercurique.   Gazette  des  hopitaux.  1892.  Nr.  27. 

11.  Nenmann.    lieber  Behandlung  der  Syphilis  mit  subcutanen  Inject. 
Yon  Asparagin-Quecksilber.   Wien.  med.  Blätter.  1892.  9. 

12.  Eich.    Die  Behandlung  der  Syphilis  mittelst  intramusculärer  Inject. 
von  Quecksilbersalicylat.    Therap.  Monatshefte  1891.  Nr.  8. 

13.  Allen,  Charles  W.   The  tannate  of  mercury  in  the  treatment  of  sy- 
philis.  Med.  Record.  N.  York.  2.  Januar  1892. 

14.  Lustgarten,  S.   Tannate  of  mercury.   New- York.  Med.  Journ.   1892. 
12.  März. 

16.  Namara.  The  treatment  of  syphilis.  Lancet.  II.  1892  p.  1348. 
16.  Lewis.   Grey  Powder  for  Syphilis.   The  Times  and  Register.  XXIV. 
22.,  28.  Mai  1892. 


316  Bericht  über  die  LeistuDgen  auf  dem  Gebiete 

17.  Spitzka.  The  treatment  of  syphilitic  nervous  affectioDS.  Boston 
Medic.  and  Surg.  Joum.  CXXVII.  10. 

18.  Lagran^e.  Sub-coi^onctival  injectioas  of  Sublimate  Solution  in  sy- 
philitic irido-chorioiditis.  Recueil  d'Ophthalmologie.  Januar  1892. 
Ref.  The  therapeutic  Gazette.  Apr.  1892. 

19.  Mauriac.  Guerison  tres  rapide  d'une  Syphilide  papnleuse  confluente 
par  Phydrargyrie  cutanee  aigue.    Gazette  des  Hopitaux.  1892.  Kr.  9U 

20.  Sick.  lieber  Exstirpation  des  Rectums  bei  syphilitischer  Erkrankung. 
Jahrb.  der  Hamburger  Staatskrankenanstalten.  II.  Jahrg.  1890. 

(1)  Ausgehend  von  der  auf  experimentellem  Wege  festgestellten 
Thatsache,  dass  einem  bestimmten  Thiere  Immunität  gegen  eine  be- 
stimmte Krankheit  dadurch  verliehen  werden  könne,  dass  demselben  das 
Blut  eines  anderen,  gegen  die  nämliche  Krankheit  refractären  Thieres 
injicirt  werde,  unterzog  Tommasoli  sechs  an  recenter  Syphilis  leidende 
Individuen  nachstehender  Behandlung:  er  injicirte  ihnen  Tag  für  Tag 
mit  der  Spritze  von  Tarsini  möglichst  vollkommen  sterilisirtes  Blut- 
serum vom  Lamme.  Die  Injectionen  wurden  nach  vorangegangener 
Desinfection  der  Haut  mit  2Voo  Sublimatlösung  intramu^culär  in  die 
Nates  ausgeführt  und  zwar  kamen  auf  eine  Ii^ection  nicht  weniger  als 
zwei  und  nicht  mehr  als  acht  Gem.  Serum.  Im  Durchschnitt  erhielt  jeder 
Kranke  zehn  Injectionen.  Fast  regelmässig  traten  nach  den  Einspritzungen 
örtliche  und  allgemeine  Reactionserscheinung^^  auf;  die  örtliche  Reaction 
bestand  in  einer  gegen  Druck  schmerzhaften,  ovalären  und  tiefen  Ver- 
härtung, während  die  allgemeine  durch  leichtes  Fieber  am  Abende  nach 
der  Injection  und  durch  stärkeres  oder  schwächeres  allgemeines  Un- 
wohlsein von  kurzer  Dauer  gekennzeichnet  war.  Zweimal  war  die 
betreffende  Hinterbacke  nach  der  Injection  in  toto  geschwollen  und 
schmerzhaft,  einmal  stellten  sich  von  der  Injectionsstelle  ausstrahlende 
Schmerzen  längs  des  Nervus  ischiadicus  ein,  die  sich  bis  zum  Knie 
erstreckten  und  zwei  Tage  anhielten.  In  zwei  Fällen  entwickelte  sich  an 
der  Hinterbacke,  in  welche  injicirt  worden  war,  ein  rothlaufähnliches 
Erythem.  Diese  stärkeren  Reactionserscheinungen  setzt  Tommasoli  in 
erster  Linie  auf  Rechnung  der  durch  die  Unzulänglichkeit  seiner  Hilfs- 
mittel verschuldeten  unvollständigen  Sterilisirung  des  Blutserums.  Bei 
einem  Kranken,  der  körperlich  sehr  herabgekommen  war,  sah  sich 
Tommasoli  infolge  der  heftigen  Fieberbewegung  und  der  allgemeinen 
Depressionserscheinungen,  die  die  Injectionen  im  Gefolge  hatten,  geuöthigt, 
die  Cur  zu  unterbrechen. 

Was  den  Heilerfolg  anbelangt,  war  derselbe  ein  überraschend 
günstiger:  alle  luetischen  Formen  schwanden  mit  einer  Raschheit,  wie 
sie  Tommasoli  bei  keiner  mercuriellen  Behandlungsmethode,  die 
subcutanen  Injectionen  mit  inbegriffen,  je  beobachtet  hat.  Weiteren 
Versuchen  bleibt,  wie  Tommasoli  bemerkt,  die  Entscheidung  vor- 
behalten, ob  die  nahezu  wunderbare  Heilwirkung  des  Blutserums  vom 
Lamme,  die  der  Autor  bei  seinen  sechs  Kranken  erzielte,  constant  eintritt, 
ob   durch  dieses  Heilverfahren  eine  vollständige  und  dauernde  Heilung 


der  Syphilis.  317 

der  Syphilis  erreicht  wird  und  ob  nicht  vielleicht  auf  dem  von  Torama- 
soli  angegebenen  Wege  einem  noch  nicht  von  der  Syphilis  durch- 
seuchten Organismus  eine  temporäre  oder  bleibende  Immunität  gegen 
dieselbe  verliehen  werden  könne.  Dornig. 

(2)  Cotterell  hat  im  August  v.  J.  in  2  Fällen  frischer  Syphilis 
Hundeserum  subcutan  mit  gutem  Erfolge  angewandt,  da  das  syphilitische 
Exanthem  und  die  übrigen  syphilitischen  Erscheinungen  schnell  danach 
verschwanden.  Die  Kranken  sind  indess  nur  kurze  Zeit  beobachtet  worden, 
um  den  vermuthlich  baktericiden  Einfluss  des  Hundeserums  zu  erzielen, 
muss  dasselbe  frisch  sein.  Wie  andere  Beobachter,  hat  auch  C.  nach  den 
ersten  Einspritzungen  eine  leichte  schnell  vorübergehende  Temperatur- 
erhöhung bemerkt.  An  der  Injectionsstelle  bildet  sich  gewöhnlich  eine 
umschriebene  weiche  Anschwellung  mit  geringer  Injectionsröihe.  Diese 
Erscheinungen  verschwinden,  ohne  dass  es  jemals  zur  Eiterung  kommt, 
bald  wieder.  Zuweilen  folgt  der  Einspritzung  ein  auf  die  Injectionsgegend 
beschränkter,  sich  schnell  wieder  verlierender  Urticariaausschlßg.  Einge- 
spritzt wird  das  Serum  unter  die  Rückenhaut  2mal  wöchentlich  in 
Dosen  von  2  Gem.  mit  einer  gut  sterilisirten  Spritze,  nachdem  auch  die 
Umgebung  der  Injectionsstelle  mit  einer  öy^igeu  Garboll ösung  sorgfältig 
abgewaschen  ist.  Die  Gewinnung  des  Serums  geschieht,  indem  man  das 
Blut  aseptisch  aus  der  carotis  entnimmt  und  dasselbe  in  ein  weites 
sterilisirtes  Probirröhrchen  fliessen  lässt,  auf  dessen  Boden  behufs  Ver- 
meidung der  Gerinnung  ein  wenig  Oxalat-Lösung  sich  befindet.  Nachdem 
die  Röhrchen  zu  7«  gefüllt  sind,  werden  sie  mit  Baumwolle  verschlossen 
und  in  die  Gentrifuge  gebracht,  um  die  Blutkörperchen  und  das  Plasma 
abzutrennen.  Danach  wird  das  Serum  in  kleinere  sterilisirte  Probir- 
röhrchen übertragen,  die  mit  Baumwolle  verschlossen  werden.  Soll  das 
Serum  weiter  transportirt  werden,  so  bringt  man  es  in  sterilisirte  Glas- 
pipetten, deren  Enden  in  einer  Gasflamme  ziigeschmolzen  werden.  Zum 
Schluss  wird  die  Obduotion  des  bz.  Hundes  ausgeführt,  um  sich  über  die 
Gesundheit  desselben  zu  vergewissern.  G.  hat  seine  Versuche  im  Anschluss 
an  die  bereits  pubhcirten  Tommas oli's  (Modena)  gemacht.     Loeser. 

(3)  Beates  räth,  in  allen,  auch  noch  so  zweifellosen  Fällen  von 
Initialsclerosen  mit  der  Allgemeinbehandlung  bis  zum  Einsetzen  der 
Secundärsymptome  zu  warten,  da  diese  doch  erst  die  Diagnose  sicher 
stellen.  Sodann  bekennt  er  sich  zu  der  wohl  sehr  anzweifelbaren 
Ansicht,  dass  man  bei  vorzeitigem  Einsetzen  oder  sehr  heftigem  Auftreten 
der  Secundärsymptome  auf  spätere  schwere  tertiäre  Gomplicationen 
schliessen  könne,  ebenso  wie  langsames  Auftreten  der  Secundär- 
symptome eine  gutartige  Lues  prognosticiren  lasse.       Paul  Neisser. 

(4)  Hingston  Fox  wirft  in  Bezug  auf  Gooper's  Publication 
(Lancet  1892  7.  Mai)  die  Krage  auf,  ob  es  für  Patienten  nicht  vortheilhaft 
sein  könne,  in  zweifelhaften  aber  syphilisverdäohtigen  Fällen  vor 
Stellung  der  gauz  sicheren  Diagnose  Merour  anzuwenden.  Er  glaubt  durch 
frühzeitiges  Eingreifen  den  Verlauf  der  eventuellen  Lues  günstig  beein- 
flussen zu  können.  (?  Ref.)  Barlow. 


318  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

(5)  Simon  yNieto  spricht  sich  in  einem  längeren  Artikel  über 
die  Vor-  und  Nachtheile  der  Hg.-Injectionen  bei  der  Lnestherapie  ans. 
In  dem  nichts  Neues  bringenden  Aufsatz  verwirft  er  iror  Allem  die  un- 
löslichen Salze  als  unwirksam  und  grosse  Schmerzen,  Abscesse  u.  s.  w. 
verursachend ;  er  empfiehlt  am  meisten  das  Hg.  pepton.  und  das  Sublimat. 
Um  Salivationen  zu  vermeiden,  gibt  er  neben  Gurgelwässern  innerl. 
Natr.  salicyl.  Paul  Neisser. 

(6)  Ullmann.  Die  Thatsache,  dass  die  sogen,  unlöslichen,  besser 
gesagt  schwer  löslichen  Hg.-Präparate  eine  gegenüber  den  leicht  löslichen 
Hg.-Salzen  viel  sicherere  und  ausgiebigere  Wirkung  entfalten,  steht  wohl 
hinlänglich  fest.  Einzelne  derselben,  wie  das  Calomel,  Hg.  oxyd.  flav., 
Hg.  salicyl.,  dann  das  graue  Oel  Längs  erfreuen  sich  aus  diesem 
Grunde  vielseitiger  Anwendung.  Ein  Uebelstand  haftet  ihnen  (mit  Aus- 
nahme des  grauen  Oels)  jedoch  an,  d.  i.  die  mangelhafte  Dosirnng  in 
den  bisher  gebrauchten  flüssigen  Vehikeln.  Auf  der  Abtheilung  Langes 
wurde  nun  der  Versuch  gemacht,  die  verschiedenen  im  Gebrauche 
stehenden  schwer  löslichen  Hg.-Präparate  in  solche  Dispensationsformen 
zu  bringen,  welche  dem  genau  dosirbaren  grauen  Oele  möglichst  nahe 
stehen.  Mittelst  wechselnder  Mengen  von  Lanol.  anhydr.  und  Paraff.  liquid, 
wurden  P^mulsionen  angefertigt,  welche  sowohl  in  ihrem  Hg.-Gehalte, 
als  auch  in  ihrer  Consistenz  annähernd  dem  dOy^igea  Lang  sehen 
grauen  Oele  entsprechen.  Mit  den,  in  der  Spitalsapotheke  des  Wr.  allg. 
Krankenhauses  hergestellten  Injections-Präparaten  wurden  nun  an  109 
syphilitischen  Kranken  subcutane  InjectioDen  unter  die  Rückenhaut 
gemacht  u.  zw.  derart,  dass  zuerst  jedesmal  an  einer  Reihe  von  Kranken 
durch  entsprechende  Parallelbeobachtungen  die  locale  Reaction  der 
einzelnen  schwer  löslichen  Hg.-Präparate  mit  der  nach  derselben  Dosis 
von  Ol.  ein.  auftretenden  verglichen,  dann  erst  an  einer  zweiten  Reihe, 
bei  welcher  jedesmal  das  entsprechende  Präparat  allein  angewendet 
wurde,  auch  der  Einfluss  auf  den  syphilitischen  Process  erhoben  wurde. 
Diese  Versuche  beanspruchen  hauptsächlich  deshalb  besondere  Beachtung 
weil  bei  dieser  Art  der  Verabreichung  und  Dispensation  der  Injections- 
präparate  der  so  oft  gerügte  und  so  oft  von  grossem  Schaden  für  die 
Patienten  begleitete  Uebelstand  mangelhafter  Dosirung  entfällt,  demnach 
auch  das  Urtheil  über  die  locale  Reaction  und  die  Wirkungsweise  eines 
jeden  Präparates  ein  wirklich  einwandfreies  ist  und  demgemäss  auch 
eine  Vergleichung  zwischen  den  einzelnen  Präparaten  gestattet.  Wie  sehr 
die  mangelhafte  Dosirung  in  die  Wagschale  fallen  kann,  erhellt  aus 
einer  Reihe  von  Versuchen,  die  im  ehem.  Laborat.  ausgeführt  wurden 
uud  ausführlich  beschrieben  werden.  Genaue  Wägungen  ergeben  in  den 
heute  gebräuchlichen  flüssigen  Vehikeln  z.  B.  Kochsalzwasser,  Paraff. 
liquid.,  Glycerin,  Gummischleim  und  Pflanzenöle  wegen  ihres  geringen 
specif.  Gewichtes  eine  Senkung  der  in  ihnen  suspendirten  specif. 
schwereren  Präparate  z.  B.  Calomel,  Hg.  Oxyd.  flav.  etc.  und  dadurch 
Ungenauigkeiten  in  der  Dosirung  bis  zu  selbst  90*/o  der  angestrebten 
Dosis  u.  zw.  zeigen  die  Versuche  deutlich,   duss  die  Ungenauigkeiten  — 


der  Syphilis.  319 

durcli  Senkung  der  wirksamen  Bestandtheile  in  der  Saspension  ver- 
ursacht —  umso  grösser  werden,  je  grosser  das  specif.  Gewicht  des 
Hg.-Mittels  und  je  kleiner  das  des  Vehikels  ist.  Die  specif.  leichteren 
dünnflüssigen  Vehikel  sollten  demnach  als  irrationell  verlassen  oder  nur 
unter  entsprechender  Vorsicht  d.  i.  nach  unmittelbar  vorhergehendem 
Schütteln  angewendet  werden.  Dieser  üebelstand  entfallt  nunmehr  bei 
dieser  Art  der  Bereitung,  geradeso  wie  dies  vom  grauen  Oele  bekannt 
ist.  Zur  Verwendung  gelangten  ausser  den  schon  oben  genannten  Prä- 
paraten noch  Hg.  oxyd.  rubr..  Hg.  oxydul.  nigr.,  Hg.  salicyl.  basic. 
(Heyden),  Hg.  thymol.  aceticum  (Merck),  Hg.  diphenylicum  (Merck),  Hg. 
benzoicum  oxyd.  (Brandt- Stoukowenkofif),  Hg.  resorcino-aceticum  (Merck), 
Hg.- tribromphenol -aceticum  (Merck).  Die  letztgenannten  beiden  Präparate 
wurden  auf  Lang*s  Abtheilung  s.  Zeit  (1889—1890)  von  dessen  1.  Se- 
cundärarzte  üllmann  überhaupt  zum  erstenmal  in  Verwendung  ge- 
zogen. Die  Doäirung  der  bezüglich  des  Hg.-Gehaltes  dem  807oigen  Ol. 
ein.  vollständig  gleichgemachten  Lanolinparaffinemulsionen  geschah  auch 
ganz  analog  der  beim  grauen  Oele  gebräuchlichen.  Injicirt  wurde  an 
einer  Stelle  ausnahmslos  nur  0*1  Ccm.  d.  i.  ein  Theilstrioh  der  L angesehen 
Injectionsspritze.  Letztere  unterscheidet  sich  von  einer  gewöhnlichen 
Pravaz^schen  Spritze  nur  dadurch,  dass  sie  nur  beiläufig  0*5  Ccm. 
Wasser  fasst  und  in  Folge  ihrer  Länge  und  der  grösseren  Distanz  der 
an  der  Stempelstange  angebrachten  Theilstriche  eine  weit  genauere 
Dosirung  bis  selbst  zu  Hunderteln  eines  Gem.  ermöglicht.  Die  genannte 
Menge  von  O'l  Ccm.  wurde  nun  in  der  Regel  in  der  ersten  Behandlungs- 
woche an  2  Stellen  ii^icirt,  in  jeder  folgenden  Woche  je  eine  derartige 
Injection  gemacht  u.  zw.  so  lange  damit  fortgefahren,  als  Symptome 
vorhanden  waren.  In  Ausnahmsfällen  kann  jedoch  diese  Dosis,  was  die 
Zahl  der  Injectionen  betrifft,  etwas  überschritten  werden,  so  zwar,  dass 
auch  in  der  zweiten,  event.  dritten  Woche  2  Injectionen  verabfolgt 
werden,  oder  aber  dass  auch  nach  Schwund  aller  Symptome  eine  oder 
die  andere  Injection  eines  Präparates  nachgeschickt  wird  („Uebordis- 
pensation''  Lang's).  Die  Resultate,  die  nun  mit  den  genannten  Präparaten 
in  der  eben  beschriebenen  Anwendungsweie^  und  Dosirung  an  stationären 
sowie  ambulanten  Kranken  erzielt  wurden,  finden  sich  in  der  Arbeit  für 
jedes  einzelne  Präparat  ausführlich  beschrieben  und  zum  Schlüsse  in 
einer  Tabelle  zusammengestellt,  welche  die  Verhältnisse  der  localen 
Reaction,  der  mittleren  Behaudlungsdauer  und  der  dabei  allenfalls  be- 
obachteten toxischen  Wirkung  der  einzelnen  Hg.-Präparate  enthält  und 
die  wir  hiemit  auszugsweise  wiedergeben.  Als  Massstab  für  den  Grad 
der  loc.  React.  wurde  das  307oige  graue  Oel  genommen  u.  zw.  deshalb, 
weil  gerade  auf  dieser  Abtheilung  darüber  ausgedehnte  Erfahrungen 
vorlieg(.>n.  Stärker  als  aufE<  graue  Oel  reagiren  die  Kranken  auf  Calom., 
Hg.  oxyd.  fiav.  u.  rubr..  Hg.  oxydul.  nigr..  Hg.  tribromph..  Hg.  benzoic. 
oxyd.  u.  Hg.  diphenyl.  u.  zw.  entspricht  die  genannte  Reihenfolge 
zugleich  dem  Intensitätsgrade  der  React.  Die  beiden  Präp.:  Hg.  thymol- 
acet.  und  Hg.  resorc.  acet.   verursachten  durchschnittlich   dieselbe.  Hg. 


320  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

salicyl.  basic.  mitunter  sogar  noch  geringere  Reaction  als  das  graue  Oel. 
Die  durchschnittliche  Behandlungsdauer  der  in  Evidenz  gebliebenen  Fälle 
betrug  für  Calom.  17*7,  für  Hg.  oxyd.  flav.  18*5,  für  Hg.  oxyd.  rubr.  22 
Tage.  Hg.  oxydul.  nigr.  19'5,  Hg.  tribromph.  19,  Hg.  benzoic.  oxyd.  27, 
Hg.  diphenyl.  22,  Hg.  thymoi.  acet.  26'7,  Hg.  resorc.  acet.  20,  Hg.  salicyl. 
bas.  32*7  Tage.  Intoxicationserscheinungen  traten  auf:  8m al  unter  16  mit 
Calom.  behandelten  Individuen,  femer  6mal  unter  17  mit  Hg.  oxyd.  flay., 
2mal  unter  9  mit  Hg.  diphenyl.,  je  einmal  unter  7  beziehungsweise  18 
und  16  mit  Hg.  benzoic,  Hg.  thymoi.  acet.  und  salic.  behandelten 
Individuen.  Bei  den  übrigen  der  oben  erwähnten,  hier  nicht  genannten 
Präparate  traten  Intoxicationserscheinungen  nicht  auf;  aber  auch  die 
beobachteten  Erscheinungen  waren  fast  immer  nur  ganz  geringer  und 
vorübergehender  Natur,  meist  leichte  Stomatitis,  Diarrhoen  und  sistirten 
innerhalb  weniger  Tage  nach  Aussetzung  der  Injectionsbehandlung  von 
selbst;  nur  in  einem  Falle  kam  es  zu  schwerer  Stomatitis  und  periostalen 
Schwellungen  der  Kieferknochen  u.  zw.  nach  Hg.  diphenyl.  Als  Er- 
klärungsursache für  diesen  Fall  wird  in  der  ausfuhrlich  beschriebenen 
Krankengeschichte  eine  früher  vorhandene  und  übersehene  Nephritis 
herangezogen.  Hervorzuheben  ist  ferner  die  in  der  Arbeit  entsprechend 
den  Grundsätzen  Langes  verlangte,  am  Beginne  einer  jeden  Injections- 
Behandlung  oder  aber  sofort  beim  Auftreten  der  mindesten  Intoxications- 
erscheinung  vorzunehmende  gründliche  Untersuchung  des  Kranken 
TnitEinschluss  desUrinbefundes.  Beim  Vorhandensein  bezw.  Au  f'^ 
treten  von  Albumen  oder  Formelementen  im  Urin  ist  mit  der  Injections- 
behandlung za  sistiren,  was  jedoch  —  wie  viele  Fälle  beweisen  —  nicht 
hindert,  dieselbe  nach  Schwund  der  Erscheinungen  wieder  erfolgreich  fort- 
zusetzen. Unter  solchen  Vorsieh tsmassregeln  erscheint  dem  Autor  diese 
Methode  ebenso  ungefährlich,  wie  die  oft  so  unbequeme  und  undurchführ- 
bare Inunctionscur  oder  andere  minder  wirksame  Methoden  der  Hg.-Ein- 
verleibung.  (Bäder,  Elektroendosmose,  interne  Application  etc.)  Was  die 
pharmaceut.  Bereitung  der  Präparate  betrifft,  so  ergaben  die  Versuche, 
dass  die  Mischung  am  innigsten  und  zugleich  raschesten  erfolgte,  wenn 
die  mögliehst  fein  geriebenen  und  durch  ein  Haarsieb  geschüttelten,  ab- 
gewogenen Pulvermengen  unter  tropfenweisem  Zusatz  von  Paraff.  liquid, 
in  einer  Porzellanschale  abgerieben  und  hernach  erst  das  Lanol. 
anhydr.  nach  und  nach  hinzugefügt  und  damit  innig  verrieben  wurde. 
Die  ganze  Procedur  dauert  für  die  gegebene  Menge  der  Substanzen 
höchstens  20  Minuten  (nach  Angabe  der  Spitalsapotheke).  Die  Gonsistenz 
der  Präparate  ist  dabei  während  der  Winterszeit  bei  Zimmertemperatur 
(18**  C.)  starr,  so  dass  eine  Senkung  der  Hg.-ßestandtheile  nicht  statt- 
findet. Durch  vorsichtiges  Erwärmen  der  Präparate  in  heissem  Wasser 
oder  über  der  Spirituslampe  (auf  26 — 30"  G.),  was  in  breithalsigen,  mit 
Glasstopfen  verschlossenen  Glasgefässen  recht  gut  geschehen  kann,  er- 
halten dieselben  die  entsprechend  flüssige  Ii^'ections-Gonsistenz.  Da  die 
entsprechende  Formel  des  grauen  Geis  ja  als  hinlänglich  bekannt  voraus- 
gesetzt wird,  werden  hier  nur  die  der  übrigen  Emulsionen  augegeben. 


der  Syphilis. 


321 


Calom. 

Paraff.  liquid,  aa 

Lanol. 

1  Cm>  zz 

Hg.  oxyd.  flav. 
Paraff.  liquid. 
Lanol.  anh. 

1  Cm>  z: 

Hg.  salicyl.  bas. 
Paraff.  liquid. 
Lanol.  anh. 

1  Cm»  ZI 

Hg.  diphen. 
Paraff.  liquid. 
Lanol.  anh. 

1  Cm»  ZI 

Hg.  thym.  acet. 
Paraff.  liquid. 
Lanol.  anh. 

1  Cm»  =: 


4*5 
40 
0-371  Hg. 

40 
4-5 
3-5 
0-392  Hg. 

60 
4-0 
2-0 
0  370  Hg. 

7  0 
40 
20 
0-357  Hg. 

70 
50 
2-5 
0-392  Hg. 


Hg.  oxyd.  rubr.  4*0 

Paraff.  liquid.  4*5 

Lanol.  anh.  3-5 

1  Cm»  zz  0-392  Hg. 

Hg.  oxyd.  nigr.  4*7 

Paraff.  liquid.  6'2 

Lanol.  anh.  3*0 

1  Cm»  zz  0-393  Hg. 

Hg.  resorc.  acet.  5-6 

Paraff.  liquid.  5*5 

Lanol.  anh.  2-0 

1  Cm»  =:  0-385  Hg. 

Hg.  benzoic.  oxyd.  *)  7*0 

Paraff.  liquid.  18*5 

0-5  Cm»  iz  0039  Hg. 

Hg.  tribromph.  *)  6-5 

Paraff.  liquid.  ISO 

0*5  Cm»  ZI  0039  Hg. 


Der  Autor  kommt  nun  an  der  Hand  seiner  statistischen  Zusammen- 
stellungen zu  folgenden  bemerkenswerthen  Schlüssen.  Die  Mehrzahl  der 
Hg.-Verbindungen  steht  bezüglich  der  Intensität  der  Localreaction  — 
geht  man  nur  wie  in  den  beschriebenen  Versuchen  yon  dem  gleichen 
Metallwerthe  aus  —  über  dem  metallischen  Hg.  in  Form  des  grauen 
Oeles,  bloss  das  Hg.  salicyl.  weist  im  Durchschnitte  geringere,  das 
thymol.  und  resorcin.  Hg.  annähernd  gleiche  Resultate  auf,  als  das 
graue  Gel.  Dem  Autor  scheint  dabei  zweifellos  die  chemische  Constitu- 
tion der  verschiedenen  Präparate  sehr  wohl  in  Betracht  zu  kommen,  so 
wirken  z.  B.  die  Chloride  und  Oxyde  weit  aggressiver  auf  die  Gewebe 
als  die  Hg.-Yerbindungen  mit  anderen,  z.  B.  den  aromatischen  Körpern. 
Deutlich  zeigt  sich  dies  beim  Calomel,  dem  gelben  und  rothen  Oxyde, 
dem  schwarzen  Oxydul.  Interessant  ist  das  Verhalten  des  Tribromphenol- 
praparates;  dieses  nähert  sich,  offenbar  wegen  seines  Bromgehaltes,  den 
anderen  Halogenverbindungen  des  Hg.  und  steht  so  in  der  Mitte  zwischen 
beiden  Gruppen,  einerseits  den  activeren  Halogenverbindungen  und 
Oxyden,  andererseits  den  milder  wirkenden  organischen  Verbindungen 
des  Hg.  Dem  Autor  erscheinen  gewisse  Eigenschaften  der  Präparate, 
das  sind  nämlich  der  Grad  der  localen  Reaction,  die  Raschheit  der  Allge- 


')  Diese  beiden  Präparate  konnten  wegen  ihrer  Voluminosität  und 
ihres  verhältnissmässig  geringen  Hg.- Gehaltes  nicht  in  Lanolin emulsionen 
gebracht  werden,  sondern  wurden  nur  in  Paraffin,  liquid,  suspendirt  und 
vor  dem  Gebrauch  gut  geschüttelt. 


322  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

meinwirkung,  endlich  die  Toxicität  in  einem  gewissen  organischen 
Zusammenhange  zu  stehen;  so  steht  z,  6.  das  am  raschesten  wirksame 
Calomel  mit  einer  mittleren  Behandlungsdauer  von  ca.  17  Tagen  auch 
an  der  Spitze  in  der  Scala  der  Toxicität  und  localen  Reaction  gegenüber 
dem  Salicyl-Hg.,  welches  in  der  Raschheit  der  Wirkung  (mittlere  Be* 
handlungsdauer  32*7  Tage)  aber  auch  in  den  anderen  beiden  Beziehungen 
in  der  Scala  zu  tiefst  steht.  Jedenfalls  gelangen  die  local  heftiger 
angreifenden  Chloride  und  Oxyde  sehr  rasch  zur  Wirkung,  weisen  aber 
auch  die  meisten  Intoxicationen  auf.  Präparate  mit  ausgesprochen 
milderer  Wirkung  wie  Hg.  thymoL,  benzoic.  und  salicyL  weisen  auch 
eine  entsprechend  längere  Behandlungsdauer  sowie  eine  weit  geringere 
Anzahl  von  Intoxicationserscheinungen  auf.  Bemerkenswerth  kurz  war  die 
Behandlungsdauer  von  Hg.  resorc.  u.  tribromph. :  sie  betrug  bloss  20 
respect.  19  Tage.  Dabei  zeichneten  sich  beide  Präparate,  besonders  aber 
das  erstere  durch  sehr  milde  loc.  React.,  beide  aber  durch  Fernbleiben 
von  Intoxicationserscheinungen  aus;  Gruud  genug,  diese  hiemit  neu  in 
die  Therapie  eingeführten  Präparate  zu  Zwecken  antiluetischer  Iniections- 
behnndlung  besonders  zu  empfehlen. 

Das  Gesammtresultat  der  Behandlung  mit  diesen  unlöslichen 
Präparaten  ergibt  für  die  62  geheilten  Personen  eine  mittlere  Behand- 
lungsdauer von  22*5  Tagen,  eine  auffallend  kurze  Zeit,  die  auch  von 
einer  gut  geleiteten  Inunctionscur  nicht  übertroffen  wird.  Dabei  kamen 
unter  118  Personen  (hier  sind  die  4  gebesserten  Fälle  und  die  mit  Ol. 
ein.  parellel  mit  je  einem  anderen  unlöslichen  Salze  behandelten  hinzu- 
gezählt) 19  fast  immer  ganz  leichte  Intoxicationen  zur  Beobachtung, 
von  welchen  jedoch  14  ausschliesslich  auf  Calom.  und  Hg.  oxyd.  flav.^ 
somit  bloss  5  auf  alle  übrigen  Präparate  entfallen.  Ein  Vergleich  des  Ol. 
ein.  mit  allen  genannten  unlöslichen  Präparaten  fallt  rücksichtlich  der 
loc.  React.  mit  Ausnahme  des  Salicyl-Hg.  zu  Gunsten  des  Ol.  ein.  aus.  Das 
graue  Oel  wirkt  längs» mer  als  Calomel  und  die  Hg.-Oxyde,  aber  mindesten» 
ebenso  rasch,  als  alle  oben  erwähnten  Hg. -Präparate.  Es  beansprucht  bei 
Application  von  0'2— 0*4  Ccm.  in  der  ersten  Woche  und  weiterhin  bei  Anwen- 
dung von  wöch.  0*1  -  0  2  des  307,  Präparates  durchschnittlich  3—4  Wochen 
zur  Tilgung  mittelschwerer  luet.  Allgemeinaffectionen.  Dabei  ist  auch  bei 
derartiger  Dosirung  und  einem  von  früher  her  gesunden  Individuum  an 
eine  Intoxication  absolut  nicht  zu  denken.  Das  graue  Oel  wird  vom 
Autor  auf  Grund  seiner  sonstigen  Erfahrungen  und  dieser  Zusammen- 
stellungen im  Vergleiche  zu  anderen  Präparaten  als  ein  nicht  nur  auf- 
fallend mildes,  sondern  auch  als  prompt  und  fast  immer  sicher 
wirkendes  Mittel  bezeichnet.  Calom.  und  die  Hg.-Oxyde  erscheinen  dem 
Autor  wegen  ihrer  heftigen  Localreact.  wenigstens  in  dieser  Dosirung 
für  die  ärztliche  Praxis  kaum  oder  nur  für  gewisse  dringende  Fälle 
verwendbar.  Bezüglich  Recidiven  wird  in  der  Arbeit  nichts  aus  eigenen 
Erfahrungen  ausgesagt,  und  dieser  Mangel  damit  gerechtfertigt,  dass- 
dazu  wieder  eigene  systematische  Beobachtungen  erforderlich  wären, 
welche   in  einer  Universitätsstadt  mit   so  getheiltem   und  versprengtem^ 


der  Syphilis.  323 

kliniBchem  Materiale  an  der  Klinik  niemals  einheitlich  nnd  beweisend 
darchgefnhrt  werden  können.  Der  Autor  hat  mit  der  Veröffentlichung 
dieser  schon  Tor  ungeföhr  2  Jahren  zum  Abschluss  gekommenen  Resul- 
tate bezweckt,  zunächst  den  früher  noch  nicht  verwendeten  beiden 
Präparaten,  dem  Besorcin-  und  Tribromph.-Hg.  ihre  seinen  Erfahrungen 
gemäss  gebührende  Plätze  als  sehr  wirksame  und  dennoch  milde  In- 
jectionspräparate  zuzuweisen,  andererseits  auch  zu  zeigen,  dass  die  oft 
so  sehr  geschmähte  und  mit  Unrecht  so  sehr  gefärchtete  Behandlungs- 
methode mit  den  „schwer  löslichen''  Präparaten  sehr  gute  Resultate 
liefern  kann  und  auch  liefert,  vorausgesetzt,  dass  die  Anwendung  nur 
zweckmässig  und  vorsichtig  genug  betrieben  wird.  Die  Resultate  würden 
dann  denen,  mit  einer  sorgsam  geleiteten  Inunctionscur  nicht  nachstehen. 
Trotzdem  beabsichtigt  er  nicht  die  Injectionen  in  besonderer  Weise, 
etwa  als  ausschliessliche  Syphilistherapie  anzuempfehlea.  Inunctionen, 
Bäder  mit  und  ohne  Elektroendosmose,  Pillenbehandlung,  alle  Methoden 
mögen  auch  weiterhin  zurecht  bestehen.  Er  wendet  nach  wie  vor  neben 
anderen  Arten  der  Mercurialisirung,  Inunctionen,  Protojoduretpillen 
etc.  etc.  mit  dem  besten  Erfolge  einzelne  der  schwer  löslichen  Hg.- 
Präparate,  insbesondere  aber  das  Lang'sche  graue  Oel,  Hg.  resorc. 
acetic.  und  Hg.  salicyl.  basic.  in  Form  von  subcutanen  Injectionen 
unter  die  Rückenhaut  an.  Dieselben  sind  eben  so  wirksam  wie  bequem 
für  den  Arzt  und  die  Kranken.  Autoreferat. 

(7)  Raymond  bringt  in  einem  längeren  Artikel  eine  üebersicht 
sämmtlicher  Arbeiten  und  Ansichten  der  einzelnen  französichen  Autoren 
über  den  Werth  der  Injectionen  mit  löslichen  und  unlöslichen  Hg.-Salzen 
und  kommt  zu  dem  Resultat,  dass  die  Injectionen  sicher  nicht  die  Zu- 
rückweisung verdienen,  die  sie  bisher  in  Frankreich  im  Allgemeinen 
erfahren  haben.  Im  Gegentheil,  Verfasser  empfiehlt  warm  unter  Auf- 
zählung aller  bekannten  Vor-  und  Nachtheile  die  Injectionen  unlöslicher 
Salze,  besonders  des  Hg.  oxydat.  flav.  und  des  Ol.  cinereum,  ohne  jedoch 
die  interne  Behandlung  völlig  abgeschafft  sehen  zu  wollen. 

Paul  Neisser. 

^8)  Lewy  hat  Versuche  mit  Hydrargyrum  thymolo-aceticum  und 
Hydr.  salicylicum  im  Ganzen  99  Inj.  ä  0'05  je  zur  Hälfte  mit  einem  der 
oben  beschriebenen  Präparate  gemacht.  Der  Erfolg  der  Curen  (im  Ganzen 
circa  7—8  Injectionen  pro  Person)  war  momentan  durchaus  befriedigend» 
allein  Recidive  wurden  häufig  schon  im  2.  bis  5.  Monat  beobachtet. 
Ausserdem  entstanden  häufig  Beulen  und  Infiltrate.  Die  Schmerzhaftigkeit 
bei  der  Injection  war  meistentheils  massig,  manchmal  aber  bestand 
wochenlang  Druckempfindlichkeit  an  den  betreffenden  Stelleu. 

Barlow. 

(9)  Arnaud  bespricht  in  seiner  unter  Jullien's  Leitung  ge- 
fertigten Inauguraldissertation  die  Wirkungen  des  Succinimid-Queck- 
silbern.  Derselbe  gibt,  nachdem  er  die  einschlägige  Literatur  citirt,  die 
chemische  Zusammensetzung  des  Präparates  und  zugleich  diejenigen 
Vorsichtsmassregeln  an,   welche  bei   der  Herstellung  und  Aufbewahrung 


324  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

des  Medicamentes  angewendet  werden  müssen.  Es  wird  sowohl  intern 
(2  Pillen  von  2—8  Centigramm  pro  die)  wie  subcutan  (tägl.  I^j.  zu  je  2 
Milligramm)  mit  bestem  Erfolge  gebraucht  Niemals,  bei  vielen  hundert 
Einspritzungen  (sämmtlich  in  die  Nates)  wurde  Abscessbildnng  be- 
obachtet. Die  einzelne  Cur  bestand  durchschnittlich  aus  20  Ini.  (Be- 
obachtung an  40  Pat.).  Nach  interner  Application  trat  Quecksilber  am 
2.~S.  Tage  nach  der  Anwendung  im  Urin  auf|  nach  subcutaner  In- 
jection  schon  nach  5 — 6  Stunden.  Letztere  Methode  ist  auch  therapeutisch 
die  wirksamere.  Vor  Allem  gut  beeinflusst  werden  Erscheinungen  der 
Secundärperiode.  Eine  Beschreibung  der  wichtigeren  Quecksilberanalyseu 
im  Harne  ist  beigegeben.  Barlow. 

(10)  Jullien  empfiehlt  in  allen  den  Fällen,  in  denen  man  aus 
irgend  welchem  Grund  von  Injectionen  mit  unlöslichen  Hg.-Salzen  ab- 
sehen zu  müssen  glaubt,  tägliche  lujectionen  von  Succinimidquecksilber 
in  der  Dosis  von  0,002:1.0  aq.  dest.  Er  will  in  38  Fällen  nur  Smal  eine 
leichte  Salivation,  nie  eine  ernstere  Stomatitis,  nie  Erscheinungen  von 
Seiten  des  Magens  und  nur  höchst  selten  Diarrhoen  gesehen  haben. 
Nach  durchschnittlich  22  Injectionen  (er  hatte  jedoch  auch  schwerere 
Fälle,  in  denen  er  bis  auf  45  Injectionen  stieg)  sah  er  ein  Verschwinden 
aller  secuudären  Symptome  und  auch  bedeutende  Besserung  tertiärer. 
Die  Injectionen  mit  reinen,  guten  Lösungen  waren  absolut  schmerzlos, 
nie  trat  unter  581  Injectionen  ein  Infiltrat  oder  ein  Abscess  auf. 

Paul   Neisser. 

(11)  Neumann  injicirt  von  1  "/o  und  2%  Aspargiequecksilberlösung 
je  eine  Pravaz'sche  Spritze  täglich  entweder  subcutan  in  die  Sub- 
scupulargegend,  oder  iutramusculär  in  die  Glutaei.  Diese  Injectionen 
werden  im  Allgemeinen  gut  vertragen,  bedingen  nur  leichte,  wenig 
schmerzhafte  Infiltrate.  Nur  in  einem  Falle  entstand  heftige  Stomatitis 
und  blutige  Diarrhoe.  Syphilitische  Exantheme  blassen  auf  10—14  In- 
jectionen ab,  schwinden  aber  erst  nach  3 — 4  Wochen.  Durchschnittliche 
Behandlungsdauer  40  Tage,  durchschnittliche  Zahl  der  Injectionen  27. 
N.  setzt  diese  Injectionen  ihrer  Reaction  und  Wirkung  nach  neben 
Sublimat,  Formamid-,  Pepton-Quecksilber.  Finger. 

(12)  Das  Hydrarg.  salicylic.  wurde  in  lO'/oiger  Suspension  mit 
Paraffinum  liquidum  angewendet.  Zwischen  dem  basischen  von  Heyden 
bezogenen  und  dem  neutralen  vom  Apotheker  des  Bürgerhospitals  in 
Köln  bezogenen  Salz  ergab  sich  in  der  therapeutischen  Wirkung  kein 
wesentlicher  unterschied.  Die  Injectionen,  welche  in  die  Glutäen  ge- 
macht wurden ,  beeinflussten  die  Krankheit  im  Allgemeinen  günstig 
veranlassten  keine  Intoxicationserscheinungen  und  verliefen  schmerzlos. 
Nur  in  einer  Anzahl  von  Fällen  versagte  die  antiluetische  Wirkung, 
so  dass  das  Präparat  den  meisten  anderen  Injectionsmitteln,  besonders, 
dem  Oleum  cinereum  an  Sicherheit  nachsteht.  Zweckmässig  werden 
wöchentlich  2  Injectionen  ä  0,1  Hydrarg.  salicyl.  gemacht.  Erforderlich 
sind   durchschnittlich    7    Injectionen.     Recidive    waren    sehr    zahlreich) 


der  Syphilis.  325 

traten  frühzeitig    auf  und   waren   meist    schwerer   Natur.    Die  Arbeit 
ist  unter  der  Aegide  Leichtenstern's  angefertigt  worden. 

Karl  Herxheimer. 
(18)  Allen  schildert  Darstellung  und  Eigenschaften  des  Hy^ 
drargyr.  tannic,  die  ja  genügend  bekannt  sind.  Von  ungünstigen  Neben- 
wirkungen sah  er  in  einigen  Fällen,  bei  keineswegs  hoher  Dosirung, 
Stomatitis,  zweimal  schweren  Speichelflüss.  Die  Vorzüge  des  Präparates 
vor  anderen  Hg.-Yerbin düngen  sind:  1.  Dass  es  haltbar  ist,  sich  nicht 
zersetzt,  2.  dass  es  schnell  assimilirt  und  schnell  eliminirt  wird,  8.  dass 
auf  diese  Weise  eine  ziemlich  grosse  Quecksilbermenge  gegeben  und  ein 
relativ  grosser  Theil  absorbirt  werden  kann,  wie  quantitative  Analysen 
des  Urins  beweisen,  4.  dass  es  —  nach  Verf.'s  Erfahrung  —  nicht  so 
leicht  Salivation  hervorruft  wie  Galomel  und  Protojoduret.  Hydrargyri, 
6.  dass  es  nicht  so  leicht  wie  Protojoduret  und  Sublimat  Diarrhoe  und 
Gastroenteritis  verursacht,  6.  dass  es  von  Kindern  in  Dosen  von  0,02—0,04 
pro  die  gut  vertragen  wird,  7.  dass  der  Magen  absolut  nicht  davon  ge- 
reizt wird,  da  es  in  demselben  unverändert  bleibt  und  erst  zerfallt, 
nachdem  es  mit  dem  alkalischen  Darmsafte  in  Berührung  kam. 

Sternthal. 

(14)  Lustgarten  wendet  das  von  ihm  zuerst  empfohlene  Hy- 
drarg, ozydatum  tannic.  noch  immer  mit  grosser  Vorliebe  an,  nachdem 
er  es  an  ungeföhr  300  Fällen  geprüft  hat.  Er  behandelt  die  Lues  inter- 
mittirend,  indem  er  zunächst  30 — 40  Einreibungen  unmittelbar  nach  dem 
Auftreten  der  Allgemeinersch einungen  machen  lässt  (Inunctionen  hält  er 
für  die  energischeste  Methode) ;  dann  gibt  er  3—5  Gran  Hydr.  tannic.  pro 
die  einen  Monat  lang  und  dann  dasselbe  weiter  mit  Intervallen,  die  vom 
1— S  Monate  zunehmen.  Bei  secundären  Recidiven  und  bei  tertiären  Er- 
scheinungen hat  er  von  Hydr.  tannic.  und  J.-K.  (beide  Medicamente  in 
einem  Zwischenraum  von  einigen  Monaten  gegeben)  gute  Erfolge  gesehen. 
Die  Dosis  für  den  Erwachsenen  ist  3—5  Gran  pro  die  (100 — 150  Gran 
für  eine  Cur),  für  Kinder  V3— 1  Gr.  2-4mal  tägl.  in  1  TheelöflFel  Milch. 
Stärkere  Stomatitis,  unangenehme  Erscheinungen  von  Seiten  des  Magens 
hat  er  nie  gesehen,  da  es  keine  cumulativen  Wirkungen  besitzt.  L.  ver- 
schreibt das  Hydr.  tan ni cum  mit  Ac.  tannic.  und  Sachar.  in  Gelatine- 
Kapseln. 

(15)  Namara  empfiehlt  zur  Behandlung  der  Syphilis  „Mercury 
with  chalk^  (Qnecksilberoxyd)  in  der  Dosis  von  1—2  Gran  tägl.  für  Er- 
wachsene. B  a  rl  o  w. 

(16)  Lewis  empfiehlt  zur  Behandlung  der  Lues  Quecksilber  in 
Form  von  Pulvern  mit  Opium  oder  in  Tabletten,  bestehend  aus  je  1 
Gramm,  „graues  Pulver **  und  Ipecacuanha  und  2  Gramm  Milchzucker.  Auf 
diese  Weise  glaubt  Verf.  eine  stark  antiluetische  Wirkung  ohne  lästige 
Nebenerscheinungen  stets  erzielt  zu  haben.  Lasch. 

(17)  Spitzka  betont  mit  grossem  Nachdruck  den  Unterschied 
zwischen  den  luetischen  Erkrankungen  des  Gentralnervensystems  je 
nach  dem  sie  resultiren  aus  einer  gummösen  Erkrankung  und  aus  sy- 

ArebiT  f.  Dermatol.  a.  Syphil.  Band  XXVI.  22 


326      Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Syphilis. 

philit.  GkftsBver&nderongen  oder  sich  als  Tabes  dorsalis,  resp.  Dementia 
paralytica  darstellen.  Afifectionen  der  ersten  Art  sind  durch  die  schnelle 
und  heftige  Art  ihres  Auftretens  gekennzeichnet  und  werden  durch  eine 
reohtseitige  antiluetische  Behandlung  schnell  zum  Verschwinden  gebracht. 
Weniger  Erfolg  habe  die  antisyphilitische  Behandlung  bei  Tabes  und 
progressiver  Paralyse.  Lasch. 

(18)  Lagrange  hat  in  einem  Falle  von  luetischer  Iritis  und 
Chorioiditis  subcutane  Injectionen  von  Sublimat  1*0:1000*0  in  den 
Tenon^schen  Raum  angewendet,  nachdem  eine  Liunctionscur  und  Jod- 
kalium  erfolglos  geblieben  waren.  Innerhalb  von  3  Wochen  war  der 
Pat.,  dessen  Sehschärfe  bei  Beginn  der  Behandlung  Vt  gewesen  war,  so 
weit  hergestellt,  dass  er  wieder  arbeiten  konnte.  Yerf.  hält  5 — 6  Tropfen 
einer  Sublimatlösnng  von  7i*«f  mehrmals  iigicirt  für  eine  genügende  Dosis. 

Lasch. 

(19)  In  die  Behandlung  Mauriac's  kam  ein  junger  Mann  mit 
einem  papulösen  Syphilid,  das  ca.  2  Monate  nach  dem  Auftreten  der 
Sclerose  sich  eingestellt  hatte.  Der  Pat.  wurde  mit  Hg.-Pillen  behandelt, 
die  er  sehr  gut  vertrug,  das  Exanthem  ging  zurück,  Pat.  wurde  ent- 
lassen. Wenige  Tage  später  bekam  der  Pat  von  Neuem  —  und  dieses 
Mal  viel  stärker  —  ein  papulöses  Syphilid.  Der  Pat.  erhielt  jetzt  Ein- 
reibungen von  täglich  4  Gr.  (Jng.  ein.  Am  4  Tage  zeigte  sich  au  den 
Stellen  der  Inunctionen  ein  Ekzem,  das  innerhalb  von  24  Stunden  sich 
über  den  ganzen  Körper  ausbreitete,  scharlachroth  war  und  mit  hohem 
Fieber  einherging.  Am  6.  Tage  nahmen  Röthung  und  Schwellung  der 
Haut  ab,  das  Fieber  ging  herunter,  es  trat  ganz  wie  bei  Scharlach 
eine  Schälung  grosser  Hautpartien  ein.  Keine  Salivation,  keine  Stomatitis, 
keine  Erscheinungen  von  Seiten  innerer  Organe.  Am  2.  Tage  nach  dem 
Auftreten  des  Hg.-Ezanthems  wurde  das  Exanthem  undeutlich,  am  4. 
Tage  war  es  verschwunden.  M.  schliesst  jede  andere  Erkrankung  wie 
Erysipelas  oder  Scarlatina  aus  und  ist  geneigt,  die  überaus  schnelle 
heilende  Wirkung  des  Hg.-Exanthems  auf  Rechnung  des  bestehenden 
hohen  Fiebers  zu  setzen.  Lasch. 

(20)  Sick  macht  zunächst  einige  statistische  Mittheilungen  über 
die  Häufigkeit  des  Vorkommens  venerischer  Rectumaffectionen  bei 
Männern  und  Weibern,  bespricht  kurz  die  chirurgische  Therapie  der 
Rectumstricturen  und  veröfifentlicht  dann  3  von  ihm  operirte  Fälle  von 
Mastdarmlues  mit  sehr  gutem  Ausgange.  In  den  beiden  ersten  Fällen, 
die  seit  Beginn  der  luetischen  Erkrankung  unter  ärztlicher  Gontrole 
gestanden  und  wiederholt  Hg.-Curen  durchgemacht  hatten,  zeigten  die 
mikroskopischen  Präparate  keine  für  Lues  charakteristischen  Verände- 
rungen. Der  HL  Fall,  der  8  Jahre  lang  nicht  behandelt  war,  —  cf.  die 
Krankengeschichten  im  Original  —  zeigte  Gefassveräuderungen  und 
Gummata  im  ganzen  Bereiche  des  Darms.  Lasch. 


Buehanzeigen  und  Bespreehungen. 

Prot  Dr.  6.  Lewin.   Tafel  der  Anatomie  der  Haut  Verlag  von 

S.  Karger,  Berlin. 

Angezeigt  von  Prof.  M.  Kaposi  in  Wien. 

Eine  0*95 :  1*45  M.  in  Fläche  betragende  colorirte  Tafel, 
darstellend  einen  idealen  Durchschnitt  durch  die  Haut,  mit  Ein- 
tragung aller,  auch  der  feinsten  histologischen  und  anatomischen 
Details  und  ihrer  genauen  Benennung,  zum  Zwecke  der  Demon- 
stration beim  Unterricht  von  dem  Autor  nach  mikroskopischen 
Präparaten  angefertigt.  Dieselbe  ist  zu  dem  erwähnten  Zwecke 
sehr  zu  empfehlen,  namentlich  in  den  ersten  Wochen  des  klinischen 
Semestral-Unterrichtes,  da  thatsächlich  in  der  genannten  Richtung 
die  Studirenden  aus  ihren  anderweitigen  Disciplinen  wenig  Orien- 
tirung  mitbringen. 

Internationaler  Atlas  seltener  Hautkrankheiten.  Herausgeber  P. 
G.  Unna  Hamburg,  Malcolm  Moris  London,  H.  Leloir 
Lille,  L.  A.  Duhring  Philadelphia.  Hamburg  und  Leipzig  Leo' 
pold  Voss.  Heft  VI  bis  IX. 

Angezeigt  von  Prof.  F.  J.  Pick  in  Prag. 
Wir  haben  dem  gross  angelegten  Werke  schon  einmal  eine 
eingehende  Besprechung  gewidmet,  es  erübrigt  uns  heute  nur  noch 
zu  constatiren,  dass  dasselbe  den  Erwartungen,  die  wir  von  der 
Fortsetzung  desselben  gehegt  haben,  in  vollkommener  Weise  ent- 
sprochen worden  ist.  Die  neuen  Lieferungen  enthalten:  Bruce, 
Abnorme  Färbung  der  Haut  und  Schleimhaut;  Jacquet,  Ulcera 
trophica,  Syringomyelie ;  Giovannini,  Canities  unguium;  Unna, 
Leukonychia  et  Leukotrichia ;  Besnier,  Malleus  chrouicus ;  L  e  w  i  n 
und  Heller,  Gornua  cutanea  syphilitica;  Brooke,  Keratosis 
follicularis  contagiosa;  Darier,  Psorospermosis  follicularis  vegetans 
(2  Tafeln);  Schweninger  und  Buzzi,  zwei  Fälle  von  Darier'- 
scher  Dermatose;  Babes,  Pemphigus  malignus;  Mibelli,  Forme 
non  commune  de  K6ratodermie  (Porokeiatosis);  Sack,  Psoriasis 
conjunctivae;  Tommasoli,  Akrokeratoma  hystriciforme  heredita- 
rium.  Man  sieht  aus  dieser  Inhaltsangabe,  dass  es  sich  um  Gegen- 
stände von  höchster  actueller  Bedeutung  handelt  und  dass  die 
Herausgeber  darauf  bedacht  waren,  die  denselben  Gegenstand  be- 
handelnde Specimina  zusammen  zu  stellen.  Auch  der  Verlagshand- 
lung zollen  wir  für  die  bildliche  und  textliche  Ausstattung  volles 
Lob  und  wünschen  dem  Unternehmen,  welches  die  Dermatologen 
aller  Länder  zu  grösstem  Danke  verpflichtet,  einen  gedeihlichen 
Fortgang. 


V 


ar  1  a. 


XI.  Internatioiialer  med.  Gongress.  Das  Executiv-Comit^  des 

XL  Internat,  med.  Congresses  hat  beschlossen,  denselben  vom  29. 
März  bis  5.  April  1894  in  Rom  tagen  zu  lassen.  An  den  Arbeiten 
des  Congresses  können  alle  jene  Aerzte  theilnehmen,  die  durch 
Erfüllung  der  mit  der  Inscription  verbundenen  Obliegenheiten  in 
Besitz  der  Mitgliedskarte  gelangt  sind.  —  Doctoren  anderer  Disci- 
plinen,  die  sich  fUr  die  Arbeiten  des  Congresses  interessiren, 
können  mit  den  gleichen  Rechten  und  Pflichten  wie  die  Aerzte 
Gongressmitglieder  sein,  und  steht  ihnen  ebenfalls  das  Recht  zu, 
thfitigen  Antheil  an  den  Arbeiten  zu  nehmen,  sowohl  durch  Vor- 
träge als  durch  Theilnahme  an  den  Discussionen.  —  Der  Beitrag 
der  Mitglieder  des  Congresses  ist  auf  20  M.  festgesetzt.  —  Die 
Herren  Aerzte  und  alle  jene  Personen,  welche  am  Congresse  theil- 
zunehmen  wünschen,  werden  ersucht,  ihren  Beitritt  baldigst  dem 
General- Secretariat  des  XI.  Internationalen  medicinischen  Congresses 
in  Genua  anmelden  zu  wollen.  —  Die  von  den  Eisenbahngesell- 
schaften gewährten  Ermässigungen  sind  vom  1.  März  bis  zum  30. 
April  giltig. 

Comedonen-Quef scher  aus  Hnrtglas.  Von  Dr.  Karl  Ullmann 
in  Wien.  Die  gebräuchlichen  Comedonen-QuetBcher  sind  fast  ausschliesslich 
aus  Metall  construirt  und  haben  in  Folffe  dessen  den  Nachtheil  der  Un- 
durchsichtigkeit,  die  es  nicht  gestattet,  den  Erfolg  beim  Ausquetschen  der 
Comedonen  und  Pustelchen  mit  dem  Auge  controliren  zu  können.  Ausser- 
dem lassen  sie  sich  nicht  leicht  reinigen  und  rosten  gerne.  Die  genannten 
Nachtheile  sind  bei  den  nach  meiner  Angabe  vom  Instrumentenmacher 
Leiter  in  Wien  ausgeführten  Apparatchen  vermieden.  Dieselben  haben 
annähernd  die  Form  der  schon  von  Hebra  sen.  gebrauchten  ührschlüssel, 
sind  aber  aus  schwer  zerbrechlichem  Hartglas,  in  Folge  dessen  durchsichtig 
und  was  hauptsächlich  her\'orzuheben  ist,  stets  leicht  zu  reinigen  und  zu 
desinficiren.  Sie  werden  in  vier  verschiedenen  Weiten  ange^rtigt.  Sie 
können  ebensowohl  vom  Arzte  als  vom  Patienten  selbst  benützt  werden. 
Die  Handhabung  geschieht  leicht  und  schmerzlos.  Der  Instrumentenmacher 
Leiter  versendet  die  Apparatchen  zu  je  vier  in  verschiedenen  Weiten  in 
eigenen  Holzetuis.  Der  Preis  des  einzelnen  beläuft  sich  auf  wenige  Kreuzer. 
Einige  Wiener  Collegen,  denen  ich  dieselben  zum  probeweisen  Gebrauche 
übergeben  habe,  waren  damit  ebenso  wie  ich  so  zufrieden,  dass  ich  es  für 
wertn  halte,  die  Aufmerksamkeit  der  Fach  collegen  auf  dieselben  zu  lenken. 


Archiv  f  Dermaiologie  u  Syphilis  Band  XXW 


Dinkler^  Urpthritis  gonorrhoica  des  Manne 


Arr ^i^>/  t  'j-  '\^..^    'j'^-:  'M,  ■'"    p'  ''i 


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Originalabhandluiigei] 


Arehlr  f.  Demutol.  n.  STptall.  Buid  XXYl.  23 


Kann  die  Behandlung  mit  Quecksilber 

Cylindrurie  und  Albumüiurie 

hervorrufen? ') 

Von 

Dr.  Edvard  Welander  in  Stockholm. 


Um  ein  Heilmittel  genau  zu  kennen,  ist  es  nicht  nur 
nöthig  zu  wissen,  wie  es  auf  einen  Theil  krankhafte  Processe 
im  Organismus  einwirken  kann,  sondern  auch  —  soweit  dies 
möglich  ist  —  aufweichen  Wegen  es  sich  in  den  Körper  einführen 
lässt,  wie  lange  es  in  ihm  remanirt  und  wann,  wie  und  auf 
welchen  Wegen  es  eliminirt  wird,  welche  Einwirkung  es  auf 
nicht  krankhafte  veränderte  Eörpertheile  ausübt  und  welche 
Ungelegenheiten  es  in  der  einen  oder  anderen  Richtung  in 
dem  Organismus  herbeifuhren  kann,  für  den  es  in  Anwendung 
gebracht  werden  soll. 

In  den  letzten  Jahren  sind  in  dieser  Richtung  eine  Menge 
Untersuchungen  über  verschiedene  Heihnittel  ausgeführt  worden ; 
so  haben  wir  eine  nicht  unbedeutende  Kenntniss  von  der  Ab- 
sorption und  Ehmination  des  Quecksilbers  erhalten,  und  ebenso 
haben  wir  erfahren,  wie  dieses  Heilmittel  —  in  der  einen  oder 
anderen  Form  angewendet  —  nachtheilig  auf  die  Haut,  auf 
die  Schleimhaut  des  Mundes,  des  Magens  und  des  Darmcanals 
einwirken  kann  etc.  Dahingegen  hat  man  in  hohem  Grade 
die  Frage  übersehen,  welche  Einwirkung  dieses  Mittel  auf  die 
Nieren  haben  kann,  und  dieses  ist  um  so  merkwürdiger,  da  un- 


')  Vortrag)  gehalten  im  Verein  schwedischer  Aerzte  am  19.  De- 
cember  1893. 

23* 


332  Welander. 

zählige  Untersuchungen  gezeigt  haben,  dass  das  Quecksilber 
constant  in  grosser  Menge  gerade  durch  die  Nieren  eliminirt 
wird.  Es  sollte  ja  die  Frage  ganz  nahe  zur  Hand  gelegen 
haben:  Geschieht  diese  Elimination  in  der  Regel  ohne  eine 
Heizung  der  Nieren,  oder,  wenn  eine  solche  Reizung  stattfindet, 
ist  sie  von  einiger  Bedeutung  und  kann  sie  vorübergehend  oder 
für  die  Zukunft  einen  Schaden  herbeiführen?  Ich  will  versuchen, 
in  diesem  Aufsatz  einen  kleinen  Beitrag  zur  Beantwortung 
dieser  Frage  zu  liefern. 

Es  war  in  England,  wo  man  zuerst  beobachtete,  dass 
Albuminurie  bei  Syphilispatienten  auftreten  kann;  man  schrieb 
indessen  die  Albuminurie  auf  Rechnung  des  angewendeten 
Quecksilbers.  Gegen  diese  Ansicht  trat  Ray  er  (1840)  auf) 
welcher  hervorhob,  dass  es  die  syphilitische  Krankheit  an  sich 
selbst  sei,  welche  die  Albuminurie  hervorrufe.  Seitdem  hat 
dieses  als  ein  Glaubensartikel  gegolten,  und  erst  im  Jahre  1885 
—  so  viel  ich  habe  finden  können  —  ist  die  Ansicht  wieder 
ausgesprochen  worden,  dass  die  Behandlung  mit  Quecksilber 
eine  zufällige  Albuminurie  hervorrufen  könne. 

Auf  dem  IV.  Congresse  für  innere  Medicin  in  Wiesbaden 
in  dem  genannten  Jahre  erwähnte  nämlich  Fürbringe r,  dass 
er  bei  8  Patienten  von  100,  die  der  Mercurialbehandlung  unter- 
worfen wurden,  den  Harn  albuminhaltig  gefunden  habe.  Schuster 
in  Aachen  bemerkte  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  auch  er  der- 
artige Fälle  beobachtet  habe. 

Da  ich  bei  einer  grossen  Anzahl  Untersuchimgen  von 
Patienten,  die  mit  verschiedenen  Quecksilberpräparaten  behandelt 
wurden,  fand,  dass  im  Laufe  der  Behandlung  sowohl  Cylin- 
drurie,  wie  Albuminurie  auftreten  konnte,  sah  ich  mich  1891 
für  berechtigt  an,  in  einem  Aufsatz:  Ueber  Albuminurie  und 
Cylindrurie  durch  Syphilis  und  Quecksilber.  Nord.  Med.-Arkiv, 
Band  XXIII,  Nr.  29,  folgende  Ansicht  auszusprechen: 

„Cylindrurie  und  Albuminurie,  auf  Syphilis  beruhend,  sind 
selten  in  einem  frühen  Stadium  dieser  Krankheit. 

In  einem  späteren  Stadium  der  Syphilis  tritt  in  einzelnen 
Fällen  ohne  entdeckbarß  Ursache  eine  besondere  Form  von 
acuter  Nephritis  mit  Blutcylindern,  Fettkorncylindern,  Detritus 
u.   s.    w.   zusammen   mit   Papulo-Tuberkeln,   Gummata  etc.   an 


Kann  d.  Behandl.  mit  Quecks.  Cylindrarie  q.  Albaminarie  hervorrofen ?   333 

anderen  Eörpertheilen  auf,  verschwindet  aber  gleichzeitig  mit 
den  anderen  syphilitischen  Symptomen  bei  specifischer  Be- 
handlung bald  wieder  (möglicherweise  kann  sie  auf  im  Zerfall 
begriffenen  Nierensyphilomen  beruhen). 

Hg-Behandlung,  namentUch  kräftige,  gibt  sehr  oft  Anlass 
zu  Cylindrurie,  zuweilen  auch  zu  Albuminurie,  welche  Leiden, 
gleich  der  Stomatitis,  je  nach  der  indiyiduellen  Disposition  in 
schwererer  oder  gelinderer  Form  auftreten.  Der  Urin  ohne 
Eiweiss  und  ohne  Cylinder  berechtigt  ebensowenig  wie  völlig 
gesundes  Zahnfleisch  zu  dem  Schlüsse,  dass  nur  eine  unbe- 
deutende Menge  Hg  absorbirt  worden  ist.  Die  Eenntniss  von 
der  Grösse  der  absorbirten  Hg-Menge  wird  nur  durch  Unter- 
suchung des  Urins  oder  der  Foeces  auf  Hg  erhalten. 

Cylindrurie  und  Albuminurie,  auf  Hg-Behandlnng  beruhend, 
sind  ziemlich  schnell  übergehend  und  lassen  in  der  Regel 
keine  Disposition  für  Nephritis  für  die  Zukunft  zurück.^' 

Auf  dem  zweiten  internationalen  dermatologischen  Con- 
gress  in  Wien  im  September  1892  hielt  Schwimmer  einen 
Vortrag :  „Ueber  das  Vorkonmien  der  Albuminurie  bei  luetischen 
Affectionen,^^  in  welchem  er  unter  anderem  sagte,  dass  er  zwar 
bei  22  Patienten  von  250,  die  mit  Hg  behandelt  wurden, 
Albuminurie  auftreten  gesehen  habe,  dass  er  aber  diese  „Eiweiss- 
ausscheidung  als  ein  Symptom  der  constitutionellen  Syphilis'^ 
betrachten  müsse  und  dass  in  dieser  Hinsicht  seine  „Ansichten 
jenen  Welanders  widersprechen".  In  der  darauf  folgenden  Dis- 
cussion  hob  keiner  der  Redner  die  Wahrscheinlichkeit  einer 
Albuminuria  mercurialis  hervor. 

Da  nun  Tausende  von  Hg-Untersuchungen  uns  gezeigt 
haben,  dass  eine  grosse  Menge  Hg  ununterbrochen  durch  die 
Nieren  eliminirt  wird,  so  sind  wir  ja  ziemlich  berechtigt  zu 
muthmassen,  dass  diese  Elimination  eine  Reizung  in  ihnen  ver- 
ursachen könne,  zumal  wir  wissen,  dass  bei  acuter  Intoxication 
mit  Hg  anatomisch  nachweisbare  Veränderungen,  wie  Epithel- 
nekrose mit  oder  ohne  Kalkinfarcten,  in  den  Nieren  auftreten 
können.  Ullmanns  zahlreiche,  genaue  Versuche  an  Thieren 
haben  dasselbe  gelehrt:  „Absolut  und  relativ  am  meisten  Hg- 
Metall  fand  sich  stets  in  der  Nierensubstanz"  und  dieses  nicht 
nur  bei  acuten  Intoxicationen,  sondern  „auch  bei  den  chronischen 


:334  W elender.  . 

Vergiftungen  sowie  bei  medicamentöser  Dosirung,  also  bei  relatir 
kleinen  einverleibten  Hg-Dosen  war  der  Metallgehalt  der  Niere 
sehr  gross^^  Auch  wenn  Ullmann  in  diesen  Fällen  keine 
Epithelnekrose  constatiren  konnte,  so  ist  eine  solche  doch  von 
anderen  Forschem  beobachtet  worden. 

Auf  Grund  alles  dieses  würde  es  mir  eigenthümlich  er- 
scheinen, wenn  wir  nicht  auch  bei  Menschen  bei  medicamen- 
töser Dose  von  Hg  mitunter  in  den  Nieren  Zeichen  einer  durch 
die  Elimination  von  Quecksilber  hervorgerufenen  Reizung  be- 
obachten könnten. 

Da  nun  die  Frage,  inwiefern  eine  Behandlung  mit  Hg 
eine  Reizung  in  den  Nieren  hervorrufen  und  nachtheilig  auf 
sie  einwirken  kann,  nicht  nur  theoretisches,  sondern  auch  prak- 
tisches Interesse  haben  kann,  so  habe  ich  eine  neue  Serie  von 
Untersuchungen  angestellt,  um  meine  früher  ausgesprochenen 
Ansichten  zu  controliren,  und  es  ist  das  Ergebniss  dieser  Unter- 
suchungen, welches  ich  hier  darlegen  werde. 

Will  man  untersuchen,  ob  sich  eine  Reizung  in  den  Nieren 
vorfindet  oder  nicht,  so  genügt  es  nicht,  mit  einem  mehr  oder 
weniger  empfindlichen  Reagens  nachzusehen,  ob  sich  Eiweiss  in 
nachweisbarer  Menge  im  Harn  findet  oder  nicht,  sondern  es 
ist  nothwendig,  genaue  mikroskopische  Untersuchungen  über  die 
Formenelemente,  namentlich  die  Cylinder  anzustellen,  die  im 
Harne  vorkommen  können.  Dieses  hat  Schwimmer  in  seinem 
weiter  vorn  erwähnten  Aufsatz  unterlassen ;  wenigstens  geschieht 
es  nur  äusserst  selten,  dass  er  etwas  von  den  Cylindem  er- 
wähnt; es  ist  so  gut  wie  ausschliesslich  nur  die  Rede  von  der 
Albuminurie. 

Dank  sei  Stenbeck's  Erfindung  des  Sedimentators  (der 
Centrifuge),  so  ist  es  nicht  länger  mit  Schwierigkeiten  verbunden, 
gleich  nach  dem  Lassen  des  Harnes  solche  Untersuchungen  auf 
Formenelemente,  auf  Cylinder  auszuführen.  Eine  solche  Unter- 
suchimg gibt  uns  über  den  Zustand  der  Nieren  viel  wichtigere 
Aufschlüsse  als  die  Salpetersäure  imd  auch  andere,  für  die 
Albuminurie  viel  empfindlichere  Reagentien. 

In  meinem  weiter  vom  erwähnten  Aufsatz  habe  ich  diese 
v<m  allen  anerkannte  Auffassung  auch  hervorgehoben,  und  ich 
will  jetzt  nur  einige   dort  vorkommende   Worte  von  mir  über 


Kann  d.  Behandl.  mit  Queoks.  Gylindrorie  n.  Albuminurie  hervor  rufen  ?    335 

die  Bedeutung  des  Vorkommens  und  des  Auftretens  Ton  Cy- 
lindem  im  Harne  anführen.  Nachdem  ich  betont  habe,  dass 
man  auf  alle  Formenelemente,  von  denen  ein  Theil  constant 
auftritt,  Acht  geben  muss,  hebe  ich  hervor,  „dass  man  jedoch 
das  grösste  Gewicht  auf  das  Vorkommen  von  Cylindern  zu 
legen  hat ;  aber  da  entsteht  die  Frage :  Können  Cylinder  in 
dem  Urin  von  einer  völlig  gesunden  Niere  vorkommen? 
Und  dann  kann  man  mit  Bizzozero  fragen:  Gibt  es  wirklich 
eine  völlig  gesunde  Niere  ?  Da  man  weiss,  dass  von  den  Nieren 
beständig  eine  Menge  für  dieselben  mehr  oder  weniger  irri- 
tirender  Stoffe  ausgeschieden  werden  müssen,  so  könnte  es 
nicht  verwundem,  wenn  sich  stets  an  irgend  einer  Stelle  der- 
selben ein  irritativer  Process  fände,  der  sich  durch  eine  mini- 
male Veränderung  des  Harnes,  z.  B.  durch  ein  paar  Cylinder 
in  demselben,  zu  erkennen  gäbe.  Um  die  oben  gestellte  Frage 
beantworten  zu  können,  ist  es  nöthig,  eine  grosse  Anzahl  von 
Untersuchungen  an  Personen  auszuführen,  die  mit  allen  den 
diagnostischen  Mitteln,  die  wir  jetzt  haben,  als  völlig  gesund 
erkannt  worden  sind.  Solche  Untersuchungen  habe  ich  Ge- 
legenheit gehabt,  nur  in  einer  sehr  geringen  Anzahl  von  Fällen 
vorzunehmen,  ich  glaube  aber  gleichwohl,  dass  ich  auf  Grund 
dieser  und  meiner  an  syphilitischen  Personen  ausgeführten 
Untersuchungen  berechtigt  bin  den  Schluss  zu  ziehen,  dass 
man  bei  völlig  ge^nden  Personen  keine  Cylinder  antreffen  darf, 
dass  aber  das  Vorkommen  eines  oder  ein  paar  hyaliner  oder 
feinkörniger  Cylinder  uns  nicht  das  Recht  gibt,  auf  eine  in  der 
einen  oder  anderen  Weise  wirklich  krankhafte  Veränderung 
in  den  Nieren  zu  schliessen,  die  diesen  Urin  secemirt  haben. 
Ganz  anders  gestaltet  sich  das  Verhältniss,  wenn  man  einen 
Fall  verfolgt  und  in  ihm  anfänglich  keine  oder  nur  ein  paar 
einzelne  solche  Cylinder  findet,  dieselben  aber  während  des 
Verlaufes  der  Krankheit  immer  zahlreicher  werden  und  vielleicht 
gar  mit  Blut-  oder  Epithelcylindem  untermischt  auftreten  sieht. 
In  einem  derartigen  Falle  hat  man  das  Recht,  eine  nach  und 
nach  zunehmende  Reizung  in  den  Nieren  anzunehmen.  Blut 
und  Epithelcylinder  und  ebenso  auch  metamorphisirte  Cy- 
linder haben  ja  ihre  Bedeutung,  aber  auch  eine  grosse  Anzahl 
hyaliner    und  feinkörniger  Cylinder    dürfte  sicher  einen  mehr 


336  Welander. 

oder  weniger  abnormen  Zustand  in  der  Niere  zu  erkennen 
geben." 

Diese  meine  damals  ausgesprochenen  Ansichten  stimmen 
ToUkommen  mit  denen  überein,  zu  welchen  ich  auf  Grund  der 
zaMreichen  Untersuchungen  gekommen  bin,  die  ich  seit  jener 
Zeit  ausgeführt  habe. 

Wenn  zur  Untersuchung  Harn  von  einer  Frau  angewendet 
wird,  so  ist  er  mittelst  des  Katheters  zu  nehmen;  wird  der 
Harn  von  einem  Mann  genommen,  so  ist  der  zuerst  gelassene 
Theil  desselben  zur  Sedimentirung  nicht  anzuwenden,  weil  sich 
in  ihm  Trippereiter,  Tripperfaden  u.  dgl.  finden  können,  worin 
die  Untersuchung  auf  Cylinder  auf  mehr  oder  weniger  bedeu- 
tende Hindemisse  stossen  kann. 

Wenn  ich  nun  die  Ergebnisse  dieser  meiner  letzten  Unter- 
suchungen über  Cylindrurie  und  Albuminurie,  durch  Behandlung 
mit  Hg  verursacht,  darlege,  so  scheint  es  mir  am  zweck- 
mässigsten  zu  sein,  erst  über  das  Auftreten  der  Hg-Cylindrurie 
zu  berichten. 

Das  Vorkommen  imd  Auftreten  von  Cylindem  im  Harn 
kann  selbstverständlich  keine  Bedeutung  als  Beweis  dafür 
haben,  dass  die  Cylinder  durch  eine  Behandlung  mit  Queck- 
silber hervorgerufen  sind,  sofern  es  sich  nicht  zeigt,  dass  sie 
in  der  Regel  in  dem  Verhältniss  auftreten,  an  Menge  zunehmen 
und  sich  vielleicht  auch  in  ihrer  Beschaffenheit  entwickeln,  in 
dem  die  Behandlung  mit  Hg  fortschreitet.  Sollten  die  Cylinder 
in  der  Syphilis  ihren  Grund  haben,  so  müsste  ja  ihr  Auftreten 
und  Verschwinden  mit  dem  Auftreten  und  Verschwinden  der 
syphilitischen  Symptome  in  Zusammenhang  stehen;  stehen  sie 
dagegen  mit  der  Behandlung  mit  Quecksilber,  d.  h.  der  Elimi- 
nation des  Quecksilbers  durch  die  Nieren  in  Zusammenhang, 
so  muss  ihr  Auftreten  und  Verschwinden  auch  mit  einer  ver- 
mehrten oder  verminderten  Ausscheidung  von  Quecksilber  durch 
die  Nieren  Uebereinstimmung  zeigen. 

Haben  also  die  Cylinder  in  der  Syphilis  ihren  Grund, 
so  dürfte  man  sie  im  Anfange  der  Behandlung  finden  und  sie 
dann  gleichzeitig  mit  den  übrigen  syphilitischen  Symptomen 
verschwinden  sehen;  haben  sie  dagegen  in  der  Behandlung 
mit  Hg  ihren  Grund,  so  sollte  man  im  Anfange  der  Behandlung 


Kann  d.  Behandl.  mit  Quecks.  Cylindnirie  n.  Albaminarie  hervorrofen  ?    337 

keine  oder  nur  einzelne  Cylinder,  einen  mehr  oder  weniger 
bedeutenden  Cylindergehalt  aber  erst  am  Schlüsse  der  Be- 
handlung finden. 

In  meinem  vorigen  Aufsatz  habe  ich  erwähnt,  dass  ich 
von  15  Patienten,  die  ich  fiir  den  ersten  Ausbruch  der  Syphilis 
behandelte,  im  Anfange  der  Behandlung  bei  13  keinen  einzigen 
Cylinder  entdecken  konnte  und  nur  bei  2  ein  paar  hyaline 
Cylinder  antraf.  Von  11  Patienten,  welche  ihre  Behandlung 
für  Becidiv  (secundäres  Stadium)  begannen,  konnte  ich  Cylinder 
nur  bei  einem  entdecken,  und  auch  er  hatte  nur  ein  paar. 
Von  13  wegen  tertiären  Symptomen  in  das  Krankenhaus  auf- 
genommenen Patienten  hatten  10  keine  Cylinder,  2  einige 
und  einer  ziemlich  viel  hyaline  und  feinkörnige.  Also  von  39 
Patienten  in  verschiedenen  Stadien  der  Syphilis  hatten  33  keine 
Cylinder,  und  von  den  6,  bei  denen  Cylinder  gefunden  wurden, 
hatten  5  nur  ein  paar  hyaline  Cylinder,  d.  h.  nicht  mehr,  als 
man  bei  völlig  gesunden  Personen  antreffen  kann,  und  nur 
einer  hatte  eine  grössere  Anzahl,  was  ja  alles  dagegen  spricht, 
dass  die  Syphilis  an  und  für  sich  Cylindrurie  verursacht. 

Ich  habe  nun  Gelegenheit  gehabt,  97  Patienten  vor  dem 
Beginn  der  Behandlung  zu  untersuchen.  Bei  17  von  ihnen,  d.h. 
bei  17*5  Proc.  waren  Cylinder  zu  entdecken  (welcher  Procent- 
satz ziemlich  nahe  mit  dem  in  meiner  vorigen  Serie  erhaltenen 
zusammenfällt,  wo  er  15*4  Procent  betrug).  Auch  diese  Pa- 
tienten haben  sehr  verschiedene  Symptome  von  Syphilis,  wie 
Sclerosis,  Roseola,  papulöses  und  pustulöses  Syphilid,  Gummata? 
Enochenaffection,  Gehirn-  und  Rückenmarkssyphilis  u.  s.  w. 
gehabt.  Von  46  Patienten  mit  dem  ersten  Ausbruch  der 
Syphilis  haben  6,  von  36  mit  Recidiv  (secundäi^em  Stadium)  5 
imd  von  15  mit  tertiären  Symptomen  6  Cylinder  gehabt.  Von 
diesen  Patienten,  bei  denen  sich  Cylinder  fanden,  haben 
sieben  1  Cylinder,  *)  vier  2  und  einer  3  Cylinder  gehabt ;  vier 
haben    einzelne  Cylinder  und  nur  einer  hat  Cylinder  hier  und 


')  Wenn  ich  z.  B.  „einen  hyalinen  Cylinder''  angebe,  so  meine  ich 
damit,  dass  ich  trotz  sorgfältigen  Suchens  in  1  oder  2  Präparaten  nicht 
mehr  als  diesen  einen  Cylinder  habe  finden  können;  ich  habe  selbstver- 
ständlich nicht  das  Sediment  der  ganzen  Hammenge  untersucht. 


338  Welander. 

da  gehabt.  Der  Cylindergehalt  bei  den  ersten  12  Patienten  ist 
mithin  nicht  grösser  gewesen  als  derjenige,  der  bei  TÖUig  ge- 
sunden Personen  vorkommen  kann,  und  bei  den  anderen  5  hat 
er  sich  nur  unbedeutend,  wenn  überhaupt  etwas  grösser  als  bei 
diesen  gezeigt.  Von  5  Patienten  hatten  4  Albuminurie  bei 
ihrer  Aufnahme  in  das  Krankenhaus,  und  bei  einem  stellte 
Albuminurie  sich  im  Laufe  der  Behandlung  ein.  Es  scheint  mir 
am  zweckmässigsten  zu  sein,  diesen  letzten  Fall  näher  zu  be- 
sprechen, wenn  ich  über  Albuminuria  mercurialis  berichte. 
(Siehe  Fall  XX.) 

Auch  diese  Serie  spricht  ja  bestimmt  gegen  die  Annahme, 
dass  die  Syphilis  an  und  für  sich  selbst,  anders  als  ausnahms- 
weise, Cylindnirie  verursacht. 

Wir  wissen  nun,  dass  bei  der  Behandlung  mit  Einreibungen. 
Ueberstreichungen  und  Einspritzungen  von  löslichen  und  un- 
löslichen Hg-Salzen  eine  ziemlich  schnelle  und  gleichmässige 
Absorption  von  Hg  stattfindet,  was  sich  durch  eine  constant 
während  der  ganzen  Dauer  der  Behandlung  steigende  Elimi- 
nation von  Hg  zu  erkennen  gibt ;  eine  beträchtliche  Elimination 
von  Hg  ist  noch  einige  Zeit  nach  Abschluss  der  Behandlung 
zu  beobachten;  später  nimmt  die  Menge  des  eliminirten  Hg 
mehr  und  mehr  ab. 

Ist  es  nun  so,  dass  die  Behandlung  mit  Hg,  d.  h«  die 
Elimination  von  Hg  durch  die  Nieren,  in  den  Nieren  eine 
Reizung  hervorrufen  kann  und  dass  diese  Beizung  sich  durch 
das  Auftreten  von  Cylindem  im  Harn  zu  erkennen  gibt,  so 
dürften  wir  ja  berechtigt  sein  zu  erwarten,  dass  ein  Cylinder- 
gehalt im  Harn  im  Anfange  der  Behandlung  entweder  gar 
nicht  oder  in  nur  minimaler  Grösse  vorhanden  ist,  dass  später 
aber  Cylinder  auftreten  und,  je  nachdem  die  Menge  des  eUmi- 
uirten  Quecksilbers  wächst,  immer  zahlreicher  werden,  was  mit 
anderen  Worten  sagen  will,  dass  wir  im  Laufe  der  Behandlung 
Cylinder  auftreten  und  sich  dann  allmälig  bis  zum  Schlüsse 
der  Behandlung  vermehren  sehen. 

Ich  will  hier  den  Raum  nicht  mit  der  Aufzählung  einer 
Menge  von  Fällen  füllen,  die  ich  in  dieser  Richtung  untersucht 
habe,  sondern    ich    begnüge    mich    damit,    nur    folgende    an- 


Kann  d.  Behandl.  mit  Quecks.  Gylindrarie n.  Albuminurie  hervorrufen?    339 

zufuhren,  welche   zeigen,   wie   der  Cylindergehalt  während  der 
Behandlung  wächst 

Erster  Ausbruch  der  Syphilis. 

Fall  I.  B.,  26  Jahre  alt,   wurde  am  9./9.   in  das  Krankenhaus  auf- 
genommen. Behandlung  mit  Sozojodol-Hg-Einspritzungen. 
10^9.    lEinspr. ;  kein  Alb.;  1,020  spec.  Gew.;  keine  Cylinder. 
15./9.     2      „  „        „      1,025     „        „       keine  Cylinder. 

20.,  9.    8      „  jt       n      1,028    „        „       emzelne  Cylinder. 

25^9.    4      „  j,       „       1,016    „        „       hie  und  da  Cylinder. 

30./9.    5      „  „       „      1,018„„       ziemlich  viel  Cylinder. 

6./10.  6„  „        „1,019„        „       viel  Cylinder. 

11710.  7      „  „       „      1.018    „        „       sehr  viel  Cylinder. 

Fall  11.  £.,  21  Jahre  alt,  wurde  in  das  Krankenhaus  am  18./9.  auf- 
genommen.  Behandlung  mit  Sozojodol-Hg-Einspritzungen. 

19./9.     lEinspr. ;  20./T).   kein  Alb.;      ?     specGew.;  keine  Cylinder. 

„      „      1,025    „        „        einzelne  Cylinder. 
„      „      1,020    „        „        zieml.  viel  Cylinder. 
„      „      1,020    „        „        hie  u.  da  Cylinder. 
„      „      1,017    „        „        recht  viel  Cylinder. 
„      „      1,011     „        „        sehr  viel  Cylinder. 
„      „       1,015    „        „        sehr  viel  Cylinder. 

Recidiv  (secundäres  Stadium;. 

Fall  in.   S.,  38  Jahre  alt,  wurde  in  das  Krankenhaus  am  5./6.  auf- 
genommen. Behandlung  mit  Sozojodol-Hg-Einspritzungen. 

6./6.     lEinspr.;  kein  Alb. ;  1,016  spec.  Gew. ;  keine  Cylinder. 

1,020    „        „        zwei  Cylinder. 

1.019  „        „        ziemlich  viel  Cylinder. 
1,017    „        „        ziemlich  viel  Cylinder. 

1.020  „  „  viel  Cylinder. 
1,017  „  „  viel  Cylinder. 
1,022    „        „        Cylinder  in  bedeut.  Menge. 

Fall  IT.  H.,  28  Jahre  alt,  wurde  in  das  Krankenhaus  am  11. /9.  auf- 
genommen. Behandlung  mit  Ueberstreichungen  von  6  Gr.  Ung-Hg. 
12./9.  —  kein  Alb. ;  1,027  spec.  Qew, ;  keine  Cylinder. 


24.9.     2 

» 

25./9. 

29./9.     3 

ti 

29./9. 

4./10.  4 

n 

ö./lO. 

9./10.  6 

» 

lO./lO. 

14./10.  6 

n 

15,/10. 

19./10.  7 

n 

20./10. 

11./6. 

2 

16./6. 

3 

21  ./6. 

4 

26./6. 

5 

1./7. 

6 

6./7. 

7 

» 


17./9.      5  Ueberstr. ; 

n 

„       1,025 

f)            » 

einzelne  Cylinder, 

22./9.     10 

» 

n 

„      1,028 

»            ff 

einzelne  Cylinder. 

27./9.     15 

n 

r 

„       1,025 

ff            ff 

hie  und  da  Cylinder. 

2,/10.  20 

n 

V 

n       1,026 

ff            ff 

viel  Cylinder. 

7./10.  25 

» 

n 

,       1,016 

ff            ff 

sehr  viel  Cylinder. 

12./10.  30 

n 

r 

„      1,022 

ff            ff 

sehr  viel  Cylinder. 

Recidiv  (tertiäres  Stadium). 

Fall  y.  W.,  45  Jahre  alt,  wurde  in  das  Krankenhaus  am  3./5.  auf- 
genommen. Behandlung  mit  Ueberstreichungen  von  6  Gr.  Ung-Hg. 


5./Ö. 

1 

15./5. 

11 

20./5. 

16 

2Ö./5. 

21 

80./6. 

26 

4./6. 

81 

9./6. 

85 

? 

n 

n 

ein  kleiner  GyUnder. 

1,021 

n 

» 

einzelne  Gylinder. 

1,024 

n 

n 

einzelne  Cylinder. 

1,020 

n 

» 

hie  und  da  Gylinder. 

1,024 

n 

rt 

viel  Gylinder. 

340  WeUnder. 

1  Ueberstr.;  kein  Alb.;  keine  Gylinder. 

ff  n        n      ^^^  ^^^  ^  Gylinder. 

„  n        n      recht  viel  Gylinder. 

„  5»        »      eine  Menge  Gylinder. 

„  ff        »      eii^e  Menge  Gylinder. 

„  ff        ff      Gylinder  in  bedeutender  Menge. 

„  «ff      Gylinder  in  bedeutender  Menge. 

In  diesen  wie  in  einer  Menge  anderen  Fällen  ist  der 
Cylindergehalt  sehr  gestiegen  und  bei  Schluss  der  Behandlung 
bedeutend  gewesen;  aber  auch  da,  wo  dieses  nicht  der  Fall 
gewesen  ist,  hat  eine  stetige  Vennehrung  der  Cylinder,  obschon 
in  einem  geringeren  Grade  wie  in  den  angeführten  Fällen, 
stattgefunden.   Als  Beispiel  will  ich  folgenden  Fall  anfuhren: 

Fall  VI.  0.,  85  Jahre  alt,  wurde  in  das  Krankenhaus  am  16./9.  auf- 
genommen. Behandlung  mit  Einspritzungen  von  Sozojodol-Hg. 
17J9.    lEinspr.;  kein  Alb.;  l,024  8pec. Gew. ;  zwei  kleine  Gylinder. 
22./9.     2       „  ff         n 

27./y.     3       „  ff         ff 

3.A0.  4       „  „         „ 

8./10.  5      „  ff        ff 

18.A0.  6      „  „        „ 

In  noch  geringerem  Grade  vermehrten  sich  die  Cylinder  in 
folgendem  Fall: 

Fall  Yll.  M.,  25  Jahre  alt,  wurde  in  das  Krankenhans  am  11./9.  auf- 
genommen. Behandlung  mit  Ueberstreichungen  von  6  Gr.  Üng-Hg. 
18./9.  —  kein  Alb.;  l,020spec. Gew. ;  keine  Gylinder. 

18./9.      5  Ueberstr. ;    „        „      1,025     „        „       zwei  Gylinder. 
28./9.     10        „  ff        ff       1,023    „         „       keine  Gylinder. 

28^.    15        „  ff        ff      1,018    „        „       einen  Gylinder. 

8./10.  20        „  ff        ff      1,025    „        „       hie  und  da  Gylinder. 

9./10.  26        „  ff        ff  ?        ff        9       ziemlich  viel  Gylinder. 

Schliesslich  finden  sich  Fälle,  wo  der  Gehalt  an  Cylindem 
so  wenig  gewachsen  ist,  dass  er  sich  bei  Schluss  der  Behand- 
lung innerhalb  des  normalen  Gebietes  befunden  hat,  und  ebenso 
gibt  es  Fälle,  wo  es  während  der  ganzen  Behandlung  nicht 
möglich  gewesen  ist,  einen  einzigen  Cylinder  zu  entdecken,  z.  B. 
in  folgenden  beiden  Fällen. 

Fall  YIII.   W.,  31  Jahre  alt,   wurde  in  das  Krankenhaus  am  15./7. 
aufgenommen.   Behandlung  mit  Sozojodol-Hg-Einspritzungen. 
17./7.     1  Einspr. ;  kein  Alb. ;      ?     spec.  Gew. ;  keine  Gylinder. 
22./7.    2       „  ff      ff  ^        ff        ff       keine  Gylinder. 

27./7.    3       „  „       „       1,010      „        „        keine  Gylinder. 

l'/8'    ^       n  ff       ff       1,015     „         „  „  „ 

6-/8-     5         „  n        n        1,017       n  n  y>  n 


Kann  d.  Behandl.  mit  Quecks.  Cylindrurie  n.  Albominorie  hervomifen  ?   341 

Fall  IX.  F.,  40  Jahre  alt,  wurde  in  das  Krankenhaus  am  15./B.  auf- 
genommen. Behandlung  mit  Einreibungen  und  Ueberstreichungen  von  je 
drei  Gr.  Ung.-Hg. 

16./8.  keine  Einr.  u.  üeberstr.;  kein  Alb.;  1,025  spec.  Gew.;  keine  Cyl. 

21^.        6  >»        »       .      n  j>  »        1,027        n  Ji  n  n 

26./8.      10  ^        „  n  ft  n        1|022        n  n  »  » 

81./8.     15  „        „  „  ff  rt        1,019        n  n  »  i» 

IIA    26         „      „  „  „        „      1,015      „        ^  „        „ 

16^9.     31  „        n  n  n  r>        1,015        n  »  t>  » 

21./9.    36         „      „  „  „        „         ?  „        „         drei  Cyl. 

25./9.    40         „       „  „  „        „      1,020      „        „        einen  Cyl. 

2./10.  Der  Patient  hatte  mit  der  Behandlung  6  Tage  ausgesetzt,  nimmt 
sie  heute  aber  wieder  auf. 

2^10.  40  Einr.  u.  üeberstr.;  kein  Alb.;  1,005  spec.  Gew.;  keine  Cyl. 
7.A0.  45      „       „  „  „        „       1,017     „  „  „       „ 

12./10.  50      „      „  „  „        y,      1,017    „  n  n      n 

In  einem  Theil  der  Fälle  hat  der  Cjlindergehalt  kein 
solches  regelmässiges  Steigen  wie  in  den  ohen  angeführten 
Fällen  I — ^V  gezeigt.  Es  ist  Torgekommen,  dass  ein  Patient 
bei  einer  Untersuchung  einen  etwas  geringeren  Gylindergehalt 
als  bei  der  vorhergegangenen  gehabt  hat,  aber  wo  dieses  ge- 
schehen ist,  ist  die  Verminderung  im  Gylindergehalt  stets  nur 
eine  unbedeutende  gewesen;  es  ist  z.  B.  niemals  vorgekommen, 
dass  ein  Patient,  bei  dem  das  eine  Mal  eine  Menge  Cylinder 
gefunden  wurden,  das  nächste  Mal  keine  oder  nur  einzelne 
Cylinder  gehabt  hat,  wohl  ist  es  aber  zuweilen  geschehen, 
dass  ein  Patient,  bei  dem  bei  einer  Untersuchung  Cylinder  in 
grosser  Menge  gefunden  wurden,  bei  der  nächsten  Untersuchung 
eine  geringere  aber  doch  reichliche  Menge  Cylinder  gehabt  hat. 
Mitunter  kann  dieses  auf  der  Concentration  des  Harns  beruht 
haben;  so  kann  ein  Patient  an  dem  einen  Tage,  wo  der  Harn 
von  normaler  Concentration  ist,  eine  ziemlich  grosse  Menge 
Cylinder  haben,  während  er  am  Tage  darauf,  wenn  er  viel 
Wasser  getrunken  und  sein  Harn  ein  sehr  geringes  spec.  Ge- 
wicht besitzt,  Cylinder  nur  hie  und  da  hat.  Solclie  Fälle  sind 
zwar  ziemlich  selten,  doch  kommen  sie  vor.  Die  allgemeine 
Regel  ist  die,  dass  der  Gylindergehalt  constant  mehr  oder 
weniger  steigt,  so  lange  die  Behandlung  mit  Hg  dauert.  . 

Wenn  man  nun  berechtigt  sein  soll  zu  behaupten,  dass 
die   Hg-Ausscheidung  in  der  Kegel  eine  gewisse  Beizung  auf 


342 


Welander. 


die  Nieren  ausübt,  so  muss  man  auch  zeigen  können,  nicht  nur 
dasB  der  Cylindergehalt  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  sich 
vermehrt,  sondern  auch,  dass  er  sich  in  dem  Grade  vermehrt, 
dass  er  bei  Schluss  der  Behandlung  mehr  oder  weniger  be- 
deutend grösser  ist  als  bei  Beginn  derselben  und  bei  gesunden 
Personen.  Folgendes  Tableau  zeigt,  wie  gross  der  Cylinder- 
gehalt  bei  Beginn  und  bei  Schluss  der  Behandlung  bei  100  Per- 
sonen gewesen  ist;  es  zeigt  auch,  wie  gross  der  Cylindergehalt 
bei  Schluss  der  Behandlung  bei  42  anderen  Personen  gewesen 
ist,  die  ich  nicht  bei  Beginn  der  Behandlung,  wohl  aber  bei 
Schluss  derselben  und  zum  grossen  Theil  auch  ein  paar  Mal 
während  der  Behandlung  untersucht  habe. 

Tabelle  I. 


es 


Beginn 
der  Behandlung 


83 


HO 


16 


*)  9 

»3 


9 


=  1 
ol 


&I 

a 

3} 


Schluss 
der  Behandlung 


9  U 

uo 


8 
3 


17 
10 


30 
11 


« 

•'S 


17 
4 


I 
S    I 

=  6' 

«<»  — 

.sag 

w 
O 

.a 


es 

s 

30 


83 
U 


100 
42 


Summa  l!   83 


16 


6 


27  I    41 


21 


47 


142 


Proc.    I  83      16  I     1      —  I    —  II   4,2    19,0  1 28,9  1 14,8 1 33,1 1|       — 

Wir  finden  also,  dass  bei  23*2  Procent  keine  augen- 
scheinliche Vermehrung  der  Cylinder  stattgefunden  hat,  dass 
bei  28*9  Procent  die  Vermehrung  der  Cylinder  nicht  unbe- 
deutend und  bei  47*9  Procent  sehr  bedeutend  gewesen  ist. 
Dieses  stimmt  ziemlich  gut  mit  den  Ergebnissen  meiner  vorigen 
TJntersuchungsserien  überein,  wo  bei  30  Procent  der  Cylinder- 
gehalt bei  Schluss  der  Behandlung  gering  oder  minimal  war  — 
bei  den  übrigen  70  Procent  zeigte  sich  aber  auch  dort  eine 
mehr  oder  weniger  bedeutende  Vermehrung  des  Cylinderge- 
haltes.  Alles  dieses,  so  scheint  es  mir,  kann  nicht  anders  ge- 
deutet werden,  als  dass  die  Vermehrung  des  Cylindergehaltes 
in  der  Hg-Elimination  durch  die  Nieren  ihren  Grund  hatte, 
daher  ich  glaube  behaupten  zu  können,  dass  es  sehr  oft, 
vielleicht  in  der  Regel  eintrifft,   dass  die   Hg-Behandlung  eine 


Kann  d.  Behandl.  mit  Qaecks.  Cylindrurie  n.  Albuminurie  hervorrufen  ?    343 

mehr  oder  weniger  grosse  Reizung  auf  die  Nieren  aus  dem 
Grunde  ausübt,  dass  ein  grosser  Theil  des  während  der  Be- 
handlung in  den  Organismus  gekommenen  Quecksilbers  durch 
sie  ausgescliieden  wird. 

Ist  dieses  nun  wirklich  der  Fall,  so  dürften  wir  erwarten 
können,  dass  nach  Schluss  der  Behandlung  mit  Hg  der  Cylinder- 
gehalt  auch  abzunehmen  beginnt.  Aber  die  Grösse  der  Hg- Aus- 
scheidung nimmt  nicht  gleich  nach  dem  letzten  Behandlungs- 
tage ab;  namentlich  ist  dieses  bei  der  Einspritzung  einer 
grösseren  Menge  Hg  auf  einmal,  z.  B.  bei  der  Einspritzung 
von  Thymol-Hg  der  Fall.  Hier  vermehrt  sich  die  Absorption 
und  Elimination  noch  eine  kurze  Zeit  nach  dem  letzten  Ein- 
spritzungstage, um  sich  dann  aUmählich  zu  vermindern.  Unter 
allen  Umständen  kann  man  die  Ausscheidung  von  Hg,  wenn 
sie  bei  Schluss  der  Behandlung  gross  ist,  auch  noch  einige 
Zeit  nachher  gross  finden,  worauf  sie  dann  nach  und  nach 
ziemlich  schnell  abnimmt.  Da  fragt  man  sich  selbstverständlich : 
Finden  sich  entsprechende  Veränderungen  in  der  Grösse  des 
Cylindergehaltes  ?  Da  die  meisten  Patienten  einen  oder  ein 
paar  Tage  nach  dem  Abschluss  der  Behandlung  mit  Hg  aus 
dem  Erankenhause  entlassen  werden,  so  ist  es  beinahe  ganz 
unmöglich,  in  dieser  Richtung  einige  Untersuchungen  ausführen 
zu  können.  Durch  einen  Zufall  habe  ich  jedoch  Gelegenheit 
erhalten,  in  den  folgenden  zwei  Fällen  eine  vollständige  Serien- 
Untersuchung  auch  nach  Abschluss  der  Behandlung  auszuführen. 
Diese  Fälle  scheinen  mir  so  beweisend  zu  sein,  dass  ich  sie  in 
extenso  anfuhren  will. 

Fall  X.  B.,  25  Jahre  alt,  wurde  in  das  Krankenhaus  am  21  ./8.  auf- 
genommen. Behandlung  mit  Thymol-Hg-£inspritzungen. 
25^8.    lEinspr. ;  kern  Alb.;  1,020  spec.  Gew. ;  keine  Cylinder. 


30./8.    2 

n 

n 

n 

1,020 

rt 

n 

»                n 

4v9.    3 

n 

n 

n 

1,020 

n 

n 

y)               n 

9./9.    4 

n 

n 

n 

1,019 

n 

» 

recht  viel  Cylinder. 

U./9.     5 

n 

n 

n 

1,017 

n 

n 

viel  Cylinder. 

19./9.    6 

rt 

n 

n 

1,019 

n 

n 

»         » 

24./9.     7 

n 

n 

n 

1,014 

n 

n 

sehr  viel  Cylinder. 

2.A0.  — 

it 

V 

n 

1,019 

» 

n 

1»          1»             n 

7./10.  — 

n 

n 

n 

1,015 

» 

n 

n          n             V 

12./10.  — 

n 

rt 

n 

1,020 

» 

n 

eine  bedeut.  Menge  Cyl. 

18. 10.  — 

n 

rt 

r% 

1,018 

n 

» 

viel  Cylinder. 

344  Welander. 

24./10.  —  Einspr. ;  kein  Alb. ;  1,020  spec.  G^ew. ;  ziemlich  viel  Cylinder. 
29.A0.  —      „  II        n     lfi21    „        „        hie  und  da  Cylinder. 

3./11.  —      „  n        n    1|023    „        „        einzelne  Cylinder. 

8./11.  —      „  »        »     1|022     „         y,        drei  Cylinder. 

13./11.  —      „  I»        »     1|021     „        „        keine  Cylinder. 

18./11.   —        „  n  n      1|023      rt  n  V  v 

Fall  XI.  S.)  47  Jahre  alt,  wurde  in  das  Krankenhaas  am  8./9.  auf- 
genommen. Behandlung  mit  üeberstreichungen  von  6  6r.  Ung.-Hg. 

8./9.    Keine  üeberstr. ;  kein  Alb.  Salp. ;  kein  Alb.  Trichlor-Essigs. ; 

1.024  spec.  Gew.;  ein  Cylinder. 

13./9.      5  Üeberstr.;  kein  Alb.  Salp.;  kein  Alb.  Trichlor-Essigs. ; 

1.025  spec.  Gew.;  fünf  Cylinder. 

18./9.     10  üeberstr.;  kein  Alb.  Salp.;  kein  Alb.  Trichlor-Essigs.; 

1,023  spec.  Gew.;  hie  und  da  Cylinder. 
23./9.     15  üeberstr.;  kein  Alb.  Salp.;  kein  Alb.  Trichlor-Essigs.; 

1.014  spec.  Gew.;  viel  Cylinder. 

28./9.    20  üeberstr. ;  kein  Alb.  Salp. ;  kein  Alb.  Trichlor-Essigs. ; 
1,017  spec.  Gew.;  viel  Cylinder. 
3./10.  26  üeberstr. ;  kein  Alb.  Salp. ;  Spuren  von  Alb.  Trichlor-Essigs. ; 

1.015  spec.  Gew.;  eine  bedeutende  Menge  Cylinder. 
8./10.  30  üeberstr. ;  Spuren  von  Alb.  Salp. ;  Alb.  Trichlor-Essigs. ; 

1.012  spec.  Gew.;  eine  bedeutende  Menge  Cylinder. 
13./10.  —  üeberstr.;  Alb.  Salp.;  Albumin  Trichlor-Essigs.; 

1.019  spec.  Gew.;  eine  sehr  bedeutende  Menge  Cylinder. 
18./10.  —  üeberstr. ;  Spuren  von  Alb.  Salp. ;  Alb.  Trichlor-Essigs. ; 

1,017  spec.  Gew.;  eine  sehr  bedeutende  Menge  Cylinder. 
23./10.  —  üeberstr. ;  kein  Alb.  Salp. ;  Albumin  Trichlor-Essigs. ; 

1.013  spec.  Gew.;  sehr  viel  Cylinder. 

28./10.  —  üeberstr.;  kein  Alb.  Salp.;  Spuren  von  Alb.  Essigs.; 

1.016  spec.  Gew.;  viel  Cylinder. 

2./11.  —  üeberstr.;  kein  Alb.  Salp.;  unbed.  Spuren  von  Alb.  Essigs.; 

1,016  spec.  Gew.;  recht  viel  Cylinder. 
7./11.  —  üeberstr.;  kein  Alb.  Salp.;  unbed.  Spuren  von  Alb.  Essigs.; 

1,016  spec.  Gew.;  recht  viel  Cylinder. 
12./11.  —  üeberstr.;  kein  Alb.  Salp.;  unbed.  Spuren  von  Alb.  Essigs.; 

?     spec.  Gew.;  ziemlich  viel  Cylinder. 
17./11.  —  üeberstr.;  kein  Alb.  Salp.;  unbed.  Spuren  von  Alb.  Essigs.; 

1.020  spec.  Gew.;  einzelne  Cylinder. 

In  diesen  beiden  Fällen  ist  ja  die  Uebereinstimmung  zwischen 
der  Hg-Elimination  und  dem  Cylindergehalt  schlagend.  Ob  sie 
es  immer  ist,  weiss  ich  nicht;  dass  sie  es  aber  im  Grossen 
gewesen  ist,  habe  ich  auf  Grund  von  Untersuchungen,  die  ich 
zufälligerweise  das  eine  oder  das  andere  Mal  bei  Patienten  eine 
kürzere   oder  längere   Zeit  nach  Schluss  der  Behandlung  aus- 


Kann  d.  Bebandl.  mit  Qaecks . Cylindrarie  u .  Albaminarie  hervorrafen  ?    345 

fuhren  konnte,  alle  Ursache  anziinehmen.  Als  Beweis  hierfür 
*will  ich  folgende  Tabelle  anfuhren,  die  das  Steigen  des  Cylinder- 
gehaltes  während  der  Behandlung  sowie  seine  Verminderung 
oder  sein  Verschwinden  kürzere  oder  längere  Zeit  nach  Schluss 
derselben  zeigt. 

Tabelle  II. 


g 

& 

d 

C 
08 


C^iindergebalt 


a      o 
-So, 

&; 

'S     -2 


o 

>S  lA  WC 
00*0  es 

Ja    n 


5    e 

•■§1 

a 


iS 


'S  • 
fl  o 


7  Th.-Hg-Einspr. 
40  Ueberstr. 
35         „ 

6  Th.-Hg-Ein8pr. 

7  Soz.-Hg.     „ 

7  Tlu-Hg-      , 
50  Ueberstr. 

6  Soz.-Hg-Einspr. 

34  Ueberstr. 

86 

31 
36 

39 

30 

50 

26 


0 

3 

1 

0 

3 

2 

0 

4 

1 

0 

3 

1 

0 

2 

0 

0 

3 

0 

0 

2 

0 

1 

4 

0 

1 

4 

0 

? 

4 

1 

0 

4 

0 

0 

3 

0 

0 

4 

0 

0 

3 

0 

0 

4 

0 

? 

4 

0 

0 

4 

0 

1 
1 

1'/ 

1'/ 

IV 

ly 

IV: 
2% 
2Vs 
2'A 
27, 

2V, 
2V, 

2% 

3V4 


Th.-Hg-Ein8pr.  z:  Einsprit- 
zung von  essigaaarem 
Thymol-Quecksüber. 

Soz.-Hg-Einspr.   n  Einsprit- 
zung Yon  Sozojodol- 
Quecksilber. 

0  zz  keine  Cylinder. 

1  =  einzelne  Cylinder. 

2  ZI  bie  und  da,  ziemlich 

viel  Cylinder. 

3  zz  viel  Cylinder. 

4  z:  sehr  viel,  eine  bedeu- 

tende Menge  Cylinder. 


Wenn  der  Cylindergehalt  nach  Schluss  der  Behandlung" 
allmälig  abnimmt,  so  sollten  wir  ja  bei  Aufiiahme  eines 
Patienten  in  das  Krankenhaus  wegen  eines  Recidiys  keine  oder 
kaum  einige  Cylinder  antreffen.  Dieses  ist  auch  der  Fall,  was 
aus  folgender  Tabelle  hervorgeht,  in  der  die  Fälle  angeführt 
sind,  in  denen  es  constatirt  werden  konnte,  wann  der  Patient 
das  letzte  Mal  Symptome  gehabt  hatte  und  mit  Hg  behandelt 
worden  war. 


ArcbiT  f.  Dermatol.  n.  Syphil.  Band  XXVI. 


24 


346 


Welander. 


Tabelle  IIL 


1 

Anzahl  Jahre  und 

Monate  «eit  der 

letzten  Behandlang 

mit  Hg 

Cylindergehalt 

bei  der  Aufnahme  in  daa 
Krankenhana 

bei  fteUvM  der  Behandlnnif 
mit  Hg 

Keine 
Cylinder 

Einselne 
Cylinder 

Hie  nud  da 
Cylinder 

Viel 
Cyliader 

Eine  bedeut. 

Menge 

Cylinder 

Keine 
Cylinder 

Blnselne 
Cylinder 

Hie  und  da 
Cylinder 

Viel 
Cylinder 

• 

6 
2 
1 
4 
3 

Ueber  1  Jahr 
V,— 1  Jahre 
3—6  Monate 
2-3        „ 
1-2        „ 

8 
2 
4 
6 
9 

1 

_ 

^^ 

— 

— 

1 
2 

2 

3 

^— 

2 

2 

1 
2 

Wir  sehen,  dass  29  von  30  Patienten  bei  ihrer  Wieder- 
aufnahme in  das  Krankenhaus  keine  Cylinder  hatten.  Dass  diese 
I^atienten  gleichwohl  für  die  Hg-Elimination  sehr  empfindlich 
waren,  zeigt  die  grosse  Anzahl  derselben  (50  Proc),  die  bei 
Schluss  der  Behandlung  mitHg.  eine  bedeutende  Menge  Cylinder 
bekommen  hatten.  Mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  können  wir  an- 
nehmen^das  ssie  auch  bei  Schluss  ihrer  vorigen  Behandlung  einen — 
je  nach  der  Stärke  der  Behandlung  —  grösseren  oder  kleineren 
Cylindergehalt  gehabt  haben. 

Wie  lange  es  währt,  bis  der  Cylindergehalt  verschwunden 
ist,  beruht  sehr  wahrscheinlich  auf  der  grösseren  oder  gerin- 
geren Menge  Cylinder,  die  sich  bei  Schluss  der  Behandlung 
finden,  sowie  auf  der  grösseren  oder  geringeren  Menge  Hg, 
das  bei  der  Behandlung  angewendet  worden  ist  AUes  scheint 
mir  dafür  zu  sprechen,  dass  der  Cylindergehalt  viel  schneller 
verschwindet,  als  die  Hg-£limination.  Diese,  das  wissen  wir  ja, 
fährt  noch  ziemlich  lange  fort,  obschon  sie  einige  Wochen  nach 
Abschluss  der  Behandlung  nur  in  sehr  kleinen  Mengen  geschieht, 
so  klein,  dass  sie  nicht  länger  eine  Reizung  auf  die  Nieren 
ausüben  können. 

In  der  B,egel  ist  der  Cylindergehalt  nach  4 — 6  Wochen 
nach  Schluss  der  Behandlung  verschwunden,  doch  beobachte 
ich  gegenwärtig  einen  Fall,  wo  noch  eine  bedeutende  Cylin- 
drurie  10  Wochen  nach  beendigter  Behandlung  vorhanden   ist. 


Kann  d.  Behandl.  mit  Quecks.  Gylindmrie  a.  Albaminarie hervorrufen  ?    347 

Wenn  nun  die  Cylindmrie  auf  der  Quecksilberelimination 
und  nicht  auf  der  Syphilis  an  und  für  sich  beruht,  so  liesse 
es  sich  ja  erwarten,  dass  der  Gylindergehalt  in  directer  Pro- 
portion zur  Qnecksilberelimination,  aber  in  indirecter  zu  den 
auftretenden  syphilitischen  Symptomen  stehen  dürfte,  d.  L  dass 
bei  Schluss  der  Behandlung,  wenn  die  syphilitischen  Symptome 
verschwunden  sind  und  die  Hg-Elimination  gross  ist,  der 
CylindergeMt  sich  als  gross  erweisen  dürfte ;  wenn  dagegen  ein 
höchst  bedeutender  Theil  des  Hg  eliminirt  worden  ist  und  ein 
Becidiv,  neue  syphilitische  Symptome  aufzutreten  beginnen, 
dürfte  sich  ein  minimaler  oder  gar  kein  Gylindergehalt  finden. 
Dass  es  sich  so  yerhält,  dafür  sprechen  ja  die  obigen  Tabellen 
II — ^m.  In  einzelnen  Fällen  ist  dieses  übrigens  allzu  augen- 
scheinlich gewesen,  um  unrichtig  aufgefasst  werden  zu  können. 
Von  solchen  Fällen  will  ich  hier  nur  den  folgenden  anfuhren: 

Fall  Xn.  S.,  86  Jabre  alt,  wurde  mit  üeberstreichnngen  wegen 
Rupia  syphiUtiea  behandelt. 

13./4.    40  üeberstr.;  kein  Alb.;  eine  höchst  bed.  Menge  Gyl.;  geheilt. 
23./4.    60        „  n        n      ^0  kolossale  Menge  Cylinder.    Symp- 

tomfrei  aus  dem  Erankenhause  entlassen. 

13./7.  wurde  der  Patient  von  Neuem  wegen  pustulösem  Syphilid  mit 
grossen  Geschwüren  in  das  Krankenhaus  aufgenommen.  Be- 
handlung mit  Üeberstreichnngen. 

13./7.  keine  üeberstr. ;  kein  Alb.;  1,020  spec.  Gew.;  keine  Cylinder. 


18./7. 

5 

n 

» 

n 

1,025 

n 

n 

zwei  Cylinder. 

23/7. 

10 

rt 

» 

n 

1,025 

1» 

n 

einzelne  Cylinder. 

28./7. 

15 

n 

n 

n 

1,025 

» 

n 

hie  und  da  Cylinder. 

2./8. 

20 

rt 

1» 

n 

1,020 

n 

n 

zieml.  viel  Cylinder. 

7./8. 

25 

» 

» 

n 

1,024 

n 

n 

viel  Cylinder. 

12./B. 

80 

» 

n 

n 

1,020 

n 

n 

sehr  viel  Cylinder. 

I7.y8. 

35 

» 

n 

n 

1,021 

n 

n 

n          ff            n 

22V8. 

40 

»  . 

y» 

n 

1,020 

n 

n 

n        n         n  geheilt 

27.y8. 

45 

n 

Spuren  v. 

Alb. 

;  1,015 

n 

» 

n          n            n 

1./9. 

50 

n 

» 

n 

1,020 

T» 

n 

n          n             n 

6./9. 

— 

» 

n 

» 

1,021 

n 

n 

n          n             n 

wurde  frei  von  Symptomen  aus  dem  Krankenhause  entlassen. 

18^10.  wurde  er  för  Rupia  syphilitica  wieder  in  das  Krankenhaus  auf^ 
genommen.   Behandlung  mit  Jodkalium. 

19./10.  keine  üeberstr.;  kein  Alb.;  1,017  spec.  Gew.;  ein  Cylinder. 
23/10.      „  n  n        n       1,024    „  „        vier  Cylinder. 

Den  24./10.  Üeberstreichnngen  mit  Ung.  Hg. 

24* 


348  Welander. 

29^10.    öUeberstr. ;  kein  Alb.;  1,022  8i>ec.G«w.;  hie  tuid  da  Gylinder. 

3./11.  10  „  n         n        1,024     ))  1*  n        n       ft  n 

8./11.  16        ,,  9       n      1,029    „        „        nemlich  viel  Gylinder. 

13./11.  20        „  n       n      1»012    „        „        sehr  viel  Gylinder. 

ISyil.  25        r,  Sparen y.  Alb.;  1,017    „        »  «        »         n    geheilt. 

23^11.  30        „        „  »         ?        I,        »f        bedent  Menge  Gylinder, 

einige  mit  Zellen. 

28./11.  36        „        „  „      1,020    „        „        bedeut.  Menge  Gylinder, 

einige  mit  Zellen. 

3./12.  40        „        „  „      1,016    „        „        bedeut.  Menge  Gylinder, 

einige  mit  Zellen. 

9./12.  46        „        „  „      1,013    „        „        bedeut.  Menge  Gylinder, 

einige  mit  Zellen. 

14./12.  50        „        „  „1,019„        „        bedeut.  Menge  Gylinder, 

einige  mit  Zellen. 

Auf  Grund  des  Angeführten  halte  ich  mich  für  berechtigt 
die  Ansicht  auszusprechen,  dass  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  die 
Hg-EUmination  während  und  nach  der  Behandlung  mit  Hg  eine 
grössere  oder  geringere  Reizung  auf  die  Nieren  ausübt,  die 
sich  durch  das  Auftreten  einer  mehr  oder  weniger  bedeutenden 
Gylindrurie  zu  erkennen  gibt. 

Suchen  wir  nun  zu  ermitteln,  welche  Momente  zum  Auf- 
treten einer  solchen  mehr  oder  weniger  bedeutenden  Gylindrurie 
beitragen  können^  so  lassen  sich  ein  ganzer  Theil  denken  und 
auch  finden. 

Wahrscheinlich  ist  es,  dass  eine  mehr  oder  weniger  gute 
Körperconstitution  auf  das  Auftreten  der  Gylindrurie  von  Einfluss 
ist,  doch  habe  ich  mehr  als  ein  Mal  eine  bedeutende  Gylin- 
drurie bei  Personen  mit  einer  besonders  kräftigen  Körper- 
constitution gefunden^  während  ich  schwächliche  Personen  ge- 
sehen habe,  die  eine  Behandlung  mit  einer  bedeutenden  Menge 
Hg  vertrugen,  ohne  dass  kaum  ein  einziger  Gylinder  zu  ent- 
decken war. 

Unabhängig  von  der  Körperconstitution  scheint  das  Alter 
des  Patienten  auf  das  Auftreten  der  Gylindrurie  einen  nicht 
80  unbedeutenden  Einfluss  auszuüben,  wenigstens  scheint  die 
folgende  Tabelle  dieses  anzugeben. 


Kann  d.  Bebandl.  mit  Qaecks.  Cylindnirie  n.  Albominorie  hervorrnfen?  349 


Tabelle  VI. 


Alter  der 
Untersuchten 

Cylindergehalt 
bei  Schluss  der  Behandlung 

Keine 
Cylinder 

Bin  seine 
Cylinder 

Hie  and  da 
Cylinder 

Viel 
Cylinder 

Bedeutende 

Menge  von 

Cylindern 

i 

a 

& 

Pro«,  mit 

einer  bedeut. 

Menge  tob 

Cylindern 

Unter  20  Jahren 
Von  20—29  Jahren 

rr     30-39        „ 
n     40—49       „ 
Von  50  J.  u.  darüber 

1 
2 
2 
1 

2 

18 
6 

1 

2 
28 

8 
2 
1 

2 

15 
3 
1 

1 
24 

8 
9 
5 

8 
87 
27 
14 

6 

12,5 
27,6 
29,6 
64,3 
83,3 

Summa 

6 

27 

41 

21 

47 

142 

33,1 

1 

Wir  sehen,  wie  das  Procent  von  denen,  die  bei  Schluss 
der  Behandlung  eine  Menge  Cylinder  hatten,  rasch  mit  jeder 
Altersclasse  steigt.  Der  Unterschied  zwischen  dem  Procent  der 
Patienten  unter  40  Jahren,  die  eine  Menge  Cylinder  gehabt 
haben  —  27  Procent  —  und  dem  Procent  der  Patienten  über 
40  Jahre,  bei  denen  sich  ein  solcher  Cylindergehalt  gefunden 
hat  —  70  Procent  —  ist  allzu  sehr  in  die  Augen  fallend. 

Einen  ziemlich  augenscheinlichen  Einfluss  auf  das  Auf- 
treten der  CyUndrurie  scheinen  auch  die  mehr  oder  weniger 
schweren  Symptome  auszuüben,  wegen  denen  diese  Patienten 
behandelt  worden  sind.  Ich  will  hier  nicht  alle  ihre  Symptome 
besonders  angeben,  sondern  ich  führe  sie  in  drei  Gruppen  zu- 
sammen: erster  Ausbruch,  Recidiv  (secundäres  Stadium)  und 
Becidiy  (tertiäres  Stadium).  Der  Cylindergehalt  bei  Schluss  der 
Behandlung  bei  den  zu  diesen  drei  resp.  Gruppen  gehörenden 
Patienten  ergibt  sich  aus  der  folgenden  Tabelle. 


350 


Welander. 


TalMlIe  V. 


Stadium 
der  Syphilis 

Cylindergehalt 
bei  Schluss  der  Behandlung 

Keine 
Cylinder 

•  fl 

Hie  und  da 
Cylinder 

Viel 
Cylinder 

Bedeutende 

Menge 

Cylinder 

e 

8 

0 
OQ 

Proe.  mit 
einer  bedeat. 

Menge 
▼on  Cyltndern 

Erster  Ausbruch 
Becidiv  (secund.  Stad.) 
Recidiv  (tertiär.  Stad.)  j 

2 
3 
1 

12 
13 

19 

18 
4 

6 

13 

2 

9 
19 

18 

48 
66 

25 

1 

18,7 
28,8 
72,0 

1 

Summa 

6 

25 

41 

21 

46 

i    139 

33,1 

Diese  yerschiedenen  Stadien  zeigen  bezüglich  der  Procent- 
zahl^  die  eine  bedeutende  Cylindrurie  angibt,  einen  höchst  be- 
merkenswerthen  Unterschied.  Es  will  scheinen,  als  ob  die 
Hg-£limination  durch  die  Nieren  leichter  eine  Reizung  in  den 
Nieren  bei  einer  Person  mit  tertiären  Symptomen,  als  bei  einer 
solchen  mit  frischer  Syphilis  hervorrufen  könnte.  Es  würde 
sich  ja  denken  lassen,  dass  dieses  seinen  Grund  zum  Theil 
darin  haben  könnte,  dass  die  tertiäre  Syphilis  öfter  bei  älteren 
Personen  vorkommt  und  dass  also  das  Alter  des  Patienten  hier- 
bei ein  mitwirkendes  Moment  gewesen  ist;  dass  aber  das  ter- 
tiäre Stadiiim  an  und  für  sich,  unabhängig  von  dem  Alter,  für 
die  Hg-Cylindrurie  predisponirt,  erscheint  jedoch  auf  Grund  der 
folgenden  beiden  Tabellen  als  ziemlich  annehmbar. 

Tabelle  VI. 


e 

Patienten  in  einem  Alter 

1 

Ton  mehr  ala  40  Jahren, 
behandelt  wegen 

Gy  linderge  halt 

Keine 
Cylinder 

Binseine 
Cylinder 

'S 

Viel 
Cylinder 

Bedeutende 

Menge 
Cylinder 

Proc.  mit 

einer  bedeut. 

Menge  von 

Cylindeni 

1 

dem  ersten  Ausbruch 
Becidiv  (secund.  Stad.) 
Recidiv  (tertiär.  Stad.) 

1 

1 

2 

1 

1 

3 
10 

83,3 

Kann  d.  Behandl.  mit  Qnecks.  Gylindrorie  u.  Albuminurie  hervorrufen  ?    351 


Tabelle  VII. 


Alter  der  Patienten 

dem  tertlAreftt  Btadhxm 

ABgehSreBd 


Cylindergehalt 


o 


unter  20  Jahren 
20—09  Jahre 
80--39      „ 
40-49      n 
60  Jahre  und  darüber 


II 


0:= 

X 


1 
8 


So 


V 


« 


»■  5  w 

au  s^u 


9  ^ 


1 
1 


5 
S 
9 
1 


}  61J 


83,3 


Summa 


18 


Aus  Tabelle  VI  ersehen  wir,  dass  von  13  Personen  in 
einem  Alter  Ton  mehr  als  40  Jahren,  die  eine  bedeutende 
Menge  Gylinder  gehabt  haben,  10  dem  tertiären  Stadium  ange- 
hörten, und  finden,  dass  43*0  Proc.  von  denjenigen,  die  nicht 
dem  tertiären  Stadium  angehörten,  eine  bedeutende  Cylindrurie 
bekommen  haben,  während  dieser  Cylindergehalt  bei  88*3  Proc. 
von  denjenigen  vorgekommen  ist,  die  diesem  Stadium  angehör- 
ten. Aus  Tabelle  VII  geht  hervor,  dass  von  25  Personen,  die 
dem  tertiären  Stadium  angehörten,  bei  18,  beinahe  ganz 
unabhängig  vom  Alter,  eine  bedeutende  Menge  Gylinder  auf- 
getreten sind. 

Einigen  Einfluss  scheint  das  Alter  aber  auch  hier  aus- 
geübt zu  haben,  indem  von  den  Patienten,  die  ein  Alter  von 
weniger  als  40  Jahren  hatten,  nur  61*5  Proc.  eine  bedeutende 
Menge  Gylinder,  von  denjenigen  dagegen,  die  über  40  Jahre 
alt  waren,  83*3  Proc.  eine  bedeutende  Gylindrurie  bekommen 
haben. 

Als  eine  Erklärung  dafür,  dass  so  viele  von  den  Patienten, 
die  dem  tertiären  Stadium  angehörten,  eine  grosse  Menge 
Gylinder  bekommen  haben,  könnte  man  sich  denken,  dass  die 
Hg-Behandlung  bei  diesen  Patienten,  welche  ernste  Symptome 
gehabt  haben,  in  der  Regel  kräftiger  als  bei  der  Mehrzahl  der 
anderen  Syphilitici  gewesen  ist  und  dass  daher  auch  die  Hg- 


352  *  Welander. 

Elimination  sich  bei  ihnen  grösser  als  bei  jenen  gestaltet  hat. 
Es  dürfte  auf  Grund  dessen  hier  am  Platzd  sein  zu  unter^^ 
suchen,  inwiefern  eine  solche  Annahme  Berechtigung  habe,  in 
welchem  Masse  eine  kräftige  Behandlung  mit  Hg  und  in  wel- 
chem Masse  die  yerschiedene  Form  der  Einführung  desselben 
in  den  Organismus  für  das  Auftreten  der  Cylindrurie  Ton  Be- 
deutung sein  könnte,  und  dies  um  so  mehr,  da  Schwimmer 
in  seinem  Aufsatz  hat  andeuten  wollen,  dass  die  Thymolqueck- 
silbereinspritzungen,  die  ich  mitunter  gegeben  habe,  leichter  zu 
einer  Reizung  in  den  Nieren  Anlass  geben  können,  als  z.  B. 
die  Einspritzungen  you  Sozojodolquecksilber,  die  er  anwendet. 
In  dem  soeben  erwähnten  Aufsatz  sagt  Schwimmer  nämlich: 
„Es  erscheint  vielleicht  nicht  unwesentlich,  über  die  Hg-Prä- 
parate  sich  zu  orientiren,  da  einzelne  Beobachter  eben  dem 
Gebrauche  dieses  Medicamentes  einen  nachtheiligen  Einfluss 
auf  die  Nierenthätigkeit  zuschreiben.  Andere  wieder  (und  meine 
Erfahrungen  sprechen  auch  dafür)  einen  günstigen.  —  Welan- 
der hat  nach  seiner  mit  Thymolquecksilber  durchgemachten 
subcutanen  Injectionstherapie  die  Steigerung  der  Albuminaus- 
scheidung erfahren,  während  man  sonst  diesem  Medicamente 
keine  nachtheiligen  Wirkungen  zuzuschreiben  vermag  und  auch 
meine  mit  demselben  gewonnenen  Erfahrungen  keine  ungünsti- 
gen sind.  Vielleicht  mag  die  3 — 4Mal  wöchentlich  von  diesem 
Autor  ausgeführte  Injection  zu  irritirend  auf  den  Organismus 
gewirkt  haben." 

Da  Schwimmer  meinen  Aufsatz:  „lieber  Albuminurie 
und  Cylindrurie  durch  Syphilis  und  Quecksilber"  anführt,  *)  so 
verwundert  es  mich  auf's  Höchste,  dass  er  auf  Grund  dessel- 
ben behaupten  kann,  dass  ich  Thymolquecksilberinjectionen 
3 — 4Mal  wöchentlich  gebe.  Wie  aus  meinem  Aufsatze  hervor- 
geht, gebe  ich  solche  Injectionen  höchstens  jeden  vierten  Tag, 
also  nicht  öfter,  als  andere,  die  dieses  Mittel  anwenden,  zu 
thun  pflegen.  In  meinem  Aufsatze  findet  sich  nicht  ein  Wort, 
das  Schwimmer  zu  seiner  Behauptung  berechtigt. 

Wir  wollen  indessen  nachsehen,  welchen  Einfluss  die  ver- 
schiedenen Formen  der  Einführung  des  Hg  in  den  Organismus 
auf  das  Auftreten  der  Cylindrurie  ausüben  können« 

')  Obschon  sowohl  der  Titel  wie  die  Jahreszahl  unrichtig  angegeben  ist 


Kann  d.  Behandl.  mit  Quecke.  Gylindmrie  n.  Albuminurie  hervorrufen  ?    353 

Wenn  es  die  Hg-Ausscheidung  ist,  die  Anlass  zum  Auf- 
treten der  Cylindrurie  gibt,  und  wenn  —  was  wir  allen  Grund 
haben  anzunelimen  —  das  Quecksilber,  unter  welcher  Form  es 
auch  eingegeben,  auf  welchen  Wegen  es  auch  in  den  Organis- 
mus gebracht  werden  mag,  stets  in  derselben  Form  durch  die 
Nieren  eliminirt  wird,  so  dürfte  ja  an  und  für  sich  die  Form, 
unter  der  es  in  den  Organismus  gelangt,  keine  directe  Bedeu- 
tung für  die  Beizung  haben,  die  bei  seiner  Elimination  in  den 
Nieren  erzeugt  werden  kann ;  indirect  dagegen  dürfte  die  Form, 
unter  der  das  Quecksilber  in  den  Organismus  eingeführt  wird, 
ihre  Bedeutung  haben  können,  indem  bei  Anwendung  der  einen 
Hg  nicht  nur  in  grosser  Menge,  sondern  auch  schnell  absorbirt, 
resp.  eliminirt  wird,  während  bei  Anwendung  einer  anderen  die 
Menge  des  absorbirten,  resp.  eliminirten  Quecksilbers  wieder 
ganz  unbedeutend  sein  und  auch  verbleiben  kann.  In  dem  einen 
Falle  wird  also  eine  grosse,  in  dem  andern  eine  kleine  Menge 
Quecksilber  eliminirt,  und  da  eine  grosse  Hg-Elimination  eine 
bedeutendere  Cylindrurie  als  eine  kleine  verursachen  dürfte,  so 
würde  man  in  dem  ersteren  Falle  in  der  Begel  einen  grösseren 
Cylindergehalt  als  in  dem  letzteren  zu  erwarten  haben. 

Die  Frage  gestaltet  sich  dann  so :  Wie  kräftig  und  schnell 
wird  das  Hg  bei  Anwendung  der  verschiedenen  Formen  der 
Hg^Behandlung  absorbirt,  resp.  eliminirt?  (Ich  nehme  hier 
natürlicherweise  nur  die  Hg-Präparate  auf,  die  ich  bei  diesen 
Untersuchungen  angewendet  habe.) 

Bei  Anwendung  interner  Behandlung  mit  Hg-Pillen  sind 
die  Stärke  und  die  Schnelligkeit  der  Absorption  ziemlich  ver- 
schieden und  auch  ziemlich  unsicher;  es  gibt  ja  so  viele 
Momente,  die  darauf  einwirken  können,  wie  z.  B.  die  mehr 
oder  weniger  gute  Beschaffenheit  des  Magen-  und  Darmcanales, 
die  Beschaffenheit  der  Pillen  (sind  sie  etwas  alt  und  hart,  was 
sie  leicht  werden,  wenn  man  sie  in  einer  Pappschachtel  aufbe- 
wahrt, so  wird  von  ihnen  beinahe  nichts  absorbirt)  u.  s.  w. 
Bei  einer  solchen  inneren  Behandlung  ist  die  Hg-£limination 
in  der  Regel  nicht  bedeutend,  daher  wir  auch  bei  Anwendung 
dieser  Behandlungsform  keinen  bedeutenden  Cylindergehalt  zu 
erwarten  haben. 


354  WeUnder. 

Wenn  Hg*SaIbe  in  so  grosser  Menge  anf  die  Hand  ge- 
strichen wird,  dass  die  tiberstrichene  Hautpartie  mit  einer 
dünnen  Schicht  bedeckt  ist,  so  wird  Hg  in  grösserer  Menge 
absorbirt,  als  wenn  man  dieselbe  Hautpartie  mit  Hg-Salbe 
einreibt,  vorausgesetzt,  dass  man  dann  nicht  die  Salbe,  die  man 
nicht  einreiben  kann,  auf  der  Haut  ausgestrichen  liegen  lässt. 
Wenn  man  Salbe  einreibt  und  die  eingeriebene  Partie  mit  noch 
mehr  Salbe  überstreicht,  findet  eine  bedeutende  Absorption 
statt  Bei  Anwendung  dieser  Behandlungsform  sowohl  wie 
blosser  Ueberstreichungen  tritt  nach  25 — 30  Tagen  stets  eine 
bedeutende  Absorption  resp.  Elimination  von  Hg  ein.  Wenden 
wir  eine  solche  Behandlung  an,  so  haben  wir  daher  bei  Schluss 
derselben  einen  bedeutenden  Cylindei^ehalt  zu  erwarten. 

Bei  Einspritzung  von  Thymol-Hg  und  auch  von  Sozojo- 
dol-Hg  tritt  eine  kräftige  Absorption  ein,  und  nach  6 — 7  solchen 
Einspritzungen  ist  die  Hg-Elimination  stets  sehr  bedeutend, 
daher  wir  auch  bei  Anwendung  dieser  Behandlungsformen  einen 
grossen  Cylindergehalt  zu  erwarten  haben. 

Bei  Ueberstreichungen  habe  ich  stets  6  Gr.  Ung,-Hydr. 
(1  Hg  -f-  2  Fett)  angewandt.  Bei  Einreibung  und  Ueberstreichung 
sind  3  Gr.  Üng.-Hydr.  eingerieben  und  3  Gr.  aufgestrichen 
worden.  Bei  Injection  von  Thymolquecksilber  sind  1  Gr.  (1  Theil 
essigsaures  Thymolquecksilber  auf  10  Theile  Parafinum  liquidum) 
eingespritzt  worden.  Bei  Injection  von  Sozojodolquecksilber  ist 
1  Gr.  (0*8  Gr.  Sozojodolquecksilber  und  1*6  Gr.  Jodkalium  auf 
10  Theile  Wasser)  eingespritzt  worden. 

Da  die  innere  Behandlung  sich  an  Kraft  nicht  mit  der 
Ueberstreichung  und  Einspritzung  von  Hg  messen  kann  und  da 
die  Patienten,  die  sich  in  das  Krankenhaus  aufnehmen  lassen, 
in  der  Begel  einer  kräftigen  Behandlung  bedürftig  sind,  so 
wende  ich  dort  nur  selten  die  Behandlung  mit  Pillen  an,  und 
ich  habe  daher  auch  nur  einige  wenige  Mal  Gelegenheit  gehabt, 
den  Cylindergehalt  bei  Personen  zu  untersuchen,  die  mit  Pillen 
behandelt  worden  sind.  Die  folgende  Tabelle  zeigt,  welchen 
Einfluss  die  Form  der  Behandlung  auf  das  Auftreten  von 
Cylindrurie  gehabt  hat. 


Kann  d.  Behandl.  mit  Qnecks.  Cylindnirie  n.  Albaminnrie  herrorrofen?   355 


Tabelle  VIII. 


Form 
der  Behandlang 

Cylinder  gehalt 

Keine 
Cylinder 

Einzelne 
Cylinder 

Hie  and  d« 
Cylinder 

Viel 
Cylinder 

Bedeutende 

Menge 

Cylinder 

Proc.  mit 

einer  bedeat. 

Menge  von 

Cylindern 

Pilola  Hydr. 

Einreib,  mit  Ung.-Hg 

üeberstr.  mit  Ung.-Hg 

Einreibung   a.    Ueber- 
streicb.  mit  Ung.-Hg. 

Injection  von  Sublim. 

Inj.  von  Thymol-Hg 

Inject.  V.  Sozojodol-Hg 

2 

1 
1 

1 
1 

1 

12 

1 

1 
9 
3 

2 

2 

14 

1 

9 
13 

6 

3 

4 

8 

1 
28 

2 

8 
8 

46,9 
25,0 

25,8 
24,2 

Snmma 

6 

27 

41 

21 

47 

Wir  sehen,  was  ja  zu  erwarten  war,  dass  nach  der  Be- 
handlung mit  Pillen  nur  eine  unbedeutende  Cylindmrie  aufge- 
treten ist.  Wir  sehen  femer,  dass  eine  bedeutende  Menge 
Cylinder  bei  ungefähr  25  Proc.  nach  Einreibung  zusammen  mit 
Ueberstreichung  und  nach  der  Injection  sowohl  von  Thymol-Hg 
wie  Sozojodol-Hg  aufgetreten  ist  und  dass  dieselbe  Menge  Cylinder 
sich  bei  45*9  Proc.  nach  blosser  Ueberstreichung  yon  Hg-Salbe 
gezeigt  hat.  Zwar  ist  die  Absorption  resp.  Elimination  von  Hg 
nach  blosser  Ueberstreichung  sehr  bedeutend,  doch  darf  man 
ans  obiger  Tabelle  nicht  den  Schluss  ziehen,  dass  die  Absorption 
und  Elimination  bei  Anwendung  dieser  Behandlungsform  so 
gross  sind,  dass  dadurch  eine  grössere  Reizung,  als  bei  An- 
wendung einer  anderen  Behandlungsform  auf  die  Nieren  aus- 
geübt wird.  Die  Ursache  des  grossen  Procents  bedeutender 
Cylindrurie  bei  Anwendung  dieser  Behandlungsform  ist  ganz 
sicher  die,  dass  die  Ueberstreichungen  in  der  Begd  in  den 
schwersten  Fällen,  namentlich  aber  in  einem  grossen  Theil  der 
Fälle  von  tertiärer  Syphilis  angewendet  werden,  welches  Stadium 
der  Krankheit  ja  an  und  für  sich  selbst  für  Hg-Cylindrurie  zu 
prädisponiren  scheint.    Ausserdem  sind  in  diesen  wie  auch  in 


1 


356 


Welander. 


den  übrigen  schwereren  Fällen  eine  viel  grössere  Anzahl  Ueber- 
streichungen  als  in  den  gelinderen  Fällen  gegeben  worden. 
Selbstverständlich  hat  die  Anzahl  der  Ueberstreichungen  einen 
höchst  bedeutenden  Einfluss  auf  die  Grösse  der  Hg- Absorption 
resp.  Elimination,  und  sie  dürfte  also  denselben  Einfluss  auch 
auf  den  Cylindergehalt  haben.  Dass  dieses  auch  der  Fall  ist, 
geht  daraus  hervor,  dass  eine  bedeutende  Menge  Gylinder  bei 
57  Proc.  der  Patienten  angetreten  sind,  die  mehr  als  30  ueber- 
streichungen erhalten  haben,  während  dieselbe  Menge  Gylinder 
sich  nur  bei  16*6  Proc.  von  denjenigen  gezeigt  haben,  denen 
weniger  als  30  Ueberstreichungen  gegeben  worden  sind. 

Wären  nun  diese  schwersten  Falle  z.  B.  mit  Sozojodol-Hg 
oder  mit  Thymol-Hg  behandelt  worden,  in  welchem  Falle  eine 
grosse  Anzahl  Injectionen  hätte  gemacht  werden  müssen,  so 
würden  wir  ganz  sicher  auch  bei  diesen  kräftigen  Formen  der 
Hg-Behandlung  ein  viel  grösseres  Procent  mit  einer  bedeutenden 
Menge  Gylinder  gehabt  haben,  als  nun  der  Fall  ist 

Wir  sehen  nämlich,  dass  auch  das  Sozojodolquecksilber, 
das  nach  Schwimmer  keine  Reizung  auf  die  Nieren  ausüben 
soll,  in  24*2  Proc.  Anlass  zum  Auftreten  einer  bedeutenden 
Menge  Gylinder  und  in  gleich  grossem  Procent  zu  einer  nicht 
unbedeutenden  Gylindrurie  gegeben  hat  Dass  auch  hier  die 
Anzahl  der  Einspritzungen  und  die  Dauer  der  Behandlung 
Einfluss  auf  den  GyUndergehalt  ausüben,  dürfte  deutlich  aus 
folgender  Tabelle  hervorgehen: 


Tabelle  IX. 


0 

Ansabl  Elnaprltsangen 

Ton  Sosojodol* 

Qnerluilber 

Cylindergehalt 

Keine 
Cyllnder 

Elnseliie 
Cyllnder 

Ule  nnd  da 
Cyllnder 

viel 
Cyllnder 

Bedeutende 

Menge 

Cyllnder 

Proc.  mit 

einer  bedent. 

Menge  tob 

Oyllndem 

7  Emspritzungen 

6 
6 

1 

1 

2 

5 
2 
6 

8 
8 
2 

5 
3 

38,5 

38,8 

0,0 

Kann  d.  Behandl.  mit  Quecks.  Gylindrurie  u.  Albuminurie  hervorrufen  ?    357 

Wir  finden  nach  5  Einspritzungen  bei  0  Proc,  nach  6 
Einspritzungen  bei  33*3  Proc.  und  nach  7  Einspritzungen  bei 
38'5  Proc.  eine  bedeutende  Menge  Cylinder. 

Die  Form,  unter  welcher  das  Quecksilber  in  den  Organis- 
mus eingeführt  wird,  hat  an  und  für  sich  selbst  ganz  sicher 
nur  eine  sehr  geringe  Bedeutung;  von  Gewicht  ist  die  Form 
nur  insofern,  als  bei  Anwendung  der  einen  Hg  in  grösserer 
Menge  als  bei  Anwendung  der  anderen  absorbirt,  resp.  eUmi- 
nirt  wird.  Die  hauptsächlichste  Bedeutung  hat  die  Menge  ab- 
sorbirtes,  resp.  eliminirtes  Hg;  bei  Anwendung  derselben  Be- 
handlungsform ist  es  die  Dauer  der  Behandlung,  die  in  dieser 
Hinsicht  Bedeutung  hat. 

Wir  haben  zwar  gesehen,  dass  die  Gylindrurie  in  der  Regel 
ziemlich  bald  verschwindet  und  dass  die  Reizung,  welche  die 
Hg-Elimination  verursacht,  übergehend  ist,  aber  kann  sie  die 
Widerstandskraft  der  Nieren  nicht  insofern  yerringern,  dass  bei 
einer  folgenden  Behandlung  eine  Gylindrurie  leichter  entsteht? 
Ich  habe  in  der  folgenden  Tabelle  X  den  Gylindergehalt  bei 
Patienten  zusammengestellt,  die  ein,  zwei,  drei  oder  mehrere 
Mal  behandelt  worden  sind. 

Tabelle  X. 


Mit  Hg 
behandelt 


Gylindergehalt 


2  *« 


•e 

•OT3 

e  d 


•  'S 

^1 


9 

o  eo<a 
•äs  >> 


äggß 

k«  •  s  p» 


das  erste    Mal 

jn    zweiiie   ff 

„     dritte    „ 

mehr  als  drei  Mal 


3 
2 


18 
6 
8 


26 
7 
2 
6 


11 
6 


19 
9 
5 

14 


27,7 
30,0 
50,0 
56,0 


Smnma 


27 


41 


21 


47 


Wir  finden,    dass    das  Procent   der  Patienten,    die    eine 
Menge  Gylinder  im  Harn  gehabt  haben,  mit  der  Anzahl  der 


358  Welander. 

von  ümen  durchgemachten  Hg-Behandlungen  wächst,  was  ja 
dafür  sprechen  würde,  dass  eine  frühere  Hg-Behandlung  für 
das  Auftreten  einer  bedeutenden  Cylindrurie  bei  einer  späteren 
prädisponirt  Aber  hierbei  ist  nicht  ausser  Acht  zu  lassen, 
dass  die  meisten  der  Patienten,  bei  denen  bei  der  dritten  oder 
einer  späteren  Hg-Behandlung  eine  bedeutende  Menge  Cylinder 
im  Harn  aufgetreten  sind,  sich  im  tertiären  Stadium  befunden 
haben  und  dass  ihre  Behandlui^  deshalb  kräftig  und  lang- 
dauernd  gewesen  ist,  daher  diese  Tabelle  keinen  Beweis  für 
die  Richtigkeit  eines  Schlusses  in  der  von  mir  hier  oben  ange- 
deuteten Richtung  geben  kann.  Hierzu  will  ich  noch  fügen, 
dass  ich  mehr  als  einmal  bei  Patienten  ein  wenig  mehr  Cylin- 
der  bei  Schluss  ihrer  ersten  als  bei  Schluss  ihrer  zweiten  Hg- 
Behandlung  gesehen  habe,  trotzdem  diese  ganz  ebenso  stark 
wie  die  erste  sein  konnte.  Die  Regel  ist  jedoch  die,  dass 
ceteris  paribus  bei  einer  folgenden  Hg-Behandlung  Cylindrurie  in 
keinem  geringeren  Grade  als  bei  der  vorbeigegangenen  auftritt. 

Man  hat  gesagt,  dass  die  Einnahme  von  Jodkalium  die 
Quecksilberelimination  vermehre.  Sollte  dieses  der  Fall  sein, 
so  müsste  man  ja  bei  Einnahme  von  Jodkalium  während  oder 
gleich  nach  einer  Hg-Behandlung  eine  Vermehrung  des  Cylinder- 
gehaltes  erwarten  können.  Nun  habe  ich  keine  vermehrte  Eli- 
mination von  Hg  bei  Einnahme  von  Jodkalium  zu  constatiren 
vermocht.  (Die  von  mir  angewendete  Untersuchungsmethode 
ist,  wie  Schillberg  gezeigt  hat,  für  die  Hg-Untersuchung 
nicht  ganz  zweckmässig,  sobald  sich  auch  Jodkalium  findet) 
In  einem  Theil  Fälle,  wo  Jodkalium  und  Hg  gleichzeitig  mit 
der  Hg-Behandlung  oder  nach  Abschluss  derselben  gegeben 
worden  sind,  habe  ich  indessen  keine  Vermehrung  der  Cylin- 
drurie als  Folge  davon  constatiren  können. 

Wir  haben  nun  mehrere  Momente  betrachtet,  die  für  das 
Auftreten  einer  grösseren  oder  geringeren  Meuge  CyUnder  ohne 
Zweifel  Bedeutung  haben  können,  doch  gibt  es  aber  auch  Fälle, 
für  welche  eiue  derartige  Erklärung  durchaus  nicht  anwendbar 
ist.  So  kami  es  zuweilen  geschehen,  dass  ein  junger  und  kräf- 
tiger Patient,  der  wegen  gelinden  Symptomen  zum  ersten  Mal 
behandelt  wird,  schon  nach  10 — 15  Tagen  eine  bedeutende 
Cylindrurie  haben  kann,  während  ein  anderer,  älterer  Patient  im 


Kann  cL  Behandi.  mit  Quecks.Cylindrurie  ü.  Albuminurie  hervorrufen  ?    359 

tertiären  Stadium,  der  mehrere  Hg-Behandlungen  durchgemacht 
hat,  z.  B.  bei  einer  so  lange  dauernden  und  kräftigen  Hg-Be- 
handlung  wie  40  Ueberstreichungen  nicht  einen  einzigen  Cylin- 
der  in  seinen  Harn  bekommt.  Derartige  Fälle  können  wir  in 
keiner  anderen  Weise  als  durch  die  Annahme  erklären,  dass  es  für 
die  Quecksilbercylindrurie,  gleichwie  für  die  Quecksilberstomatitis, 
eine  verschiedene  individuelle  Disposition  gibt.  Im  Grossen  und 
Ganzen  findet  man  auch,  dass  das  Auftreten  einer  mehr  oder 
weniger  bedeutenden  Cylindrurie  hauptsächlich  in  individueller 
Disposition  seinen  Grund  hat,  obschon  die  von  mir  angegebenen 
Momente  dazu  beitragen  können. 

In  meinem  vorigen  Aufsatz  habe  ich  die  Frage  berührt, 
inwiefern  die  individuelle  Disposition  für  die  Cylindrurie  mit 
derjenigen  für  die  Stomatitis  zusammenfällt,  und  sie  dahin  be- 
antwortet, dass  man  wohl  bei  einem  Patienten  mit  schwerer 
Stomatitis  nicht  selten  auch  eine  recht  bedeutende  Cylindrurie 
finden  kann,  dass  dieses  aber  bei  weitem  nicht  immer  der  Fall 
ist;  man  findet  Personen  mit  bedeutender  Stomatitis  ohne  Cy- 
lindrurie, gleichwie  man  Personen  mit  bedeutender  Cylindrurie 
findet,  bei  denen  das  Zahnfleisch  völlig  gesund  ist.  Meine  letz- 
ten Untersuchungen  haben  die  Richtigkeit  dieser  meiner  An- 
sicht vollständig  bestätigt.  So  bekam  z.  B.  A.  nach  11  Ueber- 
streichungen eine  höchst  bedeutende  Stomatitis,  ohne  dass  sich 
in  ihrem  Harn  ein  einziger  Cylinder  entdecken  liess.  Ganz  ent- 
gegengesetzt war  das  Yerhältniss  bei  J.,  wo  sich  nach  30  Ueber- 
streichungen im  Harn  Spuren  von  Albumin  mit  einer  bedeuten- 
den Menge  Cylinder  fanden,  das  Zahnfleisch  aber  völlig 
gesund  war.  Eiae  bedeutende  Cylindrurie  sieht  man  nicht  so 
selten  mit  lockerem  Zahnfleisch  vereinigt;  auf  der  anderen 
Seite  kann  man  aber  absolut  gesundes  Zahnfleisch  und  den 
Harn  völlig  frei  von  Cylindem  finden,  ungeachtet  eine  äusserst 
kräftige  Behandlung  angewendet  worden  ist;  dieses  traf  z.  B. 
in  Fall  IX  ein.  Man  würde  hier  anmerken  können,  dass  das  ge- 
sunde Zahnfleisch  —  wie  Finger  hervorhebt  —  anzeigt,  dass  die 
Behandlung  nicht  richtig  ausgeführt  worden  ist,  und  dass  man 
hierin  die  Ursache  zu  sehen  hat,  dass  z.  B.  in  dem  genannten 
Falle  weder  eine  Andeutung  von  einer  Stomatitis,  noch  von 
einer  Cylindrurie  zu  find^i  gewesen  ist;   eine  bei   Schluss  der 


360  Welander. 

Behandlung  ausgeführte  Untersuchung  des  Harns  auf  Queck- 
silber hat  hier  aber  eine  bedeutende  Menge  Hg  ergeben.  Dieser 
und  eine  Menge  andere  derartige  Fälle  geben  mir  das  Recht, 
fortfahrend  an  der  Ansicht  festzuhalten,  die  ich  in  meinem 
vorigen  Aufsatze  ausgesprochen  habe.  Da  es  seine  praktische 
Bedeutung  hat,  will  ich  diese  Ansicht  hier  anfahren:  „Der 
Urin  ohne  Eiweiss  und  ohne  Cylinder  berechtigt  ebensowenig 
wie  völlig  gesundes  Zahnfleisch  zu  dem  Schlüsse,  dass  nur  eine 
unbedeutende  Menge  Hg  absorbirt  worden  ist;  die  Eenntniss 
von  der  Grösse  der  absorbirten  Hg-Menge  wird  nur  durch 
Untersuchung  des  Urins  oder  der  Foeces  auf  Hg  erhalten/ 

Man  würde  ja  anmerken  können,  dass  die  Hg-Elimination 
diese  Wirkung  zwar  auf  Patienten  ausübt,  die  an  Syphilis  leiden, 
aber  eine  ganz  andere  Wirkung  auf  Patienten  hat,  die  diese 
Krankheit  nicht  haben.  Um  nun  diese  Frage  zu  beantworten, 
kam  ich  mit  zwei  Personen,  die  nie  an  Syphilis  gelitten  hatten, 
überein,  ihnen  Hg-Behandlung  zu  geben,  der  einen  Einspritzun- 
gen von  Thymol-Hg,  der  anderen  Ueberstreichungen  mit  Ung.-Hg. 
Die  erstere  bekam  nach  den  Einspritzungen  so  bedeutende 
Infiltrate,  dass  ich  mich  genöthigt  sah,  mit  ihnen  aufzuhören 
und  anstatt  ihrer  Ueberstreichungen  zu  geben;  nach  2  Ein- 
spritzungen und  6  Ueberstreichungen  stellte  sich  eine  so  inten- 
sive Stomatitis  ein,  dass  ich  die  Hg-Behandlung  nicht  länger 
fortsetzen  konnte ;  bei  Beginn  der  Behandlung  enthielt  der  Harn 
keine  Cylinder  und  bei  Schluss  derselben  nur  einzelne  (also 
eine  bedeutende  individuelle  Disposition  für  mercurielle  Stoma- 
titis, aber  nicht  für  mercurielle  Cylindrurie).  Bei  der  anderen 
Person  zeigten  sich  nach  30  Ueberstreichungen  Cylinder  nur 
hie  und  da.  Es  trat  also  in  beiden  Fällen  nur  eine  ganz  un- 
bedeutende Cylindrurie  ein.  Die  Fälle  sind  zu  wenige,  um  in 
irgend  einer  Weise  zu  dem  Schlüsse  zu  berechtigen,  dass 
Cylindrurie  nicht  bei  Personen  auftritt,  die  nie  Syphilis  gehabt 
haben.  Das  Gegentheil  scheint  aus  einem  andern  von  mir  be- 
obachteten Fall  hervorzugehen,  wo  das  Hg  eine  höchst  bedeu- 
tende Cylindrurie  und  auch  Albuminurie  hervorrief.  In  diesem 
Falle  hatte  der  Patient  auf  Grund  verdächtiger  syphilitischer 
Symptome  eine  Hg-Behandlung  durchgemacht,  der  Verlauf  der 
Krankheit   Hess   es  aber  als  höchst  wahrscheinlich  erscheinen, 


Kann  d.  Bebandl.  mit  Quecks.  Gylindrorie  u.  Albuminurie  hervorrufen  ?    361 

dass  er  keine  Syphilis  hatte.  Was  die  Albuminurie  anbelangt, 
so  will  ich  später  zwei  Fälle  anfuhren,  wo  Albununurie  bei 
nicht  syphilitischen  Personen  nach  Anwendung  von  Quecksilber 
aufgetreten  ist.  Dieses  spricht  ja  bestinunt  dafür,  dass  das 
Quecksilber  —  gleichviel  ob  Syphilis  vorliegt  oder  nicht  — 
eine  Reizung  in  den  Nieren  verursachen  kann. 

Kann  nun  eine  Behandlung  noit  Quecksilber  auch  zum 
Entstehen  von  Albuminuiie  Anlass  geben?  Wenn  dieses  der 
Fall  ist,  findet  sich  dann  etwas  Eigenthümliches  im  Auftreten 
dieser  Albuminurie?  Findet  sich  ein  Zusammenhang  zwischen 
dem  Auftreten   der  Hg-Gylindrurie   und  der  Hg- Albuminurie  ? 

Gleichwie  bei  der  Hg-Cylindrurie  müssen  wir  auch  bei 
der  Hg- Albuminurie  die  Bedingung  aufstellen,  dass  sie  im  Laufe 
der  Behandlung  auftritt,')  und  dass  sie  nicht  nur  bis  zum 
Schluss  derselben  dauert,  sondern  wenigstens  noch  einige  Zeit 
darüber  hinaus  anhält,  ehe  man  das  Becht  hat  zu  behaupten, 
dass  sie  durch  die  Elimination  des  Quecksilbers  durch  die 
Nieren  hervorgerufen  worden  ist.  Die  Erfüllung  der  beiden 
ersten  Forderungen  ist  leicht  zu  constatiren  gewesen ;  schwerer 
hat  dieses  dagegen,  aus  ganz  demselben  Grunde  wie  bei  der 
Gylindrurie,  bei  der  letzten  gehalten,  indem  nämlich  die  Pa- 
tienten in  der  Regel  gleich  nach  Schluss  der  Behandlung  das 
Krankenhaus  verlassen  haben ;  aber  wenn  ich  auch  nicht  in  der 
Lage  gewesen  bin,  die  Patienten  nach  Schluss  der  Behandlung 
ununterbrochen  zu  beobachten,  so  hat  mir  doch  in  mehr  als 
einem  Fall  die  Erfahrung  gezeigt,  dass  einige  Zeit  nach  Schluss 
der  Behandlung,  wo  die  Hg-Elimination  also  bedeutend  ver- 
mindert war,  die  Albuminurie  verschwunden  gewesen  ist,  was 
ja  in  einem  höchst  bedeutenden  Grade  dafür  spricht,  dass  diese 
Albuminurie  wirklich  in  der  Hg-Elimination  ihre  Ursache 
gehabt  hat. 

Zur  Untersuchung  auf  Albumin  habe  ich  sowohl  Salpeter- 
säure, wie  20procentige  Tiichloressigsäure  angewendet.  Oft  ist 
es  geschehen,  dass  dies  letztgenannte  Mittel  eine  deutliche 
Eiweissreaction  gegeben  hat,  wo  Eiweiss  mit  Salpetersäure  nicht 
zu  entdecken  war.    In  mehreren  Fällen  ist  der  Albumingehalt 

')  In  ein  paar  Fällen,  wo  TfaymolqoecksUber  eingespritzt  worden  ist, 
habe  ich  die  Albuminurie  erst  einige  Tage  nach  der  letzten  Einspriteung 

Archiv  f.  Dermatol.  n.  Syphil.    Band  XXVI.  25 


362  Welander. 

80  gering  gewesen,  dass  er  sich  nur  mit  Trichloressigsäure  hat 
entdecken  lassen,  in  anderen  Fällen  wieder  so  gross,  dass  auch 
Salpetersäure  Reaction  auf  Eiweiss  gegeben  hat. 

In  10  Fällen  ist  der  Albumingehalt  nur  mittelst  der 
Trichloressigsäure  zu  constatiren  gewesen.  In  7  von  diesen 
Fällen  sind  Ueber Streichungen  mit  Ung.-Hydr.,  in  2  Ein- 
spritzungen von  Thymolquecksilber  und  in  1  Einspritzungen 
von  Sozojodolquecksilber  gegeben  worden.  In  sämmtlichen  diesen 
Fällen  ist  bei  Beginn  der  Behandlung  keine  Albuminurie  vor- 
handen gewesen,  sondern  sie  ist  erst  zwischen  dem  18.  und 
30.  Tage  der  Behandlung  aufgetreten.  Nachdem  die  Albuminurie 
sich  erst  einmal  eingestellt  gehabt  hatte,  ist  sie  während  der 
ganzen  Zeit  zu  beobachten  gewesen,  welche  die  Behandlung 
noch  dauerte.  In  drei  Fällen  habe  ich  einige  Wochen  nach 
Schluss  der  Behandlung  Gelegenheit  gehabt,  den  Harn  der 
Patienten  zu  untersuchen,  und  ich  habe  dann  keine  Spur  von 
Albumin  darin  entdecken  können. 

In  8  Fällen  hat  sich  Eiweiss  nicht  nur  mit  Trichloressig- 
säure, sondern  auch  mit  Salpetersäure  nachweisen  lassen. 
Zuerst  konnte  es  mit  der  Trichloressigsäure,  und  erst  ein  paar 
oder  einige  Tage  später  auch  mit  der  Salpetersäure  nachge- 
wiesen werden.  In  dreien  von  diesen  8  Fällen  habe  ich  einige 
Wochen  nach  Schluss  der  Behandlung  den  Harn  der  Patienten 
untersuchen  können,  und  es  hat  sich  dann  gezeigt,  dass  zuerst 
die  Albuminreaction  der  Salpetersäure  und  einige  Zeit  nachher 
erst  die  der  Trichloressigsäure  verschwunden  war.  In  einem 
Falle  hat  sich  eine  mit  der  Trichloressigsäure  nachweisbare 
Albuminmenge  noch  5  Wochen  und  in  einem  anderen  noch 
27^  Monate  nach  Schluss  der  Hg-Behandlung  gezeigt. 

Der  Verlauf  der  Albuminurie  ist  ja  sehr  eigenthümlich, 
und  auf  Grund  der  Uebereinstimmung,  die  sich  zwischen  der 
Menge  des  Albumins  und  derjenigen  des  eliminirten  Hg  findet, 
spricht  er  deutlich  für  einen  Causalzusammenhang  zwischen 
dieser  Albuminurie  und  der  Hg-Elimination. 


auftreten  sehen,  was  sich  ja  auf  Grund  der  Absorption  bei  dieser  Behand- 
langsform  leicht  erklären  lässt.  Diese  Fälle  gehören  indessen  nicht  der 
Untersuchungsserie  an,  die  ich  hier  bespreche. 


Kann  d.  Behandl.  mit  Quecks.Cylindrurie  u.  Albaminarie  hervorrafen  ?    363 

Aber  diese  Albuminurie  ist  ausserdem  durch  eine  höchst 
bedeutende  Gylindrurie  gekennzeichnet.  Die  Albuminurie  ist  in 
allen  18  Fällen  unbedeutend  gewesen,  während  die  Gylindrurie 
sich  in  15  yon  ihnen  als  höchst  bedeutend  und  in  den  drei 
übrigen  als  bedeutend  erwiesen  hat.  Ich  habe  nicht  so  wenig 
Fälle  von  Albimunurie  aus  anderen  Gründen  untersucht,  und 
ich  habe  in  ihnen  beinahe  stets  eine  gewisse  Uebereinstimmung 
zwischen  der  Menge  des  Eiweisses  und  der  Anzahl  der 
Gylinder  gefunden ;  bei  der  Mercurialalbuminurie  ist  dieses  Ver- 
hältniss  ein  entgegengesetztes.  Man  könnte  sich  darüber  ver- 
wundern, eine  so  bedeutende  Menge  Gylinder  zu  finden,  wenn 
die  Albuminurie  kaum  nachweisbar  ist,  aber  wenn  man  solche 
Fälle  verfolgt,  findet  sich  die  Erklärung  bald.  Je  nachdem  die 
Behandlung  fortschreitet,  treten  nämlich  immer  mehr  Gylinder 
auf,  bis  ihre  Anzahl  in  der  Regel  bedeutend  ist ;  und  erst  jetzt 
tritt  die  Albuminurie  ein.  Von  den  18  Fällen,  deren  ich  oben 
Erwähnung  gethan  habe,  ist  in  12  bei  Beginn  der  Behandlung 
nicht  ein  einziger  Gylinder  zu  entdecken  gewesen,  in  3  anderen 
liessen  sich  ein  paar  Gylinder  nachweisen  und  in  den  übrigen 
3  Fällen  ist  bei  Beginn  der  Behandlung  keine  Untersuchung 
auf  Gylinder  ausgeführt  worden  (aber  auch  in  diesen  Fällen 
vermehrte  sich  der  Gylindergehalt  im  Laufe  der  Behandlung) ; 
wie  ich  oben  erwähnt  habe,  war  der  CyHndergehalt  in  sämmt- 
Uchen  18  Fällen  beim  Eintritt  der  Albuminurie  bedeutend. 

Aber  man  findet  eine  Veränderung  nicht  nur  in  der 
Anzahl  der  Gylinder,  sondern  auch  in  ihrer  Beschaffenheit.  Im 
Anfange  sind  die  Gylinder  nur  hyalin  und  mitunter  ziemlich 
schwer  zu  entdecken ;  oft  treten  unter  diesen  hyalinen  Gylindem 
später  körnige  auf;  schliesslich  kann  man  auf  den  Gylindem 
hie  und  da  die  eine  oder  andere  Zelle  unterscheiden,  und 
mehr  als  einmal  lassen  sich  zuletzt  melxr  oder  weniger  voll- 
ständige Epithelcylinder  sehen.  Finden  sich  diese  Gylinder,  so 
ist  stets  Albuminurie  vorhanden;  dagegen  können  Gylinder  mit 
der  einen  oder  anderen  Zelle  auftreten,  ohne  dass  Albuminurie 
sich  zu  finden  braucht,  gleichwie  es  geschehen  ist,  dass  sich 
Albumin  zeigte,  ohne  dass  andere  als  hyaline  Gylinder  zu  ent- 
decken waren.  Wenn  die  Gylindrurie  nach  Schluss  der  Behand- 
lung verschwindet,    so   verschwinden   zuerst  diese  Gylinder  mit 

25* 


364  Welander. 

Zellen,  und  sodann  venmndert  sich  allmälig  auch  die  Anzahl 
der  feinkörnigen  und  hyalinen  Cylinder,  die  aber  erst  eine 
längere  oder  kürzere  Zeit  nach  dem  Aufhören  der  Albuminurie 
ganz  verschwunden  sind,  was  ich  sowohl  bei  der  jetzigen  wie 
bei  früheren  Untersuchungsserien  bei  Patienten  controliren 
konnte^  die  nach  einiger  Zeit  wegen  einem  Becidiv  der  Syphilis 
wieder  in  das  Krankenhaus  aufgenommen  wurden. 

Wir  finden  also  eine  ununterbrochene  Steigerung  des 
Cylindergehaltes,  oft  eine  Veränderung  der  Beschaffenheit  der 
Cylinder,  das  Auftreten  von  Albuminurie,  die  sich  zuerst  nur 
mittelst  eines  besonders  empfindlichen  Beagens,  später  aber 
mittelst  Salpetersäure  nachweisen  lässt,  und  wir  finden  dieses 
alles  im  Laufe  der  Behandlung  oder  in  der  nächsten  Zeit  nach 
Abschluss  derselben,  d.  h.  je  nach  dem  die  Hg-£limination 
steigt;  wenn  diese  anfangt  sich  zu  yermindem,  so  vermindert 
sich  auch  die  Albuminurie ;  wenn  diese  verschwunden  ist,  finden 
sich  zwar  noch  Gylinder,  aber  ihre  Beschaffenheit  und  Anzahl 
verändert  sich  mehr  und  mehr,  bis  auch  sie  schliesslich  ver- 
schwinden, wenn  die  Elimination  von  Hg  höchst  bedeutend  ver- 
mindert ist.  (Als  ein  Beispiel  will  ich  auf  den  weiter  vom  an- 
geführten Fall  X  hinweisen.) 

Es  kann  bei  der  Beurtheilung  dieser  CyUndrurie  nnd 
Albuminurie  wohl  nicht  gern  der  geringste  Zweifel  herrschen, 
sondern  wir  müssen  sagen:  sie  steht  im  Gausalzusammenhang 
mit  der  Hg-Elimination  —  es  ist  eine  mercurielle  Cylindrurie, 
eine  mercurielle  Albuminurie.^) 

Aber  es  gibt  Albuminurie  bei  Syphiliskranken,  die  schwerer 
zu  erklären  ist,  z.  B.  wenn  man   schon  bei  Beginn  der  Be- 


*)  Ob  nun  das  £i weiss  Nucleoalbumin  oder  Seromalbumin  gewesen. 
ist,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden ;  dass  mitunter  Nucleoalbumin  vorge- 
kommen ist,  kann  ich  auf  Grand  der  kleinen  wolkenformigen  hellen  Trü- 
bung, die  sich  ein  Stück  über  dem  scharfen  Albuminringe  bildete,  mit 
Sicherheit  behaupten.  Ich  will  auch  hervorheben,  dass  ich  sehr  oft  eine 
höchst  bedeutende  Menge  Cylindroiden  sowohl  beim  Auftreten  einer  Menge 
Cylinder,  wie  beim  Vorkommen  von 'Albuminurie  gefanden  habe. 

Aber  wenn  auch  das  Albumin  Nucleoalbumin  gewesen  und  die  Be- 
deutung dieses  Albumins  geringer  als  die  des  Serumalbumins  ist,  so  gibt 
sein  Vorkommen  doch  eine  Reizung  in  den  Nieren  an,  da  es  stets  mit 
dem  Auftreten  einer  bedeutenden  Cylindrurie  verbanden  gewesen  ist. 


Kann  d.  Behandl.  mit  Quecks.  Cylindnirie  u.  Albuminurie  hervorrufen  ?    365 

handltiBg  Albuminurie  findet.  In  der  Literatur  findet  sich 
mehr  als  ein  solcher  Fall  als  eine  durch  SyphiKs  hervorgerufene 
Albuminurie  beschrieben,  wozu  sich  doch  ganz  sicher  viele 
Male  keine  Berechtigung  gefunden  hat. 

Verschwindet  eine  solche  Albuminurie  im  Laufe  der  Be- 
handlung, so  ist  es  ja  möglich,  aber  nicht  bewiesen,  dass  sie 
in  der  Syphilis  ihren  Grund  gehabt  hat ;  verschwindet  sie  nicht, 
80  ist  dieses  nicht  als  ein  Beweis  dafür  aufzufassen,  dass  sie 
mit  der  Syphilis  nicht  in  Zusammenhang  gestanden  hat.  (Hier- 
über, wie  auch  in  Betreff  der  Bedingungen,  um  eine  Albuminurie 
möglicherweise  als  Albuminuria  syphilitica  auffassen  zu  können, 
siehe  meinen  Aufsatz  über  Cylindnirie  und  Albuminurie  S.  4  —  7.) 
Wie  ich  in  diesem  Aufsatz  hervorgehoben  habe,  muss  man  sich 
mehr  als  einmal  bedenken  und  genau  eine  Menge  Verhältnisse 
prüfen,  ehe  man  das  Urtheil  fallen  darf,  dass  es  die  syphili- 
tische Krankheit  an  und  für  sich  ist,  in  der  man  die  Ursache 
der  Albuminurie  zu  sehen  hat. 

Ich  habe  nun  8  Fälle  beobachtet,  wo  die  Patienten  bei 
ihrer  Aufnahme  in  das  Krankenhaus  Albuminurie  hatten, 
die  ich  nicht  auf  Bechnung  der  Syphilis  schreiben  konnte; 
dieselbe  hat  sich  die  ganze  Zeit  über  gefunden,  welche  die 
Patienten  im  Krankenhause  zubrachten,  und  sich  nicht  im  ge- 
ringsten durch  die  Hg-Behandlung  beeinflusst  gezeigt. 

Fall  Xn.  P.  ist  schon  zweimal  voraus  im  Erankenhanse  gepflegt 
worden  und  hat  dann  die  ganze  Zeit  über  eine  unbedeutende  Albuminurie 
gehabt.  Er  wurde  jetzt  zum  dritten  Mal  am  17^4.  wegen  Roseola  und  Pap. 
aufgenommen;  auch  dieses  Mal  hatte  er  während  der  ganzen  Zeit  seiner 
Behandlung  eine  unbedeutende  Albuminurie. 

Fall  XTTT.  J.  wurde  in  das  Krankenhaus  am  17./4.  wegen  Sclerose 
an  der  Pars  x>endula  aufgenommen ;  da  er  keine  Anschwellung  der  Drusen 
hatte,  wurde  die  Seierose  exeidirt;  er  litt  an  Alooholismus  chronicus;  im 
Harn  fanden  sich  Spuren  von  Albumin.  Am  2./5.  b^fannen  Roseola  aufzu- 
treten. Er  wurde  am  1./6.  ans  dem  Krankenhante  entlassen,  nachdem  er 
80  üeberstreiehungen  erhalten  hatte.  Er  hatte  w&hrend  der  ganzen  Zeit 
seinee  Asfenthaltes  im  Krankenhause  eine  unbedeutende  Albuminurie. 

Fall  XIY.  K.  wurde  in  das  Krankenhaus  am  21.^4.  wegen  papulo- 
pustnldsem  Syphilid  aufgenommen;  er  hatte  einen  Herzfehler  und  es  fand 
nefa  geKnde  Albuminorie,  die  sich  die  ganze  Zeit  fiber  erhielt,  bis  er  am 
19^6.  ans  dem  Krankenbause  entlasten  wurde.  Er  hatte  7  Thymol-Hg-Ein- 
spritzungen  erhalten. 


366  Welander. 

Fall  XV.  P.  wurde  in  das  Krankenhaiis  zum  ersten  Mal  am  24/5. 
wegen  Sclerose  an%enom]nen.  Am  20^.  traten  Roseola  auf;  er  bekam  von 
diesem  Tage  bis  zum  15/7.  6  Einspritzungen  von  Sozojodol-Hg ;  hatte  wah- 
rend der  ganzen  Zeit  seines  Aufenthaltes  im  Krankenhause  gelinde  Albu- 
minurie. 

Fall  XVI.  Dieselbe  Person  wie  im  vorigen  Fall  wurde  in  das  Kranken- 
haus am  5./9.  wegen  Papulae  mucosae  aufgenommen.  Sie  wurde  aus  dem 
Krankenhause  nach  85  Ueberstreichungen  am  9710.  entlassen;  hatte  die 
ganze  Zeit  über  gelinde  Albuminurie. 

Fall  Xyn.  W.  wurde  in  das  Krankenhaus  am  7^.  wegen  Papulae 
mucosae  aufgenommen.  Er  wurde  aus  dem  Krankenhause  am  8^7.  nach  SO 
Ueberstreichungen  entlassen;  Albuminurie  die  ganze  Zeit  über  in  unbe- 
deutendem Grade. 

Fall  XYin.  C.  wurde  in  das  Krankenhaus  am  22^.  wegen  Sclerose 
und  Roseola  aufgenommen;  bekam  bis  zum  18./9.  6  Sozojodol-Hg-Einspri- 
tzungen;  die  ganze  Zeit  über  gelinde  Albuminurie. 

Fall  XIX.  C.  wurde  in  das  Krankenhaus  wegen  Sclerose  und  pa- 
pulösem  Syphilid  aufgenommen;  bekam  30  Ueberstreichungen;  hatte  die 
ganze  Zeit  über,  wo  er  sich  im  Krankenhause  aufhielty  unbedeutende  Al- 
buminurie. 

Nicht  in  einem  dieser  Fälle  betrachte  ich  mich  für  be- 
rechtigt zu  behaupten,  dass  die  Albuminurie  durch  die  Syphilis 
hervorgerufen  gewesen  ist.  In  einem  Falle  war  wahrscheinlich 
Alcoholismus  chronicus  im  Verein  mit  einem  Fettherzen,  in 
einem  anderen  ein  organischer  Herzfehler  (der  Patient  starb 
nach  einigen  Monaten  daran)  die  Ursache  der  Albuminurie. 
Die  Ursache  der  Albuminurie  in  den  übrigen  Fällen  habe  ich 
nicht  finden  können,  ebensowenig  wie  es  mir  mitunter  bei 
Personen,  die  nicht  an  Syphilis  litten,  möglich  gewesen  ist 
zu  erklären,  weshalb  sie  in  ihrem  Harn  Spuren  Yon  Albumin 
hatten. 

Ausser  diesen  8  FäUen  habe  ich  3  andere  beobachtet,  wo  die  Pati- 
enten bei  ihrer  Aufnahme  in  das  Krankenhaus  ausgebreitete  gummöse 
Geschwüre  und  dann  auch  gelinde  Albuminurie  hatten;  in  zweien  dieser 
Fälle  fanden  sich  ein  paar  hyaline  Gylinder,  im  dritten  aber  Hessen 
sich  keine  entdecken.  Dieses  Jkann  ja  zum  Theil  gegen  die  Annahme 
sprechen,  dass  die  Syphilis  die  Ursache  der  Albuminurie  war,  am  so 
mehr,  da  die  Albuminurie  während  der  ganzen  Zeit  der  Behandlung  an- 
hielt, ungeachtet  die  grununösen  Geschwüre  schnell  heilten. 

Nur  einen  Fall  habe  ich  Gelegenheit  gehabt  zu  beobachten, 
wo  die  Albuminurie  im  Laufe  der  Behandlung  verschwunden 
ist,  und  dieser  Fall  würde  sich  möglicherweise  als  ein  Fall  von 
Albuminuria  syphilitica  deuten  lassen. 


Kann  d.  Behandl.  mit  QueckB.Cylindmrie  u.  Albuminurie  hervorrufen  ?    367 

Fall  XX.  D.,  16  Jahre  alt,  wurde  am  29./B.  wegen  dem  ersten  Aus- 
bruch der  Syphilis  in  das  Krankenhaus  aufgenommen;  er  hatte  da  Albu- 
minurie (Menge  des  Albumins  0,03  Proc.)^  sowie  Gylinder  hie  und  da ; 
bekam  eine  Einspritzung  von  Sozojodolquecksilber. 

879.  hatte  er  0.06  Proc.  Albumin,  sowie  einzelne  Gylinder;  2.  Ein- 
spritzung von  Sozojodol-Hg. 

8./9.  hatte  er  unbedeutende  Spuren  yon  Albumin  und  hier  und  da 
Gylinder;  3.  Einspritzung  yon  Sozojodol-Hg. 

Seit  diesem  Tage  Hess  sich  kein  Albumin  mehr  entdecken.  Den  30./9. 
war  der  Patient  frei  von  Symptomen,  nachdem  er  7  Einspritzungen  von 
Sozojodol-Hg.  erhalten  hatte;  der  Harn  war  jetzt  frei  von  Albumin;  es 
fanden  sich  in  ihm  viele  Gylinder. 

Der  Patient  erwähnte  bei  seiner  Aufnahme  in  das  Krankenhaus,  dass 
er  2  Jahre  vorher  Soarlatina  gehabt  hatte;  ob  sein  Harn  damals  oder 
später  eiweisshaltig  gewesen  war,  wusste  er  nicht.  Bei  seiner  Aufnahme 
in  das  Krankenhaus  vermuthete  ich  indessen,  dass  seine  Albuminurie  eine 
Folge  des  von  ihm  durchgemachten  Scharlachfiebers  war.  Dieses  scheint 
jedoch  nicht  der  Fall  gewesen  zu  sein.  Da  seine  Albuminurie  im  Laufe 
der  Behandlung  gleichzeitig  mit  den  syphilitischen  Symptomen  verschwand, 
so  liegt  es  ja  innerhalb  der  Grenzen  der  Möglichkeit,  dass  hier  wirklich 
eine  Albuminuria  syphilitica  vorgelegen  hat. 

Schwimmer  sagt,  dass  in  seinen  Fällen  Albuminurie 
zwar  im  Laufe  der  Behandlung  entstanden,  dass  sie  aber  auch 
wieder  im  Laufe  der  Behandlung  verschwunden  sei.  In  den 
Jahren,  wo  ich  regelmässig  Untersuchungen  auf  Eiweiss  bei 
allen  Patienten  ausgeführt  habe,  die  der  Behandlung  mit  Hg 
unterworfen  wurden,  habe  ich  nur  in  einzelnen  Fällen  eine  un- 
bedeutende Albuminirie  für  einen  oder  ein  paar  Tage  im  Laufe 
der  Behandlung  auftreten  sehen.  In  der  Zeit,  wo  ich  diese 
letzte  Serie  von  Untersuchungen  ausgeführt  habe,  bin  ich  nur 
4  Mal  in  der  Lage  gewesen,  solche  Fälle  zu  beobachten. 

So  geschah  es  z.  B.,  dass  ein  Patient,  der  zum  ersten  Male  im 
Krankenhause  gepflegt  wurde  im  Laufe  der  Behandlung  far  einen  Tag 
Albmninurie  erhielt;  auch  jetzt,  wo  er  wegen  einem  Recidiv  der  Syphilis 
behandelt  ¥nirde,  bekam  er  einige  Tage  nach  seiner  Aufnahme  in  das 
Krankenhaus  Albuminurie,  die  6  Tage  andauerte.  Als  er  13  Ueberstrei- 
chungen  erhalten  hatte,  liessen  sich  in  seinem  Harn  minimale  Spuren 
von  Albumin  mittelst  Trichloressigsäure  entdecken;  nach  diesem  Tage 
zeigte  sich  keine  Albuminurie  mehr;  er  wurde  aus  dem  Krankenhause  ent- 
lassen, als  er  80  üeberstreichungen  erhalten  hatte. 

Was  die  Ursache  der  Albuminurie  in  diesem  wie  in  den 
drei  anderen  gleichartigen  Fällen  gewesen  ist,  vermag  ich  nicht 
zu  entscheiden;  von  der   Hg-Behandlung   können  wir  ja  ganz 


368  Welander. 

sicher  absehen.  In  gleichartigen  Fällen,  die  Schwimmer  be- 
obachtet hat,  sieht  er  die  Ursache  der  Albuminune  in  der 
Syphilis,  doch  bezweifle  ich,  dass  er  darin  Recht  hat,  zumal  kein 
beweisender  Grund  für  diese  Ansicht  dargelegt  worden  ist. 
Ich  für  meinen  Theil  habe  zufälligerweise  ein  paar  Mal  bei 
nicht  syphilitischen  Personen  eine  solche  Albuminurie  ganz 
plötzlich  in  unerklärlicher  Weise  entstehen  und  ebenso  plötzlich 
wieder  verschwinden  sehen;  es  erscheint  mir  nicht  als  un- 
möglich, dass  dieses,  da  es  bei  nicht  syphilitischen  Personen 
geschehen  kann,  auch  bei  syphilitischen  einzutreffen  yermag, 
ohne  dass  wir  deshalb  das  Recht  haben,  die  Schuld  dafür  auf 
die  Syphilis  zu  schieben. 

Dass  Quecksilber  Albuminurie  auch  bei  nicht  syphilitischen 
Personen  hervorrufen  kann,  habe  ich  in  meinem  vorigen  Aul'satz 
gezeigt,  wo  sich  erwähnt  findet,  dass  eine  Krankenpflegerin,  die 
während  einer  langen  Zeit  Hg-Einreibungen  gegeben  hatte, 
Symptome  von  Hg- Vergiftung  mit  Albuminurie  bekam,  welches 
alles  aber  wieder  verschwand,  nachdem  sie  einige  Zeit  aufgehört 
hatte,  solche  Einreibungen  auszuführen.  Der  zweite  Fall  war 
ein  Mann,  der,  um  sich  von  Ungeziefer  zu  befreien,  seinen 
Körper  und  seine  Unterkleider  mit  einer  Menge  Mercurialsalbe 
und  metallischem  Quecksilber  eingeschmiert  hatte  und  dann 
vierzehn  Tage  gegangen  war,  ohne  seine  Unterkleider  zu 
wechseln;  er  bekam  eine  höchst  bedeutende  Stomatitis  und 
auch  Albuminurie;  sein  Harn  enthielt  eine  bedeutende  Menge 
Hg.  Nach  einiger  Zeit  war  sowohl  die  Stomatitis,  wie  die 
Albuminurie  verschwunden ;  auch  die  Hg-Elimination  durch  die 
Nieren  war  bedeutend  vermindert. 

Die  Frage,'  inwiefern  die  Hg-£limination  durch  die  Nieren 
eine  Reizung  in  den  Nieren  hervorruft,  glaube  ich  auf  Grund 
der  obigen  Untersuchungen  berechtigt  zu  sein  dahin  zu  be- 
antworten, dass  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  eine  solche  Reizung 
in  einem  grösseren  oder  geringerem  Grade  entsteht.  Fragt 
man  wieder,  ob  diese  Reizung  von  der  Bedeutung  ist,  dass  sie 
für  den  Augenblick  oder  für  die  Zukunft  einen  Schaden  ver- 
ursachen kann,  so  glaube  ich  die  Antwort  geben  zu  können, 
dass  dieses  wenigstens  in  der  Regel  nicht  der  Fall  ist  Dieses 
hindert  jedoch  nicht,    dass  es  in   einseinen  Fällen   eintreffen 


Kann  d.  Behandl.  mit  Qaeck8.Gylindriirie  n.  Albaminarie  heryorrafen  ?   369 

kann,  z.  B.  in  dem  Falle,  wo  Albuminurie  und  bedeutende 
Cylindrurie  sich  noch  10  Wochen  nach  beendigter  Hg^Behandlung 
fanden.  Es  scheint  mir  daher  ebenso  nothwendig  zu  sein, 
während  einer  kräftigen  Hg-Behandlung  den  Harn  zu  con- 
troliren  (ihn  wenigstens  mittelst  eines  empfindlichen  Reagens 
auf  Albumin  zu  untersuchen),  wie  die  Haut,  das  Zahnfleisch 
und  den  Darmcanal  einer  Controle  zu  unterwerfen,  denn  das 
Auftreten  von  Albuminurie  zusammen  mit  einer  bedeutenden 
Cylindrurie,  besonders  wenn  sich  Epithelcylinder  zeigen,  ist  ein 
recht  sicheres  Zeichen,  dass  man  Acht  geben  und  mit  der  fer- 
neren Verabreichung  von  Quecksilber  vorsichtig  sein  muss,  bis 
die  Reizung  in  den  Nieren  sich  vermindert  hat  oder  ver- 
schwunden ist. 

Dieses  hat  seine  Giltigkeit  für  Personen,  die  bei  Beginn 
der  Behandlung  nicht  die  geringste  Reizung  in  den  Nieren  haben. 
Wie  wirkt  nun  die  Hg-Elimination  auf  Personen  ein,  die  man 
einer  kräftigen  Hg-Behandlung  unterwerfen  muss  und  die  bei 
Beginn  dieser  Behandlung  bereits  Albuminurie  haben? 

In  den  Fällen  XU — XIX  and  in  den  drei  Fällen,  wo  ansgebreitete 
gojnmöBe  Geichwüre  auftraten,  fand  sich  bei  der  Aufnahme  der  Patienten 
in  das  Krankenhaus  eine  gelinde  Albominorie,  die  während  der  ganzen 
Behandlung  anhielt,  ohne  dass  ich  eine  nachweisbare  Yennehrung  derselben 
zu  beobachten  vermochte.  Dahingegen  fand  ich  in  der  Mehrzahl  dieser 
Fälle  eine  bedeutende  Veränderung  des  Cylindergehaltes,  die  ganz  sicher 
auf  Rechnung  der  Hg-Elimination  zu  schreiben  ist.  Von  11  Personen 
hatten  7  bei  ihrer  Aufnahme  in  das  Krankenhaus  keine  Cylinder  und  4 
einzelne  Cylinder;  bei  Schluss  der  Behandlung  fanden  sich  einzelne  Cy- 
linder bei  1,  Cylinder  hie  nnd  da  bei  2,  viel  Cylinder  bei  2  und  eine 
bedeutende  Menge  von  Cylindem  bei  6  Personen. 

Ich  fand  also  eine  Person,  die  bei  Schluss  der  Behand- 
lung nur  einzelne  Cylinder  hatte,  trotzdem  ihr  30  Ueber- 
streichungen  gegeben  worden  waren;  bei  allen  den  übrigen  Pa- 
tienten fand  ich  dagegen  eine  Vermehrung  der  Cylinder,  die 
bei  6  sogar  höchst  bedeutend  war.  Bei  2  Patienten  war  die 
Vermehrung  der  Cylinder  nur  unbedeutend,  aber  so  bekam  der 
eine  auch  nur  20  Ueberstreichungen,  und  bei  dem  anderen  trat 
nach  einer  Einspritzung  von  Thymolquecksilber  und  5  Ueber- 
streichungen  Stomatitis  auf,  so  dass  die  Behandlung  abgebrochen 
werden  musste.  Bei  keiner  dieser  beiden  Personen  waren  bei 
Beginn  der  Behandlung  Cylinder  zu  entdecken  gewesen,  aber 


370  Welander. 

trotz  der  geringen  Behandlung  mit  Hg  stellten  sich  nicht  nur  Cylin- 
der  ein,  sondern  sie  vermehrten  sich  auch  ein  wenig,  und  es 
ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  wir  auch  hier  eine  bedeutende 
Menge  Cylinder  bekommen  haben  würden,  wenn  die  Behand- 
lung länger  gedauert  hätte.  Alle  diese  Fälle  zeigen  jedoch, 
dass  mau  auch  da,  wo  sich  eine  gelinde  Albuminurie  findet, 
eine  kräftige  Hg-Behandlung  ohne  ersichtlichen  Schaden  für 
den  Patienten  geben  kann. 

Dieses  kann  ja  für  eine  so  unbedeutende  Albiuninurie  wie 
die  in  dem  obenerwähnten  Falle  gelten,  aber  wie  ist  das  Yer- 
hältniss  dann,  wenn  sich  bei  Beginn  der  Behandlung  ein  schwe- 
reres Nierenleiden  findet?  Ich  stellte  diese  Frage  auch  in 
meinem  vorigen  Aufsatz,  und  ich  will  nun  einige  Worte  daraus 
anführen:  „Wenn  man  nun  sieht,  welche  Reizung  die  Hg-Eli- 
mination  auf  eine  gesunde  Niere  ausüben  kann,  hat  man  dann 
das  Recht,  die  Hg-Behandlung  oder,  richtiger,  eine  kräftige 
Hg-Behandlung  bei  einem  Patienten  anzuwenden,  welcher  z.  B. 
eine  chronische  Nephritis  hat?  Es  ist  hervorgehoben  worden, 
dass  eine  nicht  gesunde  Niere  das  Quecksilber  nicht  in  hin- 
reichender Menge  eliminiren  könne,  welches  dann  für  seine 
Elimination  andere  Wege,  speciell  die  Speicheldrüse  suche  und 
dadurch  Anlass  zu  einer  schweren  Stomatitis  geben  könne. 
Diese  Auffassung  ist  sicher  in  vielen  Hinsichten  nicht  richtig. 
Es  wird,  selbst  bei  der  schwersten  Stomatitis,  nur  eine  höchst 
unbedeutende  Menge  Hg  durch  den  Speichel  eliminirt;  dieses 
hat  Schmidt  gezeigt,  und  auch  meine  eigenen,  voraus  public- 
cirten  Untersuchungen  haben  es  ergeben.  Kann  eine  kranke 
Niere  das  Hg  nicht  in  hinreichender  Menge  eliminiren,  so  wird 
das  übrige  Hg  ganz  sicher  auf  dem  Wege  eliminirt,  auf  dem 
seine  Elimination  normaliter  in  grosser  Menge  stattfindet,  d.  h. 
durch  die  Foeces.  Sowohl  Schuster,  wie  ich  haben  nach- 
gewiesen, dass  bei  der  Einreibungscur  Hg  in  bedeutender  Menge 
durch  die  Foeces  abgeht;  ich  habe  gezeigt,  dass  dieses  auch 
bei  verschiedener  Injectionsbehandlung  der  Fall  ist.  üebrigens 
kann  eine  kranke  Niere  (chronische  Nephritis)  sehr  gut  eine 
grosse  Menge  Hg  eliminiren;  so  fanden  sich  z.  B.  in  350  Gr. 
Urin,  1*012  spec.  Gewicht,  von  dem  Fall  38  den  6./5.  nach  30 
Benzoe-Hg-Einspritzungen  eine  grosse  Menge  recht  ansehnliche 
Hg-Eügelchen ; 


Kann  d.  Behandl.  mit  Quecks.Cylindmrie  xl  Albuminurie  hervorrufen  ?   371 

in  360  Gr.  Urin,  1-020  spec.  Gewicht,  von  dem  Fall  33 
den  21./4.  nach  7  Thymol-Hg-Einspritzungen  einige  kolossale 
und  viele  kleine  Hg-Kügelchen ; 

in  320  Gr.  Urin,  1,019  spec.  Gewicht,  von  dem  Fall  41 
den  27./6.  nach  10  Einreibungen  eine  bedeutende  Menge,  doch 
nur  kleinere  Hg-Eügelchen. 

Auch  durch  eine  kranke  Niere  kann  somit  eine  bedeutende 
Menge  Hg  ausgeschieden  werden.  Das  Wichtigste  ist  natür- 
licherweise aber:  kann  dieses  ohne  Schaden  für  die  Nieren 
geschehen?  Dieses  ist  eine  Frage,  welche  wir  jetzt  noch  nicht 
beantworten  können,  doch  kann  ich  einen  Fall  anfuhren,  in 
welchem  die  Nieren  durch  die  Hg-Elimination  keinen  sichtbaren 
Schaden  gelitten  haben. 

X.  hatte  seit  vielen  Monaten  Nephritis  gehabt,  als  sie  sich  auch 
Syphilis  zuzog.  Den  9^3.  1891  hatte  sie  Roseola  und  Papeln ;  bekam  Th-Hg 
den  9.y3.,  15./3.,  21./3.,  27.,/3.,  2./4.  und  8./4  und  war  symptomfrei  nach  der 
dritten  Einspritzung.  Ihr  Albumingehalt  war  folgender:  den  9^.  0,13, 
15.y3.  0,15,  21v^.  0,07,  27./3.  0,70,  30./3.  0,25,  2./4.  0.07.,  5./4.  0,07,  8./4. 
0,07,  U./4.  0.02,  19./4  0,05,  24./4.  0,02,  28./4.  0,04,  7./5.  0,10,  15./5. 
0,10,  24./5.  0,25,  2./6.  0,06,  10./6.  0,02,  18./6.  0,04  Proc.  In  diesem  Falle 
konnte  also  eine  grosse  Menge  Hg  ohne  nachweisbaren  Schaden  für  die 
Nieren  gegeben  werden.'' 

Seitdem  habe  ich  Gelegenheit  gehabt,   4   solche  Fälle  zu 

untersuchen. 

Fall  XXI.  L.,  bekam  zwischen  dem  5./6.  und  9./7.  sieben  Einspri- 
tzungen von  Thymolquecksilber.  Seine  Albuminmenge  verhielt  sich  während 
dieser  Zeit  in  folgender  Weise :  den  7./6.  0,03,  15./6.  0.03,  20./6.  0,03,  26./6. 
0,07.  2/7.  0,05,  9./7.  0,05,  16./7.  0,07  Procent.  Das  Procent  stieg  zwar,  doch 
nicht  in  einem  solchen  Grade,  dass  ich  es  för  nöthig  erachtete,  die 
Behandlung  abzubrechen. 

Fall  XXn  M.,  hatte  chronische  Nephritis,  ehe  er  sich  Syphilis  zuzog, 
die  er  nun  seit  mehreren  Jahren  gehabt  hatte.  Er  hatte  im  April  6um- 
mata  und  wurde  dafür  mit  Sublimateinspritzungen  behandelt.  Der  Albu- 
mingehalt war  den  20./4.  1,0,  26./4.  1,03,  8./5.  0,8,  13./5.  0,7,  18./5.  0,55, 
25./5.  0,65  Procent.  In  diesem  Falle  sank  der  Albumingehalt  trotz  der  Hg- 
Behandlung,  und  der  Patient  vertrug  die  Hg-Elimination  durch  die  Nieren 
sehr  gut. 

In  dem  folgenden  Falle  hinwieder  stieg  der  Albuminge- 
halt, trotzdem  ich  seinetwegen  die  Einspritzungen  von  Thymol- 
quecksilber nur  mit  längeren  Zwischenräumen  gab. 

Fall  XXm.  G.,  bekam  Th-Hg-Einspritzungen  den  12./6.,  27./6.,  7./7. 
und  16./7.    Der  Albumingehalt  war   den  8./6.  0,04,  17./6.  0,03,  25^6.  0,15 


372  Welander. 

8./7.  0,07  und  19./7.  0,4  Procent  Da  die  Albammarie  Bich  vermehrte,  so 
fand  ich  es  rätblicb,  mit  der  Hg^Behandlung  aufzuhören.  Der  Patient 
war  bereits  frei  von  Symptomen. 

Ein  gleiches  war  das  Yerhältniss  in  folgendem  Fall,  wo  leider  das 
Procent  des  Albumins  nicht  bestimmt  wurde,  wo  aber  doch  eine  für  das 
blosse  Auge  sichtbare,  bedeutende  Vermehrung  des  Eäweisses  entstand, 
während  gleichzeitig  sowohl  der  Cylindergebalt,  wie  dessen  Beschaffenheit 
eine  Veränderung  erlitt. 

Fall  XXIV.  F.,  bekam  zwischen  dem  7./8.  und  22./3.  üeberstreichungen. 

Den    7./8.  Alb.;  1,012  spec.  Gew.;  viel  Cylinder. 

Den  12./8.     „      1,010      r,         v         v  r, 

Den  17./6.  Alb.  vermehrt;  1,012  spec.  Gew.;  viele  und  grosse  Cylin- 
der mit  Zellen» 

Den  22 ./d.  Alb.  noch  mehr  vermehrt;  1,014  spec.  Qew,;  eine  höchst 
bedeutende  Menge  Cylinder  und  Zellen. 

Ich  wagte  es  nun  nicht,  mit  der  Behandlung  langer  fortzufahren,  be- 
sonders da  die  Patientin  jetzt  frei  von  Symptomen  war.  Der  Harn  wurde 
am  27./8.  und  29./3.  untersucht,  wobei  es  sich  zeigte,  dass  der  Albumin- 
gehalt fortfahrend  zunahm ;  beide  Male  fanden  sich  eine  höchst  bedeutende 
Menge  Cylinder,  von  denen  eine  grosse  Menge  Zellen  hatte. 

Diese  Fälle  zeigen,  wie  während  einer  Hg-Bebandlung  bei 
einer  chronischen  Nephritis  sowohl  die  Albumininenge,  wie  der 
Cylindergehalt  sehr  zunehmen  kann.  Sie  berechtigen  mich, 
dieselbe  Ansicht  wie  in  meinem  vorigen  Aufsatz  auszusprechen, 
nämlich  dass  man  Patienten  mit  krankhaft  veränderten  Nieren 
nur  mit  Vorsicht  und  unter  beständiger  Controlimng  der  Be- 
schaffenheit des  Harnes  mit  Quecksilber  behandeln  darf  — 
wenigstens  wenn  es  sich  um  eine  kräftige  solche  Behand- 
lung handelt. 

Sollte  ich  die  Ergebnisse  dieser  meiner  Untersuchungen 
zusammenfassen  wollen,  so  würde  ich  hier  dieselben  Schlüsse 
wie  in  meinem  vorigen  Aufsatz  ziehen  können,  die  ich  bereits 
im  Anfange  dieses  Aufsatzes  citirt  habe.  Diese  meine  letzten 
Untersuchungen  haben  in  allem  die  Richtigkeit  der  Ansichten 
über  die  Hg-Albuminurie  und  Hg-Cylindrurie  bestätigt,  die  ich 
damals  glaubte  aussprechen  zu  dürfen. 


Ueber  Psorospermien  bei  flautkrankhei- 

ten.    (Bericht  über  einen  typischen  Fall 

von  sog.  Darier'scher  Psorospermose.) 


Von 

Dr.  J.  Fabry  in  Dortmund. 

(Hierzu  Taf.  Xm.) 


Die  Yor  noch  nicht  so  sehr  langer  Zeit  beschriebene 
Psorospermosis  Darier's  ist  eine  derjenigen  Dermatonosen, 
für  welche  von  einem  Theil  wenigstens  der  Autoren  Psoro- 
spermien als  die  Krankheitserreger  aufgefunden  und  hingestellt 
wurden;  beim  näheren  Eingehen  auf  die  Literatur  werden  wir 
die  Stimmen  für  und  gegen  diese  Theorie  hören. 

Da  wir  nun  in  der  glücklichen  Lage  waren,  einen  zweifel- 
losen Fall  von  Darier'scher  Krankheit  unter  den  Patienten 
des  hiesigen  städtischen  Krankenhauses  durch  mehrere  Jahre 
bis  zu  dem  wegen  anderweitiger  Erkrankung  erfolgten  Tode 
beobachten  zu  können  und  selbstrerständlich  die  klinische 
Beobachtung  durch  vielfache  histologische  Untersuchungen  zu 
Gompletiren,  so  dürfte  eine  ausführliche  Berichterstattung  über 
den  Krankheitsverlauf  schon  in  Anbetracht  der  Seltenheit  dieser 
Erkrankung  angezeigt  erscheinen.  Unseres  Wissens  stellt  unser 
Fall  den  4.  in  Deutschland  beobachteten,  dazu  gerechnet  ist 
dabei  der  Schwimmer 'sehe  Fall,  über  denNeisser  auf  dem 
Dennatologen - Congress  1891  berichtete;  die  Zahl  der  über- 
haupt veröffentlichten  Fälle  dürfte  nicht  mehr  wie  ein  Dutzend 
betragen. 

Aus  vielfachen  Erwägungen  schien  es  uns  zweckmässig, 
aus  der  Literatur  auch  diejenigen  Affectionen  mitzuberücksich- 


374  Fabry. 

tigen,  für  welche  gleichfalls  Psorospermien  als  die  Krankheits- 
erreger hingestellt  worden  sind^  nämlich:  das  Epithelioma,  das 
Molluscum  contagiosum  und  die  Page  tische  Erkrankung. 

Bei  keiner  von  den  vier  Krankheitsformen  ist  klinisch  die 
Iiifectiosität  so  in  die  Augen  springend  wie  beim  Molluscum 
contagiosum;  die  eingehendsten  Untersuchungen  über  letzteres 
verdanken  wir  N  e  i  s  s  e  r,  *)  der  von  der  parasitären  und  in- 
fectiösen  Natur  dieser  Epithelialgeschwülste  überzeugt  ist  und 
den  Namen  Epithelioma  contagiosum  Bollinger  vorschlägt; 
Culturversuche  sind  ihm  nicht  geglückt. 

Bei  weitem  einen  anderen  Standpunkt  in  dieser  Frage 
nehmen  Török  und  Tommasoli')  ein.  Diese  Autoren  kom- 
men auf  Grund  ihrer  histologischen  und  chemischen  Untersu- 
chungen, welche  letztere  eine  eminent  grosse  Widerstandsfähig- 
keit der  Molluscumkörperchen  gegen  stärkste  chemische  Agen- 
tien  (conc.  Ameisensäure,  conc.  Schwefelsäure,  rauchende  Sal- 
petersäure, conc.  Ghlorwasserstoffsäure,  conc.  Kalilauge)  ergaben, 
ähnlich  derjenigen  der  Colloidsubstanzen,  zu  der  Ueberzeu- 
gung,  dass  die  Körperchen  des  Molluscum  contagiosum  keine 
parasitären  Elemente  seien. 

Ueber  die  Theorie  der  Contagiosität  konnte  Pick*)  im 
Jahre  1891  auf  dem  Dermatologen-Congresse  recht  interessante 
Versuche  mittheilen;  Pick  gelang  es,  das  Secret  eines  Mollus- 
cum contagiosum  intraepidermoidal  zu  überimpfen;  er  erzielte 
an  neun  von  zwölf  Impfstellen  bei  zwei  Individuen  wiederum 
typische  Mollusca  contagiosa.  Für  die  Contagiosität  dieser  epi- 
dermoidalen  Neubildung  war  damit  ein  nicht  anfechtbarer  posi- 
tiver Beweis  erbracht.  In  derselben  Sitzung  äusserten  sich  noch 
pro  Contagiosität  Touton,  Ehrmann,  von  Sehlen;  contra 
Contagiosität  Neumann;  Kaposi  halt  den  zoologischen  Theil 
der  Frage  der  Aetiologie  jedenfalls  noch  nicht  für  erwiesen. 

Wir  beobachteten  hier  einen  Fall  von  Molluscum  contagi- 
osum, der  recht  deutlich  klinisch  für  die  Infectiosität  dieser 
Erkrankung  zu  sprechen  scheint  und  aus  diesem  Grunde  kurz 
erwähnt  werden  soll ;  von  den  6  Kindern  einer  Dame  aus  meiner 
Praxis  erkrankte  das  eine  12jährige  Töchterchen,  welches  mit 
derselben  in  Süddeutschland  zu  Besuch  war,  an  zahlreichen 
MoUuscumgeschwülstchen  der  Wangen  und  der  vorderen  Hals- 


Ueber  Psorospermien  bei  Hautkrankheiten.  375 

gegend ;  die  Dame  erzählte  mir,  dass  dort  in  der  Verwandtschaft 
mehrere  ähnliche  Erkrankungen  vorgekonmien  seien;  es  ist  klar, 
dass  das  Kind  während  seines  Besuches  in  Süddeutschland 
inficirt  worden  ist.  Die  Geschwülstchen  ergaben  sich  auch 
histologisch  an  Mikrotomschnitten  als  Molluscum  contagiosum. 
In  Westdeutschland  scheint  übrigens  diese  Erkrankung  nicht 
gerade  sehr  häufig  vorzukommen. 

Noch  vor  wenigen  Tagen  erschien  eine  Arbeit  über  das 
Molluscum  von  Kromayer, *)  welche  sich  mit  der  Actiologie 
desselben  befasst.  Eromayer  kommt  durch  seine  Methode 
der  Protoplasmafärbung  zu  einem  dem  N  e  i  s  s  e  raschen  entge- 
gengesetzten Untersuchungsergebniss.  Während  Neisser  sich 
zwischen  Kern  und  Protoplasma  der  Molluscumzelle  eine  kömige 
Masse,  den  Parasiten  entwickeln  lässt,  durch  dessen  Wachsthum 
und  Weiterentwickelung  der  Kern  zur  Seite  gedrängt  und  die 
Epithelzelle  aufgetrieben  wird,  hält  Kromayer  die  körnige 
Masse  für  ein  Zerfallsproduct  der  Zelle  selbst.  Wir  sehen,  dass 
über  die  Frage  der  Aetiologie  die  Acten  noch  keineswegs  ge- 
schlossen sind ;  dass  die  Krankheit  infectiöser  Natur  ist,  hat  der 
Pick'sche  Impfversuch  erwiesen;  noch  nicht  aber  ist  es  bewie- 
sen, dass  die  sogenannten  Molluscumkörperchen  respective  ihr 
kömiger  Inhalt  die  Infectionsträger  sind. 

Die  Frage,  ob  Epitheliome  infectiöser  Natur  seien  oder 
nicht,  musste  schon  wegen  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  und 
auch  wegen  der  Malignität   eine  grössere  Bedeutung  gewinnen. 

Klinisch  liegt  hier  die  Sache  wesentlich  anders  wie  beim 
Molluscum,  indem  wir  eine  Uebertragung  von  einem  Individium 
auf  das  andere  nicht  beobachten.  Ebenso  steht  es  mit  der 
künstlichen  Üeberimpfung.  Impfversuche  wurden  mit  negativem 
Resultate  bereits  vor  Jahren  von  Doutrelepont*)  angestellt 
und  in  der  Folge  häufig  wiederholt.  Es  würde  zu  weit  führen 
und  liegt  nicht  in  unserem  Interesse  daraufhin  die  Literatur 
zu  verfolgen. 

Der  Frage  nach  dem  Vorkommen  von  Protozoen  im  Car- 
cinom  steht  Pfeiffer,®)  ein  anerkannter  Protozoenkenner, 
sehr  sympathisch  gegenüber.  Eine  ausgezeichnete  Beai'beitung 
des  uns  hier  interessirenden  Gegenstandes  lieferte  Karg.') 
Indem   wir   auf   diese    erschöpfende,    auf   Grund   eingehender 


376  Fabry. 

Literaturstudien  ausgeführte  und  mit  zahlreichen  Mikrophotogra- 
phien ausgestattete  Arbeit  ganz  besonders  aufimerksam  machen, 
dürfen  wir  uns  bei  Besprechung  der  Aetiologie  der  Garcinome 
und  der  Deutung  der  in  Carcinomen  nachgewiesenen  Befunde 
kurz  fassen.  Die  Mehrzahl  der  Beobachter  neigt  wohl  heute 
mehr  zu  der  Auffassung,  es  seien  die  bei  Epitheliom  gesehenen 
sog.  Erebskörperchen  nichts  anders  wie  Epitheldegenerationen 
<Eberth, '^)  Ribbert, ')  Hausemann),  sei  es  dass  sie  Trüm- 
mer von  eingewanderten  Leucocyten  darstellen,  sei  es,  dass  ab- 
norme und  fragmentarische  Kerntheilungen  vorliegen.  Nach 
Schütz'^)  spielen  die  rothen  und  die  weissen  Blutzellen  beim 
Zustandekommen  der  bekannten  Gebilde  eine  gewisse  Bolle. 
Auf  die  Bibb  er  tische  Arbeit  kommen  wir  noch  zurück  Auf 
dem  X.  intemat.  med.  Congress  kam  derselbe  Gegenstand,  die 
Deutung  der  intracellulären  Gebilde  bei  Carcinom  in  der  chi- 
rurgischen Section  zur  Erörterung.  Siegenbeck  von  Hen- 
kele om  '*)  lässt  die  Frage,  ob  es  sich  um  Epitheldegenerationen 
oder  etwas  anderes,  etwa  Pflanzenparasiten  handelt,  offen.  Eben- 
da sprach  Eiemer'^  über  die  Bedeutung  gewisser  pathologi- 
scher epidermoidaler  Bildungen,  welche  mit  Psorospermien  ver- 
wechselt werden  könnten  und  möchte  dieselben  entweder  fiir 
eine  anormale  Keratinisation  oder  eine  abnorme  Earyoldnese 
halten.  Auch  Mar c hau d^')  ist  in  der  Discussion  der  Ansicht, 
dass  es  degenerative  Vorgänge  seien.  Steinhaus  ^^)  (ebenda) 
glaubt,  dass  die  intracellulären  Gebilde  entweder  Producte  der 
kolloiden  Degeneration  sind  oder  schüsselformig  in  einander 
gekapselte  Leukocyten.  Firket'^)  theilt  ebenfalls  in  der  er- 
wähnten Sitzung  seine  Untersuchungseigebnisse  mit;  auch  er 
hat  Anhäufungen  von  kleinen  Elementen  innerhalb  der  2iell^ 
gesehen,  die  er  wie  Klebs  für  zerfallene  Leukocyten  hält; 
derselbe  Autor  lässt  es  unentschieden,  ob  es  sich  um  Parasit^i 
handelt  oder  nicht 

Karg  resumirt  in  seiner  bereits  citirten  Arbeit  folgender- 
massen:  ^Aus  den  so  verschiedenartigen  und  verschieden  ge- 
deuteten Befunden  geht  das  eine  mit  Sicherheit  hervor,  dass 
die  Autoren  ganz  differente  Dinge  als  die  gesuchten  Garcinom- 
parasiten  beschrieben  und  gedeutet  haben.  So  lange  aber  nicht 
Einigkeit  wenigstens  in  der  Morphologie  der  Garcinomparasiten 


Uebdr  Psorospermieii  bei  Hautkrankheiten.  377 

erzielt  ist,  können  die  histologischen  Befunde  als  eine  Stütze 
für  die  parasitäre  Theorie  der  Carcinome  nicht  angesehen 
werden;  die  Frage  nach  der  parasitären  Natur  der 
Carcinome  bleibt  demnach  zum  Mindesten  eine 
offene".  Die  Wickham-Darierschen  Eörperchen  speciell 
fanden  sich  nach  Karges  eigenen  Untersuchungen  nur  in  Carci- 
nomen,  die  von  der  Haut  ausgehen '/nicht  etwa  in  Drüsencarci- 
nomen,  was  doch  gewiss  eine  Thatsache  ist,  die  stutzig  machen 
muss;  ebenso  der  Umstand,  das$  Karg  in  3  Fällen  von  Haut^ 
tuberculose  die  betreffenden  Körperchen  fand^  in  anderen  aller- 
dings wieder  nicht.  Da  die  Carcinomkörperchen  wie  Prokeratin 
und  Eleidin  in  den  normalen  Epidermiszellen  durch  Carbol- 
fuchsin  roth  gefärbt  werden,  so  schliesst  Karg  mit  Recht,  dass 
eine  gewisse  Verwandtschaft  bestehe  zwischen  Carcinomkörper- 
chen  und  den  Vorstufen  der  Verhomung. 

Wir  haben  gesehen,  dass  die  Mehrzahl  der  bisher  auf* 
geführten  Autoren  im  Wesentlichen  den  gleichen  Standpunkt 
Tertreten  und  in  der  That  deckt  diese  Auffassung  sich  am 
besten  mit  dem  objectiven  mikroskopischen  Befunde  und  hält 
sich  fem  von  übereilten  Schlüssen. 

Grundverschieden  von  den  eben  angeführten  Darlegungen 
Karg's  und  der  Mehrzahl  der  übrigen  Forscher  ist  eine  vor 
Kurzem  im  Gentralblatt  für  Bakteriologie  über  den  Krebspara^ 
siten  veröffentlichte  Arbeit  Korotneffs. *•)  Nach  ihm  rührt 
der  regressive  Charakter,  dem  der  Krebs  unterworfen  ist,  von 
dem  Parasiten  Rhophalonphulus  ab,  ihm  verdankt  er  die  Nekrose 
seiner  Zellen  und  den  verderblichen  Einfluss,  den  diese  Neu- 
bildung auf  den  ganzen  Organismus  ausübt  Theoretisch,  sagt 
Koro  tue  ff,  kann  ein  Carcinom  ohne  Parasiten  keine  besonderen 
Schädlichkeiten  haben.  Letzterer  Autor  ist  also  wieder  ein 
eifriger  Verfechter  der  parasitären  Theorie. 

Damit  wollen  wir  die  so  reichhaltige  und  von  Ta^  zu 
Tag  noch  mehr  anwachsende  Carcinomliteratur  verlassen;  es 
genügt  ja  für  unsere  Zwecke  in  kurzen  Umrissen  die  verschie- 
denen Ansichten  über  die  Aetiologie  der  Carcinome  zu  skizziren. 

Die  dritte  Dermatonose,  bei  welcher  Psorospermien  auf- 
gefunden und  als  Krankheitsursache  hingestellt  worden  sind, 
ist  die  im  Jahre   1874  beschriebene  und  nach  dem  Autor  be-- 

ArehlT  f.  Dermfttol.  n.  Sjphll.  Band  XXVr.  26 


378  Fabry. 

nannte  Paget'sche'^)  Erkrankung.  Nach  Wickham")  sind 
bei  dieser  Erkrankung  folgende  beiden  Symptome  hervorstechend 
und  bemerkenswerth ;  es  ist  der  Krankheitsprocess  ein  sehr  ober- 
flächlich verlaufender;  die  erkrankte  Haut  fühlt  sich,  wenn  man 
mit  dem  Finger  darüberstreicht,  wie  eine  leichte  papierartige 
Verhärtung  an  (Induration  papuracee);  femer  ist  die  kranke 
Haut  Yon  der  gesunden  abgegrenzt  durch  einen  scharfen  Rand, 
bisweilen  sogar  durch  einen  Wall,  wodurch  sie  sich  grade  ins- 
besondere Yom  Eczem  unterscheiden  solL  Der  LiebUngssitz  der 
Erkrankung  ist  die  Haut  um  die  Brustwarze  herum  und  wird 
dieselbe  vorwiegend  bei  Frauen  beobachtet. 

So  Wickham.  Pospeloff'*)  berichtet  über  einen  Fall 
mit  LocaUsation  an  der  Glans  penis.  Eine  eingehende  histolo- 
gische Studie  lieferte  erst  vor  Kurzem  T  ö  r  ö  k,  ■**)  welcher,  wie 
ja  auch  in  einer  früheren  in  Gemeinschaft  mit  Tommasoli 
über  das  Molluscum  contagiosum  abgefassten  Arbeit,  zu  dem 
Resultate  kömmt,  die  von  Wickham  bei  der  Paget'schen 
Erkrankung  beschriebenen  Körperchen  seien  keinesfalls  Para- 
siten und  die  Ursache  dieser  Krankheit;  es  würde  zu  weit 
führen,  auf  die  interessanten  Details  dieser  Arbeit  näher  ein- 
zugehen. Jedenfalls  decken  sich  die  Untersuchungsergebnisse 
mit  der  von  der  Autorität  Kaposis' ')  in  seinem  Lehrbuch 
vertretenen  Ansicht.  In  dem  Capitel,  wo  letzterer  von  dem 
Eczema  mammae  spricht,  heisst  es:  „Die  Brustwarze  kann  dabei 
bis  zu  Fingerdicke  anschwellen,  dasselbe  kommt  meist  einseitig 
und  bei  Frauen  vor;  die  derartig  erkrankte  Brustwarze  kann 
wohl  auf  den  ersten  Blick  für  Carcinom  imponiren;  man  hat 
von  dieser  Form  in  den  letzten  Jahren  unter  dem  Namen 
„Paget's  Disease"  unnöthiges  Aufsehen  gemacht**. 

Auch  wir  haben  mehrmals  bei  Frauen  chronische  Eczeme 
mit  der  Localisation  an  der  Brust  und  um  die  Brustwarze 
herum  behandelt  und  in  allen  Fällen  belehrte  uns  die  erhobene 
Anamnese,  dass  der  Verlauf  ein  äusserst  chronischer  war  und 
dass  die  Aflfection  der  Behandlung  hartnäckigen  Widerstand 
entgegengesetzt  hatte;  es  bildete  die  eczematöse  Hautfläche 
ein  fast  gleich  breites  Band  um  die  stark  geschwollene  Brust- 
warze als  Mittelpunkt;  die  erkrankte  Fläche  war  eine  fast 
continuirliche,    nicht   etwa  von   gesunden  Partien   durchsetzte, 


Ueber  Psorospermien  bei  Haatkrankheiten.  379 

der  Rand  hob    sich   scharflinig  gegen    die   gesunde  Umgebung 
ab.     In  einem  Falle  betraf  die  Erkrankung  eine  im  8.  Monate 
der  Gravidität  stehende  Frau  und  hier  war  fast  die  ganze  Brust 
in  eine  nässende  und  unter  den  Krusten  excoriirte    und  ent- 
zündlich infiltrirte  Fläche    umgewandelt  und  verursachte   der 
Patientin^   die  schon  längere  Zeit   ärztlichen  Bath  in  Anspruch 
genommen  hatte,  in  Folge  tiefer  Rhagaden   und  Reibung   an 
den  Kleidern  sehr  heftige  Schmerzen.    Sonst  fand  sich  bei  der 
bleichen  und  schwächlichen  Person  nichts  Abnormes.   Die  Dia- 
gnose war  nach  alledem:    Umschriebenes  und  nässendes  chro- 
nisches Eczem  der  rechten  Brust.    Die  Heilung  war  innerhalb 
weniger  Wochen  eine  prompte  und  glatte  und  die  Behandlung 
folgende:    Abtupfen  und  Desinfection  der   nässenden  Flächen 
mit  dünner  Salicyllösung,  Einpinselung  von  Thiolum  liquidum  und 
Application  eines  Zinkleimverbandes.  Der  einzige  Umstand,  der 
die  Brustekzeme  zu  so  hartnäckigen  Affectionen  stempelt,  scheint 
mir  der  zu   sein,   dass  die  Application  der  Medicamente   eine 
schwierige  ist  und  die  Reibung  der  Kleider  und  Wäsche  immer 
neue  Reize  und  Insulte  setzt,  die  die  Heilung  erschweren. 

Ob  diese  umschriebenen  Ekzeme  der  Brust  in  der  That 
zu  identificiren  sind  mit  Paget's  Erkrankung  oder  ob  letztere 
eine  Erkrankung  für  sich  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden; 
es  müsste  vor  Allem  festgestellt  werden,  ob  das  Vorkommen 
der  von  vielen  Seiten  als  Parasiten  beschriebenen  Körperchen 
nur  der  echten  Page  tischen  Krankheit  eigenthümlich  ist  oder 
ob  auch  bei  den  klinisch  harmloseren  Ekzemformen  solche 
Gebilde  beobachtet  werden;  wir  haben  Untersuchungen  in  der 
Richtung  nicht  anstellen  können. 

Wir  konmien  zur  vierten  und  bisher  am  seltensten  beob- 
achteten Dermatonose,  für  welche  Psorospermien  als  Krank- 
heitserreger angesehen  wurden,  zu  der  von  Darier*")  zuerst 
als  Krankheit  sui  generis  beschriebenen  Hauterkrankung,  für 
welche  mit  Rücksicht  auf  die  ätiologische  Auffassung  auch  der 
Name  Psorospermosis  follicularis  vorgeschlagen  wurde. 
Wir  zählen  aus  der  Literatur  folgende  Publicationen :  Darier 
berichtet  über  2  Fälle ;  die  grösste  Zahl  (4)  beobachtete  Boeck  ;**) 
ferner  1  Fall  von  Mansurow, "*)  1  Fall  von  Zeleneff**),  1 
FallvonBurri  und  Miethke, "')  1  Fall  von  Schwimmer, *®) 

26* 


980  Fabry. 

1  FaU  von  Krösing,")  1  Fall  ton  Lustgarten  undBulkley,  **0 
IFall  von  Petersen^')  und  endlich  2  Fälle  von  Pawloff.'*) 
Der  Fall  von  Josef  Frank  Payne**)  scheint,  wie  schon  aus 
der  üeberschrift  seiner  Arbeit  hervoiigeht,  femer  aus  dem  Ver- 
lauf mit  Ausgang  in  Heilung  nicht  hierher  zu  gehören  und 
wurde  vom  Autor  selbst  als  ein  Fall  von  seltener  Acneform 
aufgefasst.  Also  überhaupt  beobachtet  wurden  bisher  in  ver- 
hältm'ssmässig  kurzer  Zeit  15  Fälle,  davon  in  Deutschland  drei» 
denen  wir  eine  vierte  Beobachtung  hinzufügen. 

Auf  die  genannten  Abhandlungen  werden  wir  noch  Ge- 
legenheit haben  zurückzukommen,  vorhef  soll  der  von  uns  be- 
obachtete Fall  mitgetheilt  werden. 

Der  Yon  uns  beobachtete  FaU  von  PsorospermoBis  follicullaris 
Darier  betrifft  den  am  5.  Februar  1823  geborenen  Armenhäusler  Frits 
Reinecke  aus  Iserlohn.  Patient  selbst  sowohl  wie  seine  Eltern  ttammea 
aus  Westfalen;  der  Vater  ist  an  Altersschwäche  gestorben,  die  Mutter  an 
Phthisis  pulmonum.  8  Geschwister  des  Patienten  sind  gestorben;  über 
die  Todesursache  liess  sich  nichts  ermitteln.  Sovi^  steht  fest,  dass  weder 
die  Grosseltem  noch  die  Eltern  noch  eines  von  den  lebenden  oder  bereits 
gestorbenen  Geschwistern  an  einem  ähnlichen  Ausschlag  gelitten  haben. 
Patient  war  verheiratet,  jedoch  blieb  die  Ehe  kinderlos. 

Patient  selbst  hat  in  seiner  Kindheit  Masern  und  Stickhusten 
gehabt  und  später  die  „Menschenblattem^,  wodurch  er  schwache  Augen 
bekommen  hat;  auch  hat  er  öfter  epileptische  Anfölle  gehabt. 

Patient  arbeitete  als  Nadelstampfer  in  westfälischen  Fabriken,  ist 
aber  während  seines  ganzen  Lebens  nie  im  Auslande  gewesen. 

Schon  in  der  Jugend  hat  Patient  an  vielen  Gomedonen  der  G^mchta- 
und  angrenzenden  Kopfhaut  gelitten,  den  Beginn  des  jetzigen  Aussohlagos 
datirt  Patient  auf  dreissig  Jahre  zurück. 

Schon  seit  1876  wurde  Patient,  wie  mir  College  Gerstein,  der 
Leiter  der  chirurgischen  Station  des  hiesigen  städtischen  Krankenhauses, 
miitheilt,  wiederholt  wegen  seines  chronischen  Ausschlages  aufgenommen 
und  nach  mehrwöchentlicher  Behandlung  wieder  entlassen. 

Patienten  sah  und  beobachtete  ich  zum  ersten  Male  im  Jahre  1890 
und  nahm  damals  folgenden  objectiven  Befund  auf. 

Der  67jährige  Patient  ist  von  ziemlich  schmächtiger  Statur  und 
auffallend  dunklem  Teint;  ziemlich  üppiger  Haarwuchs,  die  Cilien  nur 
spärlich  vorhanden. 

Patient  ist  im  Grossen  und  Ganzen  von  recht  gesundem  Aussehen 
und  dem  entspricht  sein  subjectives  Befinden.  Linksseitige  Hemia 
scrotalis. 

An  der  äusseren  Haut  des  Patienten  fiel  nun  ein  Ausschlag  auf, 
dessen  Gesammtbild   auf  keine  der  mir  bekannten  und  bis  dahin  von  mir 


Ueber  Psorospermien  bei  Hautkrankheiten.  381 

gesehenen  Dermatonosen  passte  und  dessen  bestimmte  Diagnose  zu  geben 
ich  ausser  Stande  war.  In  mein  Journal  trug  ich  als  Diagnosis  per  exclu- 
sionem  gestellt  Darier'sche  Krankheit  ein,  glaubte  jedoch  dieselbe  noch 
mit  einem  grossen  Fragezeiehen  versehen  zu  müssen,  bis  die  Diagnose 
auch  durch  das  Mikroskop  gestellt  war  und  femer  bis  ich  die  einschlagige 
Literatur  genauer  studirt  hatte.  Heute  ist  es  für  mich  nach  abgeschlossener 
Untersuchung  absolut  zweifellos,  dass  in  der  That  ein  Fall  der  so  selten 
beobachteten  und  beschriebenen  sogenannten  Psorospermoni  follicularis 
Darier 's  vorlag. 

Das  Exanthem  war  loealisirt,  ich  besitze  davon  eine  ziemlich 
gute  Photographie,  hauptsächlich  am  Stamm  und  zwar  symmetrisch,  griff 
auch  über  auf  die  angrenzenden  Partien  der  oberen  und  unteren  Extre- 
mitäten, mehr  einzeln  stehend  fanden  sich  zahllose  kleinere  und  grossere 
Erhebungen  im  Gesicht  und  auf  der  Kopfhaut  neben  auffallend  vielen 
Comedonen.  Bei  Inspection  der  Schleimhäute  fanden  sich  auch 
einzelne  Erhebungen  an  der  Schleimhaut  des  Mundes  und 
zahlreichere  oben  auf  der  Zunge;  im  Uebrigen  waren  die  Schleim- 
häute des  Rachens  und  der  Nase  frei  von  Efflorescenzen.  Wo  die  EfQo- 
rescenzen  mehr  isolirt  stehen,  imponiren  sie  schon  bei  der  Inspection  als 
knötchenförmige  Erhebungen,  am  Stamme  sind  die  EfBorescenzep  zu 
grösseren  Plateaus  confluirt  und  besonders  vom  in  der  Medianlinie  sowie 
hinten  längs  der  Wirbelsäule  stehen  diese  Plateaus  so  dicht,  dass  sie  eine 
nicht  unterbrochene  Fläche  darstellen  und  sich  nirgends  Inseln  gesunder 
Haut  erkennen  lassen. 

Es  soll  besonders  hervorgehoben  werden,  dass  die  Krankheit  also 
theilweise  auch  die  Schleimhäute  (Zunge,  Ober-  und  Unterlippe,  sowie 
Wangenschleimhaut)  mit  ergriffen  hatte.  Schwimmer  hebt  betreffs  des 
Falles  seiner  Beobachtung  hervor,  dass  die  Efflorescenzen  sich  auch  auf 
den  Meatus  auditorius  externus  fortgesetzt  hätten. 

Die  Nägel  waren,  während  Boeck  constant  Veränderungen  an  den 
Nägeln  fand,  bei  unserem  Patienten  vollständig  gesund. 

Neben  diesen  Knötchen  und  plateauförmigen  Veränderungen  an  der 
äusseren  Decke  fielen  im  Gesicht,  auf  der  Kopfhaut  und  im  Nacken  eine 
auffallig  grosse  Anzahl  echter  Comedonen  auf.  Ich  bemerke  von  vorn- 
herein, dass  ich  diese  Erscheinung  nicht  als  besonders  charakteristisch  für 
die  Darier'sche  Krankheit  hinstellen  möchte. 

Die  Gonsistenz  der  Knötchen  war  eine  feste  und  hatte  man,  wenn 
man  mit  der  Handfläche  über  den  Leib  respectivo  längs  der  Wirbelsäule 
herfuhr,  das  Gefühl,  als  glitte  man  über  ein  Reibeisen,  wie  dies  ja  überein- 
stimmend alle  bisherigen  Beobachter  hervorheben. 

Mit  dem  Nagel  lassen  sich  leicht  an  den  einzelnen  Knötchen  spitze 
Homzapfen  herausschälen. 

Die  Drüsen  in  den  Leisten,  den  Axillae,  am  Halse  und  im  Nacken 
sind  in  geringem  Grade  geschwellt,  aber  indolent. 

Die  inneren  Organe  sind  intact;  Appetit  und  Allgemeinbe- 
finden gut. 


382  Fabry. 

Patient  ist  wiederholt  von  nach  seiner  Angabe  intensiTem  Jucken 
geplagt. 

üeber  die  Behandlung  und  über  den  Verlauf  der  Erkrankung  ist 
nur  wenig  zu  sagen;  es  wurden  die  verschiedenartigsten  Salben  (Sublimat, 
Carbol,  Salicyl,  Theer,  Pyrogallol,  Chrysophan)  versucht,  ohne  dass  auch 
der  geringste  Erfolg  beobachtet  worden  wäre. 

Nach  einigen  Monaten  wurde  Patient  entlassen,  nachdem  ich  mir 
zuvor  ein  Stückchen  der  Haut  des  Rückens  zur  histologischen  Untersu- 
chung gesichert  hatte. 

Im  April  des  folgenden  Jahres  fand  ich  Patienten  wieder  in  der 
Hautstation  des  stadtischen  Krankenhauses  vor. 

Der  Ausschlag  war  eigentlich  genau  derselbe  geblieben,  dagegen 
war  das  Allgemeinbefinden  nicht  mehr  wie  ehedem,  indem  Patient  sehr 
viel  über  Verdauungsbeschwerden,  sowie  über  Brechen  und  intensive 
Schmerzen  in  der  Magengegend  zu  klagen  hatte.  Da  die  Schmerzen  in 
den  nächsten  Wochen  nicht  nachliessen,  im  Gregentheil  heftiger  wurden, 
und  Patient  immer  hinfalliger  wurde,  so  kg  der  Verdacht  eines  Carcinoma 
ventriculi  nahe,  wie  dies  denn  auch  leider  durch  den  weiteren  Verlauf  bis 
zum  exitus  letalis  bestätigt  wurde.  Dass  wir  uns  in  Anbetracht  der  vorliegen- 
den schweren  Erkrankung  darauf  beschränkten,  von  Zeit  zu  Zeit  die  Haut 
mit  milden  Salben  einzufetten,  ist  selbstverständlich,  ausserdem  hatte  uns 
ja  die  Beobachtung  vom  vorigen  Jahre  hinreichend  gelehrt,  dass  ein  Erfolg 
nicht  zu  erwarten  sei. 

Der  Tod  trat  während  meiner  Abwesenheit  von  Dortmund  ein,  so 
dass  ich  leider  bei  der  Section  nicht  zugegen  war;  von  den  Assistenten 
des  Krankenhauses  wurde  mir  indess  ein  grosses  Stück  der  Rückenhaut 
exstirpirt  und  für  die  mikroskopische  Untersuchung  in  absolutem  Alkohol 
aufbewahrt. 

Es  bestätigte  die  Autopsie  die  klinische  Diagnose  Carcinoma  ven- 
triculi, indem  sich  ein  grosses  circuläres  Carcinoma  pylori  fand. 

Dass  es  sich  in  unserem  Falle  um  eine  zufall^e  compU- 
cirende,  innere  Erkrankung  handelte,  die  mit  der  äusseren 
Erkrankung  nicht  im  geringsten  etwas  zu  thun  hat,  bedarf  wohl 
keines  besonderen  Hinweises.  Es  ist  ja  auch  das  übereinstim- 
mende Urtheil  aller  Autoren,  dass  die  Darier'sche  Krankheit 
eine  gutartige,  wenn  auch  äusserst  hartnäckige,  jeglicher  The- 
rapie Widerstand  leistende  chronische  Erkrankung  der  Haut  ist. 

Noch  vor  ganz  kurzer  Zeit  fügte  Pawloff*)  den  wenigen 
bisherigen  Beobachtungen  zwei  neue  Beobachtungen  hinzu, 
gerade  zu  der  Zeit,  wo  ich  mit  der  Abfassung  dieser  Zeilen 
beschäftigt  war  und  es  ist  mir  somit  die  Möglichkeit  geblieben, 
auch  diese  Arbeit  noch  mit  zu  benutzen.  Pawloff  sagt  mit 
Becht  über  die  klinischen  Symptome,   dass  nach  Aussage  aller 


üeber  Psorospermion  bei  Hautkrankheiten.  383 

Autoren  das  Erankheitsbild  der  Darie  raschen  Psorospermose 
so  höchst  charakteristische  Eigenschaften  darbietet,  dass  kaum 
eine  Verwechselung  mit  etwas  anderem  möglich  wäre. 

Femer  ist  bemerkenswerth  die  sehr  plausible  Ansicht  des* 
selben  Verfassers,  dass  ganz  gewiss  die  Darier'sche  Erkran^ 
kung  schon  früher  von  anderen  Dermatologen  unter  anderem 
Namen  beschrieben  worden  sei  (cf.  p.  197). 

Was  ich  noch  besonders  von  meinem  Patienten  erwähnen 
möchte,  ist  das  Mitbefallensein  einzelner  Schleimhäute 
(s.  oben);  es  erinnerten  mich  die  Knötchen  in  ihrer  Erschei- 
nung am  meisten  an  einen  Fall  von  Lachen  der  Schleimhaut, 
den  ich  in  früheren  Jahren  zu  sehen  Gelegenheit  hatte.  Es  hat 
mir  leider  von  der  erkrankten  Schleimhaut  nichts  zur  Verfügung 
gestanden,  nichtsdestoweniger  bin  ich  fest  überzeugt,  dass  es 
sich  um  genau  dieselben  Erscheinungen  handelte,  wie  an  der 
äusseren  Decke;  im  Allgemeinen  erschienen  die  Schleimhaut- 
knötchen  etwas  flacher.  Was  die  Charakteristik  der  Knötchen 
im  einzelnen  anlangt,  so  schliesse  ich  mich  den  von  den  früheren 
Beobachtern  gegebenen  Schilderungen  vollständig  an.  Die 
Knötchen  schwanken  in  der  Grösse  von  der  eines  Stecknadel- 
knopfes bis  zu  der  eines  Hanfkomes,  sie  tragen  an  der  Ober- 
fläche fest  haftende  Schüppchen,  die  sich  als  Homzapfen  dar- 
stellen; die  Knötchen  stehen  theils  isolirt,  theils  sind  sie,  und 
dies  ist  am  Rumpf  am  stärksten  der  Fall,  zu  grossen  Plateaus 
confluirt;  wie  auch  im  Bo  eck 'sehen  Falle,  ist  fast  die  ganze 
Haut  des  Rückens  sowie  an  Brust  und  Bauch  dicht  besetzt  von 
nötchen«  Die  frappante  Aehnlichkeit  des  von  uns  beobachteten 
Krankheitsfalles  mit  der  in  der  Boeck'schen  Abhandlung  gege- 
benen Abbildung  musste  jedem,  der  den  Patienten  sah,  auffallen. 

In  den  Fällen  von  Krösing  und  Petersen  erstreckte 
sich  die  Erkrankung  nur  auf  ganz   umschriebene  Hautpartien. 

Klinisch  bietet,  me  wir  aus  dem  von  uns  mitgetheilten 
Fall,  sowie  nach  den  bisherigen  Veröffentlichungen  sehen,  die 
Darier'scbe  Erkrankung  so  auffällige  Symptome  dar,  dass 
nicht  der  geringste  Zweifel  darüber  entstehen  kann,  dass  wir 
es  mit  einer  neuen,  bisher  respective  bis  zuDarier's  Publica- 
tion  nicht  gekannten  Hauterkrankung  zu  thun  haben.  Wir  sehen 
hier  ab  von  den  Veröffentlichungen,  die  bereits  früher  ähnliche 


384  Fabry. 

Erkrankungen  unter  anderem  Namen  beschrieben  haben.  Die 
klinische  Diagnose  kann,  wenn  man  das  Krankheitsbild  nur  ein- 
mal gesehen  hat,  unmöglich  Schwierigkeiten  machen.  Und  ebenso 
wohl  charakterisirt  und  unterschieden  von  anderen  Hautaffec- 
tionen  sind,  wie  gleichfalls  alle  Autoren  hervorheben,  die  patho- 
logischen Veränderungen  bei  Untersuchung  mikroskopischer 
Schnitte. 

Wir  haben  sehr  zahlreiche  Schnitte  untersucht  und  die- 
selben nach  den  verschiedensten  Färbemethoden  behandelt,  um 
eine  möglichst  gute  Vorstellung  von  den  pathologischen  Ver- 
änderungen am  eigenen  Material  zu  bekonmien  und  um  die  be- 
kannten Darier'schen  Eörperchen  recht  schön  zur  Darstellung 
zu  bringen.  Versucht  wurde  Löffler's  Methylenblau,  Carbol- 
fuchsin,  Hämatoxylin  (ganz  schwache  Lösung  und  Färbung 
mehrere  Tage  lang;  Karg),  Doppelfärbung  mit  Hämatoxylin 
und  Eosin,  Eosin  allein,  Saffranin,  Bismarckbraun,  Pikrocarmin, 
Dahlia  und  Dahlia  Alauncarmin. 

Die  besten  Bilder  erhielten  wir  nach  Karg's  HämatoxyUn- 
färbung  und  durch  Färbung  mit  Pikrocarmin  und  nachfolgender 
Einbettung  in  Glycerin  (Boeck)  oder  CanadabalsanL 

Während  Darier  pathologisch  anatomisch  die  Läsion 
hauptsächlich  in  den  Talgdrüsenapparat  verlegt,  haben  alle 
Autoren,  die  sich  nach  ihm  mit  der  Krankheit  befasst  haben, 
eine  durchaus  abweichende  Auffassung,  sie  stinmien  aber  alle 
darin  überein,  dass  es  sich  um  eine  in  der  Epidermis  localisirte' 
und  säauntliche  Schichten  derselben  treffende  Gewebshyper- 
plasie  handelt.  Diese  letztere  nimmt  an  Intensität  zu  von  der 
Cutis  nach  dem  Stratum  comeum,  welches  letztere  in  zahlrei- 
chen Schichten  übereinander  gelagert  ist;  dabei  erscheint,  wie 
wir  an  allen  Präparaten  constatiren  konnten,  die  Homschicht 
lamellenartig  geschichtet,  zwischen  den  Lamellen  schmälere 
Zwischenräume  lassend. 

Die  auffälligsten  und  für  die  Diagnose  höchst  wichtigen 
Veränderungen  der  Epidermis  bieten  sich  uns  dar  an  den  Stellen, 
wo  wir  die  Entwickelung  eines  Epithelknötchens  beobachten, 
d.  h.  da,  wo  es  zu  einer  ganz  excessiven  Hornbildung  gekom- 
men ist  und  es  für  den  ersten  Blick  so  aussieht,  als  ob  ein 
harter  Homzapfen  oder  Hompflock  wie  ein  Keil  nach  unten 


üeber  PBorospermieii  bei  Haatkrankheitezu  885 

in  die  weiche  Malpighische  Schicht  hineingetrieben  wäre.  Das 
«ofialligste  und  sonst  keiner  Erkrankung  zukonunende  Gharak^ 
teristicum  der  Knötchenefflorescenz,  das  sich  constant  nach*^ 
weisen  lässt,  kommt  dadurch  zustande.  Die  welligen  Gontouren 
zwischen  Gntispapillen  und  den  Papillen  des  Bete  yerstreichen 
zu  einer  nach  unten  conTezen  Bogenlinie ;  am  Bande  der  Efflo- 
rescenz  erscheinen  die  Papillen  Terlängert  Diese  Erscheinungen 
sind  aber  deshalb  wesentlich,  weil  sie  bei  keiner  anderen 
Parakeratose  beobachtet  werden  und  deshalb  von  Bedeutung 
fiir  die  Diagnose  besonders  in  zweifelhaften  Fällen,  denn  wir 
werden  sehen,  dass  die  sonstigen  Erscheinungen  resp.  histolo- 
gischen Details  auch  bei  anderen  Affectionen  beobachtet  worden 
sind.  Nächstdem  ist,  wenn  ich  so  sagen  darf,  bereits  bei  grober 
Besichtigung  der  Schnitte  aufifallend,  dass  an  den  Knötchen  die 
Hornbildung  bis  in  die  tiefsten  Schichten  des  Bete  Malpighi 
sich  fortsetzt  VonBoeck  wurde  gleichfalls  als  charakteristisch 
und  bei  grösseren  Efflorescenzen  nie  fehlend  hervorgehoben  die 
Büdung  sogenamiter  Lacunen,  wie  wir  sie  auch  an  unseren 
Präparaten  voigefunden  haben.  Wir  schliessen  uns  der  Ansicht 
Petersen's,  dass  es  sich  um  Eunstproducte  handelt,  an;  bei 
den  von  mir  durchmusterten  Schnitten  waren  sie  einmal  keine 
oonstante  Erscheinung,  dann  aber  fanden  sie  sich,  wenn  auch 
nicht  grade  so  in  die  tieferen  Schichten  des  Bete  hinreichend, 
fast  ganz  analog  bei  Schnitten  durch  einen  echten  Homkrebs, 
den  wir  vergleichsweise  untersucht  haben. 

Wenn  wir  nun  unsere  Präparate  bei  schwacher  Vergrösse- 
rung  weiter  durchmustern,  finden  wir  die  Zellen  der  Gjlinder- 
Schicht  auffallend  stark  pigmenthaltig  (B  o  e  c  k),  während  in  dem 
Falle  vonBuzzi  undMiethke  das  Pigment  sich  an  ganz  um- 
schriebenen Stellen  des  Stratum  cylindricum  vorfand.  Pigment- 
ablagerungen fanden  sich  gleichfalls  in  den  obersten  Theilen 
der  Gntispapillen;  am  deutlichsten  traten  diese  Verhältnisse 
hervor  an  Präparaten,  die  mit  Dahlia  gefärbt  waren. 

Verfolgen  wir  nun  den  Schnitt  weiter  nach  dem  Gorium 
lind  den  subcutanen  Ps^illen,  so  konnten  wir  kleinere  und 
auch  einzelne  grössere  Herde  kleinzelliger  Infiltration  um  die 
Gelasse  herum  und  gleichfalls  um  die  Knäuel  der  Schweiss- 
drüsenconglomerate    constatiren   (Erösing,   Petersen).    Im 


386  Fabry. 

Uebrigen  fand  sich  an  d(3r  Cutis  und  dem  subcutanen.  Gewebe 
nichts  Abnormes.  Haarbälge,  Talgdrüsen  schienen  in  keiüer  Be- 
ziehung zu  den  erwähnten  KnötchenefHorescenzen  zu  stehen 
und  waren  normal. 

Bei  Inspection  mit  stärkerer  Vergrösserung  sind  an  unse- 
ren Schnitten,  indem  wir  vorläufig  noch  absehen  von  der  Lage- 
rung und  den  Bildungen  der  von  Darier  beschriebenen  „corps 
ronds''  und  „grains'',  folgende  Punkte  hervorzuheben.  Die  Hom- 
schichten  sind  ungemein  verbreitert,  in  ihrem  Zusammenhang 
gelockert,  lamellenartig  übereinander  geschichtet,  hie  und  da 
eingesprenkelt,  finden  sich  grosse  kernlose,  stark  lichtbrechende 
Zellen,  die  wir  noch  im  Zusammenhang  mit  der  Dario  raschen 
Zellen  beschreiben  werden ;  die  Hornlamellen  ragen  vielfach  sehr 
tief  in  das  Rete  Malpighi  hinein;  die  drei  folgenden  Schichten 
des  Beti  Malpighi  sind  überall  da,  wo  es  nicht  zur  Bildung 
eines  Hompflockes  gekommen  ist,  gut  abzugrenzen  und  hjper- 
plastisch;  die  Zellen  des  Stratum  granulosum  zeigen  Eleidin, 
am  Stratum  dentatum  ist  der  Stachelsaum  nur  zuweilen  erhal- 
ten und  das  Protoplasma  der  Zellen  des  Stratum  cylindricum 
ist  auffallend  stark  pigmenthaltig.  Die  Papillen  der  Cutis  er- 
scheinen besonders  da,  wo  sie  Hompflöcke  begrenzen,  in  die 
Länge  gezogen  und  sehr  oft  dendritisch  verzweigt.  Wir  hoben 
bereits  hervor,  dass  sich  Herde  kleinzelliger  Infiltration  vor- 
fanden um  die  Gefasse  der  Cutis  und  im  periglandulären  Ge- 
webe der  Knäueldrüsen.  Nach  Untersuchung  bei  starker  Ver- 
grösserung können  wir  hinzufügen,  dass  sich  weder  vom  Epithel 
noch  Endothel  der  Drüsenschläuche  ausgehend  Veränderungen 
wahrnehmen  liessen  hyperplastischer  Art;  am  Endothel  keine 
Vergrösserung  oder  Proliferation,  auch  keine  Zeichen  der  Dege- 
neration; dasselbe  gilt  vom  Epithel. 

Buzzi  und  Miethke  fanden  zuweilen  cystische  Erwei- 
terung der  Ausfuhrungsgänge  einzelner  Knäueldrüsen  in  der 
Höhe  der  Homschicht ;  bei  den  B  o  e  c  k'schen  Fällen  wurden  die 
Schweissdrüsen  in  der  Kegel  normal  gefunden;  aber  nichts 
destoweniger  scheinen  nach  Bo eck  die  Schweissdrüsenmundun- 
gen  speciell  zur  Bildung  der  Homzapfen  Veranlassung  geben  zu 
können.  Auch  wir  fanden  widerholt,  dass  Drüsenausführungs- 
gänge in  die  Lacunen  einmündeten,  ohne  dass  am  Epithel  der- 


üeber  Psorospermien  bei  Hautkrankheiten.  357 

selben  das  geringste  Abnorme  aufzufinden  gewesen  wäre;  aber 
ebenso  oft  sahen  wir  Schweissdrüsenausfuhrungsgänge,  ohne 
dass  es  zur  Bildung  des  Hompflockes  gekommen  wäre;  wir 
haben  daher  nach  unseren  Untersuchungen  nicht  die  lieber- 
Zeugung  gewinnen  können,  als  wenn  die  Schweissdrüsenausfiih- 
rungsgänge  in  irgend  welchem  Gausahiexus  ständen  zur  Bildung 
der  bekannten  Homzapfen. 

Auch  bezüglich  der  Auffassung,  dass  Haarbälge  und  Talg- 
drüsen zu  der  Hyperplasie  und  Parakeratose  bei  Darier's  Er- 
krankung nicht  im  geringsten  ätiologisch  von  Bedeutung  seien, 
können  wir  uns  der  übereinstimmenden  Ansicht  aller  Autoren 
anschliessen. 

Zum  Schlüsse  unserer  Erörterungen  kommen  wir  zur  Deu- 
tung der  von  Darier  als  Parasiten  beschriebenen  Zellen.  Wir 
haben  unsere  Präparate  an  der  Hand  des  Pete rse naschen 
Schemas  einer  nochmahgen  Durchmusterung  unterzogen  und 
müssen  nach  alledem  gestehen,  dass  uns  die  Deutung  dieser 
Gebilde  als  verschiedene  Stadien  der  Degeneration  resp.  Ver- 
homung  der  Epithelzellen  am  wahrscheinlichsten  zu  sein  scheint 
im  Gegensatz  zu  der  doch  sehr  problematischen  und  keineswegs 
durch  ausreichende  und  beweiskräftige  Argumente  gestützten 
parasitären  Theorie. 

Es  gelang  uns  mit  leichter  Mühe  aus  unseren  mikrosko- 
pischen Bildern  die  verschiedenen  Typen,  wie  sie  Petersen 
beschreibt,  herauszufinden  und  wir  haben  dieselben  in  bestimm- 
ter Reihenfolge,  um  die  Entwicklung  bis  zur  völligen  Verhor- 
nung zu  demonstriren,  gleichfalls  kurz  skizzirt.  Es  ist  da  in 
der  That  leicht  herauszusehen,  dass  die  grossen  Zellen  Varianten 
darstellen,  die  ihren  Endpunkt  in  der  vollständigen  Verhomung 
der  Zelle  finden.  Wir  verweisen  besonders  auf  die  Deductionen 
der  in  der  Doutrelepont 'sehen  Klinik  ausgeführten  Arbeit 
Petersen 's,  deren  wesentlichstes  Verdienst  es  ist,  die  von  den 
früheren  Autoren  geäusserte  Ansicht,  es  handle  sich  bei  jenen 
Gebilden  um  Zeichen  der  Degeneration  (Boeck,  Erösing,  Paw- 
loff,  Buzzi  und  Miethke  etc.),  mit  stichhaltigen  Gründen  gestützt 
und  auf  eine  sehr  plausible  Art  erklärt  zu  haben.  Es  liegt  in 
der  Natur  der  Sache  und  ist  vielleicht  auch  ein  Beweis  für  die 
Richtigkeit  der  Voraussetzung  degenerativer  Vorgänge  innerhalb 


388  FÄbry. 

der  Epithelzellen,  dass  man  im  Allgemeinen  die  höheren  Stadien 
der  Verhonmng  und  die  weniger  difierenzirten  grossen  Zellen 
ganz  entsprechend  auch  in  den  höher^i  Terhomten  Schichten 
findet,  wie  dies  aus  unserer  Abbildung  (Fig.  1)  hervorgeht. 

Gerade  als  wir  nüt  den  Untersuchungen  zu  dieser  Arbeit 
beschäftigt  waren,  bot  sich  uns  die  Gelegenheit  ein  Epithelioma 
comeum  zu  untersuchen.  Es  handelte  sich  um  eine  Patientin, 
bei  welcher  sich  an  dem  durch  eine  Verletzung  arg  yerstüm- 
melten  linken  Vorderarm  —  von  den  Fingern  war  nur  ein  Rudi- 
ment des  Zeigefingers  übrig  geblieben  —  im  Bereich  der  Nar- 
ben ein  Epithelioma  entwickelt  hatte;  in  der  nächsten  Nähe 
des  Epithelioma  fanden  sich  in  gesunder  Haut  mehrere  Hom- 
Warzen,  etwa  von  der  Grösse  eines  Zwanzigpfennigstückes,  die 
sich  bei  der  histologischen  Untersuchung  entsprechend  der  kli- 
nischen Diagnose  als  epitheliomatös  erwiesen.  Es  ist  derselbe 
Fall,  den  wir  oben  schon  gelegentlich  der  Besprechung  der 
Boec kuschen  Lacuuen  angeführt  haben.  In  diesen  Schnitten 
nun  fanden  wir  zahlreiche  Zellen,  die  grosse  Aehnlichkeit  mit 
den  Darier^schen  corps  ronds  und  grains  zeigten  und 
vor  AUem  auch  wiederum  wunderschön  sich  in  das  Peter  sen'sche 
Schema  mit  Mantel-  und  Eemring  hineinpassen  liessen. 

Wir  fanden  in  unseren  Präparaten  auch  Emschachtelun- 
gen  verschiedener  Zellen  in  einen  gemeinsamen  Bfantelring,  wie 
dies  Petersen  beschrieben  hat.  Es  handelt  sich  bei  diesen 
Gebilden  nicht  etwa  um  intracellulär  gelegene  Psorospermien, 
sondern,  wie  wir  behaupten  möchten,  um  die  Analogie  der  von 
Bibbert  bei  Garcinomen  beschriebenen  Processe  der  Ein- 
schachtelung  von  Zellen,  die  sich  bei  dem  weicheren  Proto- 
pUsma  der  CarcinomepitheUen  natui^emäss  viel  zahkeicher  vor- 
finden, wie  bei  Zellen,  die  einer  Hyperkeratose  anheimgefallen 
sind.  Wie  unsere  Abbildungen  (Fig.  3)  zeigen,  fehlen  sie  hier 
auch  nicht  gänzlich. 

Wir  kommen  in  nochmaUger  Erw^ung  der  klinischen 
Daten  unseres  Falles  von  Darier'scher  Parakeratose  und 
nach  dtn  Resultaten  der  histologischen  Untersuchungen,  die  im 
Grossen  und  Ganzen  im  Einklang  stehen  mit  denen  früherer 
Autoren  (Boeck,  Buzzi  und  Miethke,  Krösing,  Pawloff, 
Petersen),  zu  der  Auffassung,  dass  allerdings  eine  besondere 


Ueber  Psorospermien  bei  H[autkraiikheiten.  389 

neue  wohlcharakterisirte  Erkrankong  vorliege,  dass  jedoch 
Darier^s  Yermuthung  resp.  Behauptung,  dieselbe  sei  durch 
Psorospermien  in  der  Haut  Yerursacht,  sich  als  nicht  den  That- 
sachen  entsprechend  herausgestellt  hat. 

Es  liegt  hier  aber  auch  klinisch  die  Sache  ganz  anders 
"wie  etwa  beim. Molluscum  contagiosum,  das  einen  acuten  und 
entschieden  infectiösen  Process  darstellt.  Es  wäre  ja  nicht  un- 
möglich und  ist  sogar  zu  erwarten,  dass  über  kurz  oder  lang 
sich  doch  hier  der  Krankheitserreger  in  der  einen  oder  anderen 
Form  sei  es  als  thierischer  oder  pflanzUcher  P^prasit  auffindet. 
Für  das  Garcinom  sind  gleichfalls  vorderhand  die  Erwartungen, 
man  habe  die  letzte  Ursache  dieser  Krankheit  in  Psorospermien 
ähnlichen  Gebilden  gefunden,  getäuscht  worden.  Ueber  die 
Paget'sche  Erkrankung  sind  ebenso  die  Acten  noch  nicht  ge« 
schlössen,  da  bezüglich  der  klinischen  Deutung  noch  so  grosse 
Differenzen  herrschen. 


Literatur. 

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390  Fabry. 

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medicin.  Congresses  and  Archiv  für  pathologische  Anatomie  1890,  Nr.  20« 
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bilde, welche  mit  Psorospermien  verwechselt  werden  könnten.  Verhand- 
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13.  Marchand,  ebenda. 

14.  Steinhaus,  ebenda  und  üeber  Carcinomeinschlüsse.  Yirchow's 
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18.  Wickham.  Ueber  die  sogen.  Paget^sche  Krankheit,  These  de 
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19.  Pospelow,  ebenda.  Tarnowsky.  Congress  der  Aerzte  in 
Moskau.  1890. 

20.  Török.  Die  protozoenartigen  Gebilde  des  Carcinom s  und  der 
Paget'schen  Krankheit.  Monatshefte  für  prakt  Dermat.  Bd.  XVI,  p.  209  ff. 

21.  Kaposi.  Lehrbuch  der  Hautkrankheiten.  8.  Aufl.  p.  485. 

22.  Darier.  Internat.  Congress  für  Dermat.  und  Syphilis  1889  und 
Intern.  Atlas  seltener  Hautkrankh.  Heft  8. 

23.  Ebenda  Wickham;  conf.  Nr.  17  des  Lit.-Verz. 

24.  Boeck.  Internat.  Congress  für  Dermatologie.  Paris  1889  und 
„4  F&Ue  von  Darier'scher  Krankheit«.  Archiv  für  Dermatol  und  Syphüis. 
1891,  p.  857  ff. 

25.  Maus  uro  w.  Vorstellung  eines  Falles  von  Darier'scher  Krank- 
heit auf  dem  Congress  der  Aerzte  in  Moskau  1890. 

•      26.  Zeleneff.  The  Brit.  Joum.  of  Dermatol.  1891.  267. 

27.  Buzzi  u.  Miethke.  üeber  die  Darier'sche  Dermatose.  Monats- 
hefte für  prakt.  Dermatologie.  Nr.  1  und  2.  1891. 

28.  Schwimmer.  Ein  Fall  von  Psorospermosis  cutanea,  vorgestellt 
im  ärztlichen  Verein  zu  Budapest  1891  und  Krankenbericht,  verlesen  von 
N  ei  SS  er  über  diesen  Fall  auf  dem  Deutschen  Dermatologen-Congress  1891. 
Siehe  Verhandlungen  der  Deutschen  dermatolog.  Gesellschaft  1891  p.  76  ff, 

29.  Kr ö sing.    Monatshefte  für  prakt.  Dermat  Band  XV,  p,  488  ff. 

30.  Lustgarten.    On  Psorospermoni  follicularis.  Journal  of  cutan 
and  gen.-urinary  diseases.  January  1891.  Diesen  Fall  stellte  Lustgarten 


Ueber  Psorospermien  bei  Haatkrankheiten.  391 

auf  dem  intemat.  Berliner  Congresse  vor  und  er  wurde  auch  abgehandelt 
▼on  Bulkley,  Med.  News,  1890.  Heft  8. 

81.  Waltber  Petersen.  Ueber  die  sog.  Psorospermien.  Central- 
blatt  für  Bakteriologie  und  Parasitenkunde.   Band  XIV.  Nr.  15. 

82.  Pawloff.  Zur  Frage  der  sog.  Psorospermose  folliculaire  vege- 
tante  Darier.  Erganzungshefte  zum  Archiv  für  Dermatologie  und  Syphilis. 
1898.  11.  Heft,  p.  195  ff. 

88.  Josef  Frank  Pagne.  Ueber  einen  papulösen  acneformigen 
Ausschlag  mit  colloiden  Massen  wie  diejenigen  des  Molluscum  contagiosum. 
Monatshefte  für  prakt.  Dermatologie.  Band  14,  p.  68. 


Erklärung  der  Abbildnngen  auf  Tafel  ZIII. 

Fig.  1.  Leitz  Objectiv  lY.  Ocular  1.  a  Str.  comeum,  h  Str.  Malpighi, 
e  Str.  cylindricum,  d  Herde  kleinzelliger  Infiltration,  x  Boeck'sche  Lacune. 

Fig.  2.  Leitz  Objectiv  YII.  Ocular  1.  a  Str.  cylindricum,  b  Stratum 
denetatnm,  e  Str.  granulosum  mit  Eeratohyalinkömem,  d  Str.  comeum, 
e  Darier'sche  Zellen,  x  Boeck'sche  Lacune. 

Fig.  8.  Objectiv  VII.  Ocular  UI.  Ä,  1.  Petersen's  Schema:  a  Kern, 
b  Eemring,  e  Keratohyalinschicht,  d  Mantelring.  2.  und  8.  Zellen  mit 
starkem  Mantelring.  4.  u.  5.  Zellen  mit  starkem  Eemring.  6.  Endstadium 
der  Verhomung.  B.  1.,  2.,  8.,  4.  Verschmelzung  zweier  Zellen  in  einen 
gemeinsamen  Mantelring.    5.,  6.  Typen  der  Einschachtelung. 


Ein  Fall  von  Tuberculosis  cutis  verrucosa. 

Von 

Dr.  Julias  Heller,        ^^        Dn  Karl  Hirsch, 

AMiBtenten  des  Prof.  Dr.  G.  L«win.  AMisUAin  Charlottenburger  Krankenhaus. 

(Hierzu  Taf.  XIV.) 


Seitdem  im  Jahre  1886  Riehl  mid  Palt  auf  (Viertel- 
jahrsschrift für  Dermatologie  und  Syphilis)  das  Krankheitsbild 
der  Tuberculosis  cutis  verrucosa  gezeichnet  haben,  ist  die  Zahl 
der  veröffentlichten  Fälle  und  vor  Allem  die  der  Abbildungen 
eine  verhältnissmässig  kleine.  Durch  das  Entgegenkommen  des 
dirigirenden  Arztes  des  Charlottenburger  Krankenhauses  Herrn 
Dr.  Alt  sind  wir  in  der  Lage,  die  Casuistik  um  einen  interes- 
santen Fall  bereichern  zu  können.  Wir  sprechen  Herrn  Dr.  Alt 
für  die  Erlaubniss  zur  Veröffentlichung  der  Krankenbeobachtung 
unseren  besten  Dank  aus. 

Krankengeschichte  (Dr.  Hirsch). 

Karl  K,  37  J.,  Schlosser. 

Anamnese.  Der  Vater  und  die  älteste  Schwester  des  Fat.  sind 
an  Schwindsucht  gestorben.  Als  Kind  hat  Fat.  nur  Masern  gehabt;  1875, 
in  seinem  19.  Lebensjahr,  bekam  er  zuerst  eine  Lungenblutung,  lag  aber 
nur  3  Wochen  krank  und  konnte  nachher  seinem  Gewerbe  als  Schlosser 
wieder  nachgehen«  1879  wiederholte  sich  die  Lungenblutung ;  in  den  80er 
Jahren  hat  er  nur  ganz  vorübergehend  gekränkelt  und  stets  in  seinem 
anstrengenden  Gewerbe  als  Schlosser  gut  arbeiten  können.  Ende  der  80er 
Jahre  bemerkte  er  auf  der  Innenfläche  der  linken  Hand,  zwischen  Daumen 
und  Zeigefinger,  einen  Ausschlag,  der  mit  Bildung  kleiner  Warzen  anfing , 
und  sich  langsam,  aber  beständig,  der  Fläche  nach  ausbreitete;  Februar 
1892  suchte  er  wegen  Verschlimmerung  seines  Lungenleidens  die  Charite 
auf;   hier  wurde   dieser  Ausschlag   bemerkt   und   von    v.  Bardeleben 

Archiv  fttr  Dermatol.  u.  Syphil.  Band  XXVI.  27 


394  Heller  und  Hirsch. 

exstirpirt.  Nach  10  Tagen  war  die  Wunde  bis  auf  eine  kleine  Stelle, 
welche  noch  eiterte,  verheilt.  Aber  bereits  nach  5 — 6  Wochen  bemerkte 
Fat.  an  derselben  Stelle  wieder  das  Hervorwuchem  kleiner  Wärzchen. 
Seitdem  hat  sich  der  Ausschlag  peripherisch  bestandig  vergrössert.  Im 
Juni  1892  zeigte  sich  der  gleiche  Ausschlag  auch  am  Endglied  des  Daumens 
der  rechten  Hand.  Die  AfFection  schmerzte  mitunter  und  war  dem 
Patienten  bei  der  Arbeit  hinderlich.  Seit  Anfang  dieses  Jahres  ver- 
schlimmerte sich  sein  Lungenletden  wieder,  es  stellten  sich  Lungenblu- 
tungen ein.  Pat.  war  voü  der  Zeit  an  arbeitsunföhig.  Vor  10  Wochen 
biss  er  sich  aus  Versehen  in  die  Zunge;  die  kleine  Wunde  heilte  nicht; 
es  entstand  ein  Geschwür,  welches  beim  Essen  Schmerzen  verursachte. 
Seit  '/«  Jahr  ist  der  Pat.  heiser.  Im  Juni  1893  suchte  der  Pat  das  Char- 
lottenburger Krankenhaas  anfl 

Status  praesens.  Mitielgrosser ,  kraftig  gebauter  Mann,  der 
ziemlich  stark  abgemagert  ist  —  Stimme  stark  belegt  —  Thorax  flach  und 
lang;  Athmung  sehr  oberflächlich,  beschleunigt.  —  Beide  Fossae  infra- 
claviculares  sind  eingesunken,  besonders  die  rechte.  Beide  Spitzen  geben 
gedämpften  Percussionsschall  —  R.  V.  erstreckt  sich  die  Dämpfung  bis  zur 
Höhe  der  3.  Rippe.  Die  untere  Lungengrenze  steht  rechts  vom  am  un- 
teren Rand  der  5.  Rippe  —  das  Athemgeräusch  ist  über  der  rechten 
Spitze  deutlich  bronchial,  über  der  linken  vesiculär  mit  Rasseln  auf  der 
Höbe  des  Exspiriums.  R.  V.  0.  bis  zur  4.  Rippe  reichliches  feuchtes 
Rasseln,  weiter  unten  stark  abgeschwächtes  Athmen.  Hinten  ist  über  der 
Fos.sa  supraspinata  dextra  deutliche  Dämpfung  mit  scharfem  bronchialen 
Athmen,  das  sich  auch  noch  auf  die  Fossa  infraspinata  erstreckt.  Hier 
hört  man  auch  kleinblasiges  feuchtes  Rasseln,  R.  H.  ü.  abgeschwächtes 
Athmen  und  spärliches  Rasseln.  Der  sonstige  klinische  Befund  der  Brost 
und  Unterleibsorgane  ergibt  normale  Verhältnisse.  Temper.  37.  Gewicht 
57-5  Kgr. 

Am  linken  Zungenrand,  nahe  der  Zungenspitze  (2  Cm.  von  der- 
selben entfernt),  ein  massig  tiefes,  1  Cm.  langes,  7«  Cm.  breites  Geschwür 
mit  etwas  überragenden,  unregelmässigen,  meist  abgerundeten  Rändern, 
<1  essen  Grund,  wie  Ränder  von  deutlich  sichtbaren  grau  weissen,  durch- 
scheinenden miliaren  Knötchen  besetzt  sind. 

Auf  der  Volarfläche  der  linken  Hand,  den  ganzen  Thenar  ein- 
nehmend und  sich  einerseits  auf  die  Hautpartie  zwischen  Daumen  und 
Zeigefinger  bis  in  die  Nähe  des  Dorsum,  andrerseits  mit  einem  kleinen 
Zipfel  auf  die  radiale  Seite  der  ersten  Phalanx  des  Daumens  erstreckend, 
besteht  ein  eigenthumlicher  Hautausschlag.  Die  centrale  Partie  derselben, 
in  der  Grösse  eines  ÖMarkstücks,  wird  von  glatter,  dünner,  atrophischer, 
narbig  aussehender  Haut  eingenommen,  auf  welcher  die  fein?n  Riffe 
Jungen  völlig  verschwunden  sind.  Diese  Partie  wird  von  einer,  theils  aus 
epi:zen,  theils  aus  stumpfen  Wärzchen  bestehenden  Wucherung  begrenzt. 
Die  Warzon  stehen  stellenweise  vereinzelt,  sind  aber  gewöhnlich  in 
grösseren  Beeten  angeordnet.  Die  Begrenzung  ist  unregelmässig,  guir- 
landenförmig,  meist  ihre  Concavität  dem  Centmm  zukehrend.    Die  stärkste 


Ein  Fall  von  Tuberculosis  cutis  verrucosa.  3  95 

Anhäufung'  der  warzigen  Exorescenzen  befindet  sich  in  der  Hautfalte 
zwischen  Zeigefinger  und  Daumen.  Die  Farbe  der  Warzen  ist  schmutzig 
gelb,  zuweilen  braungelb.  Die  einzelnen  Excrescenzen  sitzen  ziemÜch  fast 
in  der  Haut,  lassen  sich  jedoch  bei  Anwendung  von  einiger  Gewalt  mit 
dem  Fingernagel  entfernen.  Nach  dieser  Irritation  sickert  aus  dem  Ge- 
webe etwas  Flüssigk^t  hervor.  Um  die  Wucherungen  befindet  sich  eine 
Zone  blau-roth  gefärbter  Haut.  (Auf  diese  deutlich  ausgesprochene  ent- 
zündete Umgebung  der  Wärzchen  sei  besonders  hingewiesen.)  Ausser 
dieser  Affection  befindet  sich  an  der  ulnaren  Flache  des  Endgliedes  des 
rechten  Daumens,  etwas  auf  die  volare  Fläche  übergreifend,  eine  ca. 
5Pfennigstück  grosse  Wucherung,  aus  dicht  nebeneinander  stehenden, 
breiten,  das  Hautniveau  deutlich  überragenden  Wärzchen  bestehend,  im 
übrigen  von  genau  der  gleichen  Beschaffenheit,  wie  die  vorhin  erwähnte 
Partie. 

Die  Stelle  am  Daumen  ist  auf  Druck  empfindlich.  Eiternde  oder 
nässende  Stellen  finden  sich  nirgends,  sollen  aber  nach  Angaben  des  Kranken 
bestanden  haben,  sobald  er  die  Hände  bei  der  Arbeit  benutzte. 

Am  Kehlkopf  lässt  sich  Verdickung  der  Epiglottis,  intensive 
Rothung  und  Schwellung  sowohl  des  Larynxeingang,  wie  der  gesammten 
Hichtbaren  Larynxschleimhaut  constatiren.  Die  Spitze  des  r.  Aryknorpels 
ist  ödematös  geschwollen,  stark  vergrössert,  tumorartig  hervorspringend. 
Von  den  falschen  Stimmbändern  ist  besonders  das  rechte  stark  intilt- 
rirt,  mit  einem  kleinen  Ulcus  versehen.  Die  wahren  Stimmbänder  sind 
stark  geröthet,  aber  ohne  Geschwüre. 

Fat.  klagt  über  lebhafte  Schling-  und  Schlackbeschwerden. 

Sputum  schleimig-eitrig,  geballt,  zeitweilig  mit  kleinen  Blutstreifen, 
5—8  Esslöffel  pro  Tag,  enthält  reichlich  Tuberkelbacillen. 

Die  Therapie  war  selbstverständlich  rein  symptomatisch.  Bei  dem 
schlechten  Allgemeinbefinden  war  es  unangebracht,  auch  nur  den  Versuch 
zu  machen,  die  den  Kranken  gar  nicht  belästigende  Hautaffection  thera- 
peutisch zu  beeinflussen.  Zur  Untersuchung  wurde  in  vivo  ein  Stück 
exstirpirt.  Bei  dieser  Probe-Excision  wurde  zur  Schliessung  der  kleinen 
Wunde  Jodoform  verwandt;  es  schien,  als  wenn  nach  der  Anwendung 
desselben  die  Wärzchen  sich  verkleinerten,  als  wenn  auch  hier  die  speci- 
fische  Wirkung  des  Jodoforms  auf  das  tuberculöse  Gewebe  sich  kundgab. 

Der  Verlauf  des  Lungenleidens  bietet  wenig  Interessantes.  Am 
16.  Juli  1893  trat,  nachdem  einige  Tage  vorher  die  Temperatur  auf  40* 
gestiegen  war,  der  Exitus  ein. 

Section  (Dr.  Hirsch).  Aus  dem  SectionsprotokoU  heben  wir  nur 
die  allerwichtigsten  Organveränderungen  hervor. 

Rechte  Lunge.  Die  Spitze  ist  so  fest  mit  der  Thorax  wand  ver- 
wachsen, so  dass  ihre  Herausnahme  nur  mit  der  Pleura  pulmonalis  zu- 
sammen gelingt.  Lunge  selbst  hochgradig  verkleinert,  die  Lappen  unter- 
einander verwachsen.  An  der  Spitze  bildet  die  Pleura  pulmonalis  mit  der 
costalis  zusammen  eine  ca.  2  Gm.  dicke  gelatinöse  Schwarte,  überlappen 
völlig  luftleer,  schiefrig  indurirt,  von  zahlreichen  narbigen  Partien  durchsetzt. 

27* 


396  Heller  und  Hirsch. 

Itai  Mittellappen  eine  wallnnssgrosse  Cayeme;  der  Unterlappen  ebenfalls 
fast  TöUig  luftleer;  auf  der  Scbnittfläche  zahlreiche  miliare  und  grossere 
käsige  Herde. 

Linke  Lunge  hypervolaminös,  im  ünterlappen  gut  lufthaltig;  an 
der  Aussenflftche  des  Oberlappens  eine  tief  eingezogene  narbige  Partie. 
Beim  Betasten  sind  in  der  ganzen  Lungensubstanz  zahlreiche  grössere  und 
kleinere  Knoten  durchfuhlbar.  Oberlappen  stark  schiefrig  indurirt,  in  ihm 
eiine  wallnnssgrosse,  Yon  einer  weisslichen  Membran  ausgekleidete  Ga- 
veme.  —  Der  ünterlappen,  braunroth,  enthält  nur  spärlich  käsige  Herde  — 
die  Lymphdrüsen  am  Hilus  und  längs  der  grösseren  Bronchien  sind 
schiefrig  indurirt. 

In  Milz,  Kieren,  Leber,  Darm  keine  auf  Tuberculose  zu  beziehende 
Veränderungen. 

Auf  der  Zunge  befindet  sich  das  oben  genauer  beschriebene  Ulcus 
tuberculosum. 

Kehlkopf.  An  der  hintern  Fläche  der  Epiglottis  und  zwar  mehr 
an  der  Basis  beginnt  eine  Wucherung,  welche  fast  den  ganzen  Introitus 
bis  zu  den  Taschenbändem  einnimmt.  Die  Wucherungen  sind  grauweiss 
bis  grauroth,  an  der  Oberfläche  zerklüftet,  von  Linsen-  bis  Stecknadelkopf- 
grösse. Auf  einem  falschen  Stimmbande  eine  kleine  Ulceration.  Unter- 
halb der  Glottis  bis  tief  in  die  Trachea  hinein  kleinere  und  grossere 
tuberculose  ülcerationen. 

Höchst  interessant  war  die  wahrscheinliche  Entstehungs- 
geschichte der  Handaffection.  Der  Patient  pflegte  bei 
seiner  Arbeit,  um  die  glatten  Instrumente  besser 
halten  zukönnen,  sichin  die  linkeHand  zu  spucken 
und  mit  der  rechten  den  Speichel  zu  verreiben.  Mit 
der  Klarheit  eines  Experimentes  sind  alle  Bedin- 
gungen zur  Infection  gegeben. 

Die  Haut  eines  seit  Jahren  tuberculösen  Mannes  darf 
wohl  als  ein  geeigneter  Nährboden  für  das  Gedeihen  der 
Tuberkelbacillen  betrachtet  werden.  Eingangspforten,  in  Gestalt 
kleiner  Risse  und  Schrunden,  hat  der  Kranke  als  Schlosser 
natürlich  genügend  gehabt.  Tuberkelbacillen  enthielt  das  Spu- 
tum und  dem  entsprechend  der  Speichel  in  ausreichender  Menge. 
Wie  infectiös  der  Speichel  gewesen  ist,  geht  wohl  am  besten 
daraus  hervor,  dass  eine  vom  Speichel  umspülte,  an  sich  ganz 
unbedeutende  Bisswunde  der  Zunge  sich  in  ein  tubercnlöses 
Geschwür  umwandelte.  Diese  infectiöse  Flüssigkeit  wurde  durch 
das  Verreiben  des  Speichels  in  den  Handflächen  durch  die 
lüsse  der  Haut  in  die  Lymphbahnen  des  Gewebes  gewisser- 
massen  hineingepresst.     Wir  halten  diese  Entstehungsweise  der 


Ein  Fall  von  Tuberculosis  cutis  yerrucosa.  397 

Hauttuberculose  in  unserem  Falle  für  um  so  wahrscheinlicher, 
als  die  A£fection  gerade  an  denjenigen  Stellen  der  Hohlhand 
entstanden  ist,  in  welche  beim  Verreiben  des  Speichels,  wie 
man  sich  leicht  überzeugen  kann,  die  Flüssigkeit  mit  der 
grössten  Gewalt  gepresst  wurde. 

Es  erschien  uns  von  Bedeutung,  genau  auf  die  Entstehung 
der  Hauttuberculose  in  unserem  Falle  hinzuweisen,  zumal  da 
analoge  Beobachtungen  in  der  Literatur  uns  nicht  bekaimt  sind. 

Mikroskopische  Untersuchung.  (Dr.  Heller.) 

Zur  mikroskopischen  Untersuchung  wurden  sowohl  in  vivo 
exstirpirte  Hautstücke,  als  auch  Theile  von  der  bei  der  Section 
völlig  herausgeschnittenen  erkrankten  Hautpartie  verwendet.  Die 
Härtung  geschah  in  Alkohol  und  theilweise  in  Müller'scher 
Flüssigkeit,  die  Einbettung  meist  in  ParafSn,  seltener  in  Celloidin. 
Abgesehen  von  der  Höhe  der  warzigen  Efflorescenzen  boten  die 
mikroskopischen  Bilder  der  verschiedenen  Hautstücke  wenig 
Verschiedenheiten  dar,  so  dass  die  Darstellung  auf  die  Gesammt- 
affection  bezogen  werden  kann. 

Zur  Färbung  wurde  Alaun-Carmin,  Borax-Carmin,  Haema- 
toxylin,  Eosin-Haematoxylin,  Orcem,  die  Ehrlich'sche  Mast- 
zellenfärbung, die  Ehrlich'sche  Triacidlösung  (Grübler), 
ZiehTsches  Carbol-Fuchsin-Methylenblau  verwendet. 

Bei  der  Beschreibung  von  Hautaffectionen  ist  es  allgemein 
üblich,  mit  der  Schilderung  der  obersten  Schicht  zu  beginnen 
und  allmälig  zu  der  tiefer  gelegenen  überzugehen.  Wir  möchten 
um  der  Klarheit  der  Darstellung  willen  von  diesem  Schema 
abweichen  imd  gleich  mit  der  charakteristisch  erkrankten  Partie 
der  Haut  uns  beschäftigen. 

Das  ganze  Corium  bis  zum  Unterhautfettgewebe  zeigt 
eine  starke  Vermehrung  der  Kerne;  zweifellos  liegt  eine  allge- 
meine entzündliche  Reizung  vor.  Dementsprechend  erscheinen 
auch  die  Gefässe  strotzend  mit  Blut  gefällt,  an  vielen 
Stellen  erweitert  zu  sein.  An  den  Capillaren  kann  man  deutlich 
den  Austritt  der  Leucocythen  beobachten.  Besonders  auffallig 
ist  das  Bild  in  der  Gegend  der  später  näher  zu  beschreibendeu 
TuberkeL  Wie  Leitfaden  ziehen  die  erweiterten  Capillaren  aus 
der  Tiefe  des  Coriums  zu    dem  Tuberkel  hin.    Die  grösseren 


396  Heller  und  Hirsch. 

Gefasse,  vor  allem  die  im  senkrecht  auf  ihrer  Längsaxe  verlau- 
fenden Querschnitt  getroffenen,  haben  stark  verdickte  Wände, 
in  denen  eine  Kernvermehrung  zu  constatiren  ist  Elastische 
Fasern,  die  bei  Anwendung  der  Tänzer-Unna'schen  Orcein- 
färbung  recht  deutlich  hervortreten,  fanden  sich  in  den  tieferen 
Schichten  der  Cutis  wohl  in  normaler  Menge ;  in  den  eigentlich 
vorwiegend  erkrankten  subpapillären  Theil  der  Lederhaut  waren 
sie  entsprechend  der  tuberculösen  Neubildung  fast  ganz  zu  Grunde 
gegangen.  Während  man  zwischen  dem  tuberculösen  Gewebe 
noch  deutlich  in  mit  Triacidlösung  gefärbten  Präparaten  kleine 
.feine  Züge  von  Bindegewebe  —  kenntlich  an  der  rothen 
Färbung  der  Bindegewebe  überhaupt  inmitten  der  grün  tin- 
girten  Rundzellen  —  erkennen  konnte,  fehlten  elastische  Fasern, 
die  in  den  Triacidpräparat  sich  durch  ihre  Brechungsverbält- 
nisse,  in  den  Orce'inschnitten  durch  ihre  Tinction  hätten  be- 
merkbar machen  müssen.  Auch  Mastzellen  konnten  im  Bezirk 
des  tuberculösen  Gewebes  nicht  gefunden  werden,  während  sie 
in  dem  Corium  zwischen  den  Schweissdrüsen  und  dem  subpa- 
pilaren  Theil  der  Haut  recht  zahlreich  sich  fanden.  Es  sei  bemerkt 
dass  die  Mastzellen  auffallig  schön  in  den  auf  Tuberkelbacillen 
mit  Carbolfuchsin- Methylenblau  gefärbten  Schnitten  hervor- 
traten. Ob  hier  eine  Vermehrung  oder  Verminderung  der 
Mastzellen  vorlag,  ist  nicht  zu  entscheiden,  da  bisher  jeder 
Massstab  für  das  Normale  fehlt. 

Die  Schweissdrüsen  erschienen  in  unseren  Präparaten  sehi* 
gut  entwickelt  und  völlig  unverändert  Die  grosse  Zahl  der- 
selben ist  wohl  auf  die  Eigenart  der  untersuchten  Haut- 
partien (Vola  manus)  zurückzufuhren.  In  Folge  der  anato- 
mischen Beschaffenheit  unseres  Untersuchungsobjectes  können 
wir  Beobachtungen  über  Talgdrüsen  und  Haare  nicht  mittheilen. 

Die  charakteristischen  Veränderungen  finden  sich,  wie 
auch  Riehl  und  Paltauf  hervorheben,  in  der  Papillär-  und 
Subpapillar-Schicht.  In  der  letzteren  liegen  Gebilde,  die  man 
ohne  weiters  als  Tuberkel  bezeichnen  kann.  Unmittelbar  unter 
dem  Retezapfen  finden  sich  grosse  Infiltrate,  die  aus  Rund- 
zellen bestehen,  die  sich  in  den  peripherischen  Schnitten  wenig 
von  den  Leucocythen  unterscheiden.  In  den  centralen  Theilen 
werden  die  Zellkerne  spindelförmig,   die  einzelne  Zelle   besitzt 


Ein  Fall  von  Tuberculosis  cutis  verrucosa.  399 

mehr  Protoplasma.  Im  Centrum  sind  Zellen  mit  gut  färbbaren 
Kernen  nur  späxlich  Torhanden,  dagegen  'wiegt  eine  bröcklige 
Masse  vor.  Letztere  färbt  sich  prächtig  mit  Eosin  roth  und 
tritt  damit  in  einen  scharfen  Gegensatz  zu  den  mit  Haema- 
toxylin  intensiv  blau  tingirten  Kernen.  Vom  Bindegewebe  unter- 
scheidet sich  diese  Substanz  durch  die  mangelnde  Structur. 
Es  sei  erwähnt,  dass  bei  Tricacidfärbung  diese  Masse  unge- 
färbt bleibt,  während  das  Bindegewebe  und  speciell  die  ein- 
zelnen im  Tuberkel  resistirenden  Bindegewebszüge  stark  roth 
tingirt  werden.  Zweifellos  stellt  diese  bröcklige  Substanz  den 
Terkästen  Theil  des  Tuberkels  dar.  Gelegentlich,  durchaus 
jedoch  nicht  regelmässig  konnten  in  den  yerkästen  Partien 
Biesenzellen  nachgewiesen  werden.  Dieselben  hatten  10 — 12  wand- 
ständige Kerne.  Ausser  diesen,  wir  möchten  sagen,  organisirten 
Tuberkeln,  finden  sich  noch  Infiltrate,  Ansammlungen  von  Rund- 
zellen, von  ganz  unregelmässiger  Form.  Zuweilen  sind  die 
stark  entwickelten  Papillen  infiltrirt,  zuweilen  sind  in  der  sub- 
papillären Schicht  der  Cutis  längere,  im  Schnitt  parallel  zur 
Hautoberfläche  verlaufende  Partien  völlig  mit  Rundzellen 
durchsetzt  Ueber  die  specielle  Natur  der  letzteren  können 
wir  wenig  Angaben  machen.  Es  sei  nur  hervorgehoben,  dass 
in  den  stark  hypertrophirten,  infiltrirten  Papillen  sich  wenig  Mast- 
zellen fanden,  während  dieselben  in  den  hypertrophischen  Pa- 
pillen spitzer  Condylome  ausserordentlich  häufig  sind. 

Selbstverständlich  ist  der  geschilderte  Entzündungszustand 
der  subpapillaren  Schichte  an  den  verschiedenen  Stellen  ein 
verschiedener.  Es  gibt  Partien,  wo  nur  ganz  geringe  Zeichen 
der  Erkrankung  vorliegen ;  für  ganz  gesund  möchten  wir  keinen 
Theil  der  untersuchten  Haut  erklären.  Wir  glauben  auch,  dass 
es  kein  Zeichen  gibt  festzustellen,  ob  eine  nur  geringe  Verän- 
derungen darbietende  Hautstelle  erst  jüngst  erkrankt  oder  in 
Heilung  begriffen  ist,  da  wir  Narbenbildung  nicht  haben  fest- 
stellen können. 

Der  eigentliche  Papillarkörper  zeigt  wichtige,  das  makro- 
skopische Aussehen  der  Affection  erklärende  Veiünderungen. 
Es  finden  sich  Papillen  von  Tö  Mm.  Länge  und  Vj  Mm.  Breite 
(1400 — 1555  iJL  Länge,  515  ^  Breite).  Die  meisten  Papillen  im 
erkrankten  Bezirk  haben  Verzweigungen  und  Ausbuchtungen. 


400  Heller  und  Hirsch. 

Auf  die  Randzellen-Infiltrate  in  den  Papillen  haben  wir  schon 
hingewiesen.  Selbstverständlich  sind  auch  alle  in  die  hyper- 
trophischen and  im  Zustande  der  Entzündung  befindlichen 
Papillen  hineinziehenden  Blutgefässe  erweitert  und  verdickt. 

Der  Configuration  des  Papillarkörpers  schliesst  sich  das 
Rete  Malpighi  an.  Die  innige  Verbindung  beider  Theile  der 
Haut  veranlasste  Kromayer,  dieselben  als  eine  zusammen- 
gehörende Schicht  (Parenchym  der  Haut)  aufzufassen.  Man 
kann  in  der  That  die  Vergrösserung  der  Papillen  nur  aus  der 
entsprechenden  Vergrösserung  des  Retezapfens  erkennen.  Weder  I 

die  eigentlichen  Stachelzellen  des  Rete  noch  die  Cylinderzellen  , 

der  Basalschicht  zeigen  an  sich  qualitative  Besonderheiten. 
Dagegen  ist  quantitativ  eine  gewaltige  Vermehrung  derselben, 
eine  beträchtliche  Verdickung  der  ganzen  Schicht  zu  constatireiL 
Zuweilen  sieht  man  Rundzellen  inmitten  der  Epithelien  des 
Rete.  Wichtig  dagegen  sind  inmitten  des  Rete  kleine  Heerde 
von  Rundzellen,  die  in  der  Mitte  keine  Verkäsung  zeigen.  Siie 
liegen  so  nahe  unter  der  Oberfläche,  dass  sie  ohne  weiteres 
als  anatomischer  Ausdruck  der  klinisch  beobachteten  oberfläch- 
lichen Eiterherde  betrachtet  werden  können.  Bei  leichter 
Reizung  (Berufsarbeit)  wird  die  dünne,  schützende  Epitheldecke 
entfernt  und  ein  Abscess  ei^iesst  seinen  Inhalt  auf  die  Haut- 
oberfläche. Es  entsteht  so  eine  Kruste,  nach  deren  Entfernung 
eine  Rhagade. 

Ueber  das  Stratum  granulosum  und  Stratum  lucidum  ist 
wenig  zu  sagen.  Es  sei  hervorgehoben,  dass  wir  eine  Verdickung 
des  Stratum  granulosum  im  Gegensatz  zu  anderen  Autoren 
nicht  immer  constatiren  konnten.  An  einzelnen  Stellen  waren 
allerdings  5 — 6  anstatt  der  normalen  3 — 4  über  einander  lie- 
gende Zellreihen  vorhanden. 

Gewaltige  Dimensionen  hat  das  Stratum  comeum  wenig- 
stens an  vielen  Stellen  angenommen.  Es  besteht  aus  Lamellen 
verhornter  Epithelien,  zwischen  denen  sich  Exsudatmassen  und 
Ansammlungen  von  Zellen  mit  noch  theilweise  färbbaren  Kernen 
finden.  Die  Hommassen  haben  zuweilen  eine  Mächtigkeit  von 
1*4  Mm.  (1400  fi).  Nicht  selten  findet  man  zwischen  2  grossen, 
etwas  von  einander  abgedrängten,  weit  über  das  Niveau  hervor- 
ragenden Papillen  zapfenartige  Hommassen,  die  schichtenweisß 


Ein  Fall  von  Tuberculosis  cutis  verrucosa.  401 

aus  wenig  farbbaren  homogenen  „Hom"  and  aus  besser  farb- 
baren Epithelien  bestehen;  eine  Anordnung,  wie  wir  sie  in 
ähnlich  yollendeter  Weise  nur  bei  einem  Fall  von  Lupus  ery- 
thematodes der  Hand  gesehen  haben.  Gelegentlich  wurden 
Epithelperlen  wie  bei  allen  Homgebilden  gesehen.  Es  sei  darauf 
hingewiesen,  dass  die  Triacidlösung  auch  ein  gutes  Reagens  auf 
Hom  zu  sein  scheint.  Die  gesammte  Homsubstanz  nimmt  bei 
Färbung  mit  verdünnter  Triacidlösung  ein  dunkel  blau-violettes 
Colorit  an. 

Wir  möchten  schliesslich  noch  kurz  auf  den  anatomischen 
Befand  der  centralen  Narbe  hinweisen.  Das  Corium  besteht 
aus  einem  ausserordentlich  dichten  Bindegewebe,  in  dem  relativ 
wenig  elastische  Fasern  (Orceinfärbung)  vorhanden  sind.  Die 
Gefässe  sind  verdickt,  Vermehrung  der  Kerne  des  Bindegewebes 
ist  augenscheinlich.  Im  Uebrigen  sind  alle  Schichten  der  Haut 
als  normal  zu  betrachten.  Das  Stratum  corneum  ist  verhältniss- 
mässig  dünn.  Die  Schweissdrüsen  erscheinen  auch  hier  völlig 
unverändert,  ein  Beweis,  dass  auch  an  den  Stellen,  an  denen 
der  Erankheitsprocess  abgelaufen  ist,  die  Entzündung  zu  keiner 
Zeit  bis  zu  der  Tiefe  der  Schweissdrüsen  vorgedrungen  ist. 

Wer  unsere  Schilderung  mit  den  Darstellungen  von  Riehl 
und  Paltauf,  Brugger  u.  A.  und  vor  Allem  unsere  Mikro- 
photographien mit  der  Zeichnung  der  erstgenannten  Autoren 
vei^gleicht,  wird  mit  uns  an  der  anatomischen  Diagnose  Tuber- 
culosis cutis  verrucosa  nicht  zweifeln,  trotzdem  uns  ein 
Moment  zur  exacten  Diagnose  fehlt,  nämlich  der  Nachweis  der 
Tuberkelbacillen.  Wir  haben  etwa  20  Schnitte  aus  verschiede- 
nen Stücken  nach  der  Koch -Ehrlich 'sehen  und  nach  der 
ZiehTschen  Methode  auf  Bacillen  vergeblich  durchsucht.  Wir 
fanden  wiederholt  rothgefärbte  Stäbchen,  die  bei  nicht  sehr 
strenger  Kritik  als  Tuberkelbacillen  hätten  passiren  können.  Wir 
haben  uns  jedoch  wegen  Diflferenzen  in  Grösse,  Form  und  La- 
gerung nicht  dazu  entschliessen  können,  diese  Gebilde  als 
Tuberkelbacillen  aufzufassen.  Ob  noch  weiter  fortgesetzte  Unter- 
suchungen nicht  doch  schliesslich  positive  Resultate  ei^eben 
hätten,  lassen  wir  dahingestellt.  Jedenfalls  bedarf  nach  unseren 
Befunden  die  Ansicht  von  Riehl  und  Pal  tauf,  dass  die  Tu- 
bercidosis   cutis  verrucosa  in  Bezug  auf  die  Zahl  der  mikro- 


402  Heller  und  Hirsch. 

skopisch  nachweisbaren  Tuberkelbacillen  zwischen  Miliartuber- 
culose  und  Lupus  steht,  der  Modification. 

Von  sonstigen  Mikroorganismen  fanden  wir  nur  in  den 
obersten  Schichten  der  Epidermis  einige  Coccen,  einen  Befand 
auf  den  wir  naturgemäss  weiter  keinen  Werth  legen. 

Dif  f  erentialdiagnos  e. 

Die  eingehende  Schilderung  des  mikroskopischen  und  kli- 
nischen Befundes  gestattet  uns,  bei  der  Besprechung  der  DifiFe- 
rentialdiagnose  kurz  zu  sein.  Gegen  eine  vulgäre  progressive 
Warzenbildung  spricht  der  anatomische  Befund.  Aber  auch  die 
Wachsthumsentwicklung  ist  bei  beiden  Affectionen  eine  ver- 
schiedene. Warzen  pflegen  sich  durch  Neubildungen  in  der 
Contignität,  wenn  die  Einzelefflorescenzen  eine  gewisse  Grösse 
erreicht  hat,  auszubreiten.  Ein  bestimmtes  peripherisch  fort- 
schreitendes Wachsthum  unter  Heilung  des  Centrums  kommt 
bei  der  progressiven  Warzenbildung  nicht  vor.  Syphilis  ist 
anamnestisch  und  klinisch  auszuschliessen.  Mit  einer  auch  in 
der  Handfläche  vorkonmienden,  durch  die  Bildung  horniger 
Massen  ausgezeichneten  Art  der  Syphilis  hat  jüngst  G.  Lewin 
sich  eingehend  beschäftigt  (üeber  Clavi  syphilitici,  dieses  Archiv 
Heft  I,  1893).  Der  eine  von  uns,  J.  Heller,  hat  als  Assistent 
G.  Lewin 's  zum  eingehenden  Studium  der  Syphilide  der  Vola 
manus  Gelegenheit  gehabt.  Weder  klinisch  noch  anatomisch 
besteht  auch  nur  die  geringste  Aehnlichkeit  zwischen  der  von 
uns  geschilderten  Affection  und  der  sog.  Syphilis  comea.  An 
eine  tertiäre  gummöse  Form  der  Syphilis  ist  erst  recht  nicht  zu 
denken.  Den  serpiginösen  Exanthemen  fehlt  die  hypertrophische 
Hornbildung,  bei  gummösen  Hautsyphiliden  pflegt  es  zu  tiefer 
greifenden  Ulcerationen  zu  kommen.  Eine  gewisse  Aehnlichkeit 
hat  unsere  Affection  mit  dem  Lupus  comeus.  Der  letztere 
bewirkt  jedoch  grössere  Geschwürsbildungen,  heilt  unter  Hinter- 
lassung starrer  keloidähnlicher  Narben,  zeigt  in  der  Narbe 
fast  regelmässig  recidivirende  kleine  Knötchen.  In  unserem 
Fall  dagegen  war  die  centrale  Narbe  sehr  fein,  eigentlich  nur 
an  dem  Fehlen  der  Hautriffelung  erkennbar,  frei  von  jedem 
Kecidivknötchen. 


Ein  Fall  von  Tuberculosis  cutis  verrucosa.  403 

Es  lässt  sich  also  auch  per  exclusionem  die  Diagnose 
Tuberculosis  cutis  verrucosa  stellen. 

Wir  beschränken  uns  darauf,  unseren  Fall  als  Beitrag  zur 
Casuistik  zu  verwerthen,  nicht  nur  wegen  einiger  mikroskopischer 
Details,  sondern  vor  Allem  wegen  seiner  Aetiologie. 


Erkl&mng  der  Abbildungen  auf  Taf.  ZIV. 

L  Photographie  der  linken  Hand ;  aufgenommen  im  directen  Sonnen- 
licht; ungefähr  Lebensgrösse. 

n.  Mikrophotographie:  Yergrösser.  Seibert  Ooular  periskopisch I, 
Objectiv  L  Färbung  Eosin,  Haematoxylin.  a  Stratum  comeum,  b  Bete 
Malpighi,  e  Abscess  im  Bete  Malpighi,  d  Infiltrirtes  Gorium  (subpapillftre 
Zone),  e  Tuberkel  mit  Biesenzelle,  /  Gefass,  g  SchweissdrüseUi  h  Gorium 


Ans  der  kgL  üniTorsititskliiiik  für  Syphilis  und  Hantkranb 
heiten  des  Gtoheimrath  Prof.  Sr.  Dontrelepont  ssn  Bonn. 


Ueber  Tuberculosis  verrucosa  cutis. 

Von 

Dr.  Ernst  Kniekenberg, 

AMlstensarst  der  Klinik  fllr  Haatkrankheiten  la  Bonn. 


Seitdem  im  Jahre  1886  Riehl  und  Paltauf  unter  dem 
Namen  „Tuberculosis  verrucosa  cutis^  ^)  eine  Form  der  Haut- 
tuberculose  aufgestellt  haben,  die  sich  makroskopisch  wie  mi- 
kroskopisch genügend  scharf  von  den  bis  dahin  angenommenen 
Formen  von  Erkrankung  der  Haut  an  Tubercidose,  des  Lupus, 
Scrophuloderma  und  der  Tuber culose  der  Haut  xor^  ^^oiCV 
unterscheiden  soll,  hat  sich  die  allgemeine  Aufmerksamkeit 
mehr  als  zuvor  den  Erkrankungen  zugewandt,  die  einen  Theil 
oder  aUe  zu  jener  besonderen  Erscheinungsform  der  Hauttuber- 
culose  geforderten  Symptome  boten. 

Herr  Geheimrath  Prof.  Dr.  Dontrelepont,  dem  ich 
nicht  verfehle  an  dieser  Stelle  hierfür  meinen  verbindlichsten 
Dank  auszusprechen,  hat  mir  nun  auch  das  Material  der  hie- 
sigen Klinik,  das  so  ausserordentUch  reich  ist  an  den  verschie- 
densten Erkrankungsformen  von  Tuberculose  der  Haut,  zur 
Durchsicht  auf  ähnliche  oder  verwandte  Erkrankungen  über- 
lassen. 


*)  Tuberculosis  verrucosa  cutis.  Eine  bisher  noch  nicht  beschriebene 
Form  von  Hauttuberculose  von  Dr.  G.  R  i  e  h  1  und  Dr.  R.  P  a  1 1  a  u  f.  Viertel- 
jahresflchrift  fiir  Dermatologie  und  Syphilis.  1886. 


406  Knickenberg. 

Riehl  und  Pal  tauf  sahen  die  von  ihnen  „Tuberculosis 
verrucosa  cutis''  bezeichnete  Affection  meist  bei  kräftigen 
Leuten  im  besten  Alter  (19 — 45  Jahre)  und  zwar  durchweg  bei 
solchen  Individuen,  deren  Beruf  fortgesetzte  Beschäftigung  mit 
Hausthieren  oder  thierischen  Producten  mit  sich  brachte.  Sie 
sahen  die  Affection  an  der  Dorsalfläche  einer  oder  beider  Hände, 
der  Streckseite  der  Finger,  d^n  Zwisch^nfiz^rflalteB,  in  selte- 
neren Fällen  an  der  Vola  manus  oder  den  unteren  Theikn  des 
Vorderarmes,  und  es  fanden  sich  meist  nur  ein  oder  wenige  in 
der  Art  erkrankte  Stellen.  Wie  die  Affection  beginnt,  war  nicht 
festzustellen,  da,  wie  sie  sagen,  „man  kaum  jemals  Gelegenheit 
hat  das  erste  Auftreten  der  Erkrankung  an  der  vorher  gesunden 
Haut  zu  beobachten^.  So  waren  denn  auch  die  von  genannten 
Autoren  beobachteten  Fälle  alle  in  voller  Entwicklung  oder 
schon  im  Stadium  der  Rückbildung.  Die  ^Plaques^  waren  dann 
von  Linsen-  bis  Thalergrösse  mit  rundlicher  oder  ovaler  Be- 
grenzung oder  stellten  durch  Zusammenfliessen  an  einander 
grenzender  Stellen  serpiginöse  Formen  dar,  deren  Wachsthum 
stets  peripher  erfolgte. 

Was  nun  das  Aussehen  der  einzelnen  erkrankten  Partien 
selbst  angeht,  so  sind  sie  umgeben  von  einem   schmalen  heu- 
rothen  Saume,  der  sich  noch  kaum   über  das  Niveau  der  nor^ 
malen  Haut  erhebt.    Centralwärts  von  diesem  findet  sich  eine 
Zone  kleiner  Pustelchen  oder   als  deren  Beste   kleiner  gelber 
Krusten.    Nun  folgen  weiter  nach   dem  Centrum  der  Plaques 
hin  die  Erscheinungen,  welche  das  unregelmässig  warzige  Aus- 
sehen der  Oberfläche  bedingen  und  den  Beinamen  „verrusosa** 
der  Affection  veranlasst  haben,  nämlich  papillomatöse  Auswüchse, 
die  am  Rande  weniger  hoch,  im  Centrum  eine  Höhe  von  5 — 7  Mm. 
erreichen.  Die  braunrothe  Farbe  dieser  Partie  wird  durch  auf- 
gelagerte   Krusten    und    verhornte    Epidermislagen    verdeckt. 
Drüsenmündungen  und  Haarfollikel,  die  im  Bereich  des  äusseren 
Saumes  noch  vorhanden  sind,  fehlen  in  den  centraleren  Theilen 
voll    entwickelter   Plaques.     Zwischen    den  kleinen  Höckerchen 
zeigen  sich  Erosionen,    Rhagaden  und  kleine  Pusteln;  auf  seit- 
lichen  Druck   treten    zwischen    den    papillären    Excrescenzen 
wie  aus  einem  Sieb  Eitertröpfchen  aus.     Gegen  ihre  Unterlage 
lassen  sich  die  Plaques  immer  leicht  verschieben. 


Ueber  Tuberculosis  verrucosa  cutis.  407 

Der  Verlauf  der  Affection  ist  ein  äusserst  chronischer, 
und  das  Bild  derselben  kann  lange  Zeit  dasselbe  bleiben.  Schwel- 
lung und  Rothung  als  Zeichen  acuter  Entzündung  treten  selten 
intercurrent  auf,  und  es  bleibt  nach  deren  Ablauf  das  frühere  Bild. 

Nachdem  die  Plaques  das  Stadium  der  Acme,  wie  es  sich 
durch  das  eben  beschriebene  Aussehen  zu  erkennen  gibt,  über- 
schritten haben,  tritt  mit  dem  Flacherwerden  bis  zu  gänzlichem 
Schwinden  der  warzigen  Excrescenzen  im  mittelsten  Theile  der 
erkrankten  Stellen,  mit  dem  Fehlen  der  kleinen  Abscesse  zwischen 
den  papillären  Auswüchsen  und  der  endlichen  Vernarbung  das 
Stadium  der  Rückbildung  ein.  Es  bleibt  eine  dünne  weiche 
Narbe,  die  ganz  oberflächlich  gelegen  ist  und  durch  ihr  „sieb- 
förmig  durchlöchertes  oder  fein  netzförmiges  Aussehen^  auffallt. 

Mikroskopisch  sahen  Riehl  und  Paltauf  eine  in  un- 
regelmässigen Lamellen  mächtig  entwickelte  Homschicht,  die 
auch  „in  kryptenförmige  Einsenkungen  an  der  Basis  der  Papil- 
lome"* hinabzielit.  Besonders  stai'k  erscheint  das  Homlager  über 
den  Kuppen  der  kleinen  Höcker,  ähnlich  den  Befunden  bei 
Ichthyosis  hystrix.  An  einzelnen  Stellen  sieht  man  zwischen 
verhornten  Epidermislagen  eingetrocknete  Exsudatmassen,  in 
denen  sich  die  Kerne  noch  theilweise  färben,  und  Detritus  in 
bald  geringerer,  bald  grösserer  Menge.  An  den  einzelnen  Schich- 
ten der  Epidermis  waren  bedeutendere  Veränderungen  nicht 
nachweislich,  nur  die  Stachelzellenschicht  stärker  entwickelt 
und  die  interpapillären  Retezapfen  entsprechend  der  starken 
Wucherung  der  Papillen  kolbig  oder  fingerförmig  in  die  Tiefe 
gehend.  Besonders  in  der  Nähe  der  kleinen  Abscesschen,  aber 
auch  sonst,  zeigt  sich  eine  mehr  oder  weniger  starke  Durch- 
setzung des  Rete  Malpighii  mit  Rundzellen. 

Wesentlichere  Veränderungen  weist  das  Corium  in  seinen 
obersten  Schichten  auf  (Papillen  und  dem  Gebiete  des  Stratum 
vasculosum  subpapillare).  Hier  finden  sich  theils  einzeln  stehende, 
theils  unregelmässig  zusammengeflossene,  horizontal  ausgebrei- 
tete „Herde  von  Zellinfil traten",  die  stellenweise  auch  in  die 
stark  vergrösserten  Papillen  reichen.  In  der  Umgebung  der 
Herde  ist  an  mehr  oder  weniger  starker  Zellinfiltration  ein 
chronisch  entzündlicher  Zustand  des  Gewebes  erkennbar.  Das 
Stratum  vasculosum  subpapillare  ist  in  seiner  typischen  Gefäss- 


408  Knickenberg. 

aaordnuBg  nicht  mehr  vorhanden,  dagegen  finden  sich  weite 
Capillaren  in  regelloser  Yertheilong.  Die  tieferen  Schichten  der 
Cutis  und  das  Subcutangewebe  werden  von  den  Infiltraten  nicht 
erreicht.  Talgdrüsen  finden  sich  im  Bereich  der  Infiltrate  nicht 
mehr;  die  Schweissdrüsen  sind  in  einzelnen  Gängen  etwas 
cystös  erweitert,  im  ganzen  aber  ohne  wesentliche  Veränderungen- 

Was  nun  die  genannten  Herde  selbst  angeht,  so  sind  die- 
selben meist  rundlich  oder  aus  den  ursprünglich  rundlichen 
Herden  zusammengeflossen  und  gleichen  mit  einer  peripheren 
Schicht  von  Rundzellen,  mit  epitheloiden  und  Riesenzellen 
in  ihrem  Aufbau  ganz  den  Riesenzellentuberkeln. 

An  einzelnen  Stellen,  besonders  um  das  imtere  Ende  der 
interpapillären  Zapfen,  ist  Eiterung  nachweislich,  die  zu  Abhe- 
bung und  Durchbrechung  der  Epidermis  an  den  betrefiFenden 
Stellen  führen  kann  und  der  Ursprung  der  Eitertröpfchen  ist, 
die  sich  zwischen  den  papillären  Auswüchsen  ausdrücken  lassen. 

In  den  jüngeren  Theilen  der  Plaques  überwiegen  die  ent- 
zündlichen Erscheinungen,  an  älteren  Partien  treten  dieselben 
im  Gegensatz  dazu  mehr  zurück;  die  krankhaft  veränderte 
Zone  erscheint  schmaler,  der  Kernreichthum  geringer. 

Das  in  diesen  Befunden  schon  genügend  sichere  Bild  der  Tu- 
berculose  erfährt  seine  Vervollständigung  durch  den  Befund  von 
Tuberkelbacillen  sowohl  in  den  Riesenzellen  und  in  den  epithe- 
loiden Zellen,  als  seltener  frei  im  Gewebe  zerstreut,  meist  nur 
sehr  vereinzelt;  in  einem  Falle  wurden  sie  in  grösserer  Menge 
bei  einander  liegend  gefunden.  Im  allgemeinen  aber  waren  in 
jedem  Schnitte  von  in  voller  Entwicklung  befindlichen  Plaques 
mehrere  Bacillen  nachweisbar.  Ausserdem  fanden  sich  in  Schnit- 
ten von  Stellen  mit  acuter  Entzündung  Coccen,  bald  mehr  ein- 
zeln, bald  in  grösseren  Häufchen  bei  einander,  und  regelmässig 
wurde  noch  eine  zweite  grössere  Coccenform  an  den  obersten 
Epidermisschichten  nachgewiesen. 

Aus  diesen  hier  in  Kürze  mitgetheilten  makroskopischen, 
histologischen  und  bakteriologischen  Befunden  entnehmen  Riehl 
und  Paltauf  die  Berechtigung  zur  Aufstellung  der  „Tuber- 
culosis verrucosa  cutis"  als  neuer  Form  von  Hauttuberculose 
und  suchen  dieselbe  im  weiteren  Theile  ihrer  VeröflFentlichung 
differentialdiagnostisch  zu  begründen.    Davon  später  noch  einige 


lieber  Tuberculosis  verrucosa  cutis.  409* 

Worte.  Sie  gelangen  schliesslich  zu  dem  Beaultate,  dass  nur 
die  als  Perifollicuhte  suppuree  et  eonglomeree  en  placard  von 
Leloir  beschriebene  Affection  grössere  Aehnlichkeit  mit  ihrer 
Erkrauloing  habe, ')  abgesehen  von  der  gleich  zu  besprechenden 
Leichenwarze  (Verruca  necrogenica,  Tubercule  anatomique),  „die 
ihrer  Affection  weitaus  am  nächsten  steht ^. 

In  den  Schnitten  einer  Leichenwarze,  die  sie  zu  excidiren 
Gelegenheit  hatten,  fanden  sie  ganz  ähnliche  Bilder  wie  bei  der 
Tuberculosis  yerrucosa  cutis:  Tuberkel  mit  zahlreichen  Biesen- 
zellen, umgeben  von  entzündlicher  Lifiltration,  Tuberkelbacillen 
in  den  epitheloiden  und  Granulationszellen  der  Knötchen,  und 
auch  hier  die  Veränderungen  nur  in  den  obersten  Cutisschichten. 

Die  genannte  grosse  Aehnlichkeit  der  Leichenwarze  mit 
der  Tuberculosis  verrucosa  cutis  ist  wohl  die  Veranlassung,  dass 
spätere  Autoren  beide  Erkrankungen  identifiziren  und  den  Na- 
men „Leichenwarze"  verallgemeinem  auf  Fälle,  die  nur  äusser- 
lich  ein  ähnliches  Bild  bieten,  ohne  dass  nur  die  Möglichkeit 
der  Entstehung,  durch  wiederholte  Berührung  mit  Leichen  und 
Leichentheilen  vorliegt 

So  verfahrt  Finger  in  seiner  Abhandlung:  „Ueber  die 
sog.  Leichenwarze  (Tuberculosis  verrucosa  cutis)  und  ihre  Stellung 
zum  Lupus  und  zur  Tuberculose."  *)  Dass  aber  die  Erkrankung 
welche  Finger  Leichenwarze  nennt,  mit  der  „Tuberculosis 
verrucosa  cutis"  —  diese  als  berechtigte  Sonderform  angenom- 
men —  nicht  wohl  ganz  identisch  ist,  zeigt  sich  schon  in  den 
ersten  von  Finger  angeführten  Fällen  (Vemeuil,  Verchere, 
Axel  Holst,  Merklen  u.  s.  w.),  denn  in  all  diesen  Fällen  ist 
einerseits  entweder  die  Behandlung  ganz  erfolglos  oder  doch 
nur  eine  vorübergehende  Heilung  zu  erzielen,  anderseits  treten 
dabei  nach  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  Erscheinungen  von 
weiterer  allgemeiner  Verbreitung  des  tuberculösen  Virus  (tuber- 
culöse  Abscesse,  Drüsenaffectionen  u.  s.  w.)  bis  zur  Miliartuber- 


')  Riehl  und  Pal  tauf  sprechen  bei  dieser  Gelegenheit  die  Ver- 
mutbung  aus,  dass  die  von  Leloir  beachriebene  Afifeotion  eine  acut  ver- 
laufende Variation  ihrer  Erkrankung  darstelle,  was  aber  Leloir  in  seinem 
neueren  Werke  „Traite  de  la  Scrofulo-Tuberouiose  de  la  peau**  als  unsu- 
treffend  bezeichnet. 

»)  Deutsche  medic.  Wochenschrift  1888. 

Archiv  f.  Dermatol.  n.  Sypbil.  BauU  XX VI.  28 


410  Knickenberg. 

culose  auf,  während  in  den  von  Riehl  und  Pal  tauf  beobach- 
teten Fällen  von  Tuberculosis  verrucosa  cutis  weitere  Erschei- 
nungen durchaus  nicht  bemerkbar  waren.  Wenn  sie  auch  ein- 
mal Achseldrüsenschwellung  sahen,  so  kann  das,  da  dieselbe 
nach  Cauterisation  der  erkrankten  Stellen  erst  auftrat,  nicht 
auf  eine  Stufe  gestellt  werden  mit  den  oben  erwähnten  weiteren 
Krankheitserscheinungen.  Die  Möglichkeit,  dass  auch  bei  der 
Tuberculosis  verrucosa  cutis  von  der  ursprünglichen  Stelle  aus 
allgemeinere  Verbreitung  der  Tuberculose  erfolgen  kann,  muss 
ja  freilich  zugegeben  werden ;  es  sind  Tuberkelbacillen  da,  und 
warum  sollten  diese  unter  günstigen  Verhältnissen  nicht  auch 
weiter  verschleppt  werden  können  ?  Aber  die  Verhältnisse  schei- 
nen eben  dafür  nicht  günstig  zu  sein,  wie  wohl  aus  dem  bis 
zu  1 5  Jahren  beobachteten  Bestehen  der  Tuberculosis  verrucosa 
cutis  ohne  weitere  Verbreitung  der  Tuberculose  über  den  Kör- 
per anzunehmen  ist.  Und  was  die  Heilung  bei  Tuberculosis 
verrucosa  cutis  angeht,  so  sagen  Riehl  und  Pal  tauf  aus- 
drücklich, „dass  in  jedem  Falle  durch  geeignete  Therapie  (Exci- 
sion,  Auskratzung  mit  dem  scharfen  Löffel,  Cauterisation,  Ver- 
ätzung) der  Process  zu  heilen  ist''.  Sie  halten  sogar  eine  Spontan- 
heilimg  für  möglich  ohne  trotzdem  zu  leugnen,  „dass  keiner 
ihrer  FäUe  ohne  Recidiv  an  der  einen  oder  anderen  Stelle  ge- 
blieben ist". 

Der  von  Finger  selbst  untersnchte  Fall  von  „Leichenwarze"  be- 
triÖ't  emen  41  Jahre  alten  Zimmermaler,  dessen  Section  Tabercnlose  der 
Lungen,  des  Larynx,  des  Darmes  und  der  Nieren  ergab.  Auf  Handrücken 
und  Vorderarm  fanden  sich  5  warzige  Plaques  „mit  aUen  Charakteren  der 
Leichenwarze**.    Dieselben  sollten  seit  20  Jahren  bestanden  haben. 

Das  mikroskopische  Bild  entspricht  im  allgemeinen  dem 
von  ßiehl  und  Paltauf  angegebenen,  nur  findet  Finger 
abweichend  eine  im  allgemeinen  geringere  Mächtigkeit  des  Bete 
Malpighii,  ein  tieferes  Eindringen  der  Infiltration  und  Vorkom- 
men der  Knötchen  mehr  in  der  Tiefe  der  Cutis,  so  dass  auch 
die  Schweissdrüsenknäuel  in  den  Bereich  der  Infiltration  fallen. 

Trotzdem  nun  Finger  die  frappanteste  Aehnlichkeit  des 
klinischen  und  anatomischen  Verhaltens  seiner  „Leichenwarze" 
mit  dem  des  Lupus  papillaris,  verrucosus  und  sclerosus  zugeben 
muss,  hält  er  doch  den   Umstand,  dass   bei  der  ersteren  der 


lieber  Tabercolosis  verrucosa  cutis.  411 

Process  oberflächlicher  ist  —  wir  sehen  eben,  dass  derselbe  die 
Schweissdrüsenknäuel  mit  in  seinen  Bereich  zog  —  für  bedeu- 
tend genug,  um  die  Aufstellung  einer  neuen  Form  von  Haut- 
tuberculose  als  berechtigt  anzuerkennen.  Lupus  verrucosus  sowohl 
als  Tuberculosis  verrucosa  cutis  hält  er  für  durch  örtliche  Ein- 
impfung des  Virus  entstandene  Tuberculosen  und  schliesst  aus 
dem  Umstände,  dass  Lupus  mehr  bei  Kindern  vorkommt,  dass 
dasselbe  Virus  in  der  saftreicheren  Haut  des  Kindes  den  tief- 
greifenderen Lupus,  in  der  widerstandsfähigeren  Haut  des  Er- 
wachsenen die  oberflächlichere  „Leichenwarze"  hervorrufe. 

Salz  er  demonstrirte  im  Jahre  1887  in  der  k.  k.  Gresellschaft  der 
Aerzte  in  Wien*)  einen  Fall  von  Tuberculosis  verrucosa  cutis  bei  einem 
49jährigen  Manne.  Befallen  war  die  rechte  Yola  manus,  der  2.,  3.  und  4. 
rechte  Finger.  Die  Affection  war  angeblich  nach  einer  4  Jahre  zuvor 
stattgehabten  Verletzung  des  rechten  Zeigefingers  entstanden. 

Brugger')  beobachtete  einen  Fall  von  Tuberculosis  verrucosa  bei 
einem  22  Jahre  alten  Privatier.  Neben  einigen  kleineren  Stellen  fanden 
sich  auf  dem  Dorsum  des  rechten  Fusses,  parallel  dem  Os  metatarsi  digiti 
quinti  3  ca.  2  —3  Ctm.  lange  und  1 — 2  Ctm.  breite  Plaques,  breit  aufsitzend 
mit  etwas  überhängendem  Rande.  Diese  Affection  soll  im  4. — 7.  Lebens- 
jahre begonnen  haben,  während  von  frühester  Kindheit  an  öfters  Geschwüre 
und  Abscesse  am  rechten  Bein  aufgetreten  waren. 

Sowohl  im  makroskopischen  Verhalten  wie  im  mikrosko- 
pischen Befunde  findet  Brugger  die  vollständigste  Ueberein- 
stimmung  mit  der  von  Riehl  und  Pal  tauf  gegebenen  Be- 
schreibung. 

Bei  dieser  Anamnese  liegt  gewiss  die  Vermuthung  nahe, 
dass  es  sich  bei  den  Abscessen  am  Bein  um  tuberculöse  Processe 
gehandelt  habe,  und  wenn  diese  Vermuthung  richtig  ist,  lässt 
sich  auch  leicht  die  Möglichkeit  denken,  dass  von  jenen  aus 
eine  Uebertragung  des  tuberculösen  Virus  an  die  Stellen  der 
nunmehrigen  Erkrankung  stattgefunden  hat,  aber  trotzdem 
möchte  Brugger  die  Erkrankung  am  Fusse  als  eine  Impf- 
tuberculose  auffassen,  bei  gelegentlichem  Barfussgehen  in  der 
Jugend  des  Pat.  entstanden. 

Mit  2  kleinen  frisch  excidirten  Stückchen  der  Plaques 
machte  Brugger  Impfversuche  an  Meerschweinchen.  Er  brachte 


*)  Sitzungsbericht.   Deutsche  med.  Wochenschrift.  1888. 
«)  Virchow's  Archiv.  Bd.  119. 

28* 


412  Knickenberg. 

die  Theilchen  subcutan  unter  die  Bauchhaut  und  sah  nach  6 
Wochen  an  der  Impfstelle  Knoten  unter  der  Haut  auftreten; 
8  Wochen  nachher  ging  das  Versuchsthier  ein,  und  die  Section 
ergab  das  Vorhandensein  makroskopisch  sichtbarer  miliarer 
Tuberkel  in  allen  inneren  Organen,  besonders  in  Milz,  Lunge 
und  Leber.  TuberkelbaciUen  waren  reichlich  vorhanden.  Dieses 
Ergebniss  der  Impfung  bestätigt  den  mikroskopischen  Befund, 
bietet  aber  sonst  in  keiner  Weise  etwas  Besonderes.  Man  hätte 
vielleicht  noch  den  Versuch  machen  können,  von  dem  Gewebe 
der  Plaques  etwas  in  eine  ganz  oberflächliche  Hautwunde  zu 
verbringen  und  dort  festzuhalten;  freilich  besonderer  Erfolg 
wäre  hiervon  nach  den  mit  Lupusgewebe  in  dieser  Weise  an- 
gestellten Impfungen  und  den  dort  gemachten  Erfahrungen  auch 
nicht  zu  hoffen  gewesen. 

Des  Weiteren  fuhrt  B  r  u  g  g  e  r  dann  einen  Fall  von  ähn- 
licher Erkrankung  an,  den  Sanguinetti  ^)  beobachtete.  Es  handelt 
sich  da  um  einen  40  Jalire  alten  Bodenwichser,  bei  dem  sich 
in  einigen  Monaten  auf  dem  Handrücken  ein  haselnussgrosser 
Plaque  mit  warziger  Oberfläche  entwickelt  hatte.  Sanguinetti 
diagnosticirt  Leichentuberkel,  Brugger  spricht  den  Fall  als 
Tuberculosis  verrucosa  cutis  an. 

In  dem  Sitzungsberichte  der  französischen  Gresellschaffc 
für  Dermatologie  und  Syphilis*)  finden  sich  2  Fälle  von  Haut- 
tuberculose,  dieSevestre  vorführte  und  die  er  für  Tubercu- 
losis verrucosa  cutis  hält. 

In  dem  einen  Falle  bei  einem  9jälirigen  Knaben  zeigte  sich  die 
Affection  am  stärksten  auf  den  Handrücken  entwickelt,  aber  aach  sonst 
über  die  ganze  Haut  zerstreut  und  zwar  in  Gestalt  einer  „Anschwellung, 
deren  Mitte  von  einer  braunen,  missfarbenen  Borke  eingenommen  ist.  Die 
Oberfläche  der  Stelle  ist  papillomatös,  nicht  ulcerirt,  aber  nässend.  Die 
umgebende  Zone  ist  von  violetter  Farbe,  mit  ziemlich  feinen  Schuppen 
bedeckt  und  bei  genauerem  Zusehen  findet  man,  dass  sie  mit  zahlreichen 
winzigen  Knötchen  (Tuberkel)  besetzt  ist**.  Ausserdem  fanden  sich  in 
diesem  Falle  in  der  Nähe  des  Handgelenks  beiderseits  und  auf  dem  linken 
Fussrücken  grössere  Knoten,  von  leicht  schuppender  Haut  bedeckt,  die 
cubitalen  und  axillaren  Lymphdrüsen  indolent  geschwollen,  in  der  rechten 
Parotisgegend  eine  vereiterte  Drüse  und  alte  Narben  früherer,  wahrschein- 
lich tuberculöser  Erkrankungen  der  Haut  oder  Drüsen. 


*)  Giom.  ital.  delle  malat.  ven.  et  della  pelle.  1887. 

')  Ref.  Monatshefte  für  prakt.  Dermatologie.  1890.  Bd.  XI. 


üeber  TubercnloBis  verrucosa  cutis.  413 

Aehnliche  Veränderungen  an  der  Haut  bot  der  zweite  Fall  (6jähr. 
Mädchen),  nur  zeigten  die  erkrankten  Stellen  einen  deutlicher  papillären 
Bau.   Drüsen  auch  hier  indolent  geschwollen. 

Der  bakteriologischen  Untersuchung  gelang  der  Nachweis 
von  Tuberkelbacillen  in  beiden  Fällen.  Ein  genauerer  histologi- 
scher jBefund  war  an  genannter  Stelle  nicht  mitgetheilt. 

Wenn  man  diese  Angaben  liest,  wird  man  wohl  sicher  die 
Diagnose  „Lupus  verrucosus"  stellen  und  muss  sich  wundem, 
die  Erkrankungen  von  Öevestre  als  Tuberculosis  verrucosa 
cutis  aufgefasst  zu  sehen,  mit  der  doch  durchgreifende  Unter- 
schiede bestehen.  Zunächst  betreflfen  beide  Fälle  Kinder,  während 
doch  Riehl  und  Pal  tauf  ihre  Affection  nur  bei  Erwachsenen 
sahen.  Sodann  finden  sich  makroskopisch  sichtbare  Knötchen, 
deren  Fehlen  jene  Autoren  gerade  als  differential-diagnostisches 
Moment  zwischen  Lupus  und  Tuberculosis  verrucosa  cutis  her- 
vorheben. Es  kann  demnach  kaum  zweifelhaft  sein,  dass,  wie 
Hardy  in  jener  Sitzung  auch  schon  bemerkte,  diese  beiden 
Fälle  mit  der  Tuberculosis  verrucosa  cutis  nicht  übereinstimmen. 

B  o  w  e  n  ^)  veröflfentlicht  in  seinen  Gases  of  cutaneous 
Tuberculosis,  with  histological  studies  3  Fälle  von  Tuberculosis 
verrucosa  cutis. 

Der  erste  betraf  einen  24jährigen  Mann,  bei  dem  die  Affection  auf 
dem  Handrücken  sass  und  seit  5  Jahren  bestand.  Die  Beschäftigung  des 
Mannes  brachte  mannigfache  Berührung  mit  Thieren  mit  sich. 

Der  zweite,  seit  3  Jahren  bestehend,  fand  sich  bei  einer  65jährigen 
Frau  auf  der  Streckseite  der  letzten  Phalanx  des  Zeigefingers ;  auf  dem 
Rücken  derselben  Hand  war  hier  dazu  noch  ein  Scrophuloderma  vor- 
banden. Angeblich  war  die  erstere  Affection  aufgetreten,  während  Pati- 
entin ihre  an  Phthisis  erkrankte  Tochter  pflegte. 

Eine  ähnliche  Ursache  und  zeitliches  Zusammenfallen  des  Entste- 
hens wird  im  dritten  Falle  angegeben  bei  einer  58jährigen  Frau,  welche 
die  Taschentücher  und  Kleider  ihrer  an  Phthise  leidenden  Tochter  zu 
waschen  pflegte.  Sitz  der  Affection  war  auch  hier  die  Streckseite  der 
Finger  und  zwar  der  rechten  Hand. 

Eine  Reihe  von  weiteren  4  Fällen  der  Hauttuberculose,  dieBowen 
auf  den  Handrücken,  an  den  Ellbogen  und  den  Knien  junger  (6 — 19  Jahre) 
Individuen  beobachtete,  und  bei  denen  die  Affection  sich  als  blaurothe, 
scharf  umgrenzte  Knötchen,  zuweilen  mit  warziger  Oberfläche  zeigte, 
glaubt  er  ebenfalls  unter  die  Tuberculosis  verrucosa  unterbringen  zu 
müssen.  Allerdings  verkennt  er  nicht  die  Unterschiede  von  jener,  dass  es 


')  Joum.  of  cutan.  and  gen.-urin.  Diseases  1890,  p.  462. 


414  Knickenberg. 

sich  zunächst  um  junge  Individuen  handelt  und  dass  weiter  die  Oberfläche 
der  erkrankten  Stellen  nicht  in  dem  Masse  warzig  erscheint,  wie  Riehl 
und  Pal  tauf  es  bei  ihrer  Affection  gesehen. 

Das  mikroskopische  Verhalten  dreier  iiierauf  untersuchter  Fälle 
stimmte  im  Allgemeinen  mit  der  histologischen  Beschreibung  jener  Autoren 
überein,  nur  war  der  Bacillenbefund  im  Gegensatze  zu  jenen  geringer. 

Aetiologisch  Hess  sich  in  den  4  Fällen  feststellen,  dass  entweder 
zuvor  schon  Tuberculose  anderer  Organe  vorhanden  war  oder  die 
Erkrankten  in  vielfache  Berührung  mit  tuberculösen  Individuen  kamen. 

Der  von  Jackson')  berichtete  Fall  von  Tuberculosis  verrucosa 
cutis  zeigt  wenigstens  in  seinem  makroskopischen  Verhalten  zeitweise 
volle  üebereinstimmung  mit  der  Riehl'schen  Beschreibung.  Der  Patient 
ist  ein  ISjähriger  Idiot,  bei  dem  die  Affection,  seit  5  Monaten  bestehend, 
auf  der  hinteren  Seite  der  Mitte  des  rechten  Oberschenkels  sass.  Nur  ein 
Theil  der  Oberfläche  war  warzig,  ein  Theil  von  Ulcerationen  eingenommen, 
die  bei  Bettruhe  heilten,  um  beim  Gehen  wieder  aufzubrechen.  —  Waren 
die  Ulcerationen  geheilt,  so  war  das  Bild  ganz  mit  dem  RiehTschen 
übereinstimmend. 

Eine  mikroskopische  Untersuchung  finden  wir  nicht  mitgetheilt 
und  es  bleibt  uns  somit  fraglich,  ob  der  histologische  Befund  ebensolche 
Üebereinstimmung  ergeben  hätte.  Die  Neigung  zu  ulcerösem  Zerfall 
stimmt  übrigens  keineswegs  zu  der  Diagnose:  Tuberculosis  verrucosa 
cutis,  denn  deren  Fehlen  heben  Riehl  und  Pal  tauf  ausdrücklich  hervor. 

Fordyce')  sah  die  Erkrankung  bei  einem  25jäbrigen  Patienten 
auf  dem  Rücken  der  linken  Hand,  mit  einem  Längsdurchmesser  von  3  Cm. 
Mikroskopisch  fand  sich  kleinzellige  Infiltration  mit  Riesenzellen,  aber 
Tuberkelbacillen  waren  nicht  nachweisbar. 

Im  Anschluss  daran  erinnert  Fox  an  einen  ganz  ähnlichen  Fall 
seiner  Praxis  mit  demselben  Sitze  der  Erkrankimg.  Von  Injectionen  mit 
Kooh'scher  Lymphe  erhielt  er  dabei  kein  Resultat. 

Dieser  Sitz  der  Erkrankung  auf  dem  Dorsum  der  linken 
Hand  erinnert  uns  an  eine  Bemerkung  Fournier's,^)  die  er 
im  Anschluss  an  einen  Fall  von  Tuberculosis  verrucosa  cutis 
am  Halse  eines  an  Spitzenkatarrh  leidenden  Patienten  macht, 
nämlich  dass  sich  bei  den  Krankenhauspatienten  die  Affection 
mit  Vorliebe  auf  dem  Rücken  der  rechten  Hand  zeige,  was 
Vi  dal*)  mit  der  Gewohnheit  der  Patienten  erklärt,  sich  nach 
dem  Bäuspem  mit  dem  Handrücken  den  Mund  abzuwischen. 
Eine  Stütze  für  diese  Anschauung  findet  Vi  dal  in  der  Beob- 


')  Joum.  of  cutan.  and.  gen.-ur.  diseases  1891  p.  387. 

»)  Ebenda  p.  142. 

»)  Ref.  Monatshefte  für  prakt.  Dermatologie.  Bd.  XII.  1891,  p.  466. 

')  Ebenda. 


üeber  Tuberculosis  verrncosa  cutis.  415 

achtung,  dass  sich  bei  2  linkshändigen  Patienten,  die  auch 
diese  Angewohnheit  hatten,  die  Erkrankung  auf  dem  linken 
Handrücken  fand.  Diese  Patienten,  sagt  Vi  dal,  seinen  meist 
tuberculös,  und  in  Folge  der  Arbeit  ihre  Hände  aufgerissen,  so 
dass  eine  Autoinoculation  leicht  möglich  sei.  Und  in  der  Dis- 
cussion  über  eine  von  Besnier*)  in  der  Sitzung  der  Aerzte 
des  Hospitals  St.  Löuis  vorgestellte  Erkrankung  an  Tuberc. 
verruc.  cutis,  die  sich  über  der  Articulatio  metacarpo-phalangea 
des  rechten  Daumens  fand,  hebt  Vi  dal  hervor,  dass  sich  aus 
jener  Gewohnheit  der  Pat.  auch  der  so  häufige  Sitz  der  Er- 
krankung gerade  an  dieser  Stelle  des  Handrückens  erkläre, 
denn:  „dans  ce  mouvement,  c'est  precisement  la  region  meta- 
carpienne  du  pouce  sur  laquelle  se  deposent  les  liquides  etc."^ 
Wenn  wir  nach  diesen  Ausführungen  nun  auf  das  Material 
der  hiesigen  Klinik  eingehen,  so  finden  wir  eine  Reihe  von 
Fällen,  die  in  ihrem  äusseren  Ansehen  mit  dem  von  Riehl 
und  Paltauf  beschriebenen  Bilde  die  genaueste  Uebereinstim- 
mung  zeigen.  Nachstehend  geben  wir  einen  kurzen  Auszug  der 
betrefifenden  Ejrankengeschichten,  aus  denen  Alter  und  Stand 
der  Patienten,  Dauer  des  Bestehens  und  Sitz  der  Erkrankung, 
sowie  etwaige  Complicationen  zu  ersehen  sind ;  wir  lassen  natür- 
lich die  Fälle  unberücksichtigt,  bei  denen  neben  der  verrucö- 
sen  Oberfläche  typische  Lupusknötchen  zu  erkennen  waren. 
Wollte  man  diese  Fälle  mit  zur  Betrachtung  heranziehen,  so 
würde  die  Zahl  eine  ungleich  viel  grössere  werden  müssen, 
Aber  wir  wiederholen,  dass  wir  nur  die  Fälle  hier  anführen, 
die  volle  Uebereinstimmung  mit  der  von  Riehl  und  Paltauf 
beschriebenen  Erkrankung  zeigen,  bei  denen  also  auch  Knöt- 
chen makroskopisch  nicht  zu  erkennen  waren. 

1.  F.  N.,  21  J.,  vom  Lande.  Grossmutter  starb  an  Phthise,  ebenso 
2  Brüder  an  Phthise  gestorben.  Beginn  des  Leidens  in  der  Jugend,  wie, 
ist  unbekannt. 

Auf  beiden  Wangen  Scrophulodermata.  Auf  dem  Dorsum  der  1. 
Hand,  der  Gegend  der  Articulatio  metacarpo-phalangea  des 
Zeigefingers  entsprechend,  verrucöse  Plaques  von  3  Mm. 
Höhe  mit  röthlichem  Saum,  nach  innen  von  diesem  kleine 
Pusteln.  Ausdehnung  8  Gm.  im  Quadrat,  auf  der  Unterlage  leicht  ver- 
schieblich.   Einige  narbige   Stellen    auffallend   weiss.    Eine  ähnliche 


')  Annales  de  Dermatologie  et  de  Syphiligraphie.  1889,  p.  221. 


416  Knickenberg. 

Affection  an  der  Volarseite  der  8.  Phalanx  des  linken  Zeige- 
fingers, 2  QCm.  gross.  Beide  Stellen  weder  spontan  noeli  auf  Druck 
empfindlich.  An  den  inneren  Organen  nichts  Krankhaftes  nachweiftlidu 
Ther. :  Exstirpation  dieser  beiden  Stellen,  sonst  Auslöffelang  und  Caute- 
risation  mit  Pacquelin. 

2.  M.  W.  Da  Patientin  taubstumm,  Analphabet  und  ohne  die  Be- 
gleitung Angehöriger  ist,  lässt  sich  eine  Anamnese  nicht  erheben. 

Am  Kinn  ein  etwa  funfmarkstückgrosser  Fleck  von  Lopus  vulgaris, 
an  beiden  Oberschenkeln  handtellergrosse  lupöse  Stellen  mit  l^arben  und 
Knötchen.  Am  linken  Oberschenkel  Scrophuloderma.  Am  rechtenKnie 
ein  zehnpfennigstückgrosser  Plaque,  zu  dem  die  Krankengeschichte 
bemerkt  „der  von  Riehl  beschriebenen  Tuberculosis  verrucosa  entspre- 
chend''. Spitzen  der  Lungen  etwas  tief  stehend,  sonst  nichts  Abnormes  an 
denselben  nachweislich. 

Therapie:  Auslöffelung  und  Cauterisation.  Nachfolgende  Behand- 
lung mit  Sublimatumschlägen  und  Pyrogallussalbe.   Geheilt  entlassen. 

8.  G.  P.,  18  Jahre  alt,  Mädchen  vom  Lande.  Eltern  und  Geschwister 
gesimd.  Hauterkrankung  begann  am  rechten  unteren  Augenlide  8  Jahre, 
am  rechten  Fusse  2 — 3  Jahre  vor  Aufnahme  in  die  Klinik.  Pat.  selbst 
sonst  angeblich  stets  gesund. 

Lupöse  Stellen  in  der  rechten  Infraorbitalgegend  und  auf  der  rechten 
Wange ;  ebenso  auf  der  Beugeseite  des  linken  Vorderarms.  Scrophuloderma 
am  Halse.  Auf  der  Schleimhaut  der  Oberlippe  und  der  Wange  rechts, 
sowie  am  Zahnfleisch  Lupus.  Auf  dem  rechten  Fussrücken  Plaque 
von  7  Cm.  Länge  und  3  Gm.  Breite,  quer  über  den  Fussrücken 
verlaufend.  Ein  zweiter  fünfpfennigstückgrosser  verrucöser 
Plaque  auf  der  Streckseite  der  rechten  grossen  Zehe.  Unter- 
suchung der  inneren  Organe :  Leichte  Dämpfung  der  linken  Lungenspitze, 
verlängertes,  rauhes  Exspirium,  keine  Rasselgeräusche.  Ther.:  Auskratzen 
mit  scharfem  LöffeL  Cauterisation.  Weitere  Behandlung  mit  Sublimatum- 
schlägen und  Pyrogallussalbe. 

4.  C.  Seh.,  16j ähriges  Mädchen  vom  Lande.  Eltern  der  Pat.  an- 
geblich gesund;  eine  Schwester  litt  an  Caries  der  Halswirbelsäule  und 
Spina  ventosa.  Pat.  litt  als  Kind  an  Eiterung  am  linken  Margo  infra- 
orbitalis,  wo  mehrere  Knochenstückchen  ausgestossen  wurden.  10  Jahre 
vor  Aufnahme  in  die  Klinik  begann  der  Lupus  des  Gesichts,  das  Leiden 
an  der  Zehe  vor  5  Monaten. 

Lupöse  Erkrankung  am  Halse  links  und  auf  der  rechten  Wange. 
Haut  der  8.  Zehe  am  linken  Fuss  ganz  von  papillären  Wuche- 
rungen bedeckt.  Lungen  u.  s.  w.  normal.  Ther.:  Wie  oben. 

5.  £.  IL,  24  Jahre  altes  Mädchen  vom  Lande.  Keine  hereditäre 
Belastung.  Pat.  angeblich  sonst  stets  gesund.  Beginn  der  Erkrankung 
2  Jahre  vor  Aufnahme  in  die  Klinik.  „Zuerst  bestand  ein  kleines  Knötchen, 
das  zerkratzt,  immer  wieder  kam.^ 

Pat.  von  blühendem  Aussehen.  Am  linken  Unterarm,  der  Ge- 
gend des  Capitulum  ulnae  entsprechend,  ein  Plaque  von  4  Cm. 


Ueber  Tuberculosis  vermcosa  cutis.  417 

Länge,  3Gm.  Breite.  Keine  Seh  wellnng  der  Achseldrüsen.  Percnssions- 
schall  über  der  linken  Lungenspitze  ein  wenig  kürzer  als  rechts.  Sonst 
keine  abnormen  Erscheinungen  an  den  Lungen  u.  s.  w.  nachweislich. 

Ther.:  Pat.  wurde  abgesehen  von  der  sonstigen  Behandlung  mit 
Tnberculin  eingespritzt. 

Es  möge  uns  gestattet  sein,  die  Krankengeschichte  der 
mit  Tuberciilin  behandelten  Patienten  etwas  ausführlicher  zu 
berichten. 

Die  Anwendung  des  Tubercuün  in  diesen  Fällen  erfolgte, 
wie  auch  bei  den  anderen  Erkrankungen  an  Hauttuberculose 
in  der  hiesigen  dermatologischen  KKnik*)  im  Allgemeinen  so, 
dass  mit  geringen  Dosen,  gewöhnlich  0,001  Gr.  TubercuUn  be- 
gonnen und  nur  ganz  langsam  und  erst  dann  zu  einer  Steige- 
mng  der  Dosis  geschritten  wurde,  wenn  keine  oder  doch  keine 
'wesentliche  Reaction  nach  der  vorigen  Dosis  mehr  eintrat. 
Selbstverständlich  wurde  auch  nur  dann  injicirt,  wenn  das 
Allgemeinbefinden  ein  gutes  war. 

Nach  einmaliger  Injection  von  0,001  Tuberculin  bei  obiger  Patientin 
war  keine  Temperatursteigerung  vorhanden,  das  Allgemeinbefinden  nicht 
gestört;  dagegen  zeigte  sich  deutliche  Eöthung  des  Plaque  und  intensive 
Röthung  der  umgebenden  Zone.  Nach  Excision  der  erkrankten  Stelle  war 
durch  eine  gleiche  Dosis  Tuberculin  keine  Beaction  zu  erkennen.  Da  die 
Granulationen  schlecht  waren,  wurden  dieselben  dann  abgekratzt  und  der 
Defect  nach  Thiersch  durch  Transplantation  gedeckt,  worauf  völlige 
Heilung  eintrat. 

6.  A.  M.  F,y  52jährige  Ehefrau  vom  Lande.  Vater  an  Phthise  ge- 
storben. Pat.  angeblich  stets  gesund,  ebenso  Mann  und  Kinder.  Beginn 
der  Hautaffection  etwa  S  Jahre  vor  Aufnahme  in  die  Klinik. 

Auf  demDorsum  der  linken  Hand,  die  Gegend  desMeta- 
carpo-phalangealgelenks  des  3.  bis  4.  Fingers  einnehmend 
und  weiter  auf  das  Dorsum  manus  übergehend  findet  sich  ein 
vermeöser  Plaque  von  6  Gm.  im  Quadrat.  Kyphoskoliose.  Thorax  einge- 
sunken, besonders  die  rechte  Supradavicttlargrube.  In  beiden  Spitzen  und 
diffus  über  den  Thorax  verbreitet  katarrhalische  Geräusche.  Keine  Lymph- 
drusenschwellung. 

Ther.:  Bis  zur  Auslöffelung  und  Cauterisation  erfolgte  eine  Injec- 
tion von  0,001  Tuberculin,  die  keine  Temperatnrsteigerung,  Örtlich  aber 
deutliche  Röthung  und  Schwellung  der  erkrankten  Partie  zur  Folge  hatte. 
Pat.  klagte  über  leichte  Kopfschmerzen  und  Mattigkeit  Nach  der  Opera- 
tion blieben  2  Inj.  von  0,001  und  eine  solche  von  0,0015  ohne  allgemeine 


*)   Vgl.  Doutrelepont:    „lieber   die  Injection  mit  Tuberculin." 
Yerhandl.  der  Deutschen  dermat.  Ges.  1891. 


418  Enickenberg. 

and  örtliche  Reaction,  wogegen  nach  der  ersten  Inj.  von  0,002  die  Tem- 
peratur bis  39^  stieg  und  örtlich  stärkere  Secretion  vorhanden  war.  Zwei 
weitere  Inj.  von  0,002  und  eine  von  0,0025  verliefen  ohne  Beaction.  Kach 
der  zweiten  Inj.  von  0,0025  traten  Kopfschmerzen,  starke  Dyspnoe  ohne 
Husten,  gesteigerte  Herzaction  und  Pulsfrequenz  ein,  dagegen  kein  Fieber 
und  keine,  örtliche  Reaction.  Ebenso  war  der  Verlauf  nach  2  Inject,  von 
0,0085  und  einer  Inj.  von  0,004.  Erneutes  Abkratzen  der  Granulationen 
mit  nachfolgender  Thiersch'scher  Transplantation  brachten  die  Stelle 
zur  Verheilung.  Nach  4  Monaten  trat  Recidiv  ein  in  Form  einiger  kleiner 
Ulcerationen  (zerfallene  Knötchen?;. 

7.  K.  H.,  32jährige  Ehefrau  vom  Lande.  Keine  hereditäre  Belastung 
nachweislich.  Im  17.  Lebensjahre  der  Fat.  wurde  der  linke  Daumen  dick, 
roth,  schmerzhaft ;  allmälig  auch  der  Daumenballen  und  das  untere  Drittel 
des  Vorderarms.  An  einer  etwa  8  Om.  über  den  Processus  stvloidei  in  der 
Mitte  der  Vorderarmbeugeseite  gelegenen  Stelle  brach  die  Schwellung  von 
selbst  auf  und  es  entleerte  sich  reichlich  Eiter.  Heilung  mit  eingezogener 
Narbe.  Nicht  lange  darnach  begann  die  Erkrankung  der  Haut  auf  dem 
linken  Handrücken,  und  1  Jahr  vor  Aufnahme  in  die  Klinik  bildete  sich 
eine  warzige  Stelle  auf  der  Streckseite  des  linken  Vorderarms.  Während 
letztere  Stelle  unter  Carbolwasserumschlägen  und  Behandlung  mit  einer 
gelben  Salbe  (Inhalt?)  verheilte,  ging  eine  gleichzeitig  entstandene 
ähnliche  Stelle  am  distalen  Ende  der  Narbe  auf  der  Vorderarmbeugeseite 
unter  dieser  Behandlung  nicht  zurück.  4  Wochen  vor  Aufnahme  begann 
auf  dem  linken  Handrücken  ein  Scrophuloderma. 

Die  Streckseite  der  I.Phalanx  des  linken  Zeigefingers 
und  Mittelfingers  und  die  Gegend  des  Metacarpo-phalan- 
gealgelenkes  dieser  beiden  Finger  sind  eingenommen  von  einem 
warzenartigen  Plaque,  der  von  rothem  Saum  umgeben  ist;  zwischen  den 
einzelnen  Höckerchen  der  Oberfläche  finden  sich  verschiedentlich  kleine 
Ulcerationen.  An  der  Grenze  des  unteren  und  mittleren  Drittels  der  Streck- 
seite des  linken  Vorderarms  eine  weiss-röthliche  Narbe  mit  einigen  Lupus- 
knötchen.  Dieser  gegenüber  auf  der  Vorderarmbeugeseite  eine  tief  einge- 
zogene Narbe,  an  deren  distalem  Ende  wiederum  eine  warzenähnliche, 
nicht  ganz  pfenniggrosse  Stelle  sich  findet.  Im  Instertitium  zwischen 
Daumen  und  Zeigefinger  linker  Hand  ein  Scrophuloderma  von  Wallnuss- 
grösse.  Cubital-  und  Axillardrüsen  nicht  geschwollen.  An  den  inneren 
Organen  nichts  Abnormes  nachweislich. 

Ther.:  Nachdem  auf  4  Inj.  von  0,001 — 0,(X)4  keine  Temperatur- 
steigerung, wohl  aber  als  örtliche  Reaction  leichte  Schwellung  und  Röthung 
der  erkrankten  Partien  aufgetreten  war,  wurde  in  Narcose  das  Scrophulo- 
derma excidirt,  die  anderen  Stellen  mit  dem  scharfen  Löffel  ausgekratzt 
und  dann  cauterisirt.  Weitere  7  Inj.  von  0,005 — 0,007  hatten  nur  einmal 
eine  Temperaturerhöhung  bis  38,2®  zur  Folge ,  blieben  aber  sonst  ohne 
allgemeine  oder  örtliche  Reaction.  Unter  dieser  Behandlung,  gleichzeitiger 
Anwendung  von  Sublimatumschlägen  und  zeitweiligem  Gebrauch  von  107« 
Pyrogallussalbe  heilten  alle  Stellen  mit  glatter  weicher  Narbe. 


Ueber  Tuberculosis  verrucosa  cutis.  419 

8.  M.  G.,  20  Jahre  altes  Mädchen  vom  Lande.  Mutter  der  Fat. 
starb  an  Phthise ;  ein  Bruder,  der  Lupus  des  Gesichtes  hatte,  starb ;  es  lebt 
ein  Bruder,  der  an  Lupus  des  Gesichtes  leidet,  und  eine  Schwester,  die 
angeblich  gesund  ist.  Fat.  selbst  war  ausser  Erkrankung  an  Masern  und 
später  an  Fneuinonie  angeblich  stets  gesund.  Die  Hauterkrankung  begann 
l'/a  Jahre  vor  der  Aufnahme  in  die  Klinik  am  linken  Zeigefinger  als 
kleine  Warze.  Zur  Zeit  der  Aufnahme  fand  sich  die  Streckseite  der 
beiden  ersten  Phalangen  dieses  Fingers  mit  einem  verrucösen 
Plaque  bedeckt,  dessen  Aussehen  ganz  mit  dem  vonKiehl  und  Pal  tauf 
beschriebenen  Bilde  übereinstimmte.  Am  linken  Mittelfinger  war  der  Nagel 
von  seiner  Unterlage  abgedrängt,  und  es  fand  sich  unter  demselben  Ulce- 
ration ;  diese  Affection  bestand  seit  2  Monaten.  Eine  lupöse  Stelle  in  der 
Mitte  der  Oberarmbeugeseite  bestand  seit  1  Monat.  Endlich  zeigten  sich  auf 
dem  linken  Handrücken  8  Scrophulodermata.  Die  Untersuchung  der  in- 
neren Organe  ergab  nichts  Abnormes. 

Ther.:  Nach  einer  Inj.  von  0,001  stieg  die  Temperatur  in  24  Stun- 
den auf  38,5*.  Der  ganze  linke  Handrücken  schwoll  stark  ödematös  an, 
die  Haut  war  hier  stark  geröthet,  die  ülcerationen  secemirten  starker; 
Fat.  klagte  über  Kopfschmerzen.  Das  Oedem  bestand  noch  2  Tage  lang. 
Nach  Auskratzen  und  Cauterisation  (Pacquelin)  der  erkrankten  Partien 
hatten  5  weitere  Inject,  von  0,001  bis  0,004  Tuberculin  keine  örtliche  Re- 
action  zur  Folge,  nur  traten  bald  geringere,  bald  stärkere  Kopfschmerzen 
und  Mattigkeitsgefuhl  ein,  verbunden  mit  massiger  Temperatursteigerung. 
Beiden  folgenden  7  Inj.  von  0,005 — 0,008  trat  neben  diesen  Erscheinungen 
als  örtliche  Reaction  auffallende  Böthung  des  Randes  der  granulirenden 
Stellen  ein,  die  allmälig  aber  abnahm.  Während  dann  bei  der  ersten  Inj. 
von  0,009  die  Temperatur  bis  38,8*  stieg,  blieb  diese  bei  2  weiteren  Inj. 
derselben  Dosis  und  nach  0,01  unter  38*,  und  es  war  keine  örtliche  Reac- 
tion mehr  zu  erkennen.  Nebenher  waren  Sublimatumschläge  und  ab  und 
zu  Fyrogallussalbe  angewandt.  Alle  Stellen  verheilten  mit  weicher  Narbe. 

Wenn  wir  diese  Angaben  überblicken,  sehen  wir,  dass  das 
Alter  der  Patientinen  sich  zwischen  16  und  52  Jahre  stellt. 
Was  den  Stand  oder  die  Beschäftigung  der  Fat.  angeht,  so 
sind  es  durchweg  Fraisen  und  Mädchen  vom  Lande,  bei  denen 
also  eine  fortgesetzte  Beschäftigung  mit  Hausthieren  und  thie- 
rischen  Producten  wohl  zutreffen  könnte.  Abgesehen  von  einer 
Fat.,  bei  der  die  Anamnese  unmöglich  war,  liess  sich  Erkran- 
kung an  Tuberculose  in  den  Familien  der  Fatientinen  in  vier 
Fällen  nachweisen,  sei  es  Erkrankung  der  Eltern  oder  der 
Geschwister.  Die  Untersuchung  der  inneren  Organe  ergab  in 
4  Fällen  nicht  ganz  unverdächtigen  Lungenbefund,  ohne  dass 
einmal  ausgesprochene  Phthise  nachweislich  gewesen  wäre. 
Dagegen    fanden     sich    andere    Formen    der    Hauttuberculose 


420  Knickenberg. 

(Lupus  vulgaris  und  Scrophuloderma)  in  6  Fällen  neben  der  verru- 
cösen  Form.  Die  Lymphdrüsen  waren  in  den  Fällen,  wo  nur 
diese  letztere  Form  vorhanden  war,  nicht  geschwollen;  waren 
sie  es  in  den  anderen,  so  bestanden  ja  gleichzeitig  die  Formeui 
bei  denen  man  Lymphdrüsenschwellung  zu  finden  gewohnt  ist. 
Der  Beginn  der  in  Betracht  kommenden  Erkrankungsform  wurde 
nicht  über  3  Jahre  vor  Aufnahme  in  die  Klinik  angegeben, 
und  gewöhnlich  der  Verlauf  so  erzählt,  dass  zuerst  ein  rother 
Fleck  angetreten  sei,  der  dann  warzenähnliches  Aussehen  an- 
genommen und  sich  sehr  langsam  vergrössert  habe.  Sitz  der 
Erkrankung  waren  fast  durchweg  die  distalsten  Theile  der  Ex- 
tremitäten. 

Von  männlichen  Patienten  wüi'den  9  hierhin  gehören: 

1.  J.  P.  W.,  60  Jahre  alt.  Ackerer.  Beginn  der  Erkrankung  y«  Jahr 
vor  Aufnahme  in  die  Klinik  mit  einer  kleinen  Warze  an  der  Basis  des  4. 
Fingers.  AUmalig  dehnte  sich  der  Process  nach  dem  Vorderarme  zn  in 
der  Weise  aus,  dass  stets  neue  kleinste  Wärzchen  aufschössen.  Gleichzeitig 
fingen  die  periphersten  Partien  zu  schwellen  an  und  damit  trat  zuweilen 
auch  Schmerz  ein. 

Auf  dem  Dorsum  der  rechten  Hand  am  Metacarpo-pha- 
langealgelenk  des  4.  Fingers  beginnend  findet  sich  ein  fast  kreis- 
runder Plaque  von  Thalergrösse,  an  der  Oberfläche  mit  warzigen  Aus- 
wüchsen voll  besetzt,  umgeben  von  einem  erythematösen  Band«  Die  Papil- 
lome theilweise  mit  Borken  und  Krusten  bedeckt,  nach  deren  Abhebung 
schwarzbraune  Verfärbung  der  drusigen  Excrescenzen  zu  Tage  tritt.  Aus 
den  zwischen  den  letzteren  befindlichen  kleinen  Oeffhungen  tritt  auf  Druck 
Eiter  aus. 

Ther.:  Auskratzen  und  Cauterisation.  Sublimatumschläge. 

2.  W.  B.,  54  Jahre  alt,  Ackerer.  Keine  hereditäre  Belastung.  Pat. 
selbst  will  bis  zu  Beginn  dieser  Erkrankung  (6  Jahre  vor  Aufnahme  in 
die  Klinik)  ganz  gesund  gewesen  sein.  Es  entwickelte  sich  damals  auf  dem 
Dorsum  des  linken  Fusses  ein  Abscess,  der  incidirt  wurde.  Darauf  chro- 
nisch entzündlicher  Zustand  zunächst  in  der  Nähe  der  zuerst  erkrankten 
Stelle  und  hieraus  weitere  Entwicklung  der  Erkrankung. 

Die  2.  Zehe  des  linken  Fusses  eiephautiastisch  verdickt  und 
in  ihrer  ganzen  Ausdehnung,  besonders  an  der  Dorsalseite  mit  papiUären 
Excrescenzen  besetzt.  2  Stellen  von  Lupus  hypertrophicus  auf  dem  Dorsum 
pedis  sinistri  und  eine  Stelle  in  der  Gregend  des  Gondylus  extemus  tibiae. 
Scrophuloderma  am  Oberschenkel  und  über  der  linken  Clavicula.  Leisten- 
drüsen stark  geschwollen.  Geringer  Tiefstand  der  Lungenspitzen. 

Ther.:  Hydroxylamin  (0.1 7^)  und  Sublimatumschläge.  Auskratzen 
und  Cauterisation.  Einigemal  Pyrogallussalbe.  Heilung  mit  keloidartigen 
Narben. 


Ueber  Taberculosis  verrucosa  cutis.  421 

3.  Ph.  Seh.,  16  Jahre  alt,  vom  Lande.  Vater  des  Patienten  starb  an 
Phtjiise^  3  Schwestern  ^leiden,  an  Dräsen^.  Im  2.  Lebensjahre  des  Pat. 
Abscess  am  linken  Oberschenkel ;  Incision ;  dprt  zur  Zeit  der  An&ahme 
Narbe.  Eine  später  beginnende  Eiterung  aus  Fisteln  an  dem  rechten  Mittel- 
finger und  am.  r>.  Zeigefinger  besteht  noch  (Caries).  Die  verrucöse  Haut- 
affeetion  begann  4^  Jahre  vor  der  Aufnahme  an  den  Metacarpo-pha- 
langealgelenken  der  rechten  Hand,  von  hier  breitete  sich 
die  Erkrankung  aus  auf  den  Handrücken  und  bis  in  die  Mitte 
der  1.  Phalanx  des  3.— r5.  Fingers,  central  in  Vemarbung.  Verrucöse 
Plaques  von  Zwanzigpfennig-  bis  Fünfmarkstückgrösse  finden  sich  über 
der  1.  Phalanx  und  dem  Metacarpus  des  Daumens  und  auf 
der  Streckseite  des  Hai^dgelenks.  Am  rechten  Vorderarm  über 
der  Mitte  der  ülna  pfiaumengrosser  Tumor,  fiuctuirend,  Haut  darüber 
central  leicht  geröthet. 

Lupgenbefund:  Dämpfung  der  Spitzen,  Bronchialathmen,  klingen- 
des Rasseln. 

Ther.:  Auskratzen  und  Gauterisation.  Sublimatumschläge  und  Pyro- 
gajlussalbe.  Patient  wird  geheilt  entlassen. 

4.  E.  K.,  40  Jahre  alt.  An  der  Innenseite  der  linken  Ferse 
ein  markstückgrosser  verrucöser  Plaque,  der  angeblich  1  Jahr 
vor  Aufiiahme  in  die  Klinik  als  kleine  Warze  begonnen  hat.  Seit  einiger 
Zeit  litt  Pat.  an  geringem  Husten  und  hatte  einigemal  blutigen  Auswurf. 
Tuberkelbacillen  waren  im  Sputum  nicht  zu  finden. 

Ther.:  Excisipn.  Gauterisation.  Heilung. 

5.  F.  0.,  17  Jahre  alt,  Fabrikarbeiter.  Eltern  und  Geschwister  des 
Pat.  gesund.  Pat.  selbst  litt  mehrere  Jahre  an  Rhinitis  ulcerosa.  2  Jahre 
vor  Auftiahme  in  die  Klinik  bildete  sich  an  der  Nasenwurzel  eine  kleine 
Wucherung,  die  durch  Aetzen  zerstört  wurde.  •/«  Jahre  später  begann  die 
Wucherung  auf  der  Nasenspitze,  die  sich  als  markstückgrosser  war- 
zenähnlicher Fleck  findet.  In  beiden  unteren  Nasengängen  leichte  üleera- 
tionen.  Submaxillardrüsen  geschwollen.  Lungen  u.  s.  w.  normal. 

Ther.:  Auslöffelung.  Gauterisation.  Heilung. 

6.  P.  Seh.,  14  Jahre  alt.  Pat.  stammt  aus  gesunder  Familie.  Im  4. 
Lebensjahre  Garies  am  Metacarpus  des  rechten  Daumens.  Nach  Operation 
heUtß  die  bis  dahin  eiternde  Fistel ;  im  8.  Lebensjahre  soll  da^n  ausgehend 
von  der  Narbe  die  Wucherung  begonnen  haben. 

£s  findet  sich  über  dem  Metacarpus  des  rechten  Daumens  eine, 
dem  Knochen  adhärente  Narbe,  von  ihr  ausgehend  ein  kreisrunder  Plaque 
von  Fünfmarkstückgrösse,  der  sich  nach  dem  Zeigefinger  und  der 
Falte  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  hin  erstreckt*  Gubital- 
und  A^U^drusen  rechts  qi^sig  indolent  geschwollfm.  Die  innßrisn  Organe 
sind  anscheinend  normal,.  Unter  der  gewöhnlichen  Behandlung  durch. Aus- 
kratzen UQd  Gauterisation,  sowie  Anwendung  von  Sublimatumschlägen  und 
Pyrograllussalbe  trat  Heilung  ein. 

7;  W.  W.,  52 'Jahre  alt,  Plüschweber*  Di©  Affeotion  auf  der- Hand* 
begann  2'/,  Jahre  vor  Aufnahme  in  die  Klinik.  Pat.  glaubt»  dass  dieselbe 
durch  Scheuem  des  Rockärmels  entstanden  sei. 


422  Knickenborg. 

Die  erkrankte  Stelle  findet  sich  auf  dem  linken  Handrücken 
über  dem  Metacarpus  pollicis  in  einer  Grösse  von  5:3  Cm.,  auf 
ihrer  Oberfläche  warzige  Excreszenzen  tragend,  zwischen  denen  kleinste 
Ulcerationen  an  einzelnen  Stellen  sich  zeigen. 

Leichte  Dämpfung  über  beiden  Lungenspitzen,  trockene  Rhonchi. 

Ther.:  Am  Tage  der  Einspritzung  von  0,001  Tuberculin  trat  keine 
deutliche  Reaction  ein,  dagegen  erschien  am  folgenden  Tage  die  ganze 
erkrankte  Partie  ums  Doppelte  geschwollen.  Nach  Exstirpation  und 
Transplantation  erfolgte  Heilung.  Weitere  Tuberculininjection  wurden  in 
diesem  Falle  nicht  vorgenommen. 

8.  M.  H.,  47  Jahre,  Ackerer.  Mutter  des  Patienten  starb  an  „Ab- 
zehrung''. Die  Affection  an  der  Hand  begann  '/i  Jahre  vor  Aufnahme  in 
die  Klinik.  —  Auf  dem  Dorsum  der  rechten  Hand  ein  gut 
fünfmarkstückgrosser  verrucöser  Plaque  ,  umgeben  von 
schmalem,  erythematösem  Saum.  Auf  seitlichen  Druck  entleeren  sich 
zwischen  den  papillären  Excrescenzen,  wie  aus  einem  Sieb  Eitertröpfchen. 
Eine  kleinere  gleiche  Stelle  über  dem  Metacarpo-phalan- 
gealgelenk  des  rechten  Mittelfingers.  Keine  Drüsenschwellung. 
Lungen  u.  s.  w.  normal. 

Nach  Auskratzen  und  Cauterisation  trat  Heilung  ein. 

9.  S.  Seh.,  28  Jahre  alt,  Handelsmann.  Hereditäre  Belastung  des 
Pat.  nicht  nachweislich.  Pat.  selbst  im  übrigen  angeblich  völlig  gesund. 
Die  Erkrankung  begann  4—5  Jahre  vor  Au&ahme  in  die  Klinik  an  der 
rechten  Hand  und  trat  später  erst  an  der  linken  Hand  auf,  langsam 
wachsend.    Pat.  hat  viel  mit  Lumpen,  Knochen  u.  s.  w.  gehandelt. 

Ueber  dem  distalen  Ende  des  Metacarpus  pollicis 
dextri  und  dicht  oberhalb  des  Interstitiams  zwischen  dem 
4.  und  5.  Finger  der  linken  Hand  findet  sich  je  eine  thalergrosse 
Stelle,  entsprechend  dem  für  Tuberculosis  verrucosa  cutis  beschriebenen 
Bilde.  Keine  Lymphdrüsenschwellungen.  An  den  inneren  Organen  nichts 
Abnormes  nachweislich. 

Ther.:  Excision  der  erkrankten  Stellen  beiderseits.  Links  Naht, 
rechts  Transplantation.  Yerheilung  mit  glatten  Narben. 

Ein  Rückblick  zeigt  uns,  dass  das  Alter  der  9  männlichen 
Patienten  zwischen  14  und  60  Jahren  schwankt.  Ihrer  Beschäf- 
tigung nach  sind  es  3  Ackerer,  1  Handelsmann,  2  Fabrikarbeiter 
und  3  ohne  besondere  Beschäftigung.  Die  Nachforschung  nach 
tuberculösen  Erkrankungen  in  der  Familie  ergab  in  2  Fällen 
Phthise  des  Vaters  bez.  der  Mutter,  während  die  Untersuchung 
der  Patienten  selbst  auf  Tuberculose  der  inneren  Organe  drei- 
mal verdächtigen  Lungenbefund  oder  die  Zeichen  der  Lungen- 
tuberculose  ergab.  Sonst  war,  was  die  Beschäftigung  oder  be- 
sondere Gewohnheiten  der  Pat.  angeht,  nichts  irgendwie  Bedeu- 


lieber  Tuberculosis  verrucosa  cutis.  423 

tendes  festzustellen;  ein  Patient  sprach  die  Vermuthung  aus, 
dass  die  Affection  durch  Scheuern  des  Rockärmels  entstanden 
sei,  weil  sie  gerade  an  der  betr.  Stelle  sass.  Bei  3  Patienten 
fanden  sich  ausser  der  hierhergehörigen  Affection  Zeichen  ander- 
weiter Haut-  oder  Knochentuberculose.  Als  längste  Dauer 
des  Bestehens  der  Erkrankung  wurden  6  Jahre  angegeben.  Auch 
hier  bei  den  männlichen  waren  wie  bei  den  weiblichen  Patienten 
Sitz  der  Erkrankung  die   distalsten  Partien    der  Extremitäten. 

Interessant  ist  die  Entstehung  der  verrucösen  Plaques  an 
der  Stelle  und  im  Anschluss  an  Wunden,  die  durch  spontane 
Perforation  bez.  Incision  tuberculös  erkrankter  Stellen  entstanden 
waren,  und  aus  denen  sich  tuberculöser  Eiter  entleert  hatte, 
wie  wir  dies  bei  einer  Patientin  (7,  K.  H.)  und  bei  2  männlichen 
Patienten  (3.  und  6.)  erfuhren.  (Aehnliche  Verhältnisse  scheinen 
bei  dem  von  Besnier  mitgetheilten  Falle  *)  vorzuliegen,  indem 
sich  hier  die  Tuberculosis  verrucosa  an  der  Stelle  entwickelte, 
wo  sich  zuvor  ein  Abscess  gebildet  hatte ;  der  Pat.  war  phthisisch.) 
Im  übrigen  war  nur  bei  2  Patientinen  (3.  und  4.)  festzustellen, 
dass  vor  der  Entwicklung  der  verrucösen  Plaques  anderweite 
Hauttuberculosen  bestanden  hatten.  Für  die  Frage  der  Auffas- 
sung der  Erkrankung  als  Inoculationstuberculose  hat  die  erstere 
Thatsache  eine  besondere  Wichtigkeit,  denn  da  ist  doch  die 
Entstehung  durch  Inoculation  wohl  das  nächstliegende. 

Die  Frage  des  Lupus  als  Impftuberculose  beschäftigt  ja 
schon  seit  langem  die  Forscher,  Aber  alle  die  vielen  und  auf 
die  mannigfachste  Art  angestellten  Versuche  durch  Einimpfung 
tuberkelbacillenhaltigen  Materials  Lupus  zu  erzeugen,  haben 
bis  jetzt  zu  keinem  Resultate  geführt.  Leloir^)  sah  freilich 
durch  Impfung  locale  Gebilde  entstehen,  die  vom  histologischen 
Standpunkte  aus  sehr  an  den  Lupus  erinnerten  und  Baum- 
garten ^)  fand  nach  kräftiger  Einreibung  einer  reichlichen 
Menge  von  Tuberkelbacillen  in  die  rasirte  Kaninchenhaut 
Localaffecte  ähnlich  den  menschlichen  Leichentuberkeln.  Allein 
welche  Bedingungen  vorhanden  sein  müssen,  um  die  Tuberculose 


')  Annales  de  Dermatol.  et  de  Syphiligrapbie  1889,  p.  220. 
')  Vierteljahrsschrifl  für  Dermatologie  1884.   Annales  de  Dermatol. 
et  de  Syphiligraphie  1891. 
•)  Mykologie  p.  637. 


4^  Knickenberg. 

der  Haut  gerade  in  der  Form  des  Lupus  auftreten  zu  lassen, 
wissen  wir  bis  heute  noch,  nicht.  Trotz  alledem  neigen  viele 
Forscher  zu  der  Ansicht,  daßs  Lupus  in  einer  grossen  Zahl  der 
Fälle  von  aussen  eingeimpft  sei,  eine  Ansicht,  die  Herr  Geheim- 
rath  Doutrelepont^)  schon  seit  längeren  Jahren  in  seinen, 
klinischen  Vorlesungen  vertrat.  In,  freilich  ganz  wenigen  Fälleu 
gelang  es  ja  auch  den  Lupus  als  Lioculationfilupus  nachzuweisen, 
vgl.  Jadassohn,  Virchows  Archiv  121.  Bi,  1890.  „üeber  In- 
oculationslupus''  und  Wolter's,  Deutsche  med«  Wochenschr. 
1892.  „Ueber  Inoculationslupus". 

Wenn  man  aber  im  allgemeinen  Lupus  in  einer  grossen 
Zahl  von  Fällen  als  von  aussen  eingeimpft  ansehen  kann,  dann 
wird  man  diese  Anschauung  wohl  mit  besonderem  Grunde  für 
den  Lupus  der  Extremitäten  geltend  machen  köimen. 

Kiehl  und  Pal  tauf  fassen  auch  die  von  ihnen  beobach- 
teten Erkrankungen  ebenso  wie  die  Leichenwarze  als  „Formen 
von  wahrer  Impftuberculose  der  Haut"  auf.  Wir  zweifeln  nicht, 
dass  sie  damit  Recht  haben.  Das  oben  angeführte  Resultat 
Baumgarte  n^s  würde  ja  auch  in  gewissem  Sinne  fär  sie  sprechen. 

Auch  Salz  er'')  bemerkt,  dass  die  von  ihm  beobachtete 
Erkrankung  angeblich  nach  einer  4  Jahre  zuvor  stattgehabten 
Verletzung  des  betr.  Fingers  entstanden  sei.  Und  Bowen*) 
sagt  uns,  dass  bei  2  seiner  Patienten  die  Affection  zu  der  Zeit 
entstanden  sei,  wo  sie  an  Tuberculose  erkrankte  Angehörige 
pflegten  und  deren  Wäsche,  Taschentücher  u.  s.  w.  zu  waschen 
hatten  und  bei  4  weiteren  Patienten  festzustellen  war,  dass  sie 
entweder  selbst  schon  zuvor  an  Tuberculose  erkrankt  waren 
oder  doch  in  häufige  Berührung  mit  Tuberculosen  kamen.  Dem- 
nach ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  es  sich  in  den  Fallen 
auch  um  Inoculationstuberculose  handelt. 

Ueber  die  hier  einschlägigen  Beobachtungen  betreff,  das 
gleichzeitige  Vorkommen  anderweiter  Hauttuberculösen  bez. 
sonstiger  tuberculöser  Erkrankungen   der  Patienten  selbst  odßr 


')  Vergl.  anoh   Doutrelepont.    Ueber  Haut-  und  Sißhleiinhaat- 
tuberouloBe.  Deutaohe  med*  Woobensehrift  1892. 
')  L  c. 
»)  1.  c. 


Ueber  Tuberculosis  verrucosa  cutis.  425 

der  nächsten  Angehörigen  derselben  haben  wir  für  unsere  oben 
angeführten  Fälle  dort  schon  berichtet. 

In  den  meisten  Fällen  wird  es  ja  schwer  sein  festzustellen, 
ob  etwa  die  tuberculöse  Lungenaffection  schon  vor  Auftreten 
tuberculöser  Hauterkrankungen  bestand,  aber  bei  genügender 
Aufinerksamkeit  auf  diesen  Punkt  wird  es  doch  zuweilen  ge- 
lingen. Besnier*)  versichert,  dass  er  in  einer  ziemlich  grossen 
Zahl  ähnlicher  Fälle  gewiss  sein  konnte,  dass  die  Lungenaf- 
fection zuerst  da  war,  und  schliesst  daraus,  dass  es  sich  um 
Auto-Inoculation  handle. 

Was  die  mit  Tuberculininjectionen  behandelten  Fälle  an- 
geht, so  fand  sich  durchweg  örtliche  Reaction  mit  Röthung  oder 
Schwellung,  und  es  zeigte  sich  auch  da  wieder  der  Werth  des 
Tuberculin  als  diagnostischen  Mittels.  Fordyce^)  hatte  bei 
seinem  Falle  kein  Resultat  von  Tuberculin  gesehen. 

Wir  kommen  nun  zu  den  histologischen  Befunden  der 
exstirpirten  Stücke.  Diese  wurden  sofort  nach  der  Exstirpation 
in  absoluten  Alkohol  gebracht,  gehärtet  und  dann,  theils  in 
Celloidin,  theils  in  ParaflFin  eingebettet,  oder  auf  dem  Gefrier- 
mikrotom mit  Anisöl  geschnitten.  In  allen  Fällen  fand  sich  ein 
mächtiges  Hornlager,  das  besonders  über  den  Papillen  stark 
entwickelt  und  in  Lamellen  unregelmässig  angeordnt  war.  Stel- 
lenweise waren  zwischen  den  verhornten  Schichten  Exsudat - 
massen,  in  denen  sich  die  Kerne  nur  noch  wenig  färbten  und 
Zerfallsmassen.  Diese  stammen  aus  den  kleinen  Abscessen,  die 
sich  an  einzelnen  Stellen  dicht  unter  den  tiefen  interpapillären 
Einsenkungen  finden.  Das  Stratum  lucidum  zeigte  keine  auffal- 
lenden Erscheinungen,  ebensowenig  das  Stratum  granulosum. 
Die  Stachelzellenschicht  war  besonders  dort  wesentlich  stärker, 
wo  die  Epidermis  theils  kleinere,  theils  sehr  grosse  kolbenför- 
mige Zapfen  zwischen  die  Papillen  einsenkt  Letztere  erscheinen 
an  den  Stellen  höchster  Entwicklung  stark  gewuchert  und  oft 
dendritisch  verzweigt;  zwischen  dieselben  senken  sich  die  Epi- 
dermiszapfen  je  nachdem  mehr  oder  weniger  tief  ein. 

Die  Papillen  selbst  sind,  besonders  an  ihrer  Basis  stark 
zellig  infiltrirt  und  diese  Infiltrationen   stehen   vielfach  im  Zu- 


')  1.  c. 
»)  1.  c. 

Archiv  f.  Dermatol.  u.  Syphll.  Band  XXVI.  29 


426  Knickenberg. 

sammenhang  mit  den  ausgedehnten  Infiltraten  der  Gegend  des 
Stratum  vasculosum  subpapillare.  Während  dieses  in  seiner 
typischen  Anordnung  verschwunden  ist,  zeigen  sich  anderseits 
zahkeiche  unregebnässig  rertheilte  Capillaren.  Zuweilen  trat 
der  herdförmige  Charakter  der  Zellwucherungen  deutlich  hervor, 
zuweilen  sahen  wir  diese  Anordnung  durch  starken  ZeUreichthum 
der  Umgebung  mehr  verwischt.  Die  einzelnen  Herde  boten  alle 
Kennzeichen  eines  typischen  Tuberkels  mit  epitheloiden  und 
Riesenzellen.  An  einzelnen  Stellen,  mit  Vorliebe  dort,  wo  die 
Epidermis  sich  besonders  tief  zwischen  die  Papillen  einsenkt, 
sieht  man  den  Beginn  der  kleinen  Abscesse,  die  wir  oben  schon 
erwähnten. 

Talgdrüsen  und  Haarbälge  sind  verschwunden,  dagegen 
die  Ausfuhrungsgänge  der  Schweissdrüsen  stellenweise  erhalten 
und  um  diese  herum  findet  sich  dann  auch  Infiltration. 

Soweit  würde  unser  mikroskopischer  Befund  mit  den  von 
nie  hl  und  Pal  tauf  gemachten  wohl  übereinstimmen,  aber  es 
kommt  hinzu,  dass  während  jene  „die  Herde  von  Zellinfiltraten 
nur  ausnahmsweise  die  Ebene  der  Schweissdrüsenknäuel  errei- 
chen" sahen,  wir  diese  Herde  fast  durchweg  auch  in  den  tieferen 
Schichten  der  Cutis  fanden  und  auch  hier  die  Umgebung  der 
Drüsenknäuel  und  Gefässe  mit  Rundzellen  infiltrirt. 

Was  den  Befund  an  Tuberkelbacillen  angeht,  so  war  der- 
selbe sehr  gering,  jedenfalls  nicht  grösser  als  man  ihn  sonst 
bei  Lupus  zu  machen  gewohnt  ist. 

Somit  hätten  wir  bei  diesen  Fällen  grösster  Aehnlichkeit 
und  äusserer  Uebereinstimmung  mit  der  von  Riehl  und  Pal- 
tauf beschriebenen  Affection  keinen  anderen  mikroskopischen 
Befund  als  den  bei  Lupus  verrucosus  gewohnten  erheben  können. 

Wenn  nun  Riehl  und  Paltauf  besondere  Bedeutung  dem 
beilegen  wollen,  dass  sich  bei  den  von  ihnen  beobachteten  Er- 
krankungen mikroskopisch  die  Knötchen  nur  in  den  obersten 
Schichten  der  Cutis  fanden,  so  ist  uns  das  kein  besonders  be- 
merkenswerther  Befund.  Denn  oft  genug  findet  man  auch  in 
Fällen,  deren  klinisches  Bild  nicht  mit  dem  jener  Autoren  zu- 
sammenfällt, z.  B.  bei  Lupus  exfoliaceus,  die  Infiltrationsherde 
nur  obei-flächlich  gelagert.  Aber  gehen  wir  noch  weiter  auf  die 
von  jenen  Autoren   angeführten   differential-diagnostischen  Mo- 


üeber  Tuberculosis  verrucosa  cutis.  427 

mente  ein.  Was  das  Fehlen  makroskopisch  wahrnehmbarer  Knöt- 
chen bei  Tuberculosis  verrucosa  cutis  angeht,  so  sagen  Kiehl 
und  Pal  tauf  selbst,  dass  sie  die  ersten  Anfänge  der  Erkran- 
kung nicht  haben  beobachten  können.  ^)  Es  bliebe  also  einer- 
seits immerhin  möglich,  dass  zuerst  Knötchen  dagewesen  wären 
und  anderseits  sind  oft  bei  Fällen,  deren  mikroskopische  Unter- 
suchung den  gewöhnlichen  Befund  des  Lupus  verrucosus  ergibt, 
Knötchen  makroskopisch  nicht  zu  erkennen.  Und  sollten  nicht 
vielleicht  die  kleinen  Krusten  und  „Pusteln"  am  Rande  der 
papillären  Excrescenzen  zerfallenen  Knötchen  ihre  Entstehung 
verdanken  können? 

Weiter,  sagen  sie,  zeigen  auch  ältere  Partien  keine  Ten- 
denz zu  ulcerösem  Zerfall  Dieser  fehlt  aber  auch  meist  bei 
Lupus  verrucosus,  wie  das  Morrow')  ausdrücklich  erklärt: 
„From  the  comparison  of  lupus  verrucosus  or  lupus  sclereux 
with  tuberculosis  verrucosa  cutis,  it  will  be  seen  that  the  present 
many  analogies,  they  do  not  differ  materiaUy  in  their  typical 
papillomatous  features,  they  are  identical  in  location,  and  not- 
withstanding  RiehTs  assertion  to  the  contrary,  an  absence  of 
ulceration  is  common  to  both...'^  Endlich  kommen  die  miliaren 
Abscesse  bei  Lupus  verrucosus  genau  ebenso  vor,  wie  Riehl 
und  Pal  tauf  sie  für  ihre  Affection  beschreiben.  Auch  darin, 
dass  Riehl  und  Pal  tauf  aus  der  Beschäftigung  ihrer  Patien- 
ten heraus  die  Tuberculosis  verrucosa  cutis  als  Impftuberculose 
aufiassen,  können  wir  keinen  Grund  zur  Trennung  vom  Lupus 
sehen,  denn  auch  den  Lupus  der  Extremitäten  kann  man  in 
einer  grossen  Zahl  von  Fällen  als  Impftuberculose  ansprechen. 

Und  wollte  man  uns  einwenden,  dass  in  dem  grösseren 
Reichthum  an  Bacillen  ein  Unterschied  zwischen  Tuberculosis 
verrucosa  cutis  und  Lupus  verrucosus  liege,  so  könnten  wir  da- 
gegen anfuhren,  dass  auch  bei  Lupus  sich  öfters  verhältniss- 
mässig  zahlreiche  Bacillen  finden.   So  sah  u.  A.  K  o  c  h  ')  in  ein- 

')  Später  freilich  erklären  sie  ohne  Weiteres,  dass  bei  ihrer 
Krankheit  „das  Auswachsen  der  Papillen  gleich  zu  Anfang  des  Processes 
ohne  vorausgehende  Ulceration,  ja  wahrscheinlich  fast  gleichzeitig  mit  der 
Entwicklung  der  Tuberkel  beginnt  **. 

*)  Gase  of  Tuberculosis  papillomatosa  cutis  etc.  Journal  of  cut.  and 
gen.-urin.  diseases.  1888,  Nr.  11. 

')  Mittheilungen  aus  dem  kais.  Gesundheitsamte.  II. 

29* 


428  Knickenberg. 

zelnen  Schnitten  öfters  mehrere  Bacillen,  so  fand  Lachmann  ^) 
im  Eiter,  der  unter  Borken  entnommen  war,  die  lange  Zeit  auf 
lupösen  Stellen  gesessen,  zahlreiche  Bacillen,  wie  in  Züchtungen 
bei  einander  und  Doutrelepont*)  berichtet  von  Fällen,  in 
denen  er  zahlreiche  und  einmal  sogar  in  einer  Reihe  von  Schnit- 
ten sehr  zahlreiche  Bacillen  nachweisen  konnte.  Auch  gibt  uns 
Leloir  in  den  Tafeln  zu  seinem  Werke:  Traite  etc.  de  la 
Scrofulo-Tuberculose  eine  Reihe  mikroskopischer  Bilder  von 
verschiedenen  Lupusformen  mit  zahlreicheren  Bacillen. 

Allem  dem  gegenüber  sind  wir  der  Anschauung,  dass  weder 
das  klinische  Bild  noch  das  mikroskopische  Verhalten  entschei- 
dend genug  ist,  um  die  Aufstellung  der  „Tuberculosis  verrucosa 
cutis"  als  neue  und  besondere  Form  der  Hauttuberculose  be- 
rechtigt erscheinen  zu  lassen. 

Wenn  eine  Reihe  von  Autoren  (u.  A.  Fox,  Fournier  und 
in  jüngster  Zeit  Hallope au  in  seiner  Abhandlung :  Des  treves 
dans  les  manifestations  cutanees  de  la  tuberculose)  *)  Lupus 
verrucosus  oder  sclerösus  und  die  Tuberculosis  verrucosa  cutis 
als  gleichbedeutend  hinstellen,  so  können  wir  uns  dem  nur  an- 
schliessen,  denn  auch  unseres  Erachtens  ist  die  sog.  Tubercu- 
losis verrucosa  nichts  anderes  als  ein  oberflächlicher  Lupus  verru- 
cosus. Diese  Auffassung  hat  Herr  Geheimrath  Doutrelepont 
in  seinen  klinischen  Vorlesungen  sowohl  als  in  wissenschaftlicher 
Abhandlung  seit  langem  vertreten.  La  seiner  Veröffentlichung: 
„Ueber  Haut- und  Schleimhauttuberculose"  *)  kommt  er  auf  die 
Tuberculosis  verrucosa  cutis  zu  sprechen  und  sagt:  „Solche 
Fälle,  die  an  den  Händen  allein,  aber  auch  an  anderen  Stellen 
localisirt  sind,  sehen  wir  auch  hier,  von  dem  Lupus  braucht 
man  sie  jedoch  nicht  abzuzweigen,  da  wir  sie  in  Verbindung 
mit  allgemein  verbreitetem  Lupus  an  den  Extremitäten,  oder 
auch  mit  Lupus  des  Gesichts  allein  häufig  beobachten,  und 
diese  Form  nach  Heilung  in  der  Narbe  als  Lupus  vulgaris 
recidiviren  kann,  wie  ich  es  zuweilen  gesehen  habe." 


')  Deutsche  med.  Wochenschrift  1884.  Nr.  13. 
')     „Die   Aetiologie    des   Lupus   vulgaris."     Vierteljahrsschrift    für 
Dermatologie  und  Syph.  1884. 

•)  Annales  de  Dermatol.  et  de  Syphiligr.    October  1893. 
*)  Deutsche  med.  Wochenschrift.  1892. 


Ueber  Tubercalosis  verrucosa  cutis.  429 

Riehl  und  Paltauf  führen  diese  Fälle  als  Inoculations- 
tuberculose  auf,  ich  möchte  sie  ausserdem  mit  Finger  dafür 
als  Beweis  anführen,  dass  durch  Einimpfung  Ton  Tuberkelyirus 
eine  dem  Lupus  papillaris  ganz  gleiche  Erkrankung  der  Haut 
hervorgerufen  werden  kann^. 

Diesen  Standpunkt  der  Identität  der  Tuberculosis  verrucosa 
cutis  mit  der  verrucösen  Lupusform  nimmt  auch  H.  Leloir 
ein,  der  in  seinem  neuen  grossen  Werke:  Traite  pratique 
theorique  et  therapeutique  de  la  Scrofulo-Tuberculose  de  la 
peau.  (Paris  1892)  bei  Abhandlung  der  Riehl-P  alt  auf  sehen 
Erkrankung  sagt,  dass  dieselbe  seiner  Meinung  nach  aufgefasst 
werden  muss  als  „Lupus  demi-sclereux  papillomateux  superficiel 
ä  tendance  suppurative^,  und  liest  man  seine  ausführliche  Be- 
arbeitung des  Lupus  sclereux  u.  s.  w.,  so  wird  man  die  Berech- 
tigung der  Ansicht  Leloir's  nicht  verkennen  können. 

Dass  diese  verrucöse  Lupusform  öfters  bei  Erwachsenen 
oberflächlicher  sitzt  als  bei  Kindern,  mag,  wie  auch  Finger') 
vermuthet,  seinen  Grund  in  der  grösseren  Widerstandsfähigkeit 
der  Haut  des  Erwachsenen  gegenüber  jener  des  Kindes  haben. 

Es  ist  ein  Verdienst  RiehTs  und  Palt  auf's,  und  das 
soll  nicht  geschmälert  werden,  diese  Formen  der  Hauterkran- 
kung so  genau  untersucht,  beschrieben  und  auf  den  tubercu- 
lösen  Charakter  derselben  hingewiesen  zu  haben.  Aber  wir 
wiederholen  es,  die  „Tuberculosis  verrucosa  cutis^  ist  unseres 
Erachtens  keine  in  sich  abgeschlossene  besondere  Erkrankungs- 
form der  Hauttuberculose,  sondern  nur  ein  oberflächlicher  Lupus 
verrucosus. 

')  1.  c. 


BerieM  ifter  die  Leistungen 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  und  Syphilis. 


',.' 


Verliandlungen  der  Wiener  dermatologisclien 

Gesellschaft. 


Sitzung  vom  6.  November  1899. 
Yorsitzender :  Neumann.   Schriftführer:  Gehak. 

Neamann  demonstrirt  1.  die  Kranke  aus  der  letzten  Sitzung  mit 
Pemphigas  vegetans.  An  dem  Bilde  hat  sich  seitdem  wenig  geändert,  nur  sind 
Efflorescenzen  an  der  Conjunctiva  aufgetreten,  femer  neue  in  der  Mundhöhle. 
Besonders  interessant  ist,  dass  in  der  Nabelgegend  nach  Abstossung  der 
Blasendecken  zwei  fleischrothe  Stellen  zurückblieben,  aus  deren  Gentrum 
innerhalb  der  14  Tage  papillomartige  Wucherungen  hervorwuchsen,  einen 
wahren  Pemphigus  vegetans  darstellend.  Am  Genitale  finden  sich  ähnliche 
Waoherangen,  Efflorescenzen  an  der  Schleimhaut  der  Vagina,  namentlich 
an  den  Columnen.  Blatbefund:  16.000  weisse,  4,100.000  rothe  Blutkörper- 
ohen,  Hämogl.  877e- 

Kaposi  zeigt  1.  ein  Kind  mit  excessiver  Ichthyosis  hystrix. 

Schiff  zeigt  ein  Kind  mit  einem  derben  speckig  belegten  Infiltrat 
an  der  Urethralmondung,  das  er  für  eine  exolcerirte  Sclerose  hält.  Vater 
und  Matter  sind  gesund,  das  Kind  selbet  hat  viel  mit  fremden  Leuten, 
namentlich  Kindern  verkehrt. 

Kaposi  betont^  man  dürfe  nicht  so  strict  die  Diagnose  auf  Scle- 
rose stellen,  da  die  VerantwortHehkeit  eine  grosse  ist,  besonders  bei  Kindern, 
wo  man  anoh  in  Folge  von  Ekzem  an  den  aneinanderliegenden  Genital- 
falten and  in  der  Analregion  sehr  häufig  ciroumscripten  Decubitus  und 
Gangrän  mit  entsprechenden  Infiltraten  findet.  Man  müsse  sich  mehr 
reservirt  halten,  wenn  selbst  Drüsenachwellungen  vorhanden  sind,  da  solche 
aach  bei  nicht  specifischen  Entzündungen  vorkommen  können.  Er  würde  sich 
höch8ten&  getrauen,  die  Affection  für  eine  Art  Epitheldecubitus  zu  erklären. 

Neumann.  Die  Stelle  an  der  Urethra  sieht  aus  wie  eine  nässende 
Papel,  aus  dieser  allein  kann  man  aber  keine  Diagnose  stellen.  Mit  Be- 
stimmtheit kann  man  jedoch  eine  congenitale  oder  hereditäre  Syphilis 
auBBchlieasen,  Zwei  infiltrirte  Afterfalten  weisen  anf  eine  ältere  Erkrankang 
hin.  Jedenfalls  muss  das  Kind  weiter  beobachtet,  bei  guter  Beleuchtung 
nntersncht,  besonders  die  Mundhöhle  inspicirt  werden,  ehe  man  ein  Urtheil 
abgeben  kann. 


434  Verhandlnngen 

Lang  spricht  sich  ebenfalls  für  eine  weitere  Beobachtung  aus.  Das 
Kind  hat  ansserdem  eine  ganz  geringe  Prurigo,  mit  der  möglicherweise 
auch  die  ürticariaefQorescenzen  am  Körper  in  Znsammenhang  stehen. 

Ehr  mann  hat  vor  einigen  Jahren  einen  4jähr.  Knaben  wegen  hoch- 
gradiger Phimose  circumcidirt  Es  fanden  sich  ähnliche  Plaques  an  der 
Innenfläche  des  Präputiums,  untermischt  mit  kleinen  spitzen  Condylomen. 
Sie  schwanden  vollständig  nach  Trockenlegung  des  Präputiums,  ohne  eine 
Spur  zu  hinterlassen.  Man  könnte  dasselbe  vielleicht  auch  hier  versuchen. 

Kaposi  zeigt  2.  eine  Frau  mit  Sclerodermie.  üeber  den  ganzen 
Körper  zerstreute  linsen-  bis  uberthalergrosse  Herde,  ein  ungewöhnliches 
Bild,  da  man  sonst  entweder  isolirte  oder  der  Gefassvertheilung  folgende 
Plaques  findet.  Nirgends  di£^se  Sclerodermie;  die  Herde  befinden  sich  in 
verschiedenen  Stadien,  einzelne  speckähnlich  glänzend,  im  Fortschreiten 
begriffen,  andere  im  Zustande  cicatrisirenden  Hautsclerems,  schon  ver- 
schwindend. Die  Dauer  der  Krankheit  ist  schwer  zu  eruiren,  weil  die  Leute 
an  den  von  Kleidung  bedeckten  Stellen  eine  solche  Veränderung  der  Haut 
nicht  so  bald  wahrnehmen.  Einen  Fall  mit  so  vielen  einzeln  stehenden 
Herden  hat  K.  noch  nicht  beobachtet. 

Der  Fall  von  Sderodermia  universalis  bei  der  voriges  Jahr  demon- 
strirten  Frau  ist  auf  erweichende  Behandlung  zeitweilig  besser  geworden. 
Jetzt  im  Herbst  hat  die  Sclerodactylie  wieder  zugenommen» 

N  e  u  m  a  n  n.  Dieser  Fall  ist  jedenfaUs  ein  Unicum.  Die  meisten  Herde- 
befinden sich  noch  im  Stadium  elevatum,  wo  also  noch  eine  Besserung  zu' 
erzielen  ist.  Einen  interessanten  Fall  von  Sclerodermie  sah  ich  jüngst  bei: 
einer  Frau  mit  Erkrankung  der  Gesichtshaut,  des  Rachens  und  Kehlkopfes  ^ 
die  Kranke  bekam  bisweilen  Anfalle  von  Athemnoth.  Der  behandelnde 
College  wandte  Massage  und  warme  Umschläge  an. 

Ehr  mann  fahrt  einen  Fall  an,  wo  Massage  eine  ausgezeichnete 
Wirkung  hatte;  derselbe  betraf  ein  lljähr.  Mädchen,  das  jahrelang  einige 
Sclerodermieplaques  auf  der  Haut  hatte.  Dasselbe  litt  seit  der  Kindheit  an' 
einer  schwer  zu  überwindenden  Obstipation.  E.  sprach  betreffs  dieses 
Falles  mit  einem  CoUegen,  der  sich  viel  mit  Sclerodermie  befasst.  Der- 
selbe hatte  auch  in  seinen  Fällen  meist  Obstipation  gefunden.  Ob  ein 
Zusammenhang  zwischen  beiden  Leiden  besteht,  ist  noch  fraglich. 

Spiegier  zeigt  einen  Mann,  dessen  Kopf  von  zahlreichen  halb- 
kugeligen Tumoren  besetzt  ist,  die  sich  klinisch  als  Molluscum  fibrosum 
darstellen.  Zwei  ebensolche  (Geschwülste  am  Rücken.  Am  Kopf  zahlreiche 
exulcerirte  Stellen.  Die  erste  Yermuthung  von  Kaposi  war  die  einer  durch 
Maceration  und  Reizung  exulcerirten ,  verhältnissmässig  gutartigen .  Ge- 
schwulst mit  Uebei^ang  in  ein  bösartiges  Stadium.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  der  Geschwülste  von  verschiedener  Grösse  und  verschiedenen 
Stellen  ergab  übereinstimmend  den  Bau  eines  Cylindroms.  Eine  Beschrei- 
bung eines  ähnlichen  Falles  ist  Sp.  in  der  Literatur  nicht  bekannt,  mit 
Ausnahme  eines  Referates  aus  einer  französischen  Zeitschrift,  deren  Ori- 
ginal sich  Sp.  noch  nicht  verschaffen  konnte.    Krankheitsdauer  40  Jahre. 


der  Wiener  dermatologisclien  Gesellschaft.  435 

Der  grösste  Theil  der  Geschwülste  wurde  theils  auf  der  Klinik  Albert, 
theils  von  Kaposi  abgetragen. 

Finger  denionstrirt  1.  einen  Mann  mit  einem  mercuriellen  Erythem. 
Vor  10  Tagen  Ixgection  von  Hydrarg.  salicyl.,  nach  2  Tagen  Erythem  am 
ganzen  Körper  mit  heftigem  Jucken,  angeblich  auch  Fieber.  Einige  ähn- 
liche Fälle  sind  in  der  französischen  Literatur  publicirt,  wo  auf  Darreichung 
von  Hg.-Präparaten  Erytheme  entstanden. 

Ehr  mann  hat  unlängst  einen  Fall  beschrieben,  wo  wohl  nach  einer 
Einreibungscur  und  nach  subcutaner  Anwendung  von  Ol.  cinereum  ein 
solches  Erythem  auftrat,  nicht  aber  auf  interne  Darreichung. 

Hebra  sah  vor  einigen  Tagen  einen  Patienten,  der  nach  einer  In- 
jection  einer  sehr  schwachen  Lapislösung  in  die  Urethra  ein  kolossales 
scarlatinaähnliches  Erythem  unter  Fiebererscheinungen  bekam.  Dabei 
zeigte  sich  eine  ziemlich  seltene  Nebenerscheinung,  nämlich  eine  Affection 
der  behaarten  Kopfhaut,  die  einem  Ekzem  ziemlich  ähnlich  sieht,  nässt,. 
aber  ohne  Röthung  der  Basis,  mit  Bildung  einer  grossen  Anzahl  von 
Bläschen  beginnend.  Dabei  ist  die  Secretion  eine  so  profuse,  dass  es  den 
Leuten  über  Gesicht  und  Ohren  herunterläuft.  Ich  möchte  die  Affection 
in  Parallele  setzen  zum  Herpes  febrilis  und  sie  Herpes  capillitii  nennen. 
Auf  rein  expectative  Behandlung  schwindet  dieselbe,  sowie  auch  das  Ery- 
them in  wenigen  Tagen. 

Finger  zeigt  2.  einen  Mann,  der  seit  2  Jahren  über  Pruritus  in 
der  Gegend  des  Mons  veneris  klagt.  Alle  sonst  für  dieses  Leiden  bekann- 
ten ätiologischen  Momente  fehlen.  Zugleich  leidet  der  Kranke  —  eine 
Combination,  die  ich  öfters  gesehen  habe  —  an  sexueller  Neurasthenie,  die 
seit  derselben  Zeit  besteht ;  die  Erection  fehlt  nahezu  vollständig,  die 
Ejaculationen  sind  präcipitirt,  oft  schmerzhaft.  Die  Glans  ist  anästbetisch, 
die  ürethralschleimhaut  hyperästhetisch.  Wir  sehen  eine  solche  Neurasthenie 
bei  Masturbatiten,  bei  Ehemännern,  die  den  Goitus  interruptus  üben,  bei 
Leuten  mit  Urethritis  posterior  und  Prostatitis.  Auch  unser  Patient  hatte 
eine  Urethritis  mit  linksseitiger  Epididymitis.  Das  aus  der  Urethra  ausge- 
druckte Secret  führt  reichlich  Eiterkörperchen.  Dieser  mit  sexueller  Neura- 
sthenie verbundene  Pruritus  ist  am  häufigsten  ein  Pruritus  analis,  seltener 
betri£ft  er  die  Gegend  des  Mons  veneris.  Die  Entstehung  desselben  hängt 
mit  der  Neurasthenie  zusammen,  da  beide  auf  dieselbe  Behandlung  schwin- 
den. Eine  andere  Hauterkrankung,  die  sich  in  Verbindung  mit  sexueller 
Neurasthenie  findet,  ist  der  Herpes  präputialis,  der  besonders  nach  sexu- 
ellen Acten  auftritt.  Es  existiren  also  2  Centren  für  diese  Reizerschei- 
nungen, eines  in  der  Prostata,  ein  zweites  im  Rückenmark.  Oft  genügt 
es,  den  Patienten  sexuelle  Abstinenz  zu  empfehlen,  dabei  bessert  sich  auch 
der  Pruritus.  Mit  der  Verschlimmerung  der  Neurasthenie  tritt  auch  der- 
selbe wieder  auf.    Ich  halte  dieses  Krankheitsbild  für  ein  ganz  tjrpisches. 

Ehrmann.  Man  sieht  eine  ganze  Reihe  von  Patienten,  die  über 
scheinbar  ganz  unmotivirte  Schmerzen  in  der  Inguinalgegend  klagen;  die 
Leute  leiden  an  Blenorrhoe,  Bubo,  beginnenden  Hernien.  Ein  grosser  Theil 
derselben  hat  einen  Pes  planus.   Die  Schmerzen  rühren  offenbar  davon  her. 


436  Yerhandlangen 

dass  die  Stellung  des  Fusses  auch  die  des  Beines  im  Hüftgelenk  modificiri 
und  dadurch  wahrscheinlich  Zerrungen  von  Nerven  herrorgemfen  werden. 
Bei  vielen  findet  man  Herpes  genitalis  und  zw.  immer  auf  der  Seite,  wo 
das  Stützbein  ist.  £&  sind  meist  Leute,  die  eine  stehende  Beschäftigung 
haben.  Oft  findet  man  auch  eine  circumscripte  Schmerzhaftigkeit  auf  dem 
horizontalen  Schambeinast;  es  handelt  sich  wohl  um  eine  circumscripte 
Entzündung  des  Periosts. 

Spiegier  demonstrirt  2.  ein  2yjähr.  Kind  mit  einem  schön  aus- 
gebildeten Erythema  multiforme.  Die  Affection  besteht  seit  einigen 
Tagen.  Daneben  besteht  ein  unvollkommener  Wolfsrachen  und  eine 
Hasenscharte. 

Kaposi  zeigt  8.  eine  Frau  mit  Pemphigus.  Die  Kranke  befindet 
sich  jetzt  in  einem  recht  guten  Zustand.  Aus  der  Yertheilung  und  Grösse 
der  Pigmentflecke  erkennt  man  noch  jetzt,  dass  sie  schwer  krank  war. 
Jetzt  sind  bloss  ganz  kleine  Nachschübe  in  einzelnen  Herden  zu  sehen. 

4.  eine  Frau  mit  Pemphigus  foliaceus  serpiginosus,  die  vor  12  Tagen 
an  die  Klinik  kam  mit  sehr  bedeutender  Salivation  wegen  der  Mitaffection 
der  Mundschleimhaut.  Jetzt  befindet  sich  die  Kranke  in  dem  Stadium,  wo 
die  Herde  mit  blättrigen  Schuppen  bedeckt  sind.  Während  dieselben  sich 
unter  entsprechender  Behandlung  überhäuten,  sieht  man  über  der  linken 
Tonsille  eine  scharf  begrenzte  scheibenförmige  nekrotische  Masse,  nämlich 
den  Herd  einer  Blase  von  Pemphigus  foliaceus.  Da  der  Pemphigus  oft  an 
der  Schleimhaut  beginnt  und  dort  sog^ar  Nachschübe  zeigt,  ohne  dass  auf 
der  aUgemeinen  Decke  Blasen  vorhanden  sind,  so  ist  wohl  manchmal  die 
Diagrnose  schwer,  namentlich  wenn  man  die  Kranken  nicht  längere  Zeit 
beobachten  kann. 

Neumann  zeigt  2.  eine  54jähr.  Frau  mit  Liehen  planus.  An  den 
Ober-  und  ünterextremitäten,  am  Stamme,  namentlich  an  den  Lenden,  am 
Rücken  und  in  der  Kreuzbeingegend,  an  Hand-  und  Fussrücken,  selbst  an 
der  Planta  linsengrosse,  blassrothe  mit  centraler  Delle  und  festhaftenden 
Schuppen  versehene  Knötchen,  dieselben  an  den  Unterschenkeln  und  am 
Bücken  lividrotb,  zwischen  ihnen  namentlich  um  die  Handgelenke  zahl- 
reiche miliare  frische  Efflorescenzen.  Die  Haut  des  Körpers  vielfach 
zerkratzt,  pigmentirt.  Theer  -  Injectionen  mit  Solutio  Fowleri  4  :  20.  An 
den  Unterschenkeln  und  namentlich  an  der  Planta  hat  die  Affection  ganz 
das  Aussehen  einer  Psoriasis  syphilitica. 

Lang  erinnert,  dass  bis  jetzt  noch  kein  Fall  vorgestellt  wurde,  der 
eine  Combination  von  Liehen  ruber  acuminatus  und  Pityriasis  pilaire  oder 
einen  Uebergang  des  einen  Bildes  in  das  andere  darbot. 

N  e  u  m  a  n  n  zeigt  3.  eine  Kranke,  die  neben  tertiären  Erscheinungen 
von  Syphilis  an  der  Haut  noch  am  Genitale  nässende  Papeln  darbietet. 
Eine  solche  Vereinigung  von  tertiären  mit  seoundären  Formen  findet  sich 
namentlich  bei  dyskrasiscken  Individuen.  Besonders  interessant  sind  die 
in  Gruppen  gestellten  Narben  am  Unterschenkel.  Bisher  ist  die  Kranke 
noch  nicht  behandelt. 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  437 

4.  eine  Kranke,  die  vor  einer  Woche  mit  der  Diagnose  „venerisches 
Geschwür"  auf  die  Klinik  transferirt  wurde.  Bei  näherer  Untersuchung 
erwiesen  sich  die  in  der  Vulva  und  an  der  Innenseite  der  Labien  vorhan- 
denen Geschwüre  als  aphthöse;  es  waren  meist  linsen-  bis  silbergroschen- 
grosse,  theils  auch  kleinere,  scharf  umschriebene,  mit  fest  anhaftendem 
gelbem  Belag  versehene  Stellen.  Das  Mädchen  ist  Yirgo  intacta.  Solche 
aphthöse  Geschwüre  kommen  namentlich  in  Verbindung  mit  Aphthen  der 
Mundschleimhaut  vor,  zumeist  werden  Mägde  befallen,  die  auf  faulem 
Stroh  oder  Heu  schlafen.  Wenn  die  aphthösen  Geschwüre  zunehmen, 
treten  Erytheme  der  Haut  auf  ad  nates,  an  den  Oberschenkeln,  ähnlich 
dem  Erythema  papulatum.  An  der  Klinik  wurden  bis  jetzt  schon  3 
solcher  Fälle  beobachtet. 

Hochsinger  fragt,  ob  N.  diese  aphthösen  Geschwüre  für  ätiologisch 
identisch  hält  mit  der  Stomatitis  aphthosa  der  Kinder,  der  die  Affection 
sehr  ähnlich  sieht.  Für  die  erstere  hat  die  Forschung  eine  Entstehungs- 
quelle  in  den  Staphylococcen  gefunden. 

N  e  u  m  a  n  n.  Die  Stomatitis  aphthosa  der  Kinder  kommt  gleichzeitig 
mit  universellen  aphthösen  Geschwüren  an  der  Vaginalportion  und  am 
äusseren  Genitale  vor.  Daneben  gibt  es  eine  zweite  Form  bei  Erwachsenen 
in  einzelnen  schmerzhaften  tiefg^ifenden  aphthösen  Geschwüren  bestehend, 
wie  sie  z.  B.  in  Begleitung  von  Magencatarrh  sich  findet.  Das  letztere  ent- 
spricht der  demonstrirten  Affection.  In  den  auf  N.'s  Klinik  beobachteten 
Fällen  konnte  der  Staphylococcus  aureus  gezüchtet  werden. 

5.  zeigt  er  einen  19jähr.  Mann  mit  Psoriasis  universalis,  der  sich  seit 
5  Wochen  an  der  Klinik  befindet  und  bis  jetzt  durch  45  Injectionen  von 
Solut.  fowleri  (4 :  20)  gebessert  ist,  dass  zahlreiche  Efflorescenzen  ganz  ab- 
geflacht sind.  Es  ist  dies  bisher  der  4.  in  dieser  Weise  an  N.'s  Klinik 
behandelte  Fall. 

Hock  demonstrirt  zwei  Fälle,  welche  an  Arthritis  blennorrhoica 
metastatica  nach  Augenblennorrhoe  leiden. 

Der  erste  Fall  betrifft  einen  Knaben,  welcher  am  8.  Oct.  auf  der 
L  geburtshilflichen  Klinik  geboren  und  am  20.  Oct.,  weil  mit  Ophthalmo- 
blennorrhoe beider  Augen  behaftet,  auf  die  Augenabtbeilung  der  n.-Ö9terr. 
Landes-Findelanstalt  aufgenommen  wurde.  Das  Kind  befand  sich  relativ 
wohl  bis  zum  24.  Oct.,  an  welchem  Tage  am  linken  Sprunggelenke  eine 
deutlich  wahrnehmbare  Schwellung  auftrat.  Eine  gleiche  Schwellung  zeigte 
Am  26.  Oct.  das  linke  Handgelenk  (Umfang  n  8'\  Cm.),  eine  ebensolche 
Schwellung,  wenn  auch  etwas  im  geringeren  Grade,  das  rechte  Handgelenk 
(umfang  zz  T'/j  Cm.).  Am  27.  Oct.  trat  am  linken  Auge  ein  Ulcus  auf, 
das  rasch  perforirte.  In  dem  Secrete  beider  Augen  zahlreiche  Gonococcen. 
Am  28.  Oct.  war  die  Schwellung  des  linken  Sprunggelenkes  bereits  so 
stark  (Umfang  links  zz  10  Cm.,  rechts  9  Cm.),  dass  behufs  Vornahme  einer 
bakteriologischen  Untersuchung  die  Function  des  Gelenkes  vorgenommen 
werden  konnte.  Entleert  wurden  mittelst  steriler  Pravaz'schen  Spritze  eine 
kleine  Menge  serös-eitriger  Flüssigkeit.  In  den  davon  angefertigten  directen 
Präparaten  zeigten   sich  zahlreiche  typische  Gonococcen.    Das  Culturver- 


438  Verhandlungen 

fahren,  welches  auf  Serum,  Agar  und  Hamagar  vorgenommen  wurde,  be- 
Btätigte  gleichfalls  das  Vorhandensein  und  zwar  das  alleinige  Vorhandensein 
von  Gonococcen  in  dem  Gelenksezsudate.  Aus  dem  linken  Handgelenke, 
welches  wohl  auch  bedeutend  geschwellt  war,  konnte  wegen  der  schweren 
Zugänglichkeit  der  Gelenke  kein  Exsudat  gewonnen  werden. 

Eine  am  30.  Oct.  wiederholte  Function  des  linken  •  Sprunggelenkes 
hatte  dasselbe  Resultat  zu  Folge.  / 

Der  zweite  Fall  betrifft  einen  dreiwöchentlichen  Knaben,  welcher 
ebenfalls  an  Ophthalmoblennorrhoe  beider  Augen  leidet,  in  deren  Secrete 
ebenfalls  zahlreiche  Gonococcen  nachgewiesen  wurden. 

Am  6.  Nov.  trat  unter  massiger  Fieberbewegung  (Temper.  88'2  bis 
38'5)  eine  ganz  bedeutende  Schwellung  des  linken  Kniegelenkes  auf.  Um- 
fang des  linken  Kniegelenkes  auf  der  Höhe  der  Patella  betragt  13  Cm., 
rechts  11  Gm.  Starke  Ausbauchung  der  Gelenkskuppe.  Deutlichste  Fluctua- 
tion.  Deutliches  Ballotement  der  Patella.  Bei  der  noch  am  selben  Tage 
vorgenommenen  Function  konnten  circa  2  Gem.  einer  serÖs-eitrigen  Flüssig- 
keit gewonnen  werden,  in  welcher  ebenfalls  sowohl  durch  die  betreffenden 
Farbenreactionen  als  auch  culturell  (auf  Serum -Agar  und  Harn -Agar) 
Gonococcen  in  reichlichem  Masse  nachgewiesen  wurden.  Meiner  Ansicht 
nach  steht  es  also  ausser  allem  Zweifel,  dass  es  sich  hier  wieder  um  Ge- 
lenksmetastasen und  zwar  um  rein  gonorrhoische  Gelenksmetastasen  nach 
Augenblenorrhoe  handelt.  Ich  hatte  seit  ungefähr  7  Monaten  bei  mir  Ge- 
legenheit, 4  solche  Fälle  zu  beobachten. 

In  Betreff  der  zwei  ersten  Fälle,  welche  ich  beobachtet  habe,  ver- 
weise ich  auf  den  kürzlich  in  der  Wr.  klinischen  Wochenschrift  mitge- 
theilten  „Beitrag  zur  Arthritis  blennorrhoica  metastatica. 

Auffallend  bei  dem  ersten  dieser  2  Fälle  war  mir  das  gänzlich  fie- 
berlose Auftreten  der  Gelenksschwellungen,  sowie  der  Umstand,  dass  mit 
Ausnahme  der  Schwellung  des  linken  Sprunggelenkes,  welche  noch  zur 
Zeit  besteht,  die  Anschwellungen  der  Handgelenke  mehr  einen  ephe- 
meren Charakter  darboten,  eine  ganz  gleiche  Erscheinung,  wie  es  der  2. 
von  mir  bereits  publicirte  Fall  darbot,  wo  nacheinander  Sprunggelenke  — 
Handgelenke  ergriffen  wurden,  Schwellungen  zeigten,  die  aber  ebenso 
rasch  —  als  sie  entstanden,  ohne  irgend  welche  Folgen  zu  hinterlassen  — 
wieder  verschwanden. 

Hochsinger  weist  auf  eine  kürzlich  erschienene  Arbeit  hin,  wo 
unter  100  Fällen  40mal  die  Gonococcen  vermisst  wurden.  Femer  ist  in  der 
letzten  Zeit  ein  Fall  von  Niehden  beschrieben  worden,  wo  ein  Kind, 
trotzdem  es  in  den  intacten  Eihäuten  geboren  wurde,  an  Blennorrhoe  er- 
krankte ;  im  Secrete  der  Vagina  fanden  sich  keine  Gonococcen.  Man  könnte 
demnach  sich  fragen,  ob  nicht  auch  bei  den  demonstrirten  Fällen  andere 
Mikroorganismen  wirksam  waren. 

Hock.  Bezüglich  des  Befundes  von  Gonococcen  kommt  es  wesent- 
lich auf  die  Zeit  der  Untersuchung  an,  indem  dieselben  mit  dem  Alter  der 
Infection  immer  seltener  werden.    Diejenigen  Falle,  wo  man  keine  Gono- 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  439 

coccen   fand,    beweisen  nicht,    dass    nicht    früher   Gonococcen    vorhan- 
den waren. 

Finger.  An  Erwachsenen  kennen  wir  2  Formen  von  gonorrhoi- 
scher Arthritis,  eine  Form  mit  den  acuten  Erscheinungen  einer  Pyaemie, 
oft  mit  letalem  Ausgang,  wo  es  sich  um  eine  Mischinfection  handelt.  Da- 
neben sehen  wir  —  ich  habe  in  der  letzten  Zeit  3  Falle  gesehen  —  acut 
verlaufende  Arthritiden,  die  sich  bei  Erwachsenen  mit  Vorliebe  an  den 
kleinen  Gelenken  localisiren.  Sie  setzen  acut  ein  mit  massiger  schmerz- 
hafter Schwellung,  darauf  folgt  bald  ein  subacntes  sehr  hartnackiges  Sta- 
dium, das  zur  Bildung  von  Bindegewebe  fuhrt  (2  von  den  3  Fällen). 
Diese  Bindegewebsbildung  kommt  dem  Gonococcus  überall  zu,  sowohl  bei 
der  Gonorrhoe  des  Mannes  als  bei  der  des  Weibes,  bei  den  Adnexener- 
krankungen,  Peritonitiden. 

Wertheim.  Sogar  in  so  offen  gelegenen  (Gebieten  wie  in  der 
männlichen  Urethra  und  der  Bindehaut  finden  wir  neben  den  Gonococcen 
niemals  andere  Organismen,  ausser  zufallig  hineingerathene.  Ja  selbst, 
wenn  ein  Individuum  mit  chronischer  Gonorrhoe  eine  acute  Gonorrhoe 
acquirirt,  verschwinden  mit  dem  Auftreten  der  Gonococcen  die  anderen 
Saprophyten,  dasselbe  sehen  wir  auch  bei  der  Augenblennorrhoe  der  Neu- 
gebomen. Die  Frage  der  Mischinfection  ist  ja  überhaupt  wenigstens  für 
manche  Capitel  der  Gonorrhoe  endgiltig  entschieden.  Wir  haben  es  gar 
nicht  nothwendig,  auf  Mischinfection  zu  recuriren,  da  der  Gonococcus 
allein  Bindegewebsbildung  hervorrufen  kann.  Ich  habe  selbst  in  dem  von 
Hock  angefertigten  Präparate  aus  dem  Secrete  der  demonstrirten  Affection 
neben  den  Gonococcen  nicht  einen  einzigen  anderen  Mikroorganismus 
finden  können.    Auch  in  den  Culturen  wuchsen  nur  Gonococcen. 

Königstein.  Es  ist  zwar  sehr  interessant,  dass  von  Seiten  der 
Bindehaut  Blennorrhoe  derartige  eitrige  Gelenksentzündungen  hervorgerufen 
werden,  dass  es  aber  bis  jetzt  nicht  gelungen  ist,  eine  ordentliche  Impfung 
mit  gonorrhoischem  Virus  in  der  Vorderkammer  durchzuführen.  Bei  einem 
solchen  Versuch  entsteht  nach  24  Stunden  eine  Gerinnung,  in  der  man 
gar  keine  Gonococcen  findet.  Die  dabei  entstandene  Entzündung  schwindet 
spätestens  in  3 — 4  Tagen.  Wenn  es  verschiedene  Arten  von  Gelenks- 
schwellung gibt,  eine  ephemere  und  eine  länger  dauernde,  so  musste  man 
auch  für  die  Augenblennorrhoe  zweierlei  verschiedene  Agentien  annehmen, 
lieber  Mischinfection  soll  damit  natürlich  kein  ürtheil  abgegeben  sein. 

Wertheim.  An  dem  Misslingen  der  Impfnng  in  die  Vorderkammer 
war  vielleicht  die  geringe  Virulenz  der  Culturen  oder  ein  anderer  Umstand 
Schuld.  Bei  Impfung  auf  die  Urethra  hat  W.  immer  einen  prompten 
Erfolg  constatirt,  am  3.  Tage  war  bereits  profuse  Eitersecretion  vorhanden. 
Für  die  Frage  der  Möglichkeit  von  Metastasenbildung  ist  die  kürzlich  er- 
schienene Arbeit  von  L  e  y  d  e  n  über  Endocarditis  gonorrhoica  von  Interesse. 
In  den  Elappenauflagerungen  fanden  sich  ausschliesslich  Gonococcen,  die 
stellenweise  ins  Gewebe  eingedrungen  waren,  stellenweise  intracellular 
sich  fanden. 


440  Verhandlungen 

Finger.  Wenn  wir  eine  Reincultor  überimpfen,  so  impfen  wir  die 
Ptomaine  und  die  Gonococcen.  Erstere  sind  entschiedene  Entzündnngs- 
erreger  and  ihre  Wirkimg  ist  die  sofort  an  die  Impfang  sich  anschlies- 
sende Entzündung.  Von  der  Virulenz  der  Gonococcen  hangt  es  nun  ab, 
ob  auch  die  letzteren  eine  Entzündung  hervorzurufen  im  Stande  sind. 

Ehr  mann  hat  in  Proben,  die  Lymphgefassen  entnommen  waren, 
Gonococcen  durch  Färbung  nachgewiesen.  Die  Ansicht  Neiss  er 's,  Gono- 
coccen könnten  nur  im  Epithel  vegetiren,  ist  bereits  umgestossen. 

Lang.  Dass  Gk>nococcen  zu  Metastasen  führen  können,  ist.  zwei^ 
fellos.  L.  hat  einen  diesbezüglichen  Fall  mit  einem  Abscess  am  Hand- 
rücken in  der  Gesellschaft  vorgestellt  Doch  darf  man  nicht  so  ohne  weitera 
die  Metastasen  bloss  auf  Gt>nococcen  beziehen.  Dem  Falle  L  e  y  d  e  n's  steht 
eine  sehr  genau  verfolgte  bakteriologische  Beobachtung  einer  uloerösen 
Endocarditis  von  Weichselbaum  gegenüber;  der  Fall  endete  letaL  Bei  ge- 
nauester Untersuchung  fanden  sich  keine  Gonococcen  als  Ursache  der  Me- 
tastasenbildung. 

Wertheim  wollte  natürlich  die  Möglichkeit  einer  Mischinfection 
überhaupt  nicht  leugnen. 

Hochsinger  möchte  nicht  die  ätiologische  Natur  der  Gelenksaffec- 
tion  in  Bezug  auf  ihren  Zusammenhang  mit  dem  Gonococcus  in  Frage 
stellen.  Diese  Affection  hat  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  einer  andern  ein 
paarmal  von  H.  bei  Kindern  beobachteten,  die  gleichzeitig  eine  Exulcera- 
tion  oder  Erosion  des  Kabels  darboten.  Dabei  fanden  sich  Gelenksmeta- 
stasen, deren  Eingangspforte  für  die  Infection  wohl  im  Nabel  zu  suchen 
war.  Interessant  ist  es,  diese  Fälle  mit  dem  von  Hock  demonstrirten  zu 
vergleichen,  weil  jüngst  von  Epstein  die  Anregung  ergangen  ist  zu  an* 
tersuchen,  ob  nicht  die  „Blennorrhoe  des  Nabels''  auf  gonorrhoischer  Basis 
beruhe. 


Hautkrankheiten. 

(Bedigirt  von  Prof.  Kaposi  in  Wien.) 


Acate  nnd  chroBische  Iiifeetionskraiikheiteii. 

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2.  Ihomson,  Hugh.  Inooul.  of  measles.  The  Brit  Med.  Joum.  8.  April  1898. 

3.  Giarr6,  Gario.  Anasarca  postmorbilloso.  Lo  Sperim.  An.  XLYI.  Nr.  21, 
'   4.  Kennedy,  J.  M.  Report  of  three  cases  of  scarlet  fever  with  secondary 

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(1)  Der  Aufsatz  Manning's  ist  seinem  Inhalt,  nach  identisch  mit 
dem  in  diesem  Archiv  bereits  referirten  (Archiv,  XXV.  Jahrgang,  1893 
p.  602)  dass^ben  YerfEissers  aus  der  Lancet  vom  18.  August  1892. 

Sternthal. 

(2)  Thomson  hat  in  9  Fällen  Kinder  mit  frischem  Seram  geimpft, 
das  er  aus  Bläschen  Masemkranker  entnahm.  Die  ersten  beiden  Fälle 
wurden  durch  die  Inocniation  anscheinend  immun  gemacht;  bei  einem 
dritten  Kinde,  das  schon  Prodromalerscheinungen  aufwies,  wurden  die 
ausbrechenden  Masern  entschieden  gemildert;  der  Ausschlag  war  sehr 
l^ering,  Gomplicationen  fehlten,  während  bei  dem  erkrankten  Schwesterchen 
schwerste  Masern  mit  Lungencomplicationen  bestanden.  Ebenso  war  es 
bei  dem  4.  Falle.  Der  &  Fall  wurde  ebenso  immunisirt  wie  der  erste  und 

ArehiT  f.  DermAtoI.  n.  Syphll  Band  XXVI.  30 


442  Bericht  über  die  LeiBtangen  auf  dem  Gebiete 

zweite.  Der  6.  Fall  muss  ausgeschieden  werden,  da  das  Kind,  als  es  ge- 
impft wurde,  schon  Masern  gehabt  hatte.  Im  7.  und  8.  FaU  erkrankten 
die  Kinder  trotz  der  Impfung  an  regulären  Masern;  jedenfiedls  war  hier 
das  inoculirte  Material  zu  schwach.  Der  9,  Fall  wurde  immunisirt. 

Sternthal. 

(8)  Giarre  beschreibt  einen  Fall  Yon  ausgebreiteten  Oedemen  der 
Haut,  die  direct  im  Anschlüsse  an  Morbillen  von  heftiger  Dysenterie 
begleitet,  aufgetreten  waren.  Das  4jährige  Kind  erkrankte  gleichzeitig  mit 
einem  Bruder  an  Morbillen.  Nach  vier  Tagen  war  wohl  das  Exanthem 
vollständig  ausgebrochen,  das  Fieber  fiel  jedoch  nicht  ab,  sondern  blieb 
continuirlich,  wobei  das  Kind  über  sehr  heftige  Kopfschmerzen  klagte» 
Dabei  begann  sich  eine  starke  odematöse  Anschwellung  im  Gesichte, 
namentlich  an  den  Augenlidern  und  an  den  Extremitäten  geltend  zu 
machen,  die  ziemlich  rasch  zunahm,  sich  auch  auf  den  Stamm  verbreitete, 
wo  namentlich  der  Rücken  stark  angeschwollen  war.  Auch  die  grossen 
Labien  zeigten  eine  bedeutende  Schwellung.  Ausserdem  war  heftige  Dysen- 
terie vorhanden.  Die  zahlreichen  Stühle  waren  flüssig,  f5tide  riechend, 
vermischt  mit  Schleim  und  Blut,  von  graugelber  Farben  dabei  heftiger 
Tenesmus,  leichter  Vorfall  der  Rectalschleimhaut.  Sonst  war  nichts  patho- 
logisches zu  entdecken ;  namentlich  keine  Affection  der  Nieren ;  der  mit 
Aem  Gatheter  entnommene  Harn  war  ganz  eiweissfrei;  keine  Erkrankung 
des  Herzens;  kein  Katarrh  der  Bespirationsorgane.  Die  Untersuchung  des 
JBlutes  ergab  fast  normale  Verhältnisse. 

Die  Temperatur  war  massig,  aber  constant  erhöht.  Fast  in  der 
sechsten  Krankheitswoche  wurde  das  Fieber  remittirend,  um  im  Verlaufe 
der  nächsten  drei  Wochen  ganz  nachzulassen,  wobei  unter  allmäligem 
Schwinden  der  Oedeme  das  Kind  ganz  genas. 

Zur  Zeit  der  stärksten  Oedeme  wog  das  Kind  17'6  Kg.,  nach  20 
Tagen  jedoch  nur  12*3  Kgp  Da  Verf.  diese  Oedeme  weder  unter  die  bei 
Nephritis  oder  Herzaffectionen  vorkommenden  einreihen  kann,  da  durchaus 
keine  Beziehungen  zum  Myxödem  vorhanden  waren,  es  sich  auch  nicht  als 
«angioneurotisches ,  kachektisches  oder  rheumatisches  Oedem  erklären  Hess, 
glaubt  er  es  für  ein  essentielles  Oedem  halten  zu  müssen,  welches  in 
directem  Zusammenhange  mit  der  vorher  durohgemachten  acuten  Infec- 
tionskrankheit  steht.  Spietschka. 

(5)  Ghiari  untersuchte  die  Knochen  von  22  nach  Variola  Verstor- 
benen u.  zw. :  5  im  Stadium  eruptionis,  9  aus  dem  Stadium  suppurationis, 
8  Stadium  exsiccationis,  2  von  Variola  peracta. 

Es  wurde  namentlich  das  Mark  der  grossen  Röhrenknochen,  Femur 
und  Tibia  untersucht.  In  19  von  diesen  22  Fällen  fanden  sich  im  Knochen« 
marke  Erkrankungsherde  und  zwar  Entzündung  mit  Nekrose ;  sie  stimmen 
also  überein  mit  den  Variolaefäorescenzen  an  Haut  und  Schleimhaut.  Im 
Stadium  eruptionis  noch  klein  und  schwerer  zu  finden,  waren  sie  inft 
Stadium  suppurationis  und  exsiccationis  mit  Ausnahme  eines  Falles  stets 
und  bis  halberbsengross  vorhanden;  je  weiter  die  Krankheit  vorgesehritten 
war,  desto  mehr  trat  die  Nekrose  in  den  Vordergrund.  Eiterung  war  dabei 


der  Dermatologie.  443 

nie  vorhanden.  Aus  äusseren  Gründen  konnten  nur  in  wenigen  Fällen 
auch  andere  Knochen  untersucht  werden,  jedoch  auch  in  diesen  fanden 
sich  stets  Erkrankungsherde  vor,  so  dass  angenommen  werden  muss,  das^ 
die  Osteomyelitis  variolosa  im  ganzen  Knochensystem  verbreitet  vor- 
kommt und  eine  ebenso  häufige  und  wahrhaft  variolöse  Erkrankung  ist 
wie  die  von  demselben  Forscher  zuerst  gewürdigte  Orchitis  variolosa. 

Spietschka. 

(6)  Guarneri  beobachtete  in  Schnittpraparaten  von  Variolapusteln, 
die  dem  Cadaver  entnommen  waren,  in  den  Epithelzellen  der  Haut  kleine 
Körperchen,  die  er  in  Folge  seiner  weiteren  Untersuchungen  für  einen 
Parasiten  hält.  Diese  Körperchen,  die  sich  mit  den  gewöhnlichen  Färbe- 
mitteln gut  färben,  liegen  in  einer  Aushöhlung  des  Protoplasmas  der 
Epithelzelle,  gewöhnlich  einzeln,  selten  zu  zweien  oder  mehreren.  Meist  finden 
sie  sich  in  einer  bestimmten  Entfernung  vom  Kerne  der  Zelle,  der  dann 
flach  und  nach  dem  andern  Pole  der  Zelle  gedrängt  ist.  Sehr  selten  liegen 
sie  dem  Zellkerne  an,  welcher  dann  oft  eine  Einbuchtung  zeigt,  welche 
dem  Körperchen  entspricht,  woraus  Verf.  auf  eine  grössere  Gonsistenz 
dieser  Körperehen  schliesst.  Sehr  selten  sind  sie  in  einer  Höhle  oder 
Nische  des  Kernes  selbst  eingebettet.  Am  deutlichsten  sind  sie  an  den 
beginnenden  Efflorescenzen  im  Stadium  papulosum  zu  beobachten.  Hier 
finden  sich  im  Centrum  des  Erkrankungsherdes  die  grössten  Körperchei^ 
vor,  während  sie  i>eripherwärtB  immer  kleiner  werden,  was  Verf.  dadurch 
erklären  zu  können  glaubt,  dass  sie  sich  in  verschiedenen  Entwicklungs- 
stadien befinden.  Ist  bereits  Pustelbildung  eingetreteu,  so  sind  die  Kör- 
perchen im  Centrum,  wo  der  Zerfall  sich  vorfindet,  nur  sehr  schwer 
nachweisbar,  dagegen  sind  sie  in  den  peripheren  Theilen,  die  sich  ge- 
wissermassen  im  präpnstulären  Stadium  befinden,  wohl  vorhanden. 

Aehnliche  Befunde  geben  die  Efflorescenzen  an  den  Schleimhäuten^ 
Femer  konnten  in  den  Efflorescenzen,  die  durch  Impfung  mit  Vaccine 
hervorgerufen  worden  waren,  ganz  ähnliche  Körperchen  nachgewiesen 
werden.  Die  verschiedensten  Culturversuche  fielen  vollkommen  negativ  au9 
(entsprechend  dem  Malariaplasmodium). 

Um  diese  Körperchen  im  lebenden  Zustande  beobachten  zu  können, 
impfte  Yerf.  Vaccine  wie  auch  Variolapustel-Inhalt  unter  das  Epithel  der 
Cornea  des  Kaninchenauges. 

Die  dadurch  hervorgebrachten  Efflorescenzen  wurden  in  den  ver- 
schiedensten Stadien  ihrer  Entwicklung  durch  einen  ganz  flachen  Schnitt 
mit  dem  Rasirmesser  abgetragen  und  in  der  mit  der  Thränenflüssigkeit 
des  KaninchoDS  gefüllten  Kammer  am  erwärmbaren  Objecttisch  beobachtet. 

Hier  zeigten  sich  die  Körperchen,  die  ein  starkes  Lichtbrechungs- 
vermögen  besitzen,  in  gleicher  Weise  gelagert,  wie  in  den  gehärteten  Prä- 
paraten, jedoch  konnten  hier  deutlich  amöboide  Bewegungen  an  denselben 
beobachtet  werden,  die  etwas  langsamer  stattfinden  als  die  der  Malaria 
Amoebe  im  Blute.  Bei  genauester  Beobachtung  mit  den  stärksten  Ver- 
grösserungen  konnte  an  diesen  Körperchen  eine  Zellmembran,  ein  Zelleib 
und    ein   Zellkern  nachgewiesen  werden.   Femer  konnte  Verf.  Bilder  be- 

30* 


444  Bericht  über  die  Leistangen  anf  dem  Gebiete 

obachten,  die  eine  Vermehrung  durch  Caryokinese  (indirecte  Zelltheilung) 
tmd  eine  durch  Gimnosporen  (Sporenbildung)  annehmen  hissen.  Nach  allen 
diesen  Beobachtungen  glaubt  Yerf.  diese  amöbenartigen  Eörperchen  in 
einen  causalen  Zusammenhang  mit  den  Veränderungen  der  Haut,  wie  sie 
bei  Bildung  der  Variola-  und  Vaccineefflorescenzen  statthaben,  bringen 
zu  können.  So  entstehe  die  Aushöhlung  des  Zellprotoplasmas,  in  welcher 
die  Parasiten  liegen,  dadurch,  dass  ihm  dasMateriale  der  Zelle  als  Nahrung 
gedient  hat  etc.  Verf.  gibt  zum  Schlüsse  diesen  Körperchen,  in  welchen 
er  den  Infectionstrager  der  Variola  und  Vaccine  gefunden  zu  haben 
glaubt,  den  Namen  Gitorydes  seil.  Variolae  oder  Vaccinae. 

Spietschka. 

(7)  Montgommery  theilt  einen  Fall  von  Lupus  des  rechten  Nasen- 
Bügels  mit,  der  insofeme  Interesse  verdient,  als  er  der  Diagnose  grosse 
Schwierigkeiten  machte.  Der  Patient  war  42  Jahre  alt,  hatte  vor  16  Jahren 
ein  Geschwür  hinter  der  Corona  glandis  und  bemerkte  vor  4  Monaten  2 
Bläschen  am  rechten  Nasenflügel,  die  sich  rasch  in  Oeschwürchen  mit 
steilen,  wie  mit  dem  Locheisen  herausgeschlagenen  Rändern  und  mit 
schmutzig-grauem  Grunde  verwandelten.  Patient  wurde  erfolglos  antisyphi- 
litisch behandelt,  vielmehr  unterminirten  die  Geschwüre  die  zwischen 
ihnen  gelegene  Haut.  Als  diese  Hauptbrücke  excidirt  war,  zeigte  sie 
mikroskopisch  ein  deutliches  Hineinwuchem  des  Epithels  in  die  Tiefe. 
Trotz  gesteigerter  Jodkalidosis  (bis  120  Gr.  pro  die)  brach  das  C^chwür 
die  Nasenhöhle  durch,  worauf  ein  dreieckiges  Stück  mit  der  kranken  Stelle 
herausgeschnitten  wurde.  Mikroskopisch  fand  sich  dasselbe  wie  bei  der 
I^beexcision :  epitheliale  Infiltration,  die  sich  von  der  bei  Epithelien 
nicht  unterscheiden  liess,  und  ausserdem  diffuse,  entzündliche  Infiltration 
des  Bindegewebes,  wie  es  ebenfalls  oft  bei  Krebs  vorkommt.  Acht  Wochen, 
nachdem  der  Patient  sich  zuerst  gezeigt  hatte,  erschien  auf  der  Narbe  ein 
Schorf,  und  als  dieser  abgehoben  war,  lagen  2  Geschwüre  darunter,  die 
genau  wie  die  früheren  aussahen.  Diesmal  wurde  ein  grösseres  Stück  Ge- 
webe entfernt.  Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  desselben  fanden 
sich  Tuberkel  und  Langhans'sche  Riesenzellen.  Verf.  macht  darauf  aufinerk- 
sam,  dass  dieser  Fall  zur  Illustration  der  Angabe  verschiedener  Pathologen 
dient  (Klebs,  Gouncilman,  Karg),  dass  bei  Granulomen,  besonders  Lupus 
die  Epithelzellen  oft  in  das  unterliegende  Bindegewebe  hineinwuchem,  so 
dass  an  einigen  Stellen  histologisch  der  Process  genau  einem  Epithe- 
liom gleicht.    Karg  hat  jüngst  wieder  einen  solchen  Fall  veröffentlicht. 

Sternthal. 

(8)BeavenRake  bemerkt,  dass  die  Tfaatsache,  dass  wir  der  Lepra 
gegenüber  therapeutisch  machtlos  sind,  leicht  dazu  veranlassen  kann, 
manche  Massregeln  zu  vernachlässigen,  die  den  Leidenden  Erleichterung 
verschaffen  könnte.  In  der  palliativen  Behandlung  der  Lepra  leistet  die 
Chirurgie  weit  mehr  als  die  interne  Medicin,  soll  deshalb  auch  ausgiebig 
benutzt  werden.  Wenn  man  a  priori  glauben  sollte,  dass  bei  einer  so  er- 
schöpfenden, verheerenden  Krankheit  wie  Lepra  Wunden  langsam  und 
nu vollkommen  heilten  und  dass  es  zu  einer  chronischen  Eiterung  kommen 


der  Dermatologie,  445 

müsste,  80  lehrt  die  Erfahrimg,  dass  Incisionen  bei  Leprösen  mit  erstaun- 
licher Geschwindigkeit  und  mit  fester  Narbe  heilen ;  ja  die  Heilung  scheint 
sogar  bei  ihnen  schneller  als  bei  Gtesunden  zu  erfolgen,  was  wahrscheinlich 
auf  der  schnelleren  Gerinnung  des  Blutes  beruht,  dessen  Procentgehalt  an 
Fibrin  gesteigert  ist.  Verf.  hat  nun  im  Lepra-Asyl  auf  Trinidad  innerhalb 
6  Jahren  1996  Operationen  ausgefohrt,  von  denen  er  eine  Tabelle  gibt. 
Die  meisten  Operationen  wurden  bei  anästhetischer  Lepra  unternommen 
und  zwar  1487  bei  männlichen  und  88  bei  weiblichen  Kranken  mit  an- 
ästhetischer Lepra.  Von  tuberöser  Lepra  wurden  nur  83  Männer  und 
26  Weiber,  von  gemischter  800  Männer  und  10  Weiber  operirt.  Die  Frauen 
sind  an  den  Operationen  mit  insgesamt  nur  124  Fällen  betheilig^t,  obwohl 
deren  Zahl  entsprechend  dem  Procentverhältniss  (V«  sämmtlicher  Spitals- 
insassen sind  Frauen)  500  sein  müsste.  Diese  geringe  Zahl  wird  erklärt 
durch  die  Thatsache,  dass  die  Frauen  weniger  schwere  Arbeit  ausserhalb 
des  Asyls  verrichten  als  die  Männer.  Bei  diesen  Arbeiten  (es  sind  Garten- 
ond  Feldarbeiten)  werden  Finger  und  Hände  häufig  mit  den  Arbeitsge- 
räthschaften  verletzt  und  dadurch  Geschwüre,  Abscesse,  Knochennecrosen 
etc.  hervorgerufen.  Verf,  bespricht  nun  die  einzelnen  Operationen,  ztmächst 
die  Amputationen,  legt  die  Gründe  dar,  weswegen  sie  ausgeführt  wurden 
nnd  zeigt,  dass  sie  meist  lebensverlängemd  wirkten.  —  Nervendeh- 
nungen wurden  llSmal  ausgeführt.  Malum  perforans  pedis  heilte  häufig 
nach  Dehnung  des  Ischiadicus  in  wenigen  Tagen,  brach  allerdings  auch 
wohl  wieder  auf.  Intensive  Schmerzen,  wegen  deren  die  Patienten  Ampu- 
tation verlangten,  wurden  9mal  durch  Nervendehnung  zum  Verschwinden 
gebracht.  In  2  Fällen,  in  denen  der  Schmerz  nach  4  Monaten  resp.  1  Jahr 
wiederkehrte,  wurde  der  Nerv,  popliteus  ext  mit  gutem  Erfolge  gedehnt. 
In  33  von  100  Fällen  wurde  wegen  Anästhesie  gedehnt,  jedoch  ohne 
£rfolg;  ebenso  ohne  Erfolg  in  18  Fällen,  um  zu  sehen,  ob  die  Dehnung, 
auf  die  lepröse  Infiltration  der  Haut  von  Einfluss  wäre.  Die  Resultat» 
der  Dehnungen  lassen  sich  folgendermassen  wiedergeben:  1.  In  47  von  100 
Fällen  wurde  grössere  oder  geringere  Besserung  erzielt.  2.  Der  freigelegte 
Nerv  wurde  in  48  Fällen  verdickt  gefunden.  3.  Hauptindicationen  für  die 
Operation  sind  Ulcus  perforans,  einige  Fälle  von  Necrosis  und  der  mit 
Ulcus  perforans  resp.  mit  peripherer  Neuritis  verbundene  Schmerz.  4.  Der 
Nerv,  ischiadicus  ist  am  geeignetsten  für  die  Dehnung,  da  er  den  Spinal- 
ganglien näher  ist.  (Victor  H  o  r  s  1  e  y  hat  gezeigt,  dass  wenn  das  Lenden- 
mark im  todten  Körper  freigelegt  ist  und  der  Isohiadicus  gedehnt  wird, 
sich  die  Wirkung  der  Dehnung  bis  zum  Sacralplexus  beobachten  lässt.  Die 
Nervenwurzeln  werden  nach  abwärts  gezogen  und  so  das  Lendenmark 
erschüttert.  Die  Besserungen  nach  der  Dehnung  sollen  auf  Veränderungen 
in  den  Spinalganglien  beruhen,  die  durch  diese  Vorgänge  zu  Stande  kom- 
men.) Verf.  gibt  nun  Krankengeschichten,  um  die  Erfolge  der  Dehnungen 
anschaulicher  zu  machen.  —  630mal  wurden  todte  Knochen  oder  Knorpel 
entfernt.  Gresohwüre  und  Buchten  heilen  schnell  nach  Entfernung  todter 
Knoehen.  Excision  von  Knoten  gibt  oft  ermuthigende  Erfolge,  später  er- 
scheinen Recidive,  die  neue  Operationen  nöthig  machen.    Die  Entfernung 


446  Bericht  über  die  Leistungen  aof  dem  Gebiete 

von  Knoten  der  Gonjunctiva  ist  unbefriedigend,  da  die  Cornea  gewöhnlich 
zeitig  mit  ergriffen  ist  und  Yollständige  Exstirpation  der  Masse  unmöglich 
st .  Wuchernde  Granulationen  wurden  15mal  entfernt.  Papillom  vom  Fusse 
wurde  Imal  entfernt.  Taw  wurde  zweimal  operativ  behandelt,  die  Knoten 
ezcidirt  und  Hg.  und  K.-J.  interne  gegeben.  Ligaturen  wurden  5mal  ge- 
macht, um  Knoten  der  Gonjunctiva  im  Wachsthum  zu  hemmen ;  vergeblich, 
da  sich  bald  Collateralcirculation  einstellte.  Incisionen  wurden  1016  ge- 
macht. Bei  der  ersten  Indication  von  Necrose  an  leprösen  Extremitäten 
incidirt  Verf.  bis  auf  den  Knochen;  seiner  üeberzaugung  nach  wird  da- 
durch sehr  wirksam  Gangran  oder  difiuse  Suppuration  verhindert.  24mal 
wurde  das  Ulcus  perforans  nach  folgender  Methode  mit  gutem  Resultat 
behandelt:  Ein  Bistouri  wurde  von  der  Sohle  bis  zum  Fussrücken  durch- 
geführt und  alle  Gewebe  nach  vom  zu  durchschnitten,  so  dass  das  Bistouri 
zwischen  den  Zehen  herausgezogen  wurde.  Liegt  das  Geschwür  zuiallig 
einer  Seite  des  Fusses  näher,  so  wird  das  Bistouri  seitlich  durchgezogen. 
Die  so  entstehende  klaffende  Wunde  wird  mit  Borlint  ausgestopft  und 
dann  lässt  man  sie  vom  Grunde  aus  granuliren.  Die  Blutung  ist  gewöhnlich 
unbedeutend.  Ein  Patient  wurde  wegen  tuberculöser  Lepra  des  Larynx 
tracheotomirt.  Eine  Hemiotomie  wegen  eines  eingeklemmten  Leisten- 
bruches bei  einem  schon  32  Jahre  an  Lepra  anaesth.  Erkrankten  heilte 
mit  fester  Narbe  in  22  Tagen.  Cataract  wurde  ömal  operirt.  Lridec- 
tomie  wurde  ebenfalls  ausgeführt.  Eingestreute  Krankengeschichten  illu- 
striren  den  Nutzen  des  chirurgischen  Eingreifens  bei  Lepra. 

Sternthal. 
(9)  Beaven  Rake  hat  experimentell  die  Frage  geprüft,  ob  die  bei 
Sectionen  häufig  in  den  Eingeweiden  gefundenen  Tuberkel,  die  oft  in  den 
Lungen  zu  grossen  Höhlen  einschmelzen,  und  ebenso  ob  die  käsigen  Bron- 
chial- und  Mesenterialdrüsen  Producte  der  Lepra  oder  der  Tuberculose 
wären.  Er  kommt  auf  Grund  von  Impfversuchen  zu  dem  Schlüsse,  dass 
diese  visceralen  Knoten  und  die  Drusen  tuberculose  und  nicht  lepröse 
wären.  Er  glaubt  auch,  dass  es  möglich  wäre,  dass  Lepra  und  Tuberculose 
durch  denselben  Bacillus  veranlasst  wären;  doch  ist  dies  noch  nicht 
bewiesen.  Sternthal. 


Erythematöse,  ekzematöse,  squamöse  Ent* 

zflndongsprocesse. 

1.  Fisher,  Theodore.  Erythema  of  the  face  of  butterfly  distribution.  The 
Lancet.  7.  Jan.  1893. 

2.  Lanz,  A.  Zur  Casuistik  der  Arzneiexantheme.  Med.  Obosrenje.  Moskau 
1892.  Bd.  38,  p.  106. 

3.  Rossi,  A.  Ricerche  anatomo  patholog.  sulP  Eczema  squamoso.  Istitnto 
di  Anatomia  patologica  della  R.  üniversita  di  Napoli  diretto  dal  Prof. 
0.  V.  Schroen.  1890. 


'    der  Dermatologie,  447 

4.  Dyeri  Isadore.  Keflex  eczema  in  ohildren,  with  a  clinical  analyeiB  of 
thirty  seleoted  eaaes.  Med.  Reeord.  N.  York«  21.  Jdn.  1898. 
.  6.  Petrilli,  T»    H  boHuto   di  Zinco  Idrato  in  Dermatologia.    Giomale 
Italiano  delle  Malattie  Veneree  e  della  Pelle.   Anno  Z,XYiLL.  Faso«  S. 

6.  Robinson,  Tom.  Bapid  production  of  purpnra  after  small  doses  of 
Jodide  of  potassiom.  The  Lancet.  4.  März  1898. 

7.  Boeeki  G.  Fortgesetzte  Beobachtungen  seltener  Hautkrankheiten  in 
Norwegen.  DermatitiB  herpetiformis  (Dühring).  Norsk  mag.  for  Laege- 
Tidenskoben  1892,  p.  1883. 

8.  Boeek,  C.  Fortgesetzte  Beobachtungen  einzelner  seltenerer  Hautkrank- 
heiten in  Norwegen.  1.  Herpes  s.  dermatitis  gestationis,  2.  Hydroa 
vacciniforme,  Bazin  und  eine  noch  nicht  beschriebene  vesiculöse  Krank- 
heit; 3.  Dermatitis  herpetiformis  circumscripta  s.  circinata.  Norsk. 
Mag.  for  Laegevidenskoben  18989  P«  ^^^ — ^^^» 

.  9.  Mantegazza,  Umb.    Note  istologiche  sopra  aiouni  casi  di  Psoriasi. 
;       Giomale  ital.  delle  maL  vener.  e  della  pelle.  XXVHL  Tesc.  L 
.10.  Tan  Haren  Noman,  D.   Pityriasis  pilaris  (Devergie).  Weckblad  van 
het  Nederlandseh.  Tydschrifb  van  Glneeskundige.  1898.  Nr.  11. 

11.  Wertheimber.  Zur  Behandlung  der  Verbrennung  im  Kindesalter. 
Mnnchener  medic.  Wochenschr.  1892.  Nr.  81,  p.  6^7. 

12.  Ilo§9i.  Ricerche  anatomo-patologiehe  sul  Pemfigo«  Istituto  di  Ana- 
tomia  patoL  della  R«  universita  di  Napoli  diretto  dal  Pro!  0.  von 
Schrdn.  1890. 

13.  Sberwood-Bunn,  B.  Pemphigus  with  polymorphus  erythema.  Medic. 
Reeord.  N.  York.  18.  März  1898. 

.14.  Witthauer,  K«  Die  therapeutische  Yerwerthung  des  Hydrargyrum 
sozojodolicum.  Münch.  medic.  Wochenschr.  1892,  Nr.  84,  p.  602. 
(2)  Die  bisher  in  der  Literatur  bekannten  Fälle  von  Arzneiexan- 
themen  vermehrt  Lanz  durch  eine  von  ihm  gemachte  Beobachtung  von 
Dermatitis  medicamentosa  diffusa  ex  usu  opü.  Die  Diagnose  konnte  mit 
absoluter  Sicherheit  gestellt  werden.  Das  Exanthem  wurde  zweimal  durch 
pulv.  Doveri  (das  erste  Mal  war  die  Dosis  unbekannt,  das  andere  Mal 
betrug  sie  6  Gran),  einmal  durch  gtt«  Y  tinct.  opii  simpL  hervorgerufen. 
Das  erste  Mal  brach  das  Exanthem  nach  8  Stunden,  das  zweite,  und  dritte 
]Aal  nach  je  7  Stunden  unter  Temperaturst^igerung  bis  auf  .88*3'  beim 
fweiten  und  38-0'  beim  dritten  Mal  auf.  Das  erste  Mal  war  die  Temper. 
nicht  gemessen  worden.  Das  Erscheinen  des  Ausschlages  wurde  jedes 
Mal  begleitet  von  wiederholten  Schüttelfrösten,  auf  welche  Hitzegefuhl, 
Kopfschmerzen  vorzüglich  in  der  Stirn  und  in  d^n  Schläfen  und  Gefühl 
von  Brennen  und  Ziehen  in  der  Haut  folgten.  Ausserdem  wurden  Fehlen 
4e8  Appetits,  vermehrter  Durst,  Trockenheit  im  Munde  und  belegte  Zunge 
^onstatirt.  Was  die  Art  des  *  Ausschlages  anbetrifft,  so  begann  derselbe 
mit  Röthung  und  Schwellung  der  Hant  vom  Kopf  und  erstreckte  sich  bis 
zu, den  Fussspitzen.  In  Folge  der  Anschwellung  waren  die  normalerweise 
vorhandenen  Furchen  verstrichen  und  die  Haut  war  gespannt.  Am  2. 
Tage  begann  sich  die  Epidermis  in  Lamellen,  an  Händen  und  Füssen^ 


448  Beriebt  über  die  Xeistnngrä  anf  dem  Gebiete 

sogar  in  toto  ia,  Form  von  Handschnben  und  Pantoffeln  absnstosMn. 
Gleichzeitig  mit  der  Hantentzündong  konnte  aucb  im  besproehenen  Falle 
eine  Mitbetbeilignng  der  Sobleimhant  constatirt  werden,  und  zwar  be« 
obaehtete  Terf.  eine  Hyperamie  der  Schleimhaut  des  Mnndes  und  des 
Rachens.  A.  Lana. 

(3)  RoBsi  bringt  nach  einer  kurzen  Betrachtang  der  Literatur  über 
die  Histologie  des  Eczema  squamosum,  in  welcher  er  nnr  Oberflilohlieh- 
keit  und  Widersprüche  finden  zu  können  glaubt,  seine  eigenen  histolo- 
gischen Untersuchungen,  die  er  an  der  schon  seit  langer  Zeit  in  Alkohol 
aufbewahrten  Haut  eines  einzigen  Falles  vorgenommen  hat.  Neben  der 
Vergrösserong  der  Papillen,  der  feuchten  Darchtrfinkung  und  Infiltration 
des  Bindegewebes  gibt  er  als  wichtigsten  Befund  den  Mangel  einer  Aus- 
dehnung der  Geftsse  an,  welche  im  Vergleiche  zu  den  stark  ausgedehnten 
Lymphraumen  normal  oder  fast  verengt  aussehen.  Die  Schweissdrüsen 
zeigen  keine  Yer&nderung,  das  Rete  Malpighi  hyperplastiseh,  besonders 
die  Zapfen,  desgleichen  das  Stratum  granulosum  reich  an  Eleidin,  das 
Stratum  comeum  auf  das  lOftAche  verdickt.  Zuletzt  wird  auf  6^nd  dieser 
Beobachtungen  eine  kurze  Erklärung  der  pathologischen  Vorgänge  in 
den  verschiedenen  Stadien  des  chronischen  Ekzemes-  und  seines  ganzen 
Verlaufes  gegeben.  Spietschka. 

(4)  Nach  Dyer  kommen  „Reflexekzeme''  bei  Kindern  häufiger  vor 
und  sind  sehr  widerspenstig  gegen  die  Behandlung.  Die  Erkrankung 
befallt  hauptsächlich  die  Extremitäten  und  zwar  die  Streckseiten. 
Die  Uebergänge  von  Haut  und  Schleimhaut  werden  im  Gegensatz  zum 
gewöhnlichen  Ekzem  nie  ergriffen.  Die  Erkrankung  beginnt  mit  rothen, 
scharfrandigen  Flecken,  die  symmetrisch  gestaltet  und  localisirt  sind. 
Die  Flecke  vergrössem  sich  langsam,  schuppen  und  nassen  bisweilen. 
Durch  £ratzen,  Waschen  und  andere  Reize  wird  der  Process  gesteigert. 
Diese  £3czeme  hängen  immer  von  anderen  Störungen  direct  ab  und  ver- 
schwinden mit  deren  Beseitigung  und  kehren  wieder,  wenn  diese  Stö* 
rungen  Rückialle  machen.  In  ihren  Symptomen  ähneln  diese  Ekzema 
anderen  neurotischen  Typen  von  Hauterkrankungen,  besonders  den  Ery** 
i^emen.  Verf.  gibt  mehrere  Beispiele,  bei  denen  die  Ekzeme  erst  ver- 
schwanden, nachdem  die  Grundursache  z.  B.  Asthma  oder  adhärentea 
Präputium,  beseitigt  war.  Ichthyol,  Borsalben  etc.  erweisen  sich 
wirksam,  wofern  nur  die  Reflex  erregende  Hauplkrankheit  beseitigt  wird« 

SternthaL 

(5)  Petrilli  berichtet  über  seine  Erfolge,  die  er  bei  der  An- 
wendung des  Schwefel.  Zinkhydrates  (ZnS,  H^O)  namentlich  bei  Ek- 
zemen erzielt  hatte;  sowohl  bei  äusserlicher,  wie  bei  interner  Verab« 
reiohnng  waren  die  Erfolge  sehr  gut,  und  es  gelangten  recht  hartnäekigv 
Fälle  zur  Heilung.  Die  Versuche  über  die  Resorption  des  JkCttels  iny 
Organismus  und  über  dessen  Elimination  blieben  resultatlos. 

Spietschka. 
(6)'  Ein  36jähriger  Mann  erhielt  von  Robinson  eine  Mixtur,   dSe 
er  Smal  täglich  nehmen  sollte,  bestdiend  aus  10  Gr.  Ammoniumehleric^ 


der  Dermatologie.  449. 

1  Gr.  Jodkali  tmd  1  Drachme  Rhabarberinftis.  Nach  6  Doeen  trat  Heizung 
dar  Angen,  der  Nase  imd  der  Kehle  ein.  Naeh  6  Tagen  er&ohien  ein 
Anasehlag  anf  den  Armen,  am  7.  Tage  war  er  über  die  Extremit&ten 
mit  Ausnahme  der  Hände  verbreitet.  Der  Aossohlag  bestand  ans  unrogel- 
mästig  gestalteten  Blntextravasaten.  Jucken  oder  Schmerzen  fehlten«  Verf. 
weist  auf  die  Gefahren  hin,  die  Jodkali  bei  solchen  Kranken  erzeugt,  die 
eine  Jodidiosynkrasie  haben.  Sternthal. 

(7)  Im  Ansohluss  an  seine  im  Jahre  1888  in  derselben  Zeitschrift 
mitgeiheilten  Beobachtungen  seltener  Hautkrankheiten  in  Norwegen  theilt 
Boeok  mit,  dass  er  die  Absicht  habe,  seine  Beobachtungen  einzelner 
iresioo-bullöser  Hautkrankheiten  darzulegen,  worüber  die  medicinische 
Literatur  des  Landes  noch  nichts  enthält,  und  beginnt  mit  Dermatitis 
herpetiformis  (Duhring).  Boeok  betrachtet  diese  Krankheit  nicht 
als  selten  und  erwähnt  16  Fälle.  Indem  er  Töllig  einräumt,  dass  es  sehr 
schwierig,  die  mannigfachen  Formen  und  Variationen  der  vesico-bullosen 
Krankheiten  zu  einer  begrenzten  Anzahl  klinischer  Bilder  zu  sammeln, 
erkennt  Boeck  den  von  Duhring  aufgestellten  Krankheitsbegriff,  wie 
solcher  jetzt  aufgefasst  wird,  als  yoUkommen  berechtigt  und  natürlich 
zusammengehörige  Formen  umfassend  an.  Nachdem  die  Auffassung  der 
Krankheit  von  Seiten  verschiedener,  besonders  französischer  Verfasser 
sowie  die  abweisende  Haltung  der  Wiener  Schule  (mit  Ausnahme  von  H.' 
V.  Hebra)  erwähnt  worden,  werden  die  far  die  Krankheit  charakteri« 
»tischen  Symptome  besprochen. 

Nach  mehr  oder  weniger  heftigem  Jucken  erscheint  ein  in  hohem 
Grade  symmetrischer  Ausschlag  mit  polymorphen  Primär-Efflo- 
resoenzen:  erythematösen  Flecken,  Papeln,  Vesikeln  und  Bullen,  zuweilen 
mit  ringförmiger  Anordnung.  Auch  Pusteln  gehören  mit  zum  Krankheits- 
begriff. 

An  secundären  Veränderungen  auf  der  Haut  kommen  vor:  Krusten 
md  Schuppen,  hyperämische  und  pigmentirte  Flecke,  oft  Kratzwunden 
und  Furunkeln  als  eine  Folge  von  Infection  mit  Bakterien.  Affection  der 
Schleimhäute  ist  von  B.  nicht  beobachtet. 

Der  Verlauf  der  Krankheit  äusserst  chronisch,  aber  das  All* 
gemeinbefinden  ist  auffallend  gut  im  Vergleich  zu  der  steten 
Unruhe,  welche  wesentlich  durch  das  Jucken  hervorgerufen. 

Von  Gomplicationen  beobachtete  B.  Zucker  und  Eiweiss  im  Urin  und 
in.  einem  einzelnen  Falle  Endocarditis. 

Die  ersten  Fälle  wurden  lange  vor  Duhring 's  Beschreibung  der 
Krankheit  beobachtet  und  unter  der  Bezeichnung  „Hydrorrhoea"  auf« 
geführt. 

Der  Verf.  macht  aufmerksam  auf  die  merkwürdige  Vorliebe  der 
Krankheit  für  einzelne  Regionen  der  Haut.  Die  Haut  um  die  Gelenke 
herum,  besonders  um  Ellbogen*  und  Kniegelenk  ist  oft  angegriffen.  Auch 
die  Begion  um  die  Axilla  heram.  Vom  Ellbogen  erstreckt  sich  di<)  Krank« 
heit  häufig  längs  dem  obersten  Theil  der  Ulna.  Dann  kommt  als  die 
am  häufigsten  angegriffene  Localität  die  Sacralregion  und  eine  kleine  be«* 


450  Bericht  über  die  Leistungen  anf  dem  Gebiete 

grenzte  Partie  meistens  om  den  obersten  Theil  von  der  Rima  inter  nä 
hemm.  Die  Scapnlirregion  und  der  Hals  bis  an  den  Haarrand,  sowie  das 
GFesieht  werden  angegriffen«  Fast  das  ganze  Hantsystem  kann  der  Sitz 
för  die  Krankheit  sein^  doch  nach  B.'s  Erfahrung  sind  die  obengenannten 
Stellen  die  am  häufigsten  angegriffenen.  Hand-  und  Fusssohlen  hat  B. 
niemals  angegriffen  gesehen. 

Es  wird  besonderes  Gewicht  auf  die  „verticaleCorrespondenz^ 
des  Ausschlages  gelegt. 

Das  Nervensystem  scheint  eine  hervorragende  Rolle  bei  der 
Pathogenese  zu  spielen.  Die  Fälle  recrutiren  sich  aus  allen  Alters- 
olassen,  meistens  Männer.  Von  den  16  Fällen  waren  11  Männer  and  6 
Frauen.    Der  Sommer  scheint  zum  Ausbruch  disponirt  zu  haben« 

Ein  paar  Fälle  sind  sicher  geheilt,  aber  das  weitere  Schicksal  der 
meisten  Patienten  konnte  nicht  weiter  verfolgt  werden,  da  sie  sich  nur 
wenige  Male  zeigten. 

Von  inneren  Mitteln  sind  mit  verschiedenem  Nutzen  angewandt: 
Arsenik,  Thran,  Eisen,  Bromchinin,  Antifebrin. 

Local  besonders:  Thiol  1  Theil  auf  8~-6  Theile  Wasser,  1— 3mal 
täglich  auf  die  kranken  Stellen  gepinselt. 

Thumenol  nicht  so  wirksam,  zeigte  sich  jedoch  in  einem  Falle 
wirksamer  als  ThioL  Milde  Salben  und  das  Jucken  stillende  Waschungen 
wurden  oft  gebraucht.  Einfache  lauwarme  Wannenbäder,  2 — 8  Mal  wö- 
chentlich, während  Vorsicht  mit  medicamentÖsen  Bädern  angerathen  wird. 

Eref  ting. 

(8)  a)  Ton  Herpes  s.  Dermatitis  gestationis  beschreibt 
Boeck  einen  wohl  charakterisirten  Fall  bei  einer  28jährigen  Dame, 
welche  nach  der  Niederkunft  (2.  Schwangerschaft)  auf  den  Handflächen 
und  Fusssohlen  einen  Ausbruch   von  Yesikeln  bekam,  die  heftig  juckten. 

Im  5.  Monat  der  dritten  Schwangerschaft  trat  die  Affection  wieder 
auf  und  dauerte  bis  8  Wochen  nach  der  Niederkunft.  .  Die  Patientin 
fand  sich  zum  ersten  Male  bei  B.  ein,  5  Wochen  nach  Beginn  der 
Krankheit.  Das  Exanthem  bestand  aus  Yesikeln,  grösseren  Bullen,  im 
Uebrigen  auch  aus  Papeln  und  erythematösen  Plaques.  Es  war  genau 
symmetrisch  sowohl  anf  den  oberen  als  unteren  Extremitäten  sowie  auf 
dem  Truncus.  Während  der  folgenden  vierten  Schwangerschaft  ein  leichter 
Ausbruch  an  den  Beugeflächen  des  Unterarmes. 

Während  der  5.  und  letzten  Schwangerschaft  fingen  die  Ausbruche 
bereits  im  2.  und  8.  Monat  an  sich  einzufinden  und  dauerten  bis  4  oder 
5  Monate  nach  der  Niederkunft.  Die  Affection  war  dieses  Mal  ziemlich 
heftig  und  schmerzhaft  und  die  Blasen  waren  dieses  Mal  vom  8.  Monat 
der  Schwangerschaft  bis  zum  Aufhören  der  Ausbruche  purulente,  welches 
früher  nicht  der  Fall  gewesen  war. 

b)  Hydroa  vacciniforme,  B^jsin.  Diese  seltene,  aber  in- 
teressante Krankheit,  die  zum  ersten  Male  in  den  60er  Jahren  von  Bazin 
beschrieben  worden,  ist  seitdem  vernachlässigt  und  vergessen  worden,  bis 
Jonathan  Hutchinson  in  den  letzten  Jahren  zu  wiederholten  Malen 


der  Dermatologie.  451 

die  Aufmerksamkeit  auf  diese  Affeotion  gelenkt  hat  unter  dem  Namen« 
„Summer  eruption.'' 

Boeck  theilt  8  Fälle  mit,  die  ausföhrlicher  in  diesem  Archiv  be^ 
sprochen  werden. 

e)  Dermatitis  herpetiformis  circumscripta  s.  cir- 
c  i  n  o  s  a. 

Unter  diesem  Namen  beschreibt  der  Verfasser  2  Fälle  einer  ge- 
linderen vesiculösen  Hautkrankheit  von  einem  bisher  noch  nicht  be- 
schriebenen Typus. 

Beim  ersten  Fall  (einer  Frau  von  80  Jahren)  beobachtet  man  auf 
beiden  Handrücken  eine  cirkelrunde  Plaque  von  der  Grösse  einer  Einder- 
hand, welche  eine  hyperämische,  etwas  infiltrirte,  theils  sich  abschälende, 
theils:  nässende  Mittelpartie  zeigt,  welche  von  einer  mit  zahlreichen 
klaren  Yesikeln  von  der  Grösse  einer  Nadelspitze  bis  zur  Grösse  eines 
Hanikomes,  kranzförmig  besetzten  Randzone  umgeben  wird.  Aehnlichei 
aber  nur  haselnussgrosse  Plaques  sieht  man  auf  der  ersten  Phalanx  an 
mehreren  Fingern.  Die  Krankheit  ist  von  sehr  heftigem  Jucken  begleitet 
und  daher  dem  Kranken  sehr  beschwerlich.  Die  Affectipn  äusserte  sich 
zuerst  vor  ungefähr  10  Jahren  und  kam  seitdem  jeden  Winter  wieder. 

Im  anderen  Falle  (Mann  von  23  Jahren),  weit  weniger  charak- 
teristisch, waren  in  den  letzten  Wintern  ähnliche  Plaques  gekommen, 
besonders   auf   der  Badialseite  des    rechten  Handgelenkes. 

Krefting. 

(9)Mantegazza  excidirte  10  Psoriasiskranken  kleine  Hautstückchen, 
um  die  Krankheit  in  ihren  verschiedenen  Formen  und  Stadien  einer 
genauen  histologischen  Untersuchung  unterziehen  zu  können.  Er  erhielt 
dabei  folgende  Befunde:  Stratum  comeum  bei  heftigen  Processen  oft  ab- 
gängig, sonst  verdickt,  aus  Lamellen  bestehend,  in  denen  die  mit 
Carmin  gut  förbbaren  Kerne  sichtbar  sind.  Nur  bei  frischen,  rapid  sich 
entwickelnden  Pseudopapeln  findet  man  im  Stratum  com.  kleine  Rund- 
zellennester, an  jenen  Stellen,  wo  im  Rete  Malpighi  und  Stratum  papilläre 
Anhäufung  Von  Wanderzellen  vorliegt.  Strat.  lucid.  oft  gar  nicht,  oft  gut 
zu  unterscheiden.  Im  Strat.  granuL  schwinden  gegen  das  kranke  Gewebe 
hin  wie  mit  einem  Schlage  die  Keratohyalinkeme  oder  sie  werden  sehr 
klein  und  spärlich,  zerstreut,  nur  in  einer  Zellreihe  vorhanden.  Dagegen  findet 
man  in  den  Zellzapfen  zwischen  den  Papillen,  namentlich  wo  sie  sich  sehr 
in  die  Tiefe  erstrecken,  das  Keratohyalin  in  grossen  Tropfen  innerhalb 
des  Protoplasmas  einzelner  Zellen.  Im  Strat.  spin.  bemerkt  man  im 
weiteren  Verlaufe  schwererer  Formen  namentlich  in   den  höheren  Lagen 

9 

eine  Aufhellung  des  Protoplasmas  um  den  Zellkern  herum,  dieser  wird 
kleiner,  an  die  Seite  gedrückt,  bis  die  ZeUe  zu  einem  cystischen  Element 
gewordexi  ist  (hydropische  Degeneration) ;  öfter  als  gewöhnlich  findet  man 
Zellen  in  trüber  SchweUung.  Die  Auswanderung  von  Leukocyten  in  das 
Stratum  der  Cylinderzellen  findet  entsprechend  dem  Processe  in  der 
Epidermis,  nicht  aber  entsprechend  der  Infiltration  im  Derma  statt.  Die 
Zahl  der  Zellen  vermehrt,  ihre  Lagerung  unregelmässig.   Oft,  bei  dunkler 


452  Bericht  über  die  LeistuDgen  anf  dem  Gebiete 

Pigmentinmg  der  Haut  Pigmentinangel  an  den  erkrankten  SteUen.  Yerf, 
nimmt  an,  dass  die  Depigmentation  nach  Abheilung  der  Psoriasiaherde 
nach  Chrysarobinbehandlong  keine  specielle  Wii^ung  des  Ghrysarobins 
sei,  sondern  auf  der  eigenen  Stmctur  der  psoriatischen  Flecke  beruhe. 
Die  Infiltration  im  Dermay  dessen  Capillaren  erweitert  sind,  entspricht 
nicht  den  Veränderungen  in  der  Epidermis,  sondern  findet  nur  dann  in 
stärkerem  Masse  statt,  wenn  gewisse  Teranhissende  Momente  vorhanden 
sind.  Nirgends  Mastzellen,  mit  der  Weigert^schen  Färbung  nirgends  Fibrin 
nachzuweisen.  Die  Vermehrung  der  Karyokineaen  der  Kerne  in  den  Zapfen 
und  die  Erweiterung  der  Bindegewebsmaschen  in  den  Papillen  lassen  an- 
nehmen, dass  bei  der  Vergrösserung  der  Papillen  die  EpitheljseUen  activ 
seien.  Die  Hautdrüsen  zeigen  keine  Besonderheiten. 

Die  Resultate  dieser  Untersuchungen  veranlassen  den  Verfiuser,  den 
Charakter  der  Krankheit  als  Ernährungsstörung  aufzufassen,  bestehend  aus 
einer  gesteigerten  Vermehrung  der  Epidermiszellen  und  begleitet  von  einer 
vorzeitigen  Degeneration.  Wenn  auch  Parasiten  (Hyphomyceten  oder  Ba- 
kterien) nicht  mit  absoluter  Sicherheit  ausgeschlossen  werden  können,  so 
sei  es  doch  im  höchsten  Orade  wahrscheinlich,  dass  sie  nicht  die  Ursache 
der  Krankheit  seien.  Aus  der  Betrachtung  der  Krankheit,  ihrem  Auftreten^ 
der  Heredität,  den  Begleiterscheinungen  nervöser  Natur  gehe  vielmehr 
hervor,  dass  man  sein  Augenmerk  auf  das  periphere  Nervensystem  richten 
müsse.  Die  Untersuchungen  des  Autors  in  dieser  Richtung  sind  jedoch 
resultatlos  geblieben.  •  Spietschka. 

(10)  D.  van  Haren  Noman  berichtet  über  vier  von  ihm  wahrge- 
nommenen Fälle  dieser  merkwürdigen,  selten  vorkommenden  Hautaffec- 
tion.  Die  wichtigsten  klinischen  Symptome,  welche  in  mehr  oder  minderem  '    *  i    ' 

Grade  bei  allen  Fällen  gefunden  werden,  sind:      T^  ^JOu^^^-''^''^  ^^^^/j^t  ^^ii^r^v-/ 

'  I 

Im  Anfange  der  Krankheit  leichte  Abschuppung  des  behaarten 
Kopfes,  welche  später  in  starke  Schuppenmassen  übergeht.  Röthe  der 
Haut,  welche  an  einzelnen  Stellen  diffus,  an  anderen  in  stark  markirten 
Flecken  auftritt;  in  leichter  Infiltration  und  gefolgt  von  einem  Stadium 
squamoBum,  wobei  trockene  Haut  und  minimaler  Juckreiz. 

Die  Haut  der  Volae  und  Plantae  ist  roth  und  belegt  mit  festen 
Hommassen,  welche  durch  schmerzhafte  Risse  und  Rhagaden  unterbrochea 
waren  und  zuweilen  die  Bewegung  der  Finger  erschwerten.  Die  Haarfol- 
likel der  rothen  Hautpartien  überragen  mehr  oder  weniger  das  Niveau  der 
Haut  und  aus  ihren  klaffenden  Oeffnungen  stecken  kleine  Homkegel  und 
Schüppchen,  welche  in  der  Mitte  von  einem  Lanugohaar  durchbohrt  sind, 
nach  aussen ;  die  Homkegel,  welche  ziemlich  hart  und  trocken  sind,  bieten 
der  Haut  das  Gefühl  eines  scharfen  Reibeisens,  sitzen  sehr  fest  in  den 
Haarbälgen  und  und  zuweilen  so  dick,  dass  sie  Rhagaden  bilden. 

Anf  den  Narben  der  Vaccine  werden  keine  Efflorescensen  gefunden ; 
weil  hier  alle  Haarfollikel  verschwunden  sind,  so  ergibt  sich  aus  dieser 
Thatsaeha,  wie  sehr  das  Entstehen  von  Kegeln  und  kleinen  Papeln  an  di« 
Anwesenheit  unverletzter  Haarfollikel  gebunden  ist 


der  Dermatologie*  453 

Die  Efflorescenzen  treten  nicht  immer  an  denselben  Hantpartien 
am  stärksten  hervor;  znweilen  confloiren  die  Kegel  and  bilden  Schuppen, 
in  einem  Fall  besteht  im  Gesicht  eine  vermehrte  Sebumanssoheidung, 
^odnrch  die  Schuppen  eine  mehr  fettige,  schmutzig-grane  Farbe  be- 
Icommen. 

Yerf.  betrachtet  als  das  Prim&re,  das  Entstehen  der  Epithelstacheln, 
deren  unmittelbare  Umgebung  sich  ein  wenig  aufhebt  und  also  eectmdär 
ein  röthliches  oder  rothes  Knötchen  bildet. 

Die  Lymphdrüsen  sind  in  einigen  Fällen  hier  und  dort  aufge- 
trieben, nicht  schmerzhaft  und  nicht  adhärent. 

Ansser  minimalem  Juckreiz  und  geringem  Schmerz  bei  Bewegung, 
wenn  sich  Rhagaden  gebildet  haben,  haben  die  Kranken  keine  subjectiven 
Beschwerden,  auch  an  den  inneren  Organen  ist  nichts  Pathologisches 
nachzuweisen. 

Recidiven  zeigten  im  Allgemeinen  dieselben  klinischen  Symptome 
wie  frflhere  Eruptionen. 

Die  Anwendung  macerirender  Salbverbände  und  innerlicher  Arsenik- 
gaben in  steigender  Dosirung  war  in  den  meisten  Fällen  im  Stande, 
im  Laufe  einziger  Monato  die  Haut  zur  definitiven  Abheilung  zu  bringen, 
tiber  konnte  vor  Recidiven  nicht  behüten. 

Ans  diesem  Symptomencomplex  stellt  Yerf.  die  Diagnose  Pityriasis 
pilaris  Devergie,  Pitiryasis  rubra  pilaris  Besnier,  oder  Liehen  ruber 
acuminatus  Kaposi. 

Der  Streit  in  den  letzten  Jahren,  gefuhrt  über  die  Frage,  ob  die 
Krankheit,  bekannt  unter  diesem  Namer  eben  dieselbe  ist  als  die,  welche 
Ton  Hebra  Liehen  ruber  und  später  von  Kaposi  Liehen  ruber  acumi- 
natus genannt  wurde,  wird  mit  einigen  Wörtern  erwähnt  und  die  dar- 
"uber  herrschende  Meinung  kurzweg  mitgetheilt,  woraus  Verf.  schliesst, 
dass  wir  jetzt  zu  differenziren  haben: 

1.  Pityriasis  pilaris  (Devergie)  n  Pityriasis  rubra  pilaris 
(Besnier)  n  Liehen  ruber  acuminatus  (Kaposi). 

2.  Liehen  planus  neuroticus  (Unna)  rr  Liehen  ruber  (Hebra). 
8.  Liehen  ruber  planus  (Kaposi)  rr  Liehen  planus  (Wilson). 
Zur    mikroskopischen    Untersuchung     wurde    ein    Hautstückchen 

Bxstirpirt. 

Der  mikroskopische  Befund  zeigte,  da  wo  die  Veränderungen  noch 
wenig  vorgerückt  waren,  das  Infundibulam  erweitert  und  die  Wände 
durch  grosse  Menge  concentrisch  angeordnetes  Homgewebe  auseinander 
gezerrt,  wodurch  der  Follikel  in  seinem  obersten  Theile  vergrössert  ist; 
dieses  Homgewebe  umgibt  auch  einen  kleinen  Theil  des  ausgetretenen 
Lanugo-Haares,  in  dessen  Umgebung  es  allmälig  in  das  normale  Stratum 
«omeum  übergeht. 

Das  Stratum  granulosum  ist  ein  wenig  verbreitert,  da  wo  es  in 
den  Haartrichter  einsinkt,  zeigt  aber  sonst  keine  merkbaren  Verän- 
derungen. Auch  das  Bete  Malpighi  ist  noch  normal,  aber  die  zum  Follikel 
gehörende  Talgdrüse  ist  schon  etwas  verkleinert  und  atrophirt,  was  bei 


454  Berieht  über  die  Leistimgen  auf  dem  Gebiete 

Zunahme  des  Proceeses  auch  ärger  wird.  Die  tiefen  Schichten  des  Coriam 
.zeigen  nichts  Pathologisches. 

Im  weiteren  Stadinm  des  Prooesses  sind  die  Infandibula  trichter- 
förmig erweitert  und  ausgefüllt  mit  einer  grossen  Menge  conoentrisch 
angeordneten  Homgewebes,  worin  kleine  aufgerollte  Lanogo-Haare ;  das 
Homgewebe  quillt  weit  ans  den  Haarfollikeln  hervor  und  bildet  den 
bekannten  Homkegel. 

Das  Stratum  granulosum  ist  verbreitert  und  kaum  erkennbar.  Das 
Bete  Malpighi  zeigt,  besonders  unter  den  Homkegeln,  eine  starke  Neigung 
sich  auszubreiten  und  senkt  mit  langen  interpapillaren  Zapfen  tief  in  das 
Gutisgewebe  ein.  Die  Talgdrüsen  der  Haut  sind  oft  verkleinert,  die  Zellen 
der  Acini  verschrumpft  und  dicht  an  einander  geschlossen. 

Neben  den  Veränderungen  in  dem  Haartrichter  scheint  also  auch 
eine  Verkleinerung,  Verschrumpfung  der  Talgdrüsen  vorzukommen,  was 
jedoch  ohne  genauere  Untersuchung  nicht  für  alle  Talgdrüsen  ange- 
nommen werden  darf,  weil  gerade  in  einigen  Fällen  ausgesprochene 
Seborrhoe  besteht. 

In  weiteren  Stadien  kommen  auch  im  Corium  ringsum  den  Follikel 
Veränderungen  vor;  die  kleinen  Blutgefässe  und  Capillaren  der  ober8te^ 
Ck)riumschichten  sind  hyperämisch  und  umgeben  von  kleinzelligen,  ent- 
zündlichen Infiltrationen,  welche  zusammen  mit  einem  geringen  Oedem  als 
Ursache  der  später  wahrnehmbaren  circumfolliculären  Abhebung  und 
Knötchenbildung  zu  betrachten  sind. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergibt  also  in  der  Hauptsache  den 
Befund  Taylor's,  Robinson*s,  Besnier-Jacquet's,  Galewsky's. 

Zur  DifFerenzirung  der  Pityriaais  pilaris  vom  Liehen  ruber  (Hebra) 
sieht  man  bei  jener  die  allerersten  Veränderungen  ausschliesslich  in  den 
Haarfollikeln,  vermuthlich  zuweilen  auch  in  den  Schweissdrüsengängen  auf« 
treten  und  ihr  Wesen  besteht  in  Vermehrung  und  Anhäufung  von  epi- 
thelialem Homgewebe,  einer  Hyperkeratosis  mit  anfanglicher  Verbreitung, 
später  Verdünnung  des  Stratum  granulosum;  ein  Process  also,  der  vor- 
läufig ausschliesslich  aus  der  Epidermis  hervorgeht,  zuweilen  mit,  zuweilen 
ohnjs  Schrumpfen  und  Zugrundegehen  der  Talgdrüsen. 

Erst  später,  wenn  dieAenderungen  in  der  Epidermis  sich  bis  auf  die 
Epidermis  der  Umgebung  der  Haarfollikel  ausbreiten,  wenn  klinisch  di^ 
allgemeine  Abschuppung  entsteht,  fangt  auch  das  Cbriumgewebe  an  geringe 
Veränderungen  zu  zeigen,  welche  als  Folge  des  Irritationsreizes  der 
Afficirten  Epidermis  zu  berücksichtigen  sind. 

Die  pathologischen  Veränderungen  der  Epidermis  und  ihrer  An- 
hänge sind  also  primär,  diejenigen  des  Corium  secundär,  während  beim 
Liehen  ruber  (Hebra)  und  Liehen  planus  (Wilson)  die  Cutis  primär  und 
viel  intensiver,  die  Epidermis  dagegen  secundär  afißcirt  ist  (Neumann, 
Weyl,  Köbner,  Crocker  etc.). 

Hierdurch  erklärt  sich  zugleich,  aus  welchem  Grund  nach  Abheilung 
bei  Liehen  mehr  oder  weniger  Pigment  in  der  Haut  zurückbleibt,  bei 
Pityriasis  pilaris  dagegen  niemals. 


der  Dermatologie.  455 

Die  klinischen  Symptome  dieser  beiden  Dermatosen  nnd  die 
dififerential-diagnostischen  Charaktere,  welche  die  Pityriasis  pilaris  von 
jeder  Hautaffection,  mit  welcher  sie  Terwechselt  werden  könnte  unter- 
scheidet (Ichthyosis,  Liehen  pilaris,  Psoriasis,  Ekzema  squamosom)  werden 
zum  Schluss  durch  Verf.  klar  auseinandergesetzt. 

In  einer  Nachschrift  bespricht  Verf.  die  an  der  unteren  Fläche  der 
ausgelösten  Homschicht  adharente  Epidermisfortsätze,  welche  in  einem 
Fall  meistens  einfach,  in  anderen  Fällen  grosstentheils  doppel*  oder  dreifach 
vorkommen  und  von  Boeck  „Doppel-  oder  Zwillingsconi^  genannt 
werden*  Verf.  hält  die  einfachen,  welche  auch  grösser  und  dicker  sind,  als 
entstanden  aus  den  kleineren,  dünneren,  doppelten  oder  dreifachen  Kegeln, 
diese  letzten  würden  auch  nur  in  der  ersten  Periode  der  Hautaffection 
gefunden  werden  und  später  in  älteren  Fällen  nicht  mehr  oder  sehr  selten. 
Das  wahrgenommene  abwechselnde  Vorkommen  einfacher,  doppelter  oder 
dreifacher  Kegel  wurde  also  abhängen  von  dem  Alter  des  Processes  um 
den  anatomischen  Verhältnissen  der  Follikel. 

Schliesslich  bemerkt  Verf.  noch,  dass  es  ihm  fehlerhaft  vorkommt, 
diesen  doppelten  und  dreifachen  Kegel  Zwillings-  (Boeck)  oder  Drillings- 
coni  zu  nennen,  weil  man  hieraus  vermuthen  möchte,  dass  sie  von 
Zwillings-  oder  Driltings-HaarfoUikeln  herstammen,  gleichwie  diese  von 
Flemming  und  S.  Giovannini  wahrgenommen  und  beschrieben  sind 
und  welche  als  embryonale  Bildungs-  und  Entwicklungsanomalien  ange- 
sehen werden  müssen. 

Ein  paar  Photographien,  welche  das  klinische  Bild  darstellen  und 
einige  Zeichnungen  der  mikroskopischen  Bilder  und  der  Hautlamellen 
mit  dem  anhängenden  Kegel  sind  zugegeben. 

Spruijt  Landskroon. 

(11)  Auf  Grund  einer  grösseren  Anzahl  einschlägiger,  zum  Theil 
sehr  schwerer  Fälle,  welche  insgesammt  auf  Verbrühung  durch  heisse 
Flüssigkeiten  sich  beziehen  (nur  in  1  Falle  handelte  es  sich  um  eine  auf 
den  Handrücken  beschränkte  Verbrennung  durch  Flamme) ,  schlägt 
Wertheimber  vor,  die  verbrühten  Theile  zunächst  mit  lauwarmem 
Borwasser  zu  reinigen,  hierauf  eine  mehrfache  Schichte  hydrophiler  Gase, 
welche  mit  Aq.  Calc,  Ol.  lini  aa  50,0,  Thymol  0,05— 0,10  getränkt,  in  Form 
breiter  Streifen  über  die  Wundfläche  gelegt,  mit  Gompressenstoff  zu  be- 
deeken  und  mittelst  einer  Gazebinde  zu  befestigen.  Es  ist  rathsam  den 
Verband  täglich  zu  erneuern.  —  Da  aber  die  Stahl'sche  Brandsalbe  durch 
ihre  zähflüssige  Gonsistenz  der  Umgebung  der  Kranken  nach  längerer 
Anwendung  zumeist  unangenehm  wird,  so  vertauscht  W.  dieselbe  im 
Verlaufe  oder  zu  Ende  der  2.  Woche  gegen  eine  Wismuth-Borsalbe  (Bis- 
muth.  subnitr.  9,0,  Acidi  borici  4,5,  Lanolini  70,0,  Ol.  olivar.  20,0).  Die 
Art  der  Anwendung  ist  die  gleiche  wie  die  des  Stahl^schen  Liniments. 
Innerlich  verordnet  W.  die  gewöhnlichen  Excitantien. 

A.  Grünfeld. 

(12)  Rossi  bringt  die  Resultate  der  histologischen  Untersuchung 
zweier  Fälle  von  Pemphigus.    Er  fand,  dass  es  sich  dabei  um  keine  reine 


456  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

Akantholyse,  sondern  um  einen  Entzündungsprocess  handle ;  dafür  sprechen 
die  Gefassektasien,  die  kleinzellige  Infiltration  des  Gewebes,  das  Exsudat 
nach  aussen  und  die  Pigmentablagemng  im  Derma.  Im  ersten  Falle 
waren  dies  die  wesentlichsten  Veränderungen  der  Haut.  Im  zweiten  war 
jedoch  eine  allgemeine  Hypertrophie  sammtlicher  Hautschiohten,  namentlidi 
der  PapiUarschicht  vorhanden.  Er  erklärt  dann  die  Blasenbildung  als 
Abhebung  der  obersten  Schichten  des  Epithels  von  den  unteren  im  Stratum 
granulosum,  hervorgebracht  durch  das  entzündliche  Exsudat  (Pemphigus 
bullosus).  Nach  Platzen  der  Blasen  und  Eintrocknung  derselben  zu 
Borken  kommt  es  zum  Pemphigus  orustosus.  Hier  kann  noch  Heilung  er- 
folgen. Dauert  jedodi  die  Krankheitsursache  und  mit  ihr  die  Entzündung 
fort,  dann  kommt  es  zu  ProUferation,  dann  zu  Narbenretraction  (Pem- 
phigus foliaceus).  Spietschka. 

(14)  Auf  Ghund  seiner  Versuche  will  Witthauer  die  Heilresnltate 
nach  Gebrauch  des  Sozojodol-Quecksilbers  bei  Fuss-  und  Unterschenkel- 
geschwüren  als  so  überraschende  und  schnelle  bezeichnen,  dass  es  als  ein 
bevorzugtes  Heilmittel  jedenfalls  hervorgehoben  zu  werden  verdient.  Nach 
Seifenreinigung  im  Bad  wird  ein  Pflaster  aus  Hydrarg.  sozojodoL  1,0, 
Lanolin  90,0,  Ol.  oHvar.  10,0  angefertigt  und  mit  diesem  der  Fuss,  resp. 
Unterschenkel  auf  gewÖhnUohem  Wege  gedeckt.  Der  Verband  wird  zuerst 
alle  Tage,  spater  nur  jeden  4—5  Tag  gewechselt.  Schon  nach  wenigen 
Tagen  stössen  sich  die  gewucherten  Granulationen  ab  und  bald  erscheinen 
frischrothe  feste  Granulationen  und  zugleich  mit  ihnen  ein  zarter  Narben» 
Baum  am  Wundrande.  Die  Vemarbung  schreitet  gewöhnlich  auffallend 
rasch  fort,  das  Geschwür  heilt.  Beim  Vorhandensein  kleiner  offener 
Stellen  und  Nachlassen  der  Heiltendenz  wird  das  Bein  unter  einem 
Drahtkorb  offen  liegen  gelassen  und  die  wunde  Stelle  mit  Hydrarg. 
sozojod.  1,0,  Tale.  99,0  bestreut.  So  tritt  unter  dem  trockenen  Schorfe  die 
Vem&rbung  ein. 

Unter  anderem  wandte  W.  das  Mittel  noch  bei  Ekzemen  in 
jedem  Stadium,  besonders  nach  solchen  medicamentösen  Ursprungs,  in  Form 
des  oben  angeführten  Streupulvers  und  des  Zinc.  sozojodol.  9,0,  Tale,  venet 
Xft.  Die  nässenden  Stellen  heilen  rasch,  die  Bl&sohen  trocknen  ein  vmA 
ebenso  lassen  die  subjeetiven  Empfindungen,  Jucken,  etc.  nach.  Von 
Nebenwirkungen  bei  Anwendung  des  Sozojodol-Quecksilbers  sei  hinzugeftigt, 
dass  dasselbe  einen  leichten  brennenden  Schmerz  verursacht,  der  aber  die 
Patienten  nur  wenig  belästigt  und  nach  einigen  Stunden  anthört. 

A.  Grfinfeld. 


Venerische  Krankheiten. 

(Redigirt  von  Prof.  Neisser  und  Primararzt  Jadassohh  in  Breslau.) 


Therapie  der  Syphilis. 

1.  Dubois-HaTenith.  Präsentation  de  denx  cas  de  syphilidea  tertiairet 
nlcereases  ocoupant  presque  tont  le  yisage  et  gneriee  par  le  pazue- 
ment  occlusif  avec  le  sparadrap  mercoriel,  sans  administration  ni  de 
mercure  ni  d'iodure  k  rintörieor.  Societe  des  Sciences  medioales  de 
fimzelles.  Journal  des  maladies  cutan^es  et  syphilitiques.  1891  p.  61« 

2.  Balzer.  Gontribution  ä  Tötnde  du  traitement  local  des  syphilides; 
utilite  du  massage.  SociSte  clinique  de  Paris.  Journal  des  maladiet 
cutan^es  et  syphilitiques.  1891  p.  843. 

8.  Bock.  Du  traitement  local  dans  certaines  l^sions  ulcereuses  et  uloero- 
gommeuses  de  la  Syphilis.  La  Clinique  de  Bruxelles.  28.  Mai  1891. 
Ref.  im  Journal  des  maladies  cutanees  et  syphil«  1891  p.  888. 

4.  Boequillon.  Gomposition  en  mercure  des  sels  mercuriels.  La  Sem« 
m^dicale.  1892  p.  148. 

6.  Cohnatein,  Wilh.  Ueber  den  Einfluss  einiger  edler  Metalle  (Queck- 
silber, Platin  'und  Silber)  auf  die  Nierensecretion.  Archiv  fär  experi- 
mentelle Pathologie  und  Pharmakologie.  XXX.  Bd.  p.  126. 

6.  KankeL  Ueber  die  Verdampfung  Ton  Quecksilber  aus  der  grauen 
Salbe.  SitB.-Ber.  der  phy8ik.-med.  Qen.  zu  Würzburg.  1892.  Nr.  2. 

7.  Pilliet  et  Gathelineau.  Recherches  experimentales  sur  les  lösions 
determin6es  par  le  bichlorure  de  mercure.  Soo.  de  biologie.  S^nce 
du  29  octobre  1892.  Le  mercredi  m^dical.   1892  p.  529. 

8.  Galantoni,  A.  Anatomische  Veränderungen  nach  SublimatTergifbnng, 
Giomale  della  Assoc.  Napolitana  di  Med.  e  Natur.  1892. 

9.  Darier.  Intoxication  mercurielle.  Societe  frangaise  d^ophthalmoiogiOr 
2.  L  1898.  Le  Mercredi  m^dical.  1898.  Nr.  2. 

10.  Weiss.  Sialorrhoe  in  Folge  einer  fast  ganz  vicariirenden  Ausschei* 
düng  des  Quecks.  durch  die  Speicheldrüsen.  Ther.  Mon.  1890  p.  417. 

IL  Galippe.  De  la  pseudo-stomatite  mercurielle.  Sociöte  de  Biologie. 
80.  Juli  1892.  Semaine  med.  1892.  Nr.  89  p.  810. 

12.  Morel-LaTall^e.  Des  hydrargyries  pathogenetiques.  Erythemes  poly* 
morphes  scarlatiniformes  dus  a  l'usage  interne  du  mercure.    BeTue 

AraUT  f.  Dematol.  n.  Sypbü.  Band  XXVI.  3| 


458  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

de  medecine.  Bef.  im  Journal  des  maladies  cutanees  et  syphilitiqaes. 

1891  p.  628. 

18.  Intoi^ranee  pour  la  m6dication  iodnr^e.  Soci6t^  medicale  da  IX  Ar- 
rondissement.  Journal  des  mal.  cutan6e8  et  syph.  1891  p.  406. 

14.  Heinz.  Experimentelles  zur  Jodkaliwirkung.  Berl.  klin.  Wochenschr. 
1890.  Nr.  62. 

15.  Goll.  Eüpfer*s  Jod-Ratanbia-Syrup.   Gorr.-Bl.  fSLr  Schweizer  Aerzte. 
16.  Nov.  1892.  Nr.  22  p.  707. 

16.  Pariser  Correspondent.    The  prerention  of  jodism.    Lancet    Bd.  I. 

1892  p.  887. 

17.  Barcerie,  De  la.    Ein  Fall  von  acutem  Jodismus.    Therap.  Monats- 
hefte 1891,  p.  420. 

18.  G^my.  Die  schweren  Joderuptionen.   Ann.  de  Dermat.  et  de  Syphil. 
1891  p.  641. 

19.  Swertsehkow.   Localbehandlung  syphil.  Gesch¥rüre.   Wratsch  1892. 

20.  White,  Blake.    Le  chlorure  d'or  et  J^iodure  de  manganese  dans  le 
traitement  de  la  cachexie  syphilitique.   La  Sem.  med.   1892.   Nr.  34. 

21.  Heryng.    Ueber  die  locale  Anwendung  der  Chroms&ure  bei  syphili- 
tisdien  Ulcerationen.   Therap.  Monatsh.  1891.  Heft  8. 

22.  Feibe§.    üeber  die  locale  Anwendung  der  Chromsäure  in  der  Be- 
handlung der  syphilitischen  Afiectionen  der  Mundhöhle. 

28.  Gütttz.  Chrombehandlung  bei  Syphilis.  Therap.  Monatsh.  1880  p.  496. 
24.  Günts.  Chromnachweis  im  Urin.  Ther.  MonaUh.  1890  p.  237. 
86.  KalMhnikoff.    Traitement  de  la  Syphilis  par  la  chaleur.    Wratsch. 
Ref.  im  Journal  des  maladies  cntanees  et  syphilitiques.  1891  p.  890. 

(1)  Dubois-Havenith  stellt  zwei  geheilte  Fälle  von  uloeroser 
Lues  Tor,  welche  ohne  irgend  welche  Allgemeinbehandlung  allein  mit 
Auflegen  von  Beiersdor  f  fschem  Quecksilber  -  Guttapercha  «>  Pflastermull 
behandelt  worden  waren.  Er  hat  im  Ganzen  26  Fälle  Ton  tertiären 
Hautsyphiliden  in  der  verhältnissmässig  kurzen  Zeit  von  12—26  Tagen 
unter  der  obengenannten  localen  Behandlung  heilen  sehen.  Ohne  etwa 
ia  solchen  Fällen  auf  die  Allgemeinbehandlung  verzichten  zu  wollen, 
will  er  nur  für  die  Combination  beider  Methoden  plaidiren. 

Paul  Neisser. 

(2)  Balz  er  macht  darauf  aufmerksam,  dass  es  maoulöse  und 
papulöse  Exantheme  gebe,  welche  sich  sehr  rebellisch  gegen  jegliche 
Allgemeinbehandlung  verhalten ;  er  empfiehlt  in  solchen  Fällen  die 
Massage  zu  versuchen,  und  fuhrt  als  Beweis  für  den  günstigen  Erfolg 
derselben  einen  Fall  aus  dem  Hopital  de  Lourcine  an,  in  dem  nach 
mehrwöchentlichem  vergeblichen  Gebrauch  von  Hg.  tannic.  und  Jodkali 
unter  rationeller  Massage  «ein  über  den  Körper  und  das  Gesicht  verbrei- 
tetes maculöses  Exanthem  nach  drei  Wochen  bis  auf  einzelne  Pigmenti- 
rangen  verschwand. (?)  Paul  Neissec 

(8)  Bock  empfiehlt  in  allen  den  Fällen  von  Gummen,  namentlich 
exulcerirten,  welche  sich  unter  Jodkali-  oder  combinirter  Behandlung 
nur  langsam  oder  gar  nicht  zurückbilden,   die  chirurgische  Entfernung 


der  Syphilis.  459 

derselben:  breite  Eröffnung  derselben  mit  dem  Thermooaater,  ener- 
gisches Anskratzen  mit  Schonung  der .  Muskeln  und  Gefasse,  Drainage 
und  antisepiische  Behandlung.  Er  will  in  zwei  Fällen  den  glänzenden  E!r- 
folg  der  YöUigen  Verheilung  innerhalb  von  10  Tagen  gesehen  haben. 

Paul  Neisser. 

(4)  Bocquillon  gibt  den  Hg.-6ehalt  der  einzelnen  Quecksiiber- 
präparate  in  folgender  Weise  an:  Jodür:  45,57o»  Sublimat  73,727«) 
Lactat  67,I07o»  Peptonat  67,15%,  Suocinimid  68,3Voi  Galomel  84Vot 
rothes  Oxyd  92,597o,  Phenolat  61,687«,  Thymolat  41,87o,  Albuminat 
10,27«,  Tannat  233%,  Salicylat  697o.  Jadassohn. 

(6)  Da  bisher  bestimmte  Angaben,  dass  sich  did  seit  Jendrässik 
wieder  viel  besprochene  Hg.-Diurese  am  Thier  hervorrufen  lasse,  in  der 
Literatur  sich  kaum  finden,  hat  Gohnstein  Versuche  über  die  Wirkung 
des  Hg.  und  zweier  anderer  edler  Metalle  (Platin  und  Silber)  auf  die  Niere 
gesunder  Thiere  angestellt.  Er  hat  feststellen  können,  dass  in  der  That 
durch  alle  8  Metalle  eine  Vermehrung  der  Harnmenge  sich  erzielen  lasse. 
Durch  weitere  Versuche  konnte  er  es  zum  JSiKndesten  sehr  wahrscheinlich 
machen,  dass  irgend  eine  durch  das  Hg.  bewirkte  Kreislaufveränderung 
die  Ursache  dieser  Dinrese  sei,  denn  bei  chloralisirten  Tbieren  blieb  sie 
aus ;  auch  durch  die  Durchschneidung  der  Nierennerven  Hess  sich  das  Ein- 
treten der  Hg.-Diurese  verhindern.  Bei  kleineren  Dosen  Hg.  konnte 
Gohnstein  im  Gegensatz  zu  vielen  anderen  Autoren  eine  geringe  Blut* 
drucksteigerung  erzielen,  die  aber  keinesfalls  ausreicht,  um  die  Diurese 
zu  erklären.  Bezüglich  der  Erklärung  der  Hamvermehrung  weist  der 
Verf.  die  Hypothese  Jendrassik^s,  welcher  sie  auf  die  durch  das  Hg 
veränderte  Dififusions Verhältnisse  des  Wassers  zwischen  Blut  und  Geweben 
zurückführt,  zurück,  hält  aber  auch  die  andere  Anschauung,  nach  welcher 
die  Diurese  durch  eine  directe  Einwirkung  auf  die  Nierencpithelien  Zu- 
standekommen solle,  auf  Grund  seiner  Versuche  für  unwahrscheinlich,  da 
nicht  anzunehmen  ist,  dass  sich  die  Nierencpithelien  unter  der  Einwir- 
kung des  Ghlorals  oder  der  Nervenverletzung  verändern. 

Jadassohn. 

(6)  Ausgehend  von  neuen  Versuchen  Renk's,  die  Kunkel  zu  be- 
weisen scheinen,  dass  Quecksilber  nur  ausnahmsweise  in  Stanbform 
durch  die  Luft  getragen  werde,  bespricht  der  Autor  seine  Versuche, 
die  sich  mit  quantitativen  Bestimmungen  des  aus  grauer  Salbe  ver- 
dampfenden Quecksilbers  beschäftigen.  Graue  Salbe  wurde  auf  einem 
Pappdeckel  von  3000  Cm^  Oberfläche  in  1  Mm.  dicker  Schicht  aufge- 
.  strichen.  Dieser  Pappdeckel  wurde  in  einen  gut  gedichteten  flachen 
Kasten  gelegt,  welcher  Zu-  und  Abflussrohr  besitzt,  so  dass  vermittelst 
Saug^rkung  ein  langsamer  Luftstrom  durch  den  Kasten  strich  und 
Quecksüberdämpfe  mitnahm.  Letztere  wurden  in  Absorptionsapparaten 
(Salpetersäure  —  kein  Goldblatt!)  aufgefangen.  Der  gan^e  Versuch  wurde 
bei  einjr  Temperatur  von  33--35'  C.  angestellt.  Die  Quecksilbermengen, 
die  hierbei  gefunden  wurden,  schwankten  zwischen  8—18  Milligramm 
Hg.  auf  1  C.-Meter  durchgesaugter  Luft.  Je  schneller  der  Luftstrom,  desto 

31* 


460  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

geringer  war  die  QaeckBÜbermenge,  je  frisoher  die  Salbe  aufgeatrichen 
war,  desto  mehr  Hg.  gab  sie  ab.  Es  kam  also  bei  der  Sehmiercor  aal 
24  Standen  (12  GM.  Luft)  eine  sehr  namhafte  Menge  eingeathmeten 
Quecksilberdampfes,  wenn  der  Versuch  mit  der  Salbenbftchse  der  Ap- 
plicat ionsweise  am  menschlichen  Körper  entspreche.  Ein  den  wirklichen 
Verhältnissen  der  Schmieronr  adäqaater  Versnch  ist  nicht  leicht  an- 
zustellen. A.  Philip pson. 

(7)  Pilliet  und  Cathelineau  haben  die  pathologischen  Ver- 
änderungen der  Organe  von  8  durch  Sublimat  vergifteten  Thieren  stndirt 
und  sind  dabei  zu  den  bekannten  Resultaten  (Veränderungen  an  den 
Kierenepithelien,  im  Dann-  und  Dickdarm,  in  der  Leber  und  der  Milz) 
gekommen.  Es  erübrigt  nur  noch,  zu  bemerken,  dass  die  Sectionsbefunde 
bei  Menschen  mit  denen  bei  ihren  Thierrersuchen  übereinstimmten. 

Paul  Neisser. 

(8)  Galantoni  beschreibt  die  bekannten  Veränderungen  nach 
Sublimatvergiftung  —  in  den  Nieren  hat  er  nach  sehr  acuter  Vergiftung 
nur  kleine  interstitielle  Hämorrhagien  gefunden;  bei  subacuter  Vergif- 
tung hat  auch  G.  in  manchen  Fällen  die  viel  beschriebenen  Verkalkungen 
gesehen,  die  er,  wie  wohl  die  meisten  neueren  Autoren,  nicht  auf  eine 
Entkalkung  der  Knochen  zurückfuhrt.  Zwischen  der  Stärke  der  Nieren- 
und  der  Darmveränderung  besteht  keine  Proportion.  Die  Autopsie  gibt 
nur  die  Anhaltspunkte  zu  einer  Wahrscheinlichkeits-,  nicht  die  zu  einer 
sicheren  Diagnose. 

(9)  Darier  berichtet  über  einen  Fall  von  Quecksilber-Vergiftung 
in  Folge  einer  einzigen  Injection  von  1  Ggr.  Quecksilbercyanat  —  er 
empfiehlt  auf  Grund  dieser  Erfahrung  mit  6  Mgr.  zu  begizmen  und  nur 
allmälig  auf  1  Ggr.  zu  steigen. 

Parent  hat  nie  eine  unangenehme  Wirkung  dieser  Injectionen 
geoehen.  Er  betont  besonders  die  Nothwendigkeit  ein  chemisch  ganz  reines 
Präparat  zu  benutzen. 

Auch  Gorecki  hat  einige  Nebenwirkungen  gesehen,  die  er  mehr 
der  Oyanwasserstoffsäure  als  dem  Mercur  beimessen  möchte. 

Jadassohn. 

(10)  Weiss*  Patient  hat  vor  11  Jahren  einen  Schanker  gehabt 
Erkrankt  plötzlich  mit  Erscheinungen  von  Seiten  des  Nervensystems, 
gegen  welche  eine  Schmiercur  angeordnet  wird.  Bei  der  26.  Einreibung 
(ä  2  Gr.  ünguentum  cinereum)  stellt  sich  bei  intacter  Mundschleim- 
haut (5  Monate  nach  der  Gur  noch  bestehender)  Speichelfiuss  ein  (in  12 
Stunden  1000  Gr.  Speichel).  Jodqueoksilberreaction  bei  Untersuchung  des 
Speichels  sehri^deutlich.  Barlow. 

(11)  Galippe  behauptet,  dass  in  manchen  Fällen  von  Stomatitis 
bei  Syphilitikern  diese  nicht  auf  das  Hg.,  sondern  auf  septische  StofiFe 
in  der  ungenügend  gereinigten  Mundhöhle  zurückzuführen  sei  und  dass 
man  diese  Stomatitis  durch  sorgfaltige  Antisepsis  und  mechanische  Säu- 
berung bei  Fortgebrauch  des  Mercur  heilen  könne.  Zum  Beweise  für 
diese  Anschauung  führt  G.  einzelne  Fälle  an.  Jadassohn. 


der  Sypbilu.  461 

(12) Morel-Lavall^e  berichtet  über  22  yon  ihm  selbst  beobachtete 
F&lle  Ton  Mercürialezanthem  nach  internem  Gebrauch  von  Hg.  Die 
Haupterscheinnngen,  welche  theils  ohne,  theils  mit  anderen  Intoxica- 
tionserscheinnngen  auftraten,  waren  zürn  Theil  sehr  schwere  und  ähnelten 
oft  den  Morbilli,  dem  Eczema  rabram,  dem  Erysipelas  und  der  Dermatitis 
exfoliatiya,  während  die  häufigste  Form  ein  scarlatinöses  Exanthem  war. 

Panl  Weisser. 

(18)  Bei  Gelegenheit  der  Discnssion  über  Nitot*s  Frage,  was  man 
mit  Lnetikem  machen  solle,  welche  kein  Jodkali  vertrügen,  drückt 
unter  Anderen  JuUien  seine  Ansicht  darüber  folgendermassen  aus:  Er 
selbst  habe  zu  verschiedenen  Malen  und  bei  den  verschiedensten  Dosen  an 
sich  selbst  die  unangenehmsten  und  langdauemdsten  Erscheinungen  des 
Jodismus  erfahren.  Bei  Leuten,  die  das  Jodkali  absolut  nicht  vom 
Magen  aus  vertrügen,  räth  er,  es  in  Dosen  von  1 — 2  Gramm  2mal 
täglich  per  clysma  in  Milch  zu  geben.  Sonst  gibt  er  10 — 80  Tropfeu 
Jodtinctur  in  Wasser  oder  Wein,  was  vorzüglich  vertragen  würde.  Ein 
anderes,  sehr  gut  wirkendes  und  vertragenes  Präparat  sei  das  Jodol, 
welches  er  in  Dosen  von  0,1  bis  5mal  taglich  gebe;  diesem  Präparat 
könne  man  in  Pillen  sehr  gut  Hg.-Präparate,  z.  B.  Hydrarg.  salicyl. 
beimischen  und  so  gleich  die  combinirte  Behandlung  insceniren. 

Paul  Neisser. 

(14)  Heinz  wiederholte  die  Versuche  von  Binz,  welcher  Jodoform- 
dämpfe auf  das  Mesenterium  von  Fröschen  einwirken  Hess  und  bestätigte 
dil  von  Binz  gefundene  Verminderung  oder  das  Fehlen  der  Leucocyten- 
AuswanderuDg.  Ferner  studirte  er  den  Einfluss  des  gebundeneu  Jodes 
auf  Entzündungsprocesse  durch  subcutane  Jodnatr.-Injectionen.  Das  Re- 
sultat war  dem  oben  angegebenen  entgegengesetzt:  Regere  Thätigkeit 
der  Leucocyten.  Verf.  injicirte  Zinnober  in  die  Bauchhöhle  und  fand,  dass 
das  Blut  der  mit  J.-Na.  behandelten  Thiere  mehr  zinnoberhaltige  Leuco- 
cyten aufwies  als  bei  anderen  Thiereu.  Verf.  schlägt  deshalb  vor,  die 
Eoch'sche  Methode  mit  der  internen  Jodbehandlung  zu  verbinden  in 
Fällen,  in  denen  eine  Resorption  möglich  ist.  Lex. 

(15)  Goll  empfiehlt  Kupfer 's  Jod-Ratanhia-Syrup  als  ein  sehr 
mildes  und  zweckmässiges  Jodpräparat,  das  langsam,  aber  sicher  wirkt. 
Jodschnupfen,  welcher  in  der  Schweiz  nach  GolPs  Erfahrungen  bei  etwa 
8 — 107«  der  Patienten  vorkommt,  wird  durch  die  Bindung  des  Jod  an 
organische  Stoffe  (wie  die  Ratanhia-Gerbsäure)  sicher  vermieden.  Das 
Präparat,  dessen  Geschmack  durch  Extr.  Ghinae  oder  Gort,  aurant.  ver- 
bessert werden  kann,  enthält  270«  Jod;  ein  Esslöffel  zz  3  Ggr.  reinen 
Jods.  Die  Erfahrungen,  die  Goll  bei  den  verschiedensten  Krankheiten 
gemacht  hat,  sind  sehr  günstig.  Man  muss  den  Syrup  4—6  Wochen 
nehmen  lassen.  Jadassohn. 

(16)  Die  Wirlrang  des  Jodkali  ist  bei  syphilitischen  Processen 
eine  bessere  als  die  des  Jodnatriums.  Jodismus  wird  man  wohl  nicht  in 
allen  Fällen  verhüten  können,  doch  ist  möglicherweise  das  von  Mala- 


462  Bericht  über  die  Leiitungen  auf  dem  Gebiete 

chowski    und    Rdhmann    empfohlene    Natnam    bicarbonieam ,    mit 
Jodkali  gleichzeitig  gegeben  in  siemlich  groeter  Menge,  werthroll. 

Barlow. 

(17)  Baroerie  bekam  naoh  0,6  Jodkalium  Ersoheinongen  des 
heftigsten  acuten  Jodismas,  welcher  nach  Ii^ection  von  0,02  Morphium 
schwand.  Früher  hatte  der  Autor  Jodkalium  in  gprossen  Dosen  ohne  Be« 
schwerde  ertrsgen.  Bar  low. 

(18)  Neben  den  leichten  papulo-pustulösen  Formen  führt  6emy 
die  schweren  furunculösen,  karbuncnlösen,  selbst  necrosirenden  Derma- 
titiden  an,  von  denen  er  4  Fälle  eigener  Beobachtung  mittheilt.  Dieselben 
beginnen  stets  als  pralle  grosse  Blasen,  die  zu  dicken  impetiginosen 
Borken  eintrocknen  und  was  Q.  für  völlig  pathognomonisch  ansieht,  fast 
ausschliesslich  am  Handrücken  sitzen.  Dieselben  heilen  nur  mit  Rnck- 
lassung  oft  sehr  entstellender  Narben.  Verwechslung  ist  möglich  mit 
Impetigo  und  Syphilis.  Auf  Unterbrechung  der  Jodtherapie  pflegen  sie  meist 
rasch  zu  sistiren.  Finger.   , 

(19)  Swertschkow  verbindet  syphilitische  Geschwüre  aller  Sta- 
dien nach  Abwaschung  mit  2%  Wasserstoffsuperoxyd  mit  Watte,  die  in 
(vor  dem  Gebrauch  zu  erwärmenden)  Garbol-Campher  (Ac.  oarbol.  5*0, 
Camphor.  10*0)  getränkt  ist;  nach  8 — ötägigem  (2 — Smal  täglich  gewech- 
seltem) Verband  ist  das  Geschwür  gereinigt  und  soll  dann  mit  Dermatol- 
Vaseline  (äS),  über  die  noch  Emplastr.  cinereum  gelegt  wird,  verbunden 
werden.  Auch  ohne  AUgemeinbehaudlung  soll  diese  Therapie  sehr  gute 
Erfolge  haben. 

(20)  In  einem  Referat  der  Semaine  medic.  wird  berichtet,  dass 
Blake  White  mit  gutem  Erfolg  bei  syphilitischer  Cachexie  2 — 3  Mal 
wöchentlich  subcutane  Ii^ectionen  (in  die  Lumbo-Dorsalgegend)  eines 
Doppelsalzes  von  Gold-  und  Manganchlorür  benutzt  und  zwar  von  einer 
Lösung,  die  im  Tropfen  0,001  des  Salzes  enthält;  er  beginnt  mit  einem, 
dann  mit  2  Tropfen,  die  er  mit  5  Tropfen  1%  Carbolwasser  verdünnt. 
Der  Erfolg  ist  hauptsächlich  eine  Kräftigung;  der  Puls  wird  voller,  der 
Appetit  besser,  das  Gewicht  steigt;  manchmal  leichtes  Fieber.  Es  gibt 
aber  auch  Patienten  mit  einer  Idiosynkrasie  gegen  dieses  Mittel:  Kopf- 
schmerzen, Diplopie,  Schwindel  etc.  stellen  sich  ein ;  dann  muss  man  mit 
der  Dosis  herabgfehen,  eventuell  das  Goldsalz  durch  ein  Platinsalz  er- 
setzen. Jadassohn. 

(2U  Heryng  nimmt  Kuttner  (Therap.  Monatsh.  1891  Nr.  6,  in 
dieser  Zeitschr.  bereits  ref.)  gegenüber  die  Priorität  der  localen  Behand- 
lung syphilitischer  Schleimhautulcerationen  mit  Ghromsäure  für  sieh  in 
Anspruch.  Das  Mittel  ist  dem  in  letzter  Zeit  empfohlenen  Acidum  trichlor- 
aceticum  weit  überlegen.  Karl  Herxheimer. 

(22)  Feibes  weist  an  der  Hand  der  Literatur  nach,  dass  die  von 
Jvuttner  empfohlene  locale  Anwendung  der  Ghromsäore  bei  luetischer 
Erkrankung  der  Mundhöhle  nicht  neu  ist>  F.  theilt  dann  eigene,  durch 
Chromsäure  geheilte  Fälle  mit;  es  sind  das  zerfallene  Gummen,  Plaques 
opalines,   11  Fälle  von  Psoriasis  linguae.    Auch  die  meroorielle  Stoma- 


der  Syphilis.  4Sg 

titii  wird  von  F.  mit  Erfolg  mit  Chromsäure  behandelt.  (£s  ist  dem 
Referenten  aufgefallen,  dass  weder  Euttner  noch  Feibes  die  Fälle  von 
Idiosynkrasie  gegen  Chromsäure  bei  ihren  Betrachtungen  aogezogen  liaben). 

Karl  Herxheimer. 

(28)  Güntz  hat  bei  9  Syphilitischen,  die  während  der  Ghrom- 
behandlung  zugleich  eine  energische  Salzbadecur  unternommen  hatten, 
Smal  Chrom  im  Urin  nachgewiesen,  was  ihm  ohne  die  Salzbäder  nie 
gelungen  war.  Barlow. 

(24)  Güntz,  der  bisher  niemals  Chrom  im  Urin  mit  Chrom wasser 
behandelter  Kranken  nachweisen  konnte,  ist  dies  jetzt  in  einem  Falle 
geglückt  Barlow. 

(26)  Ealashnikoff  hat  in  mehreren  Fällen  von  hartnäckigen 
papulösen  und  pustulösen  Syphiliden  nach  vergeblicher  Anwendung  der 
anderen  Behandlungsmethoden  die  locale  Application  der  Wärme  versucht 
und  ist  mit  dem  Resultat  sehr  zufrieden.  In  einzelnen  Fällen  will  er 
schon  nach  einmaliger  Anwendung  der  Wärme  einen  günstigen  Erfolg 
gesehen  haben,  während  dieser  in  anderen  erst  nach  einem  Monat  eintrat. 

Paul  Neisser. 


Nicht-yenerisehe  Erkrankungen  des  Uro-genital- 

Apparates. 

1.  Lydston,  Frank  G.  Bakteriological  Research  in  its  Relation«  to  the 
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Surgical  and  Gynnecological  Association  Louisville  Nov.  1892.)  The 
New-York  Medical  Journal.  Nr.  733.  1892  p.  697. 

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3.  Krogius.  Recherches  bact^riologiques  sur  l'infection  urinaire.  Hel- 
singfors.  Mai  1892. 

4«  Harrison,  R.  Des  oauses  de  quelques  formes  de  fiövre  unneuse  dans 
la  pratique  ohirurgicale.  VI  Congres  franQ.  de  chir.  Ref.  Ann.  gen.- 
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5.  Rellquet.  Pathogenie  de  Pintoxication  urineuse.  VI  Congr.  frauQ.  de 
chir.   ReL  Ann.  gen.-ur.  1892  p.  89a 

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7.  HartmAnn.  Quelques  r^flexions  k  propos  d*un  cas  de  fievre  nrineute 
a  acc^s  intermittents.   Ann.  g6n.-ur.  1892  p.  88. 

8.  DenjH.  Etudes  sur  les  infections  urinaires.  Journ.  des  oonnaissanoaa 
med.   März  1892.   Ref.  Ann.  gen.-ur.  1892  p.  628. 

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464  Bericht  über  die  Leitstangen  auf  dem  Gebiete 

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12.  Rebland.  A  propos  de  Tidentite  de  la  bacterie  pyogene  et  da  ba- 
cillufl  coli  commanis.  Soc.  de  biol.  12  dec.  1891.  Ref.  Ann.  gen.-ar. 
1892  p.  67. 

18.  Aebard  et  Renaut.    Bacilles  de  Pinfection  nrinaire.    Soc.  de  biol. 

9  april  1892.   Ann.  g6n.-ar.  1892  p.  567. 
14.  Achard  et  Renaut.   Sar  les  rapports  da  bacteriam  coli  eommane 

et  da  bacteriam   pyogene   des  infections   arinaires.     Soc  de  biol. 

12  dec.  1891.   Ref.  Annales  gen.-ar.  1892  p.  68. 
1£.  Aehard  et  Renant.  Bacilles  arinaires  et  ar6e.  Soc.  de  biol.  8.  Dec. 

1892.   Le  Mercredi  med.  1892.  7.  Dec.  Nr.  49. 

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28.  Witte.  Demonstration  von  Tabenpraparaten  mit  seltenen  baeterio- 
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za  Berlin.  Zeitschr.  f.  Gebnrtshilfe  a.  Gynäk.  Bd.  24,  2.  Heft,  p.  322. 

29.  Heitzmann.  Ueber  Schleimhaatfissaren  der  Blase  beim  Weibe.  Gen- 
tralbl.  f.  d.  ges.  Ther.  2.  1892. 

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81.  OkeT-Blom.  Traitement  des  cystites  an  moyen  d'injections  intra- 
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'32.  Filippow,  N.  N.    Ueber  die  Behandlang  der  eitrigen  Cystitis  mit 
Jodoformemalsion.   Ghirargitscheskij  Westnik.  Augast  189i!. 


der  Syphilis.  465 

33.  Boe^Ahold.  Zur  Behandlung  des  filasencatarrhs.  Therap.  Monatsh. 
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34.  Henry,  Josef  N.  Methylen-Blue  in  Cystitis.  Boston  med.  and  surg. 
Joum.  8.  März  1892.  YoL  CXXYI,  Nr.  9. 

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42.  Otts,  William  E.  The  „perfected**  Urethroskope.  Presented  before 
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die  gesammte  Therapie.  1892.  lY.  Heft. 

44.  Wendscbuh,  Karl.  Gatheteretuis  mit  Flagon  und  Vaselindose.  Fort- 
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med.  de  l'Est.  1  jan.  1892.  Ref.  Ann.  g6n.-ur.  1892,  p.  126. 

.50.  BroWB,  F.  T.    A  nematode  parisitic  worm  in  the  Urethra.   British 

med.  Jonmal.  Nr.  1665,  p.  432. 
^1.  Florani  Giovanni.  Calculs  urethraux.  Milan  1892.  Ref.  Ann.  g6n.-ur. 

1892,  p.  788. 


466  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

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68.  Martiii.  Gate  of  balanitis  in  a  ehild  aged  tliree  yeara.  Laneet  1892. 

Bd.  I,  p.  1079. 
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London  1892.  Ref.  Laneet.  IL  1892,  p.  941. 

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68.  Malherbe.  Tuberoulose  v6sicale  prise  pour  nne  tumeur  de  la  vessie. 

Annales  g6n.-ur.  1892,  p.  206. 
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forme.  Amelioration.  Annales  de  la  policlinique  de  Bordeaux.  Janv. 
1892.   Ref.  Annales  gen.-ur.  1892,  p.  223. 

67.  Daplay.   De  la  tuberculose  vesicale.   La  Sem.  m6d.  1892.  Nr.  26. 

68.  Stintzlng,  R.  lieber  ürogenitaltuberculose.  Thüringer  ärstl.  Gorre- 
spondenzblatt.  1892. 

69.  Zampettl.  Trois  cas  d'orchite  comme  complication  de  Pinfluenza. 
Gazetta  degli  ospitali.  Nr.  73.  1890.   Ref.  Annal.  gen.-ur.  1892,  p.  228. 

70.  Kelly,  Gordon.  A  case  of  acute  Orchitis  following  influenza.  Laneet. 
Bd.  L  1892,  p.  369. 

71.  Harris.  A  case  of  acute  Orchitis  following  influenza.  Laneet  1892. 
Bd.  I,  p.  22. 

72.  Briseoe.  Orchitis  following  influenza.  Laneet  Bd.  L  1892,  p.  198. 
78.  Oestreieh.  Ein  Fall  von  abnormer  Vergrotserung  der  Proetata.  Berl. 

med.  Gesellschaft.   2.  März  1892.   D.  med.  Wchschr.  1892,  p.  219. 
74.  Bruee  Clarke.  Galyano-*cautery  for  proitatio  obstraction.  Med.  Soo. 
London.   Laneet.   Bd.  I.  1892,  p.  141. 


der  Syphilis.  467 

76*  Ponsson.  Cystite  doaloureuse  chez  tm  prostatique.  YI  Gong,  franc^ 
da  chir.  1892.  Annales  gen.-ar.  1892,  p.  410. 

76.  Poncet.  De  la  cröation  d'nn  nrdthre  contre  nature.  Cystotomie  boub- 
pnbienne  chea  les  profitatiqaes.  VI  Gong^^s  firan^ais  de  chimrgie. 
Ref.  Annales  gen.-nr.  1892,  p.  398. 

77.  Cotgnet.  Sonde  danB  la  veBsie  d'an  prostatique.  Soc.  des  soiences 
med.  de  Lyon.  1892.  Ref.  Annales  gen«-ar.  1892,  p.  286. 

78.  Keyea.  Traitement  chirurgical  de  Thypertrophie  prostatique.  üni- 
versity  med.  Magazine.  Febr.  1892.  Ref.  Annales  g6n.*nr.  1892,  p.  586. 

79.  Mansell  Moulin.  Two  cases  of  perineal  prostatectomy.  Lancet  1892. 
Bd.  II,  p.  142. 

80.  Mansell  Moulin.  Operative  treatement  of  enlargement  of  the  pro- 
state.   Lancet  Bd.  L  1892,  p.  1229,  1287,  1364. 

81.  Mansell  Monün.  On  the  diagnosis  of  the  different  forms  of  pro- 
static  enlargement.    Lancet.  IL  1892,  p.  1880. 

82.  Mac  Mann,  J.  On  the  diagnosis  of  the  different  forma  of  prostatic 
enlargement.   Lancet.  IF.  1892,  p.  1468. 

83.  Barbacci.  Prostatite  suppar^e  produite  par  le  bacterium  coli  com- 
mune. Lo  Sperimentale.  15.  Aug.  1892.  Ref.  Ann.  gen.-ur.  1892,  p.  787. 

84.  Albarran.  Operation  contre  Pincontinence  d'urine  chez  la  femme. 
Annales  gen.-ur.  1892,  p.  733. 

85.  Povsson.  Operation  pratiquee  chez  une  femme  pour  remedier  a  une 
incontinence  d*urine  urethrale.  Soc.  de  chir.  6  avril  1892.  Ref.  Ann. 
gen.-ur.  1892,  p.  633. 

86.  B^rillon,  E.  Incontinence  d'urine  noctnrne  chez  les  enfants.  Bulletin 
med.  15  juin  1892.   Ref.  Ann.  gen.-ur.  1892,  p.  646. 

87.  Bagot.  Traitement  de  Pincontinence  d'orine  cbez  la  femme  par  le 
massage.  Dublin.  Joum.  of  med.  seien.  Oct.  1891.  Ref.  Ann.  gen.-ur. 
1892,  p.  136. 

88.  Narleh.  Deux  cas  d^incontinence  d'urine  gu6ris  par  le  massage  de 
l'uröthre  et  du  col  de  la  yessie.  See.  obstetr.  et  gynec.  12.  Not.  1891. 
Ref.  Annales  gen.-ur.  1892,  p.  61. 

(1)  Indem  Lydston  die  allgemeine  Frage  streifr,  wie  weit  unter 
bestimmten  Bedingungen  ein  und  dieselben  Mikroben,  welche  con- 
stant  in  den  Absonderungen  des  Uro-Genitattracts  gefunden  werden, 
Ursachen  Torschiedener  Erankheitsformen,  oder  andererseits  wie  weit 
heterogene  Organismen  Ursachen  eines  und  desselben  Krankheitsprocesses 
sein  können,  geht  er  auf  die  Thatsache  ein,  dass  verschiedene  Krankheits- 
formen  mikrobischen  Ursprungs  unter  die  allgemeine  Bezeichnung  einer 
Urininfection  zusammcngefasst  werden.  Nach  dem  derzeitigen  Standpunkt 
unseres  Wissens  kann  man  indess  z.  B.  eine  Unterscheidung  der  ein- 
seinen Affeotionen  noch  nicht  machen  und  muss  man  sich  demgemäss 
mit  der  These  begpiügen,  dass  viele  Formen  organischer  nnd  functioneUer 
Yerftndemng  des  Uro*Genitaltracts  parasitären  Ursprungs  sind;  hieher 
gehören  die  Processe  einer  AUgemeininfection  mit  Erguss  und  £iterang 


468  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

der    GelenkböHlen    bis    zur    einÜEtohen    chronischen  prostatisohen   Hei- 
zung. Loeser. 

(2)  Gnyon's  Referat  aber  die  Urininfection  zerf&Ut  in  2  Thaile 
Der  erste  betrifft  die  mfectiösen  Erkrankungen  der  Blase,  der  zweite 
behandelt  das  Zustandekommen  von  Allgemeininiection  in  Folge  der 
Erkrankung  des  Urogenitalapparates,  insbesondere  wird  die  Pathologie 
des  Urinfiebers  eingehend  besprochen. 

Ad  I.  Die  Resultate,  zu  denen  Guyon  bei  Besprechung  der  Gystitis 
gelangt,  sind  folgende: 

1.  Normaler  Urin  ist  in  der  Blase  stets  bakterienfrei  enthalten. 

2.  Der  Urin  entzündeter  Blasen  enthält  stets  Mikroben,  die  als  die 
Erreger  der  Erkrankung  anzusehen  sind. 

5.  Solcher  Mikroben  gibt  es  eine  grosse  Menge  von  Arten,  sowohl 
Coocen  wie  Bacillen  und  unter  diesen  letzteren  spielt  die  wichtigste 
Rolle  das  Bacterium  coli  commune. 

4.  Eine  durch  Gonoooccen  bedingte  Cystitis  gibt  es  nicht, 
sondern  die  Blasenentzündung  im  Verlaufe  der  Gonorrhoe  beruht  immer 
aaf  Mischinfection. 

6.  Die  tuberculöse  Cystitis  stellt  eine  eigenartige  Erkrankungsform 
dar  und  ist  gesondert  yon  den  übrigen  Cystitiden  zu  betrachten. 

6.  Die  normale  und  die  kranke  Harnröhre  sind  stets  von  für  die 
Blase  pathogenen  Mikroorganismen  bewohnt. 

7.  Dieselben  können  in  die  Blase  gelangen 

a)  durch  fortgeleitete  Entzündung  von  der  Harnröhre  aus, 

b)  durch  spontanes  Hineinwachsen  in  die  Blase  (beim  Weibe 
nicht  selten), 

e)  durch  Verschleppung  vermittelst  Gatheters. 

8.  Weitaus  die  häufigste  Ursache  der  Gystitis  aber  ist  ein  Gatheter 
rismus  mit  unreinen  Instrumenten;  die  Verschleppung  der  Urethral- 
bakterien durch  sterile  Gatheter  kommt  viel  weniger  in  Betracht 

9.  Selten  erfolgt  eine  Infection  der  Blase  von  der  Blutbahn  aus. 

10.  An  und  für  sich  können  Bakterien  allein  keine  Cystitis  her- 
vorbringen, sondern  dieselben  bedürfen  zur  Ermöglichung  einer  Infection 
Retention  des  Harnes  oder  Verletzungen  der  Blasenschleimhaut. 

12.  Die  Virulenz  der  Mikroben  kann  vielleicht  beim  Zustande- 
kommen der  Gystitis  eine  gewisse  Rolle  spielen. 

IS.  Zersetzung  des  Harnes  bei  Blasenentzündung  ist  nur  ein  se- 
cundäres  Phänomen.  Die  Gystitis  kann  längst  bestehen,  ehe  ammonia- 
kalische  Gährung  eintritt. 

14.  Die  Infection  von  der  Blase  aus  kann  ascendirend  auf  die 
Nieren  fortschreiten. 

Ad  U.  Ueber  die  Pathologie  des  Urinfiebers  stellt  Gnyon  fol- 
gende Schlüsse  auf: 

1.  Die  infectiösen  Erkrankungen  des  Urogenitalapparates  stellen 
eine  Gefahr  für  den  Gesammtorganismus  dar. 


der  Syphilis.  469 

2.  Die  noth wendige  Bedingung  zum  Zustandekommen  einer  Allge- 
meinerkranknng  ist  Infection  des  Urins,  verbunden  mit  einer  Continuitftts- 
trennung  der  mit  demselben  in  Berührung  kommenden  Gewebe. 

8,  Urinfieber  kann  spontan  auftreten;  meist  aber  ist  es  die  Folge 
eines  Gatheterismus  oder  eines  anderen  mit  Verletzungen  einhergehenden 
chirurgischen  Eingriffes.  Der  Ausgangspunkt  kann  sowohl  in  der  Urethra, 
wie  in  der  Blase,  Niere  und  im  Ureter  liegen. 

4.  Klinisch  lassen  sich  2  Formen  yon  Urinfieber  unterscheiden. 

a)  einmaliger  oder  wiederholter  acuter  Anfall, 

b)  chronische  Urincacbexie  mit  wenig  ausgesprochener  continu- 
irlicher  Temperaturerhöhung. 

5.  Zur  Erklärung  des  Krankheitsbildes  genügt  weder  die  Theorie 
von  „nervösem  Shok"  noch  die,  welche  eine  „Phlebitis'*  postulirt.  Eine 
Mierenerkrankung  kann  unter  Umständen  mit  Schuld  an  der  Temperatur- 
erhöhung sein,  allein  dies  trifft  nicht  für  alle  Fälle  zu.  Einzig  und  aUein 
Yelpeaus  Ansicht  von  der  „Urin Vergiftung^  lässt  sich  mit  gewissen 
Einschränkungen  heute  noch  aufrecht  erhalten. 

6.  Es  handelt  sich  nämlich  nicht  allein,  wie  Yelpeau  meirte, 
um  eine  Vergiftung  durch  Urin,  sondern  um  eine  Resorption  infioirten 
Harnes  von  verletzten  Schleimhäuten  (meist  der  Urethra)  aus. 

7.  Das  inficirende  Agens  sind  die  im  Urin  der  Kranken  befindlichen 
und  ins  Blut  gedrungenen  Bakterien  und  die  Richtigkeit  dieser  An-« 
sohauung  findet  ihren  Beweis 

a)  in  dem  Befunde  von  Bakterien  in  dem  Blute  der  Patienten 
während  des  Anfalls. 

b)  in  dem  Identitätsnachweise  der  aus  dem  Blute  und  der  kranken 
Blase  gezüchteten  Formen. 

8.  Die  reinsten  Anfälle  von  Urinfieber  scheint  Bacterium  coli 
commune  hervorzurufen.  Bei  den  durch  andere  pyogene  Goccen  be« 
dingten  Anfällen  wiegt  mehr  das  Bild  der  Pyämie  vor. 

9.  Auch  das  Thierezperiment  kann  zum  Beweis  dafür  angezogen 
werden,  dass  es  sich  beim  Urinfieber  um  Bakterienwirkung  handelt.  In- 
jicirt  man  Thieren  Gystitismikroben  ins  Blut,  so  kann  Tod  erfolgen, 
manchmal  auch  Nephritis  auftreten. 

10.  Beim  kranken  Menschen  ist  die  AUgemeininfection  besonders 
gef&hrlich,  wenn  schon  vor  dem  Anfall  Veränderungen  in  den  Nieren  be- 
standen. Es  können  sich  dann  m  fataler  Weise  ascendirende  und  desoer. 
dirende  Nephritis  summiren. 

11.  Möglicherweise  sind  es  nicht  immer  nur  resorbirte  Bakterieni 
die  das  Urinfieber  bewirken,  sondern  auch  von  denselben  gebildete 
Toxine.  Schwere,  zum  Tode  führende  Infectionen  beruhen  wohl  meist 
auf  der  Thätigkeit  in  relativer  Menge  ins  Blut  gerathener  Bakterien  von 
starker  Virulenz.  Aber  schnell  nach  Gatheterismus  etc.  auftretende  ein- 
malige Anfälle  sind  wohl  auf  die  Resorption  toxischer  Prodncte  zurück- 
zuführen. Der  Sieg  des  Organismus  in  den  letzteren  Fällen  hängt  von 
intacter  Nierenfunction  ab.    Bei  wiederholten  Anfallen  handelt  es  sich 


470  Bericht  über  die  Leistiingen  auf  dem  Gebiete 

nm  Hinznireten  Ton  Nierenlftsionen.  In  Fällen  endlieh  von  chronischer 
ürinkachezie  unterliegen  die  Kranken  durch  wiederholte  Resorption 
giftiger  Stoffe  bei  mangelhafter  AuBseheidnngBfahigkeit  der  Nieren. 

12.  Variationen  im  Bilde  der  ürininfection  hängen  ab: 

a)  von  der  Virulenz  der  Bakterien, 

b)  Ton  dem  AUgemeinbefinden  der  Patienten. 

13.  Leute,  deren  Gystitis  schon  lange  besteht,  können  durch  eine 
Art  Autovaccination  (wiederholte  Resorption  kleinster  Mengen  gü- 
tigen Urins)  eine  gewisse  Immunität  gegen  acute  Allgemeininfection  er- 
reichen. 

Ein  ausfuhrliches  Literatunrerzeichniss  schliesst  Guyon's  Aas- 
fahrungen. Bar  low. 

(3)  In  der  Arbeit  von  Erogins  findet  sich  eine  ausfuhrliche 
Geschichte  der  Cystitis  von  Pasteur  ab  bis  in  die  neueste  Zeit.  Der 
Autor  selbst  hat  22  Fälle  von  Blasenentzündnngen  und  Infectionen  der 
Hamwege  bakteriologisch  untersucht,  deren  Protokolle  er  ausfurlich 
mittheilt.  Im  Ganzen  fand  er  6  Arten  von  Bakterien  (bis  auf  2mal  stets 
in  Reincultur)  in  den  untersuchten  Urinen,  welche  mit  allen  Vor- 
sichtsmassregeln aufgefangen  waren  und  stets  frisch  verarbeitet  wurden. 

16mal  war  im  Harne  ein  Gelatine  nicht  verflüssigendes  Bakterium 
vorbanden,  darunter  14mal  in  Reincultur.  5  Patienten  aus  dieser  Gruppe 
litten  an  einfacher  Gystitis,  bei  7  weiteren  war  dieselbe  noch  mit 
Nierenerkrankungen  complicirt  und  bei  den  4  letzten  fanden  sich  im 
Urin,  der  bei  2  Kranken  einen  äusserst  foetiden  Geruch  hatte,  nur  die 
Bakterien  ohne  Eiterbeimengung ,  so  dass  Krogius  diese  Fälle  als 
„Bakteriurie**  auffasst.  Indessen  bestanden  doch  bei  2  der  an  „Bakteri- 
urie''  Leidenden  schwere  Allgemeinsymptome,  die  nur  auf  locale  Behand- 
lung der  Blase  etwas  schwanden.  Es  folgt  nun  eine  Beschreibung  der 
morphologischen  und  culturellen  Eigenthümlichkeiten  dieses  nicht  ver- 
flüssigenden Bakteriums,  welche  durch  beigegebene  Abbildungen  sehr 
übersichtlich  gemacht  ist,  sowie  dessen  pathogener  Eigenschaften.  Das- 
selbe zersetzte  sterilen  Urin  je  nach  der  Provenienz  und  Besonderheit 
der  einzelnen  Gultnr  in  5 — 22  Tagen,  wirkte  eitererregend  bei  sub- 
cutaner Application,  hatte  bei  intraperitonealer  und  intravenöser  Ein- 
verleibung meist  den  Tod  der  Versuchsthiere  zur  Folge  und  erregte 
endlich  eine  kurz  (6—6  Tage)  dauernde  Blasenentzündung,  wenn  ausser 
der  Injection  einer  Bakterienaufschwemmung  in  die  Blase  die  Harn- 
röhre für  längere  Zeit  unterbunden  wurde.  Die  auf  diese  Weise 
erzeugte  künstliche  Retention  ward  bis  zur  Dauer  von  24  und  mehr 
Stunden  ausgedehnt.  Auch  Nephritis  Hess  sich  durch  I^j.  in  den  Ureter 
prodnciren. 

Auf  Grund  vergleichender  Studien  kommt  nun  Krogius  zu  dem 
Schlüsse,  dass  dieses  nicht  verflüssigende  Bakterium  mit  dem  Bacterium 
coli  commune  identisch  sein  müsse.  Diesen  Bacillus  coli  communis 
fand  der  Autor  auch  in  paraurethralen  und  prävesicalen  Abscessen  als 
alleinigen  Eitererreger,  ausserdem  in  den  Nieren. 


der  Syphilis.  471 

Bei  2  Kranken  wnrde  das  Vorkommen  des  von  Krogius  in  einer 
irftberen  Arbeit  Urobacillas  liqnefaciens  septious  genannten  Bacillus 
oonstatirt.  Derselbe  fand  sich  einmal  in  der  Blase^  und  einmal  in  einem 
perivesicalen  Abscess  sowie  im  Blnte  des  Patienten  18  Stunden  vor  dem 
Tode.  Derselbe  zersetzt  Harn  äusserst  schnell  (schon  in  wenigen  Standen) 
nnd  ist  für  Thiere  sehr  pathogen.  Iigection  in  die  Blase  hat  Cystitis 
auch  ohne  künstliche  Betention  zur  Folge.  Sterilisirte  Gultnren  waren 
giftig  nnd  die  Yimlenz  nahm  mit  dem  Alter  der  Cultur  eher  zu  als 
ab.  Diesen  Bacillus  konnte  der  Verfasser  mit  dem  Protons  Hanseri 
identificiren. 

2mal  war  der  Staphylococons  aureus  als  ätiologischer  Factor  der 
Gyatitis  anzusehen. 

2mal  fand  sich  der  stark  hamstofizersetzende  Staphylococcus 
liqnefaciens  Lundström  in  der  Blase,  in  Association  mit  anderen 
Bakterien. 

2mal  war  die  Blasenentzündung  durch  Gronococcen  bedingt.  In 
einem  Falle  zeigten  sich  dieselben  in  Reincultur  im  Urin.  Die  kli- 
nischen Symptome  liessen  an  dem  Bestehen  einer  Cystitis  nicht  zweifeln. 

Barlow. 

(4)  Harrison  bespricht  unter  Mittheilung  von  einzelnen  Kranken- 
geschichten nnd  Daten  die  Klinik  des  „Urinfiebers^.  Als  Paradigmen  für 
die  Art  und  Weise  des  Auftretens  fahrt  er  3  Fälle  an. 

1.  Ein  im  üebrigen  ganz  gesunder  Mensch  macht  die  Urethrotomia 
interna  durch,  bekommt  dann  einen  Schüttelfrost  und  Fieber,  das  sich 
unter  Umständen  mehrmals  nacheinander  wiederholen  kann. 

2.  (Beobachtung  Bauks  Mitschell  [Edinburg  Med.  Joum.  1871]  bei 
einem  3Qj  ährigen  Manne.)  Ein  Kranker  war  früher  schon  öfters  bougirt 
worden,  ohne  Schaden  zu  nehmen.  Ohne  besondere  Veranlassung  wurde 
er  gelegentlich  einer  neuen  Bougirung  von  einem,  eine  Stunde  später 
einsetzenden  Schüttelfrost  befallen  und  starb  unter  convulsivischen  Zu- 
ckungen und  sich  wiederholenden  Frösten  in  6  Stunden.  Bei  der  Section 
fand  sich  leichte  Nierencongestion,  sonst  nichts. 

8.  (Eigpne  Beobachtung  H.'8.)  Ein  11  jähriger  Knabe  hatte  sich  bei 
Gelegenheit  eines  Sturzes  auf  das  Perineum  eine  partielle  Zerreissung  der 
Harnröhre  zugezogen.  Die  EioführuDg  eines  Catheters  ä  demeure  war 
sehr  leicht.  48  Stunden  nach  dem  Unfall  traten  oft  sich  wiederholende 
Gonvulsionen  ein  und  der  Patient  erlag  in  8  Stunden.  Autopsie  ver- 
weigert. 

Trotz  der  an  den  3  Paradigmen  gezeigten  Verschiedenheiten  im 
Verlaufe  des  Urinfiebers  glaubt  Harrison  die  Meinung  vertreten  zu 
sollen,  dass  alle  3  Beobachtungen  der  nämlichen  Kategorie  zuzuweisen 
sind  und  er  theilt  in  Bezug  auf  die  Aetiologie  ganz  den  bakteriellen 
Standpunkt  Hallos.  (Ann.  gen.-ur.  Feb.  1892.)  Das  Eintreten  des  Urin- 
fiebers hängt  sehr  von  der  Art  des  operativen  Eingriffs  an  den  Harn- 
wegen ab.  Selten  tritt  es  nach  Perinealsection  wegen  Stricturen  auf, 
häufig  (nach  Tearan:  Brit.  med.  journ.  march  1878  in  V,  aller  Fälle),  bei 


472  Bericht  über  die  Leistongen  auf  dem  Gebiete 

Urethrotomia  interna.  Desgleichen  ist  es  häufig,  wenn  nach  Zerreissnngen 
der  Urethra  ein  Yerweilcatheter  angelegt  wird  und  sich  dann  üiin 
zwischen  Instrument  und  Harnröhren  wand  infiltnrt.  Bei  gleichseitiger 
Drainage  der  Blase  durchs  Perineum  bleibt  es  aus. 

Die  Schwere  des  instrnmentellen  Eingriffs  ist  gans  unabhängig  von 
dem  Auftreten  von  Fieber.  Diese  Daten  fuhren  Harrison  zu  dem 
Schlüsse,  dass  nicht  der  Eingriff  an  sich  pyrogen  wirkt,  sondern,  dass 
es  sich  um  mechanische  Verhältnisse,  welche  die  Infection  begünstigen^ 
handeln  müsse. 

Er  empfiehlt  daher  an  die  Urethrotomia  interna  die  Drainage  der 
Blase  durchs  Perineum  anzuschliessen  und  will  bei  diesem  an  25  Patienten 
erprobten  Verfahren  nie  Fieber  beobachtet  haben,  obwohl  die  Urethra, 
durch  die  vor  der  Heilung  der  Urethralwunde  kein  Urin  passirte, 
zur  Erhaltung  des  Kalibers  regelmässig  bougirt  wurde.  Natürlich  muss 
die  Drainage  eine  regelmässige  sein.  Die  Perinealboutonniere  soll  7  Tage 
offen  bleiben. 

Eine  Varietät  des  „Urinfiebers**  bietet  aber  für  eine  Erklärung 
durch  Infection  Schwierigkeiten.  Wird  bei  Patienten  nämlich  die  Prostata 
durchschnitten  und  bis  zur  Heilung  ein  Verweilcatheter  eingelegt,  so 
tritt  manchmal  Frost  und  Fieber  auf,  wenn  der  Kranke  zum  ersten 
Male  durch  die  Harnröhre  Wasser  lässt.  Dies  scheint  nur  durch  Nerven«» 
einfluss  erklärlich. 

Trotzdem  kommt  Harrison  zu  dem  Besume: 

1.  dass  eine  Beaction  mit  Fieber  nach  Wunden  im  Bereiche  der 
Harnröhre  von  ungenügender  Drainage  der  Blase  abhängt, 

2.  dass  die  Ursache  des  Fiebers  nicht  in  Nerrenstörungen,  sondern 
in  Infection  zu  suchen  ist. 

Ob  es  sich  bei  der  Infection  um  directe  Bakterienwirkung  oder  um 
von  denselben  gebildete  giftige  Producte  handelt,  ist  zur  Zeit  noch  nicht 
zu  entscheiden.  Barlow. 

(6)  Beliquet's  Ausfuhrungen  gipfeln  in  Folgendem: 

1.  Die  normale  Blase  mit  gesundem  Epithel  resorbirt  nicht 

2.  Die  kranke,  ihres  Epithels  beraubte  Blase,  ebenso  die  kranke 
Urethra,  die  ohnedies  gegen  Traumen  viel  widerstandsloser  ist,  resorbiren 
Harn  und  in  demselben  befindliche  Stoffe. 

S.  Alle  Urinfieberformen  sind  auf  die  Resorption  mehr  oder  weniger 
reränderten  Harnes  zurückzufahren. 

4.  Die  Therapie  soll  den  Gontact  des  inficirten  Urines  mit  Wunden 
yerhüten,  durch  prophylaktische  Antisepsis,  durch  Verweilcatheter,  durch 
adstringirende  Injectionen,  die  schützende  Schorfe  gegen  die  Infections- 
erreger  bilden.  Ausserdem  ist  bei  schon  bestehendem  Fieber  Alkohol, 
Schwitzen,  Milchdiät  angezeigt.  Barlow. 

(6)  Halle's  Ausführungen  decken  sich  in  allem  Wesentlichen  mit 
den  Ansichten,  die  Guyon  beim  VL  Gongr.  fl  franz.  Chir.  yertreten 
hat.  (Cf.  2.)  Barlow. 


der  Syphilis.  47^ 

(7)  Die  Pathogeme  des  Urethralfiebers  ist  trotz  der  zahlreiciien  Be- 
arbeitatigen,  die  dieses  Thema  seit  Maisonneave  gefunden  hat,  noch 
fem  dATOD,  in  allen  Punkten  aufgeklart  zu  sein. 

In  einer  kurzen  Uebersicbt  über  die  allgemeinen  Aüschauungen 
auf  diesem  Gebiete  gibt  Hart  mann  eine  Krankengeschichte  bekannt,  die 
einige  sehr  beacbtenswerthe  Momente  enthält. 

Nach  H.  steht  es  fest,  dass  es  sich  beim  Urethralfieber  nicht  um 
eine  einfache  Resorption  von  normalem  Urin  handle,  sondern  dass  man 
einer  Infection  in  rein  bakteriellem  Sinne  gegenüberstehe.  Man  weiss' 
sehr  wohl,  dass  gewisse  Formen  dieses  Fiebers  mit  mehr  oder  weniger 
ausgesprochenen  Deferyescencen  in  Verbindung  mit  Eiterherden  in  den. 
Nieren  stehen,  aber  die  Art  und  Weise,  wie  das  infectiöse  Agens  in  den^ 
reinen  typischen  Fällen  von  Gatheterfieber  resorbirt  wird,  ist  noch  nicht 
Tollstandig  festgestellt.  Unrecht  haben  nach  H.  diejenigen  Autoren,  die 
die  ürethralbakterien  als  Ursache  der  Temperatursteigerung  nach  Gathe- 
terismus  beschuldigen  und  glauben  durch  eine  sorgfältige  aseptische 
Reinigung  der  Harnröhre  der  Infection  entgegentreten  zu  können.  Im 
Gegentheil  enthält  der  Urin  der  kranken  Blase  meist  die  Infectionsstoffe 
und  es  ist  zum  Zustandekommen '  des  Krankheitsbiides  nothwendig,  dass 
nicht  nur  der  Urin  Urethral  wunden  passirt,  sondern  dass  eine  gewisse. 
Quantität  unter  Druck  in  das  Gewebe  eingepresst  wird  —  ein  Verhältniss, 
welches  bei  der  Miction  statt  hat. 

Die  Krankengeschichte ,  an  der  H.  seine  Ansicht  zu  beweisen 
sucht,  ist  folgende:  Ein  Prostatiker  yon  65  Jahren  hatte  schon  lange  an 
Urinbeschwerden  gelitten  und  hin  und  wieder  schwerere  Krisen  durchge- 
macht, bis  in  letzter  Zeit  fast  vollständige  Retention  eingetreten  war. 
Trotzdem  erfolgte  wieder  Besserung  und  erst  nach  12  Tagen  vom  ersten 
Besuche  H-'s  an  war  dieser  genöthigt,  zum  Gatheter  zu  greifen  und 
wegen  grosser  Schwierigkeit  beim  Ueberwinden  der  Prostasta  einen  Ver- 
weiloatheter  einzulegen. 

Dieser  konnte  nach  einiger  Zeit  wieder  entfernt  werden  und  der 
Pat.  ward  in  der  Folge  öfters  catbeterisirt,  z.  Th.  that  er  dies  selbst, 
wobei  immer  Blut  kam,  ein  Zeichen,  dass  die  Harnröhre  Verletzungen  auf- 
wies. Niemals  aber  bestand  Fieber.  Nach  fast  4wöchentlicher  Behandlung 
urinirte  der  Kranke  zum  ersten  Male  spontan.  11  Stunden  später 
typischer  Schüttelfrost  und  Temperatursteigerung,  die  in  wenigen  Tagen 
wieder  herunterging. 

So  oft  nun  im  Verlaufe  der  SVjmonatlichen  Beobachtung  der 
Kranke  den  Gatheter  gebrauchte,  blieb  er  von  Fieberanfällen  verschont, 
desgleichen,  wenn  er  nur  wenige  Tropfen  Urins  spontan  entleerte. 
Erfolgte  aber  eine  vollständige  Miction,  so  trat  jedesmal  ein  Schüttelfrost 
mit  längerer  oder  kürzerer  Temperatursteigerung  auf.  Der  Urin  enthielt. 
Golibacillen  in  Reincultur.  Aus  diesen  Beobachtungen  zieht  H.  folgende 
Schlüsse: 

1.  Verletzungen  des  Urethralkanals  auch  wenn  dieser  nicht  eitert? 
führen  nicht  zu  Temperatursteigerung. 

ArebiT  f.  Dermatol.  n.  Sjphil.  Band  XXVI.  ^2 


474  Bericht  über  die  Leistnngem  auf  dem  Gebiete 

2.  Da  der  Caiheterifmas  und  Ideine  Mengen  Urins  nie  Fieber 
hervorriefen^  dagegen  eine  voUst&ndige  Mietion,  so  moss  der  Passage 
einer  grösseren  Menge  infecüösen  Urins  Über  die  wunde  Harnröhre 
nnd  der  Penetration  eines  gewissen  Theiles  derselben  ins  Gewebe  die 
Schuld  an  der  Temperatorsteigerung  angemessen  werden.        Barlow. 

(8)  Denys  betont,  dass  die  Beaction  des  Urins  nicht  sur  Glaasi* 
ficirung  von  Cystitisftllen  verwendet  werden  dürfe.  Im  übrigen  siehe 
Denys,  Diagnostic  des  microbee  dans  les  urines.  (BulL  de  l'Aead.  de 
Beige  1892.)  Barlow. 

(9)  Die  Beschreibung  Aehard's  und  Hartmann*s  betrifft  denselben 
Kranken,  dessen  Geschiehte  der  letxtere  der  beiden  Autoren  in  „Quelques 
r^flexions  k  propos  d'nn  oas  de  fiirre  nrineuse  ä  aoc^s  intermittents" 
(8.  ob.  7)  ausführlicher  gegeben  hat. 

Die  Schlüsse,  zu  denen  beide  Verfasser  kommen,  sind  folgende: 

1.  Trauma  des  Urethralkanals  an  sich  ruft  kein  Fieber  hervor. 

2.  Die  Absorption  der  fiebererregenden  Stoffe  findet  in  der 
verletsten  Harnröhre  statt,  wenn  dieselbe  durch  eine  vollständige  Miction 
gedehnt  wird. 

8.  Im  vorliegenden  Falle  kam  die  Infection  durch  Bacterium  coli 
commune  zu  Stande.  Barlow. 

(10)  Nach  Denys  genügt  in  den  meisten  Fällen  von  Gystitis  die 
mikroskopische  Untersuchung  eines  Tropfens  Urin,  um  die  Gattung  der 
die  Infection  bedingenden  Mikrobe  festzustellen. 

Bei  Tuberculose  der  Blase  findet  man  nur  sehr  wenige  Bakterien, 
die  die  bekannte  Farbenreaotion  geben. 

Bei  anderen  Cystitisfällen  werden  am  häufigsten  der  Bacillus  laciis 
aerogenes,  der  unbeweglich  ist,  und  Strepto-  sowie  Staphyloooccen 
geftmden,  die  sich  mikroskopisch  ebenfalls  bequem  unterscheiden 
lassen. 

Nach  einigen  weiteren  allgemeinen  Betrachtungen  kommt  Denys 
zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Der  Bacillus  aerogenes  Escherioh  ist  gewöhnlich  der  Infections- 
erreger  bei  Krankheiten  der  Hamwege. 

2.  Die  beste  Eintheilung  der  Gystitis  ist  die  nach  den  Erregem. 
8.  Die  einfache  mikroskopische  Untersuchung  des  Urins  genügt  fast 

immer,  um  die  Infectionserreger  zu  bestimmen.  Barlow. 

(11)  Charrin  berichtet,  dass  Bouchard  die  Gegenwart  von 
Bacillus  coli  communis  im  Präputialsecret  Gesunder  und  Kranker  con- 
statirt  hat. 

Femer  hat  B.  öfters  eine  Krystallbildung  auf  festem  Nährboden 
durch  diesen  Bacillus  gesehen.  Auch  Gasentwickelung  tritt,  besonders  bei 
Gelatinestichculturen,  meist  auf.  Barlow. 

(12)  Reblaub  ist  es,  gelegentlich  seiner  Untersuchungen  über  die 
Gystitis  bei  Frauen  aufgefallen,  wie  gross  die  Aehnlichkeit  zwischen 
Bacillus  coli  communis  und  der  „Bact^rie  pyogene  Albarran^  ist.  Immerhin 
aber  zweifelt   er  noch  an  der  vollkommenen  Identität  beider  and  stellt 


der  Syphilis.  475 

unter  aller  Betenre  die  Ansicht  auf)  dass  vielleicht  der  Aufenthalt  in  den 
Hamwegen  an  dem  Colibaeillns  einige  Yerinderangen  Ternrsache. 

Barlow. 
(18)  Aehard  nnd  Renant,  die  früher  die  Bedeutung  des  Bact. 
coli  commune  bei  der  Infeotion  der  Hamwege  gans  besonders  vertreten 
haben  und  die  die  Identität  dieses  Bakteriums  mit  der  j^Bact^ie  py- 
ogne Albarran**  stets  hery erhoben,  sind  jetzt  auf  Grund  von  eigenen 
und  Morelles  Untersuchungen  zu  der  Anschauung  gelangt,  dass  auch 
dem  Bacterium  lactis  aerogenes  eine  Stelle  bei  der  ürininfection  anzu- 
weisen seL  Das  einzige  Zeichen,  wie  man  B.  coli  commune  und  B.  lactis 
aerogenes  auseinander  halten  kann,  ist  Folgendes:  Beide  wachsen  nicht, 
wenn  man  eine  alte  Cultur  abkratzt  und  auf  den  alten  Nährböden 
einen  neuen  Impfstrich  derselben  Bakterie  macht.  B.  lactis  aerogenes 
aber  wächst  auf  abgekratzten  Coliculturen.  Barlow. 

(14)  Achard  und  Ren  au t  fanden  in  der  Niere  einer  schwangeren 
Frau,  die  an  Nephritis  litt,  einen  Bacillus,  der  alle  Eigenthümlichkeiten 
des  Bacillas  coli  communis  Escherich  aufwies.  Postmortale  Einwanderung 
des  Bacillus  ins  Gewebe  war  ausgeschlossen«  Bei  einem  Vergleich  dieses 
Bacillus  nun  mit  der  „BactMe  pyogene**  von  Albarran  konnte  weder 
in  Bezug  auf  Morphologie  noch  Verhalten  im  ThierkÖrper  ein  Unter- 
schied gefunden  werden.  Sie  schliessen  hieraus  auf  die  Identität  beider 
Bakterien,  eine  Ansicht,  welche  durch  eine  Mittheilung  von  Strauss, 
der  berichtet,  dass  Krogius  durch  ganz  selbständige  Untersuchungen 
zu  dem  gleichen  Resultate  kam,  unterstützt  wird.  Barlow. 

(15)  Achard  und  Renaut  haben  die  Baoilles  urinaires  (es  ist 
nicht  hervorgehoben,  welche  sie  meinen  —  vermuthlich  die  mit  dem 
Bacterium  coli  commune  identischen)  auf  ihr  Vermögen,  Harnstoff  zu 
zersetzen,  untersucht.  Harn  mit  diesen  Bakterien  geimpft,  bleibt  sauer: 
auf  reinen  Hamstofflösungen  wachsen  sie  nicht ;  bei  Zusatz  von 
Pepton  (am  besten  17t9  kaum  noch  bei  ö*/«  Peptongehalt)  vermehren  sie 
sich,  verlieren  aber  die  Fähigkeit,  die  Indolreaction  zu  erzeugen.  Die 
Verff.  schliessen  aus  ihren  Versuchen,  dass  der  Harnstoff  diesen  Bakterien 
nicht  zur  Nahrung  dienen  kann,  ja  dass  er  ihnen  bei  ihi'er  Entwicklang 
schadet.  Jadassohn. 

(16)  Krogius  hat  den  aseptisch  aufgefangenen  Urin  von  17 
Cystitisfallen  untersucht.  Er  fand  ein  Bakterium,  welches  morphologisch 
und  im  Verbalten  am  ThierkÖrper  absolut  mit  Esoherich's  Bacterium 
coli  commune  übereinstimmte  und  [ebenfalls  mit  Clado^s  „Bact^rie 
septique  de  la  vessie**  und  Albarran's  „Bact^rie  pyog&ne'  identisch  zu 
sein  scheint.  Infection  von  Reinculturen  in  die  Blase  von  Thieren  mit 
folgender  Ligatur  der  Harnröhre  brachten  Gystitis  zu  Wege,  desgleichen 
konnte  K,  subcutane  Eiterung  und  Allgemeininfection  mit  seinen  Bakterien 
hervorrufen.   (Cf.  die  sub  (3)  ausfuhrlich  referirte  Arbeit.)        Barlow. 

(17)  Sertini  constatirt,  dass  Harnsäure  im  Allgemeinen  ein  sehr 
constanter,  sich  nicht  leicht  zerlegender  Körper  ist.  Beweis:  das  Vor- 
kommen im  Guano,  der  Jahrtausende  alt  ist.    Snspendirt  man  Harnsäure 

32* 


476  Beriebt  über  die  heistwgen  auf  dem  Gebiete 

in  Wasser  und  gestattet  Luftzutritt,  sa  findet  monatelang  keine  Zer*' 
Setzung,  statt,  eine  geringe  Menge  faulen  Urines  ruft  aber  sofort  solche 
hervor.  ,,Mikrococcu8  ureae  Jakscb"  und  Bacillus  fluorescenc  zersetzen 
Harnsäure  entweder  nach  der  Formel  C*«H*Az*0«  +  8H«0*  +  CO  n 
4AzH5C'0«  -f  CO«  oder  es  enUteht  Harnstoff  wahrscheinlich  nsch 
einer  ähnlichen- Formel  wie  bei  der  Oxydation  von  Harnsäure  sich  AUoxan- 
und  Harnstoff  bildet  Bar  low. 

(18)  Carlier  und  Arnault  verstehen  unter  ^jürinabscesssn^^ 
Eiterungen,  die  durch  ins  Gewebe  gelangten  infectiöeen  XJrin  bedingt 
sind  und  solche,  die  sich  in  der  Gegend  der  Hamwege  ohne  Verbindung 
mit  denselben  bilden.  Der  Erreger  der  Eiterang  ist  meist  die  „Baeterie- 
pyogene^.  Behandlung  soll  in  ausgiebigen  Einschnitten  und  Drainage  be- 
stehen. Womöglich  müssen  l)estehende  Stricturen  auch  sofort  behandelt 
worden.  Barlow. 

(19)  Marboun  empfiehlt  nach  einer  zusammenfassenden  Be- 
sprechung der  bei  Erkrankung  der  Hamwege  angewendeten  inneren 
und  äusseren  Antiseptika  das  „ICikrocidine^  für  die  direete  und  indirecte 
Antisepsis  derselben.  Das  Mikrocidine  besteht  aus  Naphthol  und  Aetz* 
natron,  ist  in  Wasser  löslich,  verdirbt  Wäsche  und  Instrumente  niöht 
und  ist  weder  giftig  noch  ätzend.  Die  Dosis  innerlich  ist  2  Gr.  pro  die. 
Eine  Solution  (S :  1000)  ruft  in  der  Blase  keine  Schmerzen  hervor. 

Barlow. 

(20)  W.  A.  Meiseis,  welcher  die  Blasenbewegungen  an  Kaninchen 
iui. Sanders -Ezn'schen  Bade  von  88* G.  mit  0,67o  Koohsalzgehalt  studirte, 
kommt  zu  folgenden  Resultaten: 

1.  Man  kann  die  Blasenbewegungen  der  Thiere*  nur  unter  denselben 
Kautelen  studiren  wie  die  Darmbewegungen,  weil  die  abkühlende  und 
trocknende  Wirkung  der  Luft  als  starker  Reiz  wirkt; -auch  entsteht  an  der 
aufgedeckten  Blase  eine  starke  Hyperämie% 

.  2.  Die  Blase  vollführt  selbständige,  automatische  Bewegungen,  die 
durch  eine  gewisse  Rhythmicität  charakterisirt  sind.  Diese  Bewegungen 
sind  zusammengesetzter  Natur  und  combiniren  sich  theilweise  aus  den 
undulirenden  Bewegungen  der  Seitenwände,  aus  den  rotirenden  und 
gleichzeitig  nach  rechts  und  links  schwankenden  Bewegungen  des  Vertex. 
Am  stärksten  ist  die  automatische  Bewegung,  wenn  die  Blase  halb  ge- 
füllt, schwächer  wenn  sie  stark  gefüllt  oder  leer  ist.  Als  Einleitung  zur 
Harnentleerung  verliert  die  Blase  ihre  ovale  Form,  der  spitzige  Vertex 
flacht  sich  ab  und  die  Blase  wird  kugelförmig,  später  nimmt  sie  die  Form 
einer  Kastanie  an  und  wird  gefurcht. 

8.  Die  unterbundene  und  herausgeschnittene  Blase  vollführt  im 
Saude rs'schen  Bade  eben  solche  automatische,  vom  Centrum  unab- 
hängige Bewegungen,  wie  die  mit  dem  Körper  zusammenhängende  un- 
versehrte Blase  und  benimmt  sich  Reizen  gegenüber  qualitativ  ebenso, 
\Tie  diese.  Die  Bewegungen  der  excidirten  Blase  sind  höchst  wahr- 
scheinlich so  zu  deuten,  wie  Engelmann  die  periodischen  Bewegungen 
der  Ureteren  erklärte. 


:>    der  SypHilis..    .  •:    '  477 

4.  Die  bei.  der  alkaliBcheii.Kaiiigährmig  Bieh  bildenden  anormalen 
fiambestaodtheile  wie  kohlensaures  Amnion ,  Schwefel  Wasserstoff  nnd 
<Schwefelammon  sind  .als  Reize  sn  betrachten,  welche  Blasenbewegrangen 
auslösen,  und  .zwar  ist  das  kohlensaure  Ammon.das'Stfirkstei  Schwefel- 
wasserstoff der  schwächste  Reiz.  Aus  Versuchen  an  excidirten  Blasen  er- 
gibt sich,  dass  jene  Reize  die  Bewegungen'  nicht  nur  refleetorisch,  sondern 
«nch  durch  directe  Reizung  der  ^Mnskelelemente  und  der  motorischen 
J^errenfasem  der  Blase  4uslösen.  Die  aufgezählten  Hambestandtheile  üben 
auch  auf  die  Gefasse  der  Blase  eine,  deutliche  Wirkung  aus:  Schwefel* 
wasserstoflf  und  Schwefelanimon  erzeugt  in  stark  diluirten  Lösungen 
Contraction.  der  Gefässe,  kohlensaures  und  hamsaures  Ammon  dagegen 
atarke  Dilatation  derselben..  Da  die  zwei  ersteren  bei  der  alkalischen 
Harngährung  nur  in  geringem  Masse  vorhanden  sind,  wird  natürlich  die 
Wirkung  der  beiden  letzteren  auf  die  Blutgefässe '  prävaliren.  Gon- 
centrirtere  Lösungen  des  kohlensauren  Ammon  können,  wenn  sie 
längere  Zeit  mit  der  Blasenwand  in  Berührung  sind,  diese  paretisoh 
machen. 

Aus  allem  hier  aufgezählten  erfolgt  von  selbst,  dass  der  Tenesmus 
die  Hyperämie  und  die  dem  Tenesmus  manchmal  folgende  Blasenparese, 
die  bei  der  alkalischen  Harngährung  im  Innern  der  Blase  beobachtet 
werden,  an  die  Gegenwart  der  obigen  abnormen  Hambestandtheile,  be- 
sonders an  die  des  kohlen-  und  harnsauren  Ammons  gebunden  sind. 
Vielleicht  irren  wir  auch  nicht,  wenn  wir  die  Blasenschmerzen  diesen 
Substanzen  zuschreiben.'  Es  ist  unnöthig  auseinanderzusetzen,  wie  sehr 
alldies  im  gegebenen  Krankheitsfälle,  in  Hinsicht  auf  die  Nothwendigkeit 
^iner  Therapie,  die  möglichst  frühzeitige  gründliche  Auswaschung  und 
Desinfection  der  Blase  begründet. 

5.  Thermische  Reize,  uüd  zwar  Kälte  ebenso  wie  Wärme,  steigern 
die  Blasenbewegungen,  gleichviel  ob  die  Blase  mit  dem  Körper  im  Zu- 
sammenhang oder  herausgeschnitten  ist.  Die  Blutgefässe  verengem  sich 
sowohl  auf  Kälte,  als  auf  Wärme.  £s  gibt  aber  gewisse  Unterschiede 
zwischen  den  Wirkungen  der  beiden  Temperaturen  und  zwar  einestheils 
die  Blasenbewegungen,  andemtheils  die  Gefässe  betreffend. 

Während  nämlich  auf  Kältereize  die  zuvor  heftig  bewegte  und 
schon  ermüdete  Blase  nach  2—3  Minuten  langem  Ausruhen  wieder  ihre 
automatischen,  rhythmischen  Bewegungen  beginnt,  bewegt  sich  nach 
Anwendung  von  warmem  oder  heissem  Wasser  die  ermüdete  Blase 
Hingere  Zeit,  10  ja  16  Minuten  lang  nickt,  sondern  liegt  erschlafft  da 
und  wenn  sie  sich  wieder  zu  bewegen  beginnt,  so  thut  sie  dies  sehr 
schwach,  energielos.  Die  zufolg^e  der  Kälte  contrahirten  Gef&sse  bleiben 
längere  Zeit,  die  auf. Wärme  contrahirten  nur  kurze  Zeit  in  diesem 
Zustande.  Letztere  erweitem  sich  stark  und  erschlaffen  viel  früher  als 
die  Blase  selbst.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  bei  gewissen  Fällen  von 
Blasenblutungen  die  Anwendung  von  Kälte  zweckmässiger  sein  kann,  als 
die  der  Wärme.       i 


478  Bericht  über  die  Leiitnngen  auf  dem  Gebiete 

6.  Die  Harnblase  antwortet  auf  mechaaitche  Reizungen  mit  Gon- 
tractionen  und  Steigerung  ibrar  Bewegungen.  Ea  iat  dies  tbeilwmse  eine 
Reflexwirknng,  theiiweise  aber  wird  der  Reis  ron  den  glatten  Mnskel« 
fasern  fortgeleitet;  die  Wirkang  ist  aoch  an  der  excidirtea  Blase  xn 
beobachten, 

7.  Die  Blase  kann  durch  faradischen  Strom  aar  Gontraction  ge* 
awnngen  werden,  was  übrigens  bei  der  therapentisehen  Anwendung 
des  elektrischen  Stromes  ebenfalk  eonstatirbar  ist,  bisher  aber  experi- 
mentell noch  nicht  bewiesen  wurde.  Barlow. 

(21)  Magon  bat  die  Arbeiten  früherer  Forscher  über  die 
Absorptionsfähigkeit  der  Blasensehleimhant  nachgeprüft  und  die  Ursachen 
für  das  Entstehen  oder  Ausbleiben  von  Resorption  eingehend  besprochen. 

Barlow. 

(22)  Gnyon^s  Kranke,  eine  Frau  von  24  Jahren,  hatte  einen  para- 
metritischen  Abscess,  aus  dem  sich,  wie  das  Endoskop  xeigte,  Eiter  in 
die  Blase  entleerte.  Die  Blasenschleimhaut  selbst  war  gesund  und  es 
bestand  auch  kliniscb  keinerlei  Anhalt  für  eine  Cystitis.  Der  mit  dem 
Eiter  des  Abscesses  gemischte  Urin  enthielt  Bacterium  coli  commune, 
welches  aus  dem  Eiterheerde  stammte.  Inooulationen  von  Culturen  auf 
Meerschweinchen  waren  erfolglos.  Ans  diesem  Befunde  sieht  Guyon 
folgende  Schlüsse,  die  er  zur  Stütze  seiner  an  anderer  Stelle  oft  vorge- 
tragenen Ansicht  über  die  Entstehung  der  Gjstitis  verwerthet. 

1.  Es  gibt  keine  Gystitis  ohne  Bakterien,  aber  die  Bakterien  sind 
nicht  an  sich  fähig,  die  Krankheit  hervorzurufen,  sondern  bedürfen  dazu 
gewisser  unterstützender  Momente. 

2.  Diese  Momente  sind  Retention,  Trauma,  Gongestion.  Am 
wichtigsten  von  diesen  ist  die  Retention 

a)  wegen  der  Stagnation  des  Harnes, 
h)  wegen  der  durch  dieselbe  bedingten 

1.  Hämorrhagien, 

2.  Epithelverletzungen; 

e)  wegen  der  Parese  der  Blase,  die  nach  langer  Retention 
entsteht. 

Eine  Einth eilung  der  Gystitiden  darf  nicht  nach  den  Bakterien- 
arten gemacht  werden,  die  nur  dazu  beitragen^  sie  hervorzurufen,  denn 
eine  solche  Eintheilung  zieht  die  Entwicklung  der  Krankheit  nicht 
genügend  in  Betracht.  Die  eigentlichen  Grundursachen  müssen  als  Basis 
für  eine  Glassification  dienen.  B  arlow. 

(28)  Schnitzler,  der  schon  1890  eine  vorlaufige  Mittheilung  über 
einen  von  ihm  aus  einer  Anzahl  von  Gystitisföllen  gezüchteten  Bacillus 
und  dessen  pathogene  Eigenschaften  veröffentlichte,  hat  in  einer  neueren, 
mit  eingehenden  historischen  Bemerkungen  versehenen  Arbeit  die  Resultate 
einer  bakteriologisohen  Harnuntersuchung  von  26  Biasenkranken  aus- 
führlich mitgetheilt. 

Bei  sftmmtliohen  Patienten  mit  Ausnahme  eines  einzigen  war  der 
Urin  ammoniakalisch  oder  wurde  es  in  kürzester  Frist,  nachdem  er. 


der  Syphilis.  479 

unter  Meptisohen  Cantelen  aufgefangen  war,  im  Reagentglase  unter 
WatteTerschlusB.  4  der  Fälle  waren  Entzündungen  der  Blase  sogleich 
mit  bestehender  Strictur,  3  waren  mit  Steinbildnng  compUcirt,  18  Fälle 
betrafen  Caiheterisatjionsoystitiden  bei  sonst  gesundem  uropoetisohem 
Apparat  (DerCatheterismus  war  wegen  yorübergehender  Retention  nach 
einer  Operation  erforderlich)^  bei  4  Hess  sich  eineAetiologie  nicht  genauer 
feststellen  und  endlich  war  bei  einem  ein  Caroinom  in  die  Blase  perförirt. 
Ausserdem  sog  Sohnitsler  eine  Patientin,  welche  eine  partielle  Blasen- 
exstirpation  öberstanden  hatte,  in  den  Kreis  seiner  Beobachtungen« 

Die  Befunde  waren  wie  folgt: 

a)  16mal  fand  sich  in  der  Blase  nur  eine  einzige  Bakterienart. 

fr)  lOmal  waren  mehrere  Species  neben  einander  vertreten. 

Ad  a)  In  der  ersten  Gruppe  zeigte  sich: 

1.  9  {+  l  Blasenexstirpation)  mal  ein  stark  hamstoffzersetzender 
Bacillus,  der  mit  Proteus  Hauseri  sich  als  identisch  erwies. 

2.  Imal  ein  Coccus,  der  harnstoffzersetzend  war  und  Gelatine 
verflüssigte.  (Wahrscheinlich  ein  abgeschwächter  Staphylococcas  pyo- 
genes  albus.) 

3.  Smal  ein  Coccus,  der  Harnstoff  zersetzte  und  Gelatine  con- 
sumirte.  (Mikrococcus  ureae  Leube.) 

4.  imal  ein  Bacillus,  der  Harnstoff  nicht  zersetzte.  (Bacillus  bei 
Golpitis  emphysematosa ;  Eisenlohr  und  Klein.) 

5.  Imal  ein  Bacillus,  der  Harnstoff  zersetzte  und  Gelatine  nicht 
verflüssigte. 

Ad  fr)  In  der  zweiten  Gruppe  fand  sich: 

1.  7ma]  Proteus  Hauseri, 

2.  Imal  der  oben  genannte  Staphylococcus  pyogenes, 

3.  Imal  eine  Harnstoff  nicht  zersetzende  Bacillenart. 

Es  waren  also  im  ganzen  23mal  hamstoffzersetzende  und  2mal 
nicht  harnstoffzersetzende  Arten  vorhanden.  Bei  einem  Kranken,  dessen 
Urin  ammoniakalisch  war,  gelang  es  nicht,  den  Harnstoffzerleger  zu 
isoliren.  Die  Reinculturen  der  Bakterien  gewann  Schnitzler  auf 
dem  üblichen  Wege  mittelst  Plattenverfahren  aus  ganz  frischem  Urin. 
Die  hamstuffzerlegende  Fähigkeit  derselben  studirte  er  an  sterilem  Harne, 
wobei  er  durch  Controlversache  mit  Jackscher  ^Nährlösung  bewies,  dass 
wirklich  jede  stärkere  Ammoniakbildung  im  sonst  normalen  Harne  aus 
dem  Zerfall  von  Harnstofi  stamme. 

Dt9  weiteren  bespricht  der  Verfasser  eingehend  Rovsing^ 
Theorie  von  der  Aetiologie  der  Cystitis  und  kommt  zu  dem  Schlüsse, 
dass  £ür  die  Entstehung  einer  Blasenentzündung  beim  Menschen  eine 
Urinretention  im  Sinne  Rovsing 's  und  Guyon's  nicht  unbedingt  noth* 
wendig  sei.  Auch  den  von  Rovsing  aufgestellten  Typus  einer  «catar-* 
rhalischen  Blasenentzündung^  lehnt  er  auf  Grund  eigener  Versuche  ab» 
da  es  ihm  gelungen,  mit  nicht  pyogenen  Hamstoffzerlegem  oder  Ammo-> 
niaklösung  eitrige  Cystitis  hervorzurufen.    Ferner  erkennt  Schnitzler 


4S0  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

im  Gegensatz  za  RoTsing'B  Ansicht  auch  eine  sanre,  nicht  tnbercnlöse 
Cystitis  an. 

Zu  diesen  Anschauungen  ist  der  Autor  auf  Grund  zahbeicher 
Thierversnohe  gekommen,  welche  derselbe  in  einem'  Anhange  ausführlich 
mittheilt,  ebenso  wie  er  eine  genauere  Beschreibung  der  verschiedenen 
gefundenen  Bakterien  wie  insbesondere  des  bisher  allein  von  ihm  und 
Krogius  bei  Cystitis  gefundenen  Proteus  Hauseri  und  dessen  Wirkung 
auf  den  Thierkörper  gibt.  Jils  würde  den  Rahmen  eines  Referates  bei 
weitem  überschreiten,  alle  diese  interessanten  Einzelheiten  ausfahrlieh 
zu  besprechen  resp.  kritisch  zu  beleu<^ten.  Barlow. 

(24)  Reblaub^s  Arbeit  über  die  Cystitis  beim  Weibe  bezieht  eich 
auf  16  Fälle.  Die  FVagen,  deren  Lösung  er  auf  experimentellem  Wege 
erstrebte,  waren  folgende: 

1.  Sind  alle  Cystitiden  bei  Weibern  bakteriellen  Ursprungs? 

2.  Sind  die  eventuell  gefundenen  Bakterien  ein  ätiologischer  Factor 
oder  stellen  dieselben  nur  eine  accidentelle  Erscheinung  dar? 

3.  unter  welchen  Bedingungen  wirken  die  Mikroben  pathogen  auf 
die  Blase? 

4t,  Woher  stammen  dieselben  und  auf  welchem  Wege  erreichen  sie 
das  Organ? 

In  einem  2.  Theile  studirte  der  Verfasser  an  der  Hand  klinischer 
Beobachtung,  inwieweit  die  Resultate  der  Thierexperimente  sich  mit  den 
Befunden  am  Menschen  vereinigen  liessen  uud  endlich  ist  eine  3.  Ab- 
theilung der  Schrift  einer  Untersuchung  gewidmet,  in  welchem  Ver- 
bal tniss  die  einzelnen  zum  Zustandekommen  der  Blasenentzündung 
als  nothwendig  erkannten  Factoren  bei  der  Cystitis  blennorrhagica, 
graviditatis,  puerperalis  und  der  sogenannten  „Cystite  primitive'  eine 
Rolle  spielen. 

Was  die  Einzelheiten  des  im  ganzen  7  Capitel  umfassenden 
Werkes  betrifft,  so  ist  das  1.  Capitel  historischen  Betrachtungen  ge- 
widmet, welche,  wie  in  fast  allen  gleichzeitigen  Arbeiten  über  das  Thema 
der  Blasenentzündung,  im  Wesentlichen  die  von  Rovsing  1890  ange- 
führte Literatur  mit  einzelnen  Completirungen  umfassen.  Im  2.  legt 
der  Autor  seine  Untersuchungsmethode  dar,  von  deren  genügender 
Sicherheit  er  sich  durch  Control versuche  an  gesunden  Blasein  über- 
zeugt hat. 

Das  3.  Capitel  enthält  eine  Beschreibung  der  verschiedenen  ge- 
fundenen Bakterienarten  und  zwar  zeigten  sich  bei  den  16  Fällen  4mal 
Staphylococcns  pyogenes  aureus,  Imal  Mikrococcus  albicans  amplns 
(Bumm),  Imal  Diplococcus  subflavus  (Bnmm),  6mal  Bacterium  coli 
commune  (Escherich),  2mal  Bacillus  griseus  (Weichselbaum),  2mal 
Proteus  Hauseri  (Urobacillus  liquefaciens  septious  [Krogius]).  Es  waren 
also  regelmässig  im  Urin  der  Cystitiskranken  Bakterien  (meist  in  Rein- 
oultur)  vorhanden,  während  der  Harn  5  gesunder  Frauen  stets  steril 
War.   Sämmtli  che  Mikroben  besassen  die  Fähigkeit,  Harnstoff  in  kürzerer 


der  Syphilis.  481 

oder  längerer: Zeit  zu  zulegen.  Der  Urin  abw  war  bi«  auf  2  Fälle  (in 
einem  ist  die  Reaction  in  der  Krankengeschichte  nicht  angegeben, 
Ref.)  bei  der  Entnahme  ans  der  Blase  stets  deutlich  sauer. 

Im  4.  Gapitel  beschreibt  Reblaub,  der  die  pyogene  oder  to- 
xische Fähigkeit  seiner  Mikroben  durch  Versuche  an  verschiedenen 
Thierea  festgestellt,  hatte,  die  Resultate,  welche  er  bei '  der  Erzeugung 
experimenteller  Gystitis  an  'Kaninchen  hatt^*  Iniicirte  er  eine  Auf- 
schwemmung von  Reinculturen  der  Bakterien  in  die  Blase,  so  schwanden 
dieselben  nach  wenigen  Stunden  schon  aus  dem  Urin  und  es  trat  nie 
Blasenentzündung  ein. 

Legte  er  aber,  nach  der  Iigection  eine  Ligatur  um  die  Harnröhre 
und  erzeugte  er  so  künstliche  Retention,  so  gelang  es  regelmässig  eine 
Gystitis  hervorzurufen,  nur  war  die  Zeit,  deren  die  einzelnen  Bakterien* 
arten  dazu  bedurften,  eine  variable.  Ebenso  waren  die  Erfolge  positiv, 
wenn  er  eine  Gongestion  derBlasenschleimhaut  durch  Ganthariden  bewirkte« 
Unsicher  und  schwankend  aber  war  die  Bakterien wirkuug,  wenn  er  ein 
Trauma  der  Blase  der  Injection  beifügte.  Gewöhnlich  kam  auch 
dann  eine  Gystitis  nur  bei  längerer  oder  kürzerer  Ligatur  des  Penis  zu 
Stande. 

Die  Besprechung  über  die  Wege,  auf  denen  eine  Infection  der  Blase 
zu  Stande  kommen  kann,  findet  sich  im  5.  Gapitel  und  ist  im  Wesent- 
lichen referirend  gehalten. 

Was  den  2.  und  8.  Theil  der  Arbeit  anbelangt,  welcher  die 
Gapitel  6  und  7,  sowie  die  sorgfältig  geführten  Krankengeschichten  und 
Versuchisprotokolle  bringt,  so  muss  in  Bezug  auf  die  darin  mitgetheilten, 
höchst  interessanten  Ausführungen  des  Verfassers  auf  das  Original  ver- 
wiesen werden,  da  ein  Eingehen  auf  die  vielen  wichtigen  Details  zu 
viel  Raum  beanspruchen  würde.  Es  dürfte  für  die  Zwecke  eines 
Referates  genügen,  die  Schlussfolgerungen,  welche  Reblaub  aus  seinen 
Experimenten  und  klinischen  Erfahrungen  zieht^  hier  kurz  mitzutheilen. 

Dieselben  lauten  wie  folgt: 

1.  Bei   allen  Fällen  von  weiblicher  Gystitis  finden  sich  Bakterien. 

2.  Dieselben  sind  meist  in  Reinkultur  vorhanden. 

8.  Es  gibt  sehr  vielerlei  Mikroben,  denen  cystitiserregende  Eigen- 
schaften zukommen. 

4.  .Das  Bacterium  coU  commune  (Bact6rie  pyogene  Hall6),  etwas 
mqdificirt  durch  seinen  Aufenthalt  in  den  Harnwegen,  wird  beim  Weibe 
w^  beim  Manne  am  häufigsten  bei  der  Blasenentzündung  angetroffen. 

5.  Die  aus  den  kranken  Blasen  gezüchteten  Mikroben  sind 
pathogen. 

6.  Die  Invasion,  der  Bakterien  in  die  Blase  an  und  für  sich  ruft 
keine  Gystitis.  hervor.  Noth wendig  zum  Zustandekommen  derselben  sind 
Retention  des  (Jrins  oder  Trauma,  resp.  Gongestion  der  Blase. 

7.  Die  in  der  kranken  Blase  gefundenen  Bakterien  finden  sich 
normaler  Weise  in  der  Urethra,  Scheide,  Darmtractus  und  der  Luft  in 
einer  mehr  oder  weniger  abgeschwächten  Virulenz. 


482  Bericht  über  die  Leistimgeii  auf  dem  Gebiete 

8.  Die  Blase  kann  infieirt  werden  1.  ron  der  Urethra,  2.  Ton 
der  Umgebung,  8.  von  den  Nieren  aus.  Bei  letzterem  Modus  entsteht  stets 
Nephritis. 

9.  Klinik  und  Thierezperiment  stehen  im  Einklang,  soweit  die 
Aetiologie  der  Biasenentsündung  und  die  zum  Entstehen  derselben 
nothwendigen  Vorbedingungen  in  Betracht  kommen.  Doch  gibt  as  eine 
Ansabl  von  Gjstitisf&llen,  bei  welchen  wir  genöthigt  sind,  eine  gewisse 
pr&disponirende  Schwäche  des  Organs  anzunehmen. 

10.  Die  sogenannte  gonorrhoische  GystitiB  ist  Ar  gewöhnlich  eine 
Mischinfection.  Durch  Gonococcen  bedingte  Infection  der  Blase  ist,  wenn 
dieselbe  überhaupt  exiitirt,  beim  Weibe  sehr  selten. 

11.  Die  Cystitis  bei  Graviden  stellt  keine  besondere  Art  dar.  Die 
Gravidität  wirkt  nur  prädisponirend  für  Infectionen  durch  die  mit  ihr  eio* 
hergehende  Gongestion  der  Unterleibsorgane  eventuell  durch  die  von  ihr 
manchmal  verursachte  Urinretention. 

12.  Die  Gystitis  puerperalis  kommt  in  2  Formen  vor.  Die  eine  ist 
bedingt  durch  Infection  im  Puerperium,  die  andere,  besser  Gystitis 
post  partum  genannt,  durch  eine  solche  von  aussen,  welche  noch  be- 
günstigt wird  durch  den  Zustand,  in  dem  sich  die  Beckenorgane  naeh  der 
Geburt  befinden. 

18.  Die  sogenannte  „Gystite  primitive"  bei  der  Frau  ist  meist 
tuberculÖR,  kann  aber  auch  durch  andere  Bakterien,  die,  sei  es  durch 
die  Nieren  oder  vom  Genitaltractus  aus  io  die  Blase  gelangen,  be- 
dingt sein. 

Anmerkung  des  Ref.:  Der  abweichende  Standpunkt,  den  Re- 
ferent in  einigen  der  oben  referirten  Punkte  einnimmt,  findet  sich  in 
einer  in  diesem  Archiv  erschienenen  Arbeit  ausfahrlicher  dargelegt 

Barlow. 

(25)  Frisch  beobachtete  einen  52jährigen  Patienten  mit  chronischer 
abscedirender  Prostatitis.  Plötzlich  trat  unter  Schüttelfrost  und  schweren 
Allgemeinerscheinungen  heftige  Gystitis  auf,  als  deren  Erreger  Fr.  im 
Harne  des  Kranken  gefundene  Streptococcen  ansah.  Ein  Erysipel  der 
Haut,  welches  sich  im  Verlaufe  der  Beobachtung  am  linken  Oberschenkel 
entwickelte,  legte  den  Verdacht  nahe,  dass  es  sich  beim  Beginne  der 
Erkrankung  um  ein  primäres  Schleimhaoterysipel  der  Harnblase  gehandelt 
habe  und  Gultur-  sowie  Thierversuche  mit  den  aus  dem  Urin  gezüchteten 
Streptococcen  stutzten  diese  Ansicht  Barlow. 

(26)  Zu  der  Frage,  ob  das  Vaginalsecret  Schwangerer  pathogene 
Keime  enthält  —  eine  Frage,  die  von  verschiedenen  Autoren  verschieden 
beantwortet  ist  —  nimmt  Burguburn  mit  einer  bakteriologischen 
Untersuchung  des  Vaginalsecrets  von  12  gesunden,  vorher  innerlich  nie 
untersuchten  und  nie  desinficirten  Schwangeren  Stellung.  Das  Seeret 
wurde  mittelst  Pipette  aspirirt  und  in  Agar-  und  (}elattneplatten  aas- 
gegossen. Ausser  einer  Anzahl  Mikroorganismen  (Sareine,  Hefe,  verschie- 
dene Gocoen  und  Bakterien),  die  der  Autor  auf  Grund  des  Thierexperiments 
oder  cultureller  Diagnostik   für  harmlos  hielt,  fanden  sich  in  2  Fällen 


der  Syphilii.  483 

StaphyloeocciM  pyogenas  albus,  in  1  Fall  Staphyloooeoos  cereos  albna, 
in  1  Fall  ein  Streptoeoccas.  Um  diese  als  pathogen  sn  erweisen,  wurde 
das  Tfaierexperiment  herbeigezogen,  doch  befriedigte  die  gewöhnliche 
Einverleibung  (intrayenöse,  iutraperitoneale  Injection)  nicht  |  da  die 
Thiere,  wie  dies  auch  von  anderer  Seite  gefunden  war,  sich  gegen  diese 
wahrscheinlich  abgeschwächten  Mikroben  refractär  verhielten.  Die  In- 
jection in  vordere  Augenkammer,  resp.  Glaskörper  ergab  dagegen  cum 
Theil  positive  Resultate.  Beide  Staphylococci  albi  verursachten  Hypo- 
pyon,  doch  nur  der  eine  von  ihnen  Glaskörpervereiterung.  Der  Staphylo- 
eoocus  cereus  albus  ergab  circumscripte  Entzündungsherde  plastisch- 
fibröser Natur.  Dagegen  verliefen  die  Augenimpfungen  mit  dem  Strepto- 
coccus pyogenes  rewDiltatlos.  Auch  die  EinimpAmg  am  Kaninchenohr 
misslang.  Die  von  Gottstein  angegebene  Injection  von  Hydracetin, 
das  die  rothen  Blutkörperchen  zerstört  und  so  zu  einer  späteren  Impfung 
empfänglicher  machen  soll,  erwies  sieh  als  unzulänglich,  da  spontan 
Abscesse  (Stallabseesse)  auftraten.  Auf  Grund  dieser  Thierexperimente 
und  der  Eigenschaften  der  Reincultaren  hält  B.  die  gefundenen  Staphylo  - 
coccen  mit  den  bekannten  Eitererregem  for  identisch  und  will  den 
geringen  experimentellen  Ausfall  durch  die  abgeschwächte  Virulenz 
erklärt  wissen.  Auch  den  Streptococcenbefnnd  hält  er  nicht  fOr  bedeu- 
tungslos. Der  Klinik  müsse  es  überlassen  bleiben,  den  Bedingungen  nach* 
suspüren,  unter  welchen  diese  Organismen  voll  vimlent  würden  und  Puer- 
peralfieber erzeugten.  A.  Philippson. 

(27)  Da  ein  Theil  der  Witte'sohen  Befunde,  nämlich  diejenigen, 
welche  sich  auf  den  Pyosalpinxeiter  beziehen,  schon  andern  Orts  ver- 
öfifentlicht  und  in  diesem  Archiv  referirt  ist,  so  erübrigt  hier  nur,  einiges 
von  den  bakteriologischen  Resultaten  wiederzugeben,  die  W.  aus  der  Unter» 
suchung  des  Scheidensecrets  erhalten  hat.  Bemerkenswerth  ist  die  Ent- 
deckung von  6  Arten  von  Knrzstäbchen,  die  sich  dadurch  aaszeichnen,  dass 
sie  in  kleiner  Menge  subcutan  oder  intraperitoneal  injicirt,  in  relativ  kurzer 
Zeit  den  Tod  der  Impfthiere  herbeiführen.  Am  meisten  Interesse  nahmen 
die  in  der  Vagina  gefundenen  Eitererreger  in  Anspruch,  mit  denen  sich 
auch  verschiedene  andere  Autoren  beschäftigt  hatten.  Bekanntlieh  haben 
die  ans  dem  Scheidensecret  gewonnenen  Staphylococcen  und  Streptococcen 
erheblich  von  ihrer  Virulenz  eicgebüsst,  so  dass  Winter  an  Thieren 
überhaupt  keine  Eiterung  erzielen  konnte.  Demgegenüber  konnte  Witte 
die  aus  der  Vagina  oder  dem  übrigen  Genitaleansl  rein  gezüchteten 
Staphylococcen  und  Streptococcen  in  einem  Drittel  der  Fälle  als  virulent 
nachweisen.  Um  eine  Erklärung  für  die  Abschwächung  der  Mikrobien  zu 
finden,  wurden  virulente  Staphylococcen  und  Streptococcen  auf  saure 
(Milchsäure)  Nährböden  verimpft,  da  das  Vaginalsecret  selbst  sauer  re- 
agirt  (Säuregrad  von  0,95Vo  Milchsäure).  Staphylococcen  konnten  einen 
Säuregehalt  von  0,57t>  dagegen  Streptococcen  nur  von  0,08—0,07%  ver- 
tragen. Solche  Gulturen  hatten  aber  die  Fähigkeit  eingebüsst  auf 
neutralem  bezw.  schwach  alkalischem  Nährboden  weilerzuwachsen  und 
Thiere  zu  inficiren.    Bei  den  Streptococcen  musste  man  schon  auf  einen 


484  Bericht  über  die.LeiBtuQgen  auf  dem  Gebiete 

SäaregehBli  von  0,61%  zai^okgeheti,  am  bei  Thieren  Abscesae  zn  erzielen, 
dagegen  zeigte  sich  an  den  Thieren  nicht  ein  Mal  etwas  krankhaftes  bioi 
intravenöser  I^jection  von  Btaphylococcen,  die  einer  GuUur  von  0,1 — 0,3"/« 
Säuregehalt  entstammten.  A^Philippson. 

(28)  Von  den  ä  zur  Beobachtung  gelangten  und  durch  Laparotomie 
gewonnenen  Pyosalpiuxprfiparaten  Wittens  enthielt  daa. erste  Rausch« 
brandbacilleh ,  das  zweite  und  dritte  KäpselbaciUen ,  welche  die 
Gram'sche  Färbung  annahmen  und  sich  als  Dipjococc.  lanceolat.  Fränkel 
erwiesen.  Im  3.  Falle  fanden  sich  ausserdem  noch  andere  Bacillen.  Im 
4.  Falle  waren  neben  Gonococcen  noch  Staphylococcen  gefunden  worden, 
was  von  Interesse  ist,  da  Wertheim  die  Bedeutung  der  Mischinfection 
geleugfnet  bat.  Witte  erwähnt  in  dieser  Beziehung  noch  eines,  ähn- 
lichen Falles^  in  welchem  neben  Gonococcen  auch  der  Streptococcus  pyo- 
genes  longus  angetroffen  wurde.  A.  Philippson. 

(29)  Hei tz mann  macht  auf  die  relative  Häufigkeit  der  Cyatitis 
bei  Frauen,  welche  mehrere  Geburten  .überstanden  haben,  aufmerksam. 
Die  Schlauheit  der  Scheide  und  des  Beckenbodens  in  solchen  Fällen 
begünstigt  das  Zustandekommen  von  Cystocelen,  die  im  weiteren  Yerlauf 
Divertikel  bilden,  in  denen  Harn  stagnirt,  sich  zersetzt  (?  ohne  Bakterien- 
einwanderung ?  Ref.)  und  entzündungserregend  wirkt.         . 

Seltener  ist  die  Blasenentzündung  durch  Infectiou  der  Harnröhre 
mit  Gonococcen  bedingt.  Dieselbe  kommt  auch  infolge  des  acuteren 
Entstehens  und  der  dadurch  hervorgerufenen  stürmischeren  Symptome, 
ebenso  wie  die  auf  traumatischem  Wege  erfolgte,  oder  durch  fortgepflanzte 
Entzündung  von  den  Nachbarorganen  aus  bedingte  Cystitis,  eher  zur 
Behaodlung  und  meist  relativ  schnell  zur  Heilung. 

Die  chronisch,  schleichend  entstehende  Blasenentzündung  aber 
dauert  infolge  der  anfanglich  geringen  Beschwerden,  welche  die  Pati- 
entinen nicht  gleich  zum  Arzte  fahren,  oft  monatelang  und  ruft 
schliesslich  bedeutende  Alterationen  der  ganzen  Wand  und  insbesondere 
der  Schleimhaut  des  Organes  hervor.  Von  dieser  letzteren  stösst  sich, 
begünstigt  durch  die  chronische  Hyperämie  und  Entzündung,  Epithel 
in  grossen  Massen  ab  und  daft  neue  unter  ungünstigen  Umständen  sich 
bildende  (Harnzersetzung  etc.)  ist  äusserst  zart  und  wenig  widerstands- 
lähig  gegen  Solutiones  continui. 

Auf  diese  Weise  kommt  es  zu  Fissuren,  welche  äusserst  quälende 
Symptome  hervorrufen  und  den  Kräftezustand  der  Patientinen  sehr 
schädigen  können.  .  Vor  allen  Dingen  klagen  die  Frauen  über  Störungen 
bei  der  Harnentleerung,  deren  Frequenz  meist  sehr  gesteigert  und  die 
Läufig  ungemein  schmerzhaft  ist.  Nicht  elten  wird  Blasenkrampf  am 
Ende  der  Miction  beobachtet  und  auch  in  den  Intervallen  können  — 
das  ganze  Organ  in  Mitleidenschaft  ziehende  —  Schmerzanfalie  vorkommen. 
Der  Urin  enthält  nicht  selten  Blut.  Es  erinnert  dieser  Symptomencomplex 
sehr  an  den  „irritable  bladder-*  genannten  Zustand  und  es  ist  für  Heitz- 
mann  nicht  zweifelhaft,  dass  manche  dieser  Fälle  eine  Gystitis  mit. be- 
stehenden Fissuren  darstellen. 


der  Syphilis.  485 

Eine  sitshere  Diagnose  kann  nnr  das  Endoskop  üefem. 

In  Bezng  auf  die  Aetiologie  der  Fissureiibildung  kommt  als  be- 
sonders prädisponirend  die  Gonorrhoe  in  Betracht  und  zwar  sowohl  bei' 
chronischen  wie  bei  acuten  Fällen ,  femer .  Cohabitationsversache  und* 
Pessare.    - 

Die  Heilung  ist  bei  acuter  Entstehung  meist  leicht  und  oft  eine 
spontane.  Beim  chronischen  Bestand  aber,  insbesondere  wenn  ammonia- 
kalischer  Harn  sich  in  derBlasie  befindet,  ist  dieselbe  sehr  schwierig  und 
langwierig,  ja  es  können  sich  eventuell  bösartige  Tumoren  an  Stelle .  der, 
lang  vemachlässigten  Fissuren  entwickeln. 

Bei  jeder  Behandlung  ist  peinlichste  Antiseptik  Grundbedingung. 
Prophylaktisch  soll  jede  Cystitis  sorgsam  überwacht'  und  geheilt  werden. 
Sind  einmal  Fissuren  vorhanden,  so  müssen  dieselben  ndbeuder  allge-> 
meinen  gegen  die  Entzündung  der  Blase  gerichteten  Therapie  (Spulungen) 
besonders  durch  Auftupfen  (täglich  od.  seltener)  mit  Adstringentien  local 
beeinflusst  werden. 

Recidive  sind  nicht  selten  und  es  empfiehlt  sich,  die  Behandlung 
nicht  zu  frühe  abzubrechen.  Gelingt  es  nicht,  die  Grundursache  zu 
heben,  so  erscheint  allerdings  die  Prognose  quoad  Recidiv  eine  ungünstige. 

Barlow.    . 

(80)  In  4  Gapiteln  bespricht  Guyon  an  der  Hand  von  Kranken- 
geschichten seine  Erfolge  mit  Sublimat  bei  Cystitis,  Die  Beobachtung 
erstreckt  sich  im  Ganzen  auf  26  Fälle,  von  denen  10  mit  Spülungen  und 
16  mit  Instillationen  behandelt  wurden.  Die  Spülungen  geben  im  Ganzen 
bedeutend  schlechtere  Resultate  als  die  Instillationen  und  G.  sucht  die 
Ursache  für  dieses  Verhalten  in  den  Fehlem  der  Spülnngsmethode. 
Wie  die  beigegebene  Curve  eines  Falles  zeigt,  steht  die  vermehrte 
oder  verminderte  Mictiou  durchaus  im  Zusammenbang  mit  der  kleineren 
oder  grösseren  Capacität  der  Blase.  Das  Ydlum  ist  aber  wieder  von 
dem  Sensibilitätszustand,  resp.  der  Entzündung  abhängig  und  es  leuchtet 
daher  leicht  ein,  warum  so  häufig  nach  Spülungen  bei  acuter  Gystiti» 
und  kleinem  Blasenlumen  n^it  gewaltsamer  Dehnung  der  Blasenwand  statt 
Besserungen  Verschlimmerungen  eintreten. 

Bemerkenswerth  ist  femer,  dass  die  behandelten  tuberculösen  Gysti-* 
tiden  (10  an  Zahl)  die  Sublimatinstillationen  vortrefflich  vertrugen,  im 
Gegensatz  zu  dem  Verhalten  gegen  alle  anderen  Mittel,  insbesondere 
gegen  das  sonst  so  treffliche  Argentum  nitricum.  5  dieser  Fälle  wurden 
sehr  gebessert. 

Die  übrigen  Gysti tiden  waren  verschiedenen  Ursprungs,  die  Resultate 
z.  Th.  bedeutende  Besserung,  z.  Th.  Heilung.  Nur  4  Fälle,  mit  Spülungen 
behandelt,  heilten  nicht. 

Was  die  Teichnik  der  Instillationen  anlangt,  so  warnt  Guyon 
entschieden  vor  starken  Goncentrationen  des  Sublimats.  Die  Stärke  der 
Losung  soll  bei  Beginn  der  Behandlung  nicht  1:5000  übertreffen  und 
durchschnittlich  auch  in  späteren  Stadien  1  :  1000  nicht  überschreiten. 
Alle  Lösungen  müssen    ohne   Alkohol  hergestellt  werden.    Die  £in-r 


486  Berieht  über  die  Leiitongen  auf  dem  Gebiete 

spritsQDgen  werden  nnmiitelbar  hinter  dem  Schlieesrnnikel  gemacht, 
beginnend  mit  20^90  Tropfen  allmftlig  zn  4  Gr.  mit  gleichzeitiger 
Verstärkung  der  Lötnng  ateigend«  Die  Blase  mnet  vor  der  Instillation 
selbstyerst&ndlioh  leer  aein.  Spölnngen  sollten  nur  bei  einer  gewissen 
Tolerans  der  Blase  Yerwendang  finden.  Will  man  statt  Snblimat  Argentnm 
nitricom  (caye  bei  Tnbereolose  I)  anwenden,  so  wird  mit  10«- 16  Tropfen 
einer  2*/«  Lösnng  begonnen  und  siemlich  schnell  bis  dVt  gestiegen. 

Ein  Gapitel  der  Pnblication  ist  Desinfectionsyersachen  von  Halle 
gewidmet.  Dieser  Forscher  fand,  nm  das  Wichtigste  heryorznheben,  sehr 
bedeutende  CDtwicklangshemmende  Eigenschaften  bei  Sublimat  und  Ar- 
gentnm. Sehr  schwer  war  es  dagegen,  eine  Desia&otion  yon  eiterigem, 
Keime  bergenden  Urin  sn  erzielen,  swei  Thatsaoben,  die  nicht  grade 
auffallend  sind.  Interessant  aber  und  yon  praktischem  Werthe  ist  die  Mit- 
theilnng,  dass  Ohio rsil her  in  Urin  oder  Bouillon  entwicklungshemmend 
auf  Cystitisbakterien  eingewirkt  haben  soll,  eine  Thatsache,  die  sehr 
geeignet  scheint,  den  Instillationen  das  Wort  su  reden.  Barlow. 

(31)  Okey-Blom  hat  sich  eine  Jodoformöllösung  in  folgender 
Weise  hergestellt.  1  Gr.  Jodoform  wird  in  7  Gr.  Aether  gelöst  und  diese 
Mischung  mit  7  G^.  Oliyenölyermengt.  Applicirt  yrird  dieselbe  bei  Cystitis 
mittelst  des  Instillateurs  in  der  Dosis  yon  1 — 6  Gr.  taglich. 

Diese  Therapie  kann  bei  nicht  heilenden  Cystitiskranken  ohne  Be- 
sorgniss  angewendet  werden  und  hat  nach  0.-B.  unter  12  Blasenentiün- 
düngen  yerschiedener  Art  in  11  Fillen  g^te  Dienste  gethan.      Barlow. 

(82)  Filippow  iigicirte  nach  yorheriger  Ausspülung  der  Blase 
mit  V4  7,  Milcbs&urelösnng  20—40  Gr.  einer  10%  Jodoformemulsion  (nach 
Mosetig-Morhof)  und  Hess  die  Flüssigkeit  nach  einer  Viertelstunde  wieder 
abfliessen.  In  8  Fällen  sah  er  yon  dieser  Behandlung  einen  sehr  gün- 
stigen Erfolg. 

(83)  Boegehold  hat  bei  72  FUlen  yon  acuter  gonorrhoischer 
Cystitis  60mal  schneUes  Aufhören  des  Tenesmus  und  Klarwerden  des 
yorher  trüben  ürines  durch  Gopaiya-Balsam  0,6  4->6  Kapseln  pro  die 
ersielt.  Bei  12  acuten  Blaseneatarrhen  (nicht  auf  (^norrhoe  beruhend), 
8mal  günstiger  Erfolg  durch  oben  genannte  Mittel.  Unter  10  Fällen 
chronischer  Cystitis  5  MaL  Nach  den  Guyon'schen  HöUensteinin- 
stillationen  hatte  Autor  in  3  acuten  Fällen  Verschlimmerung  beobachtet. 

Barlow. 

(34)  Henry  berichtet  über  2  Fälle  yon  Cystitis,  welche  er  mit 
Methylenblau  (8mal  täglich  1  Gran)  behandelt  hat.  Der  eine  der  Pa- 
tienten, der  seit  2  Jahren  krank  war  (Ataxie,  Prostatiiis,  Lues)  wurde  in 
8  Wochen  sehr  wesentlich  gebessert,  der  andere  mit  einfacher  Cystitis 
geheilt.  Jadsssohn. 

(35)  Bryson  erzählt,  dass  einem  Cystitiker  in  Folge  einer  Verwechs- 
lung eine  zweimalige  Blasenausspülung  mit  einer  Lösnng  yon  80,0  2%  Sali- 
cylglycerin  in  125,0  Wasser  yon  einem  Studenten  gemacht  wurden;  der 
Erfolg  war  ein  so  überraschender,  dass  Vortragender  diese  Cor  in  an- 
deren Fällen  oft  wiederholte.  Er  empfiehlt  es  aber  nur  in  solchen  Fällen 


der  Syphilis.  487 

▼on  ohron.  GystitiB,  in  denen,  wo  die  Blaseniohleimhant  mit  einer 
dicken  Schicht  von  Eiter  und  abgestorbenen  Hierenepithelien  bedeckt  sei, 
auf  welche  das  Salioyl  gnt  lösend  wirke,  wfthrend  er  diese  Methode  bei 
anderen  Formen  von  Gystitis  for  eontraindicirt  hält.      Paul  Neisser. 

(86)  Sympson  empfiehlt  das  Salol  fftr  die  Behandlung  der  chro- 
nischen Gystitiden  sehr  energisch.  Es  soll  den  Urin  fast  immer  in 
wenigen  Tagen  klar  und  sauer  machen  und  von  seinem  unangenehmen 
(Geruch  befreien.  S.  gibt  es  in  einer  Mixtur  (Salol  8,0  Pulv.  acac. 
Gummi  qu.  s.  Aq.  Ginnamoni  860,0  4stl.  1  Essloffel).         Jadassohn. 

(37)  Gazeneuve  hat,  nachdem  er  die  antibakterielle  und  anti- 
fermentative  Wirkung  5%iger  Antipyrinlösung  expenm enteil  festgestellt, 
hat,  diese  Lösung  auch  zur  localen  Behandlung  eitriger  Gystitiden  (2  Fälle) 
und  gonorrhoischer  Blasenhalscatarrhe  verwendet  und  sehr  gute  und 
schnelle  Erfolge  erzielt  Jadassohn. 

(88)  Desnos  fand,  dass  Betinollösungen  nur  sehr  schwache 
antiseptische  Eigenschaften  haben,  aber  dass  die  Gegenwart  des  Retinols 
die  Löslichkeit  anderer  Salze  günstig  beeinflussen  kann.  Er  empfiehlt 
Instillationen  von  Salol  zu  5  bis  10*/«  in  Retinol  gelöst  zu  20—30  Gr.  nach 
vorhergehender  Spülung  der  Blase  mit  warmer  Borsäure.  Betont  wird, 
dass  das  Mittel  reizlos  sei.  Barlow. 

(89)  Stenbeck  beschreibt  aufs  genaueste  die  Yortheile,  welche 
die  Anwendung  der  von  ihm  zum  ersten  Male  medicinischen  Zwecken 
dienstbar  gemachte  Gentrifuge  für  die  Untersuchung  von  Flüssigkeiten, 
die  arm  an  Formelementen  sind,  mit  sich  führt.  Gelegentlich  einer  Be- 
sprechung der  Befunde  im  Gystitis-Urin  wendet  sich  Stenbeck  ent- 
schieden gegen  Rovsing 's  Auffassung  von  dem  Entstehen  der  Gy- 
stitis und  insbesondere  gegen  die  Ansicht  des  letztgenannten  Autors, 
als  sei  jede  mit  saurem  Urin  einhergehende  Blasenentzundung ,  tuberculös. 
(Ref.  möchte  hier  betonen,  dass  er  auf  Grund  eigener  Untersuchungen 
Stenbeck's  Meinung  vollkommen  theilt.)  Stenbeck  gelang  die 
Isolinmg  eines  Bacillus  aus  saurem  Gystitis-Urin,  den  er  Bacillus  ureae 
aoidus  nennt  und  dessen  genauere  Beschreibung  noch  folgen  soll.  (Sollte 
es  sich  vielleicht  um  Bacterium  coli  commune  handeln?  Ref.)  Neisser'- 
sche  Gonococcen  fand  Stenbeck  nie  im  Urin.  Ausser  diesen  bakteriolo- 
gischen Untersuchungen  enthält  der  Artikel  noch  manch'  Wissenswerthes 
über  den  Nachweis  von  Erystallen,  Gylindem  etc.  im  Harne  und  über  die 
Untersuchung  anderweitiger  pathologischer  Secrete  und  Ezcrete. 

Barlow. 

(40)  Guttmann  empfiehlt  für. klinische  Ham-Sedimentirungsz wecke 
eine  von  Blähnsdorf  in  Frankfurt  a/M.  constrairte  elektrische  Gentrifuge, 
welche  1600  Umdrehungen  in  der  Minute  erzielt.  Der  Preis  derselben 
beträgt  60  Mark.  Galewsky. 

(41)  Boisseau  de  Roch  er  bespricht  in  einem  ausführlichen 
Artikel  die  Vor-  und  Nachtheile  verschiedener  gebräuchlicher  Endoskope. 
Die  näheren  Details  der  sehr  lesenswerthen  Arbeit  wiederzugeben  würde 


488  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

die   GreoEen    eines    Referates    bedeutend   überschreiten    und    es    rnnss 
daher  auf  das  Original  rerwiesen  werden.  Bar  low. 

(42)   Otis   zeigt  snnachst  ein  Urethroskop,   das  in   einem  kleinen 
Concavspiegel   besteht,  welches   ein  fetter  Draht  von  ungefähr    5   Cm,. 
Länge  mit  dem  Urethroskoprohre  verbindet.    In  der  Mitte  des  Drahtes 
ist  eine  kleine  Edison'sche  elektrische  Lampe  angebracht,  während  ein. 
halbkreisförmiger  Schirm  unmittelbar  hinter  dem  Spiegel  sich  befindet, 
um  die  äusseren  Ldchtstrahlen  abzuhalten.    Wie  bei  dem  Leiter ^schen 
Instrument,  von  welchem  das  beschriebene  nur  eine  Modification  darstellt, 
fallen  die  Strahlen  von  der  Lampe  auf  den  Spiegel  und  werden  in  den 
Tubus  reflectirt,  während  das  beleuchtete  Feld  über  den  Scheitel  des  Spiegels 
hinweg  leicht  beobachtet  werden  kann.    Als  ürethroskoprohr   dient  am 
besten  das  von  Klotz  (New- York),  welches   ohne   Trichter  an   seiaem 
äusseren  Ende,  sich  nahezu  2'/,  Gm.  weiter  als  der  früher  gebräuchliche 
Desormeawe*sche  Tubus  in  die  Urethra  vorschieben  lässt.  Das  in  der  Üeber- 
schritt  als  „vervollkommnetes"  ürethroskop  bezeichnete  Instrument  besteht 
aus   einem   Metallrohr   oder  Cylinder  von  3  Vi  Gm.  Länge  und  ly.  Cm. 
im  Durchmesser  mit  verschlossenem  äusseren  Ende.     Vom  offenen  Ende 
des  Cylinders  0,6  Cm.  entfernt  ist  eine  planconvexe  Linse  so  angebracht, 
dass   sie  leicht  entfernt   und   gereinigt  werden  kann,    während   in   der 
Nähe  des  verschlossenen  Gylinderendes  in   der   Länge    von   0,6    und  im 
Durchmesser  von  1,8  Cm.  sich  ein  Bug  befindet,  durch  welchen  die  Licht- 
quelle, eine  kleine  elektrische  Glühlampe,  ein<;^eführt  werden  kann  und  der 
ausserdem  mit  den  bez.  Yentilationsöffnungen  versehen  ist.    Die  Handhabe 
des  Instrumentes  besteht  aus  einem  Stück  Hartg^ummi  von  27,  Cm.  Länge 
und  ly.  Cm.  Weite,  durch  welche  die   elektrischen  Verbindungsdrähte 
zur    elektrischen    Lampe    gehen.    Diese    Handhabe   ist    mit   dem    Buge 
mittelst    eines    sog.   Bayonetgelenks    verbunden,    wodurch    die    Lampe 
unmittelbar  an   die  Planseite   der  Linse   gebracht  wird.    Mittels   einer 
Schraubenvorrichtung  kann  die  Lampe   nach  Belieben  auf  und  ab  ge- 
dreht  werden.    Dieses  Instrument   wird   nun   aai   besten  mit  dem  oben 
angegebenen  Klotz^schen  Tubus  mittels  des  oben  gleichfalls  angeführten 
Drahts  in  Verbindung  gebracht.    Wenn  die  Lampe  bei  richtiger  Lage 
des  Instrumentes  leuchtet,  wird  ein  so  starker  Lichtstrahl  in  das  Urethro- 
skoprohr  geworfen,  dass  die  Harnröhren  Schleimhaut  besser  als  mit  irgend 
einem  anderen  Instrument  beobachtet  werden  kann.   0.  fasst  die  Vorzüge 
seines  Instruments  dahin  zusammen:  1.  Schliesst  es  die  störenden  Anssen- 
strahlen  aus.    2.  Gewährt  es  einen  viel  leichteren  Zugang  zur  Harnröhre 
sowohl  far  das  Auge  als  für  Instrumente.    3.  Ut  die  Beleuchtung  inten- 
siver.   4.  Die  Lichtquelle  und  somit  das  Auge  kommt  gegen  4  Cm.  dem 
Urethroskoprohre  näher.    5.  Das  Instrument  ist  sehr  compact  und  wiegt 
(trotzdem  in  Messing)  kaum  80  Gr.    6.  Es  ist  sehr  einfach  und  deshalb 
wenig  kostspielig.  Loeser. 

(48)  In  dem  Aufsatze  Sümegh's  sind  vorzugsweise  die  dem  Spe- 
cialisten  geläufigen  Anweisungen  für  den  Catheterismns  in  einer  leicht 
verständlichen  und  praktischen  Form  wiedergegeben.  Auf  die  Desinfection 


der  Syphilis.  489 

•der  Instrumente  (metallische^  durch  Siedehitze,  Nelaton^s  und  Metcier^s 
durch  Carbol-  oder  Snblimatlösnng)  und  der  Urethra  (leider  wird  nicht 
angegeben,  durch  welche  Lösung)  wird  gebührendes  Gewicht  gelegt,  die 
Brauchbarkeit- der  Catheter  mit  MercieWscher  Krümmung  mit  Recht  be- 
tont, Ton  den  metallischen  Instrumenten  werden  die  mit  DittePscher  und 
Ultzmann*scher .  Krümmung  am  meisten  empfohlen ;  als  Kunstgriff  bei 
„spastischen  Stricturen"  wird  vorherige  Ii^'ection  von  6 — 6  Gr.  Oel  an- 
gegeben, vor  der  vorzeitigen  Anwendung  metallischer  Instrumente  gewarnt, 
die  Gontrole  vom  Rectum  aus,  besonders  bei  Prostataschwelltingen  betont 
—  zum  Schluss  aber  gebührend  hervorgehoben,  dass  gerade  auf  diesem 
Gebiete  die  persönliche  üebung  der  Aerzte  unersetzlich  ist. 

Jadassohn. 

(44)  Wendschuh  hat  Gatheteretuis  aus  Leder,  Hartgummi  oder 
Gelluloid  in  Form  von  Cigarrentaschen  für  die  biegsamen  englischen 
Gatheter,  in  Form  von  Blechdosen  für  die  elastischen  seidenen  oder  die 
Nelaton'sohen  Gatheter  verfertigt.  In  jedem  Etuis  können  1—3  Stück 
untergebracht  werden;  zum  Einölen  ist  innen  ein  Gelflacon  oder  eine 
Yaselinbüchse  angebracht.  Dieselben  sind  zunächst  für  den  Selbstgebrauch 
der  Patienten  bestimmt.  Lex. 

(45)  Nazaris  und  Taquet  haben  eine  Methode  zur  Sterilisirung 
von  Gathetern  mit  Hilfe  von  Quecksilberdämpfen  erfunden.  Die  An- 
wendung scheint  etwas  complicirt  und  langwierig  und  leider  ist  von  den 
Autoren  eine  genaue  Angabe  der  Art  und  Weise,  wie  sie  ihre  Gefasse 
etc.  desinfioirten,  nicht  gemacht  worden.  Bar  low. 

(46)  Lanelongue  glaubt  die  Schwierigkeiten,  welche  die  sichere 
und  zugleich  för  die  Instrumente  unschädliche  Desinfection  der  weichen 
Catheter  und  Boogies  darbietet,  dadurch  überwunden  zu  haben,  dass  er 
sie  in  verschlossenen  Tuben  aufbewahrt,  auf  deren  Grunde  „Rondelles 
de  flanelle  mercurielle^  sich  befinden.  Er  hat  sich  davon  überzeugt,  dass 
die  Quecksilberdämpfe  das  ganze  Gefass  erfüllen  und  dass  die  Instru- 
mente in  dieser  Atmosphäre  unendlich  lange  aseptisch  bleiben.  Zum 
Einfetten  benutzt  er  sterilisirtes  Gel,  in  dessen  Behälter  etwas  metal- 
lisches Quecksilber  gegossen  wird.  Seitdem  Lanelongue  sich  dieser 
Methode  bedient,  hat  er  nie  mehr  irgendwelche  unangenehme  Folgen  des 
Catheterismus  etc.  erlebt.  Jadassohn. 

(47)  Nach  Jacobi  gibt  es  zahlreiche  Ursachen  der  Blasen-  und 
ürethralreizbarkeit  bei  Frauen.  Die  Gynaekologen  beziehen  sie  ge- 
wöhnlich auf  Entzündung  und  Lageveränderungen  der  Gebärmutter. 
Howard  hat  auf  das  Symptom  des  Harndranges  und  des  häutigen 
Hamens  bei  Affectioneu  der  Harnleiter  aufmerksam  gemacht.  Manchmal 
ist  es  das  hervorragendste  Symptom  eines  Nierensteins.  Andererseits  hat 
Goodell  (Philadelphia)  mit  Hecht  behauptet,  dass  eine  nervöse  Blase 
eines  der  ersten  Zeichen  eines  nervösen  Hirns  sei.  Denn  wie  die  Nervo- 
sität eine  mangelhafte  Beherrschung  der  höheren  gegenüber  den  niederen 
Nervencentren   bedeute,   so    weise   auch  die  Blasenreizbarkeit  auf  einen 

ArehiT  f.  Dtnnatol.  n.  Syphil.  Band  XXVI.  33 


490  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Mangel  der  Himcontrole  hin.    Zur  Illustration  dieses   Satees  föhrt  J« 
mehrere  Fälle  an. 

1.  Eine  25jährige  nnyerheiratete  Dame  mit  nerröaem  Temperament, 
die  in  Folge  Aufregung  in  ihrem  Berufe  als  Sohreiblehrerin  ängsÜieh 
und  traurig  wurde,  verspürte  Tag  und  Naoht  Harndrang  und  bei  Beginn 
und  sn  Ende  des  Harnens  einen  unerträglichen  Schmers,  der  allem  An- 
scheine nach  seinen  Sitz  im  Blasenhalse  hatte.  Der  Urin  selbst,  die  Harn- 
Organe  sowie  die  Genitalien  zeigten  nichts  Abnormes.  Auch  ron  Hysterie 
zeigte  sich  keine  einzige  Aeusserungi  wenn  man  nicht  die  Blasen* 
reizbarkeit  als  solche  ansehen  will.  Durch  locale  Faradisation  —  eine 
Elektrode  auf  die  Lendenwirbelsanle,  die  andere  auf  die  Blasengegend 
jedesmal  20  Minuten  lang  —  erfolgte  Heilung.  J.  glaubt,  dass  in  der 
That  periphere  hysterische  Neurosen,  mag  es  sich  um  Lähmungs-  oder 
Erampfzustände  oder  um  Paraesthesien  handeln,  durch  die  genannte 
Art  der  Elektricität  beinahe  specifisch  beeinflasst  werden. 

2.  Eine  6C|jährige  hysterische  Frau  mit  deutlicher  Analgesie  der 
unteren  Extremitäten,  so  dass  eine  Nadel  von  der  Spitze  bis  zum  Kopfe 
ohne  Schmerzensäusserung  eingestochen  werden  konnte,  litt  an  seit- 
weinen  Anfällen  von  Blasenreizbarkeit ;  durch  Iigection  von  0,12 
Cocain  auf  80,0  Wasser  in  die  Blase  wurden  die  Anfälle  prompt  be- 
seitigt. 

8.  Eine  westindische  Creolin  im  Alter  zwischen  60 — 60  Jahren  mit 
normalen  Geschlechtsorganen  und  Urin  klagte  über  fortwährenden  Druck 
im  lilasenhalse  und  häufigen  Urindrang.  15  Jahre  zuvor  war  ihre  Urethra 
deshalb  von  Marion  Simps  mittels  forcirter  Dehnung,  jedoch  ohne 
Erfolg  behandelt  worden.  Nach  verschiedenen  fruchtlosen  Behandlungen 
wandte  J.  den  fsradisohen  Strom  an,  indem  die  eine  Elektrode  direct 
in  die  Blase  geführt  wurde,  worauf  die  Kranke  Besserung  fühlte.  Heilung 
erfolgte  jedoch  erst,  nachdem  eine  am  Orific.  int.  urethrae  endoskopisch 
vorgeftindene  Schleimhautschwellung  mittelst  einer  I*/oi£r^n  Arg.  nitr.- 
Lösung,  die  mittels  eines  besonderen  Instruments  ausschliesslich  auf  die 
betroffene  Stelle  applicirt  wurde,  einige  Zeit  behandelt  war. 

4.  Eine  mit  Dysmenorhoe  und  allgemeiner  Nervosität  behaftete 
Frau  klagt  über  anhaltendes  Brennen  in  der  Harnröhre.  Der  Schmerz 
wurde  besonders  beim  Gehen  schlimmer  und  strahlte  in  die  Lenden  und 
Schenkel  aus,  so  dass  Patientin  meist  liegen  musste.  In  Anbetracht  des 
neurasthenischen  Zustandes  wurde  sie  mit  Ueberernähmng  von  Fleisch 
behandelt.  Das  Leiden  wurde  darnach  schlimmer.  Von  dem  Gedanken 
ausgehend,  dass  in  Folge  mangelhafter  Fleisohverdauung  sieh  vielleicht 
toxische  Substanzen  bildeten  und  so  die  Neurasthenie  herbeiführten, 
wurde  die  Kranke  auf  Milchdiät  gesetzt  (8  Lit.  tägL)  nnd  fühlte  sich 
seitdem  viel  wohler.  Doch  war  die  Beobachtung  des  Falles  z.  Z.  noch 
nicht  abgeschlossen.  Loeser. 

(48)  Den  tu  bespricht  auf  Grund  einer  Krankengeschichte  die 
verschiedenen  Arten  reflectorischen  Spasmus  der  Urethra.  Der  betref- 
iende  Patient  litt   an  Hämorrhoidalknoten   mittlerer  Glosse   und  hatte 


der  Syphilis.  49  X 

schon  jahrelang  mit  Hamhesohwerden  zu  thnn,  die  in  theilweiser  Re« 
tention  nnd  sehr  schwacher  expnlsatorischer  Kraft  der  Blase  bestanden. 
Besonders  auffallend  waren  diese  Symptome  su  Zeiten  der  „H&moirhoidal- 
krisen^.  Die  Untersuehnng  ergab  Abwesenheit  jeglicher  organischer 
Yerändeningen  in  d«r  Urethra,  so  dass  die  ESrscheinnngen  mir  aaf 
reflectorischen  Spasmus  Enrückanführen  waren.  Solche  Spasmen  können 
auftreten  im  Verlaufe  von  Gonorrhoen,  Blasensteinkrankheiten  und  Pro- 
stata- und  üterinerkrankungen.  Auch  bei  Trauma  (Sturz  aufs  Perineum) 
selbst  entfernterer  Regionen  (Schenkel- Armbruche)  kommen  dieselben  vor 
und  sind  zumal  bei  Verletzungen  der  unteren  Extremitäten  nicht  selten. 
Ein  Beweis,  dass  die  in  derartigen  Fällen  entstehende  HamTcrhaltung 
etc.  auf  Spasmus  und  nicht  auf  Paralyse  der  Blase  beruhen,  findet  sich 
in  dem  Widerstand,  welchen  der  Ganal  der  Bougirung  entgegensetzt. 
Das  Fehlen  von  Schmerzen  allein  spricht  nicht  gegen  Spasmen  und  die 
schwache  Expulsionskraft  der  Blase  Iftsst  sich  durch  eine  Schwächung 
der  Muscnlatur  bei  lange  bestehender  Disteusion  erklären.  Zur  Behand- 
lung empfiehlt  sich  am  besten  die  DivulsioD.  Barlow. 

(49)  Heidenreich's  Kranker,  ein  Mann  von  40  Jahren,  kam 
wegen  eines  harten  Fremdkörpers  in  der  Urethra  in  B^andlung.  Der 
Pat.  gab  an,  vor  2  Jahren  plötzlich  durch  Schmerzen  aus  dem  Schlafe 
geweckt  worden  zu  sein  und  einen  harten  Körper  in  der  Harnröhre 
bemerkt  zu  haben.    Der  ürinstrahl  war  seither  nur  mehr  fadenförmig. 

H.  machte  eine  Boutonniere  und  zog  einen  Knochen  von  1  Ctm. 
Länge  und  20  Centigr.  Gewicht  aus  dem  Urethralcanal.  In  der  Gegend 
des  linken  Schambeindornes  befanden  sich  Narben  von  2  Fisteln  und 
der  Knochen vorsprung  fehlt.  Vor  10  Jahren  sollen  Schmerzen  in  der 
Hüfte  links  bestanden  haben.  H.  schliesst  auf  einen  tuberoulösen  Process, 
der  das  Knochenstück  seinerzeit  löste  und  beim  Durchbrechen  in  die 
Blase  das  Fragment  mitschwemmte.  Barlow. 

(60>  Brown  stellt  einen  48jährig.  Mann  vor,  der  im  17.  Lebenswahre 
zum  ersten  Mal  Beschwerden  in  der  Harnröhre  verspürte.  3  Jahre  vorher 
hatte  er  eine  Gonorrhoe.  Die  urethroekopische  Untersuchung  ergab 
ein  rauhes  Aussehen  der  ganzen  Schleimhaut  und  eine  ungewöhnliche 
papilläre  Hervorragung.  Vor  dem  Uriniren  fand  sich  besonders  im 
Bulbus  ur.  eine  schleimigeitrige  Absonderung.  7  Monate  wurde  Pat. 
vergebens  behandelt.  Die  Untersuchung  auf  Tuberkelbacillen  irar  ne- 
gativ. Der  Urin  enthielt  Albumen  und  Blut.  Endlich  wurden  in  einer 
aus  der  Harnröhre  kommenden  dickeren  ungefärbten  Masse  gegen  10 
Nematodenwürmer  gefunden.  Der  Mann  hatte  nie  in  den  Tropen  gelebt 
und  auch  sonst  war  über  den  Ursprung  der  Erkranknag  niehts  zu 
ermitteln.  L  o  e  s  e  r. 

(61)  Fiorani  operirte  durch  laterale  Incision  einen  Gretin  von 
84  Jahren,  welcher  sich  3  kleine  Holzstückchen  in  die  Urethra  einge- 
schoben hatte.  Dieselben  waren  von  Salzen  inkrustirt  und  die  Stcin- 
bilduDg  hatte  bei  allen  8  die  Grösse  einer  Pfiaume  erreicht. 

33* 


/ 


492  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Einer  der  Steine  befand  sich  in  der  Blase,  einer  am  Blasenhalse, 
der  dritte  in  der  Urethra. 

Bei  einem  zweiten  Fat.  extrahirte  F.  durch  Urethrotomie  einen 
Stein  der  Harnröhre  von  4  Cm.  Länge  und  3  Cm.  Dicke. 

Eine  8.  Operation  betraf  einen  60jährigen  Mann,  bei  dem  früher 
eine  Lithotripsie  vorgenommen  worden  war.  Ein  Stück  des  Steines  hatte 
sich  in  der  Harnröhre  eingekeilt  und  war  allmälig  im  Laufe  vieler 
Jahre  zu  einem  Phosphatconcrement  von  16  Or.  Gewicht  geworden. 
Urethrotomia  externa.    Heilung  ohne  Zwischenfall.  Barlow. 

(52)  Marshall  fand  bei  einem  jährigen  Kinde,  das  mit  völliger 
Urinverhaltung  ins  Nottinghamer  Einderhospital  gebracht  wurde,  in  der 
Nähe  des  Orificium  urethrae  einen  Stein  im  Gewicht  von  18  Cg.  Nach 
der  Entfernung  desselben  kamen  spontan  nur  wenige  Tropfen  Urin,  auch 
aus  dem  eingeführten  Catheter  floss  nur  ein  schwacher  Strahl.  Durch 
Druck  oberhalb  der  Symphyse  dagegen  wurden  schnell  188  Com.  Urin 
entleert.  Mit  Rücksicht  auf  eine  auszuführende  Lithotrypsie  sei  es  nicht 
ohne  Nutzen  zu  wissen,  dass  ein  so  junges  Kind  so  viel  Flüssigkeit  ohne 
Nachtheil  hat  zurückhalten  können.  Loeser. 

(53)  Martin  sah  typische  Balanitis  an  einem  8jährigen  Kinde 
auftreten.  Die  Ursache  für  dieselbe  sucht  er  darin,  dass  ein  Verwandter, 
der  an  chronischer  Cystitis  litt,  die  Ansteckungsquelle  dargestellt  habe. 
Er  knüpft  an  seine  Beobachtung  die  Warnung,  zur  Pflege  von  Kindern 
Personen  mit  chronischen  infectiösen  Ausflüssen  zuzulassen. 

Barlow. 

(54)  Perrin  hat  mehrere  Fälle  von  Leucoplasien  mit  Degeneration 
des  Epithels  beobachtet,  zwei  an  der  Zunge,  eine  an  der  Unterlippe 
und  eine  an  der  Vulva.  Bei  der  Möglichkeit  der  Umwandlung  dieser 
Leucoplasien  in  Epitheliome  räth  er,  dieselben  jederzeit  energisch  mit 
dem  Thermo-  oder  Galvanocauter  zu  entfernen.  Paul  Neisser. 

(55)  Will  et  demonstrirt  eine  fibröse  Geschwulst,  die  sich  unter 
der  Haut  des  Penis  eines  älteren  Individuums  befunden  hatte.  Ausgangs- 
punkt die  bindegewebige  Tunica  des  Penis.  Bestand  2V,  Jahre.  Zu- 
sammensetzung vorwiegend  glatte  Muskelfasern.  Barlow, 

(56)  Wille tt  demonstrirt  2  congenitale  Cysten,  aus  dem  Scrotum 
eines  Knaben  stammend.  Der  Hoden,  obwohl  anliegend,  war  von  den 
Tumoren  getrennt.  Targett  glaubt,  dass  es  sich  um  degenerirte 
Nävi  handle,  eine  Ansicht,  der  Bowlby  widerspricht,  unterstützt  von 
Willett.  Barlow. 

(57)  Shattock  zeigt  ein  glattes  Myom  des  Corpus  cavemosum 
penis,  welches  eine  Steinbildung  aus  Magnesium-  und  Calciumphosphat 
im  Inneren  barg.  Barlow. 

(58)  Arbuthnot  Lane  rapportirt  über  einen  Fall  eines  ausge- 
dehnten, schnell  zerfallenden  Papilloms  am  Peuis.  Dasselbe  war  bei 
einem  39jährigen  Mann  3  Wochen  nach  einem  Coitus  aufgetreten  und 
hatte  sich  trotz  Behandlung  in  4  Monaten  bis  an  die  Peniswurzel  ver- 
breitet.   Auch  in  der  Harnröhre  fanden  sich  Wucherungen,  die  wie  die 


der  Syphilis.  493 

übrigen  Neubildungen  leicht  spontan  und  auf  Manipulationen  hin 
bluteten.  Da  es  sich  zeigte,  dass  die  Corpora  cavemosa  selbst  ergriffen 
waren,  sowie  dass  die  Urethra  theilweise  durch  das  Gewächs  zerstört 
war,  so  musste  die  Amputation  des  Penis  vorgenommen  werden.  Das 
Mikroskop  ergab  einen  Tumor  von  papillomatösem  aber  nicht  epithelialem 
Charakter.  Genesung  erfolgte  prompt.  Bar  low. 

(59)  Nach  einer  kurzen  Besprechung  der  Pathologie  der  Phimosis 
gibt  Germa  eine  ausf&hrlichere  Beschreibung  der  verschiedenen  Ope- 
rationsmethoden. Er  verwirft  die  Inoision,  Excision,  Dilatation  und  räth 
dringend  zur  Circumcision.  Er  empfiehlt  die  von  Horteloup  angegebene 
Operation   mit   dem   von   diesem  construirten  Instrument  (cf.  Original). 

Lasch. 

(60)  Trekaki  empfiehlt  auf  Grund  einer  Erfahrung  von  30  Circum- 
cisionen  Verletzungen  des  Frenulum  zu  vermeiden,  da  Narben  in  dieser 
Gegend  bei  späteren  Erectionen  störend  sein  können.  Cocain  ist  bei 
der  Operation  nicht  sehr  günstige  Chloroform  überflüssig.        Bar  low. 

(61)  Doran  theilt  Erfahrungen  über  die  chirurgische  Behandlung 
von  Vnlvo  -  Yag^nalcysten  oder  Cysten  der  Cowper'schen  Drüsen  mit. 
Er  ist  für  complete  Exstirpation,  welche  ihm  an  einem  einschlägigen 
Falle,  der  einen  sehr  hoheu  Grad  erreicht  hatte,  geglückt  ist.  Meist 
ist  die  Cowper'sche  Drüse  selbst  der  Ausgangspunkt.  Hutschinson 
bemerkt,  dass  er  abgesehen  von  derart  veralteten  Fällen  wie  der 
des  Vortragenden,  guten  Erfolg  von  partieller  Exstirpation  der  Cysten- 
wand  und  Cauterisation  des  Inneren  gesehen  habe.  Sheld  empfiehlt 
Chromsäureapplication  nach  partieller  Exstirpation.  Doran  selbst  hat 
dagegen  Misserfolge  nach  Partialexcision  beobachtet.  Barlow. 

(62)  Schuchardt  versucht  durch  7  von  ihm  beobachtete  Fälle 
die  Annahme  zu  beweisen,  dass  die  Inoculation  der  Tuberculose  auf 
dem  Wege  des  geschlechtlichen  Verkehrs  und  der  hierdurch  bedingte 
Tuberculose  der  inneren  Geschlechtsorgane  und  die  regionären  Lymph- 
drüsen gar  nicht  so  selten  vorkommt  und  dass  es  sich  dabei  um 
Mischinfectionen  einestheils  mit  Sohankergift,  andemtheils  mit  Gono- 
coccen  handelt. 

Die  beiden  ersten  Fälle  beziehen  sich  auf  Ulcera  mollia,  die  von 
Bubonen  gefolgt  waren.  In  beiden  Fällen  erwiesen  sich  bei  der  Operation 
die  Drüsenpackete  tuberoulös  erweicht;  in  dem  2.  Fallewar  im  Ge- 
schwürssecret  der  Nachweis  von  Tuberkelbacillen  gelungen. 

In  den  5  andern  Fällen  —  Gonorrhoe  und  Tuberculose  —  gelang 
der  gleichzeitige  Nachweis  von  Tuberkelbacillen  und  Gonocoocen  2mal 
bei  bereits  anderweitiger  tuberculöser  Erkrankung.  In  2  Fällen  war 
ausser  den  im  Secret  der  Urethra  nachgewiesenen  Tuberkelbacillen  keine 
tuberculose  Erkrankung  nachzuweisen,  doch  reagirten  beide  auf  In- 
jection  von  0,01  Gr.  Tuberculin  ohne  örtliche  Reaction  mit  Fieber. 
Im  7.  Falle  handelt  es  sich  um  einen  chronischen  Harnröhrencatarrh  mit 
Tuberkelbacillen,  der  aus  einem  acuten  tubercuiös-gonorrhoischen  her- 
vorgegangen war.  Lasch. 


494  Bericht  über  die  Leistimgen  auf  dem  Gebiete 

(63)  Mal  herbe  operirte  durch  hoben  Blasensehnitt  einen  Pat.  Ton 
18  Jahren,  der  an  wiederholten  Blasenblntnngen  nnd  Sehmerzen  gelitten 
hatte.  Bei  der  endoekojHschen  Untersnchnng  schien  ein  Tnmor  vorsoliegen, 
weswegen  die  Operation  eingeleitet  wurde;  es  zeigte  sich  aber  bei  Ge- 
legenheit derselben,  dass  offenbar  ein  Blutgerinnsel  den  Tumor  vorge- 
täuscht hatte.  Statt  dessen  fand  sieh  eine  ausgedehnte  Tnbercnlose  der 
Blasenschleimhaut,  die  thermocauterisirt  wurde.  Resultat:  Bedeutende 
Besserung. 

Im  Anschluss  an  diese  Mittheilnng  erörtert  Malherbe  die  Indi- 
cationen  für  chirurgisches  Eingreifen  bei  tubercnlöeer  Gystitia,  und 
kommt  KU  dem  Schlüsse,  dass  dasselbe  bei  sicherer  Diagnose  umschrie- 
bener, auf  die  Blase  allein  beschränkter  Veränderungen  sehr  wohl  günstig 
wirken  könne,  dass  aber  die  Sicherstellnng  dieser  Diagnose  sehr 
schwierig  sei.  Barlow. 

{64)  Horteloup  beschäftigte  sich  mit  der  Behandlung  tuber- 
culöser  Prostatae  nach  Lanelongue's  Methode.  Nach  Herstellung 
einer  Perinealboutonniere  wurde  mit  einer  langen  Hohlnadel  in  die  ein- 
zelnen Prostatalappen  gestochen  nnd  Eisenchlorid  iojicirt.  Verweil- 
catheter  48  Stunden  lang.   Besserung  in  2  Fällen.  Barlow. 

(65)  Brown  stellt  einen  Kranken  mit  Tnbercnlose  der  Uro-Genital- 
wege  yor;  die  Präparate  enthielten  beinahe  Reinculturen  von  Tuberkel- 
bacillen.  Der  Kranke,  ein  Seemann,  bemerkte  zuerst  eine  leichte,  bald 
vorübergehende  Hämaturie.  Ein  Jahr  später  traten  grössere  Störungen 
beim  Uriniren  auf.  Das  Gystoskop  stellte  nichts  positives  fest  Später 
kamen  kleinere  Blutklumpen  mit  dem  Urin.  Die  seitlichen  Prostatalappen 
zeigten  sich  bei  der  Rectaluntersuchung  vergrössert  und  2  zartere  Knötchen 
fanden  sich  nahe  der  Spitze  der  Samenbläschen.   Die  Lungen  waren  frei. 

(66)  Petit  empfiehlt  zur  Behandlung  der  Blasentuberculose  eine 
lauwarme  Injection  von  160  Gr.  Wasser,  versetzt  mit  10  Tropfen  Opium- 
tinktur zu  machen«   Dieser  Mischung  wird  ein  Theelöffel  von: 

Jodoform  20*0 

Glycerin  10^ 

Aq.  dest.  6*0 

Traganth  schleim  0*5 
zugesetzt.  Nach  2  Minuten  lässt  man  die  eine  Hälfte  der  in  der  Blase  be- 
findlichen Flüssigkeit  ablaufen,    die  andere  soll  möglichst  lange  darin 
gehalten  werden.  Barlow. 

(67)  In  einem  klinischen  Vortrag  bespricht  Duplay  im  Anschluss 
an  2  Fälle  die  Pathologie  der  tnberculösen  Cystitis;  er  unterscheidet 
8  Gruppen  von  Kranken :  Solche  mit  isolirter  Blasen-,  solche  mit  Blasen- 
und  Genital*  und  solche  mit  Blasen-  und  Lungentubereulose.  Bezüglich 
der  directen  Infeotion  der  Frau  —  bei  welcher  die  Blasentuberculose 
bekanntlich  sehr  selten  ist  —  durch  den  Goitus  spricht  sich  der  Verf. 
sehr  skeptisch  aus.  Er  unterscheidet  2  Stadien  der  Krankheit,  die  oft 
unmerklich  in  einander  übergehen:  Das  erste,  das  der  „Grudit6  des  tu- 
bercnles'',   das  2.  das  der  Erweichung,   die   eigentliche  tuberculöse  „Gy- 


der  Syphilis.  495 

ttitit",  welche  sich  beBonders  durch  heftige  Sehmerzen  anzeigt.  Von  den 
Symptomen  werden  neben  den  Beschwerden  die  Haematnrie  (in  der 
leisten  Portion  der  „8  Gläser- Probe**),  Schmerzen  bei  Druck  auf  den 
Grund  der  Blase  (wo  die  Tuberkel  zun&chst  meist  sitzen  und  wo  man 
sie  er.  vom  Rectum  aus  fühlen  kann),  endlich  die  Tuberkelbaoillen  be- 
sprochen« die  aber  auch  fehlen  können.  Der  Tod  tritt  auch  bei  Patienten 
mit  Phthise  meist  durch  Uebergreifen  auf  die  Nieren  (Gachexie  urinaire) 
ein.  Therapeutisch  verwirft  Du play  die  locale  Behandlung,  —  nur  eine 
operative  Eröfinung  der  Blase  und  Curettage  kann  bei  geeigneten  F&Uen 
▼or  Allem  mit  Rücksicht  auf  die  Wünsche  des  Patienten  versucht  wer- 
den —  und  begnügt  sich  mit  diätetischen  Massnahmen.    Jadassohn. 

(68)  Aus  den  Bemerkungen  Stintzings  über  Urogenitaltubercu- 
lose  erwähnen  wir  hier  nur,  dass  der  Verf.  nicht  bloss  die  Verheiratung 
tuberculöser  Individuen  dringend  widerräth,  -*-  wogegen  wohl  Niemand 
opponiren  wird  —  sondern  dass  er  auch  verlangt,  dass  bei  den  polizei- 
ärztlichen Untersuchungen  der  Prostituirten  besonders  auf  Tubeiculose 
geachtet  und  die  tuberculösen  Individuen  unbedingt  ans  der  Reihe  der 
Prostituirten  entfernt  werden  sollen,  da  nach  seiner  Ansicht  die  Zahl 
der  durch  die  Prostitntion  veranlassten  Fälle  von  „Cobabitationstuber- 
culose*'  keine  geringe  sei.  Jadassohn. 

(69)  Unter  mehr  als  1500  Fällen  von  Influenza  hat  Zampetti 
8  Mal  Orchitis  beobachtet,  die  einmal  in  Abscessbildung  ausging, 
die  beiden  anderen  Malen  sich  sehr  schnell  zurückbildete.      Bar  low. 

(70)  Kelly's  Kranker,  ein  Mann  von  32  Jahren,  bekam  am  10.  Tagd 
eiaer  Influenza  Orchitis.   Nähere  Genitalunterauchung  nicht  erwähnt. 

B  a  r  1  o  w. 

(71)  Harris  sah  an  einem  67jährigen  Manne  im  Verlaufe  einer 
Influenza  Orchitis  auftreten.  Nähere  Untersuchung,  speciell  auf  Gonococcen, 
ist  nicht  erwähnt.  Barlow. 

(72)  Briscoe  beschreibt  einen  Fall  von  Orchitis  bei  einem 
82jährigen  Influenzakranken.  Einen  positiven  sicheren  Beweis,  dass  es  sich 
nicht  um  eine  Hodenentzündung  als  Folge  einer  irgendwie  exacerbirten 
chronischen  Urethritis  gonorrhoica  posterior  gehandelt  habe,  gibt  er  nicht. 

Barlow. 

(78)  Oestreich  demonstrirt  eine  Prostata,  bei  welcher  die  rechte 
Hälfte  die  Grösse  einer  Mannesfaust,  die  linke  die  einer  Birne  hatte.  Das 
Präparat  stammt  von  einem  Manne,  welcher  sich  2  Jahre  lang  selbst 
cathetensirte.  Ein  Abscess,  der  im  Anschluss  an  einen  falschen  Weg  ent- 
standen, hatte  eine  Perforationsperitonitis  hervorgerufen,  an  welcher 
Patient  starb.  G al  e  w  s  k  y. 

(74)  Bruce  Clarke  hat  mit  der  galvanocaustischen  Methode 
Bottini's  3  Fälle  von  Prostatikern,  die  noch  normalen  Urin,  aber  schon 
bedeutende  Mengen  von  Residualham  hatten,  geheilt  und  einen  sehr 
gebessert.  Die  Anwendung  eines  Catheters  war  nicht  mehr  nöthig,  da 
die  Patienten  nach  der  Operation  auf  natürlichem  Wege  die  Blase 
entleerten. 


496  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

DiscuBsion:  H.  Fenwick  h&lt  den  Apparat  für  zu  BchwerföUig' 
und  unpraktisch.  Besonders  tadelt  er,  dass  eine  Einwirkung  auf  den 
Mittellappen  mit  dem  Instrumente  unmöglich  sei,  während  90%  von 
Harnbeschwerden  bei  Prostatavergrösserung  durch  die  Hypertrophie  des 
Mittellappe^8  bedingt  sind.  Swinfood  bemerkt,  dass  er  keine 
eigene  Erfahrung  mit  Bottini's  Methode  hat.  Er  gebraucht  ein  modi- 
ficirtes  Prostatatoraa,  doch  sind  seine  Resultate  nur  sehr  temporär. 
Buckston  Browne  warnt  vor  der  fortwährenden  Einführung  neuer 
Methoden  und  besonders  vor  üeberschätzung  ihrer  Wirkung.  E«  konomt 
vor,  dass  die  atonische  Blase  eines  Prostatikers  wieder  vollkomxneii 
functions tüchtig  wird,  auch  ohne  jede  Operation.  Barlow. 

(75)  Pousson  hat  bei  einem  Prostatiker,  der  an  Gystitis  mit  sehr 
schmerzhaften  Krisen  litt,  den  hohen  Blasenschnitt  mit  Drainage  mit 
bestem  Erfolge  gegen  die  Entzündung  gemacht.  Die  Gystalgie  aber 
blieb  bestehen  und  Pousson  macht  darauf  aufmerksam,  dass  eine 
Operation  bei  schmerzhafter  Gystitis  durchaus  nicht  immer  auf  die 
Krisen  günstig  wirken  müsse,  während  antiphlogistisch  fast  stets  Erfolg  zu 
verzeichnen  sei.  Barlow. 

(76)  Poncet  macht  den  hohen  Blasenschnitt  bei  Prostatikern,  1. 
wenn  Gatheterismus  unmöglich  oder  2.  durch  falsche  Wege  sehr  er- 
Echwert  ist,  8.  wenn  Zeichen  von  ürinintozication  oder  4.  unstillbare 
Blutungen  in  der  Blase  vorliegen.  Erprobt  hat  er  die  Methode  an  S5 
Fällen  und  gute  Resultate  zu  verzeichnen.  Barlow. 

(77)  Goignet's  Patient,  ein  Prostatiker  von  71  Jahren,  hatte  sich 
mittcrlst  elastischen  Gatheters  einen  falschen  Weg  durch  die  ganze  Prostata 
hindurch  gebohrt,  der  in  der  Peritonealhöhle  endete. 

Lehrreich  ist  der  Fall  insofern,  als  er  zeigt,  dass  statt  des  ela- 
stischen Gatheters  bei  derartigen  Patienten  lieber  ein  Kelaton  zu  benutzen 
ist,  und  dass  man  sich  durch  die  Angaben  von  Prostatikern,  die  be- 
haupten, den  Gatheter  in  der  Blase  verloren  zu  haben,  nicht  abhalten  lassen 
soll,  zaerst  die  Harnröhre  zu  untersuchen. 

Poncet  stimmt  der  letzteren  Ausführung  auf  Grund  eigener  Er- 
fahrung bei.  Barlow. 

(78)  Key  es  plaidirt  in  Fällen  von  Prostata-Hypertrophie,  selbst  in 
scheinbar  verzweifelten  für  eine  Prostatectomie  nach  Oeffhung  der 
Blase  vom  Hypogastrium  aus.  Die  Entfernung  des  Prostatagewebes  selbst 
geschieht  mittelst  Ecraseur.  Die  Anwendung  von  Diuretin  kann  nütz- 
lich sein.  Barlow. 

(79)  Mansell  Moulin  theilt  ausfahrlich  2  Krankengeschichten 
von  Prostatikern  mit,  bei  denen  er  die  Prostatectomie  mit  verschiedenem 
Erfolge  vornahm.  Bei  dem  ersten  Pat.  musste  nur  ein  kleiner  Theil  des 
vergrösserten  Mittellappens  behufs  Herstellung  einer  ungehinderten 
Passage  entfernt  werden.  Gystitis  bestand  zur  Zeit  der  Operation  nicht. 
Hier  erholte  sich  die  Blase  fast  vollständig  von  ihrer  Atonie  und  es  trat, 
relative  Heilung  in  2  Monat^en  ein.  Anders  im  2.  Falle.  Hier  bestand  starke . 


der  Syphilis.  497 

Cyftitis  and  es  mossten  grosse  Theile  beider  Seitenlappen  der  Prostata 
excidirt  werden.    Tod  erfolgte  3  Monate  nach  der  Operation  an  Pyelitis. 

Barlow. 

(80)  Mansell  Moulin  gibt  ^eine  Anzahl  hübscher  Zeichnungen' 
von  Prostatavergrösserangen.  Unter  seinen  Ausfuhrongen  sind  hervorzu- 
heben erstens,  dass  die  Prostata  ein  rein  genitales  Organ  ist  und  mit 
der  Miction  nichts  zu  thun  hat;  zweitens,  dass  der  Beginn  der  Ver- 
grösserung  weder  auf  Bindegewebshyperplasie,  noch  auf  Atheromatose 
beruhe,  sondern  dass  ein  Drüsentumor  entsteht,  welcher  regressive 
Veränderungen  eingehen  kann;  drittens,  dass  die  mangrelhafte  Gontrac- 
tionsfahigkeit  der  Blase  nicht  primär  von  Alterationen  der  Blasen  wand, 
die  nur  secundär  sind  (Oystitis),  abhängt,  sondern  vom  obliterirenden 
Prostatatumor,  da  die  Blase  nach  zeitiger  Operation  ihre  volle  Ezpul- 
sionskraft  wiedergewinnen  kann. 

Nach  einer  genauen  Besprechung  der  verschiedenen  operativen 
Behandlungsmethoden  discutirt  M.  eingehend  die  Vor-  und  Nachlheile 
jeder  einzelnen  und  empfiehlt  schliesslich,  bei  bestehenden  Beschwerden 
und  Gomplicationen  frühzeitig  zu  operiren.  In  Fällen,  bei  denen  die 
Blase  durch  Gystitis  etc.  ihre  Function  eingebüsst  hat  und  die  Nieren 
schon  bedroht  sind,  muss  man  sich  auf  palliative  Massregeln  beschränken. 

Barlow. 

(81)  Mansell  MouUin  ist  der  Ansicht,  dass  bei  der  heutigen, 
vorgeschrittenen  Prostata  Chirurgie  die  Difi'erentialdiagnose  zwischen  den 
einzelnen  Formen  und  Arten  der  Yergrösserung  noch  nicht  genügend 
beachtet  werde.  Die  gewöhnlichen  Untersuchungsmethoden  reichen  zu 
diesem  Zwecke  nicht  aus.  Rcctaiuntersuchung  kann  nur  Aufschluss 
über  Hypertrophie  der  dem  tlectum  zunächst  gelegenen  Drüsentheile  geben. 
Ueber  das  Verhalten  der  Prostata  am  Blaseuhalse  oder  in  den  Seitenlappen 
erhält  man  keine  Aufklärung. 

Exploration  mit  der  Sonde  stellt  die  Länge  der  Pars  prostatica 
urethrae  fest  und  die  Gombination  mit  Rectaluntersuchung  kann,  be- 
sonders bei  festen  Tumoren,  zu  Resultaten  führen;  auch  eine  etwaige 
Dilatation  der  Harnröhre  im  Prostatatheil  las  st  sich  constatiren,  manch- 
mal ist  es  sogar  möglich,  über  die  Form  der  in  die  Blase  reichenden 
Drüsentheile  sich  zu  orientiren.  Die  Gystoskopie  ist  nur  von  beschränktem. 
Werthe. 

Alle  diese  Methoden  haben  aber  den  Nachtheil,  nur  den  mittleren 
Theil  der  Prostata  in  Betracht  zu  ziehen.  Ueber  die  Seitenlappen,  auch 
wenn  dieselben  so  hypertrophirt  sind,  dass  die  Harnröhre  in  Schlitzform 
comprimirt  wird,  ertheilen  sie  keine  Auskunft.  Um  nun  zu  constatiren, 
ob  der  Abfluss  des  Urins  aus  der  Blase  durch  einen  sich  klappenformig 
vorlegenden  Drüsentheil  oder  durch  Verengerung  der  Urethra  bedingt 
ist,  lässt  M.  M.  Borsäure  durch  Druck  mittelst  eines  am  £nde  offenen, 
bis  an  den  Prostatatheil  der  Harnröhre  geführten  Gatheters  einfliessen. 
Bei   klappenartigem  Verschluss   genügt   der   geringste    Druck,    um    die 


Varia. 


Deutsche  Dermatologische  Gesellschaft.  Nachdem  durch  die 
im  Juli  und  August  vorgenommene  schriftliche  Abstimmung  die  Abhaltung 
des  IV.  Congresses  unserer  Gesellschaft  zu  Pfingsten  1894  in  Breslau  be- 
schlossen und  mir  die  Geschäftsführung  för  diesen  Gongress  übertragen 
worden  ist,  beehre  ich  mich  hierdurch  zum  Besuch  unserer  Versammlung 
ergebenst  einzuladen. 

Der  Gongress  wird  stattfinden  am  Montag  (Pfingstmontag),  den  14. 
Mai  1894  und  an  den  beiden  folgenden  Tagen. 

Die  Sitzungen  werden  abgehalten  werden  von  9 — 12'/,  und  von 
2 — 47,  ühr.  Die  geschäftliche  Sitzung  ist  für  Dienstag,  den  15.  Mai,  um 
12  Um:  anberaumt.    Die  wissenschaftlichen  Hauptthemata  sind: 

1.  lieber  die  modernen  Systematisirungsversuche  in  der  Dermatologie. 
Referent:  Professor  Dr.  Kaposi. 

2.  lieber  den  gegenwärtigen  Stand  der  Lehre  von  den  Dermatomy- 
cosen.    Referent :  Professor  Dr.  Pick. 

Ausserdem  ist  bereits  eine  Anzahl  von  Vorträgen  angemeldet;  ich 
bitte  aber  um  möglichst  baldige  Anmeldung  weiterer  Vorträge  und  De- 
monstrationen, damit  recht  bald  das  vollständige  Programm  versendet 
werden  kann.  Einem  früheren  Beschluss  der  Gesellschaft  entsprechend 
werden  in  erster  Reihe  Demonstrationen  berücksichtigt  werden;  um  die- 
selben nach  Möglichkeit  zu  erleichtern,  werden  die  Heise-  und  Verpfle- 
gungskosten für  Kranke  nach  vorhergehender  Anmeldung  beim  GeschäfU- 
mhrer  von  der  Gesellschaft  getragen  werden.  In  Verbindung  mit  dem 
Gongress  wird  eine  Ausstellung  von  Instrumenten,  Arzneimitteln,  Mou- 
lagen, anatomischen  Präparaten  etc.  stattfinden;  um  möfi^lichst  frühzeitige 
Anmeldung  wird  dringend  ersucht.  Schliesslich  bitte  ich  die  Mitglieder,  mir 
alle  für  die  geschäftliche  Sitzung  beabsichtigten  Anträge,  sowie  die  An- 
meldung von  Gollegen  zur  Aufnahme  in  die  Gesellschaft  möglichst  bald 
übermitteln  zu  wollen. 

Breslau,  December  1893.  A.  Neisser. 

General-Register  zum  Archiv  für  Dermatologie  und  Sy- 
philis einschliesslich  die  Er gänzungs hefte.  Jahrgang  I — XXV. 
Wir  bringen  hiermit  zur  Kenntniss  der  Leser  dieses  Archivs,  dass  das 
schon  lange  in  Aussicht  gestellte  Generalregister  zu  unserem  Airchiv  soeben 
erschienen  ist  und  hoffen  damit  einem  allseitig  gefühlten  Bedürfnisse  ent- 
sprochen zu  haben.  Nachdem  das  Archiv  für  Dermatologie  und  Syphilis 
für  sich  das  Verdienst  in  Anspruch  nehmen  darf,  dass  in  demselben  alle 
irgendwie  berücksichtiffenswerthe  Arbeiten,  welche  auf  dem  Gebiete  der 
Hautkrankheiten  und  der  Syphilis  während  der  letzten  fünfundzwanzig 
Jahre  erschienen  sind,  im  Originale  oder  im  Referate  niedergelegt  sind, 
wird  das  Register,  das  eben  diesen  Zeitraum  (1869  bis  inclusive  1893) 
umfasst,  nicht  bloss  für  jene,  welche  das  Archiv  besitzen,  sondern  für 
alle  wissenschaftlich  Arbeitenden  ein  literarischer  Behelf  von  grösstem 
Nutzen  sein. 


Dermatologie  u  SyphiiJs.Band  XXVI. 


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oro8pemi,enbeiHaülk|.m.kheiten. 


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•chiv  fOermatologieu.  Syphilis  Band  XXVI, 


4       Fig.i. 


Fig.Z. 
lell  er 'Tuberculosis  cutis  verrucosa. 


Begründet  von  H.  Auspltz  und  F.  J.  Pick. 

ARCHIV 

für 

Dermatologie  und  Syphilis. 

Dnter  Ullwlrkiuig  tob 

Pnt.  H'CALL  AHDER80N,  Dr.  ARNIKO,  Dr.BBBBKlID,  Dr.BESNIEB,  Prof.  BBROH,  Dr.BOEOE, 
Pnr.  DOUTBELEPONT.  Fror.  SUHKIHO,  Dr.  EI.6ENBBRS,  Prof.  EPSTBIN,  Dr.  FINQBB,  Dr.  J. 
QROHnCLO,  Praf.BASLÜMD,Dr.T.HEBRA,  Dr,0.HEBZH2IMBB,Dr.H0CH8INQER,  Dr.HOKO- 
VITZ,  Dr.  JADABSOHK,  Prot.  JANOWSKT,  Prot.  JABISCH,  Prof.  KÖBHER,  Dr.  KOPF,  Prof. 
LAKO,  Dr.  LBDEBMANN,  Fror.  LiBLOIR,  Prof.  LESBER,  Prof.  LUKASIEWIOZ,  Dr.  LUSTGARTEN, 
Dr.  An  ICBSKIL,  Dr.  MRAOEZ,  Prot.  mnmAHN,  Dr.  OBERI.ÄNDEB,  Prof.  P1ITI1S8EN,  J.  K. 
PBOK80H,  Pror.BBDEB,  Dr.lUHHI<,Dr.  RÖNA,  Dr.O.  ROBBNTHAL,  Dr.aOHIFF,  Dr.  HCHOTZ, 
Dt.  SOHITSTER,  Prof.  BOHWIiaaiR,  Dr.  BZADES,  Prof.  TARNOWSKY.  Dr.  TOITTON,  Dr. 
DIJJtANN,  Dr.  VBIEL,  Dr.  t.  WATRA8ZBWSKI,  Dr.  WELANDEB,  Dr.  WINTERNTTZ, 
Prof.  WOI,FF,  Dr.  ».  ZEIS8L 

DQd  In  OamgloMhin  mll 

Prot  Oaspary,      Prof.  Kaposi,      Prof.  Lema,     Prof.  Neisser, 

■5Hltib»F  Wlca  Berlin  B  real  au 

herausgegeben  von 

Prof.  F.  3.  Piek  im  Prag. 
Siebenundzwanzigster  Band. 


Mit  dreinhn  Tafeln  und  10  Abbildungen  im  Texte. 


Wien  und  Leipzig. 

Wilhelm    Branmöller, 


Bnd  UniTenlUtabBcbUadlar. 


IV  Inhalt. 

Paff. 

Aus  der  Univers.-Klinik  für  Haatkrankheiten  des  Prof.  Dr.  A.  Wolff 
in  Strassburg.  lieber  das  Yorkommen  yon  Nerven  in  spitzen  Condy- 
lomen. Von  A.Reisner,  Assist,  der  Klinik.  (Hierzu  Taf.  XII,  XIII.  >    385 

Ueber  den  Pleomorpbismus  pathogen  er  Hypht^myceten.  Von  I'ranz 
Kr41  in  Prag 397 

Anhang. 

Die  mikroskopische  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  (Ein 
Rückblick  auf  die  letzten  zehn  Jahre.)  Von  Dr.  R.  Ledermann, 
Arzt  far  Hautkrankheiten  und  Dr.  Ratkowski,  prakt.  Arzt  in 
Berlin.    (Fortsetzung) 73,  236,  407 

Bericht  Ober  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Dermatologie 

und  Syphilis. 

Verhandlungen  der  Berliner  dermatol.  Vereinigung    ....   96,  302,  48i) 

Verhandlungen  der  Wiener  dermatol.  Gesellschaft 87,  309,  427 

Venerische  Krankheiten 129,  273,  446 

Hautkrankheiten 103,  259 

Buchanzeigen  und  Besprechungen 157,  319,  473 

Varia 157,  319,  475 


Originalabhandlungen . 


Archiv  f.  Dermatol.  u.  Sjrpbil.  Band  XXVII. 


Aus  der  Klinik  fOr  Syphilis  und  Hautkrankheiten  der 

k.  üniversit&t  in  Turin. 


lieber  einen  Fall  von  Ichthyosis  mit 
Hypertrophie  der  Schweissdrüsen. 


Von 

Prof.  8.  Criovannini. 

(Hierzu  Taf.  I,  11  und  HI.) 


In  der  hiesigen  Klinik  habe  ich  mehrere  Monate  lang 
einen  Fall  von  Ichthyosis  unter  Augen  gehabt,  der  mir  wegen 
einiger  klinischen  und  anatomischen  Besonderheiten,  die  er  dar- 
bot, von  einigem  Interesse  schien. 

Patientin  ist  ein  Mädchen  von  13  Jahren,  das  hinsichtlich 
der  Entwicklung  und  der  Bildung  des  Körpers  nichts  Bemerkens- 
werthes  darbietet. 

Bei  der  Untersuchung  desselben  fallen  die  schweren  Ver- 
änderungen auf,  die  sie  aufweist,  Veränderungen,  welche  die 
Homschichte,  das  Corium,  die  Nägel  und   die  Haare   betreflfen. 

Die  Homschichte  ist  bei  der  Kranken  in  verschiedenem 
Masse  verdickt  und  hat  das  Aussehen,  das  sie  bei  Ichthyosis 
anzunehmen  pflegt.  Der  höchste  Grad  der  Verdickung  der  Hom- 
schichte wird  von  der  sogenannten  Ichthyosis  histrix  dar- 
gestellt. Diese  Ichthyosisform  tritt  mehr  als  anderswo  an  den 
Handflächen  und  den  Fusssohlen  hervor. 

An  den  Fusssohlen  erreicht  die  Homschichte  eine  so 
enorme  Dicke,  dass  sie  sich  wie  dicke  Holzschuhe  ausnimmt. 
An  der  Peripherie,  wo  die  Homschichte  mächtiger  ist  als  gegen 
die  Mitte  der  Fusssohle,  variirt  ihre  Dicke  zwischen  2  und  3 
Cm.  Die  grösste  Dicke  wird  an  den  Fersenrändern  angetroffen. 
Verdickung   der  Homschichte  findet   sich  ebenfalls,   wenn  auch 

1* 


4  G  i  o  V  a  ti  n  i  11  i. 

in  geringerem  Grade,  an  der  Plantai-fläche  der  Zehen  und  um 
die  Nägel  herum. 

An  den  Handflächen  erscheint  die  Homschichte  besonders 
an  den  Daumen-  und  Kleinfingerballen  verdickt,  wo  sie  eine 
Mächtigkeit  von  etwa  1  Cm.  erreicht.  Etwas  weniger  beträchtlich 
ist  ihre  Dicke  an  der  Palmarfläche  der  Finger  und  um  die 
Nägel  herum. 

An  allen  obenerwähnten  Körpertheilen  weist  die  verdickte 
Homschichte  eine  sehr  grosse  Zahl  verschieden  breiter  Risse 
auf,  die  sie  nach  allen  Richtungen  hin  durchfurchen.  So  werden 
lauter  hornige  Inseln  von  verschiedener  Gestalt  und  verschie- 
denem Aussehen  gebildet.  An  der  Fusssohle  zeigt  die  äussere 
Oberfläche  dieser  Inseln,  besonders  an  den  Stellen,  an  denen 
sie  mit  dem  Boden  mehr  in  Berührung  kommt,  jene  Glätte 
und  jenen  Glanz,  wie  sie  dem  Hom  gewisser  Thiere  eigen  sind. 

Am  übrigen  Körper  ist  der  Hystricismus  viel  weniger  be- 
deutend und  nimmt  die  Form  dünner,  stachelartiger,  eng  bei 
einander  liegender  Excrescenzen  an.  So  an  den  beiden  Kniekehlen, 
an  der  Streckseite  der  Knie,  am  Nabel,  an  der  Streckseite 
der  Ellbogen,  am  obem  Drittel  der  Hinter-  und  der  Aussenseite 
des  linken  Vorderarms  und  an  der  Streckseite  der  Handgelenke. 
Die  mächtigsten  Stacheln  befinden  sich  an  den  Eiiiekehlen,  wo 
sie  im  Durchschnitt  eine  Länge  von  Vs  C^'  haben. 

Die  verdickte  Homschichte  bietet  sich  auch  unter  der 
Form  von  1 — 3  Mm.  dicken  Platten  dar,  die  an  Ausdehnung 
und  Gestalt  den  für  die  Ichthyosis  serpentina  charakte- 
ristischen Platten  gleichen.  Mehr  oder  weniger  ausgedehnte 
Flecken  dieser  Ichthyosisform  finden  sich  auf  dem  Fussrücken 
und  an  der  Fussbiege,  an  der  Innen-  und  der  Hinterseite  der 
Beine,  an  den  Seiten  des  Knies,  an  der  Vorder-  und  der  Aussen- 
seite der  Schenkel,  an  verschiedenen  Stellen  des  Bauches  und 
der  Lenden,  an  der  Aussenseite  der  Oberarme,  an  der  lunen- 
imd  der  Aussenseite  des  rechten  Vorderarms,  auf  dem  Rücken 
der  Hände  und  der  Finger. 

Das  Gorium  ist  bei  der  Affection  in  besonderer  Weise  in 
Mitleidenschaft  gezogen.  Am  obem  Theile  der  Bmst,  am  Halse, 
am  Kopfe,  wo  die  Homschichte  bei  oberflächlicher  Beobachtung 
nicht  bedeutend  verändert  erscheint,  weist  die  Oberfläche  des 


Ein  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüsen.  5 

Coriams  zahlreiche  Elevationen  auf,  die  ihr  ein  aii  die  soge- 
nannte Ichthyosisanserina  eiinnemdes  Aussehen  verleihen 
(Tafel  L  II  Fig.  1).  Doch  wie  wir  bei  Behandlung  der  patholog.- 
' anatomischen  Verhältnisse  sehen  werden,  stehen  diese  Erhebungen 
im  speciellen  Falle,  nicht,  wie  es  gewöhnlich  der  Fall  ist,  mit  den 
Haarfollikeln  in  Verbindung,  sondern  mit  den  Poren  der  hyper- 
trophischen Schweissdrüsen ;  wir  werden  sie  deshalb,  da  sie  in 
der  Dermatologie  noch  keinen  Namen  haben,  hier  provisorisch 
Prominenzen  der  Schweissporen  nennen. 

Diese  Erhebungen  sind  meistens  kegel-  oder  halbkugel- 
förmig, und  nur  an  den  dicken  Falten  der  Haut  erscheinen  sie 
mehr  oder  weniger  abgeplattet,  fast  wie  Kämme. 

Ihre  Grösse  variirt  sehr :  von  der  Grösse  eines  mit  blossem 
Auge  kaum  wahrnehmbaren  Punktes,  alle  Grade  durchschreitend, 
bis  zu  der  eines  Hirsekorns.  Die  grössten  Erhebungen  haben 
nicht  mehr  als  4  Mm.  Höhe  und  befinden  sich  an  den  Knie- 
kehlen, an  den  Achselhöhlen  und  am  Halse;  die  kleinsten  trifft 
man  an  der  Stirn,   au   den  Wangen  und   den  Augenlidern  an. 

Sie  haben  nicht  immer  die  gleiche  Farbe.  Bleibt  die  Kranke 
im  Zimmer  und  ohne  Bewegung,  dann  haben  sie  die  Farbe  der 
normalen  Haut  oder  sind  ein  wenig  geröthet.  Aber  sobald 
die  Kranke  sich  nur  ein  bischen  Bewegung  in  der  Sonne  macht 
oder  sich  anstrengt,  nehmen  die  Prominenzen  eine  dunkelrothe, 
zuweilen  in's  bläuliche  fallende  Farbe  an,  deren  Intensität  im  all- 
gemeinen im  Verhältniss  zur  Grösse  der  Prominenzen  steht.  Die 
ßöthe  verschwindet,  wenn  man  mit  dem  Finger  oder  mit  einem 
Glase  dai'auf  drückt  und  hinterlässt  eine  leicht  gelbliche  Färbung. 

Betrachtet  man  diese  Prominenzen  durch  ein  Linsenglas, 
so  sieht  man  auf  dem  Gipfel  der  meisten  kleine  hornige  Haufen 
sich  erheben,  die  nicht  selten  die  Foim  ganz  feiner  Kegel  oder 
Zapfen  haben. 

Diese  Prominenzen  liegen  ganz  dicht  beieinander,  und  wenn 
sie  auch  an  einigen  Stellen  nur  vereinzelt  vorkommen,  so  be- 
rühren sie  sich  doch  an  anderen  mit  ihrer  Basis,  so  dass  sie 
hier  der  Haut  ein  chagiinartiges  Aussehen  geben. 

Ausser  an  den  obenerwähnten  Theilen  werden  die  Erhe- 
bungen auch  an  den  mit  Ichthyosis  histrix  und  serpentina  be- 


6  Giovannini. 

hafteten  Eörperstellen  angetroffen,  sobald  man  hier  die  hornigen 
Auflagerungen  entfernt.  Es  geht  also  daraus  hervor,  dass  diese 
Erhebungen  sich  auf  fast  der  ganzen  Körperoberfläche  finden. 
Ganz  frei  davon  sind  nur  das  äussere  Ohr  und  die  an  verschie- 
denen Körperstellen  vorhandenen  Narben.  Hier  sei  noch  des 
Umstandes  erwähnt,  dass  die  Ohren  der  einzige  Körpertheil 
sind,  bei  welchem  die  Cutis  ein  ganz  normales  Aussehen  hat. 

Diese  Erhebungen  oder  Prominenzen,  der  Schweissporen 
haben  in  ihrer  Gesammtheit  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  den 
Erhebungen  der  Haarfollikel,  die  man  bei  der  Ichthyosis  anserina 
beobachtet,  von  denen  sie  sich  besonders  durch  drei  Umstände 
unterscheiden,  nämlich  durch  das  Fehlen  jeder  Spur  von  Haar 
in  ihrem  Innern,  durch  eine  grössere  Confluenz  und  eine  weniger 
regelmässige  Anordnung. 

Die  Ichthyosis  histrix  ist  nur  an  den  Handflächen 
und  den  Fusssohlen  scharf  begrenzt;  am  übrigen  Körper  geht 
sie  einerseits  allmälig  in  die  Ichthyosis  serpentina  über  und 
verfliesst  andererseits  mit  den  sich  auf  den  Prominenzen  der 
Schweissporen  erhebenden  hornigen  Kegeln,  welche  auf  diese 
Weise  fast  die  leichteste  Form  des  Hystricismus  darstellen. 

Wie  zum  Theil  schon  aus  dem  Obengesagten  hervorgeht, 
sind  die  verschiedenen  Ichthyosisformen  fast  symmetrisch  auf 
den  beiden  Körperhälften  vertheilt. 

Die  hornigen  Verdickungen  haben  eine  sehr  verschiedene? 
und  oft  unbestimmbare  Farbe.  An  den  Handflächen  und  den 
Fusssohlen  herrscht  eine  zwischen  Gelblichweiss  und  mehr  oder 
weniger  dunklem  Kastanienbraun  schwankende  Farbe  vor.  An 
den  anderen  Körpertheilen,  wo  die  Homschichte  ein  stachel- 
artiges Aussehen  hat,  schwankt  ihre  Farbe  zwischen  Grau  und 
Schwarz.  Eine  dunkelgraue  Färbung  weisen  oft  auch  die  Hom- 
platten  auf. 

Bezüglich  des  Venvachsenseins^der  Hornschichte  mit  den 
daininter  liegenden  Geweben  ist,  je  nachdem  es  sich  um  die 
Handflächen  und  Fusssohlen  oder  um  den  übrigen  Körper  handelt, 
ein  bedeutender  Unterschied  vorhanden.  An  den  erstgenannten 
Körpertheilen  ist  die  Homschichte  so  fest  mit  den  darunter 
liegenden  Geweben  verwachsen,  dass  sie  sich  nur  schwer  davon 
loslösen    lässt.   An   den   anderen  Körpertheilen   dagegen   lassen 


Ein  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüsen.         7 

sich  die  hornigen  Stachehi  und  Platten  überall  mehr  oder  we- 
niger leicht  lostrennen. 

In  entsprechender  Weise  verhält  es  sich  mit  dem  Cohäsions- 
grad  der  die  Homschichte  zusammensetzenden  Elemente. 
Während  die  hornigen  Auflagerungen  an  den  Handflächen  und 
den  Fusssohlen  einen  bedeutenden  Grad  von  Festigkeit  auf- 
weisen, zeigen  die  hornigen  Stacheln  und  Platten  an  den  übrigen 
Körpertheilen  einen  nur  schwachen  Zusammenhang  ihrer  Elemente 
und  lassen  sich  leicht  zerstückeln. 

Die  Nägel,  die,  wie  gesagt,  ganz  von  einen  bedeutenden 
Grad  von  Hystricismus  aufweisender  Cutis  umgeben  sind,  zeigen 
alle  beträchtliche  Veränderungen. 

Zunächst  sind  sie  alle  dicker  als  de  norma.  Jedoch  variirt 
die  Dicke  sehr  an  den  verschiedenen  Nägeln,  indem  sie  zwischen 
einem  Minimum  von  2  Mm.  und  einem  Maximum  von  14  Mm. 
schwankt.  Im  Allgemeinen  sind  die  Nägel  an  den  Füssen  dicker 
als  die  Nägel  der  Hände. 

Im  Gegensatz  zu  ihrer  Verdickung  steht  die  Thatsache, 
dass  sie  eine  schmälere,  und  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  auch 
kürzere  Basis  haben  als  gewöhnlich.  Aus  verschiedenen  Ver- 
gleichen, die  ich  mit  gesunden  Nägeln  von  Mädchen  machte, 
welche  das  Alter  der  Patientin  hatten,  ging  hervor:  dass  bei 
dieser  letzteren  der  Querdurchmesser  der  Basis  bei  allen  Nägeln 
1  bis  6  Mm.  schmäler  ist  als  de  norma,  dass  bei  14  Nägeln 
auch  der  Längsdurchmesser  der  Basis  1  bis  5  Mm.  kürzer  ist. 

Die  Richtung  der  Nägel  ist  in  zweifacher  Hinsicht  eine 
von  der  Norm  abweichende:  einerseits  weichen  die  einzelnen 
Nägel  mit  ihrem  vorderen  Theile  bald  nach  innen,  bald  nach 
aussen  von  der  Achse  der  betreffenden  Phalangen  ab;  anderer- 
seits statt  nach  vom  gerichtet  zu  sein,  erheben  sie  sich  in 
fast  verticaler  Richtung  von  ihrem  Bette. 

Ganz  besonders  auffallend  und  verschieden  ist  die  Ge- 
staltung der  Nägel. .  Sie  sind  nicht  platt,  sondern  ähneln  mehr 
kegelförmigen  Stümpfen,  Prismen,  Parallelepipeden  u.  s.  w.  An 
ihrer  Oberfläche  fijiden  sich  mehr  oder  weniger  deutlich  an- 
gedeutete, in  verschiedener  Richtung  verlaufende  Riimen.  An 
mehreren  Stellen  erscheint  ihre  Oberfläche  rauh  und  wie  zer- 
fressen.    Die  Nägel   des  Daumens,   des  Zeige-  und  des  Gold- 


3  QioTannini. 

fingers  der  rechten  Hand  weisen  je  eine  oder  zwei  Höhlungen 
auf,  die  sich  mit  den  vom  Holzwurm  im  Holz  gegrabenen  ver- 
gleichen lassen.  Der  Nagel  der  grossen  Zehe  des  linken  Fusses 
bietet  eine  YoUständige  fortlaufende  Auflösung  dar  auf  einer 
Strecke,  die,  bei  normalen  Verhältnissen,  ungefähr  der  Lunular- 
region  entsprechen  würde.  Der  Nagel  des  Zeigefingers  der 
rechten  Hand  zeigt,  ausser  einer  ähnlichen  fortlaufenden  Auf- 
lösung in  seiner  Mitte,  eine  Längsspalte. 

Die  Nägel  sind  alle  ohne  Glanz  und  ganz  undurchsichtig. 
Ihre  Farbe  variirt  zwischen  Gelblichweiss  und  mehr  oder  weniger 
dunklem  Kastanienbraun. 

Einen  seltsamen  Contrast  zu  der  Hypertrophie  der  Horn- 
schichte  und  der  Nägel,  die  man  bei  der  Patientin  beobachtet, 
bildet  die  Thatsache,  dass  diese  eine  fast  vollständige 
und  auf  die  ganze  Körperoberfläche  verbreitete 
Alopecie  darbietet.  Mit  blossem  Auge  kann  man  bei  der 
Patientin  keinerlei  Haarwuchs  wahrnehmen.  Nur  das  mit  einer 
Linse  bewa£fnete  Auge  vermag  hier  und  dort,  an  Stelle  der 
Kopfhaare,  der  Wimpern  und  der  Augenbraune,  einige  gewöhn- 
lich farblose,  höchstens  1  oder  2  Mm.  lange  Härchen  zu  er- 
kennen. Am  ganzen  übrigen  Körper  findet  man,  auch  wenn  man 
durch  ein  Linsenglas  sieht,  keine  Spur  von  Haaren  oder  Flaum. 

Patientin   hat   eine  Stator  von  1'285  M.  and   wiegt  21   Kilo. 

Das  Muskelsystem  und  das  Unterhautfettgewebe  sind  bei  ihr  mittel- 
mässig  entwickelt. 

Die  sichtbaren  Schleimhäute  sind  normal. 

Die  Haut  zeigt  im  Grade  ihrer  Elasticität  keine  Modification.  Ent- 
gegen der  Norm  lässt  sich  die  Kopfhaut  leicht  in  hohe  Falten  erheben. 

Die  Schweissabsonderung  ist  sowohl  an  den  in  höherem  Grade  von 
der  Hyperkeratosis  betroffenen  Körpertheilen  als  auch  am  übrigen  Körper 
erhalten;  ja  die  Kranke  hat  anhaltend  Hyperidrosis  an  den  Achselhöhlen. 

Was  die  sensiblen  und  tactilen  Empfindungen  anbetrifft,  so  ist  der 
Tastsinn  an  allen  Körpertheilen,  aber  besonders  an  den  Handflächen,  den 
Fusssohlen  und  den  Knien  ein  feiner. 

Die  Empfindung  für  Schmerz  ist  überall  eine  feine. 

Die  Kranke  empfindet  überall  sehr  gut  Wärme  und  Kälte.  Doch 
muss  dort,  wo  die  Hornschichte  sehr  dick  ist,  die  Berührung  mit  dem 
warmen  oder  kalten  Körper  längere  Zeit  dauern,  damit  sie  die  Temperatur 
richtig  wahrzunehmen  vermöge;  andernfalls  verwechselt  die  Kranke  oft 
die  Empfindungen  der  Wärme  und  der  Kälte. 

Der  Dnicksinn,  das  Muskelgefuhl  und  derRaumsinn  sind  überall  normal. 


Ein  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüsen.         9 

EbenMls  normal  ist  die  faradische  Reizbarkeit  der  Nerven  und 
der  Muskeln. 

Dort,  wo  die  Hornschichte  verdickt  ist,  ist  keine  Sensibilität  für.  den 
inducirten  Strom  vorhanden,  während  diese  Sensibilität  an  den  übrigen 
Haatstellen  normal  ist. 

Es  wurde  auch  der  elektrische  Widerstand  geprüft,  indem  die 
Elektroden  auf  die  Handflächen,  auf  die  Fusssohlen  und  auf  andere  Kurper- 
stellen, an  denen  die  Hornschichte  am  meisten  verdickt  erscheint,  gelegt 
wurden.  Im  Vergleich  zu  einem  gesunden  mit  Patientin  gleichaltrigen 
Mädchen,  bei  welchem  die  Untersuchung  auf  genau  dieselbe  Weise  vor- 
genommen wurde  ergibt  sich,  dass  bei  unserer  Patientin  die  Schnelligkeit 
mit  welcher  der  elektrische  Widerstand  sinkt,  bedeutend  geringer  ist;  je 
nach  den  untersuchten  Hautstellen  und  der  verschiedenen  elektromotori- 
schen Kraft  die  angewendet  wird,  ist  das  erreichte  Minimum  um  ein 
Drittel  bis  um  die  Hälfte  höher  als  de  norma. 

Die  Rectaltemperatur  der  Kranken,  zwei  Monate  lang  täglich  mehrere 
Male  gemessen,  hat  im  Durchschnitt  zwischen  37*3^  und  37*5'  geschwankt. 
Bemerkenswerth  ist,  dass,  wenn  die  Kranke  ein  Bad  nimmt,  die  Temperatur 
oft  auf  einige  Stunden  auf  38*2  •  bis  38-6"  steigt. 

Puls  und  Respiration  normal. 

Es  wurde  auch  der  StoflFwechsel  bei  der  Kranken  studirtj  die  er- 
haltenen Resultate  werde  ich  jedoch  in  einer  anderen  Publication  mittheilen. 

Was  die  Krankheitsgeschichte  betrifft,  ist  festgestellt,  dass 
Patientin  schon  bei  der  Geburt  den  grössten  Theil  der  Verän- 
derungen deutlich  darbot,  die  man  jetzt  bei  ihr  beobachtet, 
d.  h.  sie  wies  keinerlei  Haarwuchs  auf,  hatte  eine  unebene 
Cutis  und  ihre  Nägel  waren  missgestaltet  und  etwas  dicker  als 
de  norma. 

Die  ersten  Anzeichen  von  Verändening  der  Epidermis 
traten  erst  im  Alter  von  2  Monaten  auf.  Die  Veränderung  be- 
stand zuerst  in  Abschülferung  kleinster  Schüppchen,  die  auf 
der  Streckseite  der  Handgelenke,  auf  der  Streckseite  der  Ell- 
bogen und  der  Knie  stattfand.  Bald  nachher  wurde  auch  eine 
leichte  Verdickung  der  Honaschichte  an  den  Handflächen  und 
den  Fusssohlen  wahrgenommen. 

Mit  dem  Wachsen  des  Kindes  wurde  die  Verdickung  der 
Hornschichte  an  den  letztgenannten  Körpertheilen  immer  be- 
trächtlicher, die  Nagel  nahmen  inmier  mehr  an  Dicke  zu  und 
auf  die  einfache  Schüppchenerzeugung ,  die  sich  schon  auf 
andere  Körpertheile  ausgedehnt  hatte,  folgten  allmälig  die 
Formen  der  Ichthyosis  serpentina  und  histrix. 


10  Giovannini. 

Nach  Vollendung  des  ersten  Lebensjahres  war  das  Krank- 
heitsbild schon  in  seinem  ganzen  Umfange  skizzirt;  in  den 
darauf  folgenden  Jahren  traten  die  verschiedenen  Ichthyosis- 
foimen,  ohne  je  einen  Rückgang  anzudeuten,  immer  deutlicher 
hervor. 

Während  des  Aufenthaltes  der  Kranken  in  der  Klinik 
liessen  wir  es  uns  ganz  besonders  angelegen  sein  festzustellen, 
wie  lange  Zeit  die  Hornsclüchte  zu  ihrem  Wachsthum  braucht. 
Aus  den  unternommenen  Untersuchungen  geht  hervor,  dass  die 
Hornschichte  an  den  Handflächen  und  den  Fusssohlen,  wenn 
sie  entfernt  ^drd,   etwa  3  Monate  braucht,   um  die  Dicke  von 

2  Mm.  zu  erreichen. 

Patientin  ist  aus  Camino  Monferrato  gebürtig. 

Ihr  Vater,  ein  jetzt  im  53.  Jahre  stehender  Arbeiter  ist  regelmässig 
gebaut  und  kräftig;  er  ist  dem  Trünke  ergeben.  Die  Mutter,  die  jetzt 
37  Jahre  zählt,  ist  etwas  schwächlich  von  Körper  aber  von  regelmässiger 
Gesichtsbildung.  Beide  Eltern  haben  sich  stets  der  besten  Gesundheit  er- 
freut, haben  eine  braune  Hautfarbe  und  dichtes  schwarzes  Haar.  Die  Mutter 
weist  einen  gewissen  Grad  von  Seborrhoe  im  Gesichte  auf. 

Patientin  hat  einen  einzigen  Bruder,  der  20  Monate  älter  ist  als  sie, 
eine  regelmässige  Genichtsbildung  zeigt  und  gesund  ist. 

Von  den  Eltern  und  deren  Verwandten  ist  kein  Fall  von  Haut- 
erkrankung bekannt,  der  sich  in  irgendwelcher  Weise  mit  dem  hier  be- 
schriebenen vergleichen  Hesse. 

Die  Mutter  trug  Patientin  im  Leibe,  während  sie  noch  ihr  erstes 
Kind  säugte  und  da  sie  von  ihrem  schwangern  Zustande  nichts  wnsste, 
fuhr  sie  die  zwei  ersten  Monate  der  Schwangerschaft  mit  dem  Säugen  fort. 
Während  dieser  Zeit  war  sie  beständig  von  Uebelkeit  belästigt  und  hatte 
ausserdem  starke  Schmerzen  an  allen  Gelenken,  besonders  aber  an  den 
Fussgelenken.  Diese  Schmerzen  waren  weder  von  Anschwellung  der  Ge- 
lenke, noch  von  Fieber  begleitet  und  hörten  auf,  als  sie  mit  dem  Säugen 
aufhörte.  Femer  war  sie  während  der  ganzen  Schwangerschaft  beständig 
von  Kummer  und  Verdruss  gequält,  so  dass  sie  oft  weinte. 

Das  Kind  wurde  in  normaler  Zeit  geboren  und  12  Monate  lang  von 
di'r  Mutter  gesäugt. 

Im  Alter  von  6  Jahren  litt  Patientin  während  der  Monate  April  und 
Mai  am  Keuchhusten  und  dieser  stellte  sich  bis  zu  ihrem  11.  Lebensjahre 
alle  Jahre  regelmässig  um  dieselbe  Zeit  wieder  ein.  In  diesem  Alter  bekam 
sie  auch  die  Masern  und  musste  deshalb  8  Tage  lang  das  Bett  hüten. 

Vom  6.  bis  zum  10.  Lebensjahre  litt  sie  an  Ekzema  crustosum  an 
der  Kopfhaut,  an  mehreren  Stellen  Karben  zurückliess.  Zu  dieser  Zeit 
entzündete  sich  auch  eine  Lymphdrüse  an  der  linken  Seite  des  Halses,  die 
in  Eiterung  überging. 


Ein  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüsen.       H 

Von  zur  Ichthyosis  in  Beziehung  stehenden  Belästigongen  hatte  sie 
hauptsächlich  die  durch  die  Hypertrophie  der  Nägel  verursachten  auszu- 
stehen, indem  sich  die  um  diese  herum  gelegenen  Gewebe  leicht  zerreissen 
und  entzünden.  Mehrmals  wurden  diese  Gewebe,  besonders  an  den  Händen, 
von  eiternder  Entzündung  betroffen,  die  bisweilen  wochenlang  dauerte. 
Wenn  sich  die  Nägel,  w^ie  dies  nicht  selten  geschah,  in  Folge  dieser  Ent- 
zündung ablösten,  so  bildeten  sie  sich  im  Verlauf  von  etwa  3-— 4  Monaten 
wieder  neu.  Es  scheint  jedoch,  dass  einige  der  neugebildeten  Nägel  nie 
wieder  die  Dicke  der  abgefallenen  erreichten. 

Oft  wurde  sie  auch  von  Rhagaden  belästigt,  die  sich  bald  hier,  bald 
dort  an  den  Handflächen  und  den  Fusssohlen  zwischen  den  Bissen  der 
verdickten  Homschichte  bildeten. 

Am  übrigen  Körper  verursachte  die  Ichthyosis  ausser  einem  zuweilen 
von  leichtem  Stechen  begleiteten  Hitzegefühl  der  Patientin  keine  Belästi- 
gungen. Patientin  hat  geweckten  Verstand  und  zeichnet  sich  durch  ihre 
nicht  gewöhnliche  Schlauheit  aus. 

Die  verschiedenen  Kuren,  die  sie  in  und  ausserhalb  der  Klinik 
durchgemacht  hat,  hatten  kein  anderes  Resultat,  als  die  zeitweilige  Ab- 
lösung der  verdickten  Homschichte. 

Pathologisch-anatomischer  Befund. 

Zur  mikroskopischen  Untersuchung  hat  Patientin  bereit- 
willig sechs  Hautstücke  geliefert.  Zwei  derselben  wurden  von 
zwei  verschiedenen  Stellen  des  Capillitium  genommen,  zwei 
andere  von  zwei  verschiedenen  Stellen  einer  Fusssohle,  eines 
von  einer  Seite  des  Halses  und  eines  von  einer  Handfläche. 
Demnach  konnte  sowohl  die  in  leichtem,  als  die  in  höchstem 
Grade  veränderte  Haut  der  mikroskopischen  Untersuchung 
unterworfen  werden. 

Auch  die  Nägel,  sowohl  der  Füsse  als  der  Hände  sind 
einer  histologischen  Untersuchung,  unterworfen  worden.  Ein 
einziger  Nagel,  nämlich  der  der  grossen  Zehe  des  rechten  Fusses, 
der  sich  in  Folge  einer  Entzündung  seines  Bettes  losgelöst 
hatte,  konnte  ganz  untersucht  werden;  von  den  anderen  Nägeln 
wurden  nur  Bruchstücke  untersucht. 

Haut  und  Nägel  wurden  zum  Theil  in  Flemming'scher 
Flüssigkeit  (Chromosmiumessigsäure),  zum  Theil  in  absolutem 
Alkohol  fixirt. 

Die  Schnitte  wurden  in  verschiedener  Richtung  und  in 
Serien  angefertigt. 

Die  Schnitte  von  in  Flemming'scher  Flüssigkeit  fixii-ten 
Hautstücken   oder  Nägeln   wurden   mit  Methylviolett   oder  Sa- 


12  Giovannini. 

franin  gefärbt;  die  Schnitte  von  in  absolutem  Alkohol  fixirten 
Stücken  wurden  zum  Theil  nach  der  Bizzozero'schen  Methode 
(Jod-Chromsäure)  und  zum  Theil  mit  Hämatoxylin,  Pikrocaiinin 
und  Alauncarmin,  Boraxcarmin  und  Borsäurecarmin  gefärbt. 
Eine  gewisse  Anzahl  Hautschnitte  wurde  auch  mit  Orcein- 
lösungen  gefärbt,  die  nach  den  für  die  Untersuchung  des  ela- 
stischen Gewebes  angegebenen  Formeln  bereitet  worden  waren. 
Beim  Studium  der  Hautverletzungen  wurden  zu  den  Ver- 
gleichen zahlreiche  Präparate  normaler,  sowohl  einem  mit  Pa- 
tientin gleichartigen  Mädchen,  als  Individuen  verschiedeneu 
Alters  und  Geschlechts  entnommener  Haut  benutzt.  Ausser  der 
einfachen  Beobachtung  bediente  ich  mich  bei  den  Vergleichen 
häufig  mittels  der  Camera  lucida  ausgeführter  Zeichnungen. 

Corium 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  der  Haut  findet 
man,  dass  die  Papillen,  obgleich  deren  Basis  die  gewöhnliche 
Dicke  behalten  hat,  alle  mehr  oder  weniger  verlängert  sind. 
Während  sie  am  Kopfe  und  am  Halse  nur  doppelt  so  lang  sind 
als  de  norma,  erreichen  sie  an  den  Handflächen  und  den  Fuss- 
sohlen  die  8-  bis  4fache  der  normalen  Länge. 

Das  Corium  erscheint  von  noimaler  Dicke.  Sein,  beson- 
ders an  dem  Papillartheil  an  Zellen  reiches  Bindegew^ebe  zeigt 
nichts  Anormales.  Ziemlich  häufig  werden,  besonders  in  der 
Nähe  der  Gefässe,  körnige  Zellen  angetroffen. 

Das  elastische  Gewebe,  in  verschiedenen  Schnitten  der 
Kopf-  und  der  Fusssohlenhaut  untersucht,  weicht  im  Aussehen, 
in  der  Ausdehnung  und  in  der  Art  der  Vertheilung  nicht  er- 
heblich von  der  Norm  ab. 

Im  Capillitium  sind  die  elastischen  Fasern  sehr  zahlreich. 
Im  Retetheil  des  Coriums  verflechten  sie  sich,  oft  der  Richtung 
der  Bindegewebsfaserbündel  folgend,  auf  die  verschiedenste 
Weise.  Oben  dringen  viele  Fibrillen,  meistens  in  verticaler  Rich- 
tung, in  die  Papillen  ein,  durchlaufen  dieselben  in  verschiedener 
Richtung,  um  sich  dann,  in  kurzer  Entfernung  von  der  Epi- 
dermis, an  verscliiedenen  Stellen  zu  vereinigen  und  zu  ver- 
flechten,  so  ein  zartes  Netzwerk  bildend. 

In  der  Haut  der  Fusssohlen  sind  die  elastischen  Fasern 
in  reichlicher  Menge  im  Papillartheile  des  Coriums  vorhanden. 


Kill  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüsen.      13 

Einen  fast  geradlinigen  Verlauf  beibehaltend,  durchziehen  sie 
mit  dem  grössten  Theil  ihrer  Länge  die  Papillen,  ohne  dass 
man  jedoch  an  irgend  einer  Stelle  die  Bildung  eines  subepi- 
thelialen Netzwerks  zu  erkennen  vermag.  In  geringer  Menge 
finden  sie  sich  dagegen  im  Retetheil  der  Haut. 

Die  elastischen  Fasern  umhüllen  die  Talgdrüsen  mit  einer 
Art  Netzwerk;  aber  an  keiner  Stelle  lassen  sie  in  deutlicher 
Weise  eine  besondere  Anordnung  um  die  Knäuel  und  die  Aus- 
führungsgänge der  Schweissdrüsen  herum  erkennen. 

Bezüglich  der  glatten  Muskelfasern  ist  nur  die  Thatsache 
bemerkenswerth,  dass  sie,  häufiger  als  gewöhnlich,  sich  mit  ihrem 
untern  Ende  an  die  Ausführungsgänge  der  Schweissdrüsen 
inseriren. 

Im  Papillartheile  des  Coriums  weisen  die  Blut-  undLymph- 
gefässe  zuweilen,  und  besonders  an  den  Handflächen  und  den 
Fusssohlen,  einen  etwas  grösseren  Durchmesser  auf  als  de  norma. 

Die  Nervenzweige  haben  ein  normales  Aussehen. 

Das  Corium  ist  zuweilen  in  grösserer  oder  geringerer  Aus- 
dehnung mit  Fett  infiltrirt.  Da  dies  jedoch  nur  in  der  Nähe  der 
Talgdrüsen  beobachtet  wird,  so  handelt  es  sich  mit  aller  Wahr- 
scheinlichkeit um  Fett,  das  aus  diesen  Drüsen  ausgetreten  ist. 

An  keiner  Stelle  des  Coriums  findet  man  Spuren  von 
Entzündung. 

Epidermis. 

Aus  der  Untersuchung  der  Vertical-  und  Querschnitte  geht 
hervor,  dass  in  der  Haut  sowohl  des  Capillitium  und  des  Halses 
als  der  Handflächen  und  der  Fusssohlen  die  Malpighi'sche 
Schichte,  in  ihrer  Masse  genommen,  etwa  doppelt  so  dick  ist 
als  de  norma.  Die  Verdickung  der  Malpighi'schen  Schichte 
erfolgt  ausschliesslich  auf  Kosten  ihres  interpapillaren  Theils, 
denn  der  suprapapillare  Theil  dieser  Schichte  bleibt  entweder 
von  normaler  Dicke   oder  ist  dünner  als  de  norma. 

In  ihrer  Anordnung,  Form  und  Vereinigung  bieten  die 
Zellen  der  Malpighi'sfihen  Schichte  nichts  Bemerkenswerthes  dar. 

Was  die  Structur  der  Zellen  dieser  Schichte  anbetriflft, 
ist  hervorzuheben,  dass  sie  nicht  selten  um  den  Kern  herum 
einen  hellen  und  durchsichtigen,  mehr  oder  weniger  breiten  Hof 
aufweisen,   der  augenscheinlich   durch  eine  Zunahme  des  peri- 


14  Giovannini. 

nuclearen  Raums  bedingt  ist.  Die  Kerne  sind  in  diesem  Falle 
meistens  etwas  kleiner  und  haben  einen  etwas  unregelmässigen 
Contour ;  das  Protoplasma  ist  ebenfalls  mehr  oder  weniger  gegen 
die  Peripherie  der  Zellen  gedrängt. 

Obgleich  in  allen  untersuchten  Hautstücken  bald  hier,  bald 
dort  solche  Zellen  angetroffen  werden,  so  sind  sie  doch  in  der 
Haut  der  Handflächen  und  der  Fusssohlen  besonders  häufig 
und  ist  hier  der  perinucleare  Hof  auch  deutlicher  als  anderswo. 
Sie  können  an  jeder  Stelle  der  Malpighi'schen  Schichte  ange- 
troffen werden,  gewöhnlich  sind  sie  jedoch  sehr  spärlich  in  der 
Basalschicht  und  sehr  zahlreich  dagegen  in  der  Mitte  der  inter- 
papillaren  Säulen. 

Eine  ganz  ähnliche  Erweiterung  des  perinuclearen  Raumes 
gewahrt  man  bisweilen  auch  in  den  Zellen  der  Malpighi^schen 
Schichte  einer  ganz  gesunden  Haut,  sowohl  von  Föten  als  von 
Erwachsenen,  weshalb  die  Thatsache  an  und  fär  sich  nicht  als 
wirklich  anormal  betrachtet  werden  kann.  Die  Anormalität 
besteht  nur  darin,  dass  in  dem  speciellen  Falle  die  Zellen  mit 
dem  oben  beschriebenen  Aussehen  viel  zahlreicher  sind  als 
unter  gewöhnlichen  Bedingungen. 

Der  Umstand,  dass  sich  diese  Veränderung  der  Malpi- 
ghi'schen  Zellen  besonders  häufig  und  ausgeprägt  an  den 
Handflächen  und  den  Fusssohlen  findet,  wo  die  ichthyotische 
Hornschichtverdickung  viel  bedeutender  ist  als  an  anderen 
Körperstellen,  lässt  es  uns  für  wahrscheinlich  halten,  dass  sie 
mit  der  Verhomung  in  Beziehung  steht. 

In  der  Haut  des  Capillitium  und  des  Halses  wird  das 
Stratum  granulosum  durch  eine  oder  höchstens  durch  zwei 
Zellenlagen  dargestellt;  aber  in  der  Handflächenhaut  steigt  die 
Zahl  dieser  Lagen  auf  drei,  und  in  der  Fusssohlenhaut  sogar 
auf  sechs.  Wenn  demnach  auf  Grund  der  Resultate  der  mit 
der  Haut  eines  mit  Patientin  gleichaltrigen  Mädchens  gemachten 
Vergleiche  die  Dicke  der  Hornschichte  an  den  beiden  erst- 
genannten Körperstellen  als  normal  betrachtet  werden  kann, 
muss  sie  hingegen  an  den  letztgenannten  Stellen  als  bedeutend 
vermehrt  angesehen  werden.  Die  sie  zusammensetzenden  Zellen 
haben  übrigens  ein  ganz  normales  Aussehen. 

Das  Stratum  lucidum  bietet  nichts  Bemerkenswerthes  dar. 


Ein  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüseu.        15 

Die  Homschichte,  die  wie  gesagt,  eine  enorme  Mächtig- 
keit an  den  Handflächen  und  den  Fusssohlen  besitzt,  ist  hin- 
gegen in  der  Haut  des  Capillitium  und  des  Halses  nur  wenig 
oder  gar  nicht  verdickt. 

Was  die  Structur  anbelangt,  so  zeigt  die  Homschichte 
nicht  viel  Bemerkenswerthes.  Ganz  so  wie  man  es  unter  noi*- 
malen  Verhältnissen  findet,  sind  die  Hornschichtzellen  in  der 
Haut  der  Handflächen  und  der  Fusssohlen  meistens  in  geringem 
Grade  abgeplattet,  bewahren  zum  grossen  Theil  ihr  Protoplasma 
und  sind  eng  mit  einander  verbunden;  in  der  Haut  des  Capil- 
litium und  des  Halses  dagegen  sind  die  Hornschichtzellen  alle 
mehr  oder  weniger  bedeutend  abgeplattet,  haben  ihr  Proto- 
plasma gewöhnlich  zum  grössten  Theil  verloren  und  sind  oft 
ohne  Zusammenhang  und  über  die  Hautoberfläche  erhoben. 

Nägel. 

Die  in  der  schon  beschriebenen  Weise  hypertrophischen 
und  missgestalteten  Nägel  weisen  bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  verschiedene  Veränderungen  auf. 

Untersucht  man  einen  Längsschnitt  des  ganzen  Nagels 
von  der  Zehe,  so  gewahrt  man,  dass  er  an  verschiedenen  Stellen 
und  auf  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Strecken  aus  lauter 
Säulen  von  verschiedener  Dicke  besteht,  die  in  der  Richtung 
des  Nagelbettes  verlaufen  und  übereinander  gelagert  sind. 
(Taf.  n,  Fig.  2.)  In  Querschnitten  bieten  die  Hornplatten  an  den 
einzelnen  Säulen  eine  charakteristische  Anordnung  in  concent- 
rische  Schichten  dar.  Schöne  Figuren  dieser  Anordnimg  der 
Hornplatten  hat  schon  He  nie*)  bezüglich  des  Pferdehufs 
gegeben,  ebenso  Kölliker")  bezüglich  der  gerieften  Nägel 
des  Menschen. 

Auf  den  Querschnitten  des  besagten  Nagels  erscheint  die 
Nagelsubstanz  an  einzelnen  Stellen  nicht  zu  Säulen  angeordnet, 
sondern  in   lauter  feine,  mehr  oder  weniger  in  der  Richtung 


')  J.  He  nie.  Das  Wachsthain  des  menschlichen  Nagels  und  des 
Pferdehufs.  Sep.-Abdr.  aus  Band  XXXI  der  Abhandlungen  der  Kgl.  Ge- 
sellschaft der  Wissensch.  zu  Göttingen.  1884.  Taf.  V,  Fig.  6. 

'')  A.  Kölliker.  Handbuch  der  Gewebelehre  des  Menschen.  1889. 
6.  Aufl.,  Band  I,  pag.  215,  B'ig.  161. 


16  Giovanniiii. 

des  Nagelbettes  gekrümmte  und  durch  fast  gleichgrosse  Zwischen- 
räume von  einander  getrennte  Schichten  getheilt.  (Taf.  II,  Fig.  3.) 

Eine  Anordnung  der  Homplatten  in  Säulen  und  in  Schichten, 
wie  sie  der  Nagel  von  der  grossen  Zehe  darbietet,  beobachtet  man 
auch  bei  den  anderen  Nägeln. 

Diese  Structur  ist  bei  den  einzelnen  Nägeln  die  vorherr- 
schende, jedoch  nicht  die  ausschliessliche;  an  verschiedenen 
Stellen  ist  die  Anordnung  der  Homplatten  eine  so  unregelmäs- 
sige, dass  sie  sich  jedem  Versuch,  sie  zu  beschreiben,  entzieht. 

Alle  untersuchten  Nägel  weisen  an  verschiedenen  Stellen 
eine  mehr  oder  weniger  bedeutende  Trennung  ihrer  Platten 
auf.  An  den  Seiten  der  Säulen  findet  diese  Trennung  nicht 
selten  auf  ziemlich  ausgedehnten  Strecken  in  derselben  Bichtung 
statt.  (Taf.  II,  Fig  2.). 

Ausserdem  durchfurchen  wirkliche  Kanäle  in  grosser  Zahl 
und  in  verschiedener  Richtung  die  NägeL  Auf  Querschnitten 
erscheinen  diese  ^Kanäle  bald  von  runder,  bald  von  ovaler,  bald 
auch  von  ganz  unregelmässiger  Form.  In  einzelnen  Fällen  bleibt 
ihr  Durchmesser  durchweg  der  gleiche;  häufiger  erweitem  sie 
sich  allmälig,  schneckenförmig.  In  einzelnen  Fällen  rühren 
diese  Kanäle  offenbar  vom  Centrum  der  Säulen  her,  während 
sie  in  anderen  Fällen  anscheinend  dem  Auseinanderweichen  der 
Homschichten  ihre  Entstehung  zu  verdanken  haben  (Taf.  11,  Fig.  3). 

Im  Innern  der  Nägel  gewahrt  man  auch  zahlreiche  Höh- 
lungen, die  ebenfalls,  wie  die  Kanäle,  von  runder,  ovaler  oder 
ganz  unregelmässiger  Gestalt  sind.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle 
verschmelzen  sie  sich  derart  mit  den  Kanälen,  dass  man  oft 
nicht  ihre  Grenzen  zu  erkennen  vermag. 

Die  Grösse  der  Höhlungen  und  der  Kanäle  ist  eine  sehr 
verschiedene :  von  solchen,  die  klein  sind  wie  eine  Zelle,  gelangt 
man,  durch  alle  Abstufungen  hindurch,  zu  mehrere  Millimeter 
grossen.  Die  kleinsten  Höhlungen  liegen  mitunter  so  nahe  neben 
einander,  dass  sie  nur  durch  eine  ganz  dünne  Wand  von  ein- 
ander getrennt  sind  und  so  dem  betreffenden  Nageltheil  ein 
bienenstockartiges  Aussehen  geben. 

Alle  Höhlungen  und  auch  die  Kanäle  sind  fast  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  mit  einer  meistens  homogenen  und  wenig 
oder  gar  nicht  gefärbten  breiigen  Masse  gefüllt,   mit  welcher 


Ein  Fall  von  Ichthj'osis  mit  Hj^pertrophie  der  Schweissdrüsen.        17 

zusammen  man  bisweilen  mehr  oder  weniger  verunstaltete 
Leukocyten,  Mikroorganismen  und  Kömchen  von  verschiedenem 
Aussehen  und  von  unbestimmbarer  Natur  bemerkt 

An  mehreren  Stellen  ist  selbst  die  compacte  Nagelsubstanz 
von  zahlreichen  Kömchen  durchdrungen,  die  wie  Pigmentkömehen 
aussehen  und,  zuweilen  ziemlich  ausgedelmte,  unregelmässige 
Haufen  bilden.  Diese  offenbar  von  aussen  hierher  gelangten 
Körnchen,  die  besonders  im  Nagel  der  grossen  Zehe  sehr  zahl- 
reich sind,  haben  wahrscheinlich  grossen  Antheil  an  der  dunkel- 
kastanien-braunen  Färbung,  welche  der  Nagel  dieser  Zehe 
aufweist. 

SchweissdrOsen. 

Beim  Studium  der  Schnitte  der  verschiedenen  Hautstücke 
fällt  die  ausserordentliche  Weite  der  Schweissgänge  auf  (Taf.  HI, 
Fig.  1,  2).  Um  wie  viel  weiter  diese  Schweissgänge  sind  als  die 
normalen,  lässt  sich  aus  nachstehender  Tabelle  ersehen: 

Qrttister  Kleinster  DarchmeMer 

Durchmesser  der       Darchmesser  der       des  Lumens  der 
Mit   IchthvOSis    be-  Si-hwelssgänge  Schweissg&nge  Gänge 

haftete  Haut  .    .      176—305  ^i       46—92  ^        13—111  pi 
Normale  Haut   .    .        55—106  fi       18—36  ju  3—  25  a* 

Diese  Maasse  wurden  an  Querschnitten  der  Haut  genom- 
men ;  der  Maximaldurchmesser  der  Gänge  entspricht  der  Stelle, 
an  welcher  sie  nach  aussen  münden;  der  Minimaldurchmesser 
der  Stelle,  an  welcher  die  Gänge  in  die  betreffenden  Knäuel 
übergehen.  Die  angegebenen  Zahlen  stellen  die  Durchschnitts- 
zahlen einer  sehr  grossen  Zahl  Messungen  dar. 

Die  weitesten  Oeffnungen  der  Gänge  werden  am  Capillitium 
angetroffen  (Taf.  HI,  Fig.  2),  wo  dieselben  oft  eine  Weite  haben, 
die  die  gewöhnliche  Weite  um  das  Fünffache  übertrifft.  Aus 
angestellten  Vergleichen  geht  hervor,  dass  am  Capillitium  die 
Oeffnungen  der  Schweissgänge  etwas  weiter  sind  als  die  Oeffnun- 
gen der  Haarfollikel  bei  einem  mit  Patientin  gleichaltrigen 
Mädchen.  Die  an  ihrem  obern  Ende  verhältnissmässig  weniger 
weiten  Gänge  trifft  man  in  der  Haut  der  Handflächen  und  der 
Fusssohlen  an,  wo  sie  nur  3  bis  4  Mal  weiter  sind  als  de  norma. 
Doch  ist  zu  bemerken,  dass  in  diesen  Regionen  unter  normalen 
Verhältnissen  die  Oeffnungen  der  Schweissgänge  etwa  doppelt 
so  weit  sind  als  im  Capillitium. 

Archir  f.  Dermatol.  n.  Sjphil.  Band  XXVII.  2 


13  Giovannini. 

Bezüglich  des  Durchmessers  des  unteren  Endes  der  Gänge 
werden  keine  bedeutenden  Unterschiede  wahrgenommen,  ganz 
gleich,  ob  es  sich  um  diese  oder  jene  Region  des  Körpers  handelt. 

Die  Zunahme  des  Durchmessers  an  den  Enden  der  Gänge 
gewinnt  in  dem  speciellen  Falle  eine  grössere  Bedeutung  wegen 
der  veränderten  Form  der  Gänge  selbst  Bekanntlich  behalten 
die  normalen  Gänge  fast  die  gleiche  Dicke  das  ganze  Corium 
hindurch,  und  nur  in  kurzer  Entfernung  von  der  Malpighi'schen 
Sclüchte  erweitem  sie  sich  ganz  plötzlich.  In  unserem  Falle  hin- 
gegen nimmt  die  trichterförmige  Erweiterung  der  Gänge  viel 
weiter  unten  ihren  Anfang,  so  dass  diese  in  der  Mitte  des  Co- 
riums  eine  Weite  aufweisen,  die,  in  Anbetracht  der  Localität,  eine 
wahrhaft  ausserordentliche  genannt  werden  kann.(Taf.  III,  Fig.  1.) 

In  ihrem  Verlaufe  durch  das  Corium  halten  die  Gänge 
im  allgemeinen  eine  sich  mehr  oder  weniger  der  verticalen 
nähernde  Richtung  ein. 

Das  Epithel  der  Gänge,  welches  das  gleiche  Aussehen  hat 
wie  das  der  Malpighi^schen  Schichte,  ist  von  einer  ganz  anor- 
malen Dicke.  Eine  grosse  Zahl  Gänge  fängt  schon  an  ihrem  unte- 
ren Ende  an  drei  Epithelzellenlagen  aufzuweisen ;  aber  je  weiter 
man  nach  oben  geht,  nehmen  diese  Lagen  immer  mehr  an  Zahl 
zu,  so  dass  sie  auf  halber  Höhe  des  Coriums  schon  auf  fünf 
steigen  und  an  der  Oberfläche  des  Coriums  auf  10 — 14  gelan- 
gen. (Taf.  m,  Fig.  2.) 

Bemerkenswerth  bezüglich  dieses  Epithels  ist  nur  die 
Thatsache,  dass  viele  seiner  Zellen  eine  helle,  mehr  oder  we- 
niger breite  Zone  um  den  Kern  herum  aufweisen,  ähnlich  der 
schon  beschriebenen  Zone  bei  den  Zellen  der  Malpighi^schen 
Schichte.  Derartige  Zellen  werden  besonders  an  dem  obern 
Theile  der  Gänge  angetroffen,  wo  man  sie  um  so  zahlreicher 
findet,  je  mehr  man  von  unten  nach  oben  und  von  aussen  nach 
innen  geht. 

Am  obern  Theile  der  Gänge  setzt  sich  das  Stratum  granu- 
losum  der  Epidermis,  an  Dicke  bedeutend  zunehmend,  in  den 
Gängen  selbst  fort.  So  ist  dasselbe  z.  B.  in  der  Haut  des  Capil- 
litium  und  des  Halses,  in  der  Nähe  des  Lumens  der  Gänge, 
wo  er  seine  grösste  Mächtigkeit  erreicht,  4 — 6  Mal  dicker  als 
in  der   umliegenden  Ei)ideimis. 


Ein  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüsen.        X9 

Auch  das  Stratum  lucidum  ist  an  den  Gängen  2 — 3  Mal 
dicker  als  in  der  übrigen  Haut. 

In  der  Haut  des  Capillitium  und  des  Halses  ist  die  Hom- 
schichte  an  den  Oefl&iungen  der  Schweissgänge  10 — 20  Mal 
dicker  als  in  den  angrenzenden  Theilen,  und  bildet  deutliche, 
nicht  selten  kegelförmige,  und  mit  der  Spitze  nach  oben  ge- 
richtete Haufen,  welche  sich  mehr  oder  weniger  über  die  Haut- 
oberfläche erheben.  (Taf.  HI,  Fig.  1.) 

Was  die  Structur  dieser  Haufen  anbetrifft,  so  ist  zu  be- 
merken, dass  die  sie  zusanmiensetzenden  Homzellen  im  Aus- 
sehen von  denjenigen  der  umliegenden  Hornschichte  etwas 
verschieden  sind.  Im  Vergleich  zu  diesen  letzteren  erscheinen 
die  Homzellen  der  Schweissgänge  viel  weniger  abgeplattet,  be- 
wahren häufiger  Spuren  des  Protoplasmas  und  des  Kerns  und 
werden  weniger  häufig  unzusammenhängend  und  über  die  Haut- 
oberfläche erhoben  angetroffen.  Dieser  Merkmale  wegen  nähern 
sich  die  an  den  Oefl&iungen  der  Schweissgänge  gelegenen  Hom- 
zellen mehr  dem  Typus  der  Homschichtzellen  der  Handflächen 
und  der  Fusssohlen,  als  denjenigen  der  übrigen  Hautfläche. 

Betreffs  des  Gentralkanals  der  Gänge  ist,  ausser  dessen 
ausserordentlichen  Weite,  die  Thatsache  als  anormal  hervorzu- 
heben, dass  er  einen  wellen-  oder  spiralförmigen  Verlauf  in 
viel  grösserer  Entfernung  von  der  Epidermis  anninmit,  als  unter 
gewöhnlichen  Verhältnissen.  (Taf.  HI,  Fig.  1.)  Handelt  es  sich 
um  sehr  weite  Gänge,  so  ist  ein  derartiger  Verlauf  zuweilen 
schon  auf  etwa  halber  Höhe  des  Coriums  angedeutet.  Auf  der 
ganzen  Strecke,  auf  welcher  der  Kanal  diesen  Verlauf  hat,  sind 
die  ihn  begrenzenden  Epithelzellen  in  der  Richtung  der  Achse 
des  Kanals  stark  abgeplattet,  haben  ein  helles  homogenes  Proto- 
plasma und  liegen  mit  ihrem  Contour  dicht  neben  einander. 

Der  Kanal  der  Gänge  ist  in  seiner  ganzen  oder  fast  ganzen 
Ausdehnung  leer.  Wo  diese  Kanäle  einen  Inhalt  aufweisen,  hat 
derselbe  das  Aussehen  einer  bald  ganz  farblosen,  bald  nur 
schwach  gefärbten  homogenen  Masse.  Den  farblosen  Inhalt  trifft 
man  fast  ausschliesslich  an  den  von  den  Gängen  an  ihrem 
untern  Theile  gebildeten  Windungen  au.  Seltener  findet  man 
hier  und   dort  im  Innern  der  Kanäle   kleine,   intensiv  gefärbte 

2* 


20  Giovannini. 

Kömcheu  oder  Epithelzellen,  die  sich  offenbar  von  den  Kanal- 
wänden abgelöst  haben. 

Ganz  wie  unter  normalen  Verhältnissen,  weisen  in  diesem 
Falle  Yon  Ichthyosis  die  Schweissgänge  in  der  Höhe  des  Rete- 
theils  des  Coriums,  aussen  vom  Epithel,  zuerst  eine  Anhist- 
membran  und  darauf  wenige  cii-culär  gelagerte  Bindegewebs- 
zellen auf. 

Aber  von  ganz  besonderem  Interesse  ist  das  Verhalten 
des  um  die  Schweissgänge  herum  liegenden  Bindegewebes  am 
Papillartheile  des  Coriums.  Hier  hebt  sich  das  Bindegewebe  um 
die  Oeffnungen  der  einzelnen  Gänge  herum  empor,  um  jene 
Elevationen  zu  bilden,  die  wir  vorhin  als  Prominenzen  der 
Schweissporen  bezeichnet  haben.  Obgleich  die  Beziehung 
zwischen  diesen  Bindegewebsprominenzen  und  den  Oefl&iungen 
der  Schweissgänge  bisweilen  auch  auf  Verticalschnitten  der 
Haut  hervortritt,  so  zeigt  sie  sich  doch  nur  auf  Querschnitten 
constant  und  in  deutlichster  Weise.  (Taf.  HI,  Fig.  2.) 

Auf  der  Achse  der  Gänge  entsprechenden  Verticalschnitten 
haben  die  Prominenzen  an  den  Seiten  der  Gangöffnung  das 
Aussehen  von  zwei  dicken  Papillen.  Auf  Querschnitten  erscheinen 
sie  bald  von  runder,  bald  von  ovaler  Gestalt  und  zeigen  einen 
mehr  oder  weniger  deutlich  ausgebuchteten  Contour. 

Die  Prominenzen  sind  meistens  in  ihrer  ganzen  Höhe 
scharf  von  einander  getrennt,  und  nur  selten  gewahrt  man, 
dass  zwei  von  ihnen  an  der  Basis  vereinigt  und  an  ihrem  obem 
Theile  von  einander  getrennt  sind. 

Die  beschriebenen  Prominenzen  trifft  man  constant  und 
gut  entwickelt  um  die  Oeffnungen  der  Schweissgänge  herum  an 
sowohl  in  der  Haut  der  Handflächen  und  der  Fusssohlen  als 
in  der  des  Capillitium  und  des  Halses. 

Bezüglich  der  Bedeutung  dieser  Prominenzen  ist  zu  be- 
merken, dass  auch  unter  normalen  Verhältnissen  am  Capillitium 
und  am  Halse  Prominenzen  um  die  Schweissporen  herum  an- 
getroffen werden,  die  den  oben  beschriebenen  in  der  Form 
gleichen;  aber  während  an  diesen  Stellen  die  Bindegewebs- 
prominenzen um  die  Oeffnungen  der  Haarfollikel  herum  häufig 
und  ziemlich  gross  sind,  sind  sie  hingegen  um  die  Oeffnungen 
der  Schweih)sdrüsen  hemm  wenig  entwickelt  und  äusserst  selten. 


Ein  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüsen.       21 

Deshalb  gewinnen  im  vorliegenden  Falle  die  Prominenzen  der 
Schweissporen  nicht  so  sehr  wegen  ihrer  ausserordentlichen 
Entwicklung,  als  vielmehr  wegen  der  Beständigkeit,  mit  der  sie 
angetroffen  werden,  eine  exceptionelle  Bedeutung. 

Um  die  Schweissgänge  henim  sind  die  Gefässe  zahlreicher 
als  an  jedem  andern  Theile  der  ichthyotischen  Haut.  Schon  am 
untern  Theile  der  Schweissgänge  beobachtet  man  mehrere  Haar- 
gefässe  bald  auf  einer  Seite,  bald  auf  zwei  meistens  entgegen- 
gesetzten Seiten  der  Gänge  gnippirt ;  nach  oben  zu  aber  nehmen 
die  Gefässe  noch  bedeutend  an  Zahl  zu,  bis  etwa  an  der  Basis 
der  Schweissporenprominenzen,  in  deren  Innern  sie  sich  dann 
plötzlich  verlieren. 

In  einigen  Fällen  zeigen  die  Gänge  an  den  Windungen, 
die  sie  an  ihrem  untern  Theile  bilden,  cystenartige  Erweite- 
rungen mit  einem  durchschnittlichen  Diameter  von  100 — 324  /i, 
die  wahrscheinlich  durch  Secretzurückhaltung  hervorgebracht  sind. 

Ein  einziges  Mal  nur  sieht  man  die  Ausführungsgänge 
zweier  Drüsen  auf  etwa  halber  Höhe  des  Coriums  sich  in  einen 
einzigen  Gang  vereinigen. 

Was  die  Knäuel  der  Schweissdrüsen  anbelangt,  ist  als 
anoimal  nur  die  Thatsache  hervorzuheben,  dass  sie  etwas 
grösser  sind  als  de  norma.  Auf  Grund  der  sehr  zahkeichen  ange- 
stellten Vergleiche,  auch  mit  derHautErwachsener  und  der  nicht 
selten  sehr  hervortretenden  Unterschiede,  die  sich  daraus  ergaben, 
kann  dieses  mit  Sicherheit  behauptet  werden.  Dieses  grössere  Volu- 
men der  Knäuel  kann  wohl  besonders  auf  Rechnung  einer  Ver- 
längening  des  sie  bildenden  Schlauches  gebracht  werden,  denn 
dieser  Schlauch  weist  auf  dem  grössten  Theile  seiner  Ausdeh- 
nung keinen  merklich  grösseren  Durchmesser  auf  als  de  norma, 

Haare  und  Talgdrüsen. 

In  der  Haut  des  Halses  findet  man  keine  Spur  von  Haar- 
follikeln. 

In  der  Haut  des  Capillitium  sind  die  Haarfollikel  sehr  selten. 
Aus  den  angestellten  Vergleichen  geht  hervor,  dass  ihre 
Zahl  kaum  die  Hälfte  beträgt  von  der  Zahl  der  Haarfollikel, 
die  man  am  Capillitium  eines  gesunden,   mit  Patientin  gleich- 


22  Giovannini. 

altrigen  Mädchens  antri£ft.  Ihr  Querdurchmesser  ist  sehr  gering, 
denn  er  misst  nicht  mehr  als  46 — 92  /u.  Sie  haben  eine  mehr 
oder  weniger  oberflächliche  Lage,  denn  an  keiner  Stelle  gehen 
sie  so  tief,  dass  sie  bis  in  die  Mitte  des  Coriums  gelangen. 
Ausserdem  münden  sie  nicht  selbständig  auf  die  Haut- 
oberfläche, sondern  in  das  Innere  der  Talgdrüsen«  Die  Haar- 
follikel sind,  wie  gewöhnlich,  zu  Gruppen  angeordnet,  doch  zählt 
jede  Gruppe  deren  nicht  mehr  als  zwei. 

Der  Durchmesser  des  in  diesen  Follikeln  enthaltenen 
Haarschaftes  misst  nicht  mehr  als  5 — ^9  ju.  Es  handelt  sich 
hier  also  weniger  um  Haare  als  um  Lanugohärchen,  wie  man 
sie  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  auf  dem  Gesichte  eines 
Mädchens  anzutreffen  pflegt.  Und  sie  haben  auch  alle  die 
histologischen  Merkmale  des  Lanugohaars. 

Häufig  weisen  diese  Härchen  eine  Zerstörung  ihres  Halses, 
sowie  eine  vollständige  oder  unvollständige  Zerstörung  ihrer 
innem  Wurzelscheide  auf,  ähnlich  der  von  mir  bei  der  Alopecia 
areata  beobachteten.  ^)  Die  losgetrennten  Haarschafte  befinden 
sich  entweder  noch  an  ihrem  Platze  oder  werden,  an  den  Mün- 
dungen der  Talgdrüsen,  in  den  hier  vorhandenen,  von  Hom- 
platten  und  Fett  gebildeten  Zapfen  steckend,  angetroffen.  Ein- 
mal zählte  ich  in  einem  dieser  Zapfen  bis  zu  vier  Haarschafte, 
alle  fast  von  gleichem  Durchmesser.  Ziemlich  häufig  werden 
auch  haarlose  Follikel  angetroffen. 

Die  haarlosen  oder  isolirte  Haare  in  ihrem  Innem  ent- 
haltenden Follikel  finden  sich  in  einem  Zustande  mehr  oder 
weniger  vorgeschrittener  Atrophie. 

Nur  in  einem  Follikel  wird  ein  Haar  in  einer  seiner  ersten 
Entwicklungsphasen  angetroffen. 

Die  Talgdrüsen  sind  sehr  wenig  entwickelt,  denn  keine 
von  ihnen  besteht  aus  melir  als  zwei  Acini  und  überall  münden 
sie  direct  auf  die  Hautoberfläche. 

Ihre  Structur  bietet  nichts  Bemerkenswerthes  dar. 


')  S.  Giovannini.  Recherches  sar  Thistologie  pathologique  de  la 
pelade.  Annales  de  dermatologie  et  de  eyphiligraphie.  3.  S^rie,  Tome  U, 
p.  921.  1891. 


Ein  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüsen.       23 

Die  ihre  Oeffnungen  an  der  Hautoberiläche  bekleidende 
Epidermis  weist  eine  meistens  zusammenhangslose  und  von 
äusserst  abgeplatteten  Zellen  gebildete  Homschichte  auf. 

Ein  einziges  Mal  triflft  man  unterhalb  eines  Haares  eine 
in  eine  cystenartige  Höhlung  umgebildete  Talgdrüse  an.  Im 
Innern  der  Cyste  beobachtet  man  am  obem  Theile  wenige 
Lagen  Epithelzellen,  die  sich  meistens  in  einem  Zustande  offen- 
barer Degeneration  befinden,  und  am  untern  Theile  wenige 
formlose  Fetthäufchen. 

Karyokinese. 

Mit  besonderer  Aufmerksamkeit  wurde  nach  den  karyo- 
kinetischen  Figuren  in  der  Haut  geforscht.  Die  Präparate  wurden 
zu  wiederholten  Malen  untersucht  und  dabei  wurde  nichts 
ausser  Acht  gelassen,  was  geeignet  war,  die  Mitosen  deutlicher 
erkennen  zu  lassen. 

Zahlreicher  als  in  jedem  andern  Theile  der  Haut  finden 
sich  die  Mitosen  im  Epithel  der  Schweissdrüsengänge.  Um  nur 
eine  annähernde  Zahl  anzugeben,  kann  man  sagen,  dass  unter 
hundert  Schnitten  von  Hautstücken  von  je  etwa  7«  □Cm. 
Grösse,  sich  etwa  fünfzehn  finden,  die  in  diesem  oder  jenem 
Gang  Mitosen  aufweisen.  In  jedem  Quer-  oder  Längsschnitt 
dieser  Gänge  finden  sich  meistens  1 — 2,  seltener  3 — 4  Mitosen. 
Obgleich  die  Mitosen  häufiger  in  der  obem  Hälfte  der  Gänge 
beobachtet  werden,  so  trifft  man  sie  doch  auch  nicht  selten 
in  der  untern  Hälfte  an  und  in  einem  Falle  zählt  man 
in  einem  Querschnitt  der  untern  Hälfte  eines  Ganges  sogar 
4  Mitosen.  Bedenkt  man,  dass  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen 
die  Mitosen  in  den  Gängen  der  ausgewachsenen  Schweissdrüsen 
äusserst  selten  sind,  so  glaube  ich,  kann  man  sagen,  dass  in 
dem  vorliegenden  Falle,  in  den  Gängen  eine  lebhaftere  Karyo- 
kinese statt  hat  als  de  noima. 

In  den  Knäueln  sind  die  Mitosen  fast  ebenso  selten  wie 
unter  gewöhnlichen  Verhältnissen. 

Was  die  Malpighi'sche  Schichte  anbetrifft,  so  weisen  unter 
hundert  Schnitten  von  Hautstücken  von  der  obengenannten 
Grösse,  etwa  zehn  Mitosen  in  ihr  auf.  Handelt  es  sich  um  die 
Haut    des  Capillitium  und    des  Halses,    so   kommt   auf  jeden 


24  Giovannini. 

Schnitt  nie  mehr  als  eine  Mitose  und  nur  in  der  Haut  der 
Handflächen  und  der  Fusssohlen  findet  man  deren  zuweilen 
zwei  und  ausnahmsweise  auch  drei  auf  jedem  Schnitt.  So  ge- 
ring diese  Zahlen  auch  erscheinen  mögen,  glaube  ich  doch, 
dass  sie  eine  leichte  Vermehiiing  in  der  Zahl  der  in  der  Mal- 
pighi'schen  Schichte  anzutieflfenden  Mitosen  darstellen;  denn 
aus  den  an  normaler  Haut  gemachten  Untersuchungen  haben 
sich  bisher  noch  geringere  Zahlen  ergeben. 

Sowohl  in  den  Schweissgängen  als  in  der  Malpighi'schen 
Schichte  finden  sich  die  Mitosen  in  verschiedenem  Stadium  und 
haben  meistens  ihren  Sitz  in  der  Basalschichte  und  selten  nur 
in  der  zweiten  und  dritten  Zellenlage. 

Im  Innern  der  haarlosen  oder  isolii't«  Haare  enthaltenden 
Follikel  fehlen  die  Mitosen  gänzlich ;  in  den  mehr  oder  weniger 
normale  Haare  enthaltenden  Follikeln  fehlen  die  Mitosen  ent- 
weder gänzlich  oder  sind  bedeutend  spärlicher  als  gewöhnlich. 
Denn  im  letzteren  Falle  trifft  man  in  der  Matrix  der  Haare 
nicht  mehr  als  3  Mitosen  an,  während  diese  in  der  Matrix  nor- 
maler Haare  von  entsprechender  Grösse  auf  6 — 12  steigen. 

Im  Epithel  der  Talgdrüsen,  in  welchem  unter  normalen 
Verhältnissen  die  Kar}'^okinese  auch  eine  ziemlich  lebhafte  zu 
sein  pflegt,  trifft  man  keine  Mitosen  an. 

Nur  sehi-  selten  finden  sich  die  Bindegewebszellen  des 
Papillartheils  der  Cutis  und  die  Endothelzellen  der  Blutgefässe 
in  indirecter  Theilung. 

Betrachtet  man  nun  diese  Resultate,  so  findet  man,  dass 
der  Mitosenbefund  in  den  verschiedenen  Theilen  der  Haut  mit 
der  von  denselben  dargebotenen  Entwicklung  fast  übereinstimmt. 
Ein  gewisses  Missverhältniss  scheint  nur  zwischen  der  Zahl  der 
im  Epithel  der  Malpighi'schen  Schichte  und  der  Schweissgänge 
angetroffenen  Mitosen  und  der  Erzeugung  von  Homzellen  zu 
bestehen:  während  nämlich  im  besagten  Epithel  die  Mitosen, 
im  Ganzen  genommen,  nur  um  eine  ganz  geringe  Zahl  vermehrt 
sind,  findet  sich  die  Homschichte,  besonders  in  manchen  Re- 
gionen, ungemein  verdickt.  Dieses  Missverhältniss  wird  jedoch 
viel  weniger  gross  erscheinen,  wenn  man  die  Umstände  berück- 
sichtigt., die,  im  speciellen  Falle  die  grössere  Hornschichtpro- 
duction  begleiten. 


Ein  Fall  von  Ichthyosis  mit  Hypertrophie  der  Schweissdrüsen.       25 

Denn,  wie  wir  schon  gesehen  haben,  findet  in  diesem 
Falle  von  Ichthyosis  die  Zunahme  der  Hornsclüchte  nur  sehr 
langsam  statt :  an  den  Handflächen  und  den  Fusssohlen  nimmt 
die  Homschichte  im  Verhältniss  von  etwa  1  Mm.  alle  45  Tage 
zu.  Es  scheint  also,  dass  zu  einem  so  langsam  vorschreitenden 
Wachsthum  dieser  Schichte  auch  eine  die  Norm  nicht  weit 
überschreitende  Vermehrungsthätigkeit  der  sie  erzeugenden 
Zellen  genügen  müsse. 

Ausserdem  findet  der  so  bedeutende  Unterschied,  der 
hinsichtlich  des  Grades  zwischen  der  Ichthyosis  der  Handflächen 
und  der  Fusssohlen  und  jener  des  übrigen  Körpers  besteht, 
seinen  Grund  im  Verhalten  der  Abschuppung.  Wie  aus  der 
Krankheitsgeschichte  und  dem  histologischen  Befund  hervor- 
geht und  wie  es  übrigens  auch  unter  normalen  Verhältnissen 
geschieht,  fand  an  den  Handflächen  und  den  Fusssohlen  der 
Kranken  keine  nennenswerthe  Hornplatten-Abschuppung  statt, 
während  diese  Abschuppung  in  bedeutendem  Grade  an  der 
übrigen  Körperobei-fläche  erfolgte.  Hiernach  lässt  sich  also 
begreifen,  wie  an  den  Handflächen  und  den  Fusssohlen  die 
erzeugte  Homschichte  dadurch,  dass  sie  sicli  beständig  auf- 
häufte, eine  grössere  Mächtigkeit  erlangen  konnte,  als  anderswo. 


Dieser  Fall  von  Ichthyosis  ist  ei'wähnenswerth  wegen 
einiger  nicht  gewöhnlicher  Eigenthümlichkeiten,  die  er  darbietet 
und  zwar:  Wegen  des  Umstandes,  dass  der  Hystricismus  mehr 
als  anderswo  an  den  Handflächen  und  den  Fusssohlen  ausge- 
sprochen ist,  wegen  der  Betheiligung  aller  Nägel  an  dem  Krank- 
heitsprocess,  wegen  der  Hjrpertrophie  der  Schweissdrüsen,  wegen 
des  gleichzeitigen  Bestehens  einer  beinahe  vollständigen  Alopecie, 
wegen  der  mit  Sicherheit  festgestellten  intra-uterinen  Entste- 
hung des  grössten  Theils  der  Veränderungen. 

Die  genaue  Untersuchung  des  Falles  hat  sodann  einige 
neue  Eigenthümlichkeiten  bezüglich  der  Ichthyosis  aufgedeckt, 
wie  z.  B.  die  die  histologischen  Veränderungen  der 
Nägel  betreffenden  Eigenthümlichkeiten,  die  Ka- 
ryokinese  im  Epithel  der  hypertrophischen  Schweiss- 
drüsengänge   und   die   Existenz   besonderer  Erb  e- 


26  GioTannini. 

bungen  oder  Prominenzen  des  Coriums  an  den 
Poren  genannter  Drüsen. 

Diese  letztere  Eigenthümlichkeit  ist,  vom  klinischen  Ge- 
sichtspunkt aus,  offenbar  von  einigem  Interesse,  indem  sie 
darthut,  dass  ein  der  sogenannten  Ichthyosis  anserina 
ähnliches  Aussehen  der  Haut,  ausser  von  den  Haarfollikeln  auch 
von  den  Gängen  der  hypertrophischen  Schweissdrüsen  gegeben 
sein  kann. 


Erkläxung  der  Abbildungen  auf  Tafel  I,  II  und  III. 

Die  Photogramme  2  und  3  der  Tafel  II  und  1  und  2  der  Tafel  m 
stellen  Theile  mikroskopischer  Schnitte  von  in  Chromosmiumessigsäure 
fixirten  und  mit  Methylviolett  gefärbten  Stücken  dar. 

Tafel  I.  Photogr.  1.  Kopf  und  Hals  der  Patientin.  Zeigt  in  seinem 
Zusammenhang  das  Aussehen,  das  der  Haut  des  Halses  durch  die  Pro- 
minenzen der  Schweissporen  gegeben  wird. 

Tafel  II.  Photogr.  1.  Haut  von  der  hintern  Region  des  Halses  nach 
oben  zu  eine  Strecke  des  Capillitium  mit  einbegreifend,  in  welcher  man 
bei  einer  der  Wirklichkeit  fast  nahekommenden  Vergrosserung,  die  Promi- 
nenzen der  Schweissporen  sieht. 

Phot.  2.  Längsschnitt  vom  Nagel  eines  Daumens.  Zeigt  die  Nagel- 
substanz zu  Säulen  angeordnet.    Vergröss.  47  d. 

Phot.  8.  Querschnitt  von  dem  in  Phot.  2  dargestellten  Daumennagel. 
Zeigt  die  Nagelsubstanz  in  dünne  Schichten  getheilt;  die  zwischen  den 
einzelnen  Schichten  bestehenden  Zwischenräume  sind  mit  einer  breiigen 
Masse  angefüllt.  Yergr.  34  d. 

Tafel  III.  Phot.  1.  Verticalschnitt  von  der  Haut  des  Capillitium. 
Man  sieht  drei  weite  Schweissgänge ;  an  ihrer  Mündung  auf  die  Hautober- 
fläche bildet  die  Hornschichte  Auflagerungen,  die  zum  Theil  über  die 
Hautoberfläche  hervorragen.  Yergr.  83  d. 

Phot.  2.  Querschnitt  von  der  Haut  des  Capillitium  an  der  Papillar- 
Bchichte.  Man  sieht  die  vom  Bindegewebe  um  die  weiten  Oeffhungen  der 
Schweissgänge  herum  gebildeten  Erhebungen.  Vergr.  108  d. 


Ans  der  k.  k.  dermatologisohen  Universitätsklinik  des 

Prof.  F.  J.  Pick  in  Prag. 


lieber  sogenannte  Nerven-Nae^l. 

Ton 

Dr.  Theodor  Spietsclika, 

ÄMlstent  der  Klinik. 

(Hierzu  Taf.  IV.) 


Bären  Sprung')  hat  zuerst  eine  Erkrankung  der  Haut 
beschrieben,  welche  derselbe  durch  folgende  Merkmale  charak- 
terisirte:  1.  Halbseitigkeit,  2.  Anordnung  in  Streifen  und 
Flecken  entsprechend  den  Verbreitungen  der  peripheren  Nerven 
in  den  Bezirken  der  spinalen  Nerven,  3.  Hypertrophie  der 
Hautpapfllen  mit  Pigmentbildung  in  mehr  oder  minder 
starkem  Grade,  massige  Verdickung  der  Epidermisschichten 
aber  keine  Hypertrophie  der  Hautdrüsen,  Haarbälge  oder 
Haare.  Er  nannte  dieselbe  Naevus  unius  lateris,  und 
sah  sie  als  eine  Folge  „einer  angeborenen  Erkrankung  einzelner 
Spinalganglien"  an.  Th.  Simon*)  wies  darauf  hin,  dass  der 
Name  Naevus  unius  lateris  recht  unglücklich  gewählt  sei,  denn 
„aus  dem  Umstände,  dass  die  bisher  veröffentlichten  Fälle 
halbseitig  waren,  folgt  keineswegs,  dass  in  anderen  Fällen  nicht 
auch  Spinalganglien  beider  Seiten  erkranken  können".  Das 
Wesentliche   erblickt  er   in   der  Ausbreitung    der  Erkrankung 


*)  Bärensprung.  Naevus  unius  lateris.  Cfaar.-Ann.  1868, p. 91 — 95. 
')  Th.  Simon,  lieber  Nerven-Naevi.  Archiv  f.  Dermal,  und  Syph. 
1872,  p.  24. 


28  Spietschka. 

nach  bestimmten  Nervenbezirken  und  schlägt  daher  den  Namen 
Nerven-Naevus  vor.  Er  fügt  zu  den  vier  Fällen  Bärensprungs 
noch  zwei  eigener  Beobachtung  und  einige  aus  der  Literatur 
hinzu,  bei  welchen  er  die  Zugehörigkeit  zu  einem  Nervengebiete 
zu  bestinmien  in  der  Lage  war.  Interessant  ist  eine  Beobachtung 
Gerhardt's,  *)  welcher  die  Erkrankung  „neuropathisches  Haut- 
papillom"  nennt. 

Bei  einem  6jährigen  Mädchen  fand  er  die  Papillomentwicklung 
streng  halbseitig,  aber  gekreuzt,  nämlich  an  der  linken  Gesichtshälfte  und 
an  der  rechten  Brasthälfte  bis  herab  zum  Nabel.  Im  dritten  Lebensjahre 
war  das  Kind  von  häufigen  epileptischen  Krämpfen  befallen  worden,  und 
gleichzeitig  hatte  die  Entwicklung  der  Papillome  begonnen.  Ein  zweiter 
Fall  seiner  Beobachtung  war  ein  Gljähriger  Mann,  wo  die  Erkrankung 
die  ganze  rechte  Körj^erhälfte  von  der  zweiten  Rippe  nach  abwärts  ein- 
nahm. Er  macht  auf  die  Anordnung  parallel  den  Intercostalräumen  auf- 
merksam, welche  an  Herpes  zoster  erinnert. 

Gerhardt  erwähnt  noch  zweier  Fälle  von  Thomson 
und  Adams,  von  welchen  dererstere  ganz  dieselbe  Ausbreitung 
rechts  zeigte,  wie  sie  bei  dem  von  uns  beobachteten  Patienten 
links  vorhanden  war.  Auch  Gerhardt  glaubte  nach  der  Loca- 
lisation  und  namentlich  auf  die  Beobachtung  gestützt,  dass  bei 
dem  einen  Falle  das  Auftreten  der  Erkrankung  von  Krämpfen 
begleitet  war,  eine  Erkrankung  des  Nervensystems,  wahrschein- 
lich der  Spinalganglien,  als  Ursache  der  Papillomentwickelung 
annehmen  zu  müssen.  Diese  Annahme  findet  eine  Bekräftigung 
durch  eine  Beobachtung  Pott's.  *)  Hier  war  das  Papillom  im 
ganzen  Gebiete  des  rechten  Trigeminus  verbreitet,  in  dessen 
Bereiche  angeborne  Pigmentationen  vorhanden  gewesen  waren. 
Im  ersten  Viertellebensjahre  wurde  das  Kind  von  epileptischen 
Krämpfen  befallen,  welche  die  rechte  Gesichtshälfte  und  obere 
Extremität  betrafen  und  eine  Lähmung  dieser  Gesichts- 
hälfte und  Parese  der  Extremität  zurückliessen.  Gleichzeitig 
begann  die  Entwickeluug  der  Papillome.  Eine  Erkrankung, 
welche  ganz  gleiche  Veränderungen  der  Haut  darbot,  jedoch 
in     ganz     anderer   Vertheilung    und  Anordnung,    wurde    von 


')  Gerhardt.  Beobachtungen  über  neuropathisches  Hautpapillom. 
Jahrb.  f.  Kinderheilk.  IV.  1871,  p.  270* 

')  R.  Pott,  üeber  Papilloma  neuropathicum.  Jahrb.  f.  Kinderheil- 
kunde. XXVIII,  1888,  p.  432. 


Ueber  sogenannte  Nerven-Naevi.  29 

Beigel  )  beobachtet,  und  als  Papilloma  area-elevatum  bezeichnet, 
weil  die  Efflorescenzen  kreisrunde,  scharf  begrenzte  Erhabenheiten 
bildeten.  Ohne  nachweisbare  Ursache  wurde  das  bis  dahin  ganz 
gesunde  Kind  im  10.  Lebensmonate  von  heftigen  Krämpfen  be- 
fallen, wobei   sich   die   Hauterkrankung   zu  entwickeln  begann. 

In  der  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 
zu  Heidelberg  stellte  V  e  i  e  1  *)  einen  Fall  von  excessivem  Naevus 
pigmentosus  vor,  der  an  Brust  und  Bauch  scharf  halbseitig 
begrenzt  war.  Auch  hier  fiel  die  Streifenbildung  parallel  den 
Intercostalräumen  auf.  Julius  Müller^)  beschreibt  einen 
Naevus  verrucosus  unius  lateris,  der  über  die  ganze  rechte 
Körperhälfte  verbreitet  war  und  nur  stellenweise  so  viel  auf 
die  linke  Körperhälfte  übergriff,  als  es  auch  der  Herpes  zoster 
zu  thun  pflegt. 

Derartige  Fälle  lassen  wohl  den  neuropathischen  Ursprung 
dieser  Naevi  recht  wahrscheinlich  erscheinen,  allein  ganz  mit 
Recht  betont  Petersen,*)  dass  die  Berechtigung  der  Be- 
nennungen Gerhardt's  und  Simon's  trotz  aller  Wahrschein- 
lichkeitsgründe nicht  sicher  erwiesen  ist. 

ßecklinghausen, *)  welcher  in  seiner  grossen  Arbeit 
die  Bedeutung  der  multiplen  Fibrome  der  Haut  als  Neuro- 
fibrome klargelegt  hat,  betont  ausdrücklich  den  Unterschied 
zwischen  diesen  und  dem  trophischen  Nerven-Naevus  Th. 
Simon's,  und  stellt  als  wesentlich  unterscheidendes  Merkmal 
das  Fehlen  einer  richtigen  Tumorenbildung  bei  letzterer  Er- 
krankung auf.  Ihm  scheint  überhaupt,  „als  ob  diese  ,neuritischen' 
Papillome  die  Folgen  der  Vernichtung  des  Nerveneinflusses 
auf  die  Ernährung  der  Hautgewebe,  trophische  Störungen 
neuroparalytischer  Natur   sind,  welche  ungewöhnlicherweise  zu 


')  Beigel.  Eine  bisher  nicht  beschriebene  Hautkrankheit.  (Papil- 
loma area-elevatnm.j  Virchow's  Archiv  47,  p.  367. 

*)  Sitzungsbericht  der  Section  für  Derm.  der  62.  Vers,  deutscher 
Naturf.  u.  Aerzte.  Heidelberg  1889.  Arch.  f.  Derm.  u.  Syph.  1890,  p.  207. 

')  Müller,  Jul.  Naevus  verruc.  unius  lateris.  Arch.  f.  Derm.  und 
Syph.  1892,  p.  21. 

*)  Petersen,  Walther.  Ein  Fall  von  multipl.  Knäueldrüsen-Ge- 
schwülsten.  Arch.  f.  Derm.  u.  Syph.  1892,  p.  919. 

*)  Recklings hausen.  Ueber  die  multii)len  Fibrome  der  Haut. 
Berlin  1882,  p.  59. 


30  Spiels  chka. 

einem  activen  Vorgang,  zu  einer  Hypertrophirung  der  obersten 
Hautschichten  fuhren,  während  letztere  doch  bei  den  Neuro- 
fibromen nur  gedehnt  und  atrophirt,  also  rein  passiv  betheüigt 
werden". 

Einen  gleichfalls  recht  ausgebreiteten  halbseitigen  Naevus 
beschrieb  A.  Lanz*)  und  hebt  dabei  folgende  Punkte  hervor: 
1.  halbseitige  (links)  Entwickelung,  2.  Entstehung  im  ersten 
Lebensjahre,  3.  Charakteristische  Vertheilung  der  Hautaffection 
in  Form  von  mehr  oder  weniger  breiten  Streifen  oder  Linien, 
4.  kein  nachweisbarer  Zusammenhang  der  Gruppen  mit  der 
Verbreitung  der  Nerven  (Voigt'sches  Liniensystem),  5.  Fehlen 
jeglicher  sowohl  central  wie  peripher  klinisch  nachweisbarer 
Veränderungen  des  Nervensystemes.  Lanz  hält  daher  den 
Namen  Nervennaevus  nicht  für  entsprechend  und  schlägt  lieber 
die  Unna'sche  Bezeichnung  Naevus  linearis  verrucosus  vor;  für 
seinen  Fall  möchte  er  jedoch  das  Adjectivum  verrucosus  mit 
ichthyosiformis  vertauschen,  da  die  Hautaffection  viel  mehr 
das  Aussehen  einer  Ichthyosis  als  einer  Warze  bot. 

Auch  Jadassohn*)  konnte  bei  den  vier  von  ihm  be- 
schriebenen Fällen  einen  Zusammenhang  zwischen  der  Aus- 
breitung der  peripheren  Nerven  und  der  Localisation  der  Naevi 
nicht  ermitteln.  Er  würdigt  wieder  die  fissurale  Theorie  Vir- 
chows,  •')  welche  derselbe  namentlich  für  die  im  Trigeminus- 
gebiete  vorkommenden  Gefässuaevi,  die  Angiome,  aufgestellt  hat 

In  der  That  ist  es  ja  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich, 
dass  die  Anlage,  oder  sagen  wir  das  gebräuchlichere  Wort 
Prädisposition  zur  Entwickelung  dieser  halbseitigen  Naevi  eine 
im  embryonalen  Leben  entstandene  ist.  Wir  finden,  dass  der 
Naevus  zumeist  schon  bei  der  Geburt  bestanden  hat,  oder  doch 
wenigstens  angedeutet  war,  oder  aber  dass  die  Entwickelung 
in  einem  sehr  frühen  Alter,  meist  dem  ersten  Lebensjahre 
stattfindet,  und  da  ist  es  gewiss  von  höchster  Bedeutung,  dass 


')  A.  Lanz.  Ein  Fall  von  Naevus  verrucos.  unius  lateris  (v.  Bären- 
sprung), Naevus  linearis  verruc.  (Unna)  sen.  ichthyosiformis  (Lanz).  Medi- 
zinskoje Obosrenje.   1893.  Bd.  XL,  Heft  17,  p.  449.  Moskau  (Russisch). 

')  Jadassohn.  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Naevi.  Arch.  f.  Denn, 
u.  Syph.  1888,  p.  917. 

*)  Virchow.  Geschwülste.  IIL,  p.  845. 


üeber  sogenannte  Nerven-Xaevi.  31 

die  Entwickelung  in  einzelnen  Fällen  (Gerhardt  Fall  I, 
Pott,  Beige  1)  von  schweren  nervösen  Störungen,  epileptischen 
Krämpfen  etc.  begleitet  war. 

So  sehr  die  Fissuraltheorie  Virchow's  für  die  telean- 
giectasischen  Naevi  namentlich  des  Facialisgebietes  annehmbar 
erscheint,  so  wenig  sind  wir  jedoch  berechtigt,  diese  Telean- 
giectasien  mit  den  verschiedenen  anderen  Naevi,  als  Pigment- 
Daevi,  warzenartige  oder  papillomartige  Naevi  genetisch  gleich- 
zusetzen. Die  Einwände,  welche  Campana*)  gegen  die  Fissural- 
theorie selbst  für  die  im  Trigeminusgebiete  auftretenden  Ge- 
fässnaevi  erhebt,  dürfen  nicht  ohne  Weiteres  zurückgewiesen 
werden.  Wohl  nicht  mit  Unrecht  betont  er,  dass  es  ihm  un- 
begreiflich erscheint,  dass,  wenn  man  die  Bildung  des  Angioms 
als  eine  anatomische  Thatsache  gelten  lassen  will,  man  darin 
nicht  dasselbe  Gesetz  der  vollkommen  lateralen  Symmetrie  er- 
kennen darf,  das  sich  so  constant  in  der  Embryogenie  der 
Arterien  und  Capillaren  erweist.  Ebenso  muss  man  zugeben, 
dass,  wie  es  nicht  immer  gelingt,  das  Verbreitungsgebiet  eines 
papillären  oder  Warzennaevus  in  die  Grenzen  der  Voigt'schen 
Tabellen  einzuzwängen,  es  auch  nicht  immer  angeht,  den  Ge- 
fässnaevus  in  einer  erklärlichen  Weise  um  die  euibryonalen 
Spalten  zu  gruppiren. 

Die  Verhältnisse  des  Auftretens  und  der  Entwickelung 
der  verschiedenen  halbseitigen  Naevi  gleichen  einander  so  sehr, 
dass  wir  heute  durchaus  nicht  in  der  Lage  sind,  zu  sagen, 
Gefassnaevus  und  warzen-  oder  papillomartiger  oder  Pigment- 
Naevus  seien  genetisch  ganz  verschiedene  Dinge,  dennoch 
ist  die  Unterscheidung  Simon' s")  in  vasomotorische  und  tro- 
phische  Naevi  wohl  ganz  berechtigt. 

Die  bis  heute  vorliegenden  Beobachtungen  lassen  uns 
keine  bestimmten  Schlüsse  auf  die  Ursachen  der  Entwickelung 
der  halbseitigen  Naevi  ziehen. 

Es  besteht  eine  recht  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Mei- 
nungen und  Möglichkeiten! 


')  Gampana.  üeber  einige  neuropathische  Dermatosen.  (III.)  Arcb. 
für  Derm.  u.  Syph.  1888,  p.  184. 
')  Th.  Simon,  1.  c.  p.  28. 


32  Spiet  schka. 

Hier  eine  Entscheidung  zu  treffen,  dürfte  nicht  leicht  sein, 
da  eben  der  anatomische  Beweis  für  die  eine  oder  andere 
Ansicht  nicht  leicht  zu  erbringen  ist.  Die  wahrscheinlich  zumeist 
intrauterinen  Störungen  nervöser  Natur,  die  zui-  Entwickelung 
dieser  Naevi  Veranlassung  geben,  brauchen  ja  zur  Zeit,  wo  der 
Naevus  ausgebildet  ist,  längst  nicht  mehr  nachweisbar  zu  sein. 
Uebrigens  kommen  auch  Fälle  mit  entwickeltem  Na«vus  nur 
selten  zur  Section,  und  vielleicht  sind  die  Störungen  im  Nerven- 
system dann  überhaupt  nicht  mehr  nachweisbar.  Um  daher 
der  Lösung  näher  zu  kommen,  wird  es  nothwendig  sein,  der- 
artige Fälle  genau  zu  beobachten,  und  die  casuistische  Publi- 
cation  in  dieser  Richtung  eifrigst  zu  betreiben. 

Wir  hatten  nun  in  letzter  Zeit  an  der  Klinik  des  Herrn 
Prof.  Pick  Gelegenheit,  unter  anderen  drei  besonders  bemer- 
kenswerthe  Fälle  von  Naevus  zu  beobachten,  deren  Veröffent- 
lichung mir  Herr  Prof.  Pick  zu  übertragen  die  Güte  hatte, 
wofür  ich  ihm  meinen  herzlichsten  Dank  auch  an  dieser  Stelle 
ausspreche. 

I.  Fall.  Naevus  neuropathicus  verruco-papillomatosus 
pigmentosus.     (Abbildung  des  Falles  auf  Taf.  IV.) 

S.  J.,  lOjähriger  Schuhmacher,  kommt  wegen  eines  Ekzemes  an 
beiden  Händen   auf  die  Klinik. 

Bei  der  somatischen  Untersuchung  des  Patienten  wird  die  eigen- 
thümliche  Erkrankung  an  der  linken  Thoraxseite  und  am  Arme  wahrge- 
nommen. Patient  gibt  an,  dass  er  dieselbe  seit  der  frühesten  Jugend  bemerkt 
habe,  und  dass  ihm  seine  Mutter  sagte,  er  habe  sie  schon  bei  der  Geburt 
gehabt,  und  sie  sei  dann  mit  ihm  gewachsen.  Es  ist  ihm  nicht  bekannt 
dass  in  seiner  Verwandtschaft  jemand  eine  ähnliche  Erkrankung  habe. 

Status  praes. :  Patient  ist  mittelgross,  kräftig  gebaut,  hat  gut 
entwickelte  Musculatur  und  massig  starken  Panniculus. 

Die  Untersuchung  der  inneren  Organe  ergibt  vollkommen  normale 
Verhältnisse.  Keine  nervösen  Störungen.  An  beiden  Handrücken,  Bück- 
und  Seitenflächen  der  Finger  und  zwar  der  ersten  Phalanx  ein  aus 
derber  Infiltration  und  Röthung  der  Haut  und  kleinen  mit  klarem  Inhalte 
gefüllten  Bläschen  bestehendes  Ekzem.  Die  Nägel  der  Finger  zeigen 
kleine  grubige  Vertiefungen  und  Längsstreifung. 

Die  allgemeinen  Hautdecken  sind  glatt  gut  befeuchtet,  lebhaft 
pigmentirt.  Haupthaar  dunkelblond,  Irides  graublau,  Pupillen  gleich  weit, 
prompt  reagirend.  Im  Gesichte  spärliche  Acne  und  Comedonen ;  Zähne 
gut ;  Mundschleimhaut  zeigt  keine  Abnormitäten. 

An  der  linken  Seite  des  Thorax  befindet  sich  eine  Gruppe  warzen- 
oder    papilloraartigen    Wucherungen,     welche    in   Gürtelform    die  Hälfte 


lieber  sogenannte  Nerven-Kaevi.  33 

des  Stammes  umgibt,  und  auch  auf  die  Innenfl&cbe  des  Armes  übergreift. 
Die  genauere  Ausbreitung  ist  folgende:  Am  Rücken  beginnt  der  Gürtel 
am  Innenrande  der  Sci^ula,  in  der  Begio  infraspinata,  in  der  Höbe  des 
nL  u«  lY.  Domfortsatzes.  Von  hier  zieht  er,  allmälig  sich  verbreiternd, 
dicht  unter  der  hinteren  Achselfalte  an  die  Seite  des  Stammes,  schickt 
einen  breiten  Ausläufer  in  die  Achselhöhle,  und  erreicht  zwischen 
vorderer  Achselfalte  und  Mamilla  seine  höchste  Entwickelung.  Dann 
erstreckt  er  sich,  die  Mamilla  noch  einnehmend,  ein  unteres  Segment 
des  Warzenhofes  jedoch  nicht  mehr  betreffend,  schnell  an  Breite  und 
Intensität  abnehmend,  nach  vom,  wo  er  in  der  Höhe  des  unteren  Endes 
des  Corpus  stemi  zwei  Querfinger  von  der  Mitte  endet.  Aus  der  Achsel- 
höhle zieht  ein  Streifen  genau  im  Sulcus  bicipit  internus  peripherwärts, 
läuft  dicht  hinter  dem  Condylus  internus  Humeri  an  die  ülnarseite  des 
Vorderarmes,  wo  er  am  Handwurzelgelenke  endet. 

Der  ganze  Kaevus  setzt  sich  aus  zweierlei  Gebilden  zusammen.  Die 
einen  sind  flache  Warzen,  die  an  der  Oberfläche  feinhöckerig  und  gelbbraun 
bis  schwarzbraun  pigmentirt  sind.  Die  einzelnen  Wärzchen  erreichen  Punkt 
bis  Linsengrösse,  und  confluiren  an  den  Stellen  der  stärksten  Entwickelung 
zu  grossen  Flächen,  und  lassen  vielfach  eine  streifenartige  Anordnung 
erkennen.  Am  vorderen  und  hinteren  Ende  sind  sie  gelb  bis  gelbbraun, 
zwischen  Warzenhof  und  Achselhöhle  jedoch  braun  bis  tief  schwarzbraun. 
Die  anderen,  welche  in  der  Achselhöhle  vorkommen,  bilden  bis  haselnuss- 
grosse  gestielte  Papillome,  von  violettbrauner  dunkler  Farbe,  und  gelappter 
Oberfläche.  Die  meisten  sind  trocken,  jedoch  in  der  Tiefe  der  Achselhöhle 
ist  das  Epithel  zwischen  einzelnen  macerirt  und  hier  findet  leichtes 
Nässen  statt. 

Ausserdem  befindet  sich  links  an  der  Seite  des  Stammes,  in  der 
Höhe  des  Rippenbogens  ein  pigmentarmer  Fleck. 

n.  Fall.  Naevus  neuropathicus  verrucopapillomatosus 
pigmentosus. 

D.  A.,  28jähriger  Taglöhner.  Der  Vater  des  Patienten  starb  vor 
kurzer  Zeit  70  Jahre  alt,  nachdem  er  durch  13  Jahre  an  Athemnoth 
gelitten  hatte;  die  Mutter  lebt,  ist  vollkommen  gesund,  68  Jahre  alt;  zwei 
Schwestern  und  zwei  Brüder  sind  gesund.  Der  Patient  gibt  an,  dass  in 
seiner  ganzen  näheren  und  entfernteren  Verwandtschaft  keine  besondere 
Erkrankung  vorhanden  sei,  auch  keine  Geistes-  oder  Nervenkrankheit 
vorkam.  Namentlich  ist  ihm  nichts  von  einer  ähnlichen  Hauterkranknng 
bekannt.  Sein  Hautleiden  besteht,  wie  ihm  seine  Mutter  erzahlte,  seit 
der  frühesten  Kindheit.  Es  soll  jedoch  in  den  ersten  Lebensjahren  nicht 
so  stark  ausgeprägt  gewesen  sein,  sondern  sich  erst  im  sechsten  Lebens- 
jahre sehr  verschlimmert  haben.  Damals  badete  er  in  einem  kalten 
Bache,  es  war  im  September,  worauf  er  krank  wurde,  und  fieberte ;  dabei 
soll  sich  das  Hautleiden  sehr  gesteigert  haben.  Daraufhin  blieb  es  sich 
ganz  gleich,  nur  dass  es  mit  dem  Patienten  wuchs.  Er  wurde  dadurch 
nie  belästigt.  Nur  wenn  er  stark  schwitzte,  war  ihm  das  Nässen  und  der 

ArehiT  f.  Dennato].  s.  STpbll.  Band  XXVII.  3 


34  Spietschka. 

üble  Geruch  in  der  AchseUiöhle  unangenehm.  Er  gibt  an,  sonst  nie  krank 
gewesen  zu  sein;  er  ist  Potator  in  allen  Getranken  (Bier,  Wein,  Schnaps); 
die  Kopfschmerzen  nach  einem  Rausche  waren  die  einzige  Krankheit,  über 
die  er  sich  beklagt.  Der  Appetit  ist  immer  gut,  der  Stuhl  in  Ordnung, 
eine  venerische  Affection  hat  er  nie  durchgemacht. 

Status  präsens:  Patient  ist  mittelgross,  von  kraftigem  Knochen- 
bau und  gut  entwickelter  Muskulatur;  der  Panniculus  adiposus  massig. 
Die  Untersuchung  der  inneren  Organe  ergibt  vollkommen  normale  Ver- 
hältnisse. 

Die  allgemeinen  Hautdecken  sind  mit  Ausnahme  der  unbedeckt 
getragenen  Theile  wenig  pigmentirt,  glatt,  gut  befeuchtet  und  eingeölt. 
Gesicht  und  Hände  dagegen  sind  lebhaft  pigmentirt.  Das  Haupthaar  blond, 
schütter.  Irides  grau,  Pupillen  gleich  weit,  prompt  reagirend.  Das  Gesicht 
ist  etwas  asymmetrisch.  Die  Nasenspitze  sieht  nämlich  ein  wenig  nach 
links.  Stirnfalten  und  Nasolabialfalte  sind  links  stärker  ausgeprägt,  der 
Mundwinkel  ist  etwas  nach  links  verzogen.  In  der  Function  der  Gesichts- 
muskulatur lässt  sich  jedoch  ein  Unterschied  an  den  beiden  Gesichtshälften 
nicht  erkennen.  Im  Gesichte  und  an  den  Streckseiten  beider  oberer  Extre- 
mitäten befinden  sich  zahlreiche  ephelidenartige  Pigmentationen,  die  an 
den  Unterarmen  auch  auf  die  Beugeseiten  übergreifen.  An  der  Schleim- 
haut des  Mundes  sind  keine  Pigment-  oder  sonstige  Anomalien  wahrzu- 
nehmen. 

An  der  Haut  des  Stammes  und  der  oberen  Extremitäten  befinden 
sich  zweierlei  Bildungsanomalien:  Die  einen  gleichen  dem  Fibroma  mol- 
luscum  oder  mehr  noch  Papillomen,  indem  sie  nämlich  kleine,  bis  erbsen- 
grosse,  weiche  Geschwülsteben  bilden,  die  an  einem  dünnen  Stiele  sitzen; 
dieselben  fühlen  sich  weich  und  ziemlich  schlaff  an  und  zeigen  eine  fein 
gefaltete  Oberfläche;  die  etwas  grösseren  haben  ein  gelapptes  Aussehen, 
genau  wie  ein  venerisches  Papillom,  nur  dass  sie  zumeist  eine  trockene 
Oberfläche  und  Pigmentation  zeigen.  Ihre  Farbe  ist  gelbbraun,  bei  den 
grösseren  etwas  dunkler,  stellenweise  ins  Violette  spielend.  Die  zweite  Art 
gleicht  mehr  einer  flachen  weichen  Hautwarze  und  besitzt  eine  hellbraune 
Farbe,  die  Oberfläche  ist  fein  höckerig.  Es  finden  sich  jedoch  allmälige 
Uebergänge  aus  der  einen  Form  in  die  andere,  auch  sind  die  Färbungs- 
verhältnisse verschieden.  Die  flachen  Bildungen  an  der  rechten  Seite  des 
Stammes  sind  sehr  dunkel  pigmentirt,  während  sie  am  Rücken  und  an 
den  Extremitäten  hellere  Färbung  zeigen;  die  papillomartigen  in  der 
rechten  Achselhöhle  wiederum  sehr  dunkel,  fast  violett  schwarz,  während 
die  über  den  Schulterblättern  und  am  Rücken  eine  bedeutend  geringere 
Pigmentation  aufweisen.  Die  gestielten  Bildimgen  befinden  sich  beiderseits 
am  Rücken  über  den  Schulterblättern,  in  der  Fossa  supraspinata  sehr 
zahlreich,  namentlich  rechts;  links  reichen  sie  nur  zw^ei  Querfinger  breit 
unter  die  Spina,  rechts  dagegen  eine  Handbreit.  Beiderseits  nehmen  sie 
nach  aufwärts  an  Grösse  zu,  setzen  sich  über  die  Falte  des  Musculus 
tsucullaris  bis  in  die  Schlüsselbeingrube  fort,   wo  sie  auch  wieder  rechts 


lieber  sogenannte  Nerven-Naevi.  35 

starker  entwickelt  sind  als  links  und  bis  in  die  halbe  Höhe  des  Halses 
hinaufreichen,  jedoch  nur  in  spärlichen  Gruppen.  Merkwürdig  ist  ihre  An- 
ordnung in  Reihen,  welche  vom  Nacken  quer  nach  aussen  auf  den  Ober- 
arm ziehen.  Ausserdem  befinden  sich  in  der  rechten  Achselhöhle  und  zwar 
in  der  vorderen  Hälfte  derselben  mächtige  Gruppen,  während  an  der  hin- 
teren Achselfalte  nur  zwei  etwa  wallnussgrosse  Gruppen  stehen.  In  der 
Achselhöhle  selbst  bilden  sie  grosse  papillomartige  Wucherungen,  deren 
Oberfläche  theilweise  macerirt  und  violett  roth  gefärbt  ist. 

Die  zweite  Art  der  Bildungen  ist  in  der  Weise  vertheilt,  dass  in 
der  Mitte  der  Brust  von  der  Glavicula  bis  etwas  unter  die  Mamillen  herab 
eine  Gruppe  solcher  warzenartiger  Bildungen  sich  befindet,  die  über  dem 
Stemum  am  dichtesten  ist  und  «ich  nach  aussen  bis  zwei  Querfinger  vor 
die  Mamillarlinie  erstreckt.  Von  dieser  Gruppe,  welche  beiderseits  eine 
streifenförmige  symmetrische  Anordnung  zeigt ,  verlaufen  bogenförmige 
Gruppenzüge  am  Musculus  pectoralis  major  gegen  die  Arme  zu,  auf  denen 
sie  sich,  immer  etwa  2  Querfinger  von  der  freien  Achselfalte  entfernt 
über  die  grösste  Wölbung  des  Biceps  bis  gegen  das  Ellbogengelenk  er- 
strecken. Am  linken  Arme  verlaufen  sie  dann  mehr  ulnarwärts  bis  zur 
Mitte  des  Vorderarmes,  rechts  blos  bis  in  das  obere  Drittel;  jedoch  be- 
findet sich  hier  ausserdem  noch  ein  Zug  im  Sulcus  bicipitalis  internus, 
welcher  von  der  Papillomgruppe  der  Achselhöhle  ausgeht. 

üeber  beiden  Schulterblättern  befinden  sich  bis  in  die  Höhe  des 
Domfortsatzes  des  5.  Brustwirbels  herab  grosse  Gruppen  derartiger  Ge- 
bilde. Die  Richtung  dieser  gleichfalls  in  Streifen  geordneten  Gruppen  geht 
oberhalb  der  hinteren  Achselfalte  an  die  Aussenseite  des  Oberarmes,  ver- 
läuft im  oberen  Drittheil  desselben  etwas  nach  vom,  gelangt  im  Sulcus 
bicipitalis  extemus  ans  Ellbogengelenk  und  erstreckt  sich  an  der  rs^dialen 
Hälfte  der  Beugeseite  des  Vorderarmes  bis  ungefähr  in  die  Hälfte  desselben. 

Femer  verlaufen  an  der  rechten  Hälfte  des  Stammes  in  herpes- 
zoster-artiger  Anordnung  drei  Gürtel,  die  aus  Gruppen  derselben  warzen- 
artigen Gebilde  bestehen,  die  aber  hier  sehr  dunkel  pigmentirt  sind.  Der 
oberste  Gürtel  befindet  sich  in  der  Hohe  der  7.,  der  zweite  in  der  Höhe 
der  9.,  der  dritte  in  der  Höhe  der  12.  Rippe  und  zieht  bis  über  den 
Darmbeinkamm.  Am  deutlichsten  sind  die  Gürtel  an  der  Seite  des  Stammes 
ausgeprägt,  während  sie  sich  dorsal-  und  ventralwärts  gegen  die  Mittel- 
linie mehr  ausbreiten  und  mit  einander  stellenweise  verschnrelzen.  An  der 
linken  Seite  befinden  sich  nur  hinten  zwei  Querfinger  neben  der  Mittellinie 
drei  diesen  Gürteln  entsprechende  Gmppen.  Noch  tiefer,  über  der  oberen 
Hälfte  des  Kreuzbeines  befindet  sich  jederseits  noch  eine  weitere  Gruppe, 
die  einen  vierten  Gürtel  andeutet;  rechts  setzt  sie  sich  in  der  oberen 
Hälfte  der  Glutaealgegend  nach  vom  fort,  um  dicht  über  dem  Pupart- 
schen  Bande  bis  zur  vorderen  Mittellinie  zu  ziehen,  und  hier  mit  dem 
dritten  Gürtel  zu  verschmelzen.  Die  Gürtel  enden  rechts  vome  scharf  in 
der  Mittellinie,  während  sie  hinten  beiderseits  etwas  von  der  Mittellinie 
entfernt  beginnen. 

3* 


36  Spietschka. 

Bei  beiden  Fällen  sehen  wir  eine  Tollkommen  gleicliartige 
Erkrankung,  welche  unstreitig  auf  einer  Papillenhypertrophie 
mit  FigmentbOdung  beruht  und  sich  in  Form  von  Warzen  oder 
Papillomen  zu  erkennen  gibt 


Betrachten  wir  nnn  die  Localisation  etwas  näher  1 

Bei  dem  ersten  Falle  (Taf.  IVj  ünden  wir  ein  Gebiet  be&Uen, 

welches  bereits  der  Region  der  Intercostalnerren  zugehört  und 

der  Ausbreitung  der  zweiten  und  dritten  Intercostalis  sinister 

entspricht,  und  zwar  das  ganze  Gebiet  derselben  einnimmt  mit 


Ueber  BOgenAnote  Nerven-Naevi.  37 

Ausnahme  des  vordersten  nnd  hintersten  Theiles.    Ausserdem 
aber  sehen  wir  einen  Theil  der  Unken  oberen  Extremität  be- 


iallen, welcher  dem  Nervus  cutaneus  internus  entspricht.    Wir 
finden  nun  einen  wichtigen  anatomischen  ZuBammenhang  dieser 


38  Spietschka. 

beiden  Gebiete,  denn  Henle^)  sagt:  „Der  Ramus  perforans 
lateralis  des  zweiten  Intercostabierren  verbindet  sich  mit  dem 
Nervus  cutaneus  internus  des  Armes,  oder  vertritt  ihn,  und 
auch  vom  dritten  gelangen  noch  Zweige  zur  Haut  der  Achsel- 
grube/ Wir  müssen  doch  zugeben,  dass  die  äussere  Unter- 
suchung kaum  einen  schöneren  Beweis  für  den  Zusammenhang 
zwischen  der  Ausbreitung  dieser  Naevi  und  den  Verbreitungs- 
gebieten der  Hautnerven  erbringen  kann,  als  diese  merkwürdige 
Uebereinstimmung  in  unserem  Falle. 

Wir  finden  auch  eine  grosse  Uebereinstimmung  in  der 
Ausbreitung  der  Erkrankung  unseres  L  Falles  mit  dem  Falle  H 
von  Herpes  Zoster  bei  Weis, ^)  welchen  derselbe  gleichfalls 
in  der  oben  angegebenen  Weise  erläutert. 

Unser  zweiter  Fall  bietet  das  merkwürdige  Beispiel  eines 
^Naevus  unius  lateris"  bilateralis,  dessen  Möglichkeit  bereits 
von  Th.  Simon  in  der  oben  citirten  Arbeit  betont  wurde,  aber 
bisher  in  derartiger  Weise  noch  nicht  beobachtet  worden  ist.*) 
Trotzdem  derselbe  die  Erkrankung  an  beiden  Seiten  in  so 
ausgesprochener  Weise  zeigt,  hält  er  doch  auch  die  Regeln 
der  Halbseitigkeit  sti-eng  ein. 

Was  hier  die  Vertheilung  der  Krankheit  nach  Nerven- 
gebieten betrifft,  so  finden  wir  die  Verbreitungsbezirke  ver- 
schiedener Spinalnerven  vom  IV.  Cervicalis  bis  zum  ersten 
Sumbalis  in  die  Erkrankung  in  mehr  oder  weniger  starker 
Weise  einbezogen.  Am  Stamme  sehen  wir  links  nur  die  Ge- 
biete der  Rami  perforantes  posteriores  befallen.  Rechts  dagegen 
werden  die  Gebiete  des  7.,  9.  und  12.  Intercostalis  voll- 
ständig eingenommen  und  auch  das  Gebiet  des  ersten  Sum- 
balis ist  nicht  verschont,  denn  wir  beschrieben  oben  einen 
vierten  Gürtel,  welcher  dicht  über  dem  P  u  p  a  rt'schen  Bande  bis 


')  Henle.  Handbuch  der  Nervenlehre  des  Menschen.  Braunschweig 
1871,  p.  508. 

*)  Weis,  E.  lieber  e;)idemi8chen  Zoster.  Archiv  f.  Derm.  u.  Syph. 
1890,  p.  630. 

*)  Erst  nach  Vollendung  dieser  Arbeit  erhielt  ich  Kenntniss  von 
einem  Falle,  welchen  Saalfeld  in  derBerl.  derm.  Vereinigung  am  G.Juni 
1893  vorgestellt  hatte.  Auch  hier  war  die  Affection  beiderseitig,  jedoch  in 
ungleich  starker  Weise  vorhanden. 


üeber  sogenannte  Nerven-Naevi.  39 

g^nau  in  die  vordere  Mittellinie  zieht,  und  zum  grossen  Theile 
mit  dem  S.  Gürtel  verschmolzen  ist. 

Am  Schultergürtel  finden  wir  beiderseits  das  Gebiet  des 
IV.  Gervicalis  mit  papillomartigen  Bildungen  besetzt.  In  der 
rechten  Achselhöhle  haben  wir  ein  ähnliches  Verhältniss  wie 
bei  dem  vorigen  Falle  links.  Wir  sehen  hier  einen  schmalen 
Streifen  vom  Schulterblatte  unter  der  hinteren  Achselfalte  in 
die  Achselhöhle  ziehen,  wo  eine  mächtige  Gruppe  von  Papil- 
lomen sitzt,  die  wiederum  einen  schmalen  Zug  warzenartiger 
Gebilde  in  den  Sulcusbicipitalis  internus  sendet,  der  darin  bis 
zum  Ellbogengelenke  verläuft.  Also  Gebiet  des  IIL  Inter- 
costaJis  mit  seiner  Abzweigung  zur  Achselhöhle  und  Innenseite 
des  Armes.  An  der  Vorderseite  des  Stammes  ist  dieser  Gürtel 
nur  durch  einige  kleine  Warzengruppen  oberhalb  der  Mamilla 
angedeutet;  links  fehlt  er  ganz,  hier  sind  aber  auch  in  der 
Achselhöhle  und  im  Sulcusbicipitalis  internus  keine  patholo- 
gischen Gebilde  vorhanden. 

Die  eigenthümliche  Anordnung  der  Streifen  an  der  Brust 
dürfte  wohl  dem  hier  etwas  modificirten  Verlaufe  der  Haut- 
nerven entsprechen.  Wir  finden  darüber  bei  Langer  (Lehrb. 
der  Anatomie  1887  pag  350):  „Die  Einfügung  der  oberen  Ex- 
tremität modificirt  die  typische  Anordnung  der  beschriebenen 
Hautnerven.  Die  Modificationen  betrefifen  aber  nur  die  oberen 
bis  zum  siebenten  und  bestehen  in  folgendem.  Da  der  erste 
Intercostalis  vollständig  vom  Schultergürtel  bedeckt  wird,  so 
kann  er  keinen  Hautast  abgeben,  wogegen  er  eine  beträchtliche 
Fasermenge  an  den  Plexus  brachialis  abliefert.  Der  zweite  Inter- 
costalis besitzt  bereits  beide  durch  bohrende  Hautäste,  er  sendet 
aber  den  hinteren  nicht  zur  Brust,  sondern  mit  dem  Nervus  cutaneus 
brachii  internus  vereint  zur  oberen  Extremität,  wo  er  die  Haut  der 
Achselgrube  und  eines  Theiles  des  Oberarmes  mit  Fasern  ver- 
sieht. Da  auch  die  folgenden  hinteren  Hautäste  bis  zum  7. 
von  den  Rumpfarmmuskeln  überlagert  werden,  so  müssen  sie, 
um  zur  Brusthaut  zu  gelangen,  einen  Umweg  machen  und  vorne 
den  unteren  Rand  des  Poctoralis  umgreifen.  Die  mangelnden 
Brusthautäste  der  ersten  zwei  Intercostales  ersetzen  die  Nervi 
supruclaviculares  des  4.  cervicalis,  dessen  Hautgebiet  somit  un- 
mittelbar   an  den  Hautast    des  3.  Intercostalis  grenzt.    Wenn 


40  Spietscbka. 

wir  uns  nun  vorstellen,  dass  das  Gebiet  des  3.  und  4.  Inter- 
costalis  links  nur  in  seinem  vordersten  Theile  befallen  ist, 
rechts  dagegen  nur  beim  4.  der  seitliche  Theil  ausgelassen  ist, 
während  das  Gebiet  der  Supraclaviculares  (aus  dem  4.  Cervicalis) 
beiderseits  ergriffen  ist,  kann  uns  auch  diese  eigenthümliche 
Anordnung  erklärlich  werden. 

An  den  Armen  ist  die  Gruppirung  recht  einfach.  Die 
beiden  grossen  Züge,  die  oben  beschrieben  wurden,  folgen 
genau  den  Verbreitungsgebieten  der  Hautzweige  des  N.  circum- 
flexus  humeri  und  Radialis  einerseits  und  des  Ulnaris  andrer- 
seits. 

Dass  trotz  des  Auftretens  der  Krankheit  an  beiden  Seiten 
des  Körpers  die  Halbseitigkeit  der  Affection  deutlich  erkennbar 
ist,  geht  aus  Folgendem  hervor.  Erstens  ist  die  rechte  Hälfte 
viel  schwerer  befallen  als  die  linke,  und  zweitens  sehen  wir 
rechts  Gebiete  in  scharf  halbseitiger  Begrenzung  befallen,  die 
links  frei  sind;  dies  zeigt  sich  namentlich  an  den  Rami  per- 
forantes  laterales  et  anteriores  der  Nervi  spinales  intercostales^ 
in  deren  Gebiete  die  Erkrankung  vorne  scharf  in  der  Mittel- 
linie abschneidet.  Ausserdem  sehen  wir  dasselbe  an  dem  scharf 
halbseitigen  tieferen  Herabgreifen  der  Zone  über  der  Regio 
scapul.  infraspinat.  und  über  dem  Pectoralis  major,  entsprechend 
dem  Nervus  intercost.  HI  mit  dem  anschliessenden  Gebiete  des 
Nervus  cut.  brachii  intern.,  welches  linkerseits  vollkommen  frei- 
gelassen ist,  bis  auf  den  vordersten  Theil  der  Brustgegend. 
Bezüglich  dieser  beiden  Fälle  möchte  ich  wegen  einer  gewissen 
Analogie  in  der  Localisation  an  den  lY.  Fall  Jadassohn^s^) 
erinnern,  welcher  einen  Naevus  mit  ganz  gleichartigen  Verän- 
denmgen  betrifft,  wobei  er  schreibt:  „Bezüglich  ihrer  Grup- 
pirung erinnern  die  Flecke  am  Rumpfe  theilweise  an  Herpes 
zoster.  So  beginnt  schon  in  der  Höhe  des  vierten  bis  sechsten 
Brustwirbels  ein  aus  den  geschilderten  Hautveränderungen  be- 
stehender Streifen  am  inneren  Rande  des  Schulterblattes  und 
zieht  unter  der  Achselhöhle  um  die  Seitenwand  des  Thorax 
nach  vorn,  nachdem  er  zuvor  an  die  oberen  hinteren  Pallien 
des  Oberarmes  einige  schmälere  Streifen  abgegeben  hat."  Ganz 


')  J ad a 8 söhn,  1.  c,  p.  928.  Arch.  i.  Derm.  u.  Syph.  1888. 


üeber  sogenannte  Nerven-Naevi.  41 

I 

ähnliche  Verhältnisse  finden  wir  bei  dem  von  Saalfeld')  in 
der  Berliner  dermatologischen  Vereinigung  am  6.  Juni  1893 
Yorgestellten  Kranken.  Auch  hier  setzte  sich  die  Affection,  über 
die  Yollständig  befallene  Achselhöhle  hinweggehend,  in 
Gestalt  eines  gegen  die  ulnare  Seite  des  Ellbogens  sich  ver- 
jüngenden und  oberhalb  der  ulnaren  Seite  des  Handgelenkes 
spitz  auslaufenden,  fast  continuirlichen  Streifens  fort. 

Noch  ein  weiterer  Punkt  wäre  zu  erwähnen,  welcher  für 
den  Zusammenhang  dieser  Erkrankung  mit  dem  Nervensysteme 
namentlich  der  Spinalganglien  spricht.  Die  Cervicalnerven, 
namentlich  die  vier  unteren  mit  dem  ersten  Intercostalis  gehen 
untereinander  reiche  Anastomosen  ein  und  wechseln  einen 
grossen  Theil  ihrer  Fasern  mit  einander  aus,  so  dass  der  end- 
giltig  zusammengestellte  Nerv  seine  Fasern  aus  mehreren  ver- 
schiedenen Wurzeln  bezieht.  Die  übrigen  Intercostalnerven 
dagegen  zeigen  ein  ganz  einfaches  Verhalten;  wenn  nun  eine 
in  den  Spinalganglien  gelegene  Ursache  verändernd  auf  die 
Haut  einwirkt,  so  wird  an  dem  den  Intercostales  entsprechenden 
Gebieten  die  Anordnung  der  Hautveränderung  eine  einfache, 
typische  sein.  An  den  den  Cervicalganglien  entsprechenden 
Partien  dagegen  müssen  Unregelmässigkeiten  in  der  Vertheilung 
der  Afifection  an  den  Tag  treten.  Sollte  diesen  Verhältnissen 
bei  unserem  zweiten  Falle  nicht  die  deutliche  Anordnung  der 
Erkrankung  in  Gürtelform  in  den  tieferen  Gebieten  und  die 
schwer  aufzulösende  Vertheilung  am  Schultergürtel  entsprechen  ? 

Eine  sichere  Stütze  für  den  neuropathischen  Ursprung 
dieser  Naevi  wird  allerdings  erst  die  genaue  Beobachtung  ein- 
schlägiger Fälle  erbringen  können.  Nach  unseren  Beobachtungen 
aber  müssen  wir  uns  den  Ansichten  Bärensprungs,  Th. 
Simonis  oder  Recklinghaus en's  zuneigen  und  ihnen  unter 
den  bestehenden  Meinungen  entschieden  die  grösste  Berechti- 
gung zuerkennen. 

Wir  wollen  nun  zur  Betrachtung  des  dritten  Falles  von 
halbseitigem  Naeviis  übergehen,  welcher  nach  Art  der  vorhan- 
denen Veränderungen  den  ersten  Fällen  Jadassohn's  entspricht. 


*)  Saalfeld.    Doppelseitiger    Naevus  vermoosus    (Nervennaevns.) 
Dermatol.  Zeitschr.  Bd.  I,  Heft  1. 


42  Spietichka. 

V.  F. ,  20jähriger  Lederfarber.  Der  Patient  kommt  wegen 
Luea  mit  ulcerirenden  Papeln  an  der  Mundschieünhant  zur  £linik.  Die 
Pigmentafiection  am  Stamme  hat  Patient  wenig  beachtet,  da  sie  ihn 
durchaus  nicht  beläBtigte.  Er  gibt  an,  dase  sie,  Bowie  die  beiden  pigmenti 
lo^en  Stellen  am  Rücken  achon  eejt  der  Gebort  bestehe,  nnd  mit  ilim  ge- 
wachsen sei. 

Status  praesens:  Pat.  ist  mittelgross,  von  gracilero  Knochenban, 
achwaph  entwickelter  Muskulatur  und  geringem  Panniculus  adipoaus.  Daa 
Haupthaar  ist  blond,  die  Iride.i  blau.  Die  allgemeinen  Hautdecken  sind 
glatt,  mSseig  pigmenlirt,  gut  befeuchtet  und  eingeölt.  Der  Hals  ist  lang, 
schmal,    Thorax    flach.     Kein    besonderer   pathologischer   Befund    an    den 


inneren  Organen.  Die  Genitalaffection,  die  Erkrank ungsherde  der  Mund- 
Schleimhaut  und  die  sklerotischen  Drüsen  Veränderungen  wollen  wir  hier 
nicht  näher  erörtern. 

Die  Erkrankung,  wenn  man  es  so  nennen  darf,  welche  uns  hier 
interessirt,  befindet  rieh  an  der  linken  unteren  Hälfte  des  Stammes  und 
aro  linken  Oberschenkel;  sie  besieht  aus  einer  sehr  grossen  Zahl  brauner 
Flecke,  die  gewöhnlichen  Kpitheliden  vollständig  gleichen,  nur  dass 
manche  etwaa  grösser  werden,  als  dies  die  Sommersprossen  in  thun 
pflegen. 

Dieselben  nehmen  ein  siemlich  scharf  tunsohriebenes  Qebiet  ein, 
das  sich  folgendermassen  begrenzen  lässt.    Vome  endet  dasselbe  scharf  in 


üeber  eogenaDnte  Nerven-Kaevi.  43 

der  Mittellinie  von  der  Symphyse  bis  binaof  zum  Kabel;  am  Nabel 
apringen  zwei  oder  drei  Flecke  auf  die  rechte  Seite  über.  Oberhalb  des 
Nabels  steigt  die  Qreiue  noch  8  Querfinger  empor,  entfernt  sich  aber  in 
ganz  «anften  Bogen  etwas  von  der  Mittellinie;  verläuft  dann  Eiemüch 
horizoDtal  bie  zur  Mamillarlinie,  fallt  hier  wieder  drei  Querfinger  senk- 
recht nach  abwärts,  um  sich  dann  spitzwinkelig  nach  hinten  nnd  oben  eq 
wenden.  In  dieser  Richtung  verläuft  die  Grenze  bis  zu  einer  vom  Innen- 
rande der  Scapula  senkrecht  nach  abwärts  gezogenen  Linie  bis  cum 
unteren  Itande  der  11.  Rippe.  Dann  senkt  sie  sich  wieder  schräg  nach 
abwärts,  um  in  der  Höhe  der  Lenden  Wirbelsäule  auf  die  rechte  Seite  des 
Stammes  üherEugreifen,  überschreitet  die  Mittellinie  jedoch  nur  um  einen 


Querfinger  breit,  und  erreicht  dieselbe  wieder,  um  dann  bis  zu  der  Rima 
ani  herabzuziehen.  Die  untere  Grenze  ist  nicht  scharf  zu  ziehen.  Im 
unteren  Theil  sind  die  Pigmentflecke  sehr  klein  und  bedeutend  spärlicher. 
Doch  kann  man  sagen,  dass  sie  in  der  Höbe  des  ersten  Steisswirbels  von 
diesem  horizontal  bis  in-die  Seitenlinie  zieht,  die  sie  dicht  unter  dem 
Trochanter  m^or  erreicht. 

Von  hier  geht  dann  die  Grenze  an  der  Seiten-  und  Yorderfläche 
des  Schenkels  schräg  nach  abwärts ;  hier  kann  jedoch  eine  genaue 
Begrenzung  nicht  angegeben  werden,  weil  die  Flecke  hier  mehr  zerstreut 
sind,  und  sich  allmälig  in  der  Mitte  des  Oberschenkels  und  auch  an 
seiner  Innenseite  verlieren. 


44  Spietschka. 

Dieses  Gebiet  ist  nan  mit  kleinen  braunen  Flecken  wie  nbenaet. 
Dieselben  schwanken  in  ihrer  Grösse  von  der  eines  kleinen  Pünktchens 
bis  zu  der  einer  Linse.  Die  Haut  ist  an  den  pigmentirten  Stellen  weder 
verdickt  noch  sonst  verändert;  die  Flecke  zeigen  keine  bestimmte 
Gmppirang,  sondern  sind  regellos  zerstreat.  Auffallend  ist  ausserdem  die 
diffuse  dunklere  Pigraentirung,  welche  besonders  die  Ünterbauchgegend 
einnimmt.  In  der  Mittellinie  des  Bauches  ist  dieselbe  am  stark8t«n  und 
endet  nach  rechts  hin  plötzlich,  sodass  hier  die  halbseitige  Begrenzung 
um  so  schärfer  markirt  ist. 

Neben  diesem  grossen  Xaevus  zeigte  der  Patient  noch  insofern 
einige  Pigmentanomalien,  als  sich  am  Rücken  links  zwei  ovale  und  an  der 
Brust  eine  runde  pigmentlose  Stelle  befand. 

Das  Gebiet,  welches  die  Anomalie  in  unserem  Falle  ein- 
nimmt, gleicht  fast  vollständig  dem  von  Jadassohn^  be- 
^schriebenen  HI.  Falle.  Es  wird  vom  Lumbal  plexus  aus  inner- 
virt,  u.  zw.  vom  letzten  Intercostalis,  femer  dem  N.  ileo  hypo- 
gastricus,  N.  üeo  inguinalis  und  Nervus  cutaneus  femoris  ex- 
temus,  welch  letztere  vom  L  und  II.  Lumbalnerven  entstammen. 
Ich  möchte  dabei  besonders  auf  die  obere  Grenze  der  Affection 
aufinerksam  machen,  welche  in  unserem  FaDe  wohl  etwas  tiefer 
liegt,  als  im  Falle  Jadassohn^s,  aber  doch  eine  merkens- 
werthe  Uebereinstimmung  mit  derselben  zeigt;  dieselbe  betriflFt 
nämlich  das  rechtwinkelige  nach  abwärts  Knicken  genau  in  der 
Mamillarlinie,  und  die  abermalige  Knickung  nach  hinten  oben. 
In  der  rückwärtigen  Mediallinie  zeigt  sich  eine  Abweichung 
zwischen  beiden  Fällen:  bei  Jadassohn  steigt  die  Grenze 
etwas  spitzwinkelig  gegen  die  Medianlinie  nach  aufwärts,  bei 
uns  fallt  sie  nach  abwärts,  um  aber  hier  in  gleicherweise  wie 
bei  J.  auf  die  andere  Seite  ein  wenig  überzugreifen.  Eine  merk- 
würdige Uebereinstimmung  in  beiden  Fällen  bietet  femer  die 
untere  Grenze,  sowohl  was  ihre  Configuration  als  auch  was  die 
Beschaffenheit  der  Pigmentflecke  selbst  betrifft ;  auch  die  diffuse 
braune  Pigmentation  im  vorderen  oberen  Theile  des  befallenen 
Gebietes  mit  ihrer  scharf  hervortretenden  Grenze  in  der  Mittel- 
linie am  Abdomen  war  bei  beiden  in  gleicher  Weise  vorhanden. 

Die  Verschiedenheit  der  Hautveränderungen  zwischen  den 
ersten  zwei  Fällen  einerseits  und  dem  dritten  andererseits  sind 
in  die  Augen  springend  und  genügend  in  der  Arbeit  Jadas- 
sohn's  gewürdigt  worden. 

')  Jadassohn,  L  c.  p.  923. 


lieber  sogenannte  Nerven-Naevi.  45 

Da  wir  über  die  Aetiologie  derartiger  halbseitiger  Naevi 
noch  ganz  im  Unklaren  sind,  und  da  uns  namentlich  auch  noch 
der  stricte  Beweis  für  den  Zusammenhang  mit  nervösen  Stö- 
rungen fehlt,  scheinen  uns  derartige  Uebereinstimmungen  der 
Affection  in  yerschiedenen  Fällen,  wie  sie  oben  erwähnt  wurden, 
im  höchsten  Grade  bemerkenswerth  zu  sein.  Sollte  sich  die 
Erwartung  Jadassohn^s  bestätigen,  dass  die  letztere  Form 
halbseitiger  Naevi,  wo  sich  derselbe  aus  einer  grossen  Zahl 
kleiner  Pigmentmale  zusammensetzt,  nicht  gar  so  selten  sei, 
was  jedoch  nach  den  spärlichen  Angaben  in  der  Literatur 
nicht  der  Fall  sein  dürfte,  so  wäre  es  sicher  im  höchsten  Grade 
wünschenswerth,  dieselben  genau  zu  beachten,  um  der  Lösung 
dieser  Fragen  näher  treten  zu  können. 

Wenn  wir  versuchen,  aus  der  Anordnung  der  Hautverän- 
dei-ungen  einen  Schluss  auf  die  Natur  der  Erkrankung  zu 
ziehen,    so  werden   uns   folgende  Momente   massgebend   sein; 

1.  Dass  sich  die  Yertheilung  der  Anomalien  an  die  Verbrei- 
tungsgebiete der  Hautnerven  anschliesst. 

2.  Dass  die  Gruppirung  der  Gebilde  in  den  beiden  ersten 
Fällen  vollkommen  der  bei  Herpes  zoster  vorkommenden  gleicht, 
dessen  nervöser  Ursprung  im  hohen  Grade  wahrscheinlich 
ist,  und 

3.  dass  beim  letzten  Falle  die  Veränderungen  ziemlich 
gleichmässig  über  ein  gut  abgegrenztes  Gebiet  verbreitet  sind, 
das  von  mehreren  hinter  einander  liegenden  Spinalganglien  aus 
innervirt  wird. 


J 


Ein  Beitrag  zui*  Kenntniss  der  Haiithömer 

der  Augenadnexa. 

Von 

Dr.  Mitvalsk^, 

Docent  der  Angenlieilkande  an  der  bShm.  UniyeraitXt  im  Prag. 

(Hierzu  Taf.  V  u.  VI.) 


Durch  die  Gefälligkeit  des  Dr.  Smidrkal  aus  Baud- 
nitz  gelangte  ich  zur  Untersuchung  eines  schönen  Falles  von 
einem  Yerhältnissmässig  grossen  und  üppig  gewachsenen  Haut- 
home  des  Unterlides  und  da  die  Fälle  dieser  bizarren  Erkran- 
kung im  Bereiche  der  Augenadnexa  immer  noch  mitgetheilt 
werden  und  da  der  von  mir  verzeichnete  anatomische  Befund 
vielleicht  auch  etwas  die  Frage  des  Wachsthums  der  Hauthörner 
überhaupt  näher  zu  beleuchten  in  der  Lage  ist,  glaube  ich 
mich  berechtigt,  auf  denselben  in  diesem  Artikel  näher  eingehen 
und  den  betreffenden  histologischen  Befund  ausfuhrlicher  mit- 
theilen zu  dürfen. 

Bei  einer  40jährigen  Arbeiterfrau  bildete  sich  vor  einem 
Jahre  auf  dem  rechtsseitigen  Unterlide  „ein  kleiner  Faden", 
den  die  Frau  einfach  abgerissen  hatte.  Es  entstand  nachher 
daselbst  eine  Warze  der  Unterlidhaut,  welche  von  der  Frau 
vriederholt  unterbunden  wurde,  wiederholt  abfiel  und  immer 
wieder  vmchs.  Als  dann  dieselbe  die  Grösse  einer  kleinen 
Haselnuss  erreichte,  versuchte  die  Frau  dieselbe  von  neuem 
mit  einem  Haarseile  abzuschnüren  und  liess  dasselbe  fest  zu- 
geschnürt an  der  Geschwulstbasis  liegen;  das  erwünschte  Ab- 
fallen der  Geschwulst  bheb  diesmal  jedoch  aus,  die  Haarseil- 
schlinge  wuchs   ein,    die   Geschwulst    wuchs    darunter   weiter 


48  Mitvalsky. 

'schob  die  unterbundene,  nun  eingetrocknete  Geschwulstpartie 
vor  sich,  so  dass  Anfang  November  1892,  also  etwa  ein  Jahr 
nach  dem  letzten  Unterbindungsacte,  bei  der  Kranken  folgender 
Befund  notirt  wurde:  Bei  der  gut  genährten,  sonst  ganz  ge- 
sunden Frau  ist  das  rechte  Unterlid,  speciell  in  seiner  äusseren 
Hälfte,  massig  evertirt,  beim  Lidschliessen  gleicht  sich  die 
Eversion  jedoch  aus.  Gerade  in  der  Mitte  der  lidhaut  sitzt 
ein  tj'pisches  Hauthom  (Fig.  1)  von  4*2  Cm.  Länge,  dessen 
ovaläre,  mit  ihrem  Längsdurchmesser  horizontal  gestellte  Basis 
l'b  Cm.  und  1'2  Cm.  Durchmesser  misst.  Das  Hom  ist  bogen- 
förmig gekrümmt,  mit  seiner  Convexität  zur  Nase  gerichtet  und 
etwas  nach  aussen  verschoben,  so  dass  seine  Spitze  die  Gegend 
des  Körpers  des  Os  zygomaticum  berührt;  die  obere  Grenze 
der  Hornbasis  ist  von  dem  Lidrande  2  Mm.  entfernt.  Das  Hom 
zeigt  deutlich  3  differente  Partien.  Die  basale,  etwa  1  Cm.  lange 
Partie  erhebt  sich  allmälig  aus  der  Hautoberfläche  und  zeigt 
einen  feinen  mit  derselben  continuirlichen  Hautüberzug,  ist  von 
schmutzig  gelber  Farbe  und  elastischer  Consistenz,  so  dass 
Dr.  §midrkal  sogar  auf  die  Gegenwart  eines  Atheroms  oder 
eines  Lipoms  daselbst  dachte.  Die  mittlere  Partie  des  Hauthoms 
—  etwa  2  Cm.  lang  —  ist  homartig  durchscheinend,  von  schwach 
olivengrüner  Farbe;  dieselbe  ist  der  Länge  nach  gefurcht  und 
scheint  aus  parallel  geordneten  Säulen  zu  bestehen,  ihre  Con- 
sistenz ist  härtlich  und  nimmt  sichtlich  gegen  die  Spitze  des 
Gebildes  zu.  Darauf  ist  nun  eine  dritte  Partie  angesetzt,  welche 
hornartig  hart,  schwarz  gefärbt  und  von  der  mittleren  durch 
zwei  —  einen  Yerdickungsknoten  einschliessenden  —  Binnen 
geschieden  ist.  Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  diese 
Scheitelpartie  dem  ursprünglichen,  vor  etwa  einem  halben  Jahre 
mit  einem  Haarseil  abgeschnürten  Home  entspricht,  welches 
nach  der  Unterbindung  keinesfalls  abfiel,  sondern  beim  weiteren 
Wachsen  des  Homes  sanunt  dem  umschlungenen  Haarseil  er- 
hoben und  vorgeschoben  wurde. 

Die  Exstirpation  wurde  am  4.  November  1892  von  Dr. 
§midrkal  auf  die  Art  vorgenommen,  dass  das  Hom  sammt 
der  Basis  und  dem  subcutanen  Bindegewebe  ausgeschält,  worauf 
die  Wunde  vernäht  wurde.  Es  erfolgt«  definitive  Heilung;  bis 
jetzt  kein  Becidiv. 


Kin  Beitrag  zur  Kenntnisa  der  Hauthörner  der  Augenadnexa.       49 

Das  Gebilde  wurde  behufs  Conservirung  in  Mü Herrsche 
Flüssigkeit  gelegt,  worauf  der  mittlere  Theil  derselben  deutlich 
aufquoll  und  der  Knoten  der  Haarseilsehhnge  von  selbst  sich 
löste,  so  dass  das  früher  eingewachsene  und  nicht  sichtbare 
Haarseil  wieder  zum  Vorschein  gekommen  war. 

Die  histologische  Untersuchung  zeigte  nun  folgenden 
Befund:  An  Längsschnitten  durch  die  ganze  Homlänge 
sieht  man,  dass  das  Hörn  der  Hauptsache  nach  aus  epidermoi- 
dalen,  mehr  oder  weniger  veränderten  Zellen  aufgebaut  ist,  wo- 
zwischen  nur  äusserst  spärliches  Bindegewebe  zu  finden  ist.  — 
Das  Scheitelstück  (Fig.  1^)  lässt  an  der  Spitze  nur  einge- 
trocknete Epidermiszellensäulen,  deren  Zellkerne  keine  Spur  einer 
Tinction  annehmen,  erkennen;  irgendwelche  Bindegewebsreste 
sind  daselbst  nicht  sichtbar;  die  knotige  Anschwellung 
desselben  präsentirt  sich  jedoch  deutlich  als  mumificirende 
Basalpartie  des  vor  einem  Jahre  sammt  seiner  Basis  unter- 
bundenen Hauthönichens.  Man  sieht  daran  eine  wohlerhaltene 
Epidennis  mit  Haarbalken,  in  denen  sogar  noch  sichtbare 
Härchen  stecken ;  unter  der  Epidermis  ist  eine  gelblich  gefärbte 
Schichte  einer  geronnenen  Albuminsubstanz,  die  wohl  als  Ueber- 
bleibsel  einer  bedeutenden  Hämorrhagie,  welche  nach  der 
Unterbindung  der  Hörnchenbasis  zu  Stande  kam  und  die  Epi- 
dennis von  dem  Bindegewebs^orüst  des  kleineu  Homes  abhob, 
zu  betrachten  ist;  das  darunter  befindliche,  gut  kenntliche 
Bindegewebsgerüst  zeigt  zahlreiche,  geschläugelte,  mit  breiten, 
rostfarbenen  Säulen  homogen  veränderten  Blutes  überladene 
Blutgefässe,  ist  von  den  diflfundirten  Blutpigmentderivaten  durch- 
tränkt und  rostfarben,  die  Kerne  der  Bindegewebskörperchen 
sind  zwar  gesclu-umpft,  ausgetrocknet,  nehmen  jedoch  die  Tinc- 
tion ziemlich  gut  an.  Die  Structur  des  Hauthornes  ist  an  diesem 
Scheitelstück,  obwohl  die  Mumification  desselben  ziemlich  weit 
vorgeschritten  ist,  ganz  wohl  ausgesprochen ;  man  findet  daselbst 
ein  reichliches  centrales  Bindegewebslager,  von  dem  auf  diverse 
Seiten  balkenartige  Fortsätze  abzweigen,  welche  von,  in  der 
Balkennähe  noch  färbbaren  Epithelialzellen  umschlossen  werden, 
welche  Zellen  mit  der  Entfernung  von  den  Bindegewebsbalken 
abgeflacht,  ja  schuppenförmig,  jedoch  unter  einander  verschmolzen 
werden   und   ihre  Färbbarkeit   mehr  oder  weniger  vollständig 

ArchiT  f.  Dermatol.  u.  Syphil.  Band  XXVII.  4 


50  Mitvalsky. 

yerlieren.  In  den  blutüberladenen  Blutgefässen  dieses  Scheitel- 
stückes ist  kein  einziges  erhaltenes,  oder  nur  als  solches  kennt- 
liches Blutkörperchen  enthalten,  die  Blutflüssigkeit  ist  daselbst 
zu  homogenen,  gelben,  bis  rostfarbenen  Säulen  verwandelt.  Das 
Bindegewebsgerüst  des  Scheitelstückes  ist  mit  den  spärlichen 
Bindegewebsstreifen  des  Mittelstückes  wohl  verbunden;  sein 
Blutgefässsystem  ist  jedoch  ausserhalb  der  Circulation  gesetzt. 
Das  parallel  gerippte  Mittelstück  (Fig.  Ift)  des  Homes 
zeigt  sich  aus  in  einander  übergehenden,  ungleichmässig  langen 
und  dicken  Säulen,  deren  mehrere  immer  wieder  von  einem 
gemeinsamen  Homzellenmantel  umgeben  sind,  zusammengesetzt. 
Ihr  Gros  ist  aus  schalenförmig  aneinander  gehäuften,  mehr 
oder  weniger  verhoniten  Epithelialzellen  gebildet  Zwischen 
diesen  Zellensäulen,  meistens  in  den  erwähnten  Umhüllungs- 
manteln,  findet  man  stellenweise  mehr  oder  weniger  deutlich 
erhaltene  Bindegewebsstreifen  und  Gefässe,  eventuell  nur  deren 
Beste  (Fig  2).  Die  Blutgefasssäule  ist  je  mehr  gegen  den  Scheitel 
desto  mehr  degenerirt,  homogen,  gelb;  am  längsten  erhalten 
sich  noch  die  farblosen  Blutzellen;  auch  die  Blutgefässwände 
scheinen  meistens  degenerirt  und  eingetrocknet  ;  anderenorts 
sieht  man,  dass  die  degenerirte  Blutmasse  die  Blutgefässwände 
durchbrochen  hat  und  in  den  Bindegewebsklüfben  als  degenerirte 
Hämorrhagie  figurirt.  An  Querschnitten  des  Mittelstückes  ist 
schon  zu  ersehen,  dass  das  spärliche  Bindegewebe  des  Haut- 
hornes  nicht  einzig  durch  die  entlang  des  Hauthomes  in  die 
Länge  gezogenen,  sich  auch  verzweigenden,  papillenähnlichen 
Gewebsstreifen  repräsentirt  ist,  sondern  dass  es  ausser  dem 
noch  sehr  spärliche,  der  Quere  nach  verlaufende,  mehr  oder 
weniger  als  solche  noch  erhaltene  Septa  (Fig.  3)  bildet,  in 
denen  ebenfalls  die  Gefässe  und  deren  Beste  das  Hauthom 
hinaufziehen  (Fig.  3  a).  Die  meisten  dieser  vorgefiin  denen  Ge- 
websstreifen erreichen  sammt  den  darin  verlaufenden  Gefässen 
nicht  den  Scheitel  des  Mittelstückes;  als  ihre  Fortsetzung  ist 
meistens  ein  mit  amorpher  gelblicher  Masse  erfüllter  Spalt  zu 
sehen,  der  nun  weiter  hinauf  mit  reticulirtem  Gewebe  erfüllt 
zu  sein  pflegt,  welches  letztere  wohl  mit  Unna'scher  Mark- 
substanz oder  Hornmark  sowohl  morphologisch  als  genetisch 
identisch  sein  mag.  Unter  dem  Namen  der  Bindegewebsstreifen 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Hanthömer  der  Augenadnexa.       51 

dari'  man  sich  wohl  kein  saftiges,  frisches  Bindegewebe  vor- 
stellen ;  ja  wären  nicht  anderweitige  Merkmale,  die  uns  dasselbe 
erkennen  lassen,  vorhanden,  so  hätten  wir  unsere  liebe 
Mühe,  die  Bindegewebsstreifen  von  dem  übrigen  Hauthomgewebe 
zu  unterscheiden,  da  die  Bindegewebsfasern  und  Zellen  äusserst 
spärlich  und  schmächtig  sind.  Die  Bindegewebsstreifen  sind 
meistens  jedoch  dadurch  kenntlich  gemacht,  dass  die  daran 
angrenzenden  Epidermiszellen  bei  weitem  mehr  gefärbte  Kerne 
(Fig.  8)  und  mehr  saftige  Zellkörper  zeigen  und  dann  da- 
durch, dass  in  denselben  Blutgeiässe  (Fig.  2),  die  meistens 
wohl  mit  Blutinhalt  gefüllt  sind,  gegen  den  Hauthornscheitel 
verlaufen.  Im  Ganzen  kommen  an  einem  Längsschnitt  durch 
unser  Hörn  etwa  3 — 5  mehr  oder  weniger  kenntliche  Binde- 
gewebsstränge  vor;  an  Querschnitten  sind  deren  mehrere.  Der 
Verhornungsgrad  der  Epidermiszellen  variirt  an  allen  Schnitten 
bedeutend ;  eine  totale  Verhornung  der  Zellen  bis  auf  feine  graue 
Schüppchen,  so  dass  deren  Kerne  gar  nicht  sichtbar  sind,  hat 
nur  an  wenigen  Stelleu  platzgegriffeii,  die  in  der  Verhomung 
nicht  so  weit  vorgeschrittenen  Zellen  sind  stark  abgeplattet  bis 
nmdlich  und  zeigen  linienförmige  bis  ovale  Kerne,  welche  diverse 
Färbungssaturation  aufweisen ;  der  Zellkörper  erweist  sich  unter 
dem  Mikroskop  bernsteinartig,  glänzend. 

Die  für  die  Auflassung  des  Wachsthums  der  Hauthömer 
wichtigsten  Befunde  liefei-t  wohl  der  basale,  von  deutli- 
cher Epidermis  überzogene  Theil  der  Geschwulst 
(Fig.  4j.  Betrachten  wü*  zuerst  die  Längsschnitte.  Die 
normal  beschaffene  Epidermis  zieht  mit  einem  dünnen,  stark 
kleinzellig  infiltrirten  Corium  von  der  Hornbasis  hinauf  und 
schickt  überall  zahlreiche,  schräg  gegen  die  Hornbasis  verlau- 
fende Epithelzapfen  hinunter,  welche  bald  entweder  solide  er- 
scheinen und  sich  mit  epithelialen  Endkolben  der  Hauthorn- 
basis  vereinigen,  oder  leere  cystische  Hohkäume  nach  der  Art 
einer  mikroskopischen  Atherombildung  zeigen,  oder  aber  in 
ihrer  Mitte  ganz  deutliche  feine  Härchen  eingeschlossen  auf- 
weisen. Eine  ganze  Menge  der  soliden  Schläuche  geht  speciell 
auch  von  dem  Ende  des  Epidermisblättchens  geisselformig  ab 
(Fig.  5  a)  und  schmiegt  sich  der  Hauthomperipherie  an 
(Fig.  55).     Der  Hauthombasis  zu   sieht  man  dann  zahlreiche 


52  MitvaUky. 

Schweissdrüsenconvolute,  deren  Tubuli  sämmtlich  er- 
weitert am  Rande  des  Gomu  in  grossen  Gruppen  gehäuft,  unter 
der  Basis  desselben  jedoch  durch  stark  ausgesprochene  klein- 
zellige Infiltrationen  auseinandergedrängt  und  abgeplattet  er- 
scheinen. Ihre  Epithelialzellen  sind  in  einer  ausgesprochenen 
Wucherung  begriffen  und  einzelne  Schläuche  derselben  lagern 
stellenweise  ganz  deutlich  immitten  von  Orbicularisfasem,  wohin 
sie  hineingewuchert  sein  dürften.  DaseigentlicheHauthorn- 
gewebe  besteht  hier  der  Hauptsache  nach  aus  grossen  Epi- 
thelialzellen in  diversen  Stadien  der  Verhomung  und  in  diverser 
Gruppirung,  welche  in  der  Form  von  breiten,  sich  theilenden 
lappigen  Epitheliallagem  bis  an  die  Orbicularismusculatur 
reichen,  an  ihrer  Peripherie  sichtliche  Vermehrung  eingehen 
und  kolbige  Epithelialzellenfortsätze  produciren.  Die  Wucherung 
und  Vermehrung  dieser  Epithelialzellen  und  die  Production 
epithelialer  Kolben  geschieht  sowohl  in  der  Richtung  der  Haut- 
homdecke,  als  auch  gegen  die  Hauthornbasis  zu,  in  der  letz- 
teren Richtung  aber  entschieden  ausgiebiger.  Dadurch  kommt 
wohl  das  Wachsen  des  Cornu  überhaupt  zu  Stande.  Die  gegen 
die  Basis  zu  strebenden  Epithelialkolbeu  erheben  das  Cornu 
und  verlängern  es  sichtlich,  wobei  sie  an  das  stark  gewucherte 
und  verdickte  subcutane  Bindegewebe  herandrängen,  welches 
sie  theilweise  zur  Seite  schieben,  von  dessen  dickeren  Balken- 
sie sich  jedoch  in  immer  neue  Kolben  zerklüfl^n  lassen.  Das 
aus  der  kleinzelligen  Infiltration  fortwährend  nachwachsende 
Bindegewebe  liefert  die  gefässtragenden  und  die  Ernährung 
des  Hauthornes  besorgenden  Bindegewebsbalken,  die  sich  in 
dem  basalen  Theile  des  Hauthorns  in  diverser  Richtung  ver- 
zweigen und  stellenweise  sogar  mit  den  von  benachbarten 
bindegewebigen  Fortsätzen  ausgehenden  Aesten  wieder  sich 
vereinigen,  so  dass  dadurch  in  einzelnen  Partien  des  basalen 
Theiles  des  Cornu  ein  bindegewebiges  Maschengerüst  zu  Stande 
kommt,  welches  nach  der  Art  der  Carcinome  grosse  Gnippen 
von  epithelialen  Zellen  umgrenzt,  von  denen  diejenigen,  die  an 
das  Gewebsgerüst  angelehnt  sind,  sämmtlich  lebensfrisch  und 
normal,  ja  meistens  regelmässig  cylindrisch,  während  die- 
jenigen, die  mehr  gegen  das  Centrum  zu  gelegen,  von  dem 
Bindegewebsgerüst  mehr  entfernt  sind,  diverse  Verhornungsstadien 


i' 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Hauthörner  der  Augenadnexa.       53 

eingehen,  ja  die  centralen  sogar  zei-fallen  erscheinen  (Fig.  4). 
In  anderen  Partien  des  Hauthornes  ist  an  den  Längsschnitten 
kein  completes  basales  Maschengerüst  zu  sehen,  sondern  die 
Bindegewebssepta  ziehen  direct  in  das  Hauthomgewebe  hinauf, 
bleiben  einfach  oder  geben  in  verschiedenen  Richtungen  ab- 
gehenden Aeste,  die  zumeist  jedoch  ziemlich  niedrig  bleiben, 
mit  den  benachbarten  sich  nicht  vereinigen  und  von  der  Basis 
aus  gerechnet  0*2 — 3  Mm.  betragen,  während  nur  ziemlich 
spärliche  derselben  sich  bis  in  die  Höhe  von  1 — 1'5  Cm.,  ja 
noch  höher,  von  der  Basis  an  den  Schnitten  deutlich  verfolgen 
lassen.  Sie  enthalten  Blutgefässe  und  dienen  sichtlich  zur  Er- 
nährung des  Hauthornes ;  „Papillen"  darf  man  sie  jedoch  wohl 
kaum  nennen. 

Aeusserst  lehireich  gestaltet  sich  der  Querschnitt  durch 
die  basale  Hauthornpartie  (Fig.  6  und  7).  Man  findet  zuerst 
wieder  die  normale  Epidermis  mit  einem  sehr  dünnen,  klein- 
zellig infiltrirten  Corium  ohne  Papillen.  Von  dem  Stratum  Mal- 
pighii  nehmen  nun  Ursprung  unzählige  dicke  Epithelzapfen, 
die  sich  im  subcutanen  Bindegewebe  nach  allen  Seiten  ver- 
theileu  und  als  sichtliche  pathologische  Epithelwucherungen  der 
Hauthornoberfläche  parallel  verlaufen  (Fig.  6  a).  Anderenorts 
beherbergen  diese  Zapfen  auch  deutliche  Haare  (Fig.  66)  und 
stellen  sich  dann  als  pathologisch  gewucherte  Haarfollikel  dar, 
während  dem  sie  andei'wärts  wieder  in  ihrem  Innern  miliare 
Atherome  einschliessen  (Fig.  6  c  und  Fig.  7  a),  ja  in  der  Mitte 
anderer  sind  wieder  mehr  oder  weniger  deutliche  pathologisch 
veränderte  Schweissdrüsen  -  Ausführungsgänge  zu  constatiren 
(Fig.  6  d).  Stellenweise  sind  in  dem  subcutanen  Bindegewebe 
Gruppen  von  Schweissdrüsenacini  zu  sehen,  welche  in  der  Re- 
gel von  starker  kleinzelligen  Infiltration  umgeben  sind.  Von 
diesem  subcutanen  Bindegewebe  reichen  nun  ziemlich  zahlreiche 
Bindegewebssepta  zwischen  die  Säulen  der  verhornenden  Epi- 
thelzellen (Fig.  6  e),  bilden  dort  entweder  blind  endigende, 
oder  aber  sich  mit  den  von  der  Nachbarschaft  konmienden 
vereinigende  Ausläufer,  welche  letzteren  meistens  in  der  Haut- 
homperipherie  ein  bindegewebiges  Maschengerüst  formiren, 
dessen  centripetale  Zweige  in  dem  Hauthom  blind  zu  endigen 
scheinen.   Nur  die  untersten  Partien  des  basalen  Hauthomtheiles 


54  M  i  t  v  a  1  s  k  y. 

haben  meistens  ein  den  ganzen  Hauthomqnerschnitt  durehzie- 
hendes  Maschengerüst  aus  Bindegewebe.  Die  an  das  Mittelstück 
des  Homes  angrenzenden  Theile  zeigen  das  Bindegewebsgerüst 
meistens  nur  in  der  Peripherie,  während  die  centralen  Par- 
tien desselben  das  Gepräge  des  Mittelstückes  an  sich  tragen 
und  nur  spärliche  hinaufziehende,  von  äusserst  spärlichem 
Bindegewebe  umschlossene  Blutgefassquerschnitte,  oder  aber 
auch  hie  und  da  einen  Bindegewebsbalkenquerschnitt  darbieten. 
Man  sieht  und  erkennt  daselbst,  dass  das  Bindegewebe  sich 
mit  der  Entfernung  desselben  Ton  der  Hauthornbasis  und  von 
der  Oberfläche  des  basalen  Homtheiles  auffallend  rasch  redu- 
cirt,  ausgezerrt  wird  oder  atrophirt,  so  dass  in  den  höheren 
Hauthomtheilen  die  Bindegewebsstreifen  und  -balken  meistens 
nur  durch  zwischen  den  einzelnen  Zellensäulen  befindliche 
Spalten,  in  denen  dann  die  Blutgefässe  verlaufen,  repräsentirt 
wird  (Fig.  2,  Fig.  3).  Die  den  Bindegewebsbalken  anliegenden 
Epithelzellen  sind  stark  gefärbt,  etwa  cylindrisch  gestaltet, 
regelmässig  geordnet  und  zeigen  bedeutende  Wucherung,  Ver- 
mehrung und  Zapfenbildung,  während  die  übrigen  gegen 
das  Innere  der  Epithelzellensäulen  gelegenen  sich  am  Wege 
der  Verhornung  befinden,  concentrisch  nach  der  Art  einer 
Krebsperle  geordnet  sind,  einen  gelblichen,  glänzenden  Zell- 
körper, jedoch  meistens  einen  noch  tingirbaren  ovalen  Kern 
aufweisen  (Fig.  6). 

Man  sieht  überall  deutlich,  dass  die  von  der  Epidermis 
und  von  den  Hautadnexen  abzweigenden  Epithelzellenkolben  sich 
den  in  der  Hauthornbasis  wurzelnden  alten  Epithelzellensäulen 
anschmiegen,  mit  ihnen  verschmolzen  dann  gegen  die  Basis  zu 
streben,  wachsen,  dicker  werden,  in  ihrer  Mitte  dann  bald  selbst 
wieder  zu  verhornen  anfangen  und  auf  diese  Weise  dann  zum 
weiteren  Wachsthum  des  Homes  mit  einem  nicht  geringen  Theile 
mit  beitragen.  In  denjenigen  nun,  welche  miliare  Atherome  ein- 
schliessen,  fängt  die  Verhornung  inmier  von  der  Atheromum- 
gebung  an.  Hauthornzellensäulen,  die  in  ihrer  Mitte  miliare 
Atherome  eingeschlossen  enthalten,  sind  nicht  selten.  Nur 
selten  gelingt  es  jedoch,  in  der  Mitte  derselben  durchschnit- 
tene Lanugohärchen,  als  Beweis  ihres  Haarfollikelursprungs, 
ja  sogar  auch  an  pathologisch   veränderte  Schweissdrüsenaus- 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Hauthömer  der  Augenadnexa.       55 

lührungsgäüge  erinnernde  Lumina  anzutreffen  als  ein  Finger- 
zeig dafür,  dass  auch  von  dem  Epithel  der  Schweissdrüsen- 
Äusführungsgänge  Epithelzellensäulen  des  Hauthonis  ihren  Ur- 
sprung nehmen  dürften. 

Es  fragt  sich,  ob  und  inwiefeme  sich  der  von  uns  be- 
schriebene Fall  für  die  Frage  der  Genesis  der  Hauthömer 
überhaupt  verwerthen  lässt? 

Wir  müssen  da  zwei  Zeitmomente  der  Genesis 
der  Hauthömer  von  einander  streng  unterscheiden,  von 
denen  der  eine  auf  den  ersten  Ursprung,  währenddem 
der  zweite  auf  das  weitere  Wachsthum  derselben 
sich  bezieht.  Es  ist  ja  allgemein  bekannt,  dass  durch  mangel- 
hafte Differeuzirung  dieser  beiden  Momente  in  die  Genesisfrage 
der  Hauthömer  ziemlich  viel  Verwirrung  hineingebracht  wurde, 
insofeme  als  aus  den  anatomischen,  eventuell  auch  histologischen 
Befunden  an  yerhältnissmässig  grossen,  ausgewachsenen  Hörnern, 
die  nur  zur  Beurtheilung  der  Frage  des  Wachsthums  verwerth- 
bar  gewesen  wären,  auch  auf  den  Ursprung  der  Homer  im 
Allgemeinen  Rückschlüsse  gezogen  wurden.  Für  die  Beurtheilung 
der  Ursprungsfrage  der  Hauthömer  sind  die  grossen  Hauthom- 
fälle,  wie  sie  Horner,  Lebert,  Carl  Theodor  v.  Bayern 
und  Andere  mittheilen,  gar  nicht  verwei-thbar  und  die  dies- 
bezüglichen Schlüsse  nicht  berechtigt ;  denn  nur  die  allerkleinsten 
Cornua  vermögen  uns  über  ihre  Ursprungsperiode  zu  belehren 
und  solche  sind  meines  Wissens  nur  von  Bätge  in  Dorpat 
(Zur  Casuistik  multipler  Keratosen,  Deutsche  Zeitschrift  für 
Chirurgie,  Bd.  VL,  p.  474  etc.  1876)  und  von  Unna  in  Ham- 
bui*g  (Das  Fibrokeratom,  Deutsche  Zeitschr.  für  Chir.,  Bd.  XI, 
Hett  3,  p.  267  etc.  1879)  untersucht  und  mitgetheilt  worden. 

In  Anbetracht  dessen,  dass  man  immer  noch  mit  den 
Lebert 'sehen,  auf  Gmnd  der  Untersuchungen  von  meistens 
alten  Hauthömem  gewonnenen  Anschauungen  herummanipulirt, 
scheint  es  mir  nothwendig,  uns  die  Befunde  Bätge 's  und 
Unna 's  über  die  Hauthorngenesis  vor  das  Auge  zu  fuhren. 

Bätge  fand  bei  einem  Falle  von  multipler,  regionärer 
Keratose  der  Nasen-  und  Wangengegend  bei  einem  60jährigen 
Mann  die  Cutispapillen  unverändert,  weder  activ  durch  Wuche- 
rung,  noch  passiv  durch  Atrophie   an   dem  Process  betheiligt. 


56  Mitvalsky. 

Von  grösserer  Wichtigkeit  ist  wohl  sein  zweiter  Fall,  welcher 
ein  ITjähriges  Mädchen  betraf,  welches  nach  ihrem  ersten 
Lebensjahre  von  einem  flechtenartigen  Ausschlag  über 
den  ganzen  Körper  ergriffen  worden  war,  der  sich  allmälig  in 
inselförmige  Erhebungen  umgewandelt  hatte,  bis  er 
schliesslich  in  unzählige  Hauthornbildung  des  unteren  Köri)er- 
theiles  ausgeartet  sei;  es  waren  dabei  alle  möglichsten  lieber- 
gänge  Yon  minimalen  bis  zu  16  Cm.  langen  Cornua  zu  sehen. 
In  den  grösseren  fandBätge  an  Querschnitten  Cancroidperlen 
ähnliche  Epidermisfelder  an  einander  gereiht,  nii^ends  jedoch 
eine  Spur  von  Papillendurchschnitten.  Für  uns  sind  die  Unter- 
suchungsergebnisse von  einem  stecknadelkopfgrossen  und  einem 
zweiten,  2  Mm.  grossen  Hörnchen  die  wichtigsten.  Bätge  fand 
unter  den  beiden  Hörnchen  das  Stratum  Malpighii  breiter  als 
ringshei-um,  er  fand  jedoch  darunter  keine  Spur  von  Papillen; 
wohl  waren  aber  die  Papillen  der  Nachbarschaft  vorhanden  und 
vergrössert.  Unter  dem  einen  von  den  Hörnchen  senkte  sich 
das  Stratum  Malpighii  sogar  tiefer  in  die  Cutis  hinein,  als  Aus- 
druck dessen,  dass  es  sich  dabei  um  eine  rein  epitheliale 
Wucherung  gehandelt  haben  mag,  an  der  die  Papillen  nun 
dadurch  Antheil  naluneu,  dass  sie  eben  zu  Grunde  gingen; 
in  dem  zweiten  Falle  ging  aus  der  Mitte  des  verdickten  Stratum 
Malpighii  ein  kurzer  epithelialer  Zapfen  in  die  Cutis  hinein,  in 
dessen  Längsachse  ein  Kanal  verlief;  es  handelte  sich  da  um 
Zellenwucherung  einer  pigmeutirten  Haarwurzelscheide.  Die 
Papillen  zu  beiden  Seiten  dieses  Epithelialzapfens  waren  sicht- 
lich gewuchert  und  mit  ihren  Spitzen  nach  aussen  gebogen, 
einige  derselben  erscliienen  auch  geknickt  und  ausnehmend 
schmal,  was  wohl  nur  ein  secundärer  Vorgang  ist.  Ein  Vor- 
rücken der  Papillen  ins  Hauthorn  hat  Bätge  nie  beobachtet. 
Unna  untersuchte  Geschwülstchen  von  1 — 8  Mm.  Länge, 
1 — 2*5  Mm.  Dicke,  die  am  meisten  den  faden-  bis  pfrie- 
menförmigen  Warzen  ähnelten  und  kleinste  auf  binde- 
gewebiger Grundlage  sitzende  Hauthömer  darstellten,  an  denen 
sich  ein  unter  Beihilfe  der  Patienten  „wechselnder**  Homkegel 
bereits  constatiren  liess.  Eine  äussere  Veranlassung  zur 
Entstehung  dieser  kleinen  Geschwülste,  die  Unna 
in    diesem   ersten    Stadium    „Fibrokeratome"    nennt,    konnte 


Kin  Beitrag  zur  Kenntnisa  der  Uauthörner  der  Augenadnexa        57 

nicht  constatirt  werden.  Sie  kommen  hauptsächlich  im 
höheren  Alter  und  an  Stellen  der  Haut  vor,  welche  entweder 
zur  Faltenbildung  im  Alter  neigen,  wie  an  den  Augenlidern, 
an  dem  Halse  oder  vorgebildete  Falten  tragen,  wie  an  der  Nase 
und  Wangen,  woraus  es  scheint,  dass  diese  Faltenbil- 
dung der  Cutis  als  prädisponirendes  Moment  zur 
Bildung  derselben  zuzulassen  sei. 

Li  zwei  Fällen  Unna 's  kam  eine  grössere  Anzahl  dieser 
Auswüchse  vor,  welche  in  den  verschiedensten  Stadien  der  Ent- 
wicklung befindlich,  dieselbe  makro-  und  mikroskopisch  deutlich 
vor  Augen  führten.  Die  Bildung  der  Hauthömchen  soll  nun 
folgendermassen  vor  sich  gehen:  Auf  einem  Fibromknötchen 
entsteht  eine  epitheliale  Wucherung,  an  der  Basis  derselben 
verdichten  sich  jedoch  abnorm  die  Homzellenschichten,  schnüren 
die  Basis  ein  und  bilden  einen  formlichen  Stiel  des  Fibrom- 
knötchens, wodurch  dann  das  an  dem  Fibromknötchen 
fortwuchernde  Epithel  in  langen  Zapfen  in  das 
centrale  Bindegewebslager  dringt  und  papillen- 
artige  Bindegewebsstränge  einschliesst.  Die  Ver- 
hornungsgrenze  der  Epidermis  schiebt  sich  nun  in  die  Vertie- 
fungen der  Epithelialzapfen  und  es  bleibt  nur  eine  gleichmässig 
dicke,  die  papillenartige  Erhebungen  umgebenden  Stachelzellen- 
lage unverhomt.  Die  Oberhautschichten  bilden  nun  Wellen- 
thäler  und  Wellenberge,  welche  letzteren  die  dichtesten  sind 
und  durch  Degenerationsvoi-gänge  eine  Art  Zerfallsmasse  — 
Marksubstanz  oder  Hornmark  —  produciren.  Ueber 
den  Pseudopapillenspitzen  kommt  nämlich  eine  stärkere  seröse 
Exsudation  als  sonst  zu  Stande,  die  auf  die  darüber  befindliche 
Epidennisschichten  ungleichartig  einwirkt  Die  Stachelzellen 
blähen  sich  stark  auf,  die  noimale  Körnerbildung  bleibt  in 
denselben  aus;  die  Uebei^^angszellen  erleiden  eine  fibrinoide 
Degeneration,  die  untersten  Lagen  der  verhornten  Zellen 
schwellen  zu  trüben  oder  helleren  klumpigen  Massen  an,  weiter 
darauf  entstehen  mit  fibrin-  und  kernähnlichen  Massen 
erfüUteHöhlen,  welche  von  hornigen  Bändern  umschlossen 
werden.  Die  von  mehreren  Autoren  beschriebenen  „B lut extra- 
vasate  zwischen  den  Hornzellen''  sah  Unna  in  seinen 
Fällen  zweimal,  hat  sich  jedoch  von  dem  Blutgehalte  derselben 


58  MitvaUky. 

nicht  überzeugen  können ;  daraus,  dass  dieselben  immer  in  den 
obersten  Markräumen  und  zwischen  den  äussersten  Lagen  des 
Hauthornes  gelegen  waren,  glaubt  er,  es  handle  sich  ebenfalls 
um  eine  Art  degenerirter  Homsubstanz.  In  den  Wellenthälem 
geht  die  Keratinisation  mit  Bildung  der  Eömerzellen  einher. 

Unna  macht  nun  auf  die  nahe  Verwandtschaft  des 
Hauthorusmit  demCarcinom  aufinerksam;  man  brauche 
sich  nur  die  vorhandenen  Epithelzapfen  in  das  umgebende  Binde- 
gewebe fortwuchernd  vorzustellen  und  man  habe  ein  Carcinom  vor 
sich  und  bemerkt  weiter,  dass  das  letzte  ätiologische 
Moment  der  Hauthornbildung  bis  jetzt  uns  noch  völlig 
unbekannt  sei. 

Bezüglich  des  von  Home,  Lebert  und  Anderen  patro- 
nisirten  „folliculären"  Ursprungs  der  Hauthörner 
sagt  Unna,  dass  in  seinen  Fällen  die  HautfoUikel 
sicher  an  der  Cornubildung  nicht  den  geringsten 
Antheil  hatten  und  erläutert,  wie  ohne  Inanspruchnahme 
der  Follikel  die  diesbezüglichen  Befunde  Weber's,  Leber t's 
und  Hessberg's  zu  erklären  seien.  Auch  gegen  den  als  haare 
Münze  angenommenen  „papillären"  Ursprung  des  Haut- 
hor ns  nimmt  er  entschieden  Stellung,  „wenn  man  darunter 
verstehen  will,  dass  eine  Papillengruppe  selbstständig  wuchernd 
eine  Geschwulst  erzeugt,  auf  welcher  nachträglich  die  Oberhaut 
dicke  Hornschichten  ablagert  Die  Papillen  unseres  Hauthoms 
sind  passive  Bildungen,  für  deren  Entstehung  das  frühere 
Vorhandensein  oder  Nichtvorhandensein  eines  Pappillarkörpers 
vollständig  irrelevant  isf^.  „Ich  habe  keine  Neigung  —  sagt 
Unna  weiter  —  in  den  häufig  begangenen  Fehler  zu  verfallen, 
die  von  mir  gefundene  Entwicklung  dieses  Hauthorns  nun  als 
Entwicklung  des  Hauthoms  überhaupt  auszugeben,  oder  auch 
nur  der  bisher  sogenannten  „papillären"  Entstehung  zu  substitui- 
ren.  Hierzu  wäre  vor  Allem  die  Untersuchung  jener  Haut- 
hömchen  mit  ihrer  Hautbasis  nothwendig,  welche  hin  und  wieder 
in  grösserer  Anzahl  um  grössere  Hauthörner  sich  entwickeln." 
Aus  eben  demselben  Grunde  benennt  Unna  seine  Geschwülstchen 
nicht  Comua  cutanea,  sondern  gibt  denselben  einen  eigenen  Namen. 

Bei  Bätge  sehen  wir  also  die  Hauthörner  aus  insel- 
förmigen  Erhebungen,  die  sich  nach  einem  flechtenartigen  Aus- 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Hauthömer  der  Augenadnexa.       59 

schlag  ausgebildet  haben  sollen,  ohne  die  geringste  active  Theil- 
nahme  der  Papillen  von  allem  Anfang  an  sich  entwickeln, 
speciell  ist  keine  Spur  von  einem  Hineinwachsen  der  Papillen 
in  die  kleinen  Cornua  vorhanden;  tiberall  handelte  es  sich  nur 
um  primäre  Epithelzellenwucherung  gegen  das  Corium  zu,  ge- 
paart mit  Keratinisation.  Bei  Unna  ist  wieder  das  Entstehen 
des  Comu  aus  minimalen  Hautfibromen,  ebenfalls  als  Folge  der 
primären  Epidermiszellenwucherung  mit  nachfolgender  Kera- 
tinisation, ohne  die  geringste  Betheiligung  von  wahren  Haut- 
papillen,  wohl  nachgewiesen. 

Wo  bleiben  denn  die  Beweise  der  sogenannten  „papil- 
lären" Genesis  des  Hauthornes,  w^elche  noch  Rindfleisch 
(Lehrb.  d.  pathol.  Gewebelehre,  1875,  p.  257)  mit  dem  Satze, 
dass  „zum  Zustandekommen  des  Hauthornes  als  Basis  noth- 
wendiger  Weise  eine  Papillengruppe  gehört",  als  selbstver- 
ständlich annimmt? 

Die  „papilläre"  Genesis  mag  sich  wohl  auf  Grund  der 
anatomischen  Untersuchung  von  grösseren  und  grossen  Haut* 
hörnern  eingebürgert  haben,  da  man  an  Hauthomlängsschnitten 
immer  spärliche,  schmale,  das  Cornu  hinaufziehende  Bindege- 
webestreifen findet,  welche  die  für  die  P>nährung  des  Haut- 
horngewebes  nothwendigen  Blutgefässe  einschliessen  und  von 
der  Bindegewebsbasis  der  Geschwulst  —  wie  es  ja  nicht  anders 
sein  kann  —  entspringen.  Man  fasste  nun  allgemein  diese  iso- 
lirten,  der  Cutis  perpendiculär  aufsitzenden  Bindegewebssträuge 
als  verlängerte  physiologische  Cutispapillen  auf  und  stellte  sich 
vor,  dass  sie  aus  denselben  durch  active  Wucherung  entstanden 
seien,  welchem  Vorgange  bei  der  Genesis  der  Hauthöi-ner  eine 
leitende  KoUe  zukäme,  obwohl  man  über  keine  diese  Annahme 
bestätigenden  anatomischen  Untersuchungen  der  im  Enstehen 
begriffenen  Hauthörnchen  verfügte.  Au  spitz  sah  sich  des- 
halb schon  im  Jahre  1870  (Ueber  das  Verhältniss  der  Oberhaut 
zur  Papillarschicht  etc.,  Archiv  f.  Denn.  u.  Syph.  p.  50,  1870) 
genöthigt,  auf  die  Un*haltbarkeit  dieser  Annahme  und  auf  die 
primäre  Bethätigung  der  Epidermis  bei  der  Haut- 
hombildung  hinzuweisen.  Mir  scheint  es,  dass  auch  der  Um- 
stand zur  Annahme  der  „papillären"  Genesis  der  Hauthörner 
beigetragen  hat,  dass  die  anatomisch-histologische  Untersuchung 


60  Mitvalsky. 

der  Gornua  nur  an  Längsschnitten  geschah,  wobei  auch 
die  eventuellen,  zwischen  den  Zellensäulen  hinaufstrebenden 
Septa  straugartig  durchschnitten  erscheinen ;  hätte  man  die  Unter- 
suchung an  Querschnitten  vorgenommen,  so  wäre  man  früher 
über  die  Existenz  dieser,  vielleicht  öfter  vorkommenden  Septa 
und  über  deren  genetische  Analogie  mit  den  schmächtigen  iso- 
lirten  Bindegewebssträngen  orientirt  gewesen.  Auch  die  ana- 
mnestischen Angaben  der  Patienten  scheinen  die  „papilläre" 
Genesis  befürwortet  zu  haben,  da  die  Comua  systematisch  aus 
„Warzen"  entstanden  sein  sollen,  bei  deren  Genesis  bekanntlich 
Cutispapillen  eine  Rolle  mitspielen.  Nun  wird  aber  unter  dem 
populären  Namen  einer  „Warze"  kein  einheitlicher  anatomischer 
Begriff  verstanden  und  wir  wissen  bestimmt  nur,  dass  nur  die 
„fadenförmigen  Warzen",  die  histologisch  sich  als  kleine  Haut- 
fibrömchen  darstellen,  ganz  bestimmt  sich  zu  Hauthörnem 
entwickeln  können,  wie  es  U  n  n  a  zweifellos  nachgewiesen  hatte 
und  wie  wir  das  auch  aus  der  Anamnese  unseres  Falles  ent- 
nehmen können. 

Nur  in  dem  Falle  des  Hauthorns  der  Glans  penis 
von  Pick  (Zur  Kenntniss  d.  Eerat.  Viertelj.  f.  Dermat.  und 
Syph.  II.  Jalirg.,  p.  315  etc.,  1875)  scheinen  papillomatöse  Bil- 
dungen zur  Entwicklung  eines  Cornu  cutaneum  Gelegenheit  ge- 
geben zu  haben;  da  entwickelte  sich  bei  einem  mit  Psoriasis 
Ijehafteten  Manne  das  Cornu  nach  spitzen  Condylomen. 

Der  sogenannten  „folliculären"  Genesis  des  Hauthorns 
kann  bei  der  Entstehung  desselben  gar  keine  Bedeutung  zu- 
geschrieben werden  und  die  betreffenden  Anschauungen  der 
Autoren  wurden  von  Unna  (1.  c.)  bereits  widerlegt.  Wohl 
kommt  jedoch  der  „folliculären"  Vergrösserung  und 
dem  Wachsthum  des  Hauthornes  eine  Bedeutung  zu,  die 
wii*  bereits  bei  der  Schilderung  des  histologischen  Befundes  bei 
unserem  Falle  ausführlich  angelührt  haben  und  auf  die  wir  noch 
zu  sprechen  konmieu. 

Wenn  wir  nun  über  den  Ursprung  derHauthörner 
im  Allgemeinen  befragt  würden,  so  müssten  wir  in  Anbetracht 
der  betreffenden  Publicationen  antworten,  dasdieHauthorn. 
bildung  durch  active  Wucherung  und  Vermehrung 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Hauthömer  der  Augenadnexa.       6 1 

der  Stachelzellen  einer  ganz  circumscripten,  mei- 
stens bereits  früher  pathologisch  veränderten 
Hautpartie  eingeleitet  wird,  welche  in  der  Form  von 
Kolben  und  Zapfen  gegen  das  darunter  liegende 
Bindegewebe  vordringt,  die  dazwischen  gelegene 
Bindegewebspartien  in  die  Form  von  Strängen 
und  Septen  transformirt  und  sie  einschliesst,  mit 
nachfolgender  Eeratinisation  der  Stachelzellen 
von  der  Oberfläche  aus,  welche  sich  in  der  Mitte 
der  Stachelzellenkolben  pfropfartig  nach  unten 
bisnahe  demFundus  der  Stachelzellensäulen  fort- 
schiebt, so  dass  nurdie  den  Bindegewebssträngen 
anliegenden  und  benachbarten  Stachelzellen  von  der 
Eeratinisation  für  langeZeit  verschont  und  frisch 
bleiben.  Durch  das  fortwährende  Wachsen  der  Stachelzellen- 
kolben gegen  die  Coriumbasis  zu  werden  die  älterenCornu- 
partien  sammt  den  darin  eingeschlossenen  Bindegewebssträn- 
gen und  -balken  mehr  und  mehr  erhoben,  wobei  die  letzteren  in 
Folge  der  andauernden  Zerrung  und  des  in  Folge  der  Eeratini- 
sation auf  sie  geübten  Seitendrucke^,  sowie  auch  in  Folge  ihrer 
immer  zunehmenden  Entfernung  von  der  sie  ernährenden  Ba^is, 
in  Bezug  auf  ihr  Volumen  stark  reducirt  werden  und  abnehmen, 
woraus  wohl  nur  in  Folge  der  mangelhaften  Geachwulst- 
ernährung  die  fortschreitende  und  endlich  definitive  Eeratini- 
sation der  betreflfenden  dem  Comuscheitel  nahen  Partien  des 
Hauthomes  resultiren  muss,  in  welchem  Stadium  w^ohl  die 
spärlichen  Bindegewebsfasern  als  solche  nicht  zu  erkennen  und 
nunmehr  als  der  Länge  nach  verlaufende  Spalten  zu  sehen 
sind,  die  stellenweise  nur  noch  durch  die  daselbst  verlaufende, 
mehr  oder  weniger  veränderte  Blutgefässäste  als  solche  kenntlich 
sind.  Dass  bei  diesem  Eintrocknungsvorgange  Störungen  der 
auch  sonst  daselbst  dürftigen  Blutcirculation  in  der  Form 
von  Hämorrhagien  in  die  Bindegewebsspalten,  der  Throm- 
bosen etc.  zustande  kommen,  wodurch  die  obersten  Cornu- 
partien  dann  von  der  directen  Blutcirculation  ausgeschlossen 
werden,  liegt  auf  der  Hand. 

Zur  Bildung  derBindegewebstrabekel  desCornu 
ward   allmählich    die    ganze    Cutisdicke    herangezogen,    worauf 


62  Mitvalsky. 

meistens  die  gegen  die  Basis  immer  heranwachsenden  Stachel- 
zellenkolben an  der  mit  der  Hauthombasis  verwachsenen  Cutii» 
zerren,  dieselbe  verdünnen  und  mit  aus  der  Hautfläche  erheben^ 
wodurch  eine  Hautumscheidung  der  basalen  Haut- 
hornpartie  gebildet  und  eine  Differencirung  des  Homes 
in  zwei  Theile  zustande  gebracht  wird.  Der  basale  von 
demHautsaum  umschlossene  Hauthorntheil  ist  ver- 
schieden lang,  schimmert  gelbröthlich  durch,  ist  immer  weich 
und  besteht  der  Hauptsache  nach  aus  frischen,  meistens  krebs- 
perlenartig  geordneten  Epithelzellenformationen,  die  jedoch 
gegen  die  Hauthombasis  zu  in  ihrer  Mitte  die  Anzeichen  der 
fortschreitenden  Keratinisation  in  der  Form  des  Gelblichwerdens 
ihrer  Zellkörper  und  der  veränderten  Farbenreaction  ihrer 
Zellkerne  bereits  aufweisen  können.  Dazwischen  sind  nur  dünne, 
stellenweise  sich  verflechtende  Bindegewebstrabekel,  die  das  ganze 
Zellengewebe  durchflechten  und  zusammenhalten. —  Der  zweite 
H  a  u  t  h  o  r  n  t  h  e  i  1  ist  die  obere  das  eigentliche  Cornu  repräsenti- 
rende  Paitie,  deren  detaillii-te  Schilderung  wir  au  unserem  Falle 
ganz  ausführlich  mitgetheilt  haben. 

Es  ist  wohl  selbstverständlich,  dass  imweiterenWachs- 
thum  der  Kand  der  dünnen  Hautumscheidung  mit  keratinisiii, 
die  unterste  Partie  des  oberen  Homtheiles  mitbildet  und  dass, 
solange  das  Cornu  gegen  die  Basis  zu  wächst,  immer  neue 
Cutistheile  zur  Bildung  der  Hautumscheidung  herangezogen  werden. 

Die  basalen  Epithelzellensäulen  produciren  neue  Wuche- 
rungskolben hauptsächlich  zwar  gegen  die  Basis,  jedoch  auch 
zu  den  Seiten  des  basalen  Hauthomtheiles,  wodurch  in  erstem 
Falle  das  Höhen-,  im  zweiten  dami  das  Breitenwachs- 
thum  der  Geschwulst  befordei-t  wird. 

Zum  Wachsen  des  Hauthornes  überhaupt  und 
zu  seinem  Breitenwachsthum  speciell  tragen  auch 
wesentlich  die  Epidermis  und  die  Adnexa  der  die 
basale  Hornx)artie  umschliessenden  Hautscheiden 
bei,  speciell  die  Haut follikel.  An  unserem  Falle  sehen 
wir  deutlich,  wie  von  dem  Epidermisende  zahlreiche  nach  unten 
sich  kolbenförmig  verdickende  Stachelzellenfortsätze  zwischen 
die  Haut  und  Hauthomperipherie  sich  einsenken  und  derselben 
sich  anschmiegen,  wir  sehen  da  femer  die  pathologischen  Wuche- 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Hauthörner  der  Angenadnexa.       63 

rungen  der  ganzen  die  Hornbasis  umschliesnenden  Epidermis- 
fläche  und  der  Hautadnexa>  grösstentheils  wohl  der  Haar- 
follikel, theilweise  jedoch  auch  der  Schweissdrüsen.  Wir  sehen 
an  unserem  Falle  von  dem  Rete  Malpighii  zahlreiche  Stachel- 
zellenkolben  abzweigen  und  der  Hauthomobei-fläche  sich  an- 
schmiegen; dieselben  sind  theilweise  solid,  theilweise  schliessen 
sie  jedoch  miliare  Atherome  oder  aber  feine  Härchen  ein,  in  ein- 
zelnen derselben  sind  sogar  Beste  von  Schweissdrüsenausfuhnings- 
gangen  zu  constatii-en.  Da  nun  alle  diese  Zellenkolben  im  Verlaufe 
der  Zeit  zu  Epithelzellensäulen  des  Hauthoms  werden,  so  darf 
es  uns  wohl  nicht  Wunder  nehmen,  dass  wir  auch  in  den  fertigen, 
keratinisirenden  Zellensäulen  der  Hauthornperipherie  stellen- 
weise mikroskopische  Atheromchen,  Lanugohärchen,  oder  auch 
wahrscheinliche  Reste  von  Schweissdrüsenausiuhrungsgängen 
eingeschlossen  vorfinden. 

Diese  sämmtlichen,  meistens  gegen  die  Hauthornbasis  zu 
wachsenden  Stachelzellenkolben  sind  von  einander  vom  reichlichen 
Bindegewebe  geschieden,  welches  sie  im  Weiteren  zwischen  sich 
fassen  und  zum  Bindegewebsgerüst  des  Hauthornes  gestalten, 
das  im  weiteren  Wachsthumsverlaufe  mit  dem  Hörne  mit  in 
die  Höhe  rückt  und  stellenweise  ebenfalls  „papillenähnliche" 
Bindegewebestränge  —  hauptsächlich  wohl  an  Längsschnitten  — 
bildet.  Dieses  den  basalen  Hauthorntheil  umschliessende  Binde- 
gewebe ist  ziemlich  mächtig  kleinzellig  iniiltrirt,  und  es  kann 
wohl  gar  kein  Zweifel  darüber  existiren,  dass  seine  Vermehrung 
vermittelst  der  kleinzelligen  Infiltration  geschieht. 

Die  an  der  Basis  des  Hauthornes  wuchernden  Stachel- 
zellenkolben begegnen  daselbst  stellenweise  gewucherten  Schweiss- 
drüsenconglomeraten,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass  sie  die- 
selben in  sich  einschliessen  und  dass  dann  eine  Wucherung  der 
Stachelzellen  und  der  Schweissdrüsenzellen  promiscue  zustande 
kommt,  so  dass  auf  diese  Weise  dann  auch  die  Schweissdrüsen- 
zellen zur  Hauthornbildung  beizutragen  scheinen. 

Wie  sich  die  Papillen  der  Umgebung  verhielten,  kann  ich 
nicht  mitthcilen,  da  ausser  dem  Hautsaume  der  Hauthornbasis 
nichts  entfernt  wurde ;  so  viel  ist  jedoch  sicher,  dass  die  Papillen 
der  Hautumgebung  bei  dem  Hinaufrücken  der  Cutis  auf  das 
Comu  sichtlich  durch  Zerrung  ausgeglättet  wurden. 


64  Mitvalsky. 

Die  eben  durchgeführte  Schilderung  des  Cornuwachsthums 
mag  wohl  nur  die  kegelförmig  gestalteten  Hanthörn  er 
vollends  betreffen.  Es  liegt  ja  auf  der  Hand,  dass  die  immer- 
währende Apposition  von  Stachelzellenkolben  von  der  basalen 
Hautumscheidung  und  deren  Adnexen,  die  mit  der  Zeit  zu  Haut- 
hornzellensäulen  auawachsen,  ein  immer  zunehmendes  Dicker- 
werden des  Comu  an  der  Basis  und  conische  Hauthornform  zur 
Folge  haben  muss. 

Bei  cylindrisch  gestalteten  Cornuis  mag  wohl 
unsere  Schilderung  nicht  vollends  zutreffen  insoferne,  als 
diejenigen  Momente,  die  eine  Dickenzunahme  des  Cornu  nach 
sich  ziehen,  da  sichtlich  ausser  Spiel  treten.  Bei  einem  cylin- 
drischen  Hauthome  wird  wohl  eine  bedeutende  Mitbetheiligung 
einer  Hautumscheidung  und  deren  Adnexen  an  dem  Wachsthum 
ausbleiben  und  das  Wachsen  derselben  mag  nur  durch  die 
gegen  die  l-nterlage  zu  gerichtete  Wucherung  der  urspning- 
lii  hen  Stachelzellensäulen  bedingt  sein. 

Mit  der  Frage  des  Zustandekommens  der  conischen  und 
cylindrischen  Cornuformen  beschäftigte  sich  unlängst  Schöbl 
(O'vzacnych  roliovych  nadorech  oka.  Kozpravy  öeske  akad.,  IL  tf., 
rocnikl.,  L  2(>,  1892,  mit  einem  beigefugten  deutschen  Texte).  Er 
stellt  sich  jedoch  das  Zustandekommen  dieser  beiden  Cornuformen 
gM  uz  anders  vor,  als  dies  aus  meiner  anatomischen  T-ntersuchung  so 
klar  einleuchtet.  Es  sei  bemerkt,  dass  Schöblauch  zur  Gruppe 
derjenigen  Autoren  gehört,  die  auf  Gnmd  von  Untersuchung 
grosser  Cornua  eine  ,, papilläre  **  Genesis  der  Cornua  annehmen 
und  die  in  den  Hauthörneru  voi-gefündenen  einfachen  und  ver- 
zweigten Bindegewebestränge  als  „Papillen"  erklären.  Er  äussert 
si(h  nun  darüber  wie  folgt:  „Der  histologische  Befund  ist  bei 
normalen  Hauthömern  ein  sehr  einfacher.  Wir  finden  in  ihnen 
gewöhnlich  zahlreiche  h>i)ertrophisclie,  gewöhnlich  sehr  ver- 
längerte, oft  vielfach  verästelte  Papillen,  welche  von  einem 
sehr  spärlichen  bindegewebigen  Stroma  getragen  werden.  Die 
Papillen  sind  gewöhnlich  von  einer  Schichte  eyliiidrisclier  Zellen 
bekleidet,  dann  folgt  eine  mehr  oder  weniger  mächtige  Scliichte 
von  Stachelzellen,  welche  gegen  die  Peripherie  zu  allmählich 
spindelf()nnig  werden,  endlich  das  Protoplasma  und  die  Kerne 
verlieren,  verhornen  und  als  verhornte  Epidermoidalplättchen 
die  Rinde    des     Hornes  bilden.     Erfolgt  die   Verhornung     der 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Haathömer  der  Augenadnexa.       65 

Epidenuoidalzellen  verhältuissmässig  bald,  so  entsteht  ober 
jeder  Papille  oder  Papillengruppe  eine  fingerhutartige  Kappe 
von  verhornten  Zellen,  welche  durch  den  fortschreitenden  Yer- 
mehrungs-  und  Verhomungsprocess  stets  mächtiger  und  mächtiger 
in  die  Höhe  wächst  und  so  über  jeder  Papille  oder  Pappillen- 
gruppe  einen  in  die  Höhe  strebenden  Cylinder  oder  ein  Prisma 
von  verhornten  Zellen  bildet,  welche  zusammen  das  ganze  Haut- 
hom  bilden.  Am  Längsschnitt  solcher  Hauthömer  erblicken  wir 
deshalb  lauter  Wellenlinien,  deren  Wellenberge  den  Gipfeln 
der  Papillen,  deren  Wellenthäler  den  Vertiefungen  zwischen  den 
selben  entsprechen.  Auf  diesem  Entwickelungsmomente 
beruhen  meiner  Ansicht  nach  die  beiden  defini- 
tiven Grundformen  der  Hauthömer,  die  cylindrische 
unddie  kegelförmige.  Bei  Hauthörnem,  welche  sehr  langsam 
wachsen,  bei  denen  dagegen  der  Verhomungsprocess  verhältuiss- 
mässig sehr  bald  eintritt,  ist  die  Scliichte  der  Stachelzellen 
eine  sehr  wenig  mächtige,  und  die  ober  den  Papillen  die  be- 
trefTenden  Kappen  bildenden  verhornten  Zellen  haben  bei  dem 
laugsamen  Wachsthumsprocesse  hiidänglich  Zeit  zur  weiteren 
Entwicklung,  sie  werden  stets  flacher,  ohne  in  den  übrigen 
Dimensionen  viel  zu  verlieren ;  in  Folge  dessen  werden  die  Wellen- 
linien auf  den  betrefiEenden  Längsdurchschnitten  solcher  Haut- 
hömer immer  flacher  und  flacher ;  Wellenberge  und  Wellenthäler 
werden  stets  niedriger;  aber  weil  die  Zellen  im  Querdurch- 
messer wenig  oder  nichts  verlieren,  bleibt  über  jeder  Papille 
oder  jeder  Pappillengruppe  ein  Cylinder  oder  ein  Prisma  von 
verhornten  Zellen  von  stets  sich  gleich  bleibendem  Durchmesser 
und  da  das  ganze  Hom  aus  der  Summe  dieser  Cylinder  oder 
Prismen  zusammengesetzt  wird,  so  muss  es  nothwendigerweise 
eine  cylindrische  oder  cylindrischprismatische  Gestalt  annehmen. 
Solche  Hauthömer  endigen  am  Gipfel  stets  stumpf,  oft  sieht  es 
AUS,  als  ob  sie  abgehackt  worden  wären.  Anders  verhält  sich 
die  Sache,  wenn  ein  Hauthom  sehr  rasch  wächst  und  der  Ver- 
homungsprocess verhältuissmässig  langsam  eintritt.  In  einem 
solchen  Falle  entwickelt  sich  ober  den  Papillen  und  zwischen 
denselben  eine  sehr  mächtige  Schicht  zu  Stachelzellen,  welche 
jedoch,  da  sie  zur  Ausbreitung  Baum  genug  besitzen,  nicht  so 
tiefe  Epithelzapfen  zwischen  den  Papillen  in  die  Tiefe  treiben, 

▲rfhiT  f.  Dermatol.  a.  STphll.  Band  XZVn« 


66  Mitvalsky. 

und  auch  nicht  so  typisch  ausgesprochene  Kappen  ober  den 
Papillen  oder  Papillengruppen  bilden.  Die  Stachelzellen  werden 
ganz  allmälig,  je  weiter  sie  von  Papillen  entfernt  werden,  mehr 
und  mehr  spindelförmig  von  Gestalt,  und  da  sie  zumeist  die 
Longitudinalrichtung  bewahren,  muss  sich,  da  sie  im  transTer- 
salen  Durchmesser  stets  abnehmen,  das  ganze  Hörn  allmälig 
zuspitzen  und  eine  kegelförmige  Gestalt  annehmen.  —  Es  ist 
selbstverständlich,  dass  dies  nur  für  die  beiden  Hauptformen 
von  Hauthöruem  gemeint  ist  und  dass  es,  wie  in  Allem  in  der 
Natur,  Uebergangsformen  gibt,  welche  sich  bald  diesem,  bald 
jenem  Typus  nähern." 

Schob Ts  Arbeit  enthält  auch  andere  Punkte,  welche  mit 
den  in  unsex'er  Arbeit  auf  Gmnd  des  Literaturstudiums  und 
auf  Grund  unseres  histologischen  Befundes  niedergelegten  An- 
schauungen, nicht  übereinstimmen,  und  da  es  sich  um  eine  erst 
im  vorigen  Jahre  publicirte  Arbeit  handelt,  so  können  diese 
Punkte  nicht  unerwähnt  gelassen  werden:  1.  Seh  ob  1  zeichnet 
an  der  Fig.  3.  ein  systematisch  durchgeführtes,  ganz  reguläres 
einschichtiges  Cylinderepithel  um  seine  als  „Papillen"  aufge- 
fasste  Bindegewebestränge.  Eine  solche  Formation  wurde  bis- 
her von  Niemandem  vorgefunden.  Die  erste  Reihe  der  an  die 
Bindegewebsstränge  angrenzeu<len  Stachelzellen  fanden  wir  wohl 
an  ihrem  dem  Bindegewebe  zugewendeten  Ende  cylindi-isch  ge- 
staltet, ihr  anderes  Ende  fugt  sich  jedoch  überall  den  mul- 
tangulären  Contouren  der  darauf  folgenden  Stachelzellen  an,  so 
dass  es  nie  in  einer  Linie  zu  liegen  kommt,  wie  das  Sc  höhl 
abbildet.  2.  Schob  1  stellt  sich  vor,  dass  die  Keratinisation 
über  und  um  jede  Papille  als  ein  System  von  fingerhutartigen 
Kappen  von  verhornten  Zellen  entsteht,  welche  Kappen  durch 
die  von  den  Papillengipfeln  immer  neu  entstehende  Kappen 
hinauf  geschoben  und  von  der  Papille  entfernt  werden,  so  dass 
im  weiteren  Verlaufe  über  jeder  Papille  eine  aus  dem  Material 
dieser  Kappen  gebildete  cylindrische  oder  prismatische  Säule« 
aus  welcher  das  Hörn  eben  zusammengesetzt  ist,  entsteht. 
Schöbl  äussert  sich  nicht  weiter,  wie  er  sich  das  Epidermis- 
zellenverhältniss  in  den  Räumen  zwischen  den  benachbarten 
Papillen  vorstellt  und  bemerkt  femer,  dass  „zwischen  den  oben- 
erwähnten Zellencylindem  oder  Prismen«  in  alten  Hörnern  auch 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Hauthörner  der  Augenadnexa.       67 

• 

Markräume  zu  finden  sind.  Wie  Unna  gezeigt  und  überzeugend 
abgebildet  hatte,  kommt  das  Hornmark,  welches  wohl  in  diesen 
Markräumen  enthalten  sein  mag,  auch  in  ganz  jungen  und 
kleinen  Comuis  vor  und  zwai*  in  der  Tliat  zwischen  den  ver- 
hornten, das  Comu  zusammensetzenden  Zellensäulen ;  nur  stellt 
sich  das  Verhältniss  beider  zu  den  Bindegewebssträngen,  oder 
den  sog.  „Papillen"  nach  Unna^s  und  meinen  übereinstimmenden 
Befanden  ganz  anders  dar,  als  dies  vom  Schöbl  geschildert 
wird.  Diese  in  den  Mai'kräumen  enthaltene  Marksubstanz  be- 
findet sich  nämlich  knapp  über  dem  Scheitel  der  „Papillen", 
und  ihr  Zustandekommen  daselbst  hat  Unna  auf  eine  ebenso 
sinnreiche  wie  natürliche  Weise  aufgeklärt ;  die  verhornten  Cy- 
linderzellensäulen  sind  nach  Unna^s  und  meinen  Untersuchungen 
keinesfalls  den  „Papillenscheiteln"  als  Kappen  aufgesetzt,  sondern 
sie  wurzeln  zwischen  den  Bindegewebsträngen,  fassen  dieselben 
zwischen  sich  und  legen  sich  in  der  Mitte  der  Stachelzellen- 
kolben möglichst  tief  der  Hauthombasis  an.  —  Es  ist  jedenfalls 
auffallend,  dass  bei  Schöbl  einerseits,  bei  Unna  und  mir 
andererseits  eine  so  difierente  Auffassung  der  Hauthornstructur 
und  des  Verhomungsvorganges  zu  Tage  tritt. 

Dass  die  an  der  Basis  eines  Hauthomes  aufgefundenen 
Stachelzellennester  als  Durchschnitte  der  schief  und  quer  ver- 
laufenden Stachelzellenkolben,  die  ja  bei  jedem  und  speciell  bei 
conisch  gestaltetem  Hauthorne,  solange  dasselbe  wächst,  vor- 
handen sein  müssen,  und  in  deren  Centrum  später  die  Kera- 
tinisation  gegen  die  Basis  zu  weiter  schreitet,  solange  dieselben 
die  Basisfläche  des  Comu  nicht  überschreiten  und  in  der  Um- 
gebung der  Hauthombasis  ihr  selbständiges  Weiterverbreiten 
nicht  zu  Tage  treten  lassen,  mich  nicht  veranlasst  hätten,  ein  Comu 
cut.  complicatum  cum  carcinomate  epitheliali  histologisch  zu 
diagnosticiren,  wie  es  Schöbl  bei  seinem  ersten  Falle  (Figur  3) 
thut,  ei*^'ähue  ich  nur  nebensächlich,  ebenso  wie  ich  auch  die 
Bemerkung,  dass  die  Blutcirculationsvorgänge  in  den  schmächti- 
gen Bindegewebsausläufern  eines  Comu,  wie  ich  und  Andere 
dieselben  constatirt  hatten,  bei  Weitem  complicirter  waren,  als 
es  aus  den  in  derselben  Abbildung  Schöbl's  eingezeichneten 
roth  und  blau  gehaltenen  Schemata  von  Blutgefässen  zu  er- 
sehen ist,  nur  nebenher  mache. 

5* 


63  M  i  t  V  a  1  s  k  y. 

Eine  neue  Theorie  der  Hauthomentwickelung  glaubt  un- 
längst auch  Lagrange  aus  Bordeaux  auf  Grund  der  Unter- 
suchung eines  2*2  Cm.  langen  und  0*5  Cm.  breiten  Unterlid- 
hauthomes  bei  einem  60jährigen  Manne  geliefert  zu  haben 
(Note  sur  un  cas  de  come  palp^brale.  Nouvelle  theorie  sur  le 
developpement  des  comes.  Annales  d'  oculistique,  Decembre 
1892,  p.  403  etc.)  Lagrange  fand  an  Längsschnitten  der 
exstirpirten  Geschwulst  die  „Papillen"  stark  hypertrophisch, 
3 — 4mal  verlängert;  die  die  „Papillen"  umschliessenden  Epi- 
thelzellen bilden  eine  sehr  dicke  Schichte  und  man  sieht  in  der 
eigentlichen  Homsubstanz  Epithelialschläuche,  welche  Papillen  — 
Verlängerungen  darstellen.  Die  gelbliche  Homsubstanz  enthält 
auffallender  Weise  reichliche  Epidermiszellenkugeln,  die  nach 
der  Gegenwart  kleiner  mit  Carmin  gefärbter  Zelleninseln,  die 
von  concentrischen  Schichten  der  Homsubstanz  umgeben  sind, 
zu  erkennen  sind ;  dieselben  nehmen  sichtlich  von  isolirteu  £pi- 
dermiszelleninseln  Ursprung;  diese  Kugeln  sind  bald  rundlich, 
bald  in  die  Länge  gezogen,  einige  derselben,  eingeschlossen 
zwischen  zwei  umfangreichere  Kugeln,  sind  abgeflacht  und  kaum 
zu  erkennen.  Die  Homproduction  geht  also  in  2  differenten 
Stellen  vor  sich:  1.  oberhalb  des  Epithels  der  „Papillen",  2.  rings- 
herum um  in  der  Homsubstanz  isolirtes  Epithel;  auf  beiden 
den  Stellen  geht  die  Verhomung  ohne  Eleidin  vor  sich,  welches 
nur  selten  voi^efiinden  wurde,  was  wohl  ganz  abnormal  ist  und 
dabei  ganz  eigenthümlich  erscheint.  Noch  interessanter  ist  die 
Gegenwart  der  Epidermiskugeln,  wofür  uns  der  Befand  an  der 
Geschwulstbasis  genügende  Erklärung  liefert.  Man  findet  da- 
selbst Blutlacunen,  welche  wahrscheinlich  von  einer  traumatisch 
hervorgebrachten  interstitiellen  Hämorhagie,  zu  denen  bei 
einem  Hauthom  reichliche  Gelegenheit  geboten  wird,  datiren, 
An  mehreren  Stellen  bemerkt  man,  dass  diese  Hämorhagie. 
da  sie  die  benachbarten  Gewebselemente  trennte,  den  Papillen- 
gipfel  auf  die  Art  abgerissen  hat,  dass  er  diesen  Gipfel  von 
der  Basis  des  epithelialen  Conus  abgetheilt  hatte.  Auf  diese 
Weise  wurde  das  aus  jungen  Epithelialzellen  zusammengesetzte 
Papillenende  auf  freien  Fuss  gesetzt  und  setzte  die  Hom- 
zellenbildung,  welcher  Thätigkeit  sie,  als  sie  noch  der  Papille 
anhaftete,   oblag,  fort.     So  viele  nun  auf  die  Art  abgetrennte 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Uanthömer  der  Augenadnexa.       69 

papilläre  Epithelialzellengruppen,  ebensoviele  Epidermiskugelu, 
welche  sich  getrennt  entwickeln  und  alle  fähig  sind  die  Haut- 
homlänge  zu  vei'grössem.  Die  zahlreichen  Insulte  erklären 
genügend  die  Gegenwart  der  peripapillären  Hämorrhagien, 
welche  ein  zusanunenhängendes  Geflecht  von  Blutergüssen  an 
der  Yereinigungsstelle  des  Comu  und  der  Haut  darstellen.  Die 
durch  diese  Blutergüsse  abgerissenen  Papillenspitzen  wurden 
durch  die  umliegenden  Säfte  ernährt  und  konnten  deshalb 
Homsubstanz  produciren.  Die  auf  diese  ^^^eisc  decapitirte  Papille 
proliferirt  weiter  und  verliert  später  entweder  durch  den  Strom 
des  extravasirten  Blutes  oder  durch  directes  Berühren  ihren 
Scheitel  wieder,  auf  welche  Weise  successiv  sich  mehrere  Epi- 
thelialinseln  von  jeder  Papille  losgetrennt  hatten;  diejenigen, 
welche  sich  zuerst  abgelöst  hatten,  nehmen  den  Hauthomscheitel 
ein  und  sind  klein,  diejenigen  aber,  welche  sich  unlängst  von 
ihrer  Mutterpapille  entfernt  hatten,  sind  weit  grösser.  Die  ke- 
ratische  Transformation  derselben  ist  die  Grundursache  dieser 
Geschwulstbildung. 

Weder  nach  der  Beschreibung,  noch  nach  den  beigefügten 
Abbildungen  ist  es  möglich  sich  zu  orientiren,  ob  Lagrange's 
Auflfassung  berechtigt  ist  und  ob  und  inwiefern  sein  Befund  mit 
den  unserigen  in  Einklang  steht  oder  differii-t.  Auf  unsere  Be- 
funde wirft  der  Fall  kein  Licht  und  wir  begnügen  uns  mit  der 
einfachen  Anfühiiing  seiner  Befunde  und  der  darauf  gebauten 
Schlussfolgerungen. 

Am  Schlüsse  des  Artikels  sei  es  mir  gestattet  die  bis 
jetzt  bekannten  Fälle  der  Hauthörner der  Augen- 
adnexa zusammenzustellen,  da  dieselben  in  unserer  Disciplin  als 
Raritäten  betrachtet  werden,  was  sie  wohl  keinesfalls  mehr  sind. 

Die  ersten  Fälle  datiren  von  v.  Ammon  (Monatsschrift 
für  Medicin,  Augenh.  u.  Chir.  HI.  Bd.,  4.  Heft,  S.  392-  394, 
1840,  „Ueber  homartige  Auswüchse  der  Augenlider**).  Zuerst 
theilt  V.  Ammo  n  einen  Fall  eines  Hörnchens  mit,  dessen  Photo- 
graphie ihm  Strohmeyer  aus  Erlangen  zugeschickt  hatte  und 
welcher  eine  71  Jahre  alte  Frau  betraf.  Der  näliere  Sitz  des 
Homes  ist  darin  nicht  angegeben,  v.  Ammon  selbst  sah  zwei 
Fälle  von  hornartigen  Auswüchsen  an  den  Augenlidern ;  in  einem 
derselben    handelte    es    sich    um  einen  40jährigen  Mann,    das 


70  Mitvalsky. 

3  Linien  lange  Hom  sass  am  rechten  oberen  Augenlid ;  im  zweiten 
Falle  war  die  Geschwulst  4  Mm.  lang  und  sass  am  linken  oberen 
Augenlid  einer  50jährigen  Frau. 

Fronmülle r's  Fall  (Joum.  f.  Chir.  u.  Augenh.  v.  Wal- 
ther u.  v.Ammon,Bd  32,  Neue  Folge  2  Bd.,  p.  178—179,  1843) 
betraf  einen  50jährigen  Mann;  die  beinahe  zoUgrosse  und 
federspuldicke  Geschwulst  war  mitten  auf  dem  rechten  oberen 
Augendeckel  situirt,  in  der  Mitte  war  sie  durch  Abbindungs- 
versuche  eingeschnürt. 

Nelaton  (Elementes  de  pathol.  chirurg.  Paris,  1844  T.  1, 
p.  388)  macht  nur  eine  kurze  Bemerkung,  er  habe  ein  Hom 
vom  freien  Rande  des  Augenlides  operativ  entfernt. 

Szokalski  (Annales  d'  Oculistique,  LIV,  p.  211,  1865) 
sah  ein  1*5  Cm.  langes  Hom  auf  dem  linken  Unterlide  einer 
30jährigen  Näherin  und  entfernte  dasselbe. 

Henry  Schaw  (Gase  of  cutan.  hom  of  eyelid.  Boston 
Med.  and  Surg.  Joum.,  11  Febr.  1869)  fand  bei  einem  56jährigen 
Irländer  ein  etwa  1*5  Zoll  langes  Hom  des  rechten  Unterlids 
(nach  Wecker-Landolt,  Tome  I,  p.  84).  Schaw  bemerkt,  dass 
durch  die  Conjunctiva  des  unteren,  mit  Ectropium  behafteten 
Lides  die  Basis  des  Homes  wie  mit  Talg  erfüllt  durchschimmerte. 

Soelberg-Wells's  Fall  (A  treatise  on  the  diseases  of 
the  eye,  3.  ed.,  London,  1873,  p.  767)  betraf  einen  76jährigen 
Mann,  bei  dem  das  2  Cm.  lange  Hom  auf  dem  rechten  Unterlid 
implantirt  war. 

Keymond's  Fall  (Osservazione  di  produzione  comea 
suUa  palp.  Giom.  d.  Acad.  de  medic.  di  Torino;  Aprile  1871): 
56jähnger  Mann  mit  einem  mehr  als  1  Cm.  langen  Home  des 
linken  oberen  Augenlides. 

Gulstad  (Bergh,  Archiv  f.  Dermat.  u.  Sji)h.  V.  Jahi*g., 
2  Heft,  p.  187,  1873)  sah  am  Rande  des  rechten  oberen  Augen- 
lides bei  einem  19jährigen  Mädchen  ein  4  Mm.  langes  Hörnchen. 

In  C  h  i  s  o  1  m's  Fall  (Virginia  medical  monthly,  p.  261,  1877) 
war  das  Hom  1  Zoll  lang.  In  der  Nähe  der  Augenspalte  sass 
ein  Hörnchen  auch  in  dem  ersten  von  Bätge  (1.  c.)  mitgetheil- 
ten  Falle  von  multipler  Keratose;  ausser  mehreren  Hornbil- 
dungen an   der  Nase    war  eine   hornige  Excrescenz  unterhalb 


Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Hanthömer  der  Augenadnexa.       71 

des  linken  unteren  Augenlides   und  dem  inneren  Augenwinkel 
derselben  Seite  des  60jährigen  Mannes. 

Walsham  zeigte  in  der  Patholog.  Society  London  im  J. 
1880  ein  Hauthom  vom  Unterlide  einer  alten  Frau  (Lagrange, 
Annales  d'  Oculist,  Decembre  1892,  p.  403). 

de  Wecker  (Trait6  complet,  L  tome,  p.  84.,  1880)  bildet 
eine  Horngeschwulst  ab,  welche  er  vom  linken  ünterlide  eines 
40jährigen  Mannes  entfernte. 

Michel  sagt  im  Graefe-Saemisch  (Bd.  IV.  p.  408,  1876): 
Nach  Jousanne's  Beobachtung  war  bei  einem  3jährigen 
Kinde  zuerst  am  rechten  oberen  Augenlide  ein  Hauthom  abge- 
rissen worden,  und  kurze  Zeit  darauf  traten  2  frische  Hönier 
am  linken  oberen  Lide  auf.  Nähere  Angaben  konnte  ich  über 
diesen  Fall  nirgends  auffinden. 

Herzog  Carl  Theodor  in  Bayern  (Festschrift  zur 
Feier  des  70.  Geburtstages  von  Herrmann  v.  Hehnholtz  und 
Zehender's  Klin.  Monatsbl.  f.  Augenh.,  September,  1892)  theilt 
einen  Fall  eines  4*5  Cm.  langen  Hauthomes  bei  einer  78 
jährigen  Frau  mit,  welches  an  der  Grenze  des  äusseren  und 
mittleren  Drittels  des  rechten  oberen  Lides  sass. 

S  c  h  ö  b  1  (1.  c.)  theilt  zwei  Fälle  mit,  deren  einen  ich 
im  J.  1884  mitzubeobachten  Gelegenheit  hatte.  Derselbe  be- 
traf eine  82jährige  Frau,  Barbara  Holik;  das  Hörn  war 
etwa  conisch  gestaltet,  5  cm.  hoch,  betrug  an  der  Basis  etwa 
3  Cm.  Durchmesser  und  nahm  mehr  als  eine  Hälfte  der  links- 
seitigen Nasenfläche  ein,  reichte  von  der  Nasenwurzel  beinahe 
bis  zum  linken  Nasenflügel  in  verticaler,  von  der  Mittellinie  der 
Nase  bis  in  die  Gegend  des  inneren  Augenwinkels  in  sagittaler 
Richtung. ')  Im  z  w  e  i  t  e  n  Falle  handelte  es  sich  um  ein  2  Cm. 
langes  Hauthom,  welches  unter  der  Mitte  der  rechten  Augen- 
braue eines  72jährigen  Mannes  situirt  war. 


*)  Dieser  Fall  ist  im  „Aerztlichen  Berichte  des  k.  k.  allgemeinen 
Krankenhauses  in  Prag"  für  das  Jahr  1884  auf  Seite  536  und  538  von 
Schöbl  als  „Comu  cutaneum  nasi  et  palpebrae"  betitelt;  in  seiner  eben 
angefahrten  Arbeit  aus  dem  Jahre  1892  ist  derselbe  Fall  wieder  als  ein 
^ünicum*' und  zwar  als  ein  „Gor nu  cutaneum  plicae  semilunaris* 
boschrieben. 


72  MitvaUky. 

L  a  g  r  a  n  g  e's  Fall  (1.  c.)  betrifft  einen  60jährigen  Mann, 
bei  dem  das  Hörn  2*2  Gm.  lang,  0*5  Cm.  breit  war  und  auf 
dem  linken  Unterlide  sass. 

Wie  ersichtlich,  sind  die  meisten  yon  den  Ophthalmologen 
publicirten  Fälle  von  Hauthömem  wohl  nur  von  casuistischem 
Werthe. 


Zrklinmg  der  Abbildungen  anf  Tau  V  nnd  VI. 

Fig.  1.  Das  Hauthom  in  natürlicher  Grösse,  abgetheilt  in  das  unter- 
bnndene  Scheitelstück  a,  Mittelstück  h  und  Basalstück  «. 

Fig.  2.  Querschnitt  durch  einen  bereits  eingetrockneten  Bindegewebs- 
sträng  des  Mittelstückes,  wo  die  spärlichen  Gewebszellen  von  den  Homzellen 
nicht  mehr  gut  zu  unterscheiden  sind.  In  den  zwei  Blutgefassquerschnitten 
sieht  man  die  bereits  intra  vitam  stagnirte,  degenerirte  Blutsäule,  in  der 
Reste  farbloser  Blutkörperchen  noch  differenzirt  werden  können. 

Fig.  8.  Ein  Querschnittstheil  durch  das  Mittelstück,  ein  Bindegewebs- 
septumdurchsohnitt  mit  Blutgefassresten  a  enthaltend. 

Fig.  4.  £ine  etwa  4fache  Vergrösserung  der  Hauthombasis  nach 
einem  mit  Haematoxylin  gefärbten  Präparat.  Die  verhornenden  Zellen  blass, 
die  stark  gefärbten,  frischen  Zellen  dunkel,  das  System  der  Bindegewebs- 
trabekeln  zwischen  den  letzteren  in  der  Form  von  hellen  Linien  gezeichnet. 

Fig.  5.  Das  Ende  des  Hautsaumes  um  den  basalen  Comutheil  und 
die  davon  abgehenden  geisselartigen  Epithelzellenschläuche,  a  Hautdurch- 
schnitt,  b  Durchschnitt  des  betreffenden  Theiles  der  Comuperipherie. 

Fig.  6.  Querschnitt  durch  eine  Partie  der  Peripherie  des  basalen 
Gomutheiles.  Man  sieht  die  Epidermis  und  die  von  derselben  abgehenden, 
oder  bereits  abgetrennten  soliden  (a),  Härchen  (6),  Atheromchen  (e),  sowie 
auch  gewucherten  Schweissdrüsen-Ausfuhrungsgängen  ähnliche  Gebilde  (i) 
enthaltenden  Epithelzellenstränge.  In  der  Mitte  ein  Durchschnitt  einer 
verhornenden  Epithel zellensäule,  zu  deren  Seiten  mit  subcutanem  Binde- 
gewebe zusammenhängende  Bindegewebsstränge  zu  sehen  sind. 

Fig.  7.  Ein  analoger  Querschnittstheil.  Die  miliare  Atheromchen 
enthaltenden  Epithelzellstränge  sind  verschmolzen  und  bilden  eine  Art 
Mantel  um  die  Comuperipherie,  in  der  schon  andere  ebenfalls  miliare 
Atherome  enthaltende  Epithelzellenstränge  eingfewachsen  sind. 


Die  mikroskopische  Technik  im  Dienste 

der  Dermatologie. 

(Ein  Rückblick  auf  die  letzten  zehn  Jahre.) 

Von 

Dr.  R.  Ledermann,       und  ^r*  Ratkowski, 

Arzt  fBr  Haatkrankheltoii  pnikt.  Arzt 

in    Berlin. 


Wer  im  Verlaufe  einer  wissenschaftlichen  Arbeit  genöthigt 
war,  sich  die  Kenntniss  der  einschlägigen  Literatur  zu  ver- 
schaffen, hat  es  als  angenehme  Erleichterung  empfunden,  wenn 
er  die  vielfach  zerstreuten,  oft  schwer  zugänglichen  Ai'beiten  in 
einer  übersichtlichen,  mehr  oder  weniger  kritischen  Weise  zu- 
sammengestellt fand.  Solche  Zusammenfassungen  sind  in  neuerer 
Zeit,  nachdem  die  Literatur  einer  jeden,  auch  der  kleinsten 
Specialdisciplin  einen  ungeahnten,  selbst  für  den  Fachmann 
kaum  mehr  zu  übersehenden  Umfang  anzunehmen  beginnt,  ge- 
radezu eine  Nothwendigkeit  geworden  und  gewiss  wird  jeder 
solchen  VeröffentUchungen  sympathisch  gegenüber  stehen.  Diese 
Erwägungen  sind  es  hauptsächtlich  gewesen,  welche  die  Vei*ff. 
bewogen  haben,  die  Fortschritte  der  mikroskopischen  Technik 
aus  den  letzten  10  Jahren,  soweit  sie  für  den  Dermatologen 
von  Wichtigkeit  sind,  in  übersichtlicher  Weise  zur  Anschauung 
zu  bringen. 

Wir  haben  uns  dabei  jeder  eigenen  kritischen  Einsprache 
enthalten,  dagegen  die  kritischen  Bemerkungen  der  Autoren, 
soweit  sie  für  die  Beurtheilung  des  jeweiligen  Gegenstandes  von 
Wichtigkeit  waren,  oft  in  ausführlichster  Weise  wiedergegeben. 


74  Ledermann  und  Ratkow»ki. 

¥.tj  werden  sieb  vielleicht  auch  Arl»eiteu  referirt  finden,  aber 
welche  die  wi>>enscliaftliche  Kritik  längst  zur  Tage>ordnung 
übergegangen  i^t  und  welche  wir  dennoch  erwähnen  zu  müssen 
glaubten,  weil  sie  nicht  selten  die  Anregung  zu  weiteren  und 
fruchtbringenderen  Forschungen  gegeben  haben.  Andererseits 
bitten  wir  zu  entschuldigen,  wenn  l»ei  der  Fülle  des  zu  liewiil- 
tigenden  Materials  Arl>eiten  übersehen  wurden,  welche  ein 
specieUeres  Eingehen  erforderten.  Wir  werden  uns  bemühen, 
in  einem  Nachtrage  das  Fehlende  zu  ergänzen.  Bei  der  Eigen- 
art des  Stoffes  haben  wir  nach  mehrfachen  Erwägungen  den 
Modus  gewählt  die  einzelneu  Arbeiten  in  bestimmter  Gruppi- 
rung  in  Form  von  Referaten  aneinanderzureihen.  Da  es  bei 
den  einzelnen  TinctionsTerfahren  auf  die  minutiöseste  l$eobach- 
tung  der  Vorschriften  ankommt,  so  halien  wir  alle  Recepte  und 
Angaben  möglichst  genau  wiedergegeben,  so  dass  eine  leichte 
Orientirung  stattfinden  kann.  Auhaughweise  folgt  ein  Register 
der  benutzten  Literatur. 


I.   Allgemeiner   Theil. 


Baagentien  und  Fttrbeteohnik. 

Obwohl  gerade  in  den  letzten  z«'lin  Jahren  die  Fortschritte  auf  dem 
Geliiete  der  Färbetechnik  ganz  ausserordentlich  hervorragende  und  mannig- 
fache gewesen  sind,  so  müssen  wir  ans  doch  in  Anbetracht  des  specielleren 
Charakters  dieser  Arbeit  bei  der  Wiedergabe  derselben  insoweit  beschrän- 
ken, als  ein  grosser  Theil  der  neu  empfohlenen  Methoden  keine  specielle 
Krrungenschaft  der  dermatologischen  Histologie  ist,  sondern  derGesammt- 
histolo^e  in  allen  ihren  Zweigen  in  gleicher  Weise  zu  gute  kommt. 

EinbettuBg  and  Conserrimsg. 

Was  die  Einbettung  und  Conservimng  mikroskopischer  Präparate 
betrifft,  so  verdienen  nur  wenigre  neue  Methoden  Erwähnung.  Die  Herstel- 
lung frischer  Schnitte  mit  dem  Gefriermikrotom  geschieht  noch  jetzt  wie 
vor  zehn  Jahren  in  der  bekannten  Weise  mit  dem  Aetherspray. 

Eine  Verbesserung  scheint  das  von  Kühne  als  Einbettmigsmittcl 
empfohlene  Anis  öl  darzustellen.  Verf.  empfiehlt  zu  diesem  Zwecke  ein 
Anisöl,  das  bei  6 — IS*  R.  je  nach  dem  Sauerstoffgehalt  erstarrt.  Die  An- 
wendung des  einfachen  Verfahrens  geschieht  in  der  Weise,  dass  ca.  2  Mm. 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  75 

dicke  Stückchen  aus  dem  Alkohol  heraus  fiir  12 — 24  Stunden  in  Anisöl 
gelegt  und  mit  einigen  Tropfen  desselben  auf  die  ganz  trockene  Platte 
des  Mikrotoms  gebracht  werden.  Nach  kurzer  Einwirkung  des  Aethersprays 
sind  die  Stücke  schnittfertig  und  werden  von  dem  Messer  leicht  gefasst. 
Die  gewonnenen  Schnitte  werden  zunächst  in  ein  Schälchen  mit  Anisöl 
oder  direct  in  Alkohol  gebracht,  in  dem  sie  sich  gut  ausbreiten  und  das 
Gel  abgeben.  Sollte  das  zu  schneidende  Stück  abreissen,  so  muss  die  Platte 
des  Mikrotoms  gründlichst  mit  Alkohol  trocken  gerieben  werden,  da  das 
Präparat  sonst  nicht  wieder  anfriert.  Doch  kann  man  das  Abreissen  leicht 
verhindern,  wenn  man  von  Zeit  zu  Zeit  mit  dem  Spray  nachhilft.  Am 
besten  bewährte  sich  ein  von  Schimmel  und  Co.  in  Leipzig  bezogenes 
Anethol  (Oleum  anisi  pur.),  das  bereits  bei  21' R.  erstarrt.  Ist  dasselbe 
in  der  Flasche  schon  erstarrt,  so  kann  man  es  leicht  durch  Eintauchen  in 
heisses  Wasser  wieder  flüssig  machen. 

Von  den  zahlreichen  Methoden  der  Durchtränkung  der  Gewebe 
mit  Paraffin  erwähnen  wir  ein  Verfahren  von  Przewowski,  welches 
sich  wesentlich  auf  die  Erhaltung  mikroskopischer  Präparate  von  beträcht- 
licher Grösse  bezieht.  Die  Gewebsstücke  kommen  zunächst  in  schwachen, 
dann  auf  24  Stunden  in  wasserfreien  Alkohol.  Darauf  einige  bis  24  Stunden 
in  wasserfreies  Anilinöl,  darauf  nach  Abtrocknung  mit  Löschpapier  auf 
ebenso  lange  Zeit  in  reines  Chloroform,  alsdann  auf  24  Stunden  oder  länger 
in  zweckmässig  zusammengestelltes  geschmolzenes  Paraffin  in  den  Thermo- 
staten. Möglichst  schnelle  Abkühlung  des  ausgegossenen  Paraffins.  Die  Schnitte 
selbst  kommen  auf  ein  mit  Wasser  befeuchtetes  Objectglas,  werden  dann  mit 
schwedischem  Löschpapier  abgetrocknet  und  auf  2  oder  mehrere  Stunden 
in  den  Thermostaten  bei  40®  C.  gebracht.  Jetzt  haften  dieselben  sehr  fest 
am  Objectträger.  Das  Paraffin  wird  durch  Chloroform,  Xylol  oder  Ter- 
pentin entfernt  und  die  Präparate  sind  zur  Färbung  reif.  Ledermann 
empfiehlt  die  Paraffin-Einbettung  lediglich  für  fötale  Haut  und  hält 
dieselbe  für  die  Haut  des  Erwachsenen  für  weniger  geeignet. 

Bezüglich  des  Einlegens  der  Präparate  in  Nelkenöl,  Bergamottöl, 
Xylol,  Terpentin  u.  s.  w.  sind  wesentliche  Verbesserungen  in  der  Literatur 
nicht  angegeben,  dagegen  finden  sich  zahlreiche  Mittheilungen  über  die 
Glycerin-Conservirung,  bezw.  die  Umkittung  von  Glycerin- 
Präparaten,  von  denen  wir  die  von  Krönig  und  Heidenreich 
empfohlenen  Einschlusskitte  hier  wiedergeben. 

Krönigs  Kitt  besteht  aus  2  Theilen  Wachs,  der  in  einem  Porzel- 
lanschälchen  geschmolzen  und  dem  hierauf  stückweise  7 — 9  TheileColo- 
phonium  zugesetzt  werden.  Die  Masse  wird  dann  tüchtig  verrührt  und 
des  besseren  Aussehens  halber  eventuell  durch  Gaze  filtrirt.  Sie  erkaltet 
innerhalb  weniger  Stunden.  Zum  Gebrauch  wird  sie  durch  Eintauchen 
eines  erwärmten  Drahtes  verflüssigt  und  um  die  Ränder  des  Deckglases  ge- 
zogen. Sie  erstarrt  in  einer  halben  Minute  und  zeigt  bei  vorzüglicher 
Härte  keine  Sprödigkeit.  Um  die  Auflösbarkeit  des  Lackes  durch  Cedemöl, 
Fenchel-,  Ricinus-,  Steinöl  u.  s.  w.  zu  verhüten,  überzieht  man  den  Lack- 
rand mit  einer  Spirituosen  Schellacklösung,  welche  bei  einer  concentrirten 


76  Ledermann  und  Ratkowski. 

Lösung   in   einer  Stunde   zu   einer    für  Lnmersionsöl    undurchdringlichen 
Schicht  wird.   Die  Yortheile  des  Lackes  bestehen 

1.  in  der  schnellen  Fertigstellung  des  Präparates,  2.  in 
der  Unlösbarkeit  des  Lackes  in  Wasser,  Glycerin,  Kali  ace- 
ticum,  3.  in  der  guten  Consistenz,  4.  in  der  einfachen  und 
billigen  Anfertigung  desselben.  Der  Lack  färbt  sich  mit  Al- 
kanna-Wurzel schön  roth. 

Heidenreieh's  Lack  hat  folgende  Zusammensetzung: 
Bernstein 25       \ 

Copal  •• 25       1^ 

I  GrewichtS" 
Leinölfirnis  mit  Manganborat  gekocht   ...      50       >     .,    ., 

Ol.  Lavandulae 50 — 60  1 

Künstlicher  Zinnober  (Eosin  oder  Zinnober)  40 — 60  j 
Das  Glycerin,  welches  zum  Einschluss  benutzt  wird,  muss  nach 
Gray  immer  neutral  sein.   Die  beste  Prüfung  geschieht  mit  der  Zunge; 
bei  Nachgeschmack  nach  Fettsäuren  ist  es  zu  verwerfen. 

Zur  Conservirung  von  rothen  Blutkörperchen  und  Gefrier- 
schnitten empfiehlt  Heller  kleine  Stücke  frischen  Gewebes  in  eine 
dünne  Chromkali-Lösung  zu  legen,  dann  in  Wasser  abzuspülen.  Zur 
Verhinderung  der  Pilzentwicklung  setzt  man  Chloralhydrat  zu,  indem 
man  einer  y^%igen  Cblomatriumlösung  l\  Chloralhydrat  hinzusetzt. 

Mikroskopiflches  Arbeiten  bei  künstliehem  Licht. 

Um  mikroskopische  Arbeiten  am  Abend  zu  ermöglichen,  liess  sich 
Unna  von  Zeiss  in  den  Diaphragmenträger  eines  neuen  Mikroskops  eine 
matte  Glasplatte  so  einfugen,  dass  er  sie  ad  libitum  mit  den  gewöhnlichen 
Diaphragmen  und  ohne  dieselben  gebrauchen  konnte.  Diese  Combination 
eines  zerstreuenden  mit  den  rein  beschränkenden  Diaphragmen  hat  sich 
ihm  sehr  bewährt.  Er  arbeitet  seit  der  Zeit  Abends  nur  noch  mit  dem 
allerhellsten  Lampenlicht  ohne  Ermüdung  der  Augen.  Bei  Benutzung  der 
Oelimmersion  des  Abbe'schen  Condensors  wird  nicht  wie  sonst  der  Plan- 
spiegel, sondern  der  Concavspiegel  gebraucht;  bei  Anwendung  dicker 
Milchglas-Diaphragmen  kann  man  sogar  directes  Sonnenlicht  zur  Beob- 
achtung heranziehen. 

FarbstoffiB. 

Neue  Farbstoffe,  welche  sich  in  der  histologischen  Technik  für 
dermatologischo  Zwecke  einen  bleibenden  Platz  erworben  haben,  sind  in 
den  letzten  10  Jahren  kaum  eingeführt  worden.  Auf  die  Ehrlich'sche  Farb- 
mischung, sowie  auf  die  Gruppe  der  Bosaniline  und  Pararosaniline  werden 
wir  in  einem  späteren  Capitel  eingehen.  An  dieser  Stelle  mögen  nur 
einige  neuere  Becepte  und  Herstellungsarten  bekannter  Farblösungen  be- 
sprochen werden,  welche  in  den  Lehrbüchern  nicht  leicht  zu  finden  sind. 
Am  reichsten  sind  die  Vorschriften  für  die  verschiedenen  Carmine. 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dennatologie.  77 

1.  Carmine. 

Hamann  empfiehlt  eine  Carminlösung,  welche  bo  hergestellt  wird, 
dass  man  30  Gr.  Carmin  mit  200  Gr.  concentrirtem  Ammoniak  vermischt 
und  dazu  tropfenweise  Acid.  acet.  glaciale  bis  zur  Neutralisation  oder 
ganz  schwach  saueren  Reaction  hinzufügt.  Nach  2—4  Wochen  ist  die  filtrirte 
Flüssigkeit  brauchbar.  Der  dabei  erhaltene  und  in  gleicher  Weise  und  mit 
der  gleichen  Menge  von  Ammoniak  und  Essigsäure  behandelte  Nieder- 
schlag ist  aber  jedes  Mal  vorzuziehen.  Vorzüge  der  Lösung  bestehen  im 
schnellen  Nachfarben  und  nicht  leichter  Ueberfarbung.  Bei  Vorbehandlung 
der  Präparate  mit  Müller  Vher  Flüssigkeit,  Osmiumsäure,  Pikrin- 
Schwefelsäure  oder  concentrirter  Sublimat lösung  gleich  gute 
Resultate. 

Kultschizky  empfiehlt  ein  saueres  Chloralhydrat-Carmin,  welches 
die  Möglichkeit  bietet,  alle  Theile  des  Präparates  zu  färben,  wobei  man 
jedoch  nicht  die  gleichmässig  diffuse  Färbung  erhält,  welche  z.  B.  das 
Boraxcarmin  oder  Lithioncarmin,  ohne  nachfolgende  Behandlung  mit  an- 
gesäuertem Alkohol  gibt.  Die  verschiedenen  Theile  des  Präparates  unter- 
scheiden sich  vollkommen  klar  —  das  Protoplasma  der  Zelle,  die  Kerne 
derselben,  die  faserige  Substanz  des  Bindegewebes. 

Will  man  eine  besonders  scharfe  Färbung  der  Kerne  erhalten,  muss 
man  das  Präparat  nach  der  Färbung  in  einer  27»  Alaunlösung  waschen. 
Nach  dieser  Waschung  nehmen  die  Kerne  (und  auch  das  glänze  Präparat) 
eine  schöne  violette  Färbung  an.  Auf  diese  Weise  kann  mit  diesem  Carmin 
in  zwei  Farben,  in  der  rothen  und  violetten,  gefärbt  werden.  —  Bei  all 
diesen  Manipulationen  ist  destillirtes  Wasser  zu  verwenden. 

Bereitung  des  Chloralhydrat-Carmins: 

Hydrat,  chloral 10  Gr. 

Acid.  murat.  (27o) KH)  Ccm. 

Dann  wird  trockenes  Carmin  hinzugefügt  (von  0*75  bis  TS  Gr.), 
je  nach  dem  Grade  der  Sättigung,  den  man  wünscht,  und  die  ganze 
Mischung  1 — 1'/,  Stunden  in  einem  Kolben  bis  zum  Siedepunkt  erhitzt. 
Um  die  Verdunstung  zu  vermeiden,  wird  der  Kolben  mit  dem  Korken 
verstopft,  in  welchem  eine  Glasröhre  eingefugt  ist.  Darauf  lässt  man  die 
Lösung  abkühlen  (bei  Zimmertemperatur  in  24  Stunden)  und  filtrirt. 

Will  man  nur  die  Fasersubstanz  des  Bindegewebes  färben,  so  hat 
man  das  Carmin  aufgelöst  in  einer  lOVo  Chloralhydratlösung  zu  verwenden. 

Dieses  neutrale  Chloralhydrat -Carmin  bereitet  man  wie  das  oben 
beschriebene  sauere  Carmin.  Es  mischt  sich  schön  mit  Grenacher's 
Alauncarmin,  welche  Mischung  eine  zweifelhafte  Färbung  von  rother  und 
violetter  Farbe  gibt  und  ebenso  mit  Pikrinsäure  (Pikrocarmin).  Die  be- 
schriebenen Carminlösungen  schimmeln  lange  Zeit  nicht. 

Pisenti  empfiehlt  folgende  Herstellung  von  Alauncarmin.  In 
100  Ccm.  einer  heiss  gesättigten  wässerigen  Alaunlösung  (100  Theile  ko- 
chendes Wasser  lösen  183  Theile  krystallisirtes  Alaun)  werden  einige 
Minuten  lang  1*5 — 2  Gr.  Carmin  gekocht,  sodann  gibt  man  2  Gr.  schweflig- 


78  Ledermann  und  Katkowski. 

sanres  Natron  zu.  Dieses  löst  den  kleinen  Carminrest ,  welchen  die 
Alaunlösung  ungelöst  gelassen  hat.  Man  lässt  nochmals  5  Minuten  lang 
kochen  und  filtrirt  heiss.  Dann  lässt  man  erkalten,  und  da  sich  wahrend 
des  Abkühlens  eine  betrachtliche  Menge  von  Alannkrystallen  absetzt,  so 
ist  es  gut,  dass  die  Lösung  decantirt  und  in  einer  anderen  Flasche  auf- 
bewahrt wird.  Die  Lösung  färbt  in  wenigen  Minuten. 
Arcangeli  empfiehlt  folgende  Alauncarminlösung: 

A.  Solut.  Alumin.  concentr lOO'O 

Acid.  boric 2*0 

Carmin 0*25 

10  Minuten  gekocht  (violett-rothe  Farbe). 

B,  Solut.  Alumin.  concentr. lOOO 

Acid.  salicyl 0*25 

Carmin      0*25 

10  Minuten  gekocht. 

Ebenderselbe  empfiehlt  folgende  Vorschrift  für  Boraxcarmin: 

Aq.  dest 100-0 

Acid.  boric 4*0 

Carmin     0*5 

Man  kocht  10  Min.  lang,  lässt  die  Flüssigkeit  etwas  erkalten  und 
hltrirt  warm.  —  Schnelle  Färbung  mit  hochrother  Farbe  ähnlich  dem  Eosin. 

Hag  empfiehlt  zur  Doppelförbung  von  Stücken  in  toto  folgende 
Modification  des  Grenacher'schen  Boraxcarmins:  2  Gr.  Carmin 
werden  mit  4  Gr.  Borax  verrieben  und  hierzu  300  Ccm.  destillirtes  Wasser 
in  einer  Kochflasche  gegeben.  Dann  wird  gekocht,  bis  die  Flüssigkeit  auf 
ca.  250  Ccm.  eingedampft  ist,  unter  häufigem  Umschütteln.  Der  etwas  ab- 
gekühlten,  aber  noch  warmen,  tiefblau-roth  gefärbten  Lösung  wird  jetzt 
eine  Lösung  von  Acid.  acetic.  glaciale  10 :  100  mittels  Pipette  zugesetzt, 
nicht  blos  so  lange,  bis  die  Farbe  umschlägt,  sondern  bis  sie  einen  ganz 
hellrothen  Ton  bekommt  und  krystallhell  transparent  ist.  Nach  einem 
Tage  filtriren  und  etwas  Thymol  in  Krystallen  zusetzen.  In  dieser  Lösung 
können  Schnitte,  wie  Stücke,  gleichgiltig  ob  sie  in  Alkohol,  Sublimat 
oder  Chromsalzen  gehärtet  waren,  rasch  in  toto  gefärbt  werden.  Die 
Stücke  von  höchstens  0*5  Cm.  Seitenfläche  werden  2 — 4  Tage  bei 
Zimmertemperatur  bis  zur  gleichmässigen  Durchfarbung  eingelegt  und  in 
70procentigem  Alkohol  mit  Salzsäure  diflerenzirt,  bis  keine 
oder  wenig  Farbe  in  dem  alle  halbe  Stunde  zu  wechselnden  Salzsäure- 
alkohol  abgegeben  wird  (gewöhnlich  in  1— -4  Stunden).  Dann  wird  das 
Präparat  in  absoluten  Alkohol  mit  Pikrinsäure  gebracht,  worauf 
es  nach  12  Stunden  bei  richtigem  Pikrinzusatz  einen  leichten  OrangeUm 
angenommen  hat  und  nun  zum  Einbetten  fertig  ist.   ^ 

Bizzozero  empfiehlt  folgendes  Pikrinsäurecarmin:  In  einem 
Mörser  werden  0'50  reines  Carmin  in  8  Ccm.  Ammoniak  und  50  Ccm« 
destillirten  Wassers  gelöst;  in  einem  andern  Mörser  0*5  Pikrinsäure  in 
50  Gr.  Wasser.  Man  giesst  letztere  Lösung  langsam  unter  beständigem 
Umrühren  in  die  erste  Lösung  und  verdampft  dann  im  Was^erbade,  bis 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  79 

der  Ammoniakgeruch  ganz  verschwanden  ist.  Gewöhnlich  ist  die  Flüssig- 
keit dann  auf  die  Hälfte  ihres  früheren  Volumens  redncirt.  Man  lasst  nun 
erkalten  und  fugt  sofort  */,  des  Volumens,  also  10  Ccm.  reinen  Alkohol 
hinzu.  Die  Lösung  mass  sorgfaltig  in  verschlossener  Flasche  aufbewahrt 
werden. 

Arcangeli  empfiehlt  ein  Pikrinsäurecarmin  ohne  A  m  m  o  n. : 

Acid.  picr.  solut.  concentr.  50*0 

Carmin  0*25 

Die  Lösung  wird  10  Minuten  gekocht  und  kalt  filtrirt.  Tincti- 
onszeit  4 — 8  Stunden. 

Derselbe  empfiehlt  folgendes  Salicylsäurocarmin: 

Aq.  dest.  100*0 

Acid.  salicyl.  0*25 

Carmin  0*25 

10  Minuten  zu  kochen  und  dann  zu  hltriren. 

Orth  emptiehlt  folgende  Lithioncarminlösung,  welche  sich 
durch  Einfachheit  der  Herstellung  und  Schönheit  der  Kernfarbung  aus- 
zeichnet: Man  bereitet  sich  eine  kalt  gesättigte  Lösung  von  Lithion  car- 
bonicum,  in  welcher  sich  Carminpulver  in  fast  beliebiger  Quantität 
auflöst.  Verf.  benutzt  eine  2'/jprocentige  Lösung  eines  solchen  Li- 
thioncarmins,  welches  in  wenigen  Secunden  bis  Minuten  frische,  wie  ge- 
härtete Präparate  difins  färbt.  Um  Kernfarbung  zu  erhalten,  spült  man 
die  Präparate,  ohne  sie  vorher  in  Wasser  zu  reinigen,  in  salzsaurem 
Alkohol  (1  Tb.  Salzsäure  :  200  Th.  70  procent.  Alkohol)  ab  und  kann 
sie  dann  wie  gewöhnlich  untersuchen.  In  frischen  Präparaten  kommt 
durch  die  dünne  Salzsäurelösung  eine  Aufquellung  des  Bindegewebes, 
Fibrins  u.  s.  w.  zu  Stande. 

Noch  vorzüglicher  ist  das  Pi  kr  o  lithion  carmin,  welches  einfach 
so  hergestellt  wird,  dass  man  zu  einer  gewissen  Quantität  Lithioncarmin 
die  passende  Menge  kalt  gesättigter  wässeriger  Pikrinsäurelösung  unter 
Schütteln  langsam  zufügt.  Die  Menge  richtet  sich  nach  der  Concentration 
der  Carminlösung :  2 — 3  Th.  Pikrinsäurelösung  auf  1  Th.  2'/,  procent.  Li- 
thioncarmin. Wiegt  die  eine  Farbe  bei  dem  Gebrauche  vor,  so  setzt  man 
noch  beliebig  viel  von  der  anderen  zu.  Die  weitere  Behandlung  geschieht 
wie  beim  Lithioncarmin,  nur  darf  man  die  Schnitte  nicht  lange  in  salz- 
saurem Alkohol  liegen  lassen,  weil  derselbe  allmälig  die  Pikrinfarbung 
verdirbt. 

Hag  empfiehlt  folgendes  Ammoniaklithion carmin:  3  Gr. 
Carmin  werden  in  100  Ccm.  kalt  gesättigter  Lithion  carbon. -Lösung  gelöst 
und  noch  5  Ccm.  Ammoniak  zugegeben.  Die  Lösung  färbt  sehr  rasch 
und  intensiv.  Die  Schnitte  werden  in  Wasser  leicht  abgespült  und  dann 
mit  Salzsäurealkohol  diflferenzirt.  Doppelfärbungen  durch  Einlegen  der 
Schnitte  in  absolutem  Alkohol  mit  Pikrinsäure.  In  den  Fällen,  in  welchen 
wegen  ("hromhärtung  die  Färbung  nicht  recht  gelingen  wollte,  hat  fol- 
gende Zusammensetzung  gute  Dienste  gethan :  1 — 1 '/,  G  r.  C  a  r  m  i  n  werden 
mit  2  Gr.  Natrium  bicarbon.  in   1.50  Ccm.  Wasser  gekocht  und 


30  Ledermann  und  Ratkowsky. 

10 — 15  Ccm.  5Vo  EsBigsäure  aus  Acid.  acet.  glaciale  bereitet  zu- 
gesetzt. Nach  dem  Erkalten  werden  5  Ccm.  Lithionlösung  zugefügt. 
Nachbehandlung  der  Schnitte  bei  üeberfarbung  mit  salzsaurem  Alkohol. 

Für  die  Histologie  des  Nervensystems  wird  von  amerikanischer 
Seite  folgendes  Carmin-Osmium  empfohlen:  Man  mische  eine  starke 
Garminlösung  mit  ammoniakalischem  Wasser  und  lasse  sie  bis  zum 
Aufsteigen  von  rothen  Wolken  auf  dem  Wasserbade  verdunsten.  Nach 
dem  Abkühlen  wird  Iprocentige  Osmiumsäure  hinzugefugt  und 
dann  unter  einer  Glasplatte  filtrirt.  Die  so  entstehende  sehr  dunkle 
Flüssigkeit  besitzt  die  färbenden  Eigenschaften  des  Carmins  und  die  fizi- 
rende  Kraft  des  Osmiums.  Nach  einigen  Tagen  verliert  die  Lösung  ihren 
Geruch  und  wird  dunkler.  Dabei  hat  sie  die  Fähigkeit  des  Fixirens  ver- 
loren, ist  aber  ein  gutes  Mittel  zum  Maceriren  geworden.  Die  zu 
förbenden  Gebilde  sollen  in  ausgebreiteter  Stellung  zum  Absterben  gebracht 
werden.  Hierzu  dient  eine  concentrirte  Lösung  von  Eisensulfat.  Nach 
dem  Absterben  kommen  sie  eine  halbe  bis  12  Stunden  in  die  Osminm- 
Carminlösung  und  dann  zur  Härtung  in  Alkohol. 

2.  Hämatoxyline. 

Heidenhain  schlägt  eine  Abänderung  der  Färbung  mit  Häma- 
toxylin  und  chromsauren  Salzen  vor,  da  die  von  ihm  früher 
beschriebene  Färbung  mit  Hämatoxylin  und  Kali  bichromic.  den  Nach- 
theil hat,  dass  die  ursprünglich  schwarz  gefärbten  Präparate  leicht  vergilben 
und  damit  unbrauchbar  werden.  Die  in  Alkohol  oder  besser  zuerst  in 
Pikrinsäure  (gesättigte  Lösung),  darauf  in  A 1  k  o  h  o  1  gehärteten  Ge  webs- 
stücke  werden  auf  12 — 24  Stunden  in  eine  wässerige  Lösung  von  Häma- 
toxylin (VjVo)  ^^^  darauf  in  eine  V^proc entige  Lösung  des  gelben 
einfach  chromsauren  Kali^s,  an  Stelle  des  rothen  doppelt  chromsauren 
Kali's  ebenfalls  auf  12 — 24  Stunden  gebracht.  Sodann  Entwässerung  in 
Alkohol,  Durchtränkung  mit  Xylol,  Einschmelzen  in  Paraffin.  Feine 
Schnitte  in  Xylol  au%ehellt  zeigen  eine  graublaue  Färbung,  welche  das 
Chromatin  der  Kerne,  wie  die  protoplasmatischen  Structuren  annehmen. 
Man  erhält  damit  eine  ausgezeichnete  Tinction  der  Protoplasraanetze, 
sowie  eine  ganz  reine  Kemtinction.  Bei  Behandlung  mit  Pikrinsäure 
eignet  sich  diese  Methode  vorzüglich  zum  Studium  der  Mitosen  und  hat 
den  Vorzug,  dass  sie  Stückfärbung  statt  der  Färbung  einzelner 
Schnitte  gestattet.  Die  Chromatinfaden  zeigen  oft  aufs  deutlichste  die 
Zusammensetzung  aus  Kömchen. 

Flemming  empfiehlt  für  Kemfarbung  folgende  Lösung:  Krystiil- 
linisohes  Hämatoxylinum  concentratum  in  Alkohol  absolut, 
gelöst,  darnach  Ammoniakalaun  concentrirt  in  Wasser.  Dann  lässt  man 
die  Lösung  eine  Woche  hindurch  am  Lichte  stehen,  filtrirt  und  setzt 
25  Ccm.  Glycerin  und  25  Ccm.  Methylalkohol  hinzu. 

List  empfiehlt  für  Hämatoxylin-Doppelfarbung  ausser  dem  Eoain 
auch  salpetersaures  Rosanilin. 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  81 

3.  Bismarckbraun. 

List  benutzt  als  Gontrastfarbung  für  Bismarckbraun  Metbyl- 
grün  und  Anilingrün. 

Unna  empfiehlt  als  vorzügliches  Kernfarbemittel  wässerige  Lö- 
sungen von  Metaphenylendiamin.  In  HautschnitteUi  welche  so  ge- 
färbt werden,  bleibt  die  Homschicht  ungeförbt,  ebenso  die  coUagene  und 
elastische  Substanz.  Das  Protoplasma  nimmt  einen  schwach  graubraunen 
Ton  an,  der  sich  beim  Auswässern  der  Schnitte  verliert.  Die  Kerne  ziehen 
die  Farbe  energisch  an.  Werden  solche  Schnitte  gut  ausgewaschen  und 
in  1  procent.  Natrium  nitrosum  Lösung  gebracht ,  die  bei  directer  Mi- 
schung mit  schwacher  Lösung  von  Metaphenylendiamin  diese  sofort  in 
eine  dunkel  gelbbraune  Lösung  von  Vesuvin  verwandelt,  dann  findet  Um- 
wandlung in  den  gelbbraunen  Ton  des  Yesuvins  statt  und  zwar  innerhalb 
der  mittleren  lockeren  Homschicht,  nicht  in  den  übrigen  Theilen  des 
Schnittes.  Unna  nimmt  an,  dass  das  Phenylendiamin  sich  einerseits 
in  den  Kernen  niederschlagt  und  anhäuft,  wodurch  dieselben  graubraun 
gefärbt  werden,  andererseits  in  der  lockeren  Homschicht  in  solchem  Grade 
imbibirt,  ohne  eine  chemische  Verbindung  mit  dem  Gewebe  einzugehen, 
dass  die  nachfolgende  Behandlung  mit  Natrium  nitrosum  hier  ausnahms- 
weise eine  Yesuvinbildung  veranlassen  kann.  Es  wird  nur  dort  gelingen 
Anilinfarbstofife  in  den  Greweben  selbst  aus  mehreren  Gomponenten  zu  er- 
zeugen, wo  wir  durch  rein  physikalische,  besonders  günstig^  Umstände  die 
eine  Farbstoffcomponente  locker  aufspeichern  können,  ohne  bereits  eine 
feäte  Verbindung  mit  dem  Gewebe  zu  veranlassen,  oder  wo  es  uns  gelingt, 
eine  solche  wieder  nachträglich  soweit  zu  lockern,  dass  sie  nun  mit  der 
zweiten  Gomponente  die  neue  Verbindung  zur  Bildung  des  gewünschten 
Farbstoffes  eingehen  kann.  Wir  haben  bei  jedem  Färbeprocess  haupt- 
sächlich zweierlei  zu  unterscheiden:  L  die  Imprägnation  des  Ge- 
webes mit  der  Farbstofflösung,  ein  physikalisches  Phäno- 
men, 2.  die  wirkliche  Färbung,  eine  chemische  Erscheinung,  welche 
letztere  stets  mit  einem  Niederschlag  und  oft  mit  einer  allmälig  fortschrei- 
tenden Aufspeicherung  des  Farbstoffes  im  Gewebe  einhergeht,  3.  kommt 
noch  oft  hinzu  ein  wiederum  physikalisch  bedingter  Nieder- 
schlag des  Farbstoffes  gröberer  Art  auf  dem  Gewebe,  der  von 
der  Gonoentration  des  Farbstoffes,  seiner  Neigung  zum  Ausfallen  und  der 
Dauer  des  Färbeprocesses  abhängt,  der  mehr  von  praktischem  als  von 
theoretischem  Interesse  ist  und  gemeiniglich  sogenannte  Farbstofi&iieder- 
schläge  darstellt.  Von  dem  Metaphenylendiamin,  einem  grau-bläulichen,  un- 
veränderlichen Pulver  gibt  man  eine  Messerspitze  in  ein  Schälchen  mit  kaltem 
destillirtem  Wasser,  um  die  erwähnte  sehr  reine  Kemfärbung  zu  erzielen. 

Joseph  und  Wurster  entgegnen  Unna:  I.  In  frischen  Haut- 
schnitten erzeugt  weder  das  reine,  noch  das  ozydirte  Metaphenylendiamin 
eine  Kemfärbung,  soniern  nur  eine  diffuse  grüne,  resp.  braune  Tinction; 
2.  werden  frische  Hautschnitte,  bevor  sie  24  Stunden  mit  der  grünen 
FarbstofÜösung  in  Berührung  kommen,  auf  die  gleiche  Zeit  in  Chrom- 
säure gelegt   und  gut  ausgewässert,   dann  zeigen  die  Kerne  tief  schwarze 

ArchlT  für  Oorioatol.  ii.  Syphil.  Band  XXVIl.  q 


52  Ledermanii  und  Ratkowski. 

Tinction,  zugleich  erscheinen  im  Gewebe  so  viel  Niederschläge,  dass  diese 
Kernfarbemethode  für  die  mikroskopische  Technik  werthlos  ist;  3.  bei 
einem  Ulcus  durum,  welches  24  Standen  lang  in  Mü  Herrscher  Flüssigkeit 
und  dann  2  Monate  in  Alkohol  nach  dem  Auswässern  fizirt  war,  bewirkte 
bereits  die  frische  grüne  Metaphenylendiaminlösung  eine  sehr  distincte 
grüne  Kemfärbung,  ebenfalls  der  oxydirte  Farbstoff  des  Phenylenbraun 
eine  wundervolle,  sehr  distincte  roth-braune  Färbung  der  Kerne.  Die  von 
Unna  beschriebene  braune  Färbung  der  Kerne  wurde  nur  dann  erzielt, 
wenn  das  Metaphenylendiamin  vor  dem  Entfärben  oxydirt  wurde  oder  die 
Objecte  in  Müller'scher  Flüssigkeit,  beziehungsweise  in  Chromsäure  cou- 
servirt  wurden.  Das  Resultat  war  das  gleiche,  wenn  die  mit  Metaphenylen- 
diamin getränkten  Hautschnitte  längere  Zeit  in  Chromsäure  oder  chrom- 
saures Kali  gelegt  vnirden.  In  gleicher  Weise  wirkte  Celloidin  auf  die 
freie  Base  oxydirend  oder  Yesuvin  bildend.  Es  erscheint  sicherer  zur 
Kernfarbung  einen  wirklichen  Farbstoff,  wie  das  Phenylenbraun,  das 
Vesuv  in,  das  Bismarckbraun  zu  benutzen  an  Stelle  eines  undefinir- 
baren  Gemenges,  wie  es  das  Phenylendiamin  darstellt. 

Unna  erwidert  in  einer  Anmerkung,  dass  ersieh  nicht  wie  Joseph 
und  Wurster  der  Farbbase,  sondern  des  salzsauren  Salzes  derselben  be- 
dient habe.  Dieses  sei  ein  vorzügliches  Kemfarbemittel,  färbt  sowohl  in 
frischen  Geweben,  als  in  solchen  in  Alkohol,  Salpetersäure,  Osmium  oder 
Flemming^scher  Lösung  fiidrten.  Alte  oxydirte,  fast  schwarze  Lo- 
sungen färben  ebenso  vorzüglich  und  geben  mit  der  Natrium  nitrosum 
Lösung  eine  schöne  klare  Yesuvinlösung. 

4.  Fuchs  ine. 

Michelsohn  empfiehlt  für  dermatologische  Zwecke  besonders  die 
Anwendung  des  Säure fuchsins.  Die  Schnitte  kommen  zuerst  eine 
Stunde  oder  länger  in  gesättigte,  wässerige  Lösung  von  Säurefuchsin, 
werden  dann  in  einer  grossen  Schale  voll  Wasser  abgespült  und  dann  in 
ein  Uhrgläschen  mit  einer  0*1  procentigen  Lösung  von  Kali  causticum 
fusum  in  Alkohol  gelegt;  darauf  Abspülen  in  einer  grossen  Schale  mit 
Wasser  (destillirtes  nicht  nothwendig),  Entwässerung  in  Alkohol,  später 
Nelkenöl,  Canadabalsam.  Der  Verlauf  der  Bindegewebsfasern  und  die 
Vertheilung  der  Blutgefässe,  ebenso  die  zelligen  Bestandtheile,  die  sich  in 
der  Umwandlung  in  Homsubstanz  befinden,  sind  gut  sichtbar.  Der  Azen- 
cy linder  und  die  markhaltigen  Fasern  der  Pacini^schen  Körperchen  er- 
scheinen als  gleichmässig  roth  gefärbte  Fäden;  die  Markscheide  ist  blass 
gefärbt.  Bei  Doppelfarbung  mit  Hämatoxylin  zuerst  obige  Färbung, 
dann  Ueberfarbung  mit  Hämatoxylin,  das  durch  Eisessig  von  dem  zu 
starken  Hämatoxylingehalt  befreit  wird. 

5.  Orcein. 

Schliesslich  erwähnen  wir  noch  eine  Arbeit  0.  Israel's  über  Dop- 
pelfarbung mit  Orcein:  Israel  verwendet  an  Stelle  des  von  Weigert 
und  Weil  zur  Färbung  von  Zellen  und  Intercellularsubstanz  empfohlenen 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie,  83 

Orseille,  welches  im  Allgemeinen  wegen  der  Unsicherheit  seiner  Tinc- 
tion  keine  weitere  Verbreitung  gefunden  hat,  das  Orcein  C^H^NO^.  Man 
stellt  sich  mit  einem  zur  Lösung  genügenden  Zusatz  von  Essigsäure  eine 
gesättigrte  Lösung  dieses  Farbstoffes  her,  welcher  sich  besonders  zur 
Färbung  des  Strahlenpilzes  eignet.  Nach  längerem  Verweilen  in  der 
Lösung  nimmt  der  Pilz  eine  dunkel-bordeaurothe  Färbung  an,  die  intensiv 
genug  bleibt,  wenn  man  die  Farbe  mit  Alkohol  derartig  auszieht,  dass 
das  umgebende  Grewebe  ohne  einen  Anflug  von  künstlicher  Färbung  er- 
scheint. Die  Keulen  des  Pilzes  treten  sehr  scharf  hervor.  Bei  Schnitten 
mit  reichem  Mycel  ist  dieses  mehr  oder  weniger  tief  blau  geßrbt.  Die 
centralen  Theile  des  Mycels  bleiben  oft  ungefärbt.  Unterbricht  man  die 
Entfärbung  früher,  resp.  verlangsamt  sie  durch  sorgfaltiges  Auswaschen 
der  Säure  aus  den  der  Farblösung  entnommenen  Schnitten,  so  kann  man 
den  grössten  Theil  des  Mycels  blau  gefärbt  erhalten.  Alsdann  zeigt 
auch  das  umgebende  Gewebe  eine  schwache  rothe  Färbung  des  Zellinhalts 
und  der  Intercellularsubstanzen,  daneben  eine  schöne,  nach  dem  Grade  der 
Entfärbung  von  lichtblau  bis  dunkelblau  viscariirende  Tinction  der  Zell- 
kerne und  zwar  sind  die  übrigen  Gewebstheile  um  so  röther,  je  tiefer 
blau  die  Kerne  erscheinen.  Ueberfärbte  Schnitte  erscheinen  fast  gleich- 
massig  roth,  so  auch  solche  in  Glycerin,  das  die  blaue  Farbe  auszieht. 
Man  muss  daher  die  fertig  tingirten  Schnitte  in  Balsam  aufbewahren.  — 
Hierbei  ist  die  Entwässerung  schwierig,  da  durch  2  Portionen  Alkohol  in 
der  gewöhnlichen  Zeitdauer  die  Farbe  verloren  gehen  würde.  Um  dies 
zu  vermeiden,  bedient  er  sich  eines  Verfahrens,  das  er  schon  lange  bei 
der  Färbung  mit  Anilinfarben  für  diejenigen  Bacterien  anwendet,  aus 
denen  die  Farbe  durch  Alkohol  leicht  extrahirt  wird. 

Der  dunkelweinroth  gefärbte  Schnitt  wird  in  Aq.  dest.  abge- 
waschen. Das  überflüssige  Wasser  auf  dem  Spatel  mit  Fliesspapier  aufge- 
sogen. In  Alkohol  absolutus  nur  so  lange,  bis  die  Kerne  deutlich  blau 
erscheinen  (einige  Secunden).  Schnell  auf  den  Objectträger.  Der  Alkohol 
durch  kräftiges  Aufdrücken  von  dickem  Fliesspapier  entfernt,  der  Schnitt 
selber  auf  dem  Objectträger  festgeklebt.  Entfernt  man  den  Alkohol  nicht 
vollständig,  so  bleibt  das  Präparat  leicht  am  Papier  hängen  und  es  sind 
lue  zerbrechlichen  Schnitte  für  die  weitere  Behandlung  dann  meist  ver- 
loren. Der  Schnitt  ist  nun  zwar  noch  nicht  hinreichend  wasserfipei,  wird 
es  jedoch  durch  Austrocknung  an  der  Luft,  die  man  jedoch  nicht  so  weit 
treiben  darf,  dass  das  Präparat  sich  vom  Glase  ablöst  und  zerbröckelt. 
Vielmehr  muss  man  im  richtigen  Moment  ein  ätherisches  Oel,  welches 
die  Farbe  nicht  auszieht,  hinzusetzen  und  dieses  durchdringt  den  Schnitt 
fast  augenblicklich,  wenn  er  hinreichend  wasserfrei  ist.  Verf.  verwendet 
Cedemöl  und  zwar  nimmt  er  bis  zur  Zähflüssigkeit  eingedicktes  Material, 
welches  die  Anwendung  eines  Balsams  überflüssig  macht,  da  es  in  kurzer 
Zeit  vollständig  verharzt  Es  ist  in  der  Handhabung  viel  bequemer  als 
ein  Balsam  und  die  Objecte  halten  sich  vortrefflich. 

Bei  der  Anwendung  des  Orceins  zu  Doppellärbungen  verhalten 
sich  die  meisten  Mikrophyten  wie  die  Kerne  und  das  Verfahren  ist  bequem, 

6* 


84  Ledermann  und  Ratkowski. 

während  die  Gram^sche  Methode  ja  bekanntlich  mit  der  gänzlichen  Ent- 
färbung der  Kerne  ein  for  diesen  Zweck  (Bacillenfarbang)  vollkommeneres 
Resultat  liefert.  Dagegen  bietet  die  Tinction  für  die  verschiedensten  Ge- 
webe ganz  vorzügliches,  besonders  für  Musculatur  und  Haut.  Alle 
chemisch  differenten  Theile  der  letzteren  zeigen  verschiedene  Nuancen  des 
Roth.  Der  verhornte  Theil  der  Epidermis  erscheint  stark  roth  gefärbt, 
während  das  Rhete  Malpighii  sich  blasser  tingirt.  Noch  blasser  erscheint 
das  Bindegewebe  der  Cutis,  dunkler  das  elastische  Material  derselben. 
Die  Epithelien  der  Schweissdrüsen  zeigen  eine  relativ  intensive  Röthe. 
Dabei  sind  alle  Kerne  schön  blau.  —  Für  den  Ausfall  der  Färbung  ist  es 
ohne  Belang,  ob  die  Stücke  in  Alkohol  oder  in  Müll e rascher  Lösung  coii- 
servirt  waren. 

Der  beschriebenen  Doppelfärbung  kommt  ein  grosses 
theoretisches  Interesse  zu,  weil  das  Orcein,  als  ein  Pflan- 
zenfarbstoff, die  hauptsächlichsten  tinctoriellen  Eigen- 
schaften der  sogenannten  basischen,  wie  der  sauren  Anilin- 
farben in  sich  vereinigt  und  zwar  eine  glückliche  Gombina- 
tion  zweier  Contras tfarben,  welche  dem  Farbstoff  eine  aus^- 
gedehnte  Anwendung  gewährleisten. 

Wir  werden  auf  das  Orcein  an  anderer  Stelle  noch  zurückkommen. 


(Fortietsnnff  folgt ) 


Bericht  ülier  die  Leistungen 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  und  Syphilis. 


Verhandlungen  der  Wiener  dermatologischen 

Gesellschaft. 


Sitzung  vom  22.  November  1893. 
Vorsitzender:  Neumann.  Schriftführer:  Cehak. 

Nobl  zeigt  (aus  dem  Ambulatorium  Lang 's)  einen  Mann  mit 
Psoriasis  vulgaris  der  Hohlhand.  Bei  flüchtigem  Ansehen  könnte 
man  den  Fall  mit  einer  specifischen  Psoriasis  verwechseln,  aber  das  Fehlen 
einer  derberen  Infiltration,  der  Mangel  eines  Infiltrationssaumes,  die  zarte 
Beschaffenheit  und  das  gleichmässige  Verhalten  der  Schuppen  spricht 
dagegen.  Ausschlaggebend  ist,  dass  Efflorescenzen  an  EUbogen  und  Schul- 
tern vorhanden  sind.   Der  Pat.  hatte  nie  eine  venerische  Affection. 

Neumann  hat  in  seinem  Atlas  einen  Fall  von  Psoriasis  nigra 
abgebildet,  der  ein  tief  dunkel  pigmentirtes  Individuum  betraf.  Diese  Formen 
an  der  Hohlhand  kommen  namentlich  dort  vor,  wo  ein  Druck  ausgeübt 
wurde,  sei  es  durch  einen  Stock  oder  einen  anderen  festen  Gegenstand,  den 
die  Kranken  tragen,  ebenso  wie  sich  an  anderen  dem  Druck  ausgesetzten 
Stellen  Psoriasis  entwickeln  kann,  z.  B.  durch  Mieder,  Riemen. 

Schiff  zeigt  ein  Kind,  das  seit  seiner  Geburt  an  einer  Anomalie 
der  allgemeinen  Decke  leidet.  Die  Haut  ist  überall  ausserordentlich  trocken, 
runzelig,  schlecht  genährt.  Es  handelt  sich  entweder  um  eine  höchst 
seltene  Form  von  Ichthyosis  simplex  oder  um  Xerodermia  universalis. 
Gegen  Ichthyosis  spricht  der  Umstand,  dass  die  Schuppenbildung  nicht 
bedeutend  ist  und  specieU  die  Haut  der  Füsse  und  Hände  nicht  schuppig, 
sondern  glänzend  und  gerunzelt  ercheint.  Ich  möchte  mich  daher  für  die 
zweite  Möglichkeit  aussprechen. 

Lang.  Ich  halte  den  Fall  für  die  seltener  angeborene  Form  von 
Ichthyosis  u.  zw.  leichter  Art.  Die  congenitale  I.  kommt  ungemein  selten 
vor.  In  einzelnen  Fällen  kann  man  neben  derselben  auch  Hantdefecte 
constatiren  am  Lid  und  das  Fehlen  der  Ohrmuscheln.  Hier  ist  auch  eine 
Verkürzung  vorhanden,  die  aber  mit  der  geringen  Elastioität  der  Haut 
zusammenhängt.   Eine  solche  congenitale  I.  beobachtete   ich  einmal  bei  2 


88  Verbandlungen 

Geschwistern.  Die  Verkürzung  der  Haut  betraf  nicht  nur  das  Augenlid, 
so  dass  das  Kind  mit  offenen  Augen  schlief,  sondern  auch  die  Lippen. 
Das  Kind  konnte  den  Mund  nicht  schliessen,  infolge  dessen  auch  nicht 
saugen ;  löffelweise  wurde  ihm  die  Milch  zugeführt.  An  der  hinteren  Seite 
der  Ohrmuschel  fehlte  die  Haut,  die  Ohrmuschel  war  gleichsam  an  da<i 
Hinterhaupt  angelegt.  Meines  Wissens  hat  C  a  s  p  a  r  y  auf  einen  ähnlichen  Fal  1 
aufmerksam  gemacht.  Bei  schwereren  Fällen  kommt  eine  Verkürzung  auch 
in  der  Weise  vor,  dass  es  so  aussieht,  als  ob  eine  Bindeneinwicklung  in 
ungeschickter  Weise  vorgenommen  worden  und  da  und  dort  dauernde 
Einschnürungen  zurückgeblieben  wären.  Auch  bei  der  acquirirten  I.  be- 
kommt man  manchmal  den  Eindruck,  als  ob  die  Haut  zu  kurz,  z.  B.  über 
der  Tibia  zu  stark  gespannt  wäre. 

Schiff.  Heute  ist  das  Bild  weniger  schön,  weil  dem  Kinde  Bäder 
und  macerirende  Mittel  gegeben  wurden. 

Neu  mann.  Bei  der  Ichthyosis  congen.  muss  man  verschiedene 
Grade  unterscheiden.  Die  eigentliche  I.  c.  fuhrt  in  den  ersten  Lebenstagen 
zum  Exitus  letalis,  die  ganze  Haut  ist  geröthet,  von  Rhagaden  durchsetzt 
Bei  der  2.  Form  bestehen  symmetrische  Einschnürungen  an  der  Haut  der 
Brust-  und  Bauchwand.  Solche  Fälle  kennt  man  nur  aus  anatom.  Präpa- 
raten, ein  solches  befindet  sich  im  Museum  zu  Leipzig,  ein  zweites  in  Wien. 
Der  demonstrirte  Fall  ist  eine  Ichth.  congenita  simpl.  leichteren  Grades. 
Der  Papillarkörper  ist  noch  nicht  hypertrophisch,  daher  auch  die  polygo- 
nalen Felder  nicht  zu  sehen;  diese  charakteristische  Erscheinung  wird 
erst  später  sichtbar  werden. 

Lang  bemerkt  ergänzend,  das»  die  beiden  von  ihm  beobachteten 
Kinder  im  Alter  von  1 — 2  Jahren  starben. 

Nobl.  Ich  erlaube  mir  an  einer  Reihe  von  Patienten  die  Heilre- 
sultate einer  Behandlungsmethode  der  venerischen  Lymph- 
adenitiden  zu  demonstriren,  die  Prof.  Lang  seit  dem  Jahre 
1892  auf  seiner  Abtheilung  in  Anwendung  bringt  und  bisher  zu  so  gün- 
stigen Heilerfolgen  führte,  dass  es  geboten  erscheint,  dieselbe  in  einem 
weiteren  Kreise  von  Interessenten  bekannt  zu  machen. 

Es  handelt  sich  um  eine  modificirte  Punktionstherapie,  combinirt 
mit  Injectionen  von  Argentum  nitricum. 

Die  Behandlung  der  venerischen  Lymphdrüsenentzündungen  ver- 
mittelst der  Punktion  ist,  wie  bekannt,  keine  neue  mehr,  sie  wurde  zu 
verschiedenen  Zeiten  geübt,  aber  stets  wieder  aufgegeben,  was  bei  dem 
Umstände  als  die  meisten  Angaben  aus  der  vorantiseptischen  Zeit  her- 
rühren, weiter  nicht  Wunder  nehmen  lässt. 

So  haben  bereits  Blanche  (1837),  Vivefoy  (1839),  Hulard  (1842), 
ganz  besonders  aber  Vidal  de  Cassis  (1851)  die  Eröffnung  der  Adenitis 
durch  mehrfache  kleine  Einstiche  zur  Methode  erhoben.  So  ist  die  Punktion 
vereiterter  Bubonen  mit  nachträglichen  medicamentösen  Injectionen  von 
Jod,  Sublimat,  Kampher,  Garbolsäure  etc.  bereits  von  Roux,  Marchall, 
Lozetti,  später  von  Wer  t  he  im  (1868),  Jakubovics  (1875)  U.A.  geübt 
worden,    während    sich   Grünfeld    schon    im   Jahre   1869,   später  Le 


der  Wioner  dermatologischen  Gesellschaft.  89 

Pilear  (1875)  eines  ABpirationsverfahrenB  vermittelst  subcutaner  Druck- 
pumpe bedienten. 

Das  an  der  Abtheilung  in  Anwendung  gezogene  Verfahren  ist  an  und 
für  sich  sehr  einfach,  stellt  an  chirurgische  Schulung  keine  besonderen  An- 
sprüche und  kann  ohne  jede  Assistenz  zweckentsprechend  ausgeführt  werden. 

Handelt  es  sich  um  eine  jener  wohl  meist  vorkommenden  Drüsen- 
geschwülste ,  bei  welchen  es  nach  totaler  Einschmelzung  einer  oder 
mehrerer  Drüsen  zur  Bildung  eines  Drüsenabscesses  gekommen  war,  so 
werden  bei  kleineren  Abscessen  eine  (in  der  Mitte  desselben),  bei  grosseren 
zwei  (an  den  Polen)  Punktionsöffnungen  mit  der  Spitze  eines  Bistouris 
gemacht,  der  Eiter  unter  massiger  Compression  entleert,  der  entstandene 
Drüsenhohlraum  mit  einer  1%  Arg.  nitric.  Lösung  aufgebläht,  die  Lösung 
durch  leichtes  Streichen  in  alle  Nischen  vertheilt  und  dann  zum  Theile 
wieder  herausgelassen,  hierauf  ein  Compressionsverband  angelegt  (in  den 
Fällen  mit  Contraincision  erst  noch  ein  Drain  eingeführt).  Die  Expression 
mit  nachfolgender  Ii^ection  wird  nun  in  1-  bis  2-tägigen  Intervallen  so 
lange  fortgesetzt,  als  noch  Secretion  vorhanden  ist.  Die  Secretion  pflegt 
meist  schon  nach  der  zweiten  Expression  abzunehmen  und  ist  zu  be- 
obachten, dass  das  anfangs  rein  eitrige  Secret  sich  erst  in  eine  dickflüssige 
klebrige,  chocoladbraune  Flüssigkeit  (zerfallene  Erythro-  und  Leucocyten, 
Fibrin)  umwandelt,  die  wieder  einem  nur  schwach  blutig  tingirten  Serum 
Platz  macht. 

Ist  in  einem  Falle,  in  dem  bereits  verkleinerten  Drüsenhohlraum 
noch  ein  Rest  dieses  dünnen  Serums  enthalten,  so  kann  derselbe  unbe- 
schadet darin  belassen  werden,  indem  er,  wie  es  wiederholt  verfolgt  werden 
konnte,  spontan  zur  Resorption  gelangt. 

Die  Höhle  wird  nun  immer  kleiner,  die  Hautdecke  legt  sich  an  und 
die  Punktionsöffnung  schUesst  sich,  ohne  merkliche  oder  auffallende  Spuren 
zu  hinterlassen.  Diesbezüglich  muss  ich  noch  bemerken,  dass  selbst  in 
Fällen,  in  welchen  die  Adenitisdecke  bereits  substantielle  Veränderungen 
eingegangen  war  —  so  zu  papierdünner  Lamelle  sich  verdünnt  erwies,  nach 
der  Entspannung  durch  die  Punktion,  die  Haut  sich  noch  erholte  und 
wieder  anlegte.  In  jenen  Fällen,  bei  denen  es  sich  um  Drüsentuinoreu 
handelt,  die  an  einer  oder  mehreren  Stellen  Erweichungsherde  tragen  oder 
aber  trotz  starker  Entzündungserscheinungen  nicht  deutlich  Fluctuation 
nachweisen  lassen,  werden  die  Injectionen  von  Arg.  nitric.  sowohl  in  die 
punktirten  erweichten  Partien,  als  auch  in  die  Umgebung  der  festen 
Drüsensubstanz  vorgenommen  (an  mehreren  Stellen  einige  Theibtriche 
einer  Pravaz'schen  Spritze  mit  1%  Arg.  nitr.),  was  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  nach  2 — S  Tagen  eine  meist  schmerzlose  Schmelzung  der  restirenden 
Drüsenpartien  zur  Folge  hat,  während  in  einzelnen  Fällen  ein  Schwinden 
der  entzündlichen  Erscheinungen  und  Rückbildung  des  Tumors  verfolgt 
werden  kann. 

Contraindicirt  ist  die  Anwendung  des  Verfahrens  in  solchen  FäUen, 
bei  welchen  es  sich  um  die  hyperplastische  Form  der  Drüsenentzündung  — 
um  sogenannte  stnimöse  Bubonen  handelt.  In  solchen  Fällen  bestehen  meist 


90  Verhandlungen 

mehrere  Drüsenknollen  nebeneinander,  die  bald  periphere,  bald  centrale 
Erweichungsherde  besitzen  und  durch  Hohlgänge,  die  einander  vielfach 
kreuzen  und  etagenförmig  verlaufen,  miteinander  in  Verbindung  stehen, 
dabei  kann  die  Haut  theils  ganz  normal,  theils  entzündet  und  vielfach 
perforirt  erscheinen.  In  solchen  Fällen  kann  nur  von  einer  radicalen  £x- 
stirpation  aller  erkrankten  Drüsen  ein  Heilerfolg  erwartet  werdeiL 

Da  es  nun  nicht  immer  leicht  möglich  ist,  ähnliche  Fälle  von  vorne- 
herein als  strumöse  Bubonen  zu  erkennen,  so  haben  sich  in  die  Versuchs- 
reihe auch  solche  Adenitiden  eingeschlichen,  bei  denen  sich  erst  dann  nach- 
träglich die  Nothwendigkeit  der  Badicaloperation  heraussteUte.  So  musste 
in  den  bisher  behandelten  80  Fällen  lOmal  die  Operation  ausgeschkrasen 
werden,  was  einen  Procentsatz  von  12*5  ergibt.  In  den  70  geheilten  Fällen 
lietrug  die  durchschnittliche  Heilungsdauer  10  Tage.  Die  in  den  einzelnen 
Fällen  entleerte  Gesammt-Eitermenge  schwankte  zwischen  1  und  90  Cbcm. 

Die  kürzeste  Heilungsdauer  betrug  3  bis  6  Tage  in  8  Fällen,  die 
längste  25  bis  90  Tage  in  3  Fällen,  während  in  der  überwiegenden  Mehr- 
zahl der  Fälle  für  die  Heilung  ein  Zeitraum  von  5  bis  10  Tagen  erforder- 
lich war.  Zieht  man  in  Anbetracht,  dass  eine  operativ  angeg^angene  Ade- 
nitis,  wie  es  ja  bekannt  ist  und  aus  verschiedenen  Operationsstatistiken 
(Uli mann,  Spietschka  etc.)  hervorgeht,  durchschnittlich  einer  Heilungsdauer 
von  40  bis  42  Tagen,  also  um  das  Vierfache  mehr  an  Zeit  bedarf,  femer 
dass  nach  Adenitisoperationen  stets  kenntliche,  oft  auch  hochgradig  ent- 
stellende Narben  resultiren,  die  wieder  zu  den  verschiedensten  Beschwerden 
(Neuralgien  etc.)  Anlass  geben  können,  so  kann  dem  an  der  Abtheilung 
Langes  geübten  Verfahren  nur  wärmstens  das  Wort  gesprochen  werden, 
indem  dasselbe,  durch  Kürze  der  Heilungsdauer,  Vermeiden  von  entstel- 
lenden und  verrätherischen  Narbenbildungen,  sowie  nur  geringem  chirur- 
gischen Aufwände  den  Anforderungen  einer  idealen  Bubonentherapie  im 
vollsten  Masse  gerecht  zu  werden  im  Stande  ist. 

Von  den  behandelten  Patienten  haben  wir  26 — 30  wiedergesehen,  die 
theils  wegen  intercurrenten  anderweitigen  AfFectionen  neuerdings  die  An- 
stalt aufsuchten,  theils  der  Aufforderung,  sich  nach  einiger  Zeit  ansehen 
zu  lassen,  Folge  leisteten;  in  keinem  dieser  FäUe  war  eine  Recidive  oder 
irgendwelche  Veränderung  an  den  behandelten  Drüsen  zu  constatiren. 

Ich  erlaube  mir  nun  an  diesen  10  Patienten,  die  sich  theils  noch 
in  Behandlung  befinden,  theils  bereits  vor  Wochen  und  Monaten  punktirt 
wurden  und  seither  ihrem  Berufe  nachgingen,  die  Resultate  dieser  Punk- 
tionsmethode zu  demonstriren. 

Lang.  Als  ich  mit  der  Injectionstherapie  von  Argentnm  nitricnm 
den  Anfang  machte,  besorgte  ich,  dass  dieselbe  sehr  schmerzhaft  sein 
müsse  und  habe  daher  das  erste  Mal  den  Kranken  narcotisirt  Nach  2  bis 
3  Tagen  erschien  es  mir  nothwendig,  neuerlich  an  einer  Stelle  Argentum 
nitr.  zu  injiciren  und  da  ich  den  Patienten  nicht  neuerlich  narcotisiren 
wollte,  machte  ich  die  Injection  ohne  Narcose;  ich  sah  nun,  dass  das 
Verfahren  durchaus  nicht  so  schmerzlich  war.  Man  punktirt  entweder 
an  einer  Stelle,    wenn  der  Abscess   klein   ist,   oder  an  zweien   bei  einem 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  91 

grossen  Abecess ;  in  die  entzündeten  Drüsen  injicirt  man  noch  da  und  dort 
tief  ins  Gewebe  hinein.  In  einem  Falle  war  der  Abscess  fast  faustgross, 
die  Haut  so  verdünnt,  dass  man  nicht  mehr  erwarten  konnte,  dass  noch 
Gelasse  in  derselben  vorhanden  waren,  man  also  nicht  mehr  auf  ihre  FIr- 
haltung  rechnete;  wir  machten  in  gewöhnlicher  Weise  die  Incision  und 
Contraincision ;  nach  kurzer  Zeit  war  die  dünne  Haut  ganz  angelegt  und 
der  Patient  geheilt.  Allerdings  gibt  es  Fälle,  in  denen  man  nicht  reussirt, 
aber  man  hat  jedenfalls  durch  das  desinficireude  Agens  far  eine  nachfol- 
gende Exstirpation  gut  vorgebaut. 

Wappner  zeigt  einen  jungen  Mann  mit  einer  extragenitalen 
Sclerose.  An  der  1.  Seite  der  Oberlippe  ein  unregelmassig  begrenztes 
Geschwür  mit  flachen  Randern,  feinkörnigem  Zerfall  und  indurirter  Basis. 
An  der  entsprechenden  Seite  ein  geschwelltes  Drüsenpacket.  Der  Pat.  gibt 
an,  dass  er  sich  an  einer  Cigarrenspitze  verletzt  habe.  Da  das  Geschwür 
nach  einigen  Tagen  nicht  gut  wurde,  suchte  er  ärztlichen  Bath.  Auf  anti- 
luetische  Behandlung  ist  das  Geschwür  zurückgegangen,  nur  das  Geschwür 
ist  grösser  und  etwas  schmerzhaft  geworden. 

Prof.  Lang  demonstrirt  1.  im  Anschluss  an  die  letzte  Discussion 
ülier  Abscesse  bei  Blennorrhoe  einen  Fall  von  Urethritis,  der  bei  der 
Aufnahme  eine  Krankheitsdauer  von  6—8  Tagen  hatte.  Zugleich  bestand 
ein  entzündliches  Oedem  des  Präputiums.  Eine  vorgenommene  Punktion 
ergab  einen  negativen  Befund  bezüglich  des  Vorhandenseins  von  Gonococcen. 
Nach  einigen  Tagen  kam  es  an  derselben  Stelle  zur  Abscendirung.  Jetzt 
aber  fanden  sich  in  dem  hinter  dem  Sulcus  gelegenen,  ca.  halbkastanien- 
grossen  Abscess,  dessen  Eiter  bei  Anwendung  der  grossten  Cautelen  in  einem 
desinficirten  Schälchen  aufgefangen  wurde,  Gonococcen  in  reichlicher  An- 
zahl. Der  Fall  zeigt,  dass  man  durch  ein  negatives  Untersuchungsresultat 
nach  der  Punktion  nicht  zu  einem  bestimmten  Schlüsse  berechtigt  ist. 
Es  mag  ja  nicht  immer  ein  gleich  günstiger  Moment  für  den  Nachweis 
der  Gonococcen  vorhanden  sein.  In  diesem  Falle  dürfte  es  sich  wahrschein- 
lich um  eine  directe  Durchwanderung  der  Gonococcen  durch  das  Gewebe, 
nicht  eigentlich  um  eine  Metastase  handeln. 

2.  Einen  Mann,  der  bei  der  ersten  Untersuchung  an  der  Penishaut 
ein  paar  buckelige  Anschwellungen  mit' blutiger  Sufifusion  aufwies.  Au 
einzelnen  Stellen  war  die  Epidermis  wie  pergamentartig  verschorft.  Der 
Gedanke  an  eine  Strangulation  lag  nahe.  Diese  war  in  der  That  in 
der  Absicht  ausgeübt  worden,  um  eine  Rigidität  des  Penis  hervorzurufen; 
nach  der  Strangulation  wurde  der  Penis  noch  etwas  unsanft  massirt.  In 
einem  ähnlichen  Falle  sah  L.  geradezu  vollständige  Gangrän  des  Penis 
und  Abfallen  desselben  in  %  seiner  Länge  in  Folge  Strangulation. 

Ehr  mann.  Der  erste  Fall  ist  offenbar  ein  periurethraler  Abscess. 
Wir  finden  solche  am  häufigsten  an  zweierlei  Stellen,  in  der  Gegend  des 
Frenulum  und  in  der  des  Bulbus.  Der  Weg,  auf  dem  sie  entstehen,  ist 
das  bindegewebige  Septum,  der  Rest  der  Verschlusslinie  der  embryonalen 
Urethra  gegen  das  Perineum.  Im  rückwärtigen  Theile  des  Frenulum,  wo 
dieses   Septum   einen  breiten,   von  lockerem  Bindegewebe  erfüllten  Wulst 


92  Verhandlungen 

darstellt,  nimmt  die  Eiterung  manchmal  einen  Weg  nach  der  Seite  und 
perforirt  in  der  Frenulamische.  In  diesem  Bindegewehsseptum  liegen  auch 
2  parallele  Lymphgefasse,  die  Henle  beschrieben  hat  und  die  man  auch 
makroskopisch  sich  fortsetzen  sieht,  manchmal  bei  Blennorrhoe  in  vivo  nach 
Schwund  von  Oedemen.  In  dem  Inhalt  derselben  habe  ich  tinctoriell  60- 
nococcen  nachgewiesen. 

Wie  Gonococcen  von  aussen  eindringen  können,  ohne  die  Urethra 
zu  passiren,  habe  ich  in  zwei  Fällen  gesehen,  wo  eine  Infection  von  para- 
urethralen Gängen  durch  Gonococcen  ohne  ürethralinfection  stattfand.  In 
dem  einen  bestand  ein  längs-,  in  dem  anderen  querverlaufender  Gang.  Die 
Patienten  gaben  an,  nie  Blennorrhoe  gehabt  zu  haben.  Die  wiederholte 
Untersuchung  ergab  keine  Urethralblennorrhoe.  Es  sind  wohl  auch  Gono- 
coccen bei  der  Infection  in  die  Urethra  eingedrungen,  wurden  jedoch 
durch  das  Sperma  und  den  Hamstrahl,  der  unmittelbar  nach  dem  Goitus 
gelassen  wurde,  heransbefordert,  natürlich  nicht  aber  aus  den  paraureth- 
ralen Gängen. 

Finger  kennt  2  Fälle,  welche  5 — 6  Tage  nach  dem  Goitus  die 
ersten  Erscheinungen  von  Blennorrhoe  zeigten.  An  den  Resten  des  circum- 
cidirten  Präputiums  trat  ein  Oedem  auf.  In  beiden  Fällen  wurden  durch 
die  Punktion  Gonococcen  constatirt.  Das  Septum  ist  wohl  für  die  para- 
urethralen Infiltrate  ein  wichtiger  Weg,  aber  nicht  für  alle.  Auch  in  die 
Littre'schen  Drüsen  können  Gonococcen  eindringen,  so  kann  es  in  den- 
selben durch  Abschliessung  und  Entzündung,  zu  Periadenitis  und  Para- 
iirethritis  kommen. 

Lang  sah  kürzlich  bei  einem  Collegen  nach  Coitus  Secretion  aus 
einem  paraurethralen  Gang  an  der  linken  Urethrallippe.  Die  Sonde  drang 
'4  Cm.  weit  ein.  Dabei  keine  Urethritis.  Im  Secret  des  Ganges  liessen 
sich  Gonococcen  nachweisen.  L.  begann  eine  elektrolytische  Behandlung, 
doch  traten  nach  4 — 5  Tagen  die  Erscheinungen  einer  Urethralblennor- 
rhoe dazu. 

Ehr  mann  bemerkt,  dass  es  sich  in  seinen  Fällen  um  eine  längere 
Beubachtungszeit ,  während  welcher  keine  Urethralblennorrhoe  auftrat, 
handelte. 

L  a  n  ^.  In  einem  seiner  falle  traten  erst  4  Wochen  nach  der  Infec- 
tion die  ersten  Zeichen  von  Urethritis  auf,  wohl  deshalb,  weil  die  in  die 
Urethra  hineingelangte  Gonococcengeneration  zu  abgeschwächt  war. 

Neu  mann.  Die  Paraurethritis  ist  keine  so  häufige  Erkrankung.  In 
manchen  Fällen  ist  die  Urethra  ganz  normal  und  der  eitrige  Ausfluss  be- 
schränkt sich  bloss  auf  die  Gränge,  u.  zw.  selbst  bei  kleinen  Kindern.  Da 
sich  der  Eiter  am  Orific.  urethrae  ansammelt,  so  ist  eine  Verwechslung 
mit  Urethritis  bei  oberflächlicher  Untersuchung  leicht  möglich. 

Bezüglich  der  Strangulation  des  Penis  weist  X.  auf  einen  von  ihm 
beobachteten  Fall  hin,  einen  4  Jahre  alten  Knaben  betreffend,  dessen  Glans 
geschwellt,  mit  Krusten  bedeckt  und  bläulich -roth  verfärbt  war.  Bald 
stellte  sich  heraus,  dass  die  Gouvernante,  um  Erection  hervorzurufen,  um 
Sulcus  Coronarius  Haare  gebunden  hatte. 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  93 

Neumann  bespricht  den  letal  verlaufenen  Fall  von  Psoriasis 
universalis,  denselben,  den  Kaposi  vor  Jahresfrist  der  Gesellschaft  vor- 
gestellt hatte  und  der  später  in  Neumann ^s  Klinik  eingetreten  war.  Bei 
der  Aufnahme  war  die  Haut  verdickt,  dunkelroth  gefärbt  und  mit  Krusten 
bedeckt,  keine  Schuppenbildung.  Vor  6  Wochen  kam  der  Kranke  an  N.^s 
Klinik.  Die  Haut  war  verkürzt,  atrophisch,  namentlich  um  die  (Gelenke. 
Temperatur  normal.  Die  Nagelsubstanz  hypertrophisch,  besonders  am  Nagel- 
bett. Zahlreiche  Pusteln  an  den  Extremitäten.  Der  Kranke  wurde  immer 
schwächer,  Athembeschwerden,  Hydrops  traten  auf,  vor  8  Tagen  Punktion 
und  Entleerung  von  8  Liter  Flüssigkeit.  Am  19.  Exitus  letalis.  Interessant 
ist  die  Combination  von  Psoriasis  mit  der  bei  der  Section  gefundenen 
Miliartuberculose.  Bei  der  Obduction,  welche  Prof.  Kolisko  vorgenom- 
men, ÜEind  sich:  Die  Haut  mit  dicht  stehenden,  gelbbräunlichen  Krusten 
bedeckt,  die  hanlkom-  bis  hellerstückgrosse  Platten  bilden  und  fest  auf- 
sitzen. An  den  wenigen  von  solchen  Borken  freien  Stellen  zahlreiche  halb- 
kugelige, hanfkomgrosse,  mit  Eiter  gefüllte  Bläschen.  Hirn  und  seine 
Häute  Ödematös.  Linke  Lunge  stellenweise  locker  adhärent,  von  ziemlich 
zahlreichen,  einzeln  stehenden,  miliaren,  grauen  Knötchen  durchsetzt,  blut- 
reich, ödematös.  In  der  rechten  Thoraxhälfte  1  Liter  Serum,  auf  der 
Pleura  der  r.  Lunge  fibrinöse  Auflagerungen,  auf  der  Kuppe  der  Pleura 
am  mediastinalen  Blatte  graue  Knötchen.   R.  Lunge  wie  die  1.  beschafien. 

Die  infraclavicularen  Drüsen  rechts,  sowie  die  des  vorderen  Media- 
stinums verkäst.  Duct.  thoracicus  erweitert,  an  seiner  Wand  keine  Knötchen. 
Herz  mit  dem  Herzbeutel  im  ganzen  Umfange  verwachsen.  Im  Abdomen 
circa  5  Liter  Serum.  An  beiden  Leistencanälen  offene,  ins  Scrotum  rei- 
chende Hernien,  in  deren  Grund  die  Testikel  blossliegen  und  von  einer 
tuberculisirenden  Membran  überzogen  sind.  Leber  grösser,  Kapsel  verdickt, 
das  Parenchym  von  zahllosen  grauen,  hie  und  da  gelblichen,  mitunter 
central  galliggrün  gefärbten  bis  linsekorngrossen  Knötchen  durchsetzt. 
Milz  vergrössert,  von  miliaren  Granulis  durchsetzt.  Vereinzelt«  Knötchen 
in  den  Nieren. 

Neumann  zeigt  1.  einen  Fall  von  Cavernitis. 

Ein  40jähriger  Mann  mit  einem  thalergrossen  Defect  des  Präputium 
und  der  Penishaut,  in  Folge  dessen  die  Tunica  albuginea  blossliegt  und 
mit  einem  fest  anhaftenden  Belag  versehen  erscheint.  Die  Penishaut  einen 
halben  Centimeter  weit  abgehoben,  infiltrirt,  geröthet  und  schmerzhaft. 
Die  Corpora  cavernosa  urethrae  weich  und  dünn;  die  Corp.  cavern.  penis 
stark  verdickt.  Vorne  an  der  Glans  eine  linsengrosse  Narbe.  Es  hat  sich 
offenbar  um  eine  traumatische  Paraphimose  im  Anschluss  an  weiche  Ge- 
schwüre gehandelt,  mit  nachfolgender  und  noch  jetzt  bestehender  Caver- 
nitis. Solche  Cavemitiden  kommen  auch  aus  anderer  Ursache  zur  Be- 
obachtung, so  bei  Blennorrhoe,  sind  aber  mehr  umschrieben,  femer  in  Folge 
von  syphilit.  Primäraffect,  in  welchem  Falle  aber  die  indurirte  Partie 
dicht  hinter  dem  letzteren  liegt,  in  Form  von  haselnussgrossen,  scharf 
umschriebenen  Wülsten,  Schliesslich  bei  älteren  Männern.  Bei  Erection 
muss  es  natürlich  dann  zu  Deviation  des  Gliedes  kommen. 


94  Verhandlangen 

Ehrmann  sah  voriges  Jahr  einen  ähnlichen  Fall  mit  einem  Ge- 
schwür an  der  unteren  Fläche  des  Penis.  Es  war  ein  Gumma,  das  durch 
Sublimatverband  und  Jodeinpinselung,  sowie  allgemeine  Jodbehandlung  in 
einigen  Wochen  gut  wurde. 

Grün  fei  d  findet  nicht  die  charakteristischen  Merkmale  des  Gumma. 
Die  Narben  in  der  Frenulargegend  setzen  einen  Geschwürsprocess  voraus, 
der  zu  Oedem  und  Necrose  der  vorderen  Partien  führte.  Es  fehlen  ja  Vs 
der  Cutis  penis.  In  manchen  ähnlichen  Fällen  Hess  sich  der  Schaft  dcg 
Penis  von  der  verschiebbaren  Haut  gleichsam  abziehen.  Manchmal  ent- 
wickelt sich  bei  Paraphimose  Gangrän  unter  unseren  Augen  unter  Ablö- 
sung der  ganzen  Cutis  penis.  Aus  der  Feme  würde  man  das  Ganze  für 
Necrose  halten,  das  ist  es  aber  nicht.  Es  handelt  sich  offenbar  um  ein 
contagiöses  Geschwür,  das  durch  die  zufallige  Beschaffenheit  der  Narben- 
bildung und  des  Geschwörsprocesses  ein  solches  Aussehen  gewonnen  hat. 
Ehr  mann.  Hier  besteht  keine  Necrose,  sondern  eine  Necrobiose. 
Die  Ränder  sind  unterminirt,  scharf  begrenzt,  wie  es  dem  central  zerfal- 
lenden Gumma  zukommt.  Die  nach  Paraphimose  entstehenden  Narben 
beginnen  oben  und  begrenzen  sich  an  der  Seite. 

Finger.  Es  handelt  sich  hier  gewiss  um  eine  Necrose.  Die  Er- 
krankung des  Corpus  cavemosum  kann  aber  nicht  durch  Strangulation 
erklärt  werden,  auch  nicht  durch  eine  Entzündung. 

Neumann.  Gummen  sind  umschriebene  Geschwülste.  Ich  habe 
noch  nie  ein  diffuses  Gumma  des  Corp.  cavemos.  gesehen ;  hier  sehen  wir 
Narben  nach  Geschwüren,  die  Corpor.  cavem.  liegen  bloss.  Auffallend 
ist  deren  enorme  Härte.  Bei  Sclerosen  zeigen  die  Corpor.  cavemos.  wohl 
oft  eine  immense  Härte,  aber  Indurationen  nach  einer  Paraphimose  ge- 
hören gewiss  zu  den  Seltenheiten.  Jedenfalls  ist  ein  Neoplasma  nicht 
auszuschliessen  wegen  der  enormen  Harte.  Bei  anämischen  Individuen 
kommt  wohl  Cavernitis  nicht  so  selten  vor,  doch  ist  dabei  das  Corpus 
cavemos.  weich. 

Cehak.  Ein  ähnlicher  Fall  wurde  vor  2  Jahren  vorgestellt;  es  bot 
ein  ganz  ähnliches  Geschwür  dar,  dieses  sowie  die  begleitende  Schwellung 
schwand  auf  antiluetische  Behandlung.  Die  Cavernitis  konnte  auch  damals 
nicht  aufgeklärt  werden. 

Neumann  zeigt  2.  einen  Fall  von  polymorphem  Syphilid. 
Ein  22j ähriger  Mann,  dessen  gesammte  Körperoberfläche  mit  einem 
polymorphen  Exanthem  bedeckt  erscheint.  Wir  finden  zunächst  miliare, 
etwa  mohnkom-  bis  hirsekomgrosse ,  in  Gruppen  stehende,  schmutzig- 
graue Efßorescenzen ,  die  mit  Krusten  und  Schuppen  belegt  sind 
(Liehen  syphilit.j.  Diese  Gruppen  sind  linsen-  bis  lOkreuzerstückgross, 
stellenweise  zu  eben  so  grossen,  schuppenden  Plaques  confluirt,  und  sind 
am  zahlreichsten  und  deutlichsten  an  Brust  und  Rücken  sichtbar.  Femer 
finden  wir  zahlreiche  Stellen,  wo  die  Knötchen  bereits  resorbirt  sind,  die 
Haut  braunroth  verfärbt  und  schuppend  erscheint.  An  der  Beugefläche 
des  Kniegelenkes  gruppirte  linsengrosse,  papulöse  Efflorescenzen.  Drusen 
allenthalben  vergrössert.    Psorias.  palm.  et  plant.   Primäraffect  nicht  nach- 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  95 

zuweisen.  Am  Prapatium  nnd  an  der  Glans  schuppende  Knötchen,  au  den 
Tonsillen  diphther.  belegte  Papeln.  Dauer  der  Syphilis  7  Monate.  Thera- 
pie: Thymolquecks.-Injectionen. 

8.  einen  sehr  schönen  Fall  von  universellem  Leukoderma 
syphiliticum. 

Ein  22jähr.  Mädchen  von  lymph.  Habitus,  dessen  gesammte  Haut 
stark  pigmentirt  ist  und  ein  universelles  Leucoderma  zeigt.  Die  einzelnen 
Flecke  sehr  deutlich  vortretend,  am  schärfsten  am  Nacken,  an  der  Bauch- 
wand, an  Rücken  und  Lenden,  sowie  an  den  Oberextremitäten.  An  den 
Unterextremitäten  miliare  Knötchen,  entsprechend  einem  bereits  präfor- 
mirten  Liehen  pilaris.  Die  einzelnen  Knötchen  schmutzigbraun,  abschup- 
pend. An  den  Fussrücken  die  Knötchen  bereits  geschwunden,  an  ihrer 
Stelle  nur  Pigmentirungen.  Ausserdem  eine  leichte  Onychie,  das  Nagelbett 
infiltrirt.  Priraäraffect  nicht  nachweisbar.  Am  Genitale  hochgradig  ge- 
wucherte, spitze  Condylomen.  Es  handelt  sich  um  eine  ältere,  nicht  be- 
handelte Syphilis.    Krankheitsdauer  mindestens  1  Jahr. 

4.  einen  Fall  von  Mollusca  sebacea  und  Syphilis. 

Ein  22jähr.  Mädchen,  welches  an  Stamm  und  Extremitäten  ein  klein- 
papulöses  Syphilid  zeigt.  An  den  grossen  Labien  und  an  der  inneren 
Schenkelfläche  mehrere  schrottkorngrosse  Efßorescenzen ,  aus  denselben 
ein  sebumartiger  Pfropf  ausdrückbar  (Mollusca  sebacea).  Aus  einzelnen 
haben  sich,  da  sie  Virus  aufgenommen  haben,  Geschwüre  gebildet.  An 
den  kleinen  Labien  nässende  Papeln. 

5.  eine  eigenthümlich  geformte  Sclerose. 

Ein  18jähr.  Mädchen  mit  einer  mehr  als  kreuzergrossen  exulcerirten 
Sclerose  am  unteren  Ansatzpunkte  des  linken  grossen  Labium.  Das  Ge- 
schwür erscheint  in  der  Mitte  wie  eingeschnitten,  der  Rand  derb,  braun- 
roth.    Dauer  der  Infection  7  Wochen. 


Verliandlungeii  der  Berliner  dermatologischen 

Vereinigung. 


Sitzung  vom  14.  November  1893. 

Vorsitzender:  Las  aar.    Schriftführer:  Saalfeld. 

I.  Joachimsthal.  a.  G.  lieber  Knochendeformitaten  bei  Lues 
congenita  mit  Krankenvorstellung. 

J.  stellt  einen  Sjährigen  Knaben,  das  vierte  und  letzte  Kind  seiner 
Eltern,  vor.  Der  Vater  starb  an  progressiver  Paralyse ;  die  Mutter  ist  gesund 
und  hat  keine  Fehlgeburten  durchgemacht.  Eine  ältere  Schwester  ist  taub- 
stumm, eine  zweite  infolge  angeborener  hochgradiger  Schwachsichtigkeit 
auf  beiden  Augen  fast  blind.  Nach  Angabe  der  Mutter  zeigte  sich  nach 
der  Geburt  des  vorgestellten  Knaben  ein  Ausschlag  sowie  eine  Nasen- 
affection  mit  bestandigem  Schnupfen  und  Ohrenausfluss.  Allm&lig  traten 
schmerzhafte  Anschwellungen  an  verschiedenen  Stellen  des  Skeletts  auf» 
er  wurde  im  März  d.  J.  der  chirurgischen  Behandlung  der  Universitats- 
Polikl.  far  orthopädische  Chirurgie  überwiesen.  Der  Knabe  war  äussent 
blass,  Fettpolster  und  Muskulatur  gering.  Die  inneren  Organe  boten  keine 
Zeichen  von  Tuberculose,  nur  bestand  eine  geringe  Milzschwellung.  Die 
Cubital-,  Nacken-,  Hals-  und  Inguinaldrüsen  waren  in  leichtem  Grade 
vergrössert,  die  Zähne  z.  Th.  defect,  zeigten  nicht  die  Hutachinson' sehen 
Veränderungen.  Links  bestand  eine  Perforation  des  Trommelfells  sowie 
ein  übelriechender  eitriger  Ausfluss.  Am  Kopf  prominirten  die  Tubera 
frontal,  sehr  stark,  der  Umfang  des  Sch&dels  war  vergrössert  Besonders 
auffallend  waren  die  Veränderungen  an  beiden  Vorderarmen  und  Unter- 
schenkeln. Auf  der  r.  Seite  bestand  an  der  Tibia  nach  oben  hin  eine  sehr 
starke  schmerzhafte  Auftreibung  und  Verbreiterung,  auf  der  anderen  Seite 
gleichfalls,  nur  in  geringerem  Masse.  Hier  war  in  der  unteren  Hälfte  die 
Fibula  stark  verdickt  und  auf  Druck  schmerzhaft.  Auch  die  Ulna  rechts 
zeigte  in  der  Mitte  eine  starke  Auftreibung.  Der  Radius  war  im  unteren 
Abschnitt  verdickt  und  auf  Druck  schmerzhaft.  Es  bestand  zu  gleicher 
Zeit  eine  starke  radialwärts  convexe  Krümmung,  die  dadurch  hervorge- 
rufen wurde,  dass  der  Radius  nach  unten  verlängert  war.  Dadurch  war 
eine  sogen.  VarusstcUung  hervorgerufen,  so  dass  die  Achse  der  Hand, 
die  man  sich  durch  den  Mittelfinger  gezogen  dachte,   etwa  um  30  Cm. 


der  Berliner  dermatologischen  Vereinigung.  97 

abwich,   wenn   der  Knabe    seine  Hand  in   gewöhnlicher  Stellung   hielt. 
Aehnhche  noch  verstärkte  Yerhältniwe  waren  auf  der  linken  Seite.    Hier 
bestand  neben  einer  starken  Aoftreibong  des  Radius  und  der  Ulna  eine 
Behinderung  der  Bewegung  im  Ellenbogengelenk,  so  dass  die  Pro-  und 
Supination  nur  in  geringem  Masse  und  unter  heftigen  Schmerzen  passiv  aus- 
fuhrbar war.  Die  Musculatur  zeigte  eine  hochgradige  Atrophie,  so  dass  ein 
pseudoparalytischer  Zustand  vorhanden  war.    Nach  Gebrauch  von  Jodkali 
und  Sublimatbadem  ist  der  Knabe  wesentlich  gebessert  worden.  Er  besucht 
die  Schule  und  nimmt  am  Turnunterrichte  theiL    Es  bestehen  jetzt  noch 
Verdickungen  in  den  Epiphysen  der  Ulna  und  des  Radius,  jedoch  geringer 
und  weniger  schmerzhaft  als  vorher.    Auch  die  Varusstellung   ist  zurück- 
gegangen.   An  den  unteren  Extremitäten    bestehen  ebenfalls  noch  Ver- 
dickungen der  Tibia  und  Fibula.   Wenngleich  die  Diagnose  jetzt  klar  ist, 
so  bot  dieselbe  zur  Zeit  sehr  grosse  Schwierigkeiten.    Gegen  Tuberculose 
sprach  der  Mangel  sonstiger  tuberculöser  Erkrankungen  innerer  Organe, 
der  Sitz  der  Knochenveränderungen  hauptsächlich  an  der  Diaphyse  und 
das  Fehlen  jeglichen   Schmelzungsprocesses  trotz  der  langen  Dauer.    Die 
von  Paget  i.  J.   1876  beschriebene  Ostitis  deformans  konnte   ebenfalls 
ausgeschlossen  werden,  da  diese  Affection  bei  Erwachsenen  vorkommt  und 
ausserdem    Schädel,    Becken,     Extremitäten    und    Wirbelsäule    ergreift. 
Dagegen  musste  der  Gedanke  an  eine  Blutkrankheit  nahe  liegen,  besonders 
da  Nothnagel  unter  dem  Namen  Lymphadenitis  ossium  ein  ähnliches 
Krankheitsbild  beschrieben  hat..  N.^s   Fall  starb,  und  die  Autopsie  ergab 
eine  Veränderung  des  Knochenmarks.    Die  durch  Engel   vorgenommene 
Blutuntersuchung  ergab  aber  bei  dem  vorgestellten  Knaben  keinen  Anhalt 
für  eine  Erkrankung  desselben.  Die  Farbe  war  hellroth.  Der  Hämoglobin- 
gehalt  betrug  70%   statt  100%,  die  Zahl  der  rothen  Blutkörperchen  4'/« 
statt    5    Millionen,    das    Verhältniss    der    weissen    zu    der    rothen    Blut- 
körperchen war  1:5000,  die  eosinophilen  Zellen  betrugen  4%  statt  27o> 
Myelocyten,    kernhaltige    rothe  und    unentwickelte   Lymphocyten    waren 
nicht  vorhanden.    Gegen  die  Annahme  von  Loos,  der  in  letzter  Zeit  die 
Zunahme  der  eosinophylen  Zellen    bei  hereditärer  Lues  auf  die   starke 
Ausdehnung  specifischer  Exantheme  zurückfahrte,  spricht  der  vorgestellte 
Fall.    Zapp  er  t  hat  in  letzter  Zeit  die  Loos'schen  Beobachtungen   da. 
durch  in  Frage  gestellt,  dass  er  festgestellt  hat,   dass  bei  Kindern  über- 
haupt die  Zahl  der  eosinophilen  Zellen  vermehrt  ist.  Was  die  Deformität 
an  den  Händen  betrifft,  so  dürfte  die  Verlängerung  des  Radius  nicht  nur 
auf  Betheiligung  periostealer  Processe,  sondern  auch  auf  eine  Betheiligung 
des   Epiphysenknorpels   zurückzufahren   sein.    Einen   ähnlichen   Fall    hat 
Schede    i.   J.    1877    auf   dem   Chirurgencongress    vorgestellt.    Derselbe 
betraf  ein  löjähriges  Mädchen,  das  eine  chronische  Periostitis  der  rechten 
Tibia  infolge  von  angeborener  Lues  hatte.  Durch  erhebliche  Wachsthum- 
Steigerung  war  die  kranke  Tibia  um  8—9  Gm.  länger  als  die  gesunde  der 
anderen    Seite.    Interessant   ist  noch,    dass   unter  dem  Einfluss    der  Be- 
handlung die  durch  die  Verlängerung  des  Radius  bedingte  Varusstellung 
der  Hände  sich  erheblich  gebessert  hat,  ohne  dass  ein  operativer  Eingriff^ 

Archir  f.  Dermatol.  a.  Syphil.  Band  XXVII.  7 


98  VerhandlungeD 

wie   Schede  ihn   in   seinem  Fall  für  nothwendig  hielt,   ausgeführt  zu 
werden  brauchte. 

Grimm  hat  eine  stattliche  Anzahl  vernachlässigter  Fälle  von 
Lues  congenita  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt  und  eine  Yerlängenmg 
einzelner  Knochen  bei  Kindern  yerhältnismässig  häufig  angetroffen, 
vielleicht  in  10%  der  Fälle.  Eine  Behandlung  war  in  diesen  Fällen  nicht 
vorangegangen.  £r  erinnert  sich  besonders  eines  9jährigen  Knaben,  bei 
dem  der  Radius  beträchtlich  länger  als  die  Ulna  war,  so  dass  noch  eine 
stärkere  Luxationsstellung  als  im  vorgestellten  Falle  vorhanden  war. 

Lennhoff  a.  G*:  Ueber  Ichthyosis  mit  Krankenvorstellung. 

L.  stellt  aus  der  Poliklinik  von  Litten  4  Greschwister  mit  Ich- 
thyosis vor.  Die  beiden  ältesten  zeigen  die  Erscheinungen  in  ausge- 
sprochenem Masse,  die  anderen  in  geringerem.  Das  eine  Kind  ist  von 
Geburt  an  stumm,  kann  aber  hören  und  ist  etwas  schwachsinnig.  Ob  die 
Stummheit  auf  einer  Lähmung  der  Kehlkopfmusculatur  beruht,  kann  L. 
nicht  genau  beurtheilen.  Vater  und  Mutter  der  betr.  Kinder  sind  frei 
von  Ichthyosis,  dagegen  sollen  die  Grossmutter,  ein  Bruder  der  Mutter 
sowie  seine  drei  Kinder  an  derselben  Affection  leiden. 

Lassar.  Ueber  Ichthyosis  acquisita.  L.  stellt  mit  Bezug  auf  diese 
Fälle  eine  Frau  vor,  die  neben  einer  Röthung  der  Haut  alle  Kriterien 
der  Ichthyosis  aufweist,  aber  das  Leiden,  das  durch  eine  lange  Reihe 
von  Jahren  unverändert  geblieben  ist,  erst  im  erwachsenen  Zustande  er- 
worben hat.  L.  erwähnt  noch  einen  ähnlichen,  sehr  bekannten  Fall,  der 
lange  Zeit  für  Pityriasis  rubra  gehalten  wurde,  bei  dem  es  sich  aber 
ebenfalls  um  eine  Ichthyosis  acquisita  handelte.  Diese  Form  der  Ichthyosis 
unterscheidet  sich  durch  die  tiefe  Röthung  der  Haut  von  der  gewöhnlichen, 
gibt  aber  sonst  zu  keinerlei  Störungen  Veranlassung. 

Saalfeld  beabsichtigte  ebenfalls  zwei  Geschwister  mit  Ichthyosis 
vorzustellen;  dieselben  sind  aber  inzwischen  an  Masern  erkrankt.  Drei 
andere  Geschwister  derselben  sind  vollständig  frei.  Durch  den  Gebrauch 
von  Thilanin  ist  eine  gewisse  Besserung  erzielt  worden. 

Rosenthal  glaubt,  dass  die  vorgestellten  Kinder  auf  das  deutlichste 
beweisen,  dass  die  Pityriasis  simplex  die  niedrigste  Stufe  der  Ichthyosis 
congenita  darstellt,  da  bei  dem  einen  der  vier  Geschwister  nur  diese 
Affection  besteht,  während  bei  anderen  die  Ichthyosis  in  ausgeprägtem 
Masse  vorhanden  ist. 

Lewin  betont,  dass  man  von  einer  Ichthyosis  congenita  eigentlich 
nicht  sprechen  darf,  da  sich  die  Affection  immer  erst  im  zweiten  oder 
dritten  Lebensjahre  entwickelt.  Femer  fragt  er,  ob  die  Kinder  lufections- 
krankheiten  durchgemacht  haben,  da  Hebra  u.  A.  häufig  nach  Masern, 
Pocken  etc.  eine  Heilung  der  Ichthyosis  gesehen  haben.  £s  ist  femer 
beobachtet,  dass  die  Affection  sich  in  weiblicher  Linie  seiteuer  fortpflanzt, 
als  in  männlicher.  In  der  Familie  Lambert  waren  auch  die  Töchter  frei. 
L.  hat  häufig  Ichthyosis  bei  Frauen  gesehen,  die  viel  scheuem,  u.  zw. 
ist  es  ihm  aufgefallen,    dass  die  Affection   hauptsächlich   an   den    Knien 


der  Berliner  dermatologischen  Vereinigung.  99 

ausgeprägt   war,    aber  auch  bei  solchen,   die  diese  Beschäftigung   nicht 
haben. 

Blaschko  hält  es  nicht  für  angebracht,  so  weit  yon  einander 
liegende  Krankheitsprocesse  mit  demselben  Worte,  Ichthyosis,  zu  bezeichnen 
Er  hat  schon  darauf  hingewiesen,  dass  die  echte  Ichthyosis  eine  Keimes- 
anomalie und  keine  Krankheit  ist.  Es  kommt  vor,  dass  eine  Generation 
übersprungen  wird,  und  dass  sich  die  Krankheit  auch  in  schräger  Linie 
vererbt.  Es  werden  aber  häufig  auch  andere  Processe  mit  dem  Namen 
Ichthyosis  bezeichnet,  und  es  würde  daher  zur  Klarheit  beitragen,  wenn 
man  diesen  Ausdruck  nur  für  die  in  einer  abnormen  Keimesanlage  bedingte 
auffallende  Veränderung  der  Epidermis  gebrauchen  würde. 

Lewin  glaubt,  dass  man  auf  diese  Weise  alle  Krankheiten  mehr 
oder  minder  als  Keimanomalien  bezeichnen  könnte.  Aber  dann  müssten 
die  Krankheiten  doch  angeboren  sein.  Die  congenitalen  Fälle  betreffen 
die  sogen.  Porzellankinder,  von  denen  Lassar  vor  längerer  Zeit  hier 
ein  Exemplar  vorgestellt  hat. 

Oesterreicher  führt  aus,  dass  die  gewöhnliche  Form  der  Ich- 
thyosis eine  hereditäre  sei,  während  die  congenitale  stets  zum  Tode  führe. 

Blaschko  erwidert,  dass  die  Fälle  von  Ichthyosis  congenita,  die 
Oesterreicher  anführt,  mit  der  Ichthyosis  vulgaris  nichts  zu  thun 
haben;  es  sind  das  sehr  seltene  Fälle  von  intrauteriner  Erkrankung,  von 
denen  man  noch  nicht  weiss,  wodurch  sie  bedingt  werden.  Bei  der  echten 
Ichthyosis  handelt  es  sich  um  eine  homochrone  Vererbung  d«  h.  um  Zu- 
stände, die  ererbt,  aber  nicht  angeboren  sind. 

Lennhoff  bemerkt,  dass  die  Mutter  bei  demjenigen  Kinde,  welches 
die  Erscheinungen  am  ausgeprägtesten  hat,  von  Geburt  an  eine  rauhe  Haut 
beobachtet  hat,  während  bei  den  übrigen  Kindern  das  nicht  der  Fall  war. 
Masern  haben  die  Kinder  alle  ohne  irgendwelchen  Einiiuss  durchgemacht. 
Die  Kinder  des  Bruders,  die  leider  ^icht  gekommen  sind,  haben  die  Er- 
scheinungen in  sehr  geringem  Grade  und  auffallender  Weise  auch  die  rau- 
hesten  Stellen  unterhalb  der  Knien.  Besonders  ist  dieses  auch  bei  dem  Vater 
der  Kinder  der  Fall,  ohne  dass  derselbe  viel  auf  den  Knien  gearbeitet  hat. 

Isaac.   lieber  Acne  necrotica  mit  Kranken  Vorstellung. 

I.  stellt  einen  Pat.  vor,  der  vor  einem  Jahre  unter  ziemlich  starkem 
Fieber  an  Geschwüren  der  unteren  Extremitäten  mit  entzündlichen  Er- 
scheinungen erkrankte.  Im  Sommer  d.  J.  wiederholte  sich  der  Ausbruch 
und  zu  Anfang  des  Winters  trat  die  Affection  zum  dritten  Male  auf.  Es 
bestehen  an  den  unteren  Extremitäten  und  auf  dem  Rücken  eine  grosse 
Anzahl  von  runden,  pfennigstückgrossen  Narben,  die  tief  in  der  Haut 
liegen,  als  ob  ein  Stück  Gewebe  herausgebohrt  wäre.  Nebenbei  bestehen 
hie  und  da  grössere  Furunkel  und  kleinere,  linsenförmige,  graubläuliche 
Knötchen,  die  mit  einer  kleinen  Oeffnung  versehen  sind  und  keine  ent- 
zündlichen Erscheinungen  darbieten.  I.  glaubt,  dass  es  sich  um  eine  Form 
von  Acne  necrotica  handelt,  trotzdem  die  Prädilectionsstellen  nicht  er- 
griffen sind.    Dafür  sprechen  die  Narbenbildung,   die  Form,   der  Verlauf 

7* 


1 00  Verhandlungen 

sowie  die  circumscripte  trockene  Gangrän.  Liehen  raber  und  Lues  sind 
nach  seiner  üeberzeugung  auszuschliessen« 

Rosenthal  unterstützt  die  Diagnose  I s a a c 's.  Er  hat  unter  ziem- 
lich zahlreichen  Fallen  von  Acne  necrotica  Gelegenheit  gehabt,  tot  einiger 
Zeit  einen  ahnlichen  Fall  zu  beobachten,  der  sich  auf  die  beiden  unteren 
Extremitäten  beschränkte.  Sowohl  die  Narben,  als  auch  das  Pigment  deuten 
darauf  hin,  dass  der  Process  seit  längerer  Zeit  besteht.  Die  vorhandenen 
Acneknötchen  beweisen  den  Fortbestand  der  Affection. 

Brück  erinnert  sich,  dass  vor  einigen  Jahren  Boeck  Fälle  von 
Acne  necrotica  beschrieben  hat,  die  ähnlich  verliefen. 

Lassar  erwähnt,  dass  die  Fälle  von  Boeck  ein  viel  groteskeres 
Aussehen  hatten  und  sich  am  Racken  und  Stamm  durch  Geschwüre  gel- 
tend machten.  Er  hatte  Gelegenheit,  einen  dieser  Fälle  in  Behandlung  zu 
bekommen  und  dadurch  durch  den  Augenschein  die  Beschreibung  zu  be- 
stätigen. 

Brück  erwähnt,  dass  Boeck  besonders  auf  eine  blaurothe  Farbe 
der  Haut  aufmerksam  macht,  welche  in  der  Umgebung  der  nekrotischen 
Stellen  auftritt.  Ausserdem  betont  Boeck,  dass  die  unbedeckten  Körper- 
stellen befallen  werden,  was  bei  den  vorgestellten  Pat.  nicht  der  Fall   ist 

Ledermann:  Therapeutische  Mittheilungen. 

L.  berichtet  über  eine  neue  Salbengrundlage,  die  den  Vorzug 
hat,  ohne  besonders  starke  Einreibung  durch  eine  chemische  oder 
physikalische  Eigenschaft  in  die  Haut  zu  dringen  und  dort  nur  eine 
geringe,  aber  far  den  Loftabschluss  hinreiohende  Halle  zu  hinterlassen. 
Adeps  und  Vaselin  dringen  bekanntlich  nicht  in  die  Haut  ein,  und  das 
Lanolin  erst  nach  Verreibung  mit  öligen  oder  wässrigen  Vehikeln. 

Die  neue  Salbengrundlage,  wegen  ihrer  leichten  Resorbirbarkeit 
Resorbin  genannt,  gehört  zu  den  Fettemulsionen.  Es  ist  das  diejenige 
Arzneiform,  welche  die  möglichste  Verkleinerung  der  einzelnen  Moleküle 
gestattet.  Dass  dieselbe  bisher  nur  in  geringem  Grade  verwerthet  wurde, 
beruht  auf  der  Schwierigkeit  der  Herstellung.  Das  Resorbin  wird  nach 
einem  zum  Patent  angemeldeten  Verfahren  hergestellt  ans  reinstem 
Mandelöl  und  wenig  Wachs  durch  Emulgiren  mit  Wasser  unter 
Zuhilfenahme  eines  geringen  Procentsatzes  von  zu  diesem  Zweck 
geeigneten,  in  übrigen  unschädlichen  Bindemitteln.  Die  Salbe  ist  mit 
allen  vegetabilischen  und  thierischen  Fetten  mischbar  und  kann  durch 
Zusatz  solcher  Stoffe  jede  beliebige  Gonsistenz  erhalten.  Namentlich  ist 
ein  Zusatz  einer  geringen  Menge  Lanolin  von  grosem  VortheiL  Was  die 
dermatotherapeutischen  Eigenschaften  des  Resorbins  betrifft,  so  dringt 
dasselbe  schnell  in  die  Haut  und  fettet  wenig,  so  dass  man  imstande  ist, 
selbst  differente  Medicamente  ohne  Occlusivverband  aufzutragen.  Es  wirkt 
zugleich  als  Kühlsalbe.  Es  ergeben  sich  daher  folgende  Indicationen  für 
seine  Verwendung:  Bei  allen  H3^rkerato8en  und  Parakeratosen,  wie 
Ichthyosis  und  Pityriasis,  femer  bei  einer  gewissen  Infiltration  der  Haut, 
wie  bei  Sklerodermie  u.  ä.  Es  ist  weiter  geeignet  bei  artificiellen  Derma- 
titiden,   bei  Geschwüren  und  Rhagadenbildung,  bei  der  Incorporation  von 


der  Berliner  dermatologischen  Vereinigung.  101 

Medicamenten,  so  für  das  Naphthol  und  besonders  bei  der  Behandlung 
der  Scabies,  da  man  imstande  ist,  einen  Pat.  am  ganzen  Körper  mit 
Perubalsam  einzuschmieren,  ohne  dass  die  Wäsche  schmutzig  oder  der 
Kranke  durch  das  Fettg^efuhl  belastigt  wird*  Die  Verwendung  des  Resorbins 
zu  Üng.  einer,  hat  den  Vorzug,  dass  es  wenig  fettet,  sich  in  kurzer  Zeit 
in  die  Haut  einreiben  lässt  und  einen  angenehmen,  schwach  aromatischen 
Geruch  besitzt.  Der  Inunctionsmodus  wird  dadurch  vereinfacht,  dass  das 
Resorbin  schnell  verschwindet  und  einen  matten  Metallspiegel  hinterlässt. 
Lässt  man  die  Salbe  eine  Zeit  lang  eintrocknen,  so  kann  man  durch 
weiteres  Reiben  schon  nach  15  Minuten  keine  Spur  von  Quecksilber  mehr 
an  die  Oberfläche  bringen ;  reibt  man  jedoch  weiter,  nachdem  der  Spiegel 
aufgetreten  ist,  so  presst  man  mechanisch  das  Quecksilber  wieder  heraus. 
£s  ergibt  sich  daher  als  Regel,  nur  so  lange  einzureiben,  bis  die  sichtbare 
Salbe  verschwunden  ist  und  nur  ein  Metallspiegel  zurückbleibt.  Die 
Wirkung  dieser  Salbe  ist  deijenigen  mit  gewöhnlicher  grauer  Salbe  adäquat. 

Saalfeld  hat  bisher  nur  einen  einzigen  Pat.  mit  dieser  grauen 
Salbe  behandelt.  Derselbe  war  gerade  am  Ende  seiner  Schmierkur,  ist  aber 
mit  der  Salbe  sehr  zufrieden  gewesen. 

Heller  fragt  nach  dem  Preis  der  Salbe. 

Ledermann:  Derselbe  ist  ungeföhr  dem  des  Lanolin  gleich. 

Lewin  fragt,  ob  Ledermann  dieselbe  Quantität  Salbe  genommen 
hat,  wie  bei  der  gewöhnlichen  grauen  Salbe,  oder  weniger. 

Ledermann:  Die  Salbe  ist  genau  der  gewöhnlichen  nachge- 
bildet, d.  h.  d8y,*/o  Hg.    Er  habe  jedesmal  8—4  6r.  einreiben  lassen. 

Lewin  fragt  den  Vortragenden,  ob  er  die  Wirksamkeit  des  Mittels 
auf  die  Mundaffectionen,  sowie  in  Bezug  auf  Salivation  u.  s.  w.  beobachtet  hat. 

Ledermann  hat  in  einem  Fall  nach  der  vierten  Einreibung,  in 
einem  andern  etwas  später  eine  leichte  Gingivitis  auftreten  sehen. 

Lewin  fragt,  ob  Ledermann  Versuche  gemacht  hat,  um  zu 
sehen,  wie  tief  das  Quecksilber  in  die  Haut  eingedrungen  ist,  indem  er 
Hautstückchen,  die  vorher  mit  der  Salbe  eingerieben  waren,  heraus- 
geschnitten und  mikroskopisch  untersucht  hat. 

Ostermann  fragt,  ob  der  Vortragende  weiss,  ob  das  Mittel  auch 
nicht  ranzig  wird. 

Ledermann  hat,  soweit  die  Erfahrungen,  die  sich  auf  '/i  «^^^'^e 
erstrecken,  reichen,  ein  Ranzigwerden  noch  nicht  beobachtet. 

Rosenthal  hat  die  Präparate  Ledermann's  schon  vorher  zu 
sehen  Gelegenheit  gehabt.  Dieselben  haben  vom  therapeutischen  Stand- 
punkt aus  einen  sehr  günstigen  Eindruck  auf  ihn  gemacht.  Die  Salbe  ist 
kühl  und  verreibt  sich  ausserordentlich  schnell.  Was  die  Theorie  Leder- 
mann's,  betreffend  die  Resorption  der  grauen  Salbe,  anbetrifft,  so  kann 
sich  R.  derselben  nicht  ansohliessen,  da  man  sonst  bei  der  gewöhnlichen 
grauen  Salbe  durch  längeres  Einreiben  auch  wieder  das  Quecksilber  aus 
der  Haut  herausdrücken  müsste. 

Ledermann  erwidert,  dass  man  nach  ungefähr  15  Min.  nicht 
mehr  imstande  ist,    das  Quecksilber  aus  der  Haut  herauszudrücken.    Das- 


102  Verhandlungen 

»elbe  ist  also  vorher  noch  nicht  genügend  Terarbeitet.  Bei  der  gewöhnlichen 
Salbe  kann  man  darüber  nicht  artheilen,  weil  immer  sehr  viel  Fett  auf 
der  Haut  zurückbleibt. 

Las  aar.  Ueber  Erythema  striatum.  L.  wurde  in  mehreren  Fällen 
auf  eine  eigenthümliche  Spielart  von  Kratzeffecten  aufmerksam,  welche 
sich  durch  eine  strichartige  Borkenbildung  auszeichnet.  So  wurde  ihm 
u.  A.  ein  Knabe  zugeschickt,  der  die  AfTection  an  den  Händen  zeigte. 
Dieselbe  zeigte  sich  in  Perioden  von  ungeföhr  einem  Monat  £s  war  klar, 
dass  dabei  bestimmte  Lymphwege  im  Spiele  waren,  wie  das  auf  der 
Abbildung,  die  L.  zeigt,  noch  zu  erkennen  ist.  Der  Knabe  zeigte  später 
nach  der  Abheilung  der  Affection  ein  Erythema  ezsudativurn.  Ein 
zweiter  Fall  kurz  nachher  mit  gleichartiger  Affection  und  derselben 
periodischen  Recidivität  betraf  ein  halbwüchsiges  Mädchen.  Dasselbe  kam 
nach  einiger  Zeit  mit  einem  Erythema  bnUosnm  wieder,  das  zu  Borken- 
bildung neigte,  aber  immer  wieder  spielte  die  strichformige  Bildung  die 
Hauptrolle.  Der  dritte  Fall  betraf  eine  Fat.,  die  L.  seit  langer  Zeit  an 
Pemphigus  behandelte.  Dieselbe  zeigte  auf  dem  Rücken  der  mit  Blasen 
bedeckten  Hand  eine  ähnliche  Eruption,  die  deutlich  den  Lymphwegeu 
entsprach.  Die  Affection  war  in  diesem  Falle  durch  eine  Wildpret- 
Vergiftung  hervorgerufen,  so  dass  man  sie  als  ein  Erythema  vencnatum 
bezeichnen  könnte.  L.  weist  darauf  hin,  dass  das  Erythema  striatum  ge- 
neigt ist,  ganz  bestimmten  Lymphbahnen  zu  folgen  und  diesen  Weg  auch 
bei  Recidiven  immer  wieder  einzuschlagen. 

Heller  hat  einen  ähnlichen  Fall  beobachtet  und  wird  auf  denselben 
später  bei  einer  anderen  Gelegenheit  näher  eingehen. 

I  s  a  a  c  meint,  dass  man  diese  Fälle  besser  als  pemphigoide  bezeichnet 

Lew  in  meint,  dass  man  diese  Form  zum  Erythema  exsudat.  nicht 
rechnen  kann,  da  bei  dieser  Affection  noch  andere  Symptome  vorhanden 
sind.  Die  Fälle,  in  denen  sich  Bläschen  bilden,  sind  imgeheuer  selten. 
Dieselben  treten  dann  besonders  an  der  Peripherie  der  Exsudate  auf.  L. 
besitzt  etwa  110  Fälle  von  Erythema  exsudat.  und  hat  nur  zweimal  der- 
artige Blasenbildungen  gesehen;  doch  waren  dieselben  stets  mit  Fieber 
verbunden,  so  dass  die  Fälle  unter  der  Diagnose  Variola  in  die  Charite 
geschickt  wurden.  Derartige  KratzefQorescenzen  hat  L.  nie  gesehen. 
Interessant  wäre  es  noch,  die  vasomotorische  Reizprobe  bei  diesen  Fat 
zu  beobachten.  Nebenbei  erwähnt  L.  einen  Fall  von  Sepsis,  wo  nach 
Quecksilbereinreibungen  sich  Pemphigus  bildete.  Die  betr.  Pat.  starb  und 
ist  secirt  worden. 

Lassar  rechnet  eine  grosse  Gruppe  von  Pemphigusformen  zum 
Erythema  bullosum;  in  einer  grossen  Anzahl  aber,  die  er  als  Vorstadien 
des  Pemphigus  betrachtet,  treten  keine  Blasen  auf,  obwohl  bei  längerem 
Bestehen  sich  Blaseneruptionen  zeigen  können,  wie  z.  B.  bei  der  Pat.,  die 
die  Affection  in  Folge  der  Wildpretvergiftung  hat. 

0.  Rosenthal. 


Hautkrankheiten. 

(Redigirt  von  Prof.  Kaposi  in  Wien.) 


Analomie,  Physiologie,  path.  Anatomie,  allg.  and 
exper.  Pathologie  nnd  Therapie. 

1.  Strauss,  Arthur.  Die  Färbung  der  Hautnerven  mit  Palladiumchlorür. 
Monatsh.  f.  prakt.  Derm.  VIII.  4. 

2.  Unna.  Entzündung  und  Chemotaxis.  Berl.  kl.  Wochenschr.  189S.  Nr.  20. 

3.  Jessner,  S.  Ein  dermatologisches  System  auf  patholog.-anatomischer 
(Hebra'scher)  Basis.  Derm.  Studien.  1893. 

4.  Rascli,  G.  (Kopenhagen.)   Beitrag  zum  Studium  der  durch  Arsen  be- 
wirkten Hautkrankheiten.   Ann.  de  Derm.  et  de  Syphil.   1893,  p.  150. 

(1)  Verf.  bediente  sich  zur  Färbung  der  Hautnerven  des  von  E. 
Schulze  zuerst  zum  Nachweis  von  Muskeln  angewandten  Palladium- 
chlorürs.  Die  möglichst  frischen  und  von  möglichst  jungen  Individuen 
genommenen  Hautstückchen  wurden  sofort  in  eine  l'/f  wässerige  Lösung 
von  Palladiumchlorür  (mit  ev.  Zusatz  von  1  bis  2  Tropfen  Salzsäure) 
auf  2  bis  7  Tage  je  nach  ihrer  Grösse  gebracht;  dann  in  absolutem 
Alkohol  bis  zur  Härtung  eingelegt. 

Darauf  Einbettung  in  Celloidin  oder  Paraffin,  Aufhellung  der 
Schnitte  in  Nelkenöl  und  Einbettung  in  Canadabalsam.  Die  Wirkung 
auf  das  Nervengewebe  ist  eine  specifische,  indem  es  bei  schwacher  Ein- 
wirkung eine  graue,  bei  starker  eine  schwarze  Farbe  annimmt.  Das 
Bindegewebe  bleibt  ungefärbt  und  lässt  sich  mit  Orcein  und  Methylenblau 
nachfärben.  Fett  wird  nach  längerer  Einwirkung  grau  gefärbt.  Nach- 
trägliche Kernfarbung  ist  äusserst  schwierig.  Die  Frage,  ob  das  Palla- 
diumchlorür auch  die  in  die  Epidermis  eindringenden  Axencylinder  färbt, 
beantwortet  Verf.  mit  Nein.  Dagegen  konnte  er,  besonders  an  der  Kopfhaut 


104  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

des  Menschen  subepitheliale  protoplasmatische  Fasern  nachweisen,  welche 
in  eigenthümlich  gestaltete  Zellen  übergingen ,  die  den  Eindruck  von 
sympathischen  Fasern  mit  Ganglienzellen  machten.  Ledermann. 

(2)  Unna  geht  bei  der  Erklärung  des  Begriffs  der  Entzündung 
von  den  Untersuchungen  von  Pfeffer  und  Leber  über  die  chemotaktischen 
Wirkungen  verschiedener  Substanzen  auf  Bakterien  und  Leukocyten  aus. 
Er  sucht  an  vier  Beispielen,  die  der  Pathologie  der  Haut  angehören,  die 
chemische  Attraction  lebendiger  Materie  nachzuweisen.  Bei  der  Bock- 
har tischen  staphylogenen  Impetigo  steht  eine  leukotaktiche  Wirkung  d.  h. 
die  chemotaktische  Wirksamkeit  der  Staphylococcen  auf  die  Leukocyten 
im  Mittelpunkt  der  Erscheinungen,  während  jede  andere  histologische 
Unterlage  (Zellproliferation,  Schädigung  der  Greflsse,  des  Epithels  und 
des  Bindegewebes)  fehlt.  Aehnlich  verhält  es  sich  beim  acuten  Ekzem- 
bläschen, in  dem  die  von  U.  nachgewiesenen  Monococcen,  die  exquisite 
Aerobien  sind  —  daher  die  relative  Seltenheit  dieser  Bläschenart  — 
ausser  Leukocyten  auch  grössere  Mengen  von  Serum  anlocken. 

In  einer  dritten,  durch  eigenthümliche ,  bestimmte  Coccen  hervor- 
gerufenen Art  von  Bläschen  war  der  Inhalt  ganz  frei  von  Leukocyten 
und  enthielt  weisses  Serum,  während  in  einem  vierten  von  Unna  vor- 
geführten Beispiel  die  Leukocyten  von  einem  dichten  Netze  fadenförmigen 
Fibrins  umgeben  waren.  In  allen  diesen  Fällen  ruft  ein  Mikroorganismus 
und  die  durch  ihn  erzeugten  toxischen  Producte  eine  Bewegung  auf  die 
Bestandtheile  des  Blutes  und  der  Lymphe  hervor  und  fuhrt,  je  nach  seiner 
Eigenart,  zu  einer  leukotaktischen  oder  einer  leukoserotaktischen  oder 
einer  rein  serotaktischen  oder  einer  leukofibrinotaktischen  Ausscheidung. 
Dieselbe  gründet  sich  stets  auf  eine  gewisse  Serumwirkong  der  Mikro- 
organismen, so  dass  man  z.  B.  bei  Entzündungsvorgängen  in  der  Cutis 
den  primären  Sitz  der  entzündungerregenden  Ursachen  nicht  in  die  Cutis 
zu  verlegen  braucht,  sondern  auch  an  die  Möglichkeit  ihres  Sitzes  in  der 
Oberhaut  denken  muss.  Das  Princip  der  Chemotaxis  macht  daher  die 
primäre  Geflssschädigung  im  Sinne  Cohnheim^s  hinfällig  und  über- 
flüssig und  erklärt  zugleich  den  nach  demselben  bisher  angenommenen 
Widerspruch  der  Verlangsamung  des  Blutstromes  in  den  erweiterten, 
entzündeten  Gefassen,  da  das  Blut  des  ganzen  Bezirkes  durch  die  ein- 
wirkende Anziehungskraft  festgehalten  wird.  Die  Entzündung  ist  daher 
nach  U.  eine  Gewebsstörung,  welche  durch  Austritt  von  Exsudat  aus  den 
Blutgefässen  in  Folge  der  Anwesenheit  eines  chemotaktischen  Körpers 
im  Gewebe  hervorgerufen  wird.  0.  Rosenthal. 

(3)  Verf.  unterscheidet  vier  Principien,  nach  denen  eine  Eintheilune: 
vorgenommen  werden  kann: 

1.  Das  semiotische  Princip,  nach  der  äusseren,  makroskopischen 
Gestaltung  der  einzelnen  elementaren  EfBoreszenzen.  Derartige  Systeme 
haben  nach  seiner  Ansicht  nur  den  Werth  einer  historischen  Reminiscenz. 

2.  Das  nosologische  Princip,  nach  der  ganzen  Entwicklung  des 
Processes,  unter  Berücksichtigung  des  Beginnes,  Verlaufes  und  der  Folgen. 


der  Dermatologie.  105 

Ein  solches  Princip  tragt  nach  Verf.  mehr  den  allgemeinen  Anschauungen 
Bechnung  als  dem  eingehenden  Wissen. 

8.  Das  ätiologische  Princip.  Auch  dieses  Princip,  das  bei  unserem 
heutigen  bakteriellen  Streben  am  meisten  Aussicht  auf  Anerkennung 
haben  dürfte,  ist  far  die  Aufstellung  von  Hauptklassen  nicht  zulässig, 
wenn  anders  wir  durch  die  Benennung  der  Hauptgruppen  das  Wesen 
der  in  ihnen  enthaltenen  Krankheiten  in  seinen  Grundzügen  cha- 
rakterisiren. 

4.  Das  pathologisch-anatomische  Princip,  das  Verf.  allein  für  richtijre 
Basis  der  Hauptklassen  einäs  Systems  hält. 

Verf.  bespricht  dann  die  bestehenden  Systeme.  Das  jüngst  von 
Tommasoli  aufgestellte  hält  er  für  primitiv  und  dabei  doch  gekünstelt. 
Das  A  u  s  p  i  t  z'sche  System,  dessen  meisterhafter  Aufbau  Verf.  bewundernd 
anerkennt,  ist  nach  seiner  Meinung  als  Ganzes  nicht  aufgestellt  nach 
einem  bestimmten  Princip,  sondern  es  sind  die  Leiden,  die  anatomisch, 
pathologisch  -  anatomisch ,  ätiologisch,  nosologisch  ein  wesentliches,  sie 
charakterisirendes  Merkmal  gemeinsam  hatten,  in  Gruppen  zusammen- 
gefasst  und  von  einem  gemeinsamen  Rahmen  umgeben.  Darin  liegt  zu- 
gleich die  Grösse  und  zugleich  die  Unzugänglichkeit  des  Systems,  das 
Verf.  genauer  bespricht. 

Das  Hebra'sche  System  —  ein  pathologisch-anatomisches  —  ist 
nach  Jessner  das  einzig  richtige.  Es  bedarf  nur  einer  anderen  Fassung 
der  Klassen,  auch  müssen  die  ätiologischen  Klassen  aus  dem  System 
entfernt  werden,  jedoch  an  den  Grundprincipien  derselben  muss  fest- 
gehalten werden. 

Von  den  Vorwürfen,  die  diesem  System  gemacht  werden,  erkennt 
Verf.  folgende  als  berechtigt  an:  1.  die  Secretionsanomalien  umfassen  die 
verschiedensten  pathologischen  Vorgänge  in  den  Drüsen.  Diese  Klasse  kann 
in  dieser  Form  nicht  stehen  bleiben.  Die  neurotischen  Dermatosen  stellen 
eine  ätiologische  Gruppe  dar,  ebenso  die  parasitären  Dermatosen;  beide 
können  in  einem  rein  pathologisch -anatomischen  System  nicht  Platz 
finden.  Dagegen  müssen  die  Hyperämien  von  den  Entzündungen  getrennt 
werden. 

Was  nun  die  speciellere  Eintheilung  betrifft,  so  unterscheidet  Verf. 
sechs  pathologisch-anatomische  Klassen. 

I.  Functionelle  Anomalien. 

Hierher  gehören  die  Anomalien  der  Sensibilität  (Hyperaesthesie, 
Anaesthesie,  Paraesthesie) ;  die  Anomalien  der  Motilität  (Dermatospasmus, 
Cutis  anserina);  die  Anomalien  der  Talg-  und  Schweissdrüsensecretion. 

IL  Anomalien  der  Blutvertheilung  (ohne  jede  Entzündung). 

Hierher  gehören  alle  activen  und  passiven  Hyperamien  ohne  ent- 
zündlichen Charakter,  alle  Anaemien,  die  Oedeme  (ohne  Hyperaemie  (1. 
diffus.  Oedeme,  2.  umschriebene  Oedeme  (Urticaria,  fliegende  Oedeme, 
Prurigo).  Letztere  Classificirung  dürfte  wohl  berechtigten  Widerspruch 
erfahren. 


106  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

m.  Entzündliche  Pk'ocesse  der  Haut. 

Hierher  gehören  die  Entzündungen  der  Gntis  und  Subcntis,  dar- 
unter auch  die  Oranulome,  wie  Tuberculose,  Lepra  u.  s.  w.;  die  Ent- 
zündungen der  Drüsen  und  Follikel,  die  Entzündungen  der  Nägel. 

rV.  Hypertrophien. 

H.  der  Epidermis  (1.  congenitale,  Ichthyosis,  Liehen  pilaris,  2. 
erworbene  mit  und  ohne  Papillarrergrösserung).  H.  des  Bindegewebes 
(Elephantiasis).    H.  der  Drüsen,    der  Haare,   Nägel  und   des   Pigmentes. 

y.  Neubildungen  (benigne  und  maligne). 

VL  Regressive  Ernährungsstörungen.  (Atrophien,  Degenerationen  und 
Nekrose.) 

Es  fehlen  in  dem  System  die  Epizoen  und  Arzneiexantheme, 
letztere  wohl  mit  Recht,  da  dasselbe  Medicament  verschiedene  Exantheme 
bewirken  kann.  Ledermann. 

(4)  Die  in  den  letzten  Jahren  nach  Arsengebrauch  beobachteten 
Dermatosen  sind  der  Zoster,  die  Keratosis  palm.  et  plant,  und  die 
Melanodermie.  Rasch  berichtet  nun  über  zwei  weitere  Fälle,  von  denen 
es  in  dem  einen  zu  einem  rasch  gangränescirenden  Zoster,  einer  all- 
gemeinen Eruption  gangraenescirender  Pusteln,  Keratosis  palmeris  und 
gastrischen  sowie  nervösen  Symptomen  kam,  während  der  zweite  einen 
8  Tage  dauernden  Pemphigus  zeigte.  Mit  dem  Aussetzen  des  Arsens 
schwanden  resp.  besserten  sich  die  genannten  AfTectionen. 

Einschlägige  Literaturangaben  belegen  diesen  Zusammenhang  von 
Dermatosen  und  Arsengenuss.  Den  zweiten  Theil  der  Mittheilung  bildet 
oine  Zusammenstellung  der  übrigen,  sehr  zahlreich  beschriebenen  Haut- 
erkrankungen, die  auf  Arsengebrauch  zurückgeflihrt  werden.  Bei  den 
Pigmentirungen  macht  R.  auf  die  Möglichkeit,  sie  gegenüber  Morbus 
Addisonii  difierenziren  zu  müssen,  aufmerksam;  bezüglich  mancher  Fälle 
von  Erythrodermie  hält  er  Arsengenuss  für  die  Ursache,  da  verschiedene 
Hauterkrankungen,  wie  Psoriasis,  Pityriasis  pilaris.  Liehen  planus,  die 
in  Erythrodermien  übergehen,  häufig  mit  Arsen  behandelt  werden. 

Winternitz. 


Aeute  nnd  elironisehe  Infectionskrankheiten. 

1.  Eade,  Peter.  The  prevention  and  mitigation  of  small-pox.  The  Brit. 
Med.  Joum.  29.  April  1893. 

2.  «Savill,  Thomas  D.  On  the  diagnosis  of  small-pox  in  the  early  stages. 
The  Brit.  Med.  Joum.  29.  April  1893.. 

3.  Epstein,  Emanuel.  Beiträge  zu  den  Impfkrankheiteu.  Aus  der  pädiatr. 
Abtheilung  der  allgemeinen  Poliklinik  in  Budapest  Jahrb.  f.  Kdhlkde. 
XXXV.  Bd.  1898,  p.  442-^450. 


der  Dermatologie.  107 

4.  Jadassohn.  Tubercolose  der  Haut.  (Schles.  Gesellsch.  für  vaterländ. 
Cultur  in  Breslau.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1893.  Nr.  26. 

5.  Malcolm  Morris.  THe  effects  of  „Koch's  Tuberculin^  combined  with 
surgical  measures  in  the  treatment  of  lupus.  The  Brit.  Med.  Joum. 
3.  Juni  1893. 

6.  Donelan,  James.  Gases  of  lupus  treated  by  means  of  tuberculin  com- 
bined with  other  measures.   The  Brit.  Med.  Journ.  24.  Juni  1893. 

7.  Jadassohn.  Lupus  des  Gesichts.  Schles.  Gesellsch.  für  vaterl.  Cultur 
in  Breslau.   Deutsche  med.  Wochenschr.  1893.  Nr.  25. 

8.  Heidenhain.  Die  Behandlung  des  Lupus.  Greifswalder  med.  Verein. 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1893.  Nr.  22. 

9.  Zambaco-Paeha.  Ueber  die  Lepra  in  der  Bretagne.  Annales  de 
Dermat.  et  de  Syphil.  1892.  1213—1227. 

10.  Winiarsky,  Joseph.  Blutuntersuchungen  bei  anämischen  und  kachec- 
tischen  Zustanden,  insbes.  bei  der  Lepra.  Inaug.-Dissert.  Dorpat  1892. 
—  Blutuntersuchungen  bei  der  Lepra.  S.  Petersburger  med.  Wochen- 
schrift. 1892.  Nr.  39,  p.  365. 

(1)  Eade  empfiehlt  als  sicherstes  Mittel,  die  Pocken  zu  verhüten, 
die  in  England  nicht  durchgeführte  allgemeine  Vaccination  resp.  Ke- 
vaccination.  Als  iprophylaktisches  Mittel,  wenn  man  sich  der  Contagion 
ausgesetzt  hat,  empfiehlt  Verf.,  von  der  Vorstellung  ausgehend,  dass  das 
Gift  zunächst  in  den  Follikeln  der  Haut  resp.  auf  den  Schleimhäuten 
aufgenommen  werde,  ehe  das  Blut  inficirt  wird  —  die  Hautoberfiäche, 
speciell  die  exponirten  Theile  wie  Gesicht,  Hals,  Brust  und  Hände  mit 
einer  antiseptischen  Einreibung  zu  versehen  z.  B.  Schwefel-  oder  Carbol- 
salbe  oder  Salicyllösung.  Erscheint  nun  der  Ausschlag  doch  und  schmelzen 
die  Knötchen  ein,  so  hat  man  oft  vorgeschlagen,  auf  diese  ein  bakterien- 
tödtendes  Präparat  zu  bringen.  Doch  ist  dies  werthlos;  dagegen  ist  nach 
Verf.  Ansicht  es  sehr  zweckmässig,  nach  Analogie  der  Carbolinjectionen 
in  Furunkel,  in  die  einzelnen  Knötchen  CarboUösung  zu  injiciren.  Im 
Stadium  exsiccationis  soll  man  es  ähnlich  wie  nach  Scharlach  halten,  also 
um  weitere  Infectionen  zu  verhüten,  die  Haut  mit  antiseptischen  Ein- 
reibungen versehen.  Sternthal. 

(3)  Epstein  bringt  zwei  Fälle  von  hämorrhagischer  Diathese 
und  14  Fälle  von  Erythema  nach  Impfung  mit  Kälberlymphe  aus 
Papai's  Impfanstalt.  Unter  430  Geimpften  des  Jahres  1892  waren  dies 
die  beobachteten  Impfkrankheiten.  Die  beiden  Hämorrhagie-Fälle  erwecken 
klinisches  Interesse.  —  Bei  einem  12monatl.  Kinde  entsteht  am  4.  Tage 
nach  der  Impfung  ein  Erythema  universale,  welches  an  der  Streck- 
seite der  Oberextremitäten  u.  zw.  in  directer  Continuität  der  Impfpusteln 
hämorrhagischen  Charakter  trägt.  Nach  6  weiteren  Tagen,  da  das 
Impferythem  schon  zurückgegangen  ist,  entwickelt  sich  ein  typisches 
Masernexanthem,  daher  das  Kind  während  der  Maseru-Incubation 
geimpft    worden   sein   musste.   —   Der   zweite   Fall   betraf  ein   4monatL 


108  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Kind,  welches  gleichfalls  am  5.  Tag  nach  der  Impfung  von  Hauthaemor- 
rhagien  befallen  wurde,  welche  jedoch  über  den  gap^en  Körper  verbreitet 
waren,  aber  schon  am  6.  Tage  ihres  Bestandes  verblassten.  —  Beiden 
Fällen  gemeinsam  ist  die  Zeit  des  Auftretens  und  das  Erscheinen  der 
Blutungen  unter  schweren  Störungen  des  Allgemeinbefindens  insbesondere 
heftigen  Fieberbewegungen. 

Zweifellos  sind  ätiologisch  die  Impfexantheme  als  Folgen  einer 
secundären  Infection  aufzufassen.  Mit  Recht  weist  der  Autor  auf  den 
Umstand  hin,  dass  bei  Verwendung  der  humanisirten  Lymphe  derartige 
Vorkommnisse  so  selten  zur  Beobachtung  gelangt  sind,  dass  die  Impf- 
exantheme während  der  Zeit,  wo  diese  Impfinethode  vorwiegend  in 
Uebung  war,  schier  in  Vergessenheit  gelangten.  Ref.  erblickt  auch  den 
einzigen  Uebelstand  der  animalen  Lymphe  in  der  häufigen  und  unver- 
meidlichen Verunreinigung  derselben  mit  phlogogenen  Mikroben,  so  dass 
secundare  Entzündungen  und  Infiltrate  in  der  Umgebung  der  Impfstellen 
dabei  ganz  gewöhnliche  Erscheinungen  sind  und  secundare  Infectionen  der 
oben  beschriebenen  Art  gewiss  überall  beobachtet  werden.  Leider  kosten 
solche  auch  manchmal  das  Leben  des  ImpjSings,  wie  ein  von  L.  Pfeiffer 
(Verhandig.  der  9.  Versammig.  d.  deutsch.  Ges.  f.  Kdhlkde.  Wiesbaden  1892, 
p.  133)  mitgetheilter  Fall,  ein  Smonatl.  Kind  betreffend,  beweist.  (Anm. 
des  Referenten.)  Hochsinger. 

(i)  Jadassohn  stellte  eine  42jährige  Puella  publica  mit  Tuber- 
culosis verrucosa  cutis  vor.  Die  Affection  hatte  ihren  Sitz  an  der  linken 
Hand,  und,  was  bemerkenswerth  ist,  am  linken  Knie,  sowie  am  Rücken, 
wo  neben  verschiedenen  Narben  drei  bis  vier  kaum  über  das  Niveau  der 
Haut  erhabene  kleine  charakteristische  Herde  vorhanden  waren.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  stellte  die  Diagnose  sicher.  Die  Patientin 
gab  an,  dass  sie  seit  etwa  14  Jahren  jeden  Winter  einen  derartigen 
Ausbruch  bekäme,  der  gegen  das  Früljahr  hin  von  selbst  wieder  verheilte. 
Von  der  Richtigkeit  dieser  letzteren  Behauptung  konnte  sich  J.  über- 
zeugen, da  sich  die  Hommassen  allmälig  abstiessen.  Weitere  Zeichen  von 
Tuberculose  waren  nicht  vorhanden,  eine  äussere  Ursache  für  die  Infection 
nicht  nachweisbar.  0.  RosenthaL 

(5)  Malcolm  Morris  legt  dar,  dass  das  Tuberculin  zwar  kein 
Heilmittel  für  Lupus  sei,  dass  dieser  aber  nach  Anwendung  des  Tuber- 
culin mit  besserem  Erfolge  chirurgisch  zu  behandeln  ist.  Die  Injectionen 
sind  zu  verwerfen,  wenn  der  Lupus  mit  Tuberculose  der  Lungen  oder 
anderer  innerer  Organe  complicirt  ist.  Sternthal. 

(6)  Donelan  spricht  sich  in  ähnlichem  Sinne  wie  Malcolm 
Morris  aus.  SternthaL 

(7)  Jadassohn  stellt  einen  Fall  von  Lupus  des  Gesicht«  vor, 
der  der  Diagnose  grosse  Schwierigkeiten  stellte.  Die  Wangenhaut  war 
beiderseits  massig  derb  infiltrirt,  die  Färbung  der  Haut  kaum  verändert, 
und  nur  vereinzelte  U*bhaft  rothe  Efflorescenzen  waren  sichtbar.  Charak- 
teristische Knötchen  waren  nirgends  sichtbar.    Erst,  als  auf  Tuberculin- 


der  Dermatologie.  109 

injectionen  und  auf  Thiosinamin  charakteristische  Beactionen  folgten, 
wurde  ein  kleines  Knötchen  exstirpirt,  in  dem  sicli  typische  Tuberkel 
mit  Lang  hansischen  Riesenzellen  fanden.  Damit  wurde  die  Diagnose 
Lupus  gesichert.  Einer  spontanen  Involution  folgte  später  ein  Recidiv 
derselben  Form.  0.  Rosenthal. 

(8)  Heidenhain  berichtet,  dass  man  in  der  Greifswalder  chirur- 
gischen Klinik  im  letzten  Jahre  die  Behandlung  des  Lupus  mit  dem 
scharfen  Löffel  und  Thermocauter  verlassen  und  zu  der  Methode  von 
Thiersch  übergegangen  sei,  den  Lupus,  wie  gross  auch  der  Defect 
werde,  zu  exstirpiren  und  den  Defect  durch  Transplantation  zu  decken. 
Der  erste  Fall  betraf  ein  Mädchen,  bei  der  der  Lupus  die  ganze  Wange 
vom  Ohr  bis  in  die  Submaxillargegend  einnahm.  Nach  wenigen  Wochen 
verliefls  sie,  in  zwei  Sitzungen  geheilt,  die  Klinik.  Nach  einem  Jahr  stellte 
sie  sich  mit  einer  neuen  Ulceration  vor,  die  in  gleicher  Weise 
behandelt  wurde.  Selbst  bei  Lupus  des  ganzen  Gesichts  gelingt  es, 
die  erkrankte  Haut  durch  gesunde  vom  Oberschenkel  zu  ersetzen. 

0.  Bosenthal. 

(9)  Auf  Grund  eigener  Anschauung  zahlreicher  Leprafälle  und  einer 
zu  Untersuchungszwecken  gemachten  Beise  durch  die  Bretagne  kommt 
Zambaco-Pacha  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Lepra  in  der  Bretagne 
noch  thatsächlich  bestehe.  Die  sogennante  Morvan'sche  Krankheit  sei  die 
mutilirende  Form  der  klassischen  Lepra,  eine  andere  als  Syringomyelio 
bezeichnete  Form  mit  Klauenhand  und  Muskelatrophie  sei  die  als  an- 
ästhetische Form  Danielsen's  bekannte  Lepra,  nur  manchmal  abge- 
schwächt oder  modificirt.  Ausserdem  sei  er  ulcerirenden,  ich thyo tischen,  ja 
selbst  tuberösen  Formen  daselbst  begegnet. 

Neben  klassischer  Lepra  gebe  es  eine  Ueberzahl  von  leichten  und 
abgeschwächten  Formen. 

Die  Leprosis  umfasse  wie  die  Scrophulosis  eine  grosse  Klasse  von 
Affectionen,  zu  denen  auch  gewisse  gegenwärtig  als  neue  und  selbst- 
ständige  Krankheiten  aufgefasste  Formen,  wie  die  Sclerodermie  und 
Morphea  gezählt  werden  mögen.  Letztere  wegen  des  Vorhandenseins  der 
Sensibilität  von  der  Lepra  zu  trennen,  sei  nicht  gerechtfertigt,  da  es 
Lepröse  mit  erhaltener  Sensibilität  und  Morpheakranke  mit  anästhetischen 
Zonen  gebe.  Im  Gegentheil  könne  man  Lepra  mit  Empfindung  und  Em- 
pfindungslosigkeit unterscheiden. 

In  der  dem  Vortrage  Z.'s  folgenden  Discussion  erklären  es  Vi  dal 
und  Besnier  für  wünschenswerth,  dass  in  den  für  Lepra  angesprochenen 
Fällen  der  Leprabacillus  nachgewiesen  werde.  Z.  hofft,  diesem  Postulate, 
das  er  als  gerechtfertigt  anerkennt,  später  nachkommen  zu  können. 

Winternitz. 

(10)  Winiarski  hat  das  Blut  von  17  Leprösen  aus  dem  Lepro- 
sorium  Muhli  bei  Dorpat  untersucht  und  beschäftigte  sich  1.  mit  der 
Bestimmung  der  durch  das  Hämoglobin  bedingten  Färbekraft  des  Blutes 
mittelst  der  v.  FleischPschen  Hämometers;  2.  mit  der  Bestimmung  der 
in   1  Cub.-Mm.  Blut  enthaltenen  Zahl  rother  Blutkörperchen,   der  Grösse 


110  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

und  etwaigen  Fonnabweichnng  derselben,  sowie  des  numerischen  Ver- 
hältnisses der  rothen  zu  den  weissen  Blutkörperchen;  3.  mit  der  Be- 
stimmung der  in  1  Cub.-Mm.  des  Blutes  vorhandenen  Zahl  der  Leukocyten 
und  des  numerischen  Verhältnisses  der  ein-  und  mehrkemigen  Leukoc3'ten 
zu  einander. 

Es  sei  bemerkt,  dass  die  Zählungen  der  Blutkörperchen  mit  dem 
Thoma-Zeiss^schen  Zählapparat  geschahen.  Als  Verdünnungsflüssig- 
keiten benutzte  W.  für  die  rothen  Blutkörperchen  eine  2y^\  Lösung 
von  Kali  bichromicum,  für  die  weissen  Vs7ö  Essigsäurehydratlösung.  — 
W.  kommt  zum  Schluss,  dass  die  Lepra  in  ihren  jüngeren  und  leichteren 
Stadien  keine  schwereren  Alterationen  des  Blutes  bewirkt,  dagegen  bei 
weiterer  Verbreitung  über  den  ganzen  Körper  und  ihren  schweren  Formen 
allerdings  eine  schwere  Beeinträchtigung  des  Blutlebens  bewirkt,  indem 
sie  zu  solchen  Veränderungen  des  Blutes  fuhrt,  wie  sie  bei  den  schwersten 
Formen  der  essentiellen  Anämie  beobachtet  werden.  Die  weissen  Blut- 
körperchen halten  sich  im  Allgemeinen  auf  der  Norm.  In  allen  Fällen 
war  ein  bedeutendes  Prävaliren  der  mehrkemigen  Leukocyten  zu  consta- 
tiren.  Was  die  Diameter  der  rothen  Blutkörperchen  anbelangt,  so  behielten 
dieselben  im  Allgemeinen  normale  Grösse,  nur  waren  die  Mikrocyten  and 
die  Blutkörperchen  mit  einem  Durchmesser  von  9,218  /«  bis  10,056  a*  etwas 
reichlicher  vortreten,  als  es  normal  zu  sein  pflegt.  A.  Grünfeld. 


Erythematöse,  ekzematöse,  parenchymatöse 

Entzündungsproeesse. 

1.  Lnstgarten.  Gase  of  Erythema  circumscriptum  planum  et  papilläre 
in  morbo  caeruleo.  New  York  derm.  Soc.  221  Meeting.  Joum.  of  cut. 
and  gen.-ur.  dis.  April  1893. 

2.  Jensen,  C.  0.  Die  Aetiologie  des  Nesselfiebers  und  der  diffiisen  Haut- 
necrose  des  Schweines.  Deutsche  Zeitschr.  für  Thiermedicin.  Bd.  18, 
4.  u.  5.  Heft. 

8.  HiLton  Thompson,  J.    A  case  of  factitious  Urticaria.    The  Lancet. 

22.  April  1893. 
4.  Unna.    Coccen  des  Ekzems.    AerztL  Verein  zu  Hamburg.    Deutsche 

med.  Wochenschr.  1893.  Nr.  19. 
6.  Unna.  Künstliche  Ekeemflecke.  Aerztl.  Verein  zu  Hamburg.  Deutsche 

med.  Wochenschr.  1893.  Nr.  18. 

6.  Unna.  Unterschied  zwischen  der  Impetigopustel  und  dem  Ekzem- 
bläschen (Impetigo  Willan).  Aerztl.  Verein  zu  Hamburg.  Deutsche 
med.  Wochenschr.  1893,  Nr.  20. 

7.  Trousseau,  A.  Eczema  palpebrale.  Ann.  de  Dermat.  et  de  Syphil. 
1893,  p.  567—571. 

8.  Forbe§,  N.  Hay.  Notes  on  a  case  of  chronic  ekzema,  associated  with 
the  develysment  of  certain  nervous  Symptoms  (hystero-psychopathg). 
The  Lancet.   15.  Juli  1893. 


der  Dermatologie.  111 

9.  Foarnier,  A.    Herpes  vacciniformiB  des  Eindesalters.    Gangrän  der 
Vulva.  Plötzlicher  Tod.   Annales  de  Denn,  et  de  Syphil.  1893,  p.  25. 

10.  Engman,  M.  F.  Ein  Beitrag  zur  Histologie  der  Joddermatitis.  Monats- 
hefte f.  prakt.  Derm.  Nr.  8. 

11.  Piffard,  Henry  G.  A  contribution  to  the  histology  of  psoriasis.  Joum. 
of  cut.  and  gen.-ar.  dis.  April  1893. 

12.  Strelitz  (Berlin).  Beitrag  zur  Pemphigus-Aetiologie.  Aus  der  Poli- 
klinik Baginsky's.  Arch.  f.  Kdhlkde.  XV.  1892,  p.  101—104. 

13.  Car§teii8,  Andr.  Zur  Sklerodermie  im  Kindesalter.  Arbeiten  aus  der 
pädiatrischen  Klinik  zu  Leipzig.  Jahrb.  für  Kdhlkde.  XXXVI.  1893, 
p.  86—95. 

14.  Dubreoilh,  W.  lieber  atrophische  Alopecien.  Annales  de  Dermat. 
et  de  Syphil.  1893,  p.  329—339. 

15.  Allen.  Gase  of  Exfoliatio  areatao  linguae.  New  York  derm.  soc.  221 
Meeting.  Joum.  of  cut.  and  gen.-ur.  dis.  April  1893. 

(1)  Lustgarten  stellt  einen  sechsjähr.  Knaben  mit  angeborenem 
Herzfehler,  wahrscheinlich  Stenosis  des  Pulmonarostimus,  vor,  bei  welchem 
sich  im  Gesicht  und  am  Körper  rothe,  leicht  erhabene  Flecke  z.  Th.  von 
papillärem  Charakter  mit  kleinen  Hämorrhagien  finden.  L.  glaubt,  dass 
dieser  Zustand  auf  einer  Paralyse  der  papillären  Blutgefässe  beruht,  wo- 
durch es  zu  einer  Diapedese  der  rothen  Blutkörperchen  kommt.  Möglicher- 
weise hat  die  chemische  Veränderung  derselben  die  papillären  Hypertro- 
phien veranlasst.  Einige  zeigten  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  dem  von 
Pringle,  Mibelli  und  anderen  beschriebenen  Angiokeratosis. 

Ledermann. 

(2)  Um  über  das  Verhältniss  des  Nesselfiebers  und  der  diffusen 
Hautnekrose  der  Schweine  zum  Rothlaufe  derselben,  welche  seit  Haubner 
als  getrennte  Krankheiten  aufgefasst  wurden,  Klarheit  zu  verschaffen, 
stellte  Jensen  nicht  nur  eigene  Forschungen  und  Untersuchungen  an, 
sondern  forderte  auch  die  Thierärzte  des  Landes  auf,  ihm  alles  ihnen 
vorkommendes  Material  zukommen  zu  lassen.  Auf  Grund  dieser  For- 
schungen stellt  er  diese  Erkrankungen  nur  als  verschiedene  Form  ein 
und  derselben  Krankheit  dar,  als  deren  wahrscheinliche  Ursache  die  Roth- 
lauf bacillen  anzusehen  sind.  Auch  die  Endocarditis  verrucosa  sei  nur  eine 
Folge  oder  auch  eine  selbständige  Form  dieser  Krankheit. 

In  allen  Fällen  von  Nesselfieber  wurden  von  ihm  durch  die  mikro- 
skopische Untersuchung  von  Schnittpräparaten  Rothlauibacillen  nachge- 
wiesen. Von  nicht  wenig  Fällen  wurden  auch  Impfungen  bei  Mäusen  mit 
positivem  Ausfall  vorgenommen,  indem  dieselben  an  einer  Krankheit 
starben,  die  ganz  dem  Impfrothlauf  glich.  Die  Aussaat  von  Blut-  und 
Milzsaft  solcher  Mäuse  ergab  auch  stets  kräftige  charakteristische  Roth- 
laufculturen.  Während  jedoch  diese  Bacillen  beim  Rothlauf  die  Capillaren 
der  Haut  anfüllen  und  nur  wenige  frei  im  Gewebe  liegen,  fanden  sich 
dieselben  beim  Nesselfieber  nur  in  den  Lymphräumen  der  Lederhaut  vor, 
und  zwar  oft  in  grossen  Mengen,  am  häufigsten  gerade  unter  der  Epider- 
mis. Auch  in  der  Milz  eines  Thieres,  das  wegen  Nesselfieber  geschlachtet 


112  Bericlit  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

worden  war,  fanden  sich  einige  wenige  Rothlanfbacillen.  Tauben,  mit 
Cultnren  von  Nesselfieber  geimpft,  starben;  dagegen  gelang  es  nicht, 
durch  Fütterung  von  Ferkeln  mit  NesselfieberbaciUen  oder  durch  Impfung 
kleiner  Stückchen  davon  unter  die  Haut  derselben  Nesselfieber  zu  erzeu- 
gen, was  aber  deswegen  nicht  als  Beweis  gegen  den  Zusammenhang 
zwischen  Rothlauf  und  Nesselfieber  betrachtet  werden  kann,  da  derartige 
Impfungen  mit  Rothlauf  gleich&lls  zumeist  negativ  ausfallen. 

Aus  den  eigenen  und  den  von  vielen  Aerzten  mitgethei\ten  Beo- 
bachtungen schliesst  Verfasser  auf  die  nahen  Beziehungen,  die  zwischen 
Rothlauf  und  Nesselfieber  bestehen,  und  gibt  eine  genaue  Beschreibung 
des  Verlaufes  des  Nesselfiebers,  das,  wie  der  Rothlauf,  sich  als  acute 
Infectionskrankheit  darstellt.  Aach  nach  dem  Nesselfieber  kann,  wie  nach 
Rothlauf  sich  Endocarditis  verrucosa  entwickeln. 

Auch  beim  „trockenen  ausgebreiteten  Hautbrande  der  Sehweine, 
einer  verhältnissmässig  häufig  vorkommenden,  von  Berg  genau  beschrie- 
benen Krankheit  vermochte  Verf.  durch  die  histologische  Untersuchung 
von  Hautstücken  das  Vorhandensein  zahlreicher  Bacillen  nachzuweisen,  die 
ganz  denen  des  Rothlaufes  glichen. 

Nach  allem,  was  wir  hierüber  wissen,  folgert  nun  Verfasser,  das« 
der  Rothlauf  in  mehreren  verschiedenen  wohlcharakterisirten  Formen  auf- 
tritt zwischen  denen  jedoch  ab  und  zu  Uebergangsformen  vorkommen.  Und 
zwar  haben  wir  folgende  klinische  Formen  desselben  zu  unterscheiden: 
1.  „Rouge t  blanc"  2.  Rothlauf  im  engeren  Sinne;  3.  diffuse  nekrotisirende 
Hautentzündung  (trockener  Hautbrand) ;  4.  Nesselfieber  (Urticaria)  und  5. 
Endocarditis  verrucosa  bacillosa. 

Die  Frage,  warum  die  Krankheit  einmal  in  der  und  ein  anderes 
Mal  in  jener  Form  auftritt,  ist  noch  nicht  gelöst.  Vielleicht  spielt  der 
Infectionsmodus  dabei  eine  Rolle;  doch  muss  wohl  auch  angenommen 
werden,  dass  es  ein  verschiedener  Grad  der  Virulenz  der  Bacillen  sein 
muss,  möglicher  Weise  in  Verbindung  mit  einer  grösseren  oder  geringeren 
Empfänglichkeit  der  Thiere,  welche  den  Charakter  der  Krankheit  und 
den  gut-  oder  bösartigen  Verlauf  (Nesselfieber  oder  Rothlauf)  derselben 
bedingt. 

Zuletzt  wird  noch  die  Frage  angeregt,  wie  sich  die  Veterinarpolizei 
gegenüber  dem  gutmüthigen  Nesselfieber  in  Zukunft  wird  zu  verhaltea 
haben,  da  doch  seine  Beziehungen  zum  Rothlaufe  so  innige  sind. 

Spietschka. 

(4)  Unna  demonstrirte  ein  Kaninchen,  welches  an  zwei  Stellen,  an 
denen  es  mit  Coccen  des  Ekzems  geimpft  war,  einen  progressiven  Haar- 
ausfall zeigte,  analog  der  menschlichen  Alopecia  pityrodes.  Diese  Imp- 
fungen haben  beim  Kaninchen  und  Meerschweinchen  stets  dieses  Ergebniss^ 
der  Coccus  bildet  auf  Nähragar  im  Gegensatz  zum  Staphylococcns  albus 
grauweisse  scharf  begrenzte  Bänder  und  zahlreiche  Tröpfchen,  er  verflüssigt 
Gelatine  nur  langsam  und  unvollständig  an  der  Oberfläche  und  ist  auf 
Kartoffeln  frei  von^dem  charakteristischen  Kleistergeruch  des  Staphylococcns. 
Er  besitzt  meistens  die  Form  von  Diplococcen   und  unterscheidet  sich 


der  Dermatologie.  113 

durch  die  enormen  Ghrössendifferenzen  der  einzelnen  Individuen  in  allen 
nicht  zu  üppig  gewachsenen  Gulturen  (0,5 — 1,5  /«).  Selbst  die  beiden 
Hälften  sind  zuweilen  verschieden.  Er  ist  tinctoriell  leicht  zu  erkennen; 
nach  Gram  und  Weigert  ist  er  farbbar.  0.  Rosenthal. 

(5)  Unna  erzeugte  an  sich  und  dem  Laboratoriumsdiener  künst- 
liche Ekzemflecke  durch  Einimpfung  von  Coccen,  die  Unna  bei  allen 
Ai-ten  des  seborrhoischen  Ekzems  nachgewiesen  hat.  Die  Impfungen  fielen 
fünfmal  hintereinander  positiv  aus,  dadurch  dass  er  den  Impfstellen 
Luftsauerstoff  und  genügende  Feuchtigkeit  zu  gleicher  Zeit  zuführte. 

0.  Rosenthal. 

(6)  Unna  hält  das  Bläschen  nicht  für  die  gewöhnliche  Primär- 
efflorescenz  des  Ekzems,  sondern  viel  häufiger  flache  mit  Schuppen 
und  Krusten  bedeckte  Erhebungen.  Klinisch  sowohl  wie  histologisch 
finden  sich  starke  Differenzen  zwischen  der  Bockhar tischen  staphylo- 
genen  Impetigo  und  der  Willan'schen  Impetigo,  d.  i.  einer  Form  des 
heutigen  Bläschenekzems,  das  durch  das  Eindringen  des  Ekzemcoccus 
erzeugt  wird.  Besonders  hervorzuheben  ist  die  Anordnung  des  Staphylo- 
coccus  in  Reihen  und  traubenförmigen  Massen,  sowie  seine  extracelluläre 
Lagerung,  wogegen  der  Ekzemcoccus  als  Doppelcoccus  und  in  maulbeer- 
formigen  Herden  auftritt,  und  theils  frei,  theils  in  Leucocyten,  gonococcen- 
ähnlich,  eingelagert  ist.  0.  Rosenthal. 

(7)  Das  sehr  lästige  und  hartnäckige  Eczema  palpebrale  ist  mit 
einer  Conjunctivitis  combinirt,  welche  nach  ihrem  Charakter  als  Ekzem 
der  Conjunctiva  zu  bezeichnen  ist.  Dieselbe  ist  die  Quelle  stetiger  neuer 
Recidiven  und  muss  deshalb  zuerst  in  Behandlung  genommen  werden. 
Als  Grundsätze  der  Behandlung  gelten  für  Trousseau  folgende:  Anti- 
sepsis resp.  Asepsis,  weiter  Vermeidung  jeglicher  Reizung  der  ekzema- 
tösen T heile  durch  Frattwerden  und  Kratzen,  wodurch  schädliche  Keime 
immer  aufs  Neue  in  die  erkrankten  Theile  gelangen. 

Er  verwendet  und  rühmt  Waschungen  der  Conjunctiva  und  der  Lider 
mit  Sublimatlösungen  (0*05 — 500  bis  allmälig  0*25 — 500),  Besprühen  mit 
Borwasser;  Occlusivverband ;  (eventuell  Zwangsjacke  zur  Vermeidung  des 
Kratzens);  für  die  Nacht  Deckung  mit  aseptisch  hergestellten  Reismehl- 
kataplasmen,  oder  aus  Wismuth,  Zink  und  Borsäure  zusammengesetzten 
Streupulvern.  Salben  erst  gegen  Schluss  der  Behandlung  und  zwar 
möglichst  reizlose  und  schwach  dosirte  in  folgender  Riihenfolge  Vaselin, 
Axungia,  Bismut,  Zinkoxyd,  Ichthyol,  gelbes  (Hg)  Oxyd,  Ol.  cad. 

Winternitz. 

(9)  Bei  einem  16  Monate  alten  Mädchen  entwickelten  sich  unter 
anfanglichem  leichten  Fieber  an  der  Vulva  und  deren  Nachbarschaft  rothe 
Flecken,  die  sich  zu  vaccineähnlichen  Pusteln  und  zu  Substanzverlusten 
umwandelten.  In  der  weiteren  Folge  trat  trotz  leicht  antiseptischer  Be- 
handlung Gangrän  der  Vulva  (bis  in  die  Leiste  reichend)  ein  und  starb 
das  Kind  ohne  vorherige  alarmirende  Symptome  plötzlich.  Da  weder  local 
noch  sonst  im  Körper  ein  sicherer  Anhaltspunkt  für  diesen  plötzlichen  Tod 

Arthiv  f.  Dermatol.  o.  8yphll.  Band  XXVII.  g 


114  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

gefunden  wurde,  nahm  F.  eine  Intoxication  durch  vom  Gangranherde  aus 
resorbirte  Ptomaine  an.  Wintern itz. 

(10)  Ueber  die  Jodwirkung  auf  die  Haut  ist  von  Seiten  der  Histo- 
logen  bisher  noch  nicht  viel  gearbeitet  worden.  Die  beiden  vorliegenden 
werthvollen  Arbeiten  von  Schede  und  Goen  werden  vom  Verf.  ausführlich 
besprochen.  Schede  verdanken  wir  den  Nachweis  einer  starken,  serösen 
Entzündung  bei  der  Jodapplication ;  Coen  den  Xachweiss,  dass  schon 
vom  Beginn  der  Entzündung  an  sowohl  die  Epithelien,  wie  die  Binde- 
gewebäzellen  sich  durch  mitotische  Neubildung  an  dem  Processe  be- 
theiligen. Da  die  Frage  nach  der  Einwirkung  des  Jods  auf  die  Haut  trotz 
dieser  vortrefflichen  Arbeiten  noch  nicht  nach  allen  Richtungen  geklärt 
ist,  hat  Verf.  einer  Anregung  Unna's  folgend,  die  Jodeinwirkung  am 
Kaninchenohr  mit  den  neuen  Methoden  der  Protoplasmafarbung  studirt. 
Die  jodirten  Hautstücke,  die  von  1  Stunde  bis  zum  25.  Tage  nach  erfolgter 
acuter  Entzündung  entnommen  waren,  wurden  meist  in  Alkohol  gehärtet, 
wenige  osmirt  und  hauptsächlich  nach  2  Methoden  gefärbt: 

1.  Auf  Nuclein  und  Elastin   mit  Haematoxylin  und  saurem  Orcein. 

2.  Auf  Protoplasma  und  Collagen  mit  Unna^s  polychromem  Methy- 
lenblau und  neutralem  Orcein. 

Als  sichergestellt  durch  die  Untersuchung  können  folgende  Daten  gelten : 

1.  Die  etwa  '/,  Stunde  nach  der  Pinselung  beginnende  Hyperämie. 

2.  Das  Oedem  und  die  seröse  Exsudation  (stets  nach  V,  bis  1  Stunde 
wahrnehmbar). 

3.  Die  locale  Leukocytose.  Dieselbe  beginnt  etwa  2  Stunden  nach 
der  Pinselung  und  nimmt  in  den  nächsten  Stunden  noch  erheblich  zu« 
Der  Strom  der  Leukocyten  ist  nach  dem  Epithel  zu  gerichtet,  die  Menge 
derselben  am  dichtesten  in  den  oberen  Abschnitten  der  Papillen.  Die 
Gestalt  der  Leukocyten  ist  die  von  Wanderzellen.  Einige  finden  sich  auch 
im  Ohrknorpel. 

4.  Die  Bläschenbildung.  Dieselbe  erfordert  eine  sehr  starke  Jod- 
einwirkung und  ist  lange  nicht  so  charakteristich,  wie  die  Hyperämie  und 
Leukocytose.  Verf.  ist  es  nur  ausnahmsweise  gelungen,  eine  Blase  hervor» 
zurufen.  Dieselbe  sass  in  der  Stachelschicht;  es  handelte  sich  um  eine 
einfache  Verdrängungsblase,  welche  die  von  Leukocyten  infiltrirte,  obere 
Stachelschicht  abgehoben  hatte. 

5.  Die  frühzeitige  Mitosenbildung,  6  Stunden  nach  der  Pinselung 
entstehend,  zur  selben  Zeit  mit  der  starken  Leukocytose  und  zwar  sowohl 
im  Epithel,  wie  in  der  Cutis. 

6.  Die  Resorption  eines  Theiles  der  Leukocyten  auf  dem  Wege  der 
Lymphbahnen  und  die  Entfernung  eines  anderen  Theiles  mit  den  Bläschen 
und  Krusten. 

7.  Die  Rückkehr  zur  Norm. 

Gegenüber  diesen  als  feststehend  zu  betrachtenden  Punkten  stellt 
Verf.  die  folgenden  als  noch  discutabel  hin: 

a)  Die  Rolle,  welche  die  Leukocyttn  bei  diesem  Entzündungsprocesse 
spielen. 


der  Dermatologie.  X15 

6)  Die  Schicksale  der  sesshaften  Bindegewebszellen  bei  der  Ent- 
zündung. 

c)  Die  Herknnft  der  nengebildeten  Zellen  im  Bindegewebe. 

(2)  Das  Schicksal  derselben  nach  Ablauf  der  Entzündung. 

e)  Das  Verhalten  des  GoUagens  und  des  Elastins  während  der  Ent« 
Zündung. 

In  Bezug  auf  die  Leukocyten  theilt  Verf.  mit,  dass  er  wesentlich 
polynucleare  gefunden  hat,  die  jedoch  nicht  zum  Aufbau  neuen  Binde- 
gewebes dienen  können,  da  sie  fast  überall  zerfaUen. 

Was  die  von  Schede  und  Coen  für  junge  Bindegewebszellen 
und  frühere  Leukocyten  gehaltenen  kleinen  Zellen  mit  grossem  Kern 
betrifft,  so  bestätigt  Verf.  ihre  Existenz  und  hält  sie  für  perivasculäre 
Bindegewebszellen.  Den  ausfuhrlichen  Angaben  Coens  über  Mitosen 
vermag  Yerf.  Neues  nicht  hinzuzufügen,  macht  dagegen  darauf  aufmerksam, 
dass  wenige  Stunden  nach  der  Jodpinselung  eine  Menge  grosser,  durch 
Fortsätze  zusammenhängender  Spindelzellen  gefunden  werden,  welche 
mehrere  Kerne  enthalten.  Sie  beweisen,  dass  neben  der  Kemtheilung 
und  Bildung  junger  Bindegewebszellen  auch  eine  Yergrössernng  der 
Spindelzellen  in  situ  eintritt,  wobei  durch  Verdickung  der  Zellfortsätze 
die  Zellenleiber  direct  in  einander  überzugehen  scheinen.  Verf.  beschreibt 
ausserdem  noch  andere  Metamorphosen,  die  einen  mehr  rein  pathologischen 
Charakter  tragen:  so  das  Zellödem  und  die  nucleäre  Degeneration  des 
Protoplasmas.  Eine  fettige  Degeneration  des  Zellprotoplasmas  vermochte 
Verf.  auch  an  osmirten  Stücken  nicht  aufzufinden. 

Verf.  beantwortet  die  vorher  aufgeworfenen  Fragen  zum  Schluss  in 
folgenden  Sätzen. 

a)  Bei  der  Joddermatitis  gehen  die  scharenweise  angelockten 
Leukocyten  theils  zu  Grund,  theils  wandern  sie  in  die  Blutbahn 
zurück. 

h)  Die  fixen  Bindegewebszellen  erleiden  unter  dem  Einfluss  der 
acuten  Entzündung  theils  progressive  Veränderungen  (Hypertrophie  des 
Spongioplasmas),  theils  regressive  (einfaches  Oedem,  nucleäre  Degeneration) 
mit  Ausschwemmung  von  Zellsubstanzen. 

e)  Unter  dem  Einfluss  der  acuten  Entzündung  bilden  sich  auf 
mitotischem  Wege  neue  Epithelien  in  der  Stachelschicht  und  neue  Binde- 
gewebszellen aus  alten  Bindegewebszellen.  Eine  Neubildung  letzterer  aus 
Leukocyten  ist  nicht  nachzuweisen. 

d)  Die  hypertrophischen  und  neugebildeten  Bindegewebszellen  gehen 
beim  Abklingen  der  Entzündung  durch  einfache  Atrophie  auf  den 
Status  einfacher  Spindelzellen  zurück.  Keineswegs  werden  sie  auf  dem 
Wege  hochgradiger  Verfettung  vollständig  resorbirt. 

e)  Die  elastische  Substanz  erfahrt  vorübergehend  bei  der  Jodent- 
zündung eine  Atrophie,  die  collagene  eine  ödematöse  Anschwellung. 

Ledermann. 
(11)   Piffard  beschreibt  die  von  ihm  bei  einem  excidirten  psori- 
atischen Hautstückchen  gefundenen  histologischen  Veränderungen  folgen- 

8* 


115  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

dermassen:  Bei  schwacher  yeif;ro88erang  erscheint  die  Cutis  durch  Zu- 
nahme der  Bindegewebsbundel  und  eine  ungewöhnlich  starke  £nt¥ricklung 
der  quergestreiften  Muskelfasern  verdickt.  Die  Epidermis  besitzt  ein 
hypertrophisches  Bete  und  ein  ausserordentlich  entwickeltes  Stratum 
granulosum.  Oberhalb  des  letzteren  befinden  sich  mehrere  Zelllagen  mit 
halb  durchscheinenden  kernhaltigen  Zellen,  die  Verf.  für  Homzellen 
hält.  Bei  starker  Yergrösserung  sieht  man  in  einigen  Retezellen  die 
Kerne  geschrumpft  und  vacuolisirt.  Mitosen  und  andere  active  Ver- 
änderungen fehlen.  Die  Entstehung  der  kernhaltigen  Homzellen  führt 
Verf.  auf  das  Stratum  granulosum  zurück,  welches  an  einigen  Stellen  auf 
Kosten  der  genannten  Zellen  verschwindet.  Er  sieht  daher  in  dem  Stratum 
granulosum  den  activen  Sitz  der  Veränderungen  bei  der  Psoriasis  und 
glaubt,  dass  die  Cutis  und  das  stark  hypertrophische  Bete  Malpighii  nur 
eine  passive  Bolle  dabei  spielen.  Ledermann. 

(12)  Strelitz  und  nach  ihm  Alm  qu  ist  züchteten  aus  dem  Blasen- 
inhalte von  Pemphigus  acutus  neonator.  einen  gelben  und  einen  weissen 
Staphyloooccus  und  dem  letztgenannten  Autor  gelang  es  durch  Einimpfung 
von  Beinculturen  bei  sich  Pemphigus  zu  erzeugen.  Das  bestätigt  Strelitz 
neuerdings  durch  gelungene  Impfezperimente,  welche  er  an  sich  und  einem 
Mediciner  vornahm.  30  Stunden  nach  der  Inoculation  traten  Pemphigus- 
blasen  bei  S.  auf  und  „trotz  sorg^tiger  antiseptischer  Beinigpmg  der 
Haut  nach  dem  Platzen  der  Blasen  konnte  S.  es  nicht  verhindern,  dass 
4  Wochen  lang  neue  Blasennachschübe  erfolgten,  welche  ihr  Entstehen 
zweifellos  einer  directen  Uebertragung  des  Virus  auf  benachbarte  Haut- 
stellen verdankten.*'    Fieber  und  Drüsenschwellung  trat  nicht  auf. 

Hochsinger. 

(13)  Bei  einem  3jähr.  Kinde  entsteht  im  Anschluss  an  eine  Schar- 
lach- und  darauffolgende  Keuchhustenerkrankung  (während  eines  £r^ 
kältungsfiebers)  in  acuter  Weise  eine  enorme  Festigkeit,  Spannung  und 
Glätte  der  Haut  des  Gesichtes,  des  Halses,  später  der  Obereztremitäten 
mit  entsprechender  Bewegungsbeschränkung,  ohne  jede  Spur  von  Oedem 
oder  localen  Entzündungserscheinungen.  An  der  Haut  der  Brust,  des 
Bückens,  der  Nates  und  der  Innenfläche  der  Oberschenkel  entsteht  die 
Affection  etwas  später  und  langsamer,  auch  minder  intensiv,  während  die 
Unterschenkelhaut  frei  erscheint  bis  auf  stellenweise  durchtastbare 
haselnussgrosse  Verdickungen,  aus  welchen  sich  jedoch  7«  Jahr  später 
die  gleiche  Affection  entwickelte,  wie  oben  beschrieben  wurde.  Kein 
Zweifel,  dass  hier  das  volle  klinische  Bild  der  Sklerodermie  vorlag. 
Wieder  '/,  Jahr  später  ist  Alles  zur  Norm  zurückgekehrt  und  die  Heilung, 
bei  welcher  vorwiegend  eine  diaphoretische  Therapie  (Schwitzkur,  Kali 
acet.  innerl.)  in  Verwendung  kam,  eine  vollständig  dauernde  geworden,  da 
auch  2  weitere  Jahre  später  das  Kind  völlig  gesund  ist. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  eines  excidirten  Haut- 
stückchens findet  sich  Verbreiterung  des  Coriumgewebes  durch  dichte 
und  kernarme  Bindegewebsziige  und  leichte  Kemvermehrung  in  der  Um- 
gebung  der  Arterien,   nebst   auffallender  Verschmälerung  der  £]>idermis- 


der  Dermatologie.  117 

8cbichte.   Subcatis,  Schweissdrüsen,  Hautnerven-  und  Muskelsystem  zeigen 
keine  Anomalie. 

Bemerkenswerth  in  dem  Falle  war  eine .  continuirlich  andauernde 
Hyperidrosis  universalis  und  die  acute  Entstehung  im  Anschlüsse  an 
zwei  Infectionskrankheiten  (Scharlach  und  Keuchhusten),  an  welche 
die  HautafTection  sich  unmittelbar  anschloss.  Hochsinger. 

(14)  Dubreuilh  beschreibt  einige  Fälle,  die  er  unter  die  als 
atrophische  oder  Narbenalopecie  von  Brocq  beschriebenen  Formen 
einreiht. 

Bei  den  Fällen  der  ersten  Gruppe  (Brocq's  Pseudo-pelade)  handelt 
es  sich  um  atrophische,  haarlose  Stellen  am  behaarten  Kopf,  an  denen 
zumeist  am  Rande  um  einzelne  noch  erhaltene  Haarbüschel,  manchmal 
die  Peripherie  einnehmend,  manchmal  jedoch  auch  innerhalb  der  Areae 
fleckenformige  Entzündungsherde  sich  zeigen.  In  letzteren  sind  Epidermis- 
pröpfe  um  die  kranken  Bälge  vorhanden,  welche  die  Haare  überdauern. 
Die  Affection  ähnelt  makro-  und  mikroskopisch  dem  Lupus  erythematosus, 
ist  aber  von  ihm  zu  trennen.  Therapeutisch  hatte  Ichthyol  nur  ge- 
ringen Werth. 

Die  Fälle  der  zweiten  Gruppe  (Brocq's  Sycosis  lupoide,  Unna's 
Ulerythoma  sycosiforme)  zeigten  perifolliculäre ,  mit  Börkchen  be- 
deckte, von  Haaren  durchbohrte  Knötchen,  die  zu  Haarausfall  und  zu 
excentrisch  fortschreitenden  Areae  mit  Knötchensaum  führen. 

Therapeutisch  war  tägliches  Kasiren  erfolgreich.   Winternitz. 

(15)  Allen  stellt  einen  jungen  Mann  mit  Exfoliatio  areata  linguae 
vor,  wie  man  sie  häufig  bei  Kindern,  sehr  selten  bei  Erwachsenen  sieht 
und  welche  Parrot  auf  hereditäre  Lues  zurückführt.  Der  Patient  hat 
an  Lupus  gelitten  und  ist  durch  Scarification  geheilt  worden. 

Ledermann. 


Bildangsanomalien. 

1.  Philippsoll.  Verstell,  eines  Falles  von  Pigmentanomalie  mit  Fibrom- 
bildung. Aerztl.  Verein  zu  Hamburg.  Deutsche  med.  Wochenschrift. 
1893,  Nr.  17. 

2.  Moucorvo.  lieber  congenitale  Elephantiasis.  Annales  de  Dermat.  et 
de  SyphiL   1893,  p.  234—251. 

3.  Fineh  Noyes,  A.  W.  A  case  of  lymphangioma  circumscriptum.  The 
Brit.  Med.  Joum.  3.  Juni  1893. 

4.  Francis,  Alfred  G.  Lymphangioma  circumscriptum  cutis.  The  Brit 
Joum.  of  Derm.   Februar  und  März. 

5.  Miirray,  G.  R.  The  treatment  of  myxoedema  and  cretinism.  The 
Lancet    13.  Mai  1893. 

6.  Allen  Starr,  M.  A  contribution  to  the  subject  of  myxoedema,  with 
the  report  of  three  cases  treated  success  fully  by  thyroid  extract.  Med. 
Record.  X.  York.  10.  Juni  1893. 


HS  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

7.  Crary,  George  W.  A  case  of  myxoedema,  treated  with  thyroid  ex- 
tract  by  the  stomach  and  a  description  of  preparing  the  extract.  Med. 
Record.  N.  York.   17.  Juni  1893. 

8.  Hallopeaa,  H.  und  tleanseluie,  £.  Ein  Fall  von  Hautsarcomatose, 
der  die  klinischen  Charaktere  einer  infectiösen  Lymphangitis  bot. 
Annales  de  Dermat.  et  de  Sj'phil.  1892,  p.  1088  u.  f. 

9.  Martiu,  E.  Vorstellung  eines  Falles  von  multiplen  Hautsarkomen. 
Schles.  Gesell  seh.  f.  vaterl.  Cultur  in  Breslau.  Deutsche  med.  Wochen- 
schrift. 1893.  Nr.  5. 

10.  VeiSi^er.  Vorstellung  eines  Falles  von  Mycosis  fungoides.  Schles. 
Gesellsch.  für  vaterländ.  Cultur  in  Breslau.  Deutsche  med.  Wochen- 
shrift.  1893,  Nr.  18. 

11.  Ifeis^ser.  Vorstellung  eines  Falles  von  Mycosis  fungoides.  Schles. 
Gesellschaft  für  vaterländ.  Cultur  in  Breslau.  Deutsche  med.  Wochen- 
schrift. 1893,  Nr.  5. 

12.  Lassar.  Zur  Therapie  der  Hautkrebse.  Vortrag  mit  Krankenvorstell. 
geh.  in  der  Berl.  medic.  Gesellschaft,  Berl.  klin.  Wochenschr.  1893, 
Nr.  23.  Discussion  zu  diesem  Vortrag,  Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  28. 

13.  Supino,  Rafaello.  La  Mallattia  delP  Addison.  Ricerche  chimche  e 
considerazioni  cliniche.  II  Morgagni.  Anno  XXXV,  p.  1.  Nr.  3. 

(1)  Philippson  demonstrirt  aus  der  Unna'schen  Klinik  eine 
Frau,  deren  Rumpf  und  Extremitäten  mit  hellbraunen,  verschieden  grossen 
Pigmentflecken  besetzt  ist,  während  an  den  betreffenden  Stellen  einzelne 
weiche  Tumoren  zu  fühlen  sind.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
ergab  den  bindegewebigen  Charakter   der  Geschwülste. 

0.  Rosenthal. 

(2)  Moncorvo  berichtet  über  drei  Fälle  congenitaler  Elephan- 
tiasis, die  er  bei  in  Rio  geborenen  Kindern  beobachtet  hat.  Das  eine 
Kind  stammte  von  eingewanderten  Weissen,  die  beiden  andern  waren 
Mischlinge  brasilianischer  Abkunft.  Die  Krankheit  betraf  bei  einem  Kinde 
beide,  bei  dem  zweiten  nur  die  eine  untere  Extremität,  bei  dem  dritten 
eine  obere  Extremität  und  die  angrenzende  Partie  der  betreffenden 
Tboraxhälfte.  Die  Form  der  Elephantiasis  war  bei  dem  einen  die 
sklerotische,  bei  den  zwei  anderen  die  gemischte  —  fibröse  Hyperplasie  und 
cystische  Degeneration. 

Der  Verfasser  bespricht  nun  die  Aetiologie  der  Elephantiasis,  die 
für  eine  Reihe  von  Fällen  durch  den  Nachweis  von  Filaria  sanguinis 
(im  Urin,  im  Blute  und  in  der  Lymphe)  klargelegt  ist ;  er  selbst  hat  von 
13  Fällen  blos  einmal  die  Filaria  nachweisen  können.  Für  eine  andere 
Reihe  von  Fällen  schliesst  er  sich  dagegen  der  von  Verneuil,  Clado  und 
Sabourand  vertretenen  Anschauung  von  der  Identität  von  Erysipel  und 
Lymphangitis  mit  Elephantiasis  an.  Er  selbst  konnte  bei  zwei  FäUen 
von  Lymphangitis,  von  denen  der  eine  schon  zu  permanenten  Oedemen 
geführt  hatte,  den  Streptococcus  (Fehleisen)  nachweisen. 


der  Dermatologie.  119 

Das  Auftreten  der  Elephantiasis  im  Foetalleben  erklärt  er  durch 
Uebergang  der  betreffenden  Mikroorganismen  durch  die  Placentarwege. 

Winternitz. 

(3)  Finch  Noyes  theilt  aus  Melbourne  folgenden  Fall  von  cir- 
cumscriptem  Lymphangiom  mit.  Bei  einem  12jahrigen,  sonst  gesunden 
Mädchen  entwickelten  sich  seit  1'/,  Jahren  am  oberen  und  vorderen 
Theile  des  rechten  Oberschenkels  „Wasserbläschen",  die  zuerst  wie  kleine 
Kömer  von  gekochtem  Sago  aussahen,  allmälig  an  Grösse  zunahmen  und 
theils  vereinzelt  blieben,  theils  miteinander  verschmolzen.  Als  Verf.  die 
Patientin  sah,  waren  an  der  oberen  und  vorderen  Flache  des  rechten 
Oberschenkels  unmittelbar  unter  der  Leistenfurche  acht  verschiedene 
Bläschengruppen  von  3pfennig-  bis  Schillinggrösse.  Die  Gruppen  bestanden 
zumeist  aus  Haufen  von  Bläschen  von  Stecknadelkopf-  bis  Halberbsen- 
grosse.  Die  meisten  waren  weiss  gefärbt  und  durchscheinend  wie  Büschel 
weisser  Johannisbeeren,  andere  hatten  eine  röthliche  Farbe.  Einige  der 
grösseren  Bläschen  waren  auch  mit  venösem  Blut  gefüllt,  so  dass  sie  dem 
Theil  das  Aussehen  einer  reifen  Maulbeere  gaben.  Zwischen  den  Gruppen 
war  die  Haut  besetzt  mit  kleineren,  stecknadelkopfgrossen  Laesionen,  die 
wie  unter  der  Haut  liegende  Kömer  gekochten  Sagos  aussahen.  Alle 
Laesionen  enthielten  Flüssigkeit ;  durch  Druck  konnte  dieselbe  zum  grössten 
Theile  entleert  werden,  um  sich  sofort  nach  Aufhören  desselben  wieder 
anzusammeln.  Beim  Anstechen  der  hellgefarbten  Bläschen  ergoss  sich  eine 
klare,  •  alkalisch  reagirende  Flüssigkeit,  lieber  einigen  älteren  Laesionen 
hatte  die  Haut  ein  etwas  warziges  Aussehen  angenommen.  Die  einzelnen 
Bläschen  wuchsen  aUmälig  bis  zur  Grösse  einer  halben  Erbse  oder  etwas 
darüber.  Sie  hatten  keine  Tendenz  sich  spontan  zu  öffnen.  Subjective 
Symptome  machte  die  Erkrankung  nicht.  Mit  Elektrolyse  wurden  die 
Bläschen  zur  Obliteration  gebracht.  Zwei  Jahre  nach  der  Operation 
hatte  sich  eine  grosse  Zahl  feiner  Bläschen  in  der  Nachbarschaft  gebildet, 
die  sich  allmälig  weiter  entwickelt  hatten,  aber  nicht  grösser  wurden  als 
ein  Sagokom.  Sternthal. 

(4)  Francis  unterscheidet  zwei  Arten  von  Angiomen :  das  Häman- 
giom und  das  Lymphangiom.  Ersteres  erscheint  1.  als  portweinfarbener 
Fleck,  2.  als  gewöhnlicher  capillärer  Naevus,  3.  als  venöser  cavernöser 
Naevus,  4.  als  cutane  und  subcutane  Fhlebectasie,  5.  als  kleine  capilläre 
Punkte,  Streifen,  Flecke  mit  oder  ohne  Thrombosen  und  Hämorrhagien, 
6.  als  kleine  Blutcysten,  7.  zunehmender  Gefassreichthum  ohne  augenfällige 
Yergrösserung  der  Gefasse.  Letzteres  erscheint  sowohl  als  einfache  Zu- 
nahme der  Capillaren  als  auch  als  varicöses,  cavemöses  Lymphangiom, 
zuweilen  als  cystisches  und  cavemöses  Lymphangiom  leichteren  Grades. 
Das  Lymphangiom  ist  meist  congenitalen  Ursprungs,  ist  in  seiner  einfachen 
Form  nicht  sichtbar  und  kommt  erst,  sei.  es,  dass  es  mit  Hämangiom 
vergesellschaftet  ist  oder  nicht,  in  späteren  Phasen  zum  Vorschein.  Es 
finden  sich  dabei :  l.  Varicen,  kleine  Cysten  und  Cavemen  bilden  zunächst 
die  für  das  Leiden  so  charakteristischen  Vesikeln  der  Krankheit,  die,  an 
Form  ähnlich  herpetischen  Vesikeln  und  Sagokömern,  theils  isolirt,  theils 


1 20  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

mannigfietch  gruppirt  erscheinen.  2.  Kleine  Papeln,  3.  Kleine  Papeln  mit 
vesikulöser  Kuppe,  die  die  Tendenz  haben,  vesiladöser  zu  werden,  jo 
weiter  die  Entwicklung  fortschreitet.  4.  Kleine  Papeln  oder  Yesikeln,  die 
sich  schliesslich  analog  dem  Angiokeratom  mit  Keratosis  vergesellschaften 
und  sich  5.  sogar  mit  Pachydermie  und  localisirter  Elephantiasis  verbinden 
können.  Auf  eine  eingehende  Besprechung  der  zahlreichen  Varietäten 
dieser  Affection  und  auf  eine  Wiedergabe  des  grossen  eigenen  und 
vergleichsweise  herangezogenen  casuistischen  Materials  müssen  wir  an 
dieser  Stelle  verzichten.  Hauptsächlich  scheint  die  britische  Race  der 
Träger  dieser  Affection  zu  sein. 

Was  die  Histologie  der  Affection  betrifft,  so  ist  in  einigen  Fällen 
dafi  Epithellager  comprimirt  und  verkleinert,  in  anderen  sin*^.  die  intei^ 
papillären  Zapfen  stark  verlängert  und  senken  sich  in  die  Septa  zwischen 
den  grösseren  Lymphcysten  ein;  manchmal  ist  das  Rete  Malpighii  nicht 
verändert,  manchmal  bis  auf  ein  oder  zwei  Zelllager  reducirt  oder  in 
eine  grosse  umgewandelt.  Nicht  selten  findet  sich  eine  Zunahme  des 
Pigments.  Das  Stratum  comeum  ist  entweder  intact  oder  verdickt, 
speciell  um  die  Orificien  der  Haarfollikel  herum.  Diese  letzteren  sind 
manchmal  verdickt  und  zeigen  grosse  Unregelmässigkeiten  an  den 
Wurzelscheiden.  Viele  enthalten  2 — ^5  Haare  und  einige  Acari  folli- 
culorum.  Die  Veränderungen  im  Corium  betreffen  hauptsächlich  die 
papilläre  und  subpapilläre  Schicht  und  zwar  die  Lympfgefasse ,  Blut- 
gefässe und  das  Bindegewebe.  Man  findet  a)  dilatirte  Lymphgefasse 
in  der  Subpapillarschicht  mit  gelegentlichen  Varicositäten,  b)  gleich- 
massige  dilatirte  Gefasse  im  Papillarlager,  welche  geschlossene  Knäuel 
bilden,  e)  grössere  Höhlungen,  besonders  in  der  Papillarschicht,  welche 
Bläschen  bilden.  Diese  entwickeln  sich  durch  gleichmässige  Vergrösserung 
der  Lymphgefasse,  indem  sie  die  dünnen  Septa  zwischen  den  Knäueln 
durchbrechen.  Die  Lymphgefasse  und  Höhlungen  sind  mit  einem  Endothel 
austapezirt,  welches  entweder  wie  normal,  abgeplattet  sein  kann  oder 
einen  mehr  proliferirenden  Charakter  darbietet  mit  einer  geringeren  Ab- 
plattung des  Zellkörpers  und  einer  dichtgedrängten  Anhäufung  von 
Zellen.  Riesenzellen  und  Kemfiguren  sind  nur  spärlich  vorhanden.  Der 
Inhalt  der  Lymphräume  besteht  aus  fein  granulirtem  coagulirtem  Material, 
gelegentlich  aus  feinen  Fibrinfaden,  in  einigen  findet  sich  eine  Mischung 
von  Blut  und  Lymphe  oder  Blut  allein.  Das  Bindegewebe  der  Cutis  ist 
zellreich,  besonders  in  der  Umgebung  der  Blut-  und  Lymphgefasse.  Die 
Infiltration  besteht  aus  runden,  ovalen  und  Spindelzellen,  einzelne  mit 
fettigem  Inhalt  oder  Pigment.  In  einigen  der  Zellmassen  sieht  man  feine 
Spalten,  welche  junge  Lymph-  oder  Blutgefässe  zu  sein  scheinen,  Lymphe 
oder  Blut  enthalten  und  derer  Wände  aus  Zellmassen  gebildet  sind.  Dass 
die  Veränderungen  in  den  Lymphgefässen  immer  einen  embryonalen 
Ursprung  haben,  scheint  nicht  nothwendig,  denn  Lymphgefasse  ebenso 
wie  Blutgefässe  können  sich  auch  in  chronischen,  entzündlichen  Ge- 
schwülsten bilden. 


der  Dermatologie.  121 

In  Analogie  zu  der  postgenitalen  Entwicklung  mancher  Häman- 
giome (Angiokeratoma  und  Angioma  serpiginosum)  und  zu  dem  ge- 
legentlich vorkommenden  postgenitalen  Wachsthum  der  Haemangiome 
scheint  es  logisch,  auch  ein  postgenitales  Entstehen  und  Wachsthum 
der  Lymphangiome  anzunehmen.  Ja  es  können  sogar  Lymphangiome  sich 
in  dem  an  Lymphgefassen  armen  Unterhautfettgewebe  entwickeln  und 
zwar  so  schnell,  dass  man  nothwendiger  Weise  an  eine  Neubildung  denken 
muss ;  auch  findet  man  dilatirte  Lymphgefasse  an  den  Spitzen  der  Papillen, 
welche  normaler  Weise  keine  Lymphgefasse  enthalten,  wie  denn  auch  die 
mikroskopische  Untersuchung  in  den  Zellinfiltrationen  neugebildete  Blut- 
und  Lymphcapillaren  zeig^. 

Am  ScUuss  bespricht  Yerf.  jene  Gruppe  von  cutanem  Lympangioma, 
bei  welcher  es  zu  einer  Hyperplasie  des  fibrösen  Gewebes,  zu  einer  loca- 
lisirten  Elephantiasis  kommt.  Ledermann. 

(5)  Murray  gibt  in  kurzer  Zusammenfassung  die  Theorie  der 
Function  der  Schilddrüse  und  die  Behandlung  bei  Fehlen  derselben.  Die 
normale  Gland.  thyreoid.  hat  die  Aufgabe,  ein  Secret  zu  liefern,  das  für 
die  Aufrechterhaltung  der  Gesundheit  nöthig  ist.  Ist  dieses  Secret,  sei  es 
in  Folge  einer  Erkrankung  der  Drüse  oder  deren  Entfernung  nicht  mehr 
in  genügender  Menge  vorhanden,  so  stellt  sich  ein  Zustand  ein,  den  man 
jetzt  als  Myxoedem,  Cretinismus  oder  Gachexia  strumipriva  gut  kennt. 
Die  Intensität  der  Symptome  schwankt,  je  nachdem  mehr  oder  weniger 
secemirendes  Gewebe  ausgefallen  ist.  Die  Functionen  des  normalen  Schild- 
drüsensaftes können  nun  ersetzt  werden  durch  Secret,  das  man  aus  der 
Thyreoidea  eines  gesunden  Schafes,  Ferkels  oder  einer  Kuh  erhält,  sei  es 
dass  man  es  unter  die  Haut  i^jicirt  oder  per  os  gibt,  und  durch  Darrei- 
chung dieses  Saftes  beseitigt  man  die  krankhaften  Erscheinungen,  sofern 
nicht  unheilbare  Degenerationen  eingetreten  sind.  Das  Mittel  hat  man 
bekanntlich  (siehe  auch  Ref.  in  diesem  Archiv)  in  verschiedener  Form 
gegeben.  Zur  subcutanen  Injection  ist  am  empfehlenswerthesten  ein  Gly- 
cerinextract  aus  Schafsthyreoidea.  Dieses  Extract  besteht  aus  Saft  der 
Thyreoidea,  Glycerin  und  einer  0,5^0  CarboUösung  zu  gleichen  Theilen. 
Es  kann  in  Doseii  von  5 — 15  Minims  injicirt  werden  (1  Minim  =  0,000059 
Liter).  Interne  gibt  man  das  Extract  in  derselben  Concentration,  doch 
ohne  Carbolsäure.  Ebenso  hat  man  rohe  und  leicht  gekochte  Thyreoidea 
mit  gutem  Erfolge  gegeben,  aber  in  dieser  Form  ist  es  nicht  vortheilliaft, 
da  leicht  gastro-intestinale  Störungen  entstehen.  Aus  frischer  Drüse  aus- 
gepresster,  mit  Wasser  vermischter  Saft  ist  ebenfalls  zur  subcutanen  In- 
jection verwandt  worden;  femer  ein  aus  der  Drüse  hergestelltes  Pulver 
und  endlich  auch  das  weisse  Präcipitat,  das  man  erhält,  wenn  man  dem 
Extracte  Alkohol  zusetzt.  Alle  diese  verschiedenen  Präparate  sind  erfolg- 
reich. Die  Behandlung  selbst  zerfallt  in  zwei  Stadien.  Im  ersten  handelt 
es  sich  darum,  die  Symptome  der  Krankheit  zu  beseitigen,  im  zweiten 
den  Patienten  in  dem  erreichten  guten  Zustand  zu  erhalten.  Letzteres 
kann  nur  durch  fortgesetzten,  und  zwar  für  die  ganze  fernere  Lebens- 
zeit fortgesetzten  Gebrauch  irgend  eines  Thyreoideapraparates  geschehen. 


122  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Im  ersten  Stadium  ist  Vorsicht  geboten,  nicht  zu  schnell  die  Besserung 
eintreten   zu   lassen,    da,    zumal   bei   bestehenden  Anzeichen  von   Herz- 
oder Gefassdegeneration   leicht  Synkope   eintritt.   Unter  Umstanden   ist 
Bettruhe   nöthig,    um  dem   geschwächten  Herzen  jede  ungewohnte   An- 
strengung zu    ersparen.     Dieses   erste   Stadium   beansprucht   gewöhnlich 
6 — 12  Wochen.    Es    hat  sich   als  zweckmässig  herausgestellt,   langsam 
10 — 15  Minims   2 — 3mal  wöchentlich  zii  injiciren,   nachdem  Spritze  und 
Haut  mit  6*/o  CarboUösung  gereinigt  sind.    Ist  das  Extract  Ton  Anfang 
per  OS  gegeben   worden,    so   sind   kleine,  tägliche  Dosen   vom   besten 
Erfolge  begleitet,  nämlich  5 — 15  Minims  jeden  Morgen  2 — 3  Stunden  nach 
dem  Frühstück  in  etwas  Wasser  genommen.  Je  nachdem  keine  Besserung 
oder  Pulsbeschleunigung  auftritt,  muss  die  Dosis  beträchtlich  erhöht  oder 
vermindert  werden.    Die  Veränderungen   in  der  Temperatur,   dem  Puls, 
Gewicht,  Aussehen  und  Empfinden  des  Patienten  sind  wichtige  Merkmale 
für  die  zu  verordnende  Dosis.  Da  bei  fast  allen  Fällen  von  Myxödem  die 
Temperatur  subnormal  ist,    so   ist    die   Temperatursteigerung   eines    der 
frühesten  Anzeichen  der  Besserung.   Eine  plötzliche  Temperatursteigerung 
ist  —  wofern  nicht  eine  locale  Ursache  vorhanden  —  durch  eine  zu 
grosse  Dosis  bedingt.   Eine  Beschleunigung  des  Pulses,  die  nicht  im  Ver- 
hältniss   zu  der  Temperatursteigerung  steht,   ist  eine  Indication,  dass  die 
Dosis   vermindert   werden  muss.    Beim  Beginn  des   IL  Stadium  hat  man 
die    kleinste    Dosis    zu    bestimmen,    die    die   Gesundheit    des   Patienten 
aufrecht  erhält.    Hierbei  unterstützt  uns  die  Temperatur  wesentlich,    da 
diejenige  Dosis,    die  die  Temperatur  eben  auf  dem  Normalen,  jedenfalls 
über  97*  F.  erhält,  genügt,  den  Patienten  bei  Wohlsein  zu  erhalten.    Bei 
Injectionen   entspricht    dem    meistens    15   Minims    einmal    wöchentlich. 
Doch  zieht  Verf.  in  diesem  Stadium  die  Darreichung  per  os  vor.   Tägliche 
kleine   Dosen   per  os   sind  grösseren  in   längeren   Zwischenräumen    vor- 
zuziehen,  doch  muss  man  pro  Woche  3 — 4mal  so  viel  geben  als  bei  In- 
jectionen nöthig  wäre,  um  den  gleichen  Effect  zu  erzielen.  —  Verf.  theilt 
einen  neuen  Fall  von  Myxödem  mit,   der    so    behandelt  wurde  und  in 
bestem  Wohlsein    blieb.    Daran   anknüpfend   erwähnt  er,   dass  Cachexia 
strumipriva,  der  sporadische  Gretinismus  und  sogar  der  endemische  Cre- 
tinismus  genau  so  zu  behandeln  seien  wie  Myxödem.  Da  nach  Darreichung 
des  Saftes   der  Thyreoidea  der  allgemeine  Metabolismus  der  Gewebe  ge- 
steigert ist,    was  seinen   äusseren   Ausdruck  findet   in  der  besseren  Er- 
nährung der  Haut   und  Haare,   so  hat  man  auch  versucht,  Hautkrank- 
heiten so  zu  behandeln.  Bramwill  will  bei  Psoriasis  einen  guten  Erfolg 
gehabt  haben,  dem  Verf.  glückte  dies  aber  bei  Psoriasis  ebensowenig  als 
bei  Akromegalie.  Sternthal 

(8)  Bei  einem  kräftigen  jungen  Manne  entwickelte  sich  auf  einer  seit 
Jahren  bestehenden  Schwiele  der  Handfläche  eine  Ulceration ;  später  traten 
längs  der  Lyrapfgefasse  unter  der  Haut  vollständig  bewegliche  Knoten 
auf,  die  sich  vergrösserten,  mit  der  Haut  und  unter  einander  vei*wuchsen 
lind  durchbrachen.  Die  Substanzverluste  bekamen  buchtige  Ränder  und 
einen  unebenen,  höckerigen,  bei  der  leisesten  Berührung  blutenden  Grund. 


der  Dermatologie.  123 

Weiters  entwickelte  sich  eine  diffuse  Infiltration  der  Haut  der  ganzen 
Extremität,  in  welcher  die  Geschwulstknoten  sich  kaum  mehr  gesondert 
erkennen  Hessen.  Gomplicirende  Eiterung  und  mehrfach  intercurrirende 
Erysipele.  Tod  durch  eine  Pleuritis  (Streptococcen).  Die  Section  zeigte 
auch  Knoten  an  der  Pleura  und  in  den  Nieren.  Durch  Impfungsversuche 
und  histologische  Untersuchungen  konnten  die  Verf.  Tuberculose  und  Rotz 
ausschliessen,  sowie  die  Sarcommatur  der  Affoction  sicherstellen.  Sie 
kommen  zu  dem  Schlüsse,  dass  sarcomatuse  Geschwülste  durch  Jahre 
auf  eine  Extremität  beschränkt  bleiben  können,  sich  längs  der  Lymph- 
gefasse  und  -Drüsen  weiter  verbreiten,  und  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit 
tuberculösen  Lymphangitiden  besitzen  können,  von  denen  sie  sich  durch 
die  unaufhörlichen  Blutungen  unterscheiden.  Der  Grund  der  letzteren  ist 
die  Verstopfung  der  Gefasse  durch  Gescbwulstmassen  und  die  hiedurch 
bedingte  Gewebsdegeneration.  Winternitz. 

(9)  Martin  stellt  eine  40jährige  Frau  vor,  die  seit  V4  Jahren  an 
Geschwulstbilaungen  des  Gesichts  und  des  linken  Armes  leidet.  Nebenbei 
stehen  an  verschiedenen  Stellen  Lymphdrüsenschwellungen.  Von  den 
letzteren  wurden  einige  behufs  mikroskopischer  Untersuchung  exstirpirt. 
Der  Befund  ergab  ein  aus  Rund-  und  Spindelzellen  gemischtes  Sarcom. 
In  der  Discussion  erwähnt  Mikulicz,  dass  er  geneigt  sei,  die  multiplen 
Hautsarcome  von  den  eigentlichen  Sarcorogeschwülsten  zu  trennen,  da 
es  sich  bei  der  Verbreitung  derselben  um  typische  Geschwulstmetastasen 
nicht  handelt.  Es  läge  nahe,  die  Affection  als  eine  Allgemeinerkrankung 
aufzufassen,  die  wahrscheinlich  den  infectiösen  Granulationsgeschwülsten 
zugezählt  werden  müsse.  0.  Rosenthal. 

(10)  Neisser  stellt  die  Patientin  mit  Mycosis  fungoides  noch 
einmal  vor,  da  dieselbe  6—8  Stunden  nach  jedesmaligem  Gebrauch  von 
Jodkali  sehr  zahlreiche,  erst  zinnoberrothe,  später  braunrothe,  tagelang 
bestehende  Flecke  und  Erhebungen  bekam,  bei  denen  es  sich  um  eine 
Extravasation  von  rothen  Blutkörperchen  handelte.  An  anderen  Stellen 
traten  Bläschen  auf,  die  von  einem  ähnlichen  rothen  Hof  umgeben  waren. 
Die  mycotischen  Tumoren  selbst  waren  geschwollen,  geröthet  und 
schmerzhaft.  Das  Bild  erinnert  an  eine  lo(^ale  Tuberculinreaction.  Die 
Patientin  gibt  an,  dass  sie  schon  früher  nach  Joikali  ähnliche  Eruptionen 
gehabt  habe  und  dass  die  knotigen  Neubildungen  sich  in  Folge  dessen 
verkleinert  hätten.  Auch  bei  stärkerer  Abkühlung  zeigt  sich  eine 
ähnliche  Irritabilität,  wenngleich  in  geringerem  Grade. 

0.  Rosenthal. 

(11)  Neisser  stellt  eine  dreissigjährige  Patientin  vor,  die  seit  2'/, 
Jahren  an  einer  Mycosis  fungoides  ohne  ekzematöses  Vorstadium  leidet, 
und  spricht  sich  dahin  aus,  dass  er  die  Affection  trotz  der  bisherigen 
mangelnden  positiven  Befunde  zu  den  infectiösen  Granulationsgeschwülsten 
rechne.  Zu  der  von  Mikulicz  aufgeworfenen  Frage,  ob  die  multiple 
Sarcomatose  nicht  überhaupt  auf  eine  Infection  zurückzufahren  sei,  be- 
merkt N.,  dass  er  bei  den  Sarcomen  eher  an  eine  infectiöse  Aetiologie 
glaube,  als  bei  den  Garcinomen.    Bei  letzteren  habe  er  trotz  reichlicher 


124  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Untersuchungen  bisher  nichts  finden  können,  was  die  parasitäre  Aetiologie 
erweisen  könne.  0.  Rosenthal. 

(12)  Lassar  hat  drei  Fälle  von  Hautkrebsen  ohne  irgend  welche 
örtliche  Eingriffe  durch  die  innerliche  Medication  von  Liq.  kali  arsenicos. 
zur  Vemarbung  gebracht.  Der  erste  Fall  betrifft  eine  Frau  von  75  Jahren, 
die  im  October  v.  J.  mit  einem  Tumor  von  der  Grösse  einer  halben  Wall- 
nuss  auf  der  linken  Wange  in  Behandlung  kam.  Die  Geschwulst  hatte 
sich  innerlich  6 — 8  Monaten  entwickelt  und  war  nur  an  einer  kleinen 
Stelle  erodirt.  Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigte  eine  atypische 
Epithelwucherung  mit  Zapfenformation  und  Epithelkugeln.  Die  Patientin 
erhielt  Liq.  kal.  arsenicos.  mit  Aq.  menth.  piper.  aa  3mal  tägl.  5  Tropfen. 
Anfang  December  war  die  G^chwulst  geschrumpft  und  vnmarbt.  Seit 
einem  halben  Jahr  hat  sich  an  dem  Status  nichts  geändert.  —  Der  zweite 
Fall  betrifft  eine  Dame  mit  einem  Ulcus  rodens  auf  dem  Nasenrücken. 
Dieselbe  wurde  innerlich  und  subcutan  behandelt.  Seit  4  Monaten  ist  die 
Geschwulst  vernarbt.  —  Der  dritte  Fall  betrifft  einen  Bahnarbeiter  von 
66  Jahren  mit  einem  Tumor  am  linken  Nasenflügel,  der  sich  seit  länger 
als  einem  Vierteljahr  entwickelt  hatte.  Das  Mikroskop  erhärtete  die  Dia- 
gnose. Die  Involution  wurde  ebenfalls  durch  innerliche  Darreichung  von 
Sal.  Fowleri  erzielt.  0.  Rosenthal. 

In  der  Discussion  erinnert  Köbner  an  die  Angaben  Esmarch's 
aus  dem  Jahre  1877  über  die  sehr  alte  Anwendung  des  Arseniks  gegen 
verzweifelte  Fälle  von  Carcinomen  und  betont  die  Aehnlichkeit  von 
manchen  seborrhoischen  Krusten  mit  Hautkrebsen.  Ebensowenig  wie  alle 
atypischen  Epithel  Wucherungen,  besonders  der  Haut  mit  GMH;inomen  zu 
identificireu  seien,  ebensowenig  scheinen  K.  bei  der  Kürze  der  Beobach- 
tungszeit die  vorgestellten  Fälle  beweisend.  Auffallend  seien  auch  die 
geringen  Dosen  und  die  kurze  Dauer  der  Behandlung.  Der  dritte  von  L, 
vorgestellte  Fall  sei  bestimmt  noch  nicht  geheilt  K.  vertrittt  daher  mit 
Energie  den  chirurgischen  Standpunkt. 

v.  Bergmann  spricht  sich  ebenfalls  mit  Entschiedenheit  zu  Gun- 
sten eines  operativen  Vorgehens  aus.  Er  hält  bei  zeitiger  Operation  der 
Gesichtscarcinorae  ein  Recidiv  fast  für  eine  Ausnahme.  Bei  der  Behand- 
lun;r  von  Carcinomen  muss  man  auf  die  spontanen,  in  den  Structurver- 
hälrnisseu  bedingten  Vemarbungsvorgänge  im  Centrum  und  an  der  Obei>- 
fläche  der  Geschwulst,  welche  durch  Vermeidung  jeglichen  therapeutischen 
Beizes  begünstigt  werden,  besonders  achten.  Auch  ist  der  Unterschied 
des  bösartigen  Charakters  der  Gewächse  ein  sehr  bedeutender,  da  es  gar 
nicht  selten  vorkommt,  dass  Carcinome  in  der  Temporalgegend  18—20 
Jahre  bestehen.  Derartig  langsam  wachsende,  aus  harten,  sich  zum  Theil 
selbst  involvirenden  Knötchen  bestehenden  Geschwülste  können  und  sind 
als  Lupuscarcinome  gedeutet  worden.  Verschwindet  ein  Krebs,  was  zu- 
weilen vorkommt,  vollständig  oder  nur  im  Centrum,  so  bilden  sich  für 
gewöhnlich  accessorische  Herde  in  der  Umgebung  oder  in  den  benach- 
barten Lymphdrüsen,  die  eine  Zeit  lang  der  Beobachtung  entgehen  können. 
Auch  V.Bergmann  erinnert  an  die  klinische  und  mikroskopische Aehn- 


der  Denuatologie.  125 

liühkeit  von  Talgdrüsenadenomen  mit  Gesichtscarcinomen  und  führt  dar- 
auf die  besonders  in  den  50er  Jahren  gerühmte  Wirkung  von  Kali  chloric- 
Umschlägen  zurück.  Kurzum,  die  innere  Medication  sollte  nur  für  inope- 
rable Carcinome  in  Betracht  kommen.  0.  Rosenthal. 

(13)  Supino  untersuchte  den  Harn  einer  33jährigen  Frau,  die  an 
Morb.  Addis,  erkrankt  war,  nach  eigener  und  fremder  Methode  auf  Neurin, 
erhielt  jedoch  stets  ein  negatives  Resultat;  der  Harn  zeigte  beim  Thier- 
experiment  keine  giftigeren  Eigenschaften  als  gewöhnlicher  Harn.  Nach 
diesen  Versuchen  und  aus  den  klinischen  Beobachtungen  zieht  er  folgende 
Schlüsse : 

1.  Beim  Morb.  Addis,  sowie  auch  bei  jenen  Krankheiten,  welche 
nach  der  Exstirpation  einer  oder  beider  Nebennieren  eintreten,  handelt 
es  sich  um  Autointoxication  mit  einer  oder  mehreren  Substanzen,  die 
man  noch  nicht  kennt,  sicher  nicht  um  Neurin. 

2.  Das  symptomatische  Krankheitsbild  hängt  von  Verletzungen  des 
Nervensystems  ab,  welche  in  Folge  allmäliger  Wirkung  der  im  Blute 
kreisenden  giftigen  Substanzen  entstehen ;  nur  in  den  ausnahmsweise  rapid 
verlaufenden  Formen  können  die  Vergiftungssymptome  vorherrschen, 
während  die  Pigmentation  und  die  charakteristischen  anatomischen  Ver- 
änderungen fehlen. 

3.  Auch  ohne  Verletzung  der  Nebennieren  kann  das  vollständige 
Krankheitsbild  entstehen;  in  diesen  Fällen  können  die  Verletzungen  im 
Nervensystem,  welche  das  anatomische  Substrat  der  Krankheit  bilden,  als 
primäre  betrachtet  werden,  ohne  dass  der  abnormale  Reiz  seinen  Ursprung 
von  einer  Veränderung  der  Nebennieren  in  ihrer  Structur  oder  in  ihrer 
reinigenden  Function  haben  würde.  Spietschka. 


Parasiten  und  parasitäre  Affectioneu. 

1.  Sabraz^S,  J.  Favus  beim  Menschen,  Huhne  und  Hunde.  Annales  de 
Derraat.  et  de  Syphil.  1893,  p.  340—346. 

2.  Sabourand,  R.  Beitrag  zum  Studium  der  menschlichen  Trichophytie. 
Annales  de  Dermat.  et  de  Syphiligr.  1892,  p.  1061. 

3.  Sabourand,  R.   Beitrag  zum  Studium  der  menschlichen  Trichophytie. 
2.  Mittheil.  Annales  de  Dermat.  et  de  Syphil.  1893,  p.  116. 

4.  Sabouraiifl,  R.  Zur  Hypothese  über  die  saprophytische  Existenz  der 
Trichophytonarten.  Annales  de  Denn,  et  de  Syphil.  1893.  561—566. 
Sabrazes  hat  in  17  Fällen  von  Favus  des  Menschen  stets  nur  eine 
und  dieselbe  Pilzart  nachweisen  können,  welche  mit  der  von  Kral,  Plaut 
und  Mibelli  gezüchteten  identisch  war.  Favus,  den  er  von  einer  Affection 
des  Hahnenkammes  züchtete,  erwies  sich,  nach  Haftung,  culturellen  Eigen- 
schaften und  botanischer  Stellung  als  von  dem  ersten  verschieden.  Bei 
der  Maus  erzeugte  er  Scutula  und  führte  zur  Zerstörung  tieferer  Theile 
(Ohrknorpel),  beim  Menschen  bewirkte  er  jedoch  nur  erythematöse,  schup- 
pende Plaques. 


126  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Ein  vom  Hunde  stammenderi  rein  gezüchteter  Favus,  von  den  zwei 
vorhergehenden  ebenfkiUs  verschieden,  fahrte,  obzwar  vereinzelt,  zur  Scutu- 
lumentwicklung  auf  der  menschlichen  Haut;  seine  culturelle  Rückimpfuag 
reprodicirte  wieder  den  ursprünglichen  Hnndefavus.  Sabrazes  spricht 
sich  gegen  die  von  Unna  u.  Xeebe  behauptete  Vielheit  der  Favnsarten 
beim  Menschen  aus.  Winternitz. 

(2)  Auf  Grund  von  eingehenden  Untersuchungen  der  bei  der  mensch- 
lichen Trichophytie  vorfindlichen  Sitze  kommt  Sabourand  zu  folgenden 
Schlüssen. 

1.  Die  Parasiten,  welche  die  menschliche  Trichophytie  erzeugen, 
gehören  zur  Art  Botrytis  (Classe  Mucedo),  sind  somit  verwandt  mit  den 
Botrytisformen,  welche  gewisse  Erkrankungen  der  Seidenraupen  (Muscardine) 
und  der  Maikäferlarven  hervorbringen. 

2.  Es  gibt  sehr  reichliche  Arten  Trichophytie  erzeugender  Pilze. 

3.  Zwei  davon  sind  die  gewöhnlichen  Ursachen  der  menschlichen 
Mycose. 

tt)  Die  eine,  welche  kleine  Sporen  von  3  /i  im  Durchmesser  (ohne 
Mycelium  innerhalb  der  Affection)  bildet,  wird  meist  nur  an  behaarten 
Partien  gefunden.  Sie  ist  die  gewöhnliche  Ursache  der  schweren,  recidivi- 
renden  und  decalvirenden  Trichophytien  des  Kindesalters.  Die  Sporen  er- 
füllen die  Haare  und  scheiden  dieselben  ein. 

b)  die  zweite  Art  ist  durch  grosse  Sporen,  7 — 8  f*  im  Durchmesser, 
welche  in  Faden  vereinigt  sind,  gekennzeichnet.  Man  trifft  sie  in  dO*/o 
der  Mycosis  tonsurans  des  Kindesalters,  fast  immer  bei  der  Trichophytie 
des  Bartes  und  der  kreisförmigen  Flechte  der  allgemeinen  Hautdecke, 
speciell  bei  Fällen,  die  sich  an  eine  Trichophytie  des  Bartes  und  der  Haare 
anschliessen.  Ihr  äusserst  ähnlich  und  nur  durch  culturelle  Eigenschaften  ge- 
schieden, ist  eine  andere  grosssporige  Art,  die  ebenso  häufig  bei  den 
kreisförmigen  Mycosen  der  allgemeinen  Hautdecke  vorkommt.  Eine  zweite 
grosssporige  Art,  die  sich  durch  Ungleichheit  der  Sporengrösse  und  Fehlen 
von  Mycelien  unterscheidet,  wurde  nur  ein  einzigesmal  bei  einer  decal- 
virenden Flechte  eines  Kindes  gefunden. 

Zwei  Trichophytonarten,  die  gelegentlich  gefunden  und  isolirt  wurden 
von  denen  die  eine  schwarze,  die  andere  rothe  Culturen  bildet,  scheinen 
nur  zufallige  Befunde  beim  Menschen  gewesen  zu  sein. 

Bei  der  Inoculation,  die  von  S.  mit  den  Culturen  der  ersten  vier 
(bei  der  menschlichen  Trichophytie  gewöhnlich  vorhandenen)  Pilzarten 
vorgenommen  wurden,  constatirte  er  ein  sehr  häufiges  Fehlschlagen  der 
Impfung.  Er  empfiehlt  die  Impfgegend  sorgfaltig  zu  sterilisiren,  die  Impfung 
mit  Stich  vorzunehmen  und  die  Keaction  des  Schweisses  durch  Zufuhr 
von  doppeltkohlensaurem  Natron  alkalisch  zu  machen. 

Die  beim  Menschen  vorkommenden  Trichophytonarten  sind  von 
einander  verschieden,  in  ihren  kennzeichnenden  Merkmalen  stetig;  ein 
Uebergang  der  einen  in  die  andere  Art  ist  nicht  zu  erzielen. 

Winternitz. 


der  Dermatologie.  127 

(8)  In  weiterer  Verfolgung  seiner  schon  früher  referirten  Untersu- 
chungen über  die  Trichophytie  erörtert  Sabourant  die  Frage  nach  der 
Identität  der  grosssporigen  Trichophyten.  Er  kommt  zum  Schlüsse,  dass 
man  auf  günstigen  und  chemisch  constanten  Nälirböden,  als  deren  bester 
sich  ihm  2 — 37o  Zuckermaltose,  mannithaltige  Biermalzgelatine  erwiesen, 
rund  neunzehn  Arten  (especes)  von  grosssporigem  Trichophyton  unter- 
scheiden könne,  deren  Specificität  durch  die  Beständigkeit  der  Charaktere 
und  die  Unmöglichkeit,  letztere  zu  modificiren,  gegeben  ist.  Mit  Aus- 
nahme zweier  makroskopisch  differencirbarer  Formen  sei  es  klinisch  kaum 
möglich,  die  Trichophytien  des  Haares  mit  blossem  Auge  der  Art  nach 
diagnostisch  zu  bestimmen.  Auf  dem  behaarten  Kopfe  charakterisire  sich 
die  Trichophytie  des  Pferdes  durch  Zuge  mit  tiefer  Dermatitis,  d.  i.  die  als 
Kerion  Celsi  bekannte  Affection,  diejenige  der  Katze  durch  grössere  Aus- 
breitung, nicht  so  scharfe  Begrenzung  und  lebhafte  an  Verbrennung  erin- 
nernde Hautentzündung  (feinste  Bläschen).  Andere  specielle  Formen  der 
Haartrichophytie,  deren  Anzahl  bisher  nicht  bekannt  ist,  und  die  man 
makroskopisch  nicht  zu  unterscheiden  vermag,  sind  mikroskopisch  durch 
ein  besonderes  Bild  der  Pilze  gekennzeichnet.  Von  der  Trichophytie  der 
allgemeinen  Decke  ist  die  Mehrzahl  der  Arten  ebenso  charakteristisch  wie 
ihre  auf  besonderen  Nährböden  gewonnenen  Gulturen.  Die  folliculäre 
Trichophytie  (folliculite  agminee  trihophytique)  ist  durch  das  Trichopb. 
des  Pferdes,  die  schnell  sich  verbreitende  circinäre  Form  (Trichopb. 
circininee  dysidrosiforme)  ist  durch  ein  besonderes,  wahrscheinlich  der 
Katze  entstammendes  Tr.  erzeugt.  Aehnlichkeit  und  Ungleichheit  der 
Trichophytien  erklären  sich  durch  die  Analogie  der  sie  erzeugenden 
Parasiten,  die  gleichwohl  keine  Identität  bedeutet. 

(4)  Zur  Stütze  der  Hypothese,  dass  die  Trichophytonarten  auch  sapro- 
phytisch  vorkommen  können,  macht  Sabourand  folgende  Gründe  geltend: 

1.  Das  Trichophyton  erlangt  auf  der  Haut  keineswegs  jenen  Ent- 
wicklungsgrad, wie  auf  künstlichen  Nährböden.  Es  wird  also,  da  es  be- 
deutend bessere  Emährungsbedingungen  ausserhalb  des  parasitischen 
Lebens  findet,  wohl  auch  saprophytisch  existiren. 

2.  Für  seine  saprophytische  Existenz  spricht  auch  die  Analogie 
mit  anderen  Pilzen,  wie  dem  AspergiUus  fumigatus,  der  Botrytis  Bassiana, 
die  sogar  zum  Theil  früher  als  Saprophyten  denn  als  Parasiten  bekannt 
waren. 

3.  Man  kann  das  Trichophyton  auf  verschiedensten  natürlichen, 
nicht  weiter  sterilisirten  Nährböden,  als  Humus,  Treibhauserde,  faulem 
Holz,  Samenkörnern  und  auch  in  Flüssigkeiten,  die  bloss  Mineralsalze 
enthalten,  züchten.  Winternitz. 


Venerische  Krankheiten. 

{Kedigirt  von  Prof.  Nei89<er  und  Primararzt  Jadafsohn  in  Breslau.) 


Varia, 

1.  Kopp,  Carl,  lieber  die  Verwendung  des  Europhen  (Isobutylorthocresol- 
jodid)  in  der  venereologischen  Praxis.  Therap.  Monatsh.  1893.  Heft  III. 

2»  Eiehhoff,  P.  J.  Ueber  meine  weiteren  therapeutischen  Erfahrungen 
mit  Europhen.  Therap.  Monatsh.  1893,  Heft  1. 

S.  Rogner,  v.  Ueber  Wundbehandlung  mit  Dermatol.  Wiener  medicin 
Presse.  1891.  33. 

4.  Meisels,  W.  Das  Comutin  als  Hämostaticum  bei  Blutungen  derHam- 
und  Sexualorgane.  Gyogyaszat  1891.  Nr.  32. 

h.  De  i*exalgi]ie.  Revue  de  therapeutique.  Ann.  gen.-ur.  1892,  p.  803. 
ß.  Wells.    Notes  on  use  of  cocaine  in  genital  irritation  of  men.    The 

Therapeutic  Gazette.  Mai  1892. 
7.  Binet,  P.    Sur  une  substance  thermogene  de  Purine.    Joum.  pharm« 

et  chim.   1.  Oct.  1891,  p.  302.   C.  R.  Acad.  des  soiences.  C.  XIH.  207. 

Ref.  Ann.  gen.-ur.  1892,  p.  561. 

5.  Variot  und  Besaazon.  Influence  de  la  secretion  testiculaire  sur  le 
developpement  organique:  independance  de  cette  fonction  et  de  la 
Spermatogenese  dans  certains  cas.  Gazette  med.  de  Paris.  1892.  25.  Mai. 
Ref.  Ann.  gen.-ur.  1892,  p.  526. 

9.  Vialieton.  La  Spermatogenese  chez  les  mammif^res  et  chez  Phomme. 
Lyon  medical.  Ref.  Ann.  gen.-ur.  1892,  p.  286. 

10.  Guelliot.  La  numeration  des  spermatozoides.  Ann.  gen.-Qr.  1892,  p.  27. 

11.  Lannegrace.  Difference  dans  les  fonctions  exeroees  sur  la  vessie  par 
les  nerfs  afferents  du  plexus  hypogastrique.  Acad.  des  sc.  28  Mars  1892. 
Ref.  Ann.  gen.-ur.  1892,  p.  557. 

12.  Delbet.  Quelques  recherches  anatomiques  et  experimentales  sur  la 
yessie  et  l'urethre.  Annales  gen.-ur.  1892,  p.  168. 

13.  niatthew».  The  etiology,  diagnosis  and  treatment  of  ulceration  of 
the  rectum.  The  Journal  of  the  Amer.  medical  associat.  14.  Oct,  1898. 

ArehiT  f.  Dermatol.  n.  Sypbil.  Band  XXYII.  9 


130  Beriebt  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

14.  Ottawa,   J.     Zur  Aetiologie   der  trachomatösen   Augenentzündung» 
Centralbl.  f.  prakt.  Augenheilkunde.  17.  Jahrg.  1893.  Juli,  p.  196. 

15.  Eustaee,  Marcus.  Three  cases  of  yenereal  disease.   Mission  Hospital* 
Quetta.  Beluchistan.   The  Brit.  Med.  Joum.   22.  April  1893. 

(1)  Kopp  hat  Fälle  von  Ulcus  moUe,  Bubonen  und  nässenden  sy- 
philitischen Papeln  mit  Europhen  behandelt.  Von  19  Fällen  von  Ulcus 
moUe  wurden  5  nach  Petersen  ausgekratzt  und  mit  Europhen -Bor- 
säurepulver (1:3)  verbunden.  Heilung  in  4  bis  11  Tagen.  In  den 
anderen  14  Fällen  wurden  die  Geschwüre  mit  1%«  Sublimatlösung  ge- 
reinigt und  dann  2 — 3  Mal  täglich  mit  Europhen-Boraäurepulver  bestreut. 
Heilung  durchschnittlich  nach  17  Tagen.  Die  Heilungsdauer  bei  ausge- 
kratzten Bubonen  schwankte  zwischen  14  und  32  Tagen,  wobei  sich  das 
Mittel  als  völlig  reizlos  erwies.  Die  Verwendung  desselben  zu  localen 
Zwecken  bei  nässenden  luetischen  Papeln  schien  Vorzüge  vor  der  von 
Kopp  sonst  geübten  Behandlung  mit  der  L ab arra quetschen  Lösung 
nicht  zu  haben.  Karl  Herxheimer. 

(2)  Eichhoff  hat  von  den  subcutanen  Injectionen  des  Europhens 
bei  Lues  deshalb  Abstand  genommen,  weil  es  zu  wenig  Jod  abspaltet, 
und  die  positiven  Erfolge  daher  den  eventuellen  Beschwerden  nidit  gleich 
kommen.  Dagegen  empfiehlt  er  es  als  locales  Mittel  bei  secundären 
syphilitischen  Affectionen.  Ausserdem  hat  Eichhoff  31  Fälle  von  ülcera 
mollia  mit  Europhen  bei  einer  durchschnittlichen  Heilungsdauer  von 
14  Tagen  behandelt,  ohne  dass  Bubonen  oder  locale  Reizungen  aufge- 
treten wären.  Nur  das  Ulcus  molle  elevatum  heilte  nicht  durch  alleinigen 
Europhengebrauch,  sondern  die  Wucherungen  mussten  ausserdem  mehr- 
mals mit  Lapis  geätzt  werden.  Karl  Herxheimer. 

(3)  V.  Rogner  hat  in  umfangreichem  Masse  in  der  chirurgischen 
Praxis  Dermatol  zur  Verwendung  gebracht.  Bei  Phlegmonen,  Verletzun- 
gen und  anderen  Fällen,  als  Streupulver,  in  Salbenform  und  als  Gollodium ; 
auch  hat  er  eine  Dermatolgaze  hergestellt. 

Stark  eiternde  Wunden  reinigten  sich  angeblich  in  überraschend 
kurzer  Zeit,  die  Secretion  nahm  schnell  ab.  Brandwtmden  heilten  unter 
dem  von  Dermatol  gebildeten  Schorf  schnell.  Auf  gesunde  Haut  in  der 
Umgebung  von  Wunden  hat  Dermatol  keinerlei  reizenden  Einfiuss.  Verf. 
hält  das  Dermatol  iur  dem  Jodoform  überlegen  wegen  seiner  Ungiftig- 
keit,  Geruchlosigkeit  und  adstringirenden  Eigenschaften.     A.  Brandt. 

(4)  Meiseis  überzeugte  sich  an  Thieren  von  der  hämostatischen 
Wirkung  des  Comutin,  gleichviel,  ob  es  per  os  gereicht  oder  in  die 
Blutbahn  direct  injicirt  wurde.  Im  Anschluss  hieran  wandte  Meiseis  das- 
Medicament  in  Dosen  von  einigen  Milligrammen  bei  Blutungen  in  Folge 
acuter  Gonorrhoea  urethrae,  Cystitis  etc.  stets  mit  promptem  Erfolge  an. 
Er  empfiehlt  deshalb  ebenso  wie  Lewitzky  (bei  Metrorrhagien)  das 
Cornutin   in  Dosen  von   0,015  pro  die  als  ausgezeichnetes  Hämostaticum.' 

Galewsky. 

(5)  Delefosse  bringt  einen  kurzen  Artikel  über  die  Literatur  des 
Exalgins  und  dessen  Wirkungen.   Er  glaubt,  dasselbe  bei  Neuralgien  der 


der  Syphilis,  131. 

Hamwege   empfehlen   zu   sollen  und  gibt  eine  Anzahl  Receptformulare 
mit  den  Namen  der  betreffenden  Autoren: 

1.  Dujardin-Beaumetz.  Exalgine  2,50  Gr.,  Alcoolat  de Menthe 
10,0  Gr.,  Eau  de  tilleul  120  Gr.,  Sirop  de  fleurs  oranger  30  Gr.  Im  Ess- 
löffel 0,25  Gr.  Exalgin. 

2.  Blancard.  (Pariser  Spitäler.)  a)  Sirop  aromatique  alcoolise, 
der  0,20  Exalgin  pro  Löffel  enthält  b)  Pastillen  jede  zu  0,05  Exalgin  mit 
0,018  Soda  in  Wasser  zu  lösen. 

3.  Bardet.  Exalgin  2,5—5,0  Gr.,  Rhum  20,0—30,0  Gr.,  Eau  di- 
stille  100,0  Gr.,  Sirop.  simple  30,0  Gr.  Im  Esslöffel  0,25  Gr. 

4.  Desire.  Exalgine  0,25—0,75,  Alcool  ä  90*  q.  s.  Sirop  diacode 
10,0  Gr.,  Eau  distülee  90.0  Gr. 

5.  Gorodichze.  Exalgine  0,80  Gr.,  Alcool  1,00  Gr.,  Eau  de  me- 
lisse  100,0  Gr. 

Dujardin-Beaumetz  giebt  0,25—0,40  Exalgin  auf  einmal  oder 
0,40—0,75  auf  2  Dosen  vertheilt  im  Tage.  Desnos  geht  auf  Tagesdosen 
bis  1,75  Gr.,  aber  die  Einzelgabe  überschreitet  0,25  Gr.  nicht.  Fräser 
verwendet  0,03 — 0,1  mehrmals  täglich.  Vorsicht  bei  Nierenerkrankungen  1 

Barlow 

(6)  Wells  hat  zur  Bekämpfung  von  schmerzhaften  Erectionen,  von 
Masturbation  und  Chorda  mit  sehr  gutem  Erfolge  Cocain  angewendet. 
Nach  dem  Uriniren  wird  Abends  eine  4%ige  Cocain  -  Losung  in  die 
Urethra  eingespritzt.  Lasch. 

(7)  Bin  et  hat  aus  dem  normalen  menschlichen  Harne  eine  fieber- 
erregende Substanz  in  folgender  Weise  gewonnen.  1  Liter  Harn  wird  mit 
Phosphorsäure  angesäuert,  dann  kommt  1 — 2  Cgr.  einer  concentrirten 
('hlorcalciumlösung  hinzu  und  darauf  wird  mit  Kalkwasser  und  Natron- 
lauge neutralisirt,  bis  ein  fleckiger  Niederschlag  entsteht.  Dieser  Nieder- 
schlag wird  dekantirt,  auf  einem  Filter  gesammelt,  mit  starkem  Alkohol 
gewaschen,  getrocknet  und  endlich  2 — 3  Tage  in  Glycerin  10  Cc.  zu 
12  Cc.  ausgezogen.  Das  4-  oder  öfache  Volum  Alkohol  zum  Glycerin- 
auijzug  zugesetzt,  gibt  einen  flockigen  sich  in  Wasser  lösenden  Niederschlag. 

Diese  Substanz  findet  sich  besonders  im  Harne  Tuberculöser,  aber 
sie  existirt  auch  im  Harne  von  anderen  Kranken  und  in  etwas  abge- 
schwächter Activität  bei  Gesunden. 

Besonders  reagiren  auf  subcutane  Injectionen  mit  Tuberculose  ge- 
impfte Meerschweinchen,  aber  auch  junge  gesunde  Thiere  und  säugende 
Weibchen. 

Die  Injection  ruft  eine  Erhöhung  der  Temperatur  um  1 — 2  Grad 
hervor.  Das  Maximum  der  Erhöhung  fallt  in  die  3.  Stunde  nach  der 
Injection,  und  das  Fieber  entsteht  durchschnitthch  in  der  2.  Stunde  und 
dauert  4-5  Stunden.  Barlow. 

(8)  Variot  und  Besanzon  glauben,  dass  auch  Hoden,  welche 
keine  Spermatozoen  hervorbringen,  nicht  ohne  Einwirkung  auf  die  Entwick- 
lung des  Organismus  seien.  Diese  Ansicht  scheint  gestützt  durch  den 
Umstand,   dass  Leute,    deren  Testes    zur  Fortpflanzung   untauglich   sind,, 

9* 


132  Bericht   über  die  Leisttnxgen  auf  dem  Gebiete 

dennoch  aUe  Kennzeichen  der  Mannbarkeit  erhalten.  Woran  das  Aus- 
bleiben der  Spermatozoen  im  einzelnen  Falle  liegt,  lasst  sich  heute  noch 
nicht  entscheiden.  Bar  low. 

(9)  Vialletons  Ausführungen  lassen  sich  in  Folgendem  zusammen« 
fassen : 

1.  Eigentliche  Spermatogenese. 

Ä)  die  Spermaerzeugung  geht  vor  sich,  indem  die  die  Wand  der 
Samencanälchen  auskleidenden  Zellen  durch  Kariokinese  Tochterzellen 
hervorbringen,  welche  durch  wiederholte  Zweitheilung  je  4  Spermatiden 
produciren ; 

B)  diese  letzteren,  zu  Gruppen  vereinigt,  sitzen  zwischen  den  in 
ihrer  Entwicklung  weniger  vorgeschrittenen  Spermatiden; 

C)  in  diesen  Zwischenräumen  sammelt  sich  eine  zähe  Zwischen- 
zellensubstanz an,  welche  die  Spermatiden  mit  den  Grundzellen  verbindet ; 

D)  die  Spermatiden  fallen  nach  ihrer  Transformation  in  Sperma- 
tozoen in  das  Lumen  der  Canälchen. 

2.  Die  Production  eines  Spermatozoon  ist  zurückzufuhren  auf  die 
Pifferenzirung  einer  in  der  Mutterzelle  enthaltenen  Substanz,  entstanden 
nach  successiven  Proliferationsvorgängen  und  Metamorphosen   derselben. 

3.  Die  Reifung  der  Spermatozoen  beginnt,  wenn  sich  ein  Spermato- 
cyte  zweimal  nach  einander  ohne  Intervalle  mit  Production  von  4  Sper- 
matiden theilt.  Die  Reifung  besteht  in  einer  Reduction  chromatischer 
Substanz .  B  a  r  1  o  w. 

(10)  Mit  Bezugnahme  auf  eine  Publication  Lodes  (Ges.  d.  Wiener 
Aerzte,  ref.  Ann.  gen.-ur.  1891  Dec.)  über  die  Quantität  der  Spermatozoen 
im  menschlichen  Samen,  die  dieser  Autor  auf  225  Millionen  pro  Ejacu- 
lation  angibt,  verö£fentlicht  Guelliot  seine  Methode  der  Spermatozoen- 
zählung,  die  zu  etwas  anderen  Zahlen  führte.  Er  mischt  eine  Quantität 
Sperma  (wie  viel?  Ref.)  mit  100  Wasser  und  20  AlkohoL  Ein  Tropfen 
dieser  Mischung  kommt  in  den  Hagen-Hechel'schen  Zählapparat  und  wird 
darin  10  Minuten  in  Ruhe  gelassen,  damit  die  Spermatozoen  sich  absetzen. 
Das  Resultat,  das  G.  mit  seinem  Verfahren  erzielt,  ist  die  Zahl  von 
4126000  Spermatozoen  pro  Ejaculation.  Bar  low. 

(ll)Lannegrace  bat  an  150  Thieren  Nerven,  welche  mit  der 
Blase  in  Verbindung  treten,  durchschnitten  und  Folgendes  gesehen :  1 .  Bei 
Durchschneidung  der  Sympathie!  keine  Veränderung.  2.  Bei  Trennung  der 
Hypogastrici  medulläres  oder  Sacralnerven  Auftreten  von  Retention,  die 
durch  einen  Spasmus  des  Blasenhalses  bedingt  war.  8.  Bei  combinirter 
Durchschneidung  der  Hypogastrici  und  Sacralnerven  Paralyse  der  Blasen- 
wand. 4.  Bei  nur  einseitiger  Nerventrennung  keine  Veränderungen.  Cathe- 
terismus  wirkte  in  den  gelähmten  Blasen  verhängnissvoll.        Bar  low. 

(12)  Delbet  macht  mit  Hilfe  zahlreicher  Abbildungen  und  genau 
in  ihrer  Anordnung  angeführter  Versuche  auf  verschiedene  wichtige 
anatomische  Verhältnisse  der  Blase  wie  der  Urethra  aufmerksam.  Beson- 
ders ausführlich  beschäftigt  er  sich  mit  den  Bedingungen,  unter  denen 
hei  Druckanwendung  mittelst  Injectionsflüssigkeiten  eine  Zerreissung  der 


der  Syphilis.  138 

UrethralBchleimbaat  zu  Stande  kommt.  Nach  seiner  Meinung  reisst  die- 
selbe regelmassig  in  der  Pars  spongiosa  und  Injeotionsflüssigkeit  dringt 
dann  direct  in  die  Venen  dieser  Partie  ein.  Hieran  knüpfen  sich  längere 
Ausführungen  über  die  Pathologie  des  Urinfiebers,  welche  im  Originale 
eingesehen  werden  müssen.  Bar  low. 

(IS)  Der  Artikel  von  Matthews  enthält  nichts  Neues.     Koch. 

(14)  Ottawa  beschreibt  einen  Fall,  in  welchem  nach  seiner  festen 
TJeberzeugung  ein  Trachom  in  directem  Anschluss  an  und  durch  eine 
Gonorrhoe  entstand,  und  einen  weiteren,  in  welchem  ein  Trachom  durch 
eine  antiluetische  Behandlung  heilte.  (In  einem  8.  Falle  soll  Scrophulose 
die  Ursache  des  Trachoms  gewesen  seini  Ref.)  Jadassohn. 

(15)  Eustace  berichtet  zunächst  über  ein  phagedänisches  Geschwür 
der  Zunge  bei  einem  2QJ  ährigen  Indien  Das  Ulcus  nahm  in  Grösse  eines 
Schillings  die  Stelle  ein,  wo  die  Zungenspitze  gewesen  war,  und  dehnte 
sich  mit  rapider  Schnelligkeit  aus.  Unter  interner  Behandlung  mit  Liqu. 
ferri  perchlor,  und  48tündlich  10  Gr.  Chinin  und  Aetzung  der  erkrankten 
Fläche  mit  Acid.  carbol.  pur.  Heilung  in  12  Tagen.  Die  Zunge  war  bis  zum 
Frenulum  zerstört.  Der  2.  Fall  betrifft  einen  22jährigen  Eingeborenen  mit 
charakteristischem  Primärafiect  der  Zunge,  Drüsenschwellung  und  secun- 
därer  Syphilis.  —  Im  3.  Falle  handelt  es  sich  um  einen  25jährigen  Moham- 
medaner, der  an  der  Oberlippe  ein  schiUingstückgrosses  Geschwür  hatte 
mit  Drüsenschwellung  an  beiden  Seiten  des  Halses.  Keine  Anzeichen  von 
secundärer  Syphilis  noch  ülceration  im  Rachen.  Der  Geschwürsgrund  war 
hart,  die  Haut  war  '/^  Zoll  ringsumher  infiltrirt,  doch  fehlte  das  glänzende 
Aussehen  und  das  Gefühl,  als  ob  eine  Knorpelscheibe  in  dem  Geschwür 
läge,  wie  es  bei  echtem  hartem  Schanker  ist.  Das  Geschwür  wurde  mit 
Lotio  nigra  bebandelt  und  der  Patient  erhielt  halbstündlich  Tag  und  Nacht 
Vii  gran  Calomel.  Am  Abend  des  8.  Tages  beginnende  Heilung.  Später  — 
Beobachtung  noch  1  Monat  —  keine  secundären  Symptome. 

Sternthal. 


Verbreitung  und  Prophylaxe  der  venerischen 
Krankheiten.   Prostitutionswesen. 

1.  Bla§chko.  Zur  Prostitutionsfrage.  Berl.  med.  Gesellschaft.  30.  März 
1892.  Ref.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892.  Nr.  14,  18,  19,  24,  25. 
27.  April,  4.  Mai,  4.  Juni,  15.  Juni  1892. 

2.  Barthel^my.   Syphilis  et  sante  publique.  Paris  1890. 

3.  Petrini.  Prophylaxie  de  la  syphilis  en  Roumanie.  La  Boumaine  medi- 
cale.   Avril.  1893.  Nr.  2. 

4.  Cmdell,  Tommasi.  La  prostitution  d^£tat  en  Italic.  Revue  de  morale 
progressive.  Mai  1892.  Ref.  im  Joum.  des  mal.  cut.  et  s^ph.  1892,  p.  bll" 


134  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

5.  Moeller.  La  reglementation  en  Belgiqne  au  point  de  vue  sanitaire. 
Comite  de  la  federation  britannique  et  continentale.  Joum.  des  mal. 
cut.  et  syph.  1892,  p.  872. 

6.  Ronqilillo.  Interrogatorio  de  las  prostitutas.  Gaceta  sanitaria  de  Bar- 
celona. Juni  1892.  Bef.  im  Joum.  des  mal.  cut.  et  syph.  1892,  p.  572. 

7.  Birkbeck  Heviiis.  Les  maladies  veneriennes  dans  Parmee  anglaise 
(at  home)  avant  rintroduction  des  actes  sur  les  maladies  contagieuses, 
pendant  leur  application  et  depuis  leur  suppression.  Comite  de  la 
federation  britannique  et  continentale.  Congres  de  Bruxelles.  Journal 
des  mal.  cut.  et  syph.  1892,  p.  355. 

8.  Fiaux.  Note  sur  la  rarete  des  maladies  veneriennes  dans  la  population 
ouvrienne  de  Paris.  Gaz.  des  höpitaux.  7.  März  1893.  Nr.  28. 

9.  Ledermami,  R.  Zur  Behandlung  geschlechtskranker  Cassenmitglieder. 
Medic.  Reform.  1893.  Nr.  19. 

10.  Gollmer.  Die  Antragsteller,  welche  an  Syphilis  gelitten  haben,  vom 
versicherungspflichtigen  Standpunkte.  Monatsblätter  för  die  Yertranens- 
ärzte  der  Lebens versicherungsbank  zu  Gotha.  Jahr.  VII,  Heft  3  u.  4. 

11.  SchmalfÜSS.  Das  Ammen wesen  in  Hamburg.  Deutsche  Tiertelj.  fiir 
öffentl.  Gesundheitspflege.   25.  Bd.    1.  Heft.   1892,  p.  93  u.  ff. 

(1)  Blaschko  spricht  sich  im  Gegensatze  zu  der  Mehrzahl  der 
Dermatologen  gegen  die  Bordelle  aus;  er  fuhrt  für  seine  Ansicht  die  zu 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  in  Paris  aufgestellten  Statistiken  an,  nach 
welchen  die  venerischen  Erkrankungen  in  Bordellen  viel  zahlreicher  als  unter 
der  freien  Prostitution  waren  (12%  gegen  7%  bei  Lues,  25*5  gegen  15V9 
bei  den  übrigen  Geschlechtskrankheiten),  femer  die  Ansicht  Bergs  in 
Kopenhagen.  Er  gibt  ferner  an,  dasä  z.  B.  in  Hamburg  mehr  als  die 
Hälfte  aller  Geschlechtskrankheiten,  bei  denen  die  Quelle  der  Infection 
ermittelt  werden  konnte,  in  den  Bordellen  erworben  worden  sei.  In 
Berlin  habe  seit  Aufhebung  der  Bordelle  (1850)  die  Zahl  der  venerischen 
Erkrankungen  rapid  abgenommen,  was  Blaschko  durch  mehrere  Curven 
demonstrirt,  aus  welchen  hervorgehen  soll,  dass  die  Anzahl  der  Erkran- 
kungen von  lOOVo  auf  25 '/o  gesunken  sei.  Vortragender  gelangt  schliesslich 
nach  eingehender  Besprechung  der  geheimen  Prostitution  etc.  zu  dem 
Schlüsse,  dass  die  gewerbsmässige  Prostitution,  die  eingeschriebene  wie 
die  nicht  eingeschriebene,  gefahrlicher  sei,  als  die  verbreitete  gelegentliche 
Prostitution.  Er  verlangt  in  Folge  dessen,  man  solle  den  Versuch,  die  nicht 
gewerbsmässige  Prostitution  unter  Controle  zu  bringen,  aufgeben  und 
will  nur  die  gewerbsmässigen  Prostituirten  polizeilich  beaufsichtigt  wissen. 
Die  Untersuchung  gehört  in  die  Krankenhäuser,  wo  sich  die  Behandlung 
unmittelbar  anschliessen  könne.  Vortragender  bespricht  zum  Schluss  noch 
allgemein  hygienische  Massregeln,  die  Beschränkung  des  Krankencassen- 
gesetzes  bezüglich  der  venerisch  Kranken  etc. 

Max  W  o  1  f  f  bespricht  den  Werth  der  mikroskopischen  Untersuchung 
bezüglich  der  Gonorrhoe  und  constatirt  eine  Zunahme  der  Gonorrhoe  und 
Abnahme  der  Lues  in  den  Charit e-Statistiken. 


der  Syphilis.  135 

G.  Lewin  hält  ebenfalls  die  Bordelle  für  schädlich  und  schlägt  die 
Centralisation  der  Untersuchung  der  Prostituirten  vor. 

Güterbock  leugnet ,  dass  der  Gonococcenbefund  für  die  Infectiosität 
spreche  (!  I). 

Bosenthal  schliesst  sich  bezüglich  der  Bordelle  den  Ansichten 
Blaschko's  und  Lewin's  an,  er  räth  zur  Jmwandlung  der  Sittenpolizei  in 
eine  hygienische,  die  Decentralisation  der  Untersuchung  in  Berlin,  die  Ein- 
richtung Yon  Specialkrankenhäusem. 

S.  Neumann  bezweifelt,  dass  das  Blaschko'sche  Zahlenmaterial 
brauchbar  sei  for  die  Feststellung  der  Zu-  oder  Abnahme  der  Lues  in 
Berlin,  auch  er  wendet  sich  gegen  das  oben  erwähnte  Krankencassengesetz. 

Yillaret  constatirt  ebenfalls  die  Abnahme  der  venerischen  Krank- 
heiten nach  der  Armeestatistik  (far  Berlin  eine  Abnahme  der  Syphilis 
um  2'3%,  der  venerischen  Krankheiten  um  29*4%,  far  Leipzig  entsprechend 
von  15%  und  14%,  fiir  die  deutsche  Armee  für  Lues  von  33V»»  ^r  Ulcus 
molle  und  Bubo  von  4JS\,  für  Gonorrhoe  und  deren  Folgekrankheiten 
von  137o)*  Was  die  Ausbreitung  der  Syphilis  anbelangt,  so  variirt  dieselbe 
von  53  pro  Mille  im  XII.  sächsischen  bis  zu  21  pro  Mille  im  XIII.  württem- 
bergischen Armeecorps. 

George  Meyer  hält  die  Bordelle  für  nützlich,  glaubt  aber  nicht, 
dass  es  möglich  sein  dürfte,  alle  Prostituirten  einzurangiren.  Er  wendet 
sich  femer  gegen  die  Einseitigkeit  der  Blaschko'schen  Statistik  und  be- 
antragt schliesslich  die  Wahl  einer  Commission  zur  Bearbeitung  der 
Prostitutionsfrage. 

Yirchow  bittet  die  praktischen  Folgen  der  Discussion  zu  beachten 
und  praktische  Massregeln  zur  Bekämpfung  der  Syphilis  vorzubringen. 
Er  steht  Bosenthal  gegenüber  auf  dem  Standpunkte,  dass  die  Spuren  der 
Syphilis  nirgends  über  die  Zeit  der  Entdeckung  Amerikas  hinausreichen. 

Lewin  bezeugt  nach  seinem  statistischen  Material,  dass  die  ge- 
heime Prostitution  mehr  zur  Verbreitung  der  Syphilis  beitrage  als  die 
controlirte.  Lewin  wendet  sich  sehr  energisch  gegen  Blaschko^s  Ansicht 
imd  stutzt  sich  dabei  auf  Foamier,  Mauriac,  Parent-Duchatelet  etc. 

Kleist  empfiehlt  nach  dem  Beispiele  Bremens  facultative  Bordelle, 
er  befürwortet  ebenfals  die  Stellung  der  Prostituirten  unter  Polizei-  imd 
Sanitäts- Aufsicht.  An  der  Discussion  betheiligen  sich  noch  Zadek, 
Lewin  und  zum  Schluss  nochmals  Blaschko. 

Der  Antrag  Meyer  wird  hierauf  angenommen  und  eine  Commission 
von  12  Mitgliedern  gewählt.  Galewsky. 

(2)  Barthelemy  bespricht  eingehendst  die  Bedeutung  der  Syphilis 
für  das  allgemeine  Wohl;  das  beiweitem  häufigere  Vorkommen  der  Lues 
bei  nicht  reglementirten  Mädchen  (Kellnerinen  etc.)  als  bei  Prostituirten, 
die  Infectionsgefahr,  welche  namentlich  letztere  darbieten,  die  hereditäre 
Lues  u.  s.  w.  Er  betont  ausdrücklich  den  Werth  der  Prophylaxe  und  den 
einer  geordneten  regelmässigen  Ck>ntrole.  Galewsky. 

(3)  Petrini  bespricht  die  Bedeutung  der  Syphilis  im  Allgemeinen 
und  in  Rumänien  im  Besonderen.    Interessant  ist,  was  er  über  die  Aus- 


186  Bericht  über  die  Leistvagen  auf  dem  Gebiete 

breitung  der  Syphilis  auf  dem  Lande  mittheilt,  wel^e  dort  wesentlich 
auf  extragenitalem  Wege  zu  Stande  kommt  Er  verlangt  eine  Beanf- 
fticbtigung  der  Prostitation  nicht  bloss  in  den  grossen  Städten,  eine  Controle 
der  geheimen  Prostituirten  in  Bucarest,  die  Weiterbeobachtung  der  nach 
syphilitischer  Erkrankung  aus  dem  Hospital  Entlassenen.  Dass  in  Deutsch- 
land durch  solehe  Massregeln  die  Syphilis  „fast  rerschwnnden'^  ist,  ist 
leider  eine  zu  optimistische  Anschauung.  Jadassohn. 

(4)  Grude li  schildert  die  Anstrengungen,  welche  in  den  letzten 
Jahren  in  Italien  zur  Unterdrückung  der  Reglementirung  der  Prostitution 
gemacht  wurden.  Nachdem  im  Jahre  1860  durch  ein  Ministerialdecret  die 
Bordelle  gesetzlich  gestattet  und  andere  sittenpolizeiliche  Vorschriften 
erlassen  worden  waren,  wurde  dies  Decret  1888  widerrufen,  und  seitdem 
verbreitet  sich  die  Lues  ungeheuer;  mehrfache  Beschlüsse  des  Parlaments 
und  Petitionen  blieben  in  dem  Schreibpult  der  Minister  liegen.  In  der 
letzten  Zeit  bemächtigte  sich  die  Presse  und  die  italienische  medicinische 
Gesellschaft  auf  dem  Congress  zu  Siena  der  Sache  und  verlangt  eine 
gesetzliche  Regelung  der  Frage,  vor  Allem  die  Gründung  von  unter  specia* 
listischer  Leitung  stehenden  Polikliniken  for  venerische  Krankheiten. 

Paul  Neisser. 

(5)  Mo  eil  er  hat  die  venerischen  Erkrankungen  in  der  belgischen 
Armee  in  dem  Zeitraum  von  1868 — 89  statistisch  zusammengestellt  und 
kommt  dabei  zu  dem  Resultat,  dass  die  Reglementirung  der  Prostitation 
und  die  sanitatspolizeiliche  Untersuchung  mit  der  Abnahme  der  Erkran- 
kungen nicht  in  Zusammenhang  stehe.  So  sei  in  zwei  Garnisonen,  in 
Beverloo  und  Diest,  die  Abnahme  der  venerischen  Erkrankungen  am 
deutlichsten  zu  constatiren  und  gerade  dort  gebe  es  keine  Reglementirung. 
Verf.  steht  also  entschieden  auf  dem  Boden  des  Abolitionismus. 

Paul  Neisser. 

(6)  Ronquillo  schildert  die  in  den  spanischen  Bordellen  beste- 
henden Einrichtungen,  die  sich  in  Nichts  von  denen  anderer  Lander 
unterscheiden.  Zum  Schluss  spricht  sieh  Yerfetsser  für  ihre  Aufhebung 
sowohl  aus  moralischen,  wie  aus  hygienischen  Gründen  aus,  da  die  Inhaber 
die  erkrankten  Puellen  der  Untersuchung  zu  entziehen  wissen  und  sie 
trotz  ihrer  Krankheit  häufig  zur  Ausübung  ihres  Gewerbes  und  dadurch 
zur  Verbreitung  der  venerischen  Krankheiten  zwingen. 

Paul  Neisser. 

(7)  Birkbeok  Nevins,  ein  strenger  Abolitionist,  stellt  m  einer 
Statistik  die  syphilitischen  Erkrankungsfalle  in  der  englischen  Armee  aus 
den  Jahren  1860 — 89  zusammen.  Bekanntlich  war  im  Jahre  1866,  haupt- 
sächlich wegen  des  schnellen  Anwachsens  der  Lues  in  der  Armee 
ein  Gesetz  zur  Regelung  der  Prostitution  erlassen  worden,  welches  im 
Jahre  1882  wieder  aufgehoben  wurde.  Vortrageader  behauptet,  dass 
trotz  der  sanitätspolizeilichen  Untersuchungen  der  Puellae  publ.  die  Lues 
in  der  Armee  in  diesen  Jahren  zugenommen  habe,  während  sie  seit  der 
Abschaffhng  dieses  Gesetzes  in  stetigem  Abnehmen  sei.  Auf  die  Verhältnisse 
in  der  Civilbevölkerung  könne  man  aus  den  jährlichen  Recrutenunter- 


der  Syphilis.  187 

sachnngen  schlieBseii :  in  den  letzten  5  Jahren  des  Bestehens  des  Gesetzes 
▼Ott  78-*82  seien  11,1  pro  ndlle,  in  den  letzten  6  Jahren  nach  Aufhebnng 
desselben  8,1  pro  mille  wegen  Lues  znrfickgestellt  worden.  Todesfälle 
an  Lues  seien  in  den  letzten  7  Jahren  vor  dem  Gesetze  68,  während 
seines  Bestehens  84,  nach  seiner  Aofhebnng  76  pro  1,000.000  vorge«- 
kommen.  Vortragender  folgert  daraus  in  Uebereinstimmung  mit  allen 
anderen  auf  dem  Gongress  sprechenden  Engländern,  dass,  abgesehen  von 
der  moralischen  Seite  auch  in  hygienischer  Beziehung  die  Reglementirung 
der  Prostitution  zu  verwerfen  ist,  während  der  Genter  Chefarzt,  Cruyl,  den 
Staat  für  berechtigt  und  verpflichtet  hält,  im  Interesse  seiner  Unterthanen 
und  zum  Schutze  derselben  Ausnahmegesetze  gegen  eine  gewisse  Kategorie 
von  Menschen  zu  erlassen.  Paul  Neisser. 

(8)  Fiauz  hat  vom  1.  September  1888  bis  81.  December  1892  unter 
6679  Arbeitern  in  Paris,  die  er  auf  venerische  Krankheiten  untersuchte, 
nur  12  Gonorrhoen,  2  Ulcera  moUia  mit  Bubonen,  1  Syphilis  gefunden  — 
wohl  nur  ein  Beweis  dafür,  wie  unvollkommen  diese  Untersuchung  war. 

Jadassohn. 

(9)  Ledermann  bespricht  die  allgemein  giltigen  Principien  für 
die  Behandlung  geschlechtskranker  Cassenmitglieder.  Verfasser  steht  in 
den  Hauptfragen  auf  dem  Neisser'schen  Standpunkte;  die  Arbeit,  welche 
hauptsächlich  für  den  prakt.  Arzt  berechnet  ist,  enthält  deshalb  nichts 
wesentlich  Neues.  Galewsky. 

(10)  Gollmer  vergleicht  (nachdem  er  erwähnt  hat,  dass  die  Gothaer 
Bank  luetische  Antragssteller  ohne  syphilitische  Symptome,  bei  welchen 
seit  3  Jahren  kein  Recidiv  erfolgte,  aufnimmt)  die  Gutachten  europäischer 
Aerzte  und  Bankdirectoren,  die  Dr.  £.  in  Hamburg  far  die  Mutual  Life 
Ins.  Co.  einholte.  Derselbe  hatte  sich  dahin  ausgesprochen,  dass  frühere 
Luetiker  entweder  auf  Lebenszeit  ohne  Zuschlagsprämie  oder  mit  Ab- 
kürzung zu  versichern  seien,  da  die  Syphilis  auf  die  Lebensdauer  keinen 
Einfluss  übt.  Gollmer  schliesst:  1.  Syphilis  ist  heilbar.  2.  Das 
Princip  der  Gothaer  Versicherungsbank  ist  richtig  und  durchfahrbar; 
Gollmer  wünscht  sogar  schon  vor  Ablauf  der  3  Jahre  Luetiker  versichern 
zu  dürfen,  wenn  sie  nachweinen,  dass  ihre  Lues  durch  prophylaktische 
intermittirende  Hg-Behandlung  nicht  vernachlässigt  worden  ist. 

Galewsky. 

(11)  Hamburg  soll  nach  Ansicht  von  Schmal fuss  die  einzige 
Stadt  in  Deutschland  sein,  in  welcher  die  Ammen  amtlich  untersucht 
sein  müssen,  bevor  sie  einen  Dienst  antreten  dürfen.  Der  Autor  gibt 
eine  Uebersicht  über  die  Entwickelung  des  seit  dem  Jahre  1822  beste- 
henden Untersuchungswesens.  Aus  der  jetzt  (seit  1890)  zu  Recht  beste- 
henden Untersuchungsordnung  mag  Folgendes  hervorgehoben  werden.  Jede 
Amme,  welche  in  Dienst  zu  treten  wünscht,  meldet  sich  bei  der  Polizei- 
behörde, welche  die  Legitimationspapiere  prüft;  sind  diese  in  Ordnung, 
so  findet  die  ärztliche  Untersuchung  von  dem  staatlicherseits  an- 
gestellten Ammenarzt  statt.  Der  polizeiliche  Erlaubnissschein  sowie  das 
ärztliche  Gesundheitsattest  haben   nur  für   8   Tage   Giltigkeit;    letzteres 


138  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

muBs,  falls  während  dieser  Zeit  ein  Dienst  nicht  angetreten  ist,  verlängert 
werden.  Vom  Ammendienst  sind  unbedingt  znrackznweisen :  1.  Alle  syphi- 
litischen oder  syphilisyerdachtigen  Ammen.  2.  Alle  mit  Tripper  oder 
weichem  Schanker  behafteten  Individuen.  8.  Alle  tubercolösen  Personen 
(Kehlkopf,  Lungen,  Drüsen,  Knochen,  Gelenke,  Haut).  Die  Besiduen  aus- 
geheilter tuberculöser  Processe,  Drüsennarben  etc.  sind  auf  dem  Erlaubnisse 
schein  unter  Bemerkungen  zu  notiren.  4.  Alle  Krebskranken.  5.  Alle  solche, 
bei  denen  seit  der  Entbindung  ein  Jahr  oder  längere  Zeit  verflossen  ist. 
6.  An  Mastitis  leidende.  Selbstverständlich  hat  der  Ammenarzt  das  Recht, 
Ammen  auch  aus  anderen  als  den  obengenannten  Gründen  zurückzuweisen, 
wenn  es  ihm  aus  ärztlichen  Gründen  nothwendig  erscheint.  Yorläuflg 
zurückzuweisen  sind:  1.  Unreinliche.  2.  Mit  Ungeziefer  Behaftete.  8.  Mit 
ausgedehnterem  Ekzem  und  mit  einem  örtlichen  Ekzem  oder  einem  an- 
deren Hautausschlag  der  Brüste  versehene  Individuen.  4.  Solche,  bei  denen 
an  beiden  Brustwarzen  Schrunden  bestehen.  Von  dem  Nutzen  der  obliga- 
torischen Untersuchung  überzeugt  man  sich  durch  folgende  Statistik: 

1890  1891 
In  Procenten  wurden  zugelassen  75*0  76*7 
vorläufig  zurückgewiesen  16*2  15*8 

definitiv  zurückgewiesen  8*8  8*4 

100-0  ~99'9~ 
Natürlich  kann  bei  noch  so  gründlicher  Untersuchung  ein  absoluter 
Schutz  gegen  Infection,  speciell  Syphilis  und  Tuberculose,  nicht  geboten 
werden,  sondern  nur  ein  relativer.  Auch  wird  die  Aufgabe  des  Hausarztes, 
der  namentlich  Quantität  und  Qualität  der  Milch  untersuchen  wird,  durch 
die  amtliche  Controle  nicht  illusorisch.  A.  Philippson. 


Venerische  Helkosen. 

1.  Attdry.  Bacteriologie  clinique  du  chancre  et  des  blennorrhagies 
compliquees.  Gazette  hebd.  de  Med.  et  de  ther.  1893.  9. 

2.  Rivi^re.  Bacillus  des  Ulcus  molle.  See.  d^anatomie  et  de  physiologie 
de  Bordeaux.  17.  Aprü  1893.  Ref.  Gazz.  d.  ospitali.  11.  Mai  1893. 
Nr.  56,  p.  591. 

8.  Gil^rt.  Contribution  ä  Petude  etiologique  du  chancre  mou.  Gaceta 
sanitaria  de  Barcelona.  April  1892.  Ref.  im  Joum.  des  mal.  cut.  et 
syph.  1892,  p.  388. 

4.  Balzer.  De  la  gangrene  des  organes  gSnitaux.  La  medecine  moderne. 
Nr.  55.  12  juiUet  1893. 

5.  Legrain,  E.  Multiple  Ghancreentwicklung;  hectisches  Fieber.  Behand- 
lung mit  heissem  Wasser.  Annales  de  Dermat.  et  de  Syphil.  1892, 
p.  931—934. 

6.  Görde8.  Ein  Fall  von  Ulcus  molle  gangraenosum  vag^inae.  Central- 
blatt  für  Gynäkologie.  1893,  p.  59. 


der  Syphüis.  139 

7.  Drimpelmaon,  K.    Blutung  aus  einem  Ulcus  molle.   Protokoll  der 
Sitzung  der  ärztlichen  Gesellschaft  in  Eostroma.   Lief.  1,  p.  10. 

8.  Cordier.  Traitement  des  Ghancres  sous  phimosis.  Societe  des  sciences 
m6dicales  de  Lyon.  Joum.  des  mal.  out.  et  syph.  1892,  p.  844. 

9.  Tmka.  Die  Behandlung  eitriger  Bubonen  der  Leiste  durch  subcutane 
antiseptische  Durchspülung.  Wiener  medic.  Wochenschr.  Nr.  9.  1893. 

10.  Si*dgewlck,  Francis.  On  the  treatment  of  bubo,  on  excision  and 
the  attempt  to  secure  union  by  first  intention  of  the  wound  afterward. 
Read  before  the  Suffolk  district  surg.  soc.  Boston.  7.  Dec.  1892.  Joum. 
of  cut.  and  gen.-ur.  dis.  Febr.  1893. 

11.  Bfrousse,  A.  und  Botbezat,  P.  lieber  den  Werth  der  Welander'schen 
Abortivbehandlung  der  Bubonen.  Annales  de  Dermat.  et  de  Syphil. 
1893,  p.  347—353. 

12.  Broiisse.  Behandlung  der  Bubonen  nach  Welander.  Montpellier  med. 
1893.  Nr.  7,  p.  133. 

13.  SherrU.  Buboes  and  their  treatment.  The  New- York  medical  joumaL 
28.  Oct.  1893. 

(1)  I.  Der  weiche  Schanker:  Alle  Untersuchungen  die  Audry  ge- 
macht hat,  beziehen  sich  auf  den  Eiter.  Als  Färbemittel  hat  ihm  die 
besten  Dienste  das  Boeck'sche  Methylenblau  geleistet.  £r  bestätigt  die 
Krefting'schen  Befunde,  hält  die  Krefting^schen  und  Unna'schen 
Bacillen  für  wahrscheinlich  identisch  und  gibt  von  seiaen  Untersuchungen 
folgende  Resultate  an :  Die  Bacillen  finden  sich  bald  isolirt,  bald  in  Gruppen, 
selten  in  Ketten,  bald  ausserhalb  der  Eiterkörperchen,  bald  innerhalb  der- 
selben, bald  sehr  zahlreich,  bald  nur  sehr  vereinzelt.  Das  Gulturverfahren 
wurde  nicht  versucht.    Die  Untersuchungen  erstreckten  sich: 

1.  auf  das  Secret  des  ursprünglichen  Ulcus  molle.  Hier  legt  der 
y.  nur  denjenigen  Befunden  W.erth  bei,  die  er  von  nicht  in  Präputial- 
sack  resp.  nicht  in  der  Vulva  oder  weiblichen  Urethra  sitzenden  Schan- 
kem  erhalten; 

2.  auf  das  Inoculationsgeschwür.  In  allen  Fällen,  in  denen  die  In- 
oculation  positiv  ausfiel,  konnte  Audry  die  Bacillen  nachweisen; 

3.  auf  den  Buboneneiter.  Von  4  Fällen  war  Y.  3mal  nicht  im  Stande, 
im  Eiter  die  Bacillen  zu  finden;  dagegen  gelang  es  ihm  im  4.  Falle,  sie 
im  Eiter  und  ebenso  in  den  mit  dem  Eiter  erzeugten  Inoculationspusteln 
nachzuweisen.  Für  die  ersten  Fälle  der  Nichtinfectiosität  des  Bubonen- 
eiters  gibt  es  2  Erklärungen:  entweder  die  Bacillen  haben  an  ihrem  In- 
vasionsorte  Stoffwechselproducte  gebildet,  deren  Aufnahme  durch  die 
Lymphbahnen  zur  Drüsenvereiterung  geführt  hat ;  oder  die  Bacillen  waren 
ursprünglich  am  Locus  morbi  vorhanden  und  sind  erst  später  verschwunden. 

Lasch. 

(2)  R  i  V  i  e  r  e  hat  die  zuerst  von  D  u  c  r  e  y  beschriebenen,  von  Unna 
Streptobacillus  genannten  Bakterien  in  vielen  Inoculationsschankem  ge- 
funden, aber  auch  in  Geschwüren  nach  der  4.  Generation  noch  mit  anderen 
Bakterien  vermischt.  Die  bisher  angegebenen  Färbungsverfahren  (Ducrey, 


]40  Bericht  über  die  Leistungen  aof  dem  Gebiete 

UnoA,  Quinqnaud  und  Nieolle)  haben  ihm  nur  massige,  die  Kuhn  ersehe 
Färbung  aber  sehr  gute  Resultate  ergeben.  Jadassohn. 

(3)  Gibert  behauptet,  dass  die  Infeetiositat  und  Inoculirbarkeit  des 
Ulcus  molle  nicht  nur  auf  dem  ihm  eigen thümlichen  Virus,  sondern  auch 
auf  dem  Eiter  und  dem  in  demselben  enthaltenen  Staphylococcus  pyogenes 
aureus  beruhe.  Paul  Neisser. 

(4)  Balz  er  g^bt  eine  kurze,  übersichtliche  Darstellung  der  Patho- 
logie und  Therapie  des  phagedänischen  Schankers.  Der  Artikel  enthält 
nichts  Unbekanntes.  Kochu 

(5)  Legrain  berichtet  über  einen  Fall,  bei  dem  sich  im  Anschlüsse 
an  einen  weichen  Chancre,  der  am  Scrotum  localisirt  gewesen,  zuerst  ein 
chancroser  Bubo  und  später  in  mehrfachen  Schüben  sehr  zahlreiche  Chancre- 
geschwüre  an  den  untern  Extremitäten  und  am  Stamme  entwickelten. 
Hektisches  Fieber  (Morgens  87,5*,  Abends  89*)  und  allgemein  septicä- 
mische  Erscheinungen  begleiteten  die  Ausbrüche.  Nachdem  Jodoform-, 
Borsäure-  und  Salolverbände  nicht  viel  genutzt  hatten,  bewährten  sich 
tägliche  warme  Bäder  von  80*  bis  89*  auTs  Beste,  indem  die  Geschwüre 
sehr  rasch  heilten  und  die  allgemeinen  auf  Resorption  zu  beziehenden  Er- 
scheinungen ebenso  schnell  schwanden.  Winternitz. 

(Vi,  Gör  des  berichtet  über  eine  Patientin,  welche,  vor  5  Wochen 
inficirt,  seit  3—4  Wochen  über  heftige  Schmerzen  an  den  Genitalien  klagte, 
die  sie  zuletzt  sogar  am  Gehen  hinderten.  Bei  der  Untersuchung  ergab 
sich,  dass  das  ganze  Scheidenrohr  vom  Introitus  vaginae  bis  zur  Portio 
hin  in  den  oberflächlichen  Partien,  zum  Theil  mehr  als  1  Ctm.  tief,  gan- 
gränös war;  die  Infectionsstelle  schien  an  der  linken  vorderen  Scheide- 
wand zu  sitzen.  Nach  Entfernung  alles  Gangränösen  und  Auskratzung 
mit  dem  scharfen  Löffel  Ausspülung  mit  l*/g  Creolinlösung  und  dann 
Jodoformgazetamponade.  4  Tage  später  trat  unter  urämischen  Erschei- 
nungen (Pat.  war  im  5.  Monate  gravida)  der  Exitus,  kurz  vorher 
Abort  ein.  Die  Section  ergab,  dass  die  Uterusinnenfläche  mit  diphtherie- 
ähnlichen Massen  belegt  und  die  Nieren  um  das  Doppelte  vergrössert  waren. 
Jod  war  vorher  im  Urin  nicht  nachgewiesen  worden.     Paul  Neisser. 

(7)  Der  18jährige Kranke  Drimpelmanns  war  seit  8 Wochen  von 
einem  Heilgehilfen  wegen  Ulcus  molle  mit  Jodol  und  Sublimatwasehungen 
behandelt  worden.  Nach  8  Wochen  die  erste  Blutung  mit  Tamponade, 
2  Tage  darauf  die  zweite  mit  Liquor  ferri  sesquichl.  gestillt.  Tags  darauf 
die  dritte,  die  der  Heilgehilfe  auch  noch  zum  Stehen  brachte.  Bei  der 
vierten  Blutung  wurde  D.  hinzugezogen,  fand  den  Kranken  schon  recht 
anämisch.  Im  Sulc.  retroglandul.  rechts,  beinahe  am  Frenulum  ein  tiefes 
Ulcus  von  Bohnengrösse,  das  die  Eichel  ziemlich  stark  arrodirt  hat.  In  der 
Mitte  des  Grundes  eine  spritzende  Arterie.  Kulte,  Druck  und  eine  schwache 
Lösung  von  Fe,  Gl«  fahrten  nicht  zum  Ziel.  Unterbindung  der  Arterie 
mit  Gatgut.  Verband  mit  5*/,  GarbolöL  Keine  Nachblutung,  in  8  Wochen 
verheilt.  Strauch. 

(8)  Gordier  empfiehlt  bei  mit  Phimose  complicirten  Ulcera 
mollia  vor  der  Gircumcision  1 — 2  Gbctm.  einer  gesättigten  Ghlorzinklösung 


der  Syphilis.  141 

(50,0  Chlorzink:  40,0  Aq.  dest.)  in  die  Phimose  zu  injiciren  und  diese 
Lösung  1 — 2  Minuten  einwirken  zu  lassen.  Nach  dieser  Aetzung  steht  G. 
nicht  an,  nach  der  Circumcision  selbst  in  ulcerirte  Stellen  Suturen  zu 
legen,  die  er  stets  halten  und  per  primam  heilen  sah.    Paul  Neisser. 

(9)  Trnka  empfiehlt  für  mehrverzweigto,  noch  nicht  vollst&ndig 
verflüssigtes  Drüsengewebe  enthaltende,  grosse  Bubonen  der  Leiste  folgende 
Behandlung:  Er  macht  an  der  Peripherie  des  Abscesses  mehrere  einfache 
Ineisionen,  fuhrt  an  einer  Stelle  (rlascanülen  oder  Quttaperchadrains  ein 
und  spült  die  Höhlen  so  lange  mit  schwachen  desinficirenden  Lösungen 
von  Kochsalz,  Kali  hypermanganicum  etc.  durch,  bis  die  Lösung  wieder 
rein  ausfliesst.  Hernach  injicirt  T.  S'/o  Carbol- oder  IVoo  Thymol-Lösung 
bis  zur  Füllung  der  Höhle  bis  zur  alten  Grösse,  belässt  die  Lösung  durch 
einige  Minuten  darin,  spült  hierauf  wieder  mit  Kochsalzlösung  durch, 
injicirt  etwas  Jodoformemulaion  und  legt  nun  einen  Gompressionaverband 
(Trockendruckverband)  an.  Eventuell  findet  1 — Smalige  Wiederholung  des 
Verfahrens  nach  je  4 — 5  Tagen  statt.  Heilungsdauer  durchschnittlich 
14—20  Tage.  K.  Ullmann. 

(10)  Sedgewick  hat  bei  einer  grösseren  Anzahl  von  Exstirpationen 
syphilitischer,  schankröser,  gonorrhoischer,  tuberculöser  und  traumatischer 
Bubonen  stets  die  Wundrander  nach  der  Operation  vereinigt  und  mit 
wenigen  Ausnahmen  immer  eine  Heilung  durch  prima  Intentio  erzielt. 
Er  entfernt  das  ganze  erkrankte  Gewebe  radical,  beseitigt,  wo  es  noth- 
wendig,  die  necro tische  Haut,  und  desinficirt.  nach  grundlichem  Curette- 
ment  die  Wunde  mit  sterilisirten  Schwämmen  oder  mit  solchen,  die  mit 
einer  schwachen  Sublimatlösung  getrankt  sind.  Er  warnt  vor  der  An- 
wendung starker  Antiseptica  und  bedient  sich  am  liebsten  zur  Reinigung 
der  Wunden  sterilisirten  Wassers  oder  schwacher  Borsäure  oder  Kalium- 
permanganatlösungen.  Im  Durchschnitt  betrug  die  Heilungsdaner  bei  er- 
folgter prima  Intentio  16  Tage  (die  kürzeste  11,  die  längste  28  Tage). 
Die  mittlere  Heilungsdauer  betrug  bei  allen  Wunden,  welche  mit  Granu- 
lation heilten,  34  Tage.  Ledermann. 

(11)  Brousse  und  Bothezat  sprechen  sich  auf  Grund  einer  Unter- 
suchungsreihe von  10  Fällen,  von  denen  9  trotz  Injection  zu  Vereiterung 
der  Drüsen  führten  und  die  Incision  nöthig  machten,  gegen  We lande rs 
Verfahren  aus.  Die  nach  der  Injection  auftretenden  Allgemeinerscheinungen 
beziehen  sie  auf  die  durch  die  Injectionsnadel  gemachte  Verletzung,  die 
den  in  der  Drüse  enthaltenen  Mikroben  eine  Eingangspforte  (in  den  Or- 
ganismus) schafft.  Winternitz. 

(12)  Brousse  berichtet  über  die  Resultate,  die  er  in  5  Fällen  mit 
der  bekannten  Behandlungsmethode  der  Bubonen  nach  Welander  er- 
zielte. Nur  in  einem  Falle  konnte  er  die  Eiterung  verhindern.  Stets 
beobachtete  er  nach  der  Injection  locale  Reaction,  Fieber  und  allgemeine 
Krankheitserscheinungen. 

(13)  Die  Arbeit  Sherrils  enthält  nichts  Neues. 


142  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 


Gonorrhoe  und  deren  Complieattonen. 

1.  Abel.  Yereinfaclmng  der  Methode  zur  Gonococcenoultur.  Greifswalder 
med.  Verein.  3.  Dec.  1892. 

2.  Bienge,  Ein  Beitrag  zur  Cultur  des  Gonococcus.  Centralblatt  für 
Gynäkologie.  1893,  p.  154. 

3.  WoUr,  M.  Culturen  von  Gonorrhoecoccen.  BerL  medic.  G^sellschatt 
15.  Jnni  1892.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892.  Nr.  25,  p.  591  und 
Nr.  28,  p.  657. 

4.  Audry.  Bacteriologie  clinique  du  chancre  et  des  blennorrhagies 
compliquees.  11.  Gaz.  hebd.  et  de  M6d.  et  de  chir.  1893.  Nr.  9. 

5.  Hagounenq,  L.  et  ^rand,  J.  Sur  le  microbe  pathogene  de  l'orchite 
blennorrhagique.  Academie  des  scienoes.  20.  Feber  1893.  La  Semaine 
iii^leaie.  1.  März  1893.  Nr.  13,  p.  97. 

6.  £raud.  Observation  d'^pididymite  blennorrhagique  terminee  par  sup- 
puration ;  examen  bacteriologique  et  chimique.  Annal.  de  Derm.  et  de 
Syph.  1892,  p.  164. 

7.  IVeelsen.  Ueber  Gonorrhoe.  Vortrag  in  der  gynäkologischen  (resell- 
schaft  zu  Dresden.    12.  Jan.  1893.   Centralb'l.  für  Gynäk.  1893,  p.  236. 

8.  Fabry,  Johann.  Zur  Frage  der  Gonorrhoe  der  paraurethralen  und  pra- 
putialen  Gänge.    Monatshefte  für  prakt.  Dermatol.    Nr.  1.   Jan.  1891. 

9.  Touton,  Karl.  Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  der  gonoxrhoi sehen 
Erkrankung  der  Talgdrüsen  am  Penis  nebst  Bemerkungen  zur  ipatho- 
logie  des  gonorrh.  Processes.   Berl.  klin.  "Wochenschr.  1892,  Nr.  öl. 

10.  Souplet.  La  blennorrhagie  maladie  generale.  Gazette  hebdomada^e 
de  Medecine  et  de  Chirurgie.  1.  Juli  1893.  Nr.  26,  p.  304. 

11.  Finger,  Ernst.    Zur  Klinik  und  patholog.  Anatomie  der  chronischen 
Urethritis  posterior  u.  Prostatitis  blennorrhagica  chronica.   Int.  Centr.      ^ 
f.  Phys.  u.  Pathol.  d.  Harn-  u.  Sexualorgane.  1893.  Bd.  IV.  Heft  3,  p.  117.       \ 

12.  Dind.  Klinischer  Beitrag  zur  Urethralblennorrhagie.  Therapeutische 
Monatshefte.  1893.    Heft  2. 

13.  Lewis.  The  Role  of  the  posterior  Urethra  in  chi'onic  Urethritis.  The 
am.  assoc.  of  gen.-ur.  surgeons.  20. — 21.  Juni  1893.  The  Joum.  of  cut, 
and  gen.-ur.  dis.    Sept.  1893. 

14.  Ingria,  Vittorio  Emanuele.  Coutributo  sulle  uretriti  posteriori  e  loro  1 
complicazioni.   Gazzetta  degli  ospitali.    1893.   11.  Juli.  Nr.  82,  p.  858. 

15.  Goldenberg.  Ein  neuer  endoskopischer  Obturator  zur  Erleichterung 
der  Einführung  des  Endoskops  in  die  hintere  Harnröhre.  New- Yorker 
Medicinische  Monatsschrift.  Bd.  V.  Nr.  3. 

16.  Janet.  Hemorrhagie  postmictionelle  de  l'urethre  anterieure.  La  France 
med.  1892. 

17.  Petersen,  0.  W.  Entzündung  der  Samenbläschen  (Spermatocystitis) 
als  Complication  der  Gonorrhoe.   Wratsch.  1893.  Nr.  18. 


der  Syphilis.  143 

18.  Dfims,  Blasenstein  und  Tripper.  Dentsche  militararztliche  Zeit- 
schrift. 1893.  L,  p.  18. 

19.  Büttner,  Heinrich.  Polizeiärztliche  Untersuchungen  über  das  Vor- 
kommen von  Gonococoen  im  weiblichen  Genitalsecret.  Inaug.-Diss. 
Dorpat.  1892.  St.  Petersburger  med;  Wochenschr.  1892.  Nr.  47,  p.  438. 

20.  Witte.   Zur  Gonorrhoe  beim  Weibe.   Verhandlungen  der  Gesellschaft 
.  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  in  Berlin  am  9.  Dec.  1692  und  13. 

Jan.  1893.   Zeitschrift  far  Geburtshilfe.  1893.  26.  Band,  1.  Heft. 

21.  DiseuMion  über  die  Gonorrhoe  beim  Weibe.  Im  Anschluss  an  die 
beiden  Vorträge  von  Broese ')  und  Witte.  Verhandlungen  der  Gesell- 
schaft für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  in  Berlin  am  9.  Dec.  1892 
und  13.  Jan.  1893.  Zeitschr.  f.  Geburtshilfe.  1898.  26.  Bd.,  1.  Heft. 

22.  Croekett,  M.  A.  The  Gonococcus  in  its  Relation  to  Ascending  Go- 
norrhea  in  Women.  Buffalo  Medical  and  Surgical  Journal  XXXII.  Nr.  8. 

23.  Mann,  Matthew  D.  The  Relation  of  Gonorrhea  to  the  Pelvic  Diseases 
in  Women.  Buffalo  Medical  and  Surgical  Journal.  XXXH.  Nr.  8. 

24.  Laczny.  Pathologie  und  Therapie  der  frischen  weiblichen  Gronorrhoe. 
Inaug.-Dissert.  Berlin  1891. 

25.  Krönig.  Vorläufige  Mittheilungen  über  die  Gonorrhoe  im  Wochenbett. 
Central blatt  für  Gynäkologie.   1893,  p.  157. 

26.  Wertheim.  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Gonococcenperitonitis. 
Centralblatt  für  Gynäkologie.  1892,  p.  385. 

27.  Cballan.  Peritonite  diffusia  d^origine  blennorragica.  Ref.  Gazzetta 
medica  di  Torino.  5.  Oct.  1893.   Anno  XLIV.  Nr.  40,  p.  792. 

28.  Bröse.  Gonorrhoischer  Tuboovarialabscess,  demonstrirt  in  der  Ges. 
für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  in  Berlin.  13.  Jan.  1893.  Centralbl. 
für  Gynäkologie.  1803,  p.  163. 

29.  Saulmann.  Endometritis  und  Salpingitis  tuberculosa,  complicirt  mit 
Gonorrhoe.  Sitzung  der  gynäkologischen  Gesellschaft  in  Brüssel  vom 
24.  April  1892.  Centralblatt  für  Gynäkologie.  1892,  p.  533. 

30.  Palmer,  E.  R.  Two  Cases  of  Sterility  foUowing  Gonorrhoea.  The 
Surgical  Society  of  Louisville.    The  med.  and  Surg.  Reporter.    1893. 

31.  Cahen-Braeh.  Die  Urogenitalblennorrhoe  der  kleinen  Mädchen.  Sep.- 
Abdr.  aus  dem  Jahrb.  für  Kinderheilkunde.  1892. 

32.  Berggrün.  Bakteriologische  Untersuchungen  bei  der  Vulvo- Vagini tis 
kleiner  Mädchen.  Archiv  für  Kinderheilkunde.  XV.  Bd.,  p.  321.  1893. 

33.  Gross.  Zur  Casuistik  der  Gonorrhoe.  Inaug.-Diss.  Tübingen  1890. 

34.  Balzer  nnd  Souplet.  Beitrag  zum  Studium  der  Albuminurie  im  Ge- 
folge des  Trippers.   Annales  de  Derm.  et  de  Syphil.  1892,  p.  113. 

35.  Balzer,  F.  und  Jaequinet,  R.  Manifestatious  renales  de  Pinfection 
blennorrhagique.   Semaine  medicale.  1893.  Nr.  52,  p.  411. 

36.  Monti.  Ueber  Pyelitis  im  Kindesalter.  Internationale  klinische  Rund- 
schau. 1893.  Nr.  12,  13. 


')  Der  Vortrag   Broese's   wird  nach    dem   in  der  Deutschen  med. 
Wochenschr.  veröflentlichten  Original  besonders  referirt  werden. 


]44  Bericht  über  die  LeiBtimgen  auf  dem  Gebiete 

(1)  Abel  empfiehlt  folgende  äusierst  empfehlenswerthe  Yerein- 
fachong  der  Methode  der  Gk>nococcencaltar  für  alle  Diejenigen,  welchen 
menBchliches  Blutserum  nicht  jederzeit  zur  Verfügung  steht.  Er  be- 
streicht Peptonagar  dick  mit  Blut,  welches  man  leicht  aus  einem  Schnitt 
in  die  eigene  desinficirte  und  wieder  getrocknete  Haut  erhält.  Kach 
Impfung  mit  G.-G.  haltendem  Eiter  wachsen  dieselben  in  typischer  Form. 

Galewsky. 

(2)  Bei  G^egenheit  der  Demon  stration  nach  Wertheim 's  Angaben 
gefertigter  Gh>nococoenreinculturen  erwähnt  Menge,  dass  er  an  Stelle 
des  Blutserums  mit  gfutem  Erfolge  steril  aufgefangene  Cystenfinssigkeit, 
mit  Agar  vermisdit,  zur  Gonococcencultur  verwendet  habe ;  als  ebenso  ge- 
eignet habe  sich  Hydrosalpinxinhalt  erwiesen,  letzterer  sogar  mit  dem  Yor- 
theil,  dass  er  sich  durch  strömenden  Dampf  sterilisiren  lasse.  Verfasser 
wirft  zum  Schlüsse  die  Frage  auf,  ob  bei  der  Schwierigkeit,  diese  patho- 
logischen Producte  in  Menge  zu  beschaffen,  nicht  auch  Ascites-  und  Plen- 
ritistranssudate  mit  Agar  gemischt  als  günstige  Nährböden  zu  ver^ 
wenden  seien.  Paul  Keisser. 

(3)  Wolff  demonstrirt  mikroskopische  Präparate  sowie  Culturen 
von  Gonococcen,  welche  nach  der  Wertheim-Gebhar duschen  Methode 
gewonnen  sind.  Vortragender  steht  bezüglich  des  Werthes  der  G.-C.- 
Untersuchung  bei  der  Gonorrhoe  völlig  auf  dem  Neisser'schen  Stand- 
punkte ;  er  betont  in  klarer  und  eindringlicher  Weise  den  Werth  der  Pro- 
stituirten-üntersuchungen  besonders  bei  der  chronischen  Gonorrhoe  etc.  Er 
bespricht  hierauf  eingehendst  die  diagnostischen  Merkmale  der  Gonococcen. 

Galewsky. 

(4)  II.  Vorhandensein  von  Mikroorganismen  im  ürethralsecret  bei 
Complicationen  von  Blennorrhoen. 

Die  grosse  Seltenheit,  mit  der  Gonococcen  in  den  sogenannten  go- 
norrhoischen Gelenks-  resj).  Sehnenscheidenentzündungen  nachgewiesen 
werden  konnten,  lässt  Audry  daran  zweifeln,  dass  die  Gonococcen  für 
diese  Affectionen  die  Krankheitsursache  darstellen.  Aus  seinen  klinischen 
Erfahrungen  heraus  glaubt  er  folgende  2  Thesen  aufstellen  zu  dürfen. 

1.  Bei  allen  Tripperkranken  mit  Complicationen  finden  sich  im 
Ürethralsecret  Mikroorganismen,  die  sich  nach  Aussehen  und  Anordnung 
von  den  Gonococcen  unterscheiden. 

2.  Wenn  man  neben  Gonococcen  andere  Mikroorganismen  findet, 
so  ist  man  zu  der  Annahme  berechtigt,  dass  der  Patient  eine  Complication 
gehabt  hat  oder  noch  bekommen  wird. 

Zum  Schluss  spricht  der  Verfasser  der  Gram'schen  Färbung  jeden 
differentialdiagnostischen  Werth  für  die  Gonococcen  ab,  da  eine  grosse 
Anzahl  anderer  im  Präputialsack  vorkommender  Mikroorganismen  die- 
selbe Reaction  geben.  Lasch. 

(5)  Hugounenq  und  £raud  geben  jetzt  selbst  an,  dass  der  von 
ihnen  aus  der  Urethra  cultivirte  Diplococcus  zwar  in  der  Form  und  in  dem 
Verhalten  bei  der  G  r  a  m'schen  Färbung  mit  den  Gonococcen  übereinstimmt, 
aber  sich  sonst  unter  Anderem   auch   durch   seine  Grösse   von  denselben 


der  Syphilis.  145 

unterscheidet.  Sie  behaupten,  dass  ihr  Diplococcus  sich  immer  in  der  Urethra 
findet,  wenn  eine  Epididymitis  auftritt,  und  glauben  demnach,  da»s  er 
wirklich  der  speciiische  Erreger  der  gonorrhoischen  Epididymitis  ist. 

Jadassohn. 

(6)  £rau  d  theilt  zunächst  die  Krankengeschichte  eines  28jährigen  6o- 
norrhoikers  mit,  der  neben  einer  frischen  Initialsclerose  an  einem  „Urethral- 
catarrh"  fgonorrhoisch  ?)  litt,  und  zwar  schon  seit  8  Jahren.  Er  hatte  schon 
zu  Beginn  seiner  „Blennorhoe^  (?)  eine  linksseitige  Epididymitis  durch- 
gemacht. Nun  trat  ein  Recidiv  an  demselben  Nebenhoden  auf,  der  all- 
mälig  unter  entzündlichen  und  fieberhaften  Erscheinungen  stark  anschwoll 
nnd  nach  aussen  durchzubrechen  drohte.  E.  incidirte  daher  und  fand 
einen  eitrigen  Erguss  in  die  Tunica  vaginalis. 

E.  schliesst  eine  syphilitische  Erkrankung  aus  und  nimmt  an,  dass 
die  Eiterung  in  der  Tunica  vaginalis  durch  Fortpflanzung  der  Entzündung 
von  dem  Schwänze  des  Nebenhodens  aus  entstand.  Er  hat  den  Beweis 
dafür  im  Thierexperiment  schon  früher  zu  erbringen  geglaubt,  indem  er 
Toxalbumine  einer  Mikrobe,  die  er  aus  einer  Epididymitis  gezüchtet  hatte, 
in  die  Testikel  von  Hunden  einspritzte  und  so  das  klinische  Bild  künst- 
lich nachahmen  konnte.  Auf  Grund  der  bakteriologischen  und  chemischen 
Untersuchungen  des  aufgefangenen  Eiters  kommt  Eraud  zu  folgenden 
Resultaten : 

1.  Die  blennorrhagische  Epididymitis  kann  in  Eiterung  übergehen, 
und  zwar  ausschliesslich  in  Eiterung  in  die  Tunica  vaginalis.  Eine  primäre 
Vereiterung  des  Hodenparenchyms  in  Folge  von  Blennorrhoe  scheint  nicht 
vorzukommen. 

2.  Die  Mikrobe,  die  die  einfache  Entzündung  hervorruft,  ist  wahr- 
scheinlich dieselbe,  welche  die  eitrige  Entzündung  zu  Stande  bringt. 

8.  Das  Toxalbumin,  das  er  in  dem  Eiter  der  Tunica  vaginalis  fand, 
ist  fast  identisch  mit  dem,  das  er  aus  den  Culturen,  die  vom  Eiter  geimpft 
waren,  gewann. 

4.  E.  hält  es  dansch  für  erwiesen,  besonders  nach  seinen  früheren 
Untersuchungen,  dass  zwischen  den  Toxinen  aus  einer  blennorrhagischen 
Epididymitis  und  den  Toxinen  des  „Staphylococcus  urethralis",  der  in  der 
normalen  gesunden  Harnröhre  vorkommt,  kein  Unterschied  besteht. 

Ernst  Bender. 

(7)  Aus  einem  nicht  viel  Neues  bringenden  Vortrag  Neelsen's 
über  Gonorrhoe  sei  hier  nur  erwähnt,  dass  N.  als  Angriffspunkt  für  die 
Gonococcen  das  Uebergangsepithel,  das  Mittelglied  zwischen  Platten-  und 
<Gylinderepithel,  auffasst,  von  wo  aus  dann  der  Process  weiter  gehen  kann, 
dass  er  ferner  die  Möglichkeit  einer  rein  gonorrhoischen  Cystitis  negirt, 
ebenso  wie  er  sich  zu  den  durch  Gonococcen  allein  verursachten  Gelenk- 
«md  Nervenafiectionen  sehr  zweifelhaft  verhält.  Bei  der  weiblichen  ascendiren- 
den  Gonorrhoe,  speciell  bei  dem  Uebergreifen  auf  Tuben  und  Parametrien, 
sei  eine  Mischinfection  die  bei  weitem  gefahrlichere,  da  bei  rein  gonor- 
rhoischer Infection  die  Gefahr  einer  Peritonitis  bei  der  beschränkten 
licbensfahigkeit  der  Gonococcen  eine  sehr  geringe  sei.    Paul  Neisser. 

Arebir  f.  Dermatol.  u.  Sypbil.  Band  XXVIL  10 


146  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

(8)  Nach  einer  kurzen  Recapitulation  der  früheren  Arbeiten  und 
deren  Ergebnisse  über  die  Frage,  ob  die  im  Gefolge  von  Gonorrhoe  ent- 
stehenden Drüsenentzündungen  direct  oder  indirect  durch  Gonococcen- 
Invasion  hervorgerufen  werden  und  ob  der  Gonococcus  in  mehrschichtiges 
Plattenepithel  einzudringen  vermöge,  geht  Fabry  zur  Mittheilung  zweier 
Fälle  aus  seiner  Beobachtung  über,  durch  die  er  beweist,  dass  mit  Hilfe 
der  Lympfkörperchen,  die  die  Gono«occen  in  sich  aufnähmen,  die  Drüsen, 
welche  mit  der  Hamröhrenschleimhaut  communiciren,  inficirt  würden. 
Es  finde  gleichsam  durch  die  Eigenbewegung  der  Lympfkörperchen  eine 
Verschleppung  des  Virus  in  die  inneren  Partien  der  Drüse  statt.  Ange- 
regt werde  diese  Bewegung  durch  die  von  der  Hamröhrenschleimhaut  aoi 
die  Epithelien  der  Drüsen  fortgepflanzte  Entzündung.  Ob  die  Virulenz  der 
so  fortgeschleppten  Gonococcen  dabei  verloren  geht,  lässt  Verfasser  un- 
entschieden. Der  Gonococcus  scheine  die  Drüse  in  catarrhalische  Ent- 
zündung zu  versetzen,  nicht  in  abscedirende,  zu  welch'  letzterer  erst  das 
Hinzutreten  anderer  Mikroorganismen  führe.  Vez fasser  glaubt  also,  dass 
der  Gonococcus  den  Boden  für  das  Gedeihen  anderer  Bakterien  in  diesen 
parurethralen  Gängen  und  Littre'schen  Drüsen  vorbereite  durch  Unter- 
haltung eines  chronischen  Entzündungszustandes. 

Von  den  beiden  vom  Verfasser  berichteten  Fällen  wurde  der  eine  durch 
Exstirpation,  der  andere  durch  Kauterisation  der  paraurethralen  entzünd- 
lichen Neubildungen  von  dem  vorhandenen  und  durch  sie  imterhaltenen 
Tripper  geheilt.  Brandt. 

(9)  T  o  u  t  o  n  beschreibt  einen  weiteren  Fall  von  gonorrhoischer  Drüsen- 
erkrankung am  Penis,  die  sich  in  Form  eines  über  die  Raphe  quer  ver- 
laufenden Stranges  auf  der  Unterseite  des  Gliedes  darstellte.  Auf  Druck 
entleerte  sich  gonococcenhältiger  Eiter.  Die  Affection  war  anderweitig 
als  eine  luetische  diagnosticirt  worden.  Die  erkrankten  Drüsen  erwiesen 
sich  als  Talgdrüsen.  Interessant  ist,  dass  T.  das  Verhalten  der  Gonococcen 
zu  den  Epithelien  für  gerade  so  charakteristisch  hält,  als  dasjenige  zu 
den  Eiterkörperchen.  Sie  liegen  immer  auf  den  Epithelien  entweder  am 
Bande  als  schmaler  Saum  oder  als  Rasen  auf  der  Aussenfläche  der  Zelleur 
Anhangsweise  wird  noch  über  einen  Fall  von  Folliculitis  Jrenularis  chronica 
berichtet,  wobei  keine  Gonococcen  gefunden  werden  konnten,  sondern 
Doppelstäbchen,  die  T.  wiederholt  bei  chronischem  Tripper  aufgefallen  sind. 

Karl  Herxheimer. 

(10)  Souplet  bespricht  in  einer  klinischen  Vorlesung  die  Gründe, 
welche  vom  klinischen  wie  vom  bacteriologischen  Standpunkte  dafür 
sprechen,  dass  die  Gonorrhoe  nicht  blos  eine  specifische  Infectionskrank- 
heit  ist,  sondern  auch  eine  solche,  welche  sich  generalisiren  kann.  Mit 
aller  Reserve  bespricht  er  die  in  der  Literatur  niedergelegten  Thatsachen, 
welche  für  eine  solche  Anschauung  sprechen,  ohne  selbst  neue  beizubringen, 

Jadassohn. 

(11)  Finger  kommt  am  Schlüsse  seiner  eingehenden  Arbeit  za 
folgenden  Schlüssen: 


der  Syphilis.  147 

1.  Die  chronische  Urethritis  ist  ein  herdweiser  Process,  der  sich  im 
sab  epithelialen  Bindegewebe  als  chronische  Bindegewebs-Hyperplasie  ab- 
spielt. Erkrankungen  von  Epitheldrüsen  sind  theils  als  complicatorische^ 
theils  als  consecutive  Erscheinungen  aufzufassen. 

2.  Die  Herde  chronischer  Blennorrhoe  localisiren  sich  mit  Vorliebe 
in  Pars  pendula,  Bulbus,  Pars  prostatica. 

8.  Die  Pars  membranacea  ist  gegen  den  chron.  Process  relativ  im- 
mun (unter  81  Fällen  chron.  Urethritis  nur  2mal  leichte  oberflächliche 
unwesentliche  Veränderungen). 

4.  Die  Herde  chron.  Entzündung  sitzen  sowohl  in  Pars  anterior 
als  posterior  in  einer  Reihe  von  Fällen  oberflächlich,  in  der  Mucosa,  dem 
subepithelialem  Bindegewebe. 

5.  In  einer  zweiten  Reihe  von  Fällen  gehen  diese  Herde  per 
Continuitatem  auf  das  submucöse  Gewebe,  in  Pars  anterior  auf  periure- 
thrales und  cavemöses  Gewebe,  in  Pars  posterior  auf  die  Prostata  über. 

6.  Es  entstehen  so  chron.  verlaufende,  complicator.,  herdweise  Pro- 
cesse,  in  der  Pars  anterior  die  chron.  Periurethritis  und  Cavemitis,  in  der 
Pars  posterior  die  chron.  Prostatitis. 

7.  Daraus  ergeben  sich  nun  anatomisch  folgende  Formen  chron» 
Urethritis : 

1.  Urethritis  chron.  anterior  2.  Urethritis  chron.  posterior 

a)  Urethr.    ant.    chron.    super-  a)  Urethr.  chron.  posterior   su- 

flcialis,  mucosa,  perficialis  mucosa, 
h)  Urethr.  chron.  anterior  pro-  b)  Urethr.  chron.  posterior  pro- 
funda, funda. 
(d.  h.  -f  Periurethritis  und  Cavemitis  (d.  h.  +  Prostatitis  chron.) 
chron.) 

Mischformen  sind  natürlich  häufig. 

Fingers  Arbeit  entspricht  im  Wesentlichen  den  beiden  Veröffent- 
lichungen Fingers  im  Archiv  f.  Dermatol.  (1891  Ergsh.  1, 1893  Ergsh.  1) 
und  enthält  ausserdem  eine  ausführliche  Besprechung  der  subject.  und 
object.  klinischen  Symptome  der  Urethritis  posterior  chronica  und  der 
Prostatitis  blennorrhag.  chron.  Galewsky. 

(12)  Dind.  (Cf.  die  inhaltlich  übereinstimmende  Arbeit:  Ref.  dieses 
Archiv.  1893,  p.  680.) 

(18)  Nach  Lewis  liefern  die  gewöhnlich  angeführten  Ursachen  für 
die  lange  Dauer  der  chronischen  Gonorrhoe  (Vorhandensein  von  Gonococcen, 
Stricturen  von  weitem  Caliber,  [der  Gebrauch  gewisser  Medicamente)  keine 
genügende  Erklärung  und  geben  auch  keine  Anhaltspunkte  für  die  Pro- 
gnose. Die  beste  Erklärung  für  die  lange  Dauer  und  für  die  häufigen  Recidive 
gibt  das  Bestehen  der  Urethritis  posterior,  welche  für  die  gewöhnlich  ge- 
gebenen Ordinationen  unzugänglich  ist.  Deshalb  ist  in  jedem  Falle  von 
Urethritis  posterior  eine  locale  Behandlung  am  Platz.  Welche  Ursachen 
das  Zustandekommen  der  Urethritis  posterior  begünstigen,  dafür  gibt  die 
klinische  Forschung  keine  Anhaltspunkte.    Am  wahrscheinlichsten  ist  die 

10* 


148  Bericht  über  die  Leistongen  auf  dem  Gebiete 

Infection  der  hinteren  Harnröhre  vermittelst  der  Lympfgefasse,  Verf.  sieht 
in  der  Urethritis  posterior  keine  GompUcation,  sondern  eine  natnrgemässe 
Begleiterscheinung  der  Gonorrhoe.  Ledermann. 

(14)  Ingria  hat  „nicht  nur  mit  der  2-Glä8erprobe,  sondern  anch 
mit  der  Methode  Kromeyer's  untersucht,  welche  besser  als  die  erstere 
zu  einer  exacten  Diagnose  dient".  (Diese  Methode  —  der  Pyoctaninein- 
spritzung  in  cße  ür.  anterior^  um  bei  der  Zweig&serprobe  die  blauge- 
färbten  Fäden  aus  der  anterior  von  den  nicht  gefärbten  aus  der  posterior 
unterscheiden  zu  können  —  ist  nach  J.  zu  Unrecht  vergessen;  —  dem 
Ref.  hat  die  positive  Dienste  nicht  geleistet;  die  Ausspülung  der  Ur.  an- 
terior behufs  sicherer  Diagnose  wird  auffallenderweise  nicht  erwähnt.)  Mit 
diesen  Methoden  hat  Verf.  unter  390  Fällen  228mal  eine  Ur.  posterior 
oonstatirt,  und  zwar  in  der  ersten  Woche  in  42,5  V«,  in  der  2.  Woche  in 
67,21%,  in  der  ».  Woche  in  61,22V.,  in  der  4.  Woche  in  91,11%,  in  der 
5  Woche  in  78,837«,  in  der  6.  Woche  in  62,68% •  Unter  den  mehr  oder 
minder  chronischen  Fällen  (188  an  der  Zahl)  war  eine  Ur.  posterior  in 
54,88  Vo  vorhanden.  Im  Durchschnitte  war  sie  in  58,47Vo  aller  Fälle  zu  con- 
statiren,  eine  zwar  hohe,  aber  doch  nicht  so  hohe  Ziflter,  um  die  Ur.  posterior 
als  eine  fast  regelmässige  Folge  der  Gonorrhoe  bezeichnen  zu  können. 
Nur  in  einem  Falle  fehlte  die  gleichzeitige  Ur.  anterior.  Auch  nach  J.'s 
Erfahrungen  ist  die  Ur.  post.  weniger  hartnäckig  als  die  anterior. 

Von  den  228  Fällen  heilte  die  Ur.  ant.  bei  noch  bestehender  post. 
in  60  Fällen,  in  41  Fällen  heilte  die  post.  zuerst ;  nur  in  einem  Falle  be- 
stand eine  Ur.  prostatica  sehr  lange  Zeit,  in  den  andern  126  Fällen  konnte 
der  Process  nicht  bis  zum  Ende  verfolgt  werden.  Die  Ursachen  der  post. 
findet  der  Verf.  nicht  in  constitutionellen  Störungen,  sondern  besonders 
in  hochgradigen  Anstrengungen  und  in  frühzeitigen  und  schlecht  ge- 
machten Injectionen. 

Einseitige  oder  doppelseitige  Epidid3rmitis  wurde  in  45  Fällen  con- 
statirt,  meist  in  der  3.  und  4.,  nie  in  der  1.  Woche.  12mal  bestand  die 
Epididymitis  ohne  posterior  oder  —  wie  der  Verf.  voraussetzt  —  die  erstere 
kam  erst  zur  Beobachtung,  als  die  letztere  schon  verheilt  war.  Pro- 
statitis —  eine  bei  J.  ziemlich  häuüge  Complication  —  bestand  immer 
zugleich  mit  einer  Posterior. 

Von  den  15  Stricturen  sassen  9  in  der  Pars  cavemosa,  4  in  der 
Membranosa,  2  in  der  Prostatica;    immer  war  ant.    und   post.  vorhanden. 

Cystitis  wurde  20mal  beobachtet,  15mal  leicht  und  nur  am  Blasenhals 
localisirt,  5mal  schwerer ;  einmal  —  nach  Gatheterismus  —  war  sie  mit 
Pyelitis  complicirt.  Jadassohn. 

(15)  Goldenberg  hat  zur  Erleichterung  der  endoskopischen  Unter- 
suchung der  hinteren  Harnröhre  einen  Obturator  angegeben,  dessen  Prin- 
cip  dem  El lio tischen  Uterine  Repositor  entnommen  ist.  Er  besteht  aus 
zwei  am  Ende  mit  einander  verbundenen  flachen  Drähten,  deren  einer 
durch  die  mit  einer  Daumenschraube  versehene  Hülse  geht.  Durch  Drehen 
an  der  Schraube  wird  der  letztere  Draht  beliebig  verkürzt  oder  verlängert, 
HO  dass  man  dem  auf  die  Drähte  genau  passenden,   spiralig  gewundenen 


der  Syphilis.  149 

Ende  der  Obturatorscheide  jede  beliebige  Krümmung  geben  kann.  Letzterer 
wird  direot  an  einem  Zeiger  abgelesen.  Das  Instrument  wird  gekrümmt 
eingeführt,  durch  den  Obturator  gerade  gestellt  und  letzterer  aus  der 
Scheide  herausgezogen,  die  in  situ  in  der  Harnröhre  liegen  bleibt. 

Koch. 

(16)  Jan  e  t  unterscheidet  von  der  gewöhnlichen  Form  der  spontanen 
Blutung  aus  der  Harnröhre  eine  zweite,  welche  am  Ende  der  Miction  in 
Form  einiger  blutiger  Tropfen  auftritt  und  sich  yon  der  aus  der  Ur.  post. 
dadurch  unterscheidet,  dass  diese  letztere  nur  am  Ende  der  Blasenent- 
leerung, die  erstere  bei  jeder  Unterbrechung  des  ürinirens  sich  zeigte. 
Er  sah  diese  Form  besonders  bei  starker  Epitheldesquamation  der  Urethra. 

(17)  Petersen  berichtet  über  einen  Fall  von  Spermatocystitis  im 
Anschluss  an  Gonorrhoe.  Yert.  weist  gleichzeitig  auf  die  wenigen  in  der 
Literatur  bekannten  Fälle  hin.  Galewsky. 

(18)  Düms  bespricht  2  Fälle  von  Blasensteinen  und  hält  in  dem 
ersten  Falle  den  alten  Tripper  für  die  Ursache  der  Steiubildung,  im 
zweiten  den  Stein  für  die  Ursache  eines  Trippers.  In  letzterem  Falle,  in 
welchem  Infectionsmöglichkeit  geleugnet  wird,  glaubte  Verfasser,  dass  der 
Stein  als  Reizursache  einen  Tripper  (!)  erzeugt  habe.  Eine  weiteres  Ein- 
gehen verdient  nach  alledem  die  Arbeit  nicht.  Galewsky. 

(19)  Büttner  untersuchte  auf  Gonococcen  mit  den  gewöhnlichen 
Färbungsmethoden  das  Genitalsecret  von  54  Prostituirten  Dorpats,  welche 
theils  im  dortigen  städtischen  Hospital  intemirt,  theils  ambulant  waren. 
Bei  seinen  Untersuchungen  fand  B.  nur  6  Fälle  von  acuter,  resp.  makro- 
skopisch diagnosticirter  Gonorrhoe.  Bei  den  weiteren  48  Fällen  konnte 
B.  constatiren,  dass  die  procentuarische  Zahl  der  mit  Gonorrhoe  be- 
hafteten Prostituirten  eine  desto  grössere  war,  je  häu'iger  jede  einzelne 
Person  untersucht  wurde.  Unter  32  ambulanten  Puellae  publicae  wurde 
die  Untersuchung  bei  9  blos  einmal  und  unter  den  16  Intemirten  bei  4 
nur  einmal  vorgenommen.  Die  einmal  Untersuchten,  als  nicht  beweiskräf- 
tig aus  der  Rechnung  gestrichen,  fand  B.,  dass  unter  12  nicht  wegen  Gonor- 
rhoe intemirten  Personen  11,  also  91,66 V«,  und  unter  den  23  Ambulanten 
8,  also  34,787t  niit  Gonorrhoe  behaftet  waren.  Beim  Addiren  dieser  beiden 
Zahlen  ergibt  sich,  dass  sich  bei  35  mehr  als  einmal  untersuchten  Frauen- 
zimmern die  Anzahl  von  19,  also  54,28%  gonorrhoisch  inficirter  Prostituirten 
ergeben  hat.  Das  ungeheuere  Ueberwiegen  der  Gonorrhoe  bei  den  intemirten 
Puellis  publicis  meint  B.  vielleicht  darauf  beziehen  zu  können,  dass  die- 
selben im  Allgemeinen  viel  jünger  waren  (Durchschnittsalter  20  Jahre)  als 
die  Ambulanten  (Durchschnittsalter  26  Jahre).  Die  bekannte  Thatsache, 
dass  die  venerischen  Krankheiten  bei  den  Neulingen  unter  den  Prostituirten 
viel  häufiger  sind  als  bei  den  älteren,  gilt  vielleicht,  meint  B.,  auch  für 
die  Gonorrhoe.  A.  Grünfeld. 

(20)  Witte  bemerkte  in  seinem  Vortrage:  Es  gelinge  im  Beeret 
der  erkrankten  Gewebe  —  nach  Neisser  und  Schwarz  —  nur  in 
50%  der  Fälle  die  Gonococcen  nachzuweisen.  Unter  12000  poliklini- 
schen Fällen   constatirte  W.  288mal  auf  Grund   der  Anamnese   und  des. 


150  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

anatomischen  Befundes  Gonorrhoe.  In  65  Fällen  wurden  Gonococcen  bak- 
teriologisch nachgewiesen,  und  zwar  16mal  in  der  Vagina,  42mal  in  der 
Urethra,  6mal  im  Cervix  und  lOmal  im  Pyosalpinxeiter  (8mal  gleichzeitig 
in  Urethra  und  Cervix).  In  27  weiteren,  der  Gonorrhoe  verdächtigen  Fällen 
wurden  wohl  Staphylococcen  und  Streptococcen,  verschiedene  Arten  von 
Diplococcen  und  Bacillen,  aber  keine  Gonococcen  gefunden.  Unter  88  Kin- 
dern mit  Vulvovaginitis,  bei  denen  in  22  Fällen  das  eitrige  Secret  der 
Scheide  untersucht  wurde,  fanden  sich  ISmal  Gonococcen.  Das  seltene  Vor- 
kommen von  Vulvovaginitis  (68mal  unter  288  Fällen  von  Gonorrhoe)  bei 
Mädchen  und  Frauen  im  Gegensatz  zu  Kindern  erklärt  W.  aus  den  vor- 
anfgegangenen  zu  Hause  vorgenommenen  Umschlägen  und  Ausspülungen. 
Bei  der  Therapie  legt  W.  grosses  Gewicht  auf  Femhalten  von  Reizen,  die, 
wie  auch  der  physiologische  Reiz  der  Menstruation,  Gonococcen  vermehrend 
wirken.  Bei  der  ascendirenden  Gonorrhoe  empfiehlt  er  Bettruhe,  Blntent- 
Ziehung,  Eisblase,  Regelung  von  Diät  und  Stuhl.  Ovarialabscess  und  Pyo- 
Salpinx  erfordern  die  Entfernung  der  erkrankten  Theile,  deren  zurück- 
bleibende Stümpfe  noch  häufig  infectiös  sind.  Erst  nach  Beseitigung  der 
Entzündung  ist  Curettement  und  Jodinjection  erlaubt. 

(21)  In  der  sich  an  diesen  Vortrag  anschliessenden  Discussion  meint 
Lassar,  dass  in  der  Ehe  chronische  Gonorrhoe  aus  chronischer,  acute 
aus  acuter  entstehe.  Hiernach  sind  auch  die  acuten  Attaquen  des  Mannes 
als  ausserehelich  erworben  anzusehen.  Für  die  Häufigkeit  des  Vorkommens 
der  Vulvovaginitis  kleiner  Mädchen  möchte  L.  namentlich  die  Mastur- 
bation mit  gewissem  infectiösem  Material  anschuldigen.  Von  dem  gründ- 
lichen Curiren  der  männlichen  Gonorrhoe  vor  Eintritt  in  die  Ehe,  nicht 
aber  von  einer  Verschärfung  der  polizeilichen  Controle  bei  den  Puellae 
erwartet  L.  eine  Verminderung  der  weiblichen  Gonorrhoe. 

Martin  hat  häufig  Vulvovaginitis  kleiner  Mädchen  gesehen,  aber 
nur  einmal  einen  untrüglichen  Fall  von  Stuprum;  auffallend  ist  ihm  die 
relative  Seltenheit  der  Weiterverbreitung  in  die  inneren  Genitalien  bei 
diesen  Kindergonorrhoen,  e  b  e  n  s  o  wie  bei  denen  der  Erwachsenen, 
soweit  die  Zusammenstellung  von  Witte  darüber  zu  ur- 
theilen  erlaubt.  Martin  hält  das  Virus  der  recidivirten  männlichen 
Gonorrhoe  für  die  Frauen  für  deletärer  als  das  Virus  der  acuten  Gonor- 
rhoe, insofern  mit  letzterem  die  Weiterverbreitung  in  die  Tiefe  seltener 
erfolg^.  Die  Wertheimschen  Involutionsformen  sollen  hierbei  eine  Rolle 
spielen. 

Veit  schlägt  vor,  bei  einem  Zweifel  an  der  Infectiosität  des  Mannes 
das  Sperma  zu  untersuchen,  da  er  im  Prostatasecret  krankhafte  Verän- 
derungen vermuthet.  Auch  er  hält  die  Vulvovaginitis  für  nur  selten  durch 
Stuprum  bedingt,  dagegen  häufig  durch  das  gemeinschaftliche  Lager  und 
den  gemeinsamen  Gebrauch  von  Wäschestücken. 

Olshausen  macht  auf  die  Seltenheit  der  Blennorrhoe  als  Beglei- 
terin der  Vulvovaginitis  aufmerksam,  im  Gegensatz  zu  der  Empfänglichkeit 
der  Neugeborenen. 


der  Syphilis.  151 

Borchart  konnte  in  allen  Fällen  im  Secret  der  Männer  keine 
Gonococcen  nachweisen,  obwohl  das  Secret,  wie  aus  der  Infection  der 
Frau  erhellt,  seine  Virulenz  bewahrt  hatte.  Auffallig  ist  ihm,  dass  Ehe- 
männer trotz  ununterbrochenen  Verkehrs  dauernd  geringe  gonorrhoische 
Erscheinungen  behalten  können,  während  ihre  Frauen  schwere  Erkran- 
kungen mit  stark  purulenter  Secretion  durchmachen. 

Gottschalk  hat  die  gonorrhoische  Endometritis  mit 57«  Alumnol- 
lösung  mittelst  der  Playfair'schen  Sonde  oder  mit  57f  Gelatinestäbchen 
behandelt,  wonach  er  eine  bedeutende  Secretionsbeschränkung  eintreten 
sah.  1 — 2%  Stäbchen  wurden  bei  Urethritis,  10 — 207i  Pasten  bei  spitzen 
Condylomen  angewandt.  Die  Gonococcen  sollen  hiemach  verschwinden. 

Jaquet  macht  auf  die  event.  Häufung  der  forensischen  Fälle  auf- 
merksam, die  dann  entstehen  würde,  wenn  Broese's  Vorschlag,  in  allen 
Fällen  von  Fluor  albus  —  ohne  Gonococcen  —  gleichzeitig  den  Ehemann 
in  Behandlung  zu  nehmen,  acceptirt  würde. 

Broese  bemerkt  im  Schlusswort,  dass  er  entgegen  Lassar  2mal 
beobachtet  hat,  dass  sich  Männer  von  ihren  Frauen,  die  sie  selbst  inficirt 
hatten,  nachdem  sie  selbst  geheilt  waren,  wieder  einen  frischen  Tripper 
geholt  hatten.  Für  forensische  Fälle  will  Br.  neben  der  mikroskopischen 
Untersuchung  das  Culturverfahren  angewandt  wissen. 

Witte  bemerkt  im  Schlusswort,  dass  bei  negativem  Gonococcen- 
befund  die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  in  ihrer  Combination 
volle  Berücksichtigung  verdienen.  A.  Philippson. 

(22)  Crockett  hält  es  nach  den  neueren  experimentellen  Untersuchun- 
gen für  erwiesen,  dass  der  Gonococcus  Neisser  der  Erreger  der  Gonorrhoe 
ist,  und  gibt  eine  kurze  Schilderung  der  Gestalt  und  Anordnung  der  Gono- 
coccen. Als  Ursache  der  sog.  latenten  Gonorrhoe  betrachtet  er  das  Zurück- 
bleiben der  Krankheitserreger  im  Cervix;  dort  sind  dieselben  durch  Be- 
handlung schwer  zu  beseitigen,  andererseits  liegt  die  Gefahr  der  Aus- 
dehnung des  Krankheitsprocesses  nahe,  als  deren  Resultate  Sterilität  und 
Tubenschwangerschaft  hervorgehoben  werden.  Ob  Peritonitis  durch  Gono- 
coccen allein  oder  durch  Mischinfection  hervorgerufen  wird,  hält  Crockett 
für  unentschieden ;  jedenfalls  kann  Pyosalpinx  durch  erstere  allein  bewirkt 
werden,  da  Wertheim  in  7  Fällen  nur  Gonococcen  im  Tubeneiter  fand. 
Andrerseits  handelt  es  sich  jedoch  zuweilen  bei  Pyosalpinx  um  Misch- 
infection; alsdann  pflegen  die  entzündlichen  Erscheinungen  heftiger  zu 
sein,  auch  behält  in  diesem  Falle  der  Eiter  viel  länger  seine  Wirkung, 
als  der  durch  Gonococcen  hervorgerufene. 

Hinsichtlich  der  Aetiologie  der  Gonorrhoe  der  Weiber  weist  Crockett 
auf  die  Häufigkeit  der  Infektion  durch  Ehemänner  hin,  welche  an  chroni- 
schem Tripper  litten;  letzterer  würde  nur  allzuoft  von  Seiten  des  Arztes 
und  Patienten  zu  wenig  beachtet,  zuweilen  sogar  vollständig  übersehen. 
Arzt  und  Patient  sollten  bedenken,  welche  unheilvollen  Folgen  eine  ober- 
flächliche Behandlung  jener  wichtigen  Frage  herbeiführen  könne.  Als 
Beispiel  hierfür  berichtet  Verfasser  einen  jener  häufigen  Fälle,  in  dem  ein 
junger  Mann,  welcher  eine  Gonorrhoe  durchgemacht  hatte  und  vom  Arzt 


152  Bericht  über  die  LeiBtungen  auf  dem  Gebiete 

die  Erlaubniss  zur  Ehe  erhalten  hatte,  seine  Frau  gonorrhoisch   inficirte 
und  80  die  Ursache  ihrer  schweren  und  langdaoemden  Erkrankimg  wnrde. 

Schaffen 

(23)  Mann  schliesst  sich  der  Ansicht  T  ai  t  s  an,  dass  beim  weiblichen 
Geschlechte  die  Gonorrhoe  eine  gefahrlichere  Eriatmkang  als  die  Syphili» 
sei;  letztere  sei  der  Behandlung  leicht  zuganglich,  erstere  dagegen  äusserst 
schwierig  zu  heilen,  sobald  sie  die  Tuben  erreicht  oder  sich  noch  weiter 
fortgesetzt  hätte.  Eine  Infection  der  Blase,  der  Ureteren  sowie  der  Nieren 
von  der  Harnrohre  aus  hält  Mann  für  selten,  glaubt  jedoch  einige  der- 
artige Fälle  beobachtet  zu  haben.  Eine  gonorrhoische  Vulvitis  ist  nach 
seiner  Ansicht  sehr  häufig,  während  eine  specifische  Vaginitis  nur  aus- 
nahmsweise vorkommt.  Dagegen  ist  ein  sehr  gewöhnlicher  und  besonders 
hartnäckiger  Sitz  der  Erkrankung  der  Cervix,  welcher  wegen  der  geringen 
Dicke  der  Epithelschicht  und  der  alkalischen  Reaction  die  Ansiedelung 
der  Gonococcen  begünstigt.  Von  hier  aus  verbreiten  diese  sich  leicht  nach 
dem  Uterus  und  der  Tube,  und  erst  wenn  letztere  durchwandert  ist,  wird 
gewöhnlich  dem  Fortschreiten  des  Processes  durch  peritonitische  Ad- 
häsionen eine  Schranke  gesetzt.  Gerade  die  chronische  Gonorrhoe  soll 
häufig  zu  derartigen  Gomplicationen  Veranlassung  geben.  Sterilität  in 
Folge  solcher  Verwachsungen  oder  Abscesse  sind  häufig  der  Ausgang 
dieser  Krankheit.  Bei  der  grossen  Gefahr,  welche  die  Gonorrhoe  der 
Frauen  herbeifuhrt,  ist  es  nach  Mann's  Ansicht  die  Pflicht  des  Arztes,  den 
Männern,  welche  einen  Tripper  gehabt  haben,  nur  dann  die  Ehe  zu  ge- 
statten, wenn  sie  als  sicher  geheilt  angesehen  werden  können;  oft  genug 
kann  man  in  der  Praxis  die  traurigen  Gonsequenzen  beobachten,  welche 
die  Vernachlässigung  dieser  Regel  herbeifahrt.  Zum  Schluss  weist  der 
Verfasser  darauf  hin,  dass  sowohl  bei  Männern  wie  bei  Weibern  der  Gono- 
coccennachweis  allein  die  Diagnose  der  Gonorrhoe  sichert.     Schaff  er. 

(24)  Luczny  hat  47  frisch  mit  Gonorrhoe  inficirte  Patientinen  der 
Poliklinik  der  Berliner  kgl.  Frauenklinik  untersucht  und  dabei  44mal  die 
Urethra,  12mal  die  Vulva,  17mal  die  Bartholinischen  Drusen,  19mal  die 
Vagina,  34mal  den  Cervix,  2mal  das  Rectum  erkrankt  gesehen.  Bei  allen 
Fällen  ergab  die  Untersuchung  auf  Gonococcen  einen  positiven  Befund. 
Trotzdem  hält  Verf.  die  Diagnose  auch  ohne  Mikroskop  durch  klinische 
Kriterien  für  ebenso  sicher.  (?)  Die  Prognose  sei  bei  früher  und  ener- 
gischer Behandlung  eine  günstige.  Die  Behandlung  bestand  bei  Urethritis 
in  Injection  von  Zinc.  sulfo-carbol.  1 :  100,  bei  der  Vulvitis  in  täglichen 
Waschungen  mit  Sublimat  1 :  1000 — 500,  bei  der  Colpitis  in  Tampons  von 
Jodglycerin  und  später  Jodoformgaze.  Bei  der  Uterusbehandlung  verwirft 
er  den  Chlorzink  der  schlechten  Erfolge  und  der  häufigen  Nebener- 
scheinungen, Koliken,  Parametritis,  Stenosen  wegen,  empfiehlt  dagegen  Aus- 
spülungen von  Sublimat  1 :  5000 — 500  je  nach  dem  Alter  der  Patientinen, 
welche  täglich  oder  jeden  2.  Tag  vorzunehmen  sind.     Paul  Neisser. 

(25)  Krönig  hat  in  letzter  Zeit  an  der  Leipziger  Universitats- 
frauenklinik  das  Lochialsecret  aller  Wöchnerinen  untersucht  und  dabei 
nach  dem  Wertheim'schen  Verfahren  in  9  Fielen  Gonococcen  nachgewiesen. 


der  Syphilis.  153 

In  allen  diesen  9  Fällen  war  mit  einer  Aasnabme  ohne  andere  äussere 
YeranlasBongen  Fieber  vorhanden,  welches  aber,  olme  therapeutische 
Massnahmen,  spontan  abfiel ;  bei  allen  waren  die  Lochien  stark  vermehrt, 
eitrig.  Bei  einer  Patientin  stellte  sich  nach  2  Wochen  ein  pelveoperi- 
tonitisches  Exsudat  heraus,  während  bei  einer  anderen  neben  Schmerzen  im 
r.  Ellbogengelenk  und  einem  Erguss  in  die  Sehnenscheide  der  Dorsal- 
flexoren  der  rechten  Hand  ein  hühnereigrosses  Exsudat  im  rechten  Para- 
metrium  nachgewiesen  wurde.  Andere  pyogene  Keime  wurden  in  dem 
Lochialsecret  nie  gefunden.  Paul  Neisser. 

(26)  Die  25jährige  Patientin  Wertheim'»,  welche  seit  3  Jahren  an 
Ausfluss  und  Schmerzen  im  Leibe  leidet,  die  sich  in  der  letzten  Zeit 
bedeutend  vermehrt  haben,  zeigt  bei  der  Untersuchung  ausser  reichlichem 
Eiterausfluss  aus  Vulva  und  Urethra  eine  Verdickung  und  Schmerzhaftigkeit 
der  rechten  Tube,  während  auch  die  linksseitigen  Adnexe  empfindlich, 
aber  nur  wenig  geschwellt  sind.  Bei  der  Laparotomie  zeigt  sich  neben 
rechtsseitiger  Salpingitis  —  aus  dem  nirgends  angelötheten  abdominalen 
Ende  ergiesst  sich  weisser,  rahmiger  Eiter  —  eine  acute  Peritonitis,  indem 
die  Serosa  des  kleinen  Beckens  und  auch  der  Boden  des  Douglas'schen 
Raumes  mit  trüber  eiterartiger  Flüssigkeit  bedeckt  war,  während  die 
hintere  Fläche  des  Uterus  und  des  Ligamentum  latum  sinistr.  weissliche, 
leicht  abziehbare  Auflagerungen  aufwies.  Sowohl  die  frischen  Präparate 
aus  dem  Eiter,  als  auch  Schnittpräparate  aus  den  Auflagerungen,  ferner 
Gulturen  auf  Agar-Agar  ergaben  den  Befund  von  massenhaften  Gonococcen. 
Ebenso  wurden  im  Eiter  der  rechten  Tube  Gonococcen  in  Menge  gefunden. 
Verf.  betont,  dass  dies  der  erste  Fall  einer  sichergestellten  Gonococcen- 
Peritonitis  sei,  in  welchem  theils  flüssiges,  theils  der  Serosa  als  Membran 
auflagemdes  eitriges  Exsudat  noch  vorhanden  war.  Von  den  zwei  von  ihm 
festgestellten  Infectionsarten  des  Peritoneums  von  der  Tube  aus,  durch 
das  abdominale  Ostium  oder  durch  die  Wand  der  Tube  hindurch,  sei 
natürlich  die  Infection  hier,  wie  ja  der  Befund  beweise,  auf  die  erste  Art 
entstanden.  Paul  Neisser. 

(27)  C  hall  an  hat  einen  Fall  beobachtet,  in  welchem  eine  ganz 
acute  in  8  Tagen  ad  exitum  führende  eitrige  Peritonitis  einen  Patienten 
eine  Stunde  nach  seiner  Entlassung  aus  dem  Hospital  befiel,  in  welchem 
er  wegen  einer  uncomplicirten  Gonorrhoe  behandelt  worden  war.  Da  sich 
bei  der  Section  eine  andere  Ursache  für  die  Peritonitis  nicht  ergab, 
hält  sie  Ghallan  für  eine  gonorrhoische  (trotzdem  sie  sich  in  ihrem  Verlauf 
von  allen  bisher  beobachteten  gonorrhoischen  Peritonitiden  unterschied 
und  kein  Mittelglied  zwischen  der  Gonorrhoe  und  der  Peritonitis  gefunden 
worden  ist  [Ref.]).  Jadassohn. 

(28)  In  der  Gesellschaft  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  demon- 
strirte  Bröse  ein  durch  Laparotomie  gewonnenes  Präparat  eines  gonor- 
rhoischen Tuboovarialabscesses.  Das  abdominale  Ende  war  mit  dem  Ova- 
rium  verlöthet  und  entsprechend  der  Verklebungsstelle  fand  sich  im 
Ovarium  eine  wallnussgrosse,  mit  Eiter  gefüllte  Höhle,  in  der  Gonococcen 
nachgewiesen  wurden.  Paul  Neisser. 


154  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

(29)  Die  sehr  heruntergekommene  Patientin  Saulmanns  hatte  neben 
Schmerzhaftigkeit  im  linken  Abdomen  eine  fluctnirende  Geschwuhit  links 
vom  üteruB,  welche  das  linke  Scheidegewölbe  gans  ausfüllte;  der  ütems 
seibat  war  vergrössert  und  schmerzhaft.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
des  Gervixsecrets  ergab  neben  reichlichen  Gonococcen  TuberkelbacciUen. 
Nach  8  Tagen  waren  unter  Scheidenausspülungen  mit  4%  Arg.  nitr.  und 
Stephan^schen  Ghlorzink-Sublimat-Antrophoren  die  Gonococcen  verschwun- 
den, während  die  Tuberkelbacillen  noch  constatirt  wurden.  Eines 
Tages  hatte  Patientin  das  Gefühl,  als  ob  etwas  in  ihrem  Leibe  geplatzt 
sei,  und  im  Speculum  zeigte  sich,  dass  eine  grosse  Quantität  Eiter  strom- 
weise aus  dem  Orificium  abfloss,  der  reichlich  Tuberkelbacillen  enthielt. 
Ein  Abscess  hatte  sich  in  der  Tube  geöffiiet  und  nach  dem  Uterus  hin 
entleert.  Die  Patientin  befindet  sich  noch  in  des  Vortragenden  Behandlung. 

Paul  Neisser. 

(SO)  Palm  er  wurde  von  einem  Patienten  consultirt,  welcher  an 
Gonorrhoe  litt  und  seine  Frau  angesteckt  zu  haben  glaubte ;  hierin  suchte 
er  den  Grund  ihrer  Unfruchtbarkeit.  Die  Untersuchung  ergab,  dass  Patient 
an  einer  gonorrhoischen  Strictur  litt  und  dass  seine  Frau  eine  Yaginitis, 
Endometritis  und  eine  Fixation  des  Uterus  in  abnormer  Lage  hatte.  Nach 
erfolgreicher  Behandlung  Beider  wurde  die  Frau  gravid.  Auch  im  zweiten 
Falle  klagte  der  Patient  darüber,  dass  seine  Ehe  kinderlos  sei.  Die  Unter- 
suchung der  Frau  ergab  durchaus  normalen  Befund  der  Genitalorgane; 
dagegen  stellte  sich  heraus,  dass  der  E)iemann  vor  mehreren  Jahren  eine 
Gonorrhoe  mit  beiderseitiger  Epididymitis  durchgemacht  hatte.  Die  Unter- 
suchung des  Samens  zeigte  das  vollständige  Fehlen  von  Spermatozoon. 
-  Nach  Palmers  Ansicht  ist  von  10  Fällen  von  Sterilität  in  etwa  dreien  die 
Schuld  auf  Seiten  des  Mannes.  Schaffen 

(31)  Cahen-Brach  g^bt  einen  historischen  Ueberblick  über  die 
Wandlungen,  welche  die  Ansichten  über  das  Zustandekommen  der  Uro- 
genitalblennorrhoe  der  kleinen  Mädchen  erfahren  haben.  Y.  hat  sich  be- 
sonders auf  Grund  der  neueren  Arbeiten  (Späth,  Epstein,  Skutsch)  die 
Ansicht  gebildet,  dass  es  sich  in  fast  allen  Fällen  um  eine  Gonococcen- 
Infection  handle,  trotz  der  gegenseitigen  Ansichten,  die  auch  in  den 
neuesten  Lehrbüchern  der  Pädiatrie  (Baginski,  Henoch)  vertreten  werden. 
Zum  Beweise  für  die  Richtigkeit  seiner  Ansicht  folgen  seine  eigenen  Be- 
obachtungen, die  26  Fälle  umfassen.  Die  fast  regelmässige  Mitbetheiligung 
der  Urethra  (unter  25  Fällen  23mal  sicher,  Imal  wahrscheinlich)  veranlasst 
den  y.  statt  der  üblichen  Bezeichnung  Vulvovaginitis  den  Namen  Uro- 
genitalblennorrhoe  vorzuschlagen.  Brach  kommt  als  Ergebniss  seiner  Be- 
obachtungen zu  folgenden  Thesen: 

1.  Die  kindliche  Leucorrhoe  stellt  in  den  meisten  Fällen  —  wenn  sie 
mit  profuser  Secretion  einhergeht,  fast  ausnahmslos  — eine  echte  Gonorrhoe  dar. 

2.  Die  hierbei  öfter  als  im  erwachsenen  Alter  in  Frage  kommende 
indirecte  Infection  fasst  abgesehen  von  der  Vulva  zunächst  festen  Fuss  in 
der  Urethra  und  erzeugt  daselbst  eine  für  die  Gonorrhoe  kleiner  Mädchen 
nahezu  pathognomonische  Entzündung. 


der  Syphilis.  155 

8.  Erst  weiterhin  wird  die  Vagina  afficirt,  deren  Empfänglichkeit 
für  das  Trippergift  ebenso  wie  bei  der  Valva  mit  zunehmendem  Lebens- 
alter sich  verringert. 

4.  Ein  Uebergreifen  des  Processes  auf  die  Cervix  und  weiterhin  den 
Uteruskörper,  Tuben  und  Peritoneum  gehört  zu  den  Seltenheiten. 

6.  Auch  die  kindliche  Oonorrhoe  giebt  zuweilen  zu  Gelenkmetastasen 
Veranlassung. 

6.  Indem  das  Leiden  durchschnittlich  in  drei  Monaten  spontan 
abheilt,  gestaltet  sich  seine  Prognose  wesentlich  günstiger  als  bei  Er- 
wachsenen, wenngleich  auch  bei  Kindern  eine  jahrelange  Dauer  mit  zeit- 
weiliger Latenz  vorkommt. 

7.  Therapeutisch  hat  sich  am  besten  eine  möglichst  wenig  eingrei- 
fende Behandlung  bewährt.  Prophylaktisch  ist  es  wichtig,  bei  kleinen 
Mädchen  die  gemeinsame  Benutzung  von  Bett,  Waschgeräthen  etc.  mit 
tripperkranken  Personen  nicht  zuzulassen.  Lasch. 

(32)  Nach  Berggrün  ist  die  Gonorrhoe  die  häufigste  Ursache 
der  Vulvovaginitis  kleiner  Mädchen;  bei  11  von  31  Fällen  wurden  Gono- 
coccen  mikroskopisch  und  durch  die  Cultur  (nach  Winkler  —  Eibitzeiweiss 
oder  Wertheim  —  Blutserum)  nachgewiesen;  für  eine  sichere  Diagnose 
hält  B.  die  Cultivirung  für  nothwendig.  7  Fälle  gehörten  zur  eitrigen 
Vulvitis,  die  sehr  oft  traumatisch  ist;  bei  ihr  finden  sich  Staphylo-  oder 
Streptococcen.  10  Fälle  gehörten  zur  „katarrhalischen  Vulvitis **  —  auch 
diese  hält  der  Verfasser  für  infectiös,  trotzdem  es  ihm  nicht  gelungen  ist, 
bestimmte  Bakterien  zu  isoliren. 

(33)  Von  einer  Besprechung  der  selteneren  Wege  der  Uebertragung 
des  Trippers  beim  weiblichen  Geschlecht  ausgehend,  citirt  Gross  die  Be- 
richte verschiedener  Autoren  über  Endemien  von  Vulvovaginitis  kleiner 
Mädchen  (die  grosse  Posener  Endemie,  über  welche  S kutsch  genaue 
Untersuchungen  angestellt  und  ausfuhrlich  referirt  hat,  scheint  ihm  un- 
bekannt geblieben  zu  sein.  Ref.)  und  beschreibt  einen  Fall  von  Vulvova- 
ginitis gonorrhoica  bei  einem  10  Jahre  alten  Mädchen  und  einen  Fall  von 
Gonorrhoe  bei  einer  19  Jahre  alt«n  Virgo.  In  dem  letzteren  Falle  hat 
G.  unter  Cocain  das  Speculum  eingeführt  und  die  Vaginalschleimhaut 
„dunkelroth  mit  einigen  punktförmigen  Ekchymosen  versehen^,  das  Ger- 
vicalsecret  normal,  glasig  gefunden.  (Von  einer  Untersuchung  der  Secrete, 
speciell  der  Vaginalsecrete  auf  Gonococcen  ist  in  diesem  Falle  keine  Rede. 
Bei).  Zum  Schlüsse  Beschreibung  der  auf  der  Tübinger  Klinik  üblichen 
Behandlung  der  Vulvovaginitis  gonorrhoica.  Die  Urethra  wird  mit  Cocain 
anästhesirt  und  mit  1 :  1000  Sublimat-Lösung  bepinselt.  Die  Scheide  wird 
gleichfalls  mit  Cocain  bepinselt,  mit  Sublimatlösung  ausgespült  und  hierauf 
unter  langsamem  Herausziehen  des  Speculums  mit  Alaun  ausgepulvert. 
Nach  einigen  Tagen  werden  die  sich  abstossenden  Schleimhautfetzen  mit 
„schwacher''  Sublimatlösung  weggespült  und  die  Alaunauspulverung  widerholt. 

Steinschneider. 

(34)  Balz  er  und  Souplet  haben  von  424  Fällen  von  Tripper  in 
99  Fällen  Albuminurie  nachgewiesen.  45  Falle  davon  sind  nicht  unanfechtbar. 


156  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

Die  restirenden  54  Fälle  waren  42mal  mit  Epididymitis,  6mal  mit  Or- 
chitis und  Cystitis,  3mal  mit  Cystitis  allein  complicirt.  Die  Albuminurie  war 
meist  Symptomenlos ;  sie  dauerte  7 — 8  Tage.  In  einigen  Fällen  war  Fieber 
und  Abgeschlagenheit  nachweisbar.  Dies  ist  meist  bei  complicirender  Epidi- 
dymitis  der  Fall  und  wird  durch  Toxinresorption  in  die  Blutmasse  erklärt. 
Die  Behandlung  bestand  in  Buhe,  Milchdiät.  Finger. 

(85)  Balz  er  und  Jacquinet  fassen  die  Erfahrungen  zusammen, 
welche  sie  in  den  letzten  Jahren  über  die  renalen  Symptome  bei  der 
Gonorrhoe  gemacht  haben.  Da'  in  diesem  Berichte  die  einzelnen  Original- 
arbeiten referirt  sind  oder  noch  referirt  werden,  auf  welche  sich  diese 
Zusammenfassung  bezieht,  brauchen  hier  nur  die  Hauptpunkte  wiedergegeben 
zu  werden.  Die  Verf.  unterscheiden  2  Formen  von  Albuminune  bei  der 
acuten  Gonorrhoe:  die  durch  locale  ascendirende  und  die  durch  allge- 
meine Infection.  lieber  die  Rolle,  welche  der  Gonococcus  bei  diesen  For- 
men spielt,  sind  B.  u.  J.  noch  nicht  im  Klaren.  Von  der  Nephritis  durch 
allgemeine  Infection  unterscheiden  sie  8  Grade  und  glauben  auch  an  eine 
Gombination  beider  Arten  der  Infection.  Die  renalen  Symptome  traten 
meist  bei  Complicationen  auf;  ihre  Prognose  ist  meist  g^ünstig. 

Jadassohn. 

(36)  Unter  den  verschiedenen  Ursachen,  welche  bei  Kindern  zur 
Pyelitis  Anlass  geben  können,  erwähnt  Monti  auch  die  Vulvo-Vaginitis 
blennorrhoica,  bei  welcher  die  Gonococcen  durch  Blase  und  Urethra  in  die 
Nierenbecken  einwandern  können.  (Sichere  Beobachtungen  nach  dieser 
Richtung  sind  unseres  Wissens  noch  nicht  vorhanden.  Ref.)  Die  Arbeit 
enthält  eine  genaue  Symptomatologie  der  Pyelitis  im  Kindesalter. 

Jadassohn. 


Buchanzeigen  und  Besprechungen. 

A.  Wolff,  Lehrbuch  der  Haut-  und  ßesohlechtskrankheiten.  Stutt- 
gart, Ferdinand  Enke  1893. 

Besprochen  von  Prof.  Caspary  in  Königsberg. 
DaB  eben  erschienene  Lehrbuch  W  o  1  f  f  s  ist  den  Intentionen, 
die  dem  Verfasser  vorschwebten,  durchaus  gerecht  geworden.  Die 
Klarheit  in  der  Beschreibung  der  Krankheitsbilder,  die  Anregung 
zu  eigener  Arbeit,  die  sorgsame  Durchführung  der  therapeutischen 
Abschnitte  werden  dem  Studierenden  wie  dem  praktischen  Aerzte 
gleich  willkommen  sein.  Auf  Schritt  und  Tritt  begegnet  man  dem 
erfahrenen  Arzte,  und  oft  genug  dem  selbständigen  Forscher, 
so  dass  vielen  Abschnitten  —  gegentlber  den  Darstellungen  anderer 
Autoren  —  ein  mehr  subjectives,  aber  darum  nicht  weniger  inter- 
esantes  Gepräge  verliehen  wird.  Eine  grosse  Reihe  meist  ganz  vor- 
trefflicher Abbildungen  erhöht  die  Brauchbarkeit  des  gut  ausge- 
statteten Werkes. 


Varia, 


P.  D  i  d  a  y  f 

1812—1894. 


Der  Nestor  der  Syphilidologen  P.  Diday  ist  am  8.  Januar  nach 
kurzer  Krankheit,  83  Jahre  alt,  verschieden.  Noch  wenige  Tage  vor  seinem 
Tode  beschäftigte  er  sich  mit  der  Durchsicht  der  4.  Auflage  seines  Buches : 
Pratique  des  maladies  veneriennes  und  noch  in  der  letzten  Jahresnummer 
des  Lyon  medical  erschien  ein  Artikel  aus  Diday 's  Feder:  Sur  Poppor- 
tunite  de  mercurialiser  une  primipare  presumee  syphilitique,  ein  spre- 
chender Beweis  fiir  die  bis  in  sein  hohes  Alter  erhaltene  Intelligenz  und 
Arbeitsfreudigkeit.  P.  Diday  widmete  seine  langjährige  Thätigkeit  fast 
ausschliesslich  dem  Studium  der  Syphilis  und  der  venerischen  Krankheiten. 
Ausserhalb  der  medicinischen  Hierarchie  stehend,  ohne  Beziehung  zur 
medicinischen  Facultät  Lyons,  verstand  er  es  sich  eine  eigenartige  Stel- 
lung zu  schaffen.  Zahllos  sind  seine  kleineren  Publicationen  in  verschie- 
denen medicinischen  Zeitungen,  vielfach  polemischen  Charakters,  wie  man 
überhaupt  Diday  als  einen  hervorragenden  Journalisten  und  Polemiker 
bezeichnen  kann. 


158  Varia. 

Von  seinen  grösseren  Werken  fahren  wir  an:  Traite  de  la  Sy- 
philis des  nouyean-nes  et  des  enfants  a  la  mamelle,  1854. 
Exposition  critiqne  et  pratiqne  des  nonvelles  doctrines 
snr  la  syphilis  etc.  1858.  Histoire  naturelle  de  la  Syphilis. 
1863.  Therapeutique  des  maladies  veneriennes  et  de  mala- 
dies  c  Uta  nee  s  in  Gemeinschaft  mit  Doyon  1876.  Le  peril  venerien 
dans  les  familles.  1881.  Les  herpes  genitanx  in  Gemeinschaft 
mit  Doyon.  1886.  Le  pratiqne  des  maladies  veneriennes  1886 
als  3.  Auflage  seiner  Therapentiqne  des  maladies  veneriennes.  Diday 
war  von  1858  an  Redacteur  der  Gazette  med.  de  Lyon  bis  diese  sich 
1869  mit  dem  Jonmal  de  medecine  de  Lyon,  dem  gegenwärtigen  Lyon 
medical,  vereinigte.  Diday  war  ein  Gegner  des  Traitement  prolonge 
Buccessif,  intermittent  und  Anhänger  und  nberzeugungsvoUer  Yertheidiger 
der  opportunistischen  mercuriellen  Therapie,  für  welche  Ansicht  er  wieder- 
holt und  scharf  eingetreten  ist,  so  am  Dermatologen-Gongress  1889  in 
Paris  und  zuletzt  bei  Gelegenheit  des  Erscheinens  von  Fournier's  Buch: 
Sur  le  traitment  de  la  syphilis. 

Diday  war  ein  edler  und  unabhängiger  Charakter  und  wie  sein 
Andenken  fort  leben  wird  in  den  Herzen  aUer  die  ihn  kannten,  wird  die 
Erinnerung  an  ihn  eine  dauernde  sein  durch  seine  Werke.     F.  J.  Pick. 

Gomedoiienquetselter  aus  Glas.  Zu  diesem  Gegenstande  er- 
halten wir  von  Hm.  Dr.  Georg  Meyer  in  Berlin  folgenden  Brief: 

Sehr  geehrter  Herr  Professor!  Soeben  kommt  mir  die  kurze  Notiz 
von  Dr.  Ullmann,  Wien:  „Comedonenquetscher  aus  Hartglas^  im  2.  Heft 
des  26.  Bandes  des  Archivs  für  Dermatologie  und  Syphilis  zu  Gesicht.  Ich 
würde  Ihnen  dankbar  sein,  wenn  Sie  die  Liebenswürdigkeit  hätten,  auf 
meine  Veranlassung  darauf  hinzuweisen,  dass  ich  bereits  im  Jännerheft  1893 
der  therapeutischen  Monatshefte  p.  46  einen  solchen  aus  Glas  —  Hartglas 
ist  nicht  nothwendig,  wie  ich  nach  etwa  anderthalbjähriger  Benutzung  der 
Werkzeuge  feststellen  kann  —  gefertigten  Gomedonenquetscher  angegeben 
und  durch  Abbildung  veranschaulicht  habe. 

Dr.  Uiiiia*s  dermatologi§che  Preisaufl^abe  für  1894:  „Es  soll 
untersucht  werden,  ob  und  in  wie  weit  die  in  neuerer  Zeit  aufgestellten 
Behauptungen,  dass  coUagene,  elastische  Fasern  und  sesshafte  (pigmentirte) 
Bindegewebszellen  in  die  normale  Stachelschicht  hineinreichen,  begründet 
sind."  —  Der  Preis  beträgt  300  M.  Näheres  über  die  Bedingungen  der 
diesjährigen  Preisaufgabe  ist  zu  erfahren  von  der  Verlagsbuchhandlung 
Leopold  Voss,  Hamburg,  Hohe  Bleichen  34. 

Bei  der  Redaotioii  eingelaufene  BüGlier: 

J essner,  Dr.:    Casuistische   Mittheilungen.    Deutsche  Medicinal-Zeitung. 

1893.  Nr.  72. 
K eitel,  Dr.:    Weitere  Versuche  in  der  Anwendung  des  Hydrarg.  salicyl. 

bei  Lues. 


Varia.  159 

Kromayer,  Dr.  £.:  Die  Histogenese  der  Molluscamkörperchen.  Yirchow's 
Archiv.  Band  CXXXH. 

Kaiisch,  Dr.  G. :  Sind  die  durch  Kantharidin  und  Krotonöl  hervorgeru- 
fenen Entzündungen  der  Haut  Ekzeme?  Monatsh.  f.  prakt.  Denn.  Bd.  XVII. 

Kromayer,  Dr.:  Oberhautpigment  der  Säugethiere.  Archiv  für  mikroskop. 
Anatomie.  Band  XXXXII. 

Lewin,  Prof.  Dr.  G.:  üeber  das  Leukoderma,  namentlich  über  seinen 
diagnostischen  Werth.  Charite-Annalen.  XVIII.  Jahrg. 

duMesnil,  Dr.  Th.:  lieber  das  Resorptionsvermögen  der  normalen  menschl. 
Haut.   Deutsches  Archiv  für  klin.  Medicin. 

Mourek,  Dr.  H.:  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  syphilitischen  Erkran- 
kungen des  Rückenmarks..    Monatshefte  für  prakt.  Derm.  XVII.  Bd. 

—  Ein  Beitrag  zur  Differenzirung  der  Epidermidosen  und  Ghorioblastosen 
auf  Grundlage  eines  neuen  Falles  von  „Acanthosis  nigricans^.  Monats- 
hefte für  prakt.  Dermatologie.  XVII.  Band. 

Mantegazza,  Dr.  ü.:  Note  istologiche  sopra  Alcuni  casi  di  Psoriasi.  Milano 
1893.  Fratelli  Rivara. 

Mourek,  Dr.  H. :  üeber  Nucleiniiyectionen  bei  Lupus.  Wiener  medicin. 
Wochenschrift.  1893.  Nr.  35  und  36. 

Neu  mann,  Prof.  Dr.  J.:  Das  Tätowiren  vom  medicinischen  und  anthro- 
pologischen Standpunkte.    Wiener  med.  Wochenschr.  1893.    Xr.  27 — 30. 

—  Syphilis  und  Ehe.    Wiener  med.  Wochenschr.  Nr.  23—26.  1892. 
Petrini-Galatz,  Prof.  Dr.    Note   sur  un  cas  de  Syphilide  erythemato- 

tuberculo-crouteuse  de  la  face,  compliquee  de  sarcome  angiolithique  ce- 
rebral (avec  une  planche  en  couleur  hors  texte).  La  Roumanie  Medicale. 
1893.  Nr.  6. 

Petersen,  Dr.  W. :  Ueber  die  sogenannten  Psorospermien  der  Darier'schen 
Krankheit.  Centralbl.  f.  Bakteriol.  u.  Parasitenkunde.  XIV.  Bd.  Nr.  15. 

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160  Varia. 

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handeln. Nordiskt  Medicinskt  Arkiv.  1893.  Nr.  20. 


Archiv  r  Oermatolggieu  Syphilis. Band  XXVIF. 


FI.J.I. 


ijovaiinini Ichthyosis  mit  Hypeilrophiu  il.Schweissdriisen 


Archiv  f  Dermalologie  u  Syphilis,  Band  XXVli . 


fiffj. 


Jovannini:JchiUyosismtiHypc[1ra[)hi<>dbctiivH.ssi]rüscii 


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Archiv  f  Darmatologieu-Syphilis.Band  XXVIl. 


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Archiv  l  Dermalologieu.Syphilis   Bdtid  XXVIl. 


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Archiv  f  Dermalologie  u  Syphilis    Band  XXVIi, 


Mih-.'iKkv  H"il:-,it|  /iirl\niuiiiiss.lf>rll.-iiiihii 


Originalabtiandlungen 


ArchiT  f.  Dermatol.  n.  Syphil.  Band  XXVII. 


11 


Ans  der  dermatologischen  Zlinik  des  Prof.  Kaposi 

in  Wien. 


Ueber  die  sogenannte  Sarkomatosis  cutis. 


Von 

Dr.  Eduard  Spieglet*, 

klin.  Ascistent. 

(ffierzu  Taf.  VII  u.  Vni.) 


Die  Sarkomotose  der  Haut  ist  in  den  letzten  Jahren 
Gegenstand  vielfacher  und  eingehender  Forschungen  gewesen. 
Dabei  stellt  es  sich  immer  mehr  heraus,  dass  dieselbe  kein  ein- 
heitliches Krankheitsbild  darstellt,  sondern  dass  es  eine  Beihe 
von  histologisch  höchst  ähnlichen,  klinisch  und  prognostisch 
aber  sehr  verscliiedeuartigen  Krankheiten  gibt,  die  vorläufig  noch 
unter  diesem  Namen  zusammengefasst  werden. 

Zunächst  müssen  die  Neubildungen  der  Haut,  welche 
Metastasen  von  visceralen  und  Knochensarkomen  darstellen, 
ausgeschieden  werden.  Ebenso  muss  der  Mykosis  fimgoides  eine 
vollständige  Sonderstellung  eingeräumt  werden. 

Bei  dem  reichen  Materiale  unserer  Klinik  fand  ich  nun 
Gelegenheit  im  vorigen  Jahre  sechs  Fälle  von  „Sarkomatosis 
cutis''  zu  beobachten  und  ich  glaube,  dass  die  diesbezüglichen 
Befunde  von  Belang  für  die  Klärung  dieser  Frage  sein  dürften. 

Fall  I.  P.  B.,  Bedienerin  aus  Koritschan  in  Mähren,  76  Jahre  alt, 
aufgenommen  am  30.  November  1892,  stammt  aus  gesunder  Famüie,  war 
18  Jahre  verheiratet,  ist  seit  20  Jahren  verwitwet.  Ihre  zwei  Kinder 
starben  in  frühen  Jahren  an  unbekannten  Krankheiten.  Patientin  selbst 
war  bis  vor  2  Jahren  immer  gesund.  Damals  bemerkte  sie  an  beiden 
Schultern  und  an  der  Brust  das  Auftreten  von  Knoten,  die  bald  Nussgrösse 

11* 


164  Spicgier. 

erreichten.    Während  die  älteren  sich  noch  vergröaserten,  traten  gleich- 
zeitig neue  an  verschiedenen  Körperstellen  auf. 

Stat.  präs.  Patientin  ist  massig  kräftig  gebaut,  Fettpolster  gering. 
Die  inneren  Organe  vollkommen  normal.  Hämoglobingehalt  65 7o  (Fleischl). 
Die  Zahl  der  rothen  Blutzellen  etwas  über  5  Millionen,  Zahl  der  weissen 
um  ein  Geringes  vermehrt.  Die  Hautdecken  sind  gelblich  verfärbt,  atro- 
phisch. Ueber  beiden  Schultern,  an  den  Achselfalten  und  an  der  angren- 
zenden Brustregion,  dann  am  Rücken  und  über  beiden  Schnltwblättem 
sitzen  40 — 50,  grösstentheils  haselnuss-  aber  auch  bis  über  wallnussgrosse, 
blassrothe  bis  dunkelblaurothe  mit  platter  Epidermis  bedeckte,  theils 
flache,  theils  kugelig  hervorragende  Knoten  von  derber  teigiger  Beschaf- 
fenheit, welche  nur  mit  der  Cutis  über  der  Fascie  beweglich  sind.  Die- 
selben sind  auf  Druck  kaum  schmerzhaft.  Einzelne  sind  abgegrenzt,  zum 
grosseren  Theil  sind  sie  aber  durch  ihre  tieferen  Partien  dicht  an  einander 
gelagert  oder  gar  confluirend.  Eine  solche  nahezu  flachhandgrosse,  flach- 
kuchenformige  Geschwulst  sitzt  auf  der  linken  Schulter.  Aehnliche  sitzen 
über  der  linken  Scapula,  central  leicht  eingesenkt  mit  zarter  Heranziehung 
der  Oberhaut,  während  die  Randpartie  paradiesäpfelähnlich  leicht  einge- 
kerbt sich  präsentirt.  Nirgends,  weder  jetzt  (noch  im  ganzen  späteren 
Verlaufe)  Epidermisverlust  oder  Nässen.  Solche  und  ähnliche  Geschwülste 
finden  sich  noch  zerstreut  über  den  ganzen  Stamm  und  an  den  Streckseiten 
der  Oberschenkel.  Gesicht,  Hals,  Nacken  und  Gapillitium  vollkommen  frei, 
ebenso  die  Schleimhäute  des  Mundes  und  der  Athmungsorgane.  Es  be- 
stehen keinerlei  Drüsenschwellungen. 

Patientin  erhält  systematisch  Arsen,  theils  subcutan,  theils  als  asiatische 
Pillen.  Im  weiteren  Verlaufe  werden  in  unregelmässiger  Folge  einzelne 
Knoten  grosser,  während  sich  andere  bis  zum  Verschwinden  involviren. 
Dieser  Wechsel  hält  während  der  ganzen  Beobachtungszeit  an.  Dabei  iat 
das  Befinden  der  Patientin  ein  vortreffliches.  Dieselbe  ist  stets  heiter,  geht  viel 
herum,  der  Appetit  lässt  nichts  zu  wünschen  übrig.  In  den  letzten  Wochen 
wurde  ein  grösserer  Knoten  am  linken  Oberschenkel  gangränös.  Patientin 
fieberte  hiebei  einige  Tage  bis  40*  und  verfiel  von  Tag  zu  Tag  mehr.  Der 
Substanzverlust  begann  schon  sich  zu  reinigen  und  zu  überhäuten,  indess 
konnte  sich  die  76jährige  Frau  von  dieser  schweren  Attaque  nicht  mehr 
erholen  und  starb  unter  Erscheinungen  von  Marasmus.  Während  des  Fie- 
bers waren  die  Knoten  nahezu  vollständig  geschwunden  und  Hessen  als 
einzige  Spur  einen  schwach  bläulichen,  leicht  deprimirten  Fleck  zurück, 
über  dem  die  Epidermis  wie  atrophisch  schien.  Dasselbe  war  bei  den  ohne 
Fieber  rückgebildeten  Knoten  zu  beobachten. 

Aus  dem  Sectionsbefunde  (Obducent  Prof.  Kolisko)  ergab  sich  das 
vollkommene  Fehlen  von  Metastasen  in  den  übrigen  inneren  Organen. 
Nur  im  Magen  fanden  sich  offenbar  so  wie  an  der  Haut  rückgebildete 
Tumoren,  ohne  dass  während  des  Lebens  mit  Ausnahme  der  allerletzten 
Tage,  in  welchen  Patientin  vermöge  ihres  febrilen  Zustandes  die  Nahrungs- 
aufnahme verweigerte,  irgendwelche  Verdauungsstörungen  beobachtet  worden 
wären.   Das  ObductionsprotokoU  besagt  über  den  Magenbefimd: 


Ueber  die  sogenannte  Sarkomatosis  cutis.  I(j5 

„Der  Magen  contrahirt,  nur  etwas  gallig  gefärbte  Flüssigkeit  ent- 
haltend, die  Schleimhaut  fleckig  pigmentirt,  mit  Ausnahme  ihres  pilorischen 
Antheiles.  Diese  pigmentirten  Flecke  central  etwas  einsinkend,  wie  strah- 
lige Narben  zeigend,  am  Schnitte  diesen  centralen  Stellen  entsprechend, 
die  Schleimhaut  an  die  Muscularis  fixirt  und  in  ihrer  ganzen  Dicke 
schwärzlich  pigmentirt.**   Im  üebrigen  nur  senile  Veränderungen." 

Die  liistologische  Untersuchung  eines  in  viva  excidirten 
Tumors  ergab  Folgendes: 

Der  Tumor  sitzt,  wie  man  übrigens  auch  schon  makro- 
skopisch wahrnimmt,  im  unteren  Theile  des  Corium  und  stellt 
an  der  Schnittfläche  eine  weissliche  markige  Masse  dar.  Der 
obere  Theil  des  Corium  zeigt  ein  sehr  starkes  fibrilläres  Binde- 
gewebe, welches  zahlreiche,  meist  runde,  aber  auch  spindel- 
förmige Zellkerne  enthält.  Die  zahlreichen  Gefässe  sind  in 
nicht  sehr  reichlichem  Masse  Ton  Rundzellen  umgeben  und 
zum  Theile  nicht  pathologisch  verändert.  Einzelne  von  ihnen 
hingegen  fallen  durch  ihre  besonders  dicke  Wandung  auf- 
Die  Verdickung  gehört  zumeist  der  Media  an.  Andere  Gefässe 
wieder  fallen  durch  das  in  das  Lumen  des  Gefässes  zottig 
Yorwuchernde  Endothel  auf.  Ziemlich  stark  kleinzellig  infiltrirt 
zeigt  sich  die  Umgebung  der  Talgdrüsen  sowie  die  der  Haar- 
follikel. Auch  das  subpapilläre  Capillai*netz  fällt  durch  das 
umgebende  Infiltrat  umso  deutlicher  auf. 

Die  Papillen  sind  sehr  flach  (entsprechend  dem  Orte, 
dem  das  excidirte  Stück  entspricht  —  Thorax)  das  Rete  von 
normaler  Breite,  die  Zellen  desselben  bis  in  die  verhornte  Epi- 
dermis ragend. 

Das  dichte  kleinzellige  Infiltrat,  welches  die  eigentliche 
Hauptmasse  des  Tumors  ausmacht,  beginnt  in  der  Höhe  der 
oberflächlichen  Schweissdrüsen  und  zwar  sieht  man,  wie  die- 
selben vom  Rande  her  in  dem  kleinzelligen  Infiltrate  geradezu 
aufgehen,  so  dass  in  manchen  Präparaten  nur  die  Contour  der 
Knäuel  sichtbar  ist,  aber  gleichzeitig  die  ganze  Drüse  von  dem 
Infiltrate  ganz  und  gar  durchsetzt  ist.  Die  Zellen  sind  theils 
regellos  in  dichten  Massen  in  fibrillärer  Grundsubstanz  an- 
geordnet, theils  liegen  dieselben  in  einer  an  Perlenschnüre 
erinnernden  Regelmässigkeit  in  einem  aus  zartem  fibrillären 
Bindegewebe  bestehenden  Grundgewebe,  welches  selbst  das 
unveränderte   Maschenwerk    der  Cutis  darstellt,    das  in  dieser 


166  Spiegier. 

Weise  von  den  Infiltratzellen  durchsetzt  und  auseinandergedi'ängt 
erscheint.  In  dieser  Weise  ragt  das  Infiltrat  bis  an  die  Fett- 
gewebe heran.  In  den  tieferen  Partien  ist  die  Infiltration  um 
die  Gefasse  wieder  stärker.  Die  Grösse  der  Zellkerne  selbst 
ist  im  Durchschnitte  7 — 8  ^.  Ausserdem  fallen  in  dem  Binde- 
gewebe des  subpapillären  Theiles  die  grossen  und  zahlreichen 
Lymphspalten  in  dem  Tumor  selbst  die  grosse  Anzahl  von 
erweiterten  Lymphgefassen  auf,  die  oft  zu  4  und  5  in  einem 
Gesichtsfelde  sichtbar  sind.  Auch  fand  ich  die  „Kugelzellen^\ 
auf  die  von  T  o  u  t  o  n  *)  neuerdings  aufinerksam  gemacht  worden 
ist,  durch  Weigert's  Fibrinlarbung. 

Ein  Stück  aus  einem  rückgebildeten  Tumor,  der  sich  nur 
als  schwarzblauer  Fleck  auf  der  Haut  zeigte,  lieferte  folgende 
Bilder : 

Vor  allem  fällt  die  spärliche  Zahl  der  Infiltratzellen  auf, 
die  in  dem  nunmehr  allenthalben  deutlich  hervortretenden 
fibrillärem  Mascheuwerke  der  Cutis  eingebettet  erscheinen. 
Ausserdem  sind  zahlreiche,  offenbar  in  Rückbildung  begriffene 
Zellen  sichtbar,  deren  Kerne  die  Kemfärbung  fast  gar  nicht 
annehmen  und  nur  in  undeutlichem  blassen  Contouren  sichtbar 
sind.  Ein  Theil  der  Gelasse  ist  vollends  erhalten,  andere 
wieder  sind  mit  den  Infiltratzellen  ähnlichen  Gebilden  durchsetzt 
und  erscheint  ihr  Lumen  ganz  oder  theilweise  aufgehoben. 
Dieser  Verschluss  ist  durch  das  in  das  Innere  des  Gefasses 
sich  ausfaltende  Endothel  bedingt,  was  wohl  dadurch  zu  Stande 
konmit,  dass  durch  die  Rückbildung  des  Tumors  die  Blutzufuhr 
in  die  Gefasse  eine  geringere  wird  und  sich  unter  dem  unzu- 
reichendem Drucke  auf  die  Gefasswand  das  Endothel  in  dieser 
Weise  faltet. 

Am  auffallendsten  von  allen  Veränderungen  ist  jedoch  der 
Umstand,  dass  im  Tumor  selbst  die  unmittelbar  subpapillären 
Partien  von  Infiltratzellen  nahezu  vollkommen  frei  waren,  wäh- 
rend diese  Zellen  im  rückgebildeten  Tumor  auch  diesen  er- 
füllen und  in  stellenweise  sehr  dichten  Zügen  der  Richtung 
der  Lymphspalten  folgen.  Auffallend  ist  femer  die  Form  der 
Kerne,  die  zum  grössten  Theil  die  Stäbchenform  angenommen 
haben  und  vielfach  ein  granulirtes  Aussehen  zeigen,   das  wohl 

•)  Touton.  Virchow's  Archiv.  1803. 


Ueber  die  sogenannte  Sarkomatosis  cutis.  167 

auf  beginnenden  Zerfall  hindeutet.  Im  übrigen  hat  das  Binde- 
gewebe ein  derberes,  festeres  und  solideres  Aussehen. 

Ich  habe  schliesslich  noch  ein  Hauptstück  des  im  Fieber 
der  letzten  Lebenstage  rückgebildeten  Tumors  vom  Kücken 
untersucht,  u.  zw.  war  dasselbe  post  mortem  entnommen.  Makro- 
skopisch verriethen  sich  solche  Stellen,  wie  oben  erwähnt,  bloss 
durch  ihre  Uvid  blassblaue  Farbe  und  ihr  atrophisches  Aus- 
sehen. Histologisch  erschienen  dieselben  ähnlich  dem  zuletzt 
beschriebenen  Bilde,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  hier  die 
Infiltratzellen,  welche  gleichfalls  jene  stäbchenförmigen  Kerne 
zeigen^  noch  spärlicher  sind,  als  in  dem  ohne  Fieber  rück- 
gebildeten Tumor.  Nur  in  der  Umgebung  der  Haarfollikel 
und  der  Drüsen  stehen  dieselben  dichter.  Auffallende  Ver- 
änderungen sind  auch  an  den  Gefässen  wahrzunehmen,  indem 
die  Wandungen  auf  das  drei-  und  vierfache  des  Normalen 
verdickt  erscheinen.  Namentlich  ist  das  Gewebe  der  Intima 
sehr  verstärkt  und  in  unregelmässigen  wie  zerfransten  Pro- 
minenzen in  das  Lumen  des  Gefasses  vielfach  vorspringend. 
Die  Epidermis  ist  entsprechend  dem  makroskopischen  Anblicke 
atrophisch,  die  Zellen  des  Rete  in  2 — 3  Reihen  wie  über  einer 
Narbe  in  fast  grader  Flucht  hinwegstreichend. 

Das  makroskopische  Aussehen  der  offenbar  rückgebildeten 
Tumoren  des  Magens  wurde  schon  früher  erwähnt.  Mikro- 
skopisch handelt  es  sich  auch  hier  um  ein  Zellinfiltrat,  dessen 
Elemente  sich  von  den  vorherbeschriebenen  im  Fieber  rück- 
gebildeten kaum  unterscheiden.  Auch  hier  handelt  es  sich 
zumeist  um  stäbchenförmige  Kerne,  die  gleichfalls  jene  Zer- 
fallsformen zeigen.  Dazwischen  sind  nur  spärliche  Rundzellen 
sichtbar,  die  wohl,  wie  bei  den  Tumoren  der  Haut,  der  ur- 
sprünglichen Form  des  Zellinfiltrates  entsprechen.  Die  Hyalin- 
^chichte  fehlt  vollständig,  die  Schaltstücke  sind  sehr  ver- 
schmälert, stark  mit  Leukocyten  durchsetzt,  die  Schläuche 
selbst  durch  das  Infiltrat  auseinandergedrängt,  die  Hauptstücke 
der  Drüsenschläuche  verschmälert,  Protoplasma  und  Kern  der 
adelomorphen  Zellen  stark  mit  Hämatoxylin  gefärbt,  die  Beleg- 
zellen verbreitert,  ihr  Protoplasma  nur  mit  Eosin  gefärbt,  die 
Kerne  gut  differenzirt.  Die  Endstücke  sind  nur  sehr  wenig 
infiltrirt. 


168  Spiegier. 

Auch  das  übrige  Gewebe,  namentlich  auch  die  glatte 
Muskulatur,    zeigt  sich  von  Infiltratzellen   vielfach  durchsetzt. 

Die  Stücke  wurden  mit  Ausnahme  der  im  Fieber  lück- 
gebildeten,  welche  von  der  Leiche  stammten,  intra  vitam  exci- 
dirt,  in  Alkohol,  Müller'scher  Lösung  oder  Sublimat  Pikrin- 
säure gehärtet  und  nach  den  gangbaren  Methoden  —  zumeist 
Eosin  Hämatoxylin  oder  Carmin  Pikrinsäure  —  gefärbt. 

Es  handelt  sich  also  um  einen  in  der  Tiefe  des  Coriums 
sitzenden,  aus  kleinzelligem  Infiltrat  bestehenden  Tumor,  dessen 
Zellen  das  Cutisgewebe  nicht  verdrängen,  sondern  unter  Er- 
haltung desselben  in  den  Zwischenräumen  dieses  selbst  einge- 
lagert erscheinen  —  ein  Umstand,  in  welchem,  abgesehen  vom 
klinischen  Verlaufe,  ein  principieller  Unterschied  vom  echten 
Sarkom  besteht.  Im  unmittelbar  subpapillären  Gewebe  handelt 
es  sich  um  Hypertrophie  des  Bindegewebes  neben  spärlicher 
Infiltration  um  die  Gefässe,  Haarfollikel  und  Talgdrüsen. 

Fall  II.  M.  P.,  63  Jahre  alt,  aufgenommen  am  22.  Nov.  1893  aas 
Galizien,  stammt  aus  gesunder  Familie,  war  bisher  immer  gesund.  Seit 
3  Jahren  ist  er  mit  seinem  gegenwärtigen  Leiden  behaftet.  Der  Process 
begann  am  linken,  ergriff  bald  darauf  den  rechten  Unterschenkel  und  nach 
kurzer  Zeit  auch  die  Oberschenkel.  Ueber  den  Beginn  eines  Geschwüres 
am  rechten  Knie  fehlen  bestimmte  Angaben. 

Stat.  präs.  Patient  gross,  sehr  kräftig  gebaut,  Muskulatur  und  Pani- 
culus  schwach,  die  unteren  Extremitäten  von  schmutzig  grauer  Farbe, 
sehr  stark  verdickt  mit  folgenden  Massen:  Links:  Mitte  des  Oberschenkels 
57  Cm.,  über  dem  Knie  51  Gm.,  Mitte  des  Unterschenkels  47  Cm.,  ober- 
halb der  Malleoli  33  Cm.  Rechts:  Mitte  des  Oberschenkels  46  Cm.,  Mitte 
des  Unterschenkels  38  Cm.  Diese  Yolumszunahme  gehört  ausschliesslich 
der  stark  verdickten  und  derben  Haut  an,  die  sich  von  der  darunter  lie- 
genden Muskulatur  nur  sehr  schwer  etwas  abheben  lässt.  Linker  Fuss. 
Oberhalb  des  inneren  Malleolus  ein  6  Cm.  langes,  3  Cm.  breites  champignon- 
ähnlich gebildetes,  an  einzelnen  Stellen  mit  der  Unterlage  verwachsenes 
Gebilde,  von  normaler  Haut  bedeckt.  Die  Haut  der  Zehen  trocken,  brüchig, 
gerunzelt,  an  der  Grenze  gegen  den  Fussrücken  durch  eine  zusammen- 
hängende tiefe  Furche  wie  abgeschnürt.  Am  Fussrücken  die  Haut  vielfach 
gefaltet,  da  dieselbe  zu  gross  ist,  um  die  Unterlage  zu  bedecken.  An  der 
Aussenseite  des  Fusses,  in  der  Malleolargegend  zahlreiche  linsengrosse, 
isolirt  stehende,  derber  als  die  Umgebung  anzufühlende  Hautstellen,  mit 
gleicher  Hautdecke  wie  die  Umgebung.  Rechter  Fuss:  Die  Gegend  der 
Patella  und  ihre  Umgebung  bildet  einen  zusammenhängenden  Krankheits- 
herd und  ist  in  der  Weise  verändert,  dass  rechts  von  der  Patella  ein 
halbmondförmiges  Geschwür   von   6  Cm.  Länge   und  5  Cm.  Breite   sitzt, 


Ueber  die  sogenannte  Sarkomatosis  cutis.  1()9 

begrenzt  von  zackigen  Rändern  mit  theils  hie  und  da  zu  Granulationen 
geneigtem,  theils  speckig  belegtem  Grunde.  Ein  zweites,  ähnliches,  doch 
kleineres  Geschwür  sitzt  am  Condyl.  intern,  femoris.  Die  Haut  des  Unter- 
schenkels ist  fixirt,  glänzend,  ödematös  infiltrirt.  Am  Oberschenkel  sieht  man 
ca.  16  schwarzblau  gefbrbte,  über  das  Hautniveau  leicht  erhabene,  kirsch- 
kemgrosse,  härtlich  sich  anfühlende  Knoten  und  ebensolche  Flecke.  Genau 
solche  finden  sich  im  oberen  Viertel  der  Streckseite  des  linken  Ober- 
schenkels ca.  10  an  Zahl.  Ebensolche  Knoten  finden  sich  an  beiden  Fuss- 
sohlen  eingesprengt,  wodurch  das  Gehen  wegen  der  Schmerzhaftigkeit 
nahezu  nnmöglich  wird.  In  den  Schenkelbengen  ist  die  Haut  von  voll- 
kommen normaler  Beschaffenheit  und  lässt  sich  dort  leicht  von  der  Unter- 
lage abheben. 

Unter  Sublimatverband,  später  Salicylpflaster  vernarben  die  Ge- 
schwüre vollständig.  Auch  das  Yolnmen  der  unteren  Extremitäten  geht 
unter  Einwickelang  derselben  in  Flanellbinden  stark  zurück.  Im  weiteren 
Verlaufe  involvirt  sich  ein  Theil  der  Knoten  ganz  und  gar,  andere  ver- 
kleinem oder  vergrössem  sich  etwas,  während  nur  in  sehr  spärlicher  An- 
zahl neue  auftreten.  In  den  letzten  Monaten  entstand  eine  Metastase  in 
Form  eines  wallnnssgrossen  Infiltrates  in  der  Gegend  des  Stemums,  das 
sich  aber  in  der  jüngsten  Zeit  bis  zur  Grenze  der  Wahmehmbarkeit  durch 
Palpation  involvirt  hat.  Kräftezustand  und  Allgemeinbefinden  des  Patienten 
Bind  sehr  befriedigend.  Derselbe  steht  noch  in  Pflege  der  Klinik,  ohne  dass 
sich  sein  Zustand  wesentlich  verändert  hat. 


Histologischer  Befund 

eines  excidirten  Stückes:  Der  Tumor  zeigt  sich  beim  Quer- 
schnitte als  ein  sclerotisches  Gebilde  und  manifestirt  sich 
mikroskopisch  als  aus  einem  sehr  engen,  festen  hypertrophischen 
Bindegewebe  bestehend.  Nächstdem  ist  das  auffallendste  die 
ungeheuer  reichliche  Yascularisation  des  Tumors  und  die 
massenhafte  Ablagerung  von  Pigmentschollen.  Die  Gefässe 
(Capillaren)  ziehen  stellenweise  zu  5  und  6  nebeneinander  meist 
parallel  durch  das  Bindegewebe  und  sind  an  den  meisten  Stellen 
auch  dort,  wo  sie  nicht  sofort  ins  Auge  springen,  durch  die  reich- 
lich umgebende  kleinzellige  Infiltration  auffallend.  Ebenso  ver- 
halten sich  in  Bezug  auf  die  Infiltration  die  Schweiss-  und  Talg- 
drüsen sowie  die  Haarfollikel.  Was  das  Pigment  betrifit,  so  ist 
dessen  Massenhaftigkeit  aus  scholligen  Gebilden  bestehend  her- 
vorzuheben und  ausserdem  der  Umstand,  dass  dasselbe  überall 
nur  extracellulär  zu  sehen  ist.  Der  Umstand,  dass  in  der 
Umgebung   der  Gefasse   stellenweise    zahlreiche  extravasculäre 


170  Spiegier. 

rothe  Blutkörperchen  zu  sehen  sind,  lässt  den  Schluss  als  ge- 
rechtfertigt erscheinen,  dass  dieses  Pigment  jenen  entspringe. 
Die  Bindegewebswucherong  reicht  einerseits  bis  an  den 
im  übrigen  unyeränderten  Papillarkörper,  andererseits  bis  an 
die  Fettläppchenschichte.  Die  einzelnen  Blutkörperchen  sind 
in  den  Capillaren  genau  sichtbar.  Ausser  dem  kleinzelligen 
Infiltrate  finden  sich  auch  zahlreiche  spindelförmige  Zellen. 

Fall  m.  M.  R.,  73  Jahre  alt,  Witwe,  am  17.  Mai  1893  auf  die 
Klinik  aufgenommen,  stammt  ans  gesunder  Familie.  £ines  ihrer  beiden 
Kinder  starb  24  Jahre  alt  an  einer  acuten  Krankheit,  das  andere,  eine 
40jährige  Tochter,  ist  gesund.  Patientin  bemerkte  schon  vor  zwei  Jahren 
eine  kleine  Geschwulst  am  inneren  linken  Augenwinkel,  die  sie  auf  ein 
Trauma  zurückführte.  Dieselbe  ging  bald  auf  und  vernarbte  spurlos.  Vor 
Kurzem  hat  Patientin  ein  Erysipel  überstanden  und  bemerkte  im  An- 
schluss  daran  das  Auftreten  einer  zunächst  ganz  kleinen,  dann  aber  sich 
immer  melir  vergrössemden  Geschwulst  an  der  Nasenwurzel.  Bald  darauf 
entstand  eine  zweite  unmittelbar  darunter  und  eine  dritte  an  der  linken 
Wange. 

Stat.  präs.  Patientin  klein,  schwächlich  gebaut,  doch  von  vorzüg- 
lichem Kräftezustand  und  heiter.  Es  besteht  leichte  Arteriosclerose,  Herz- 
dämpfung etwas  verbreitert.  Spitzenstoss  an  normaler  Stelle,  etwas  Emp- 
hysema  pulmonum.  Die  Organe  im  üebrigen  nicht  nachweisbar  pathologisch 
verändert.  An  der  Nasenwurzel,  dann  über  dem  knöchernen  Nasenantheile 
finden  sich  2  überhaselnussgrosse  Tumoren,  die  durch  eine  tiefe  Furche 
von  einander  getrennt  erscheinen.  Dieselben  sind  von  derb  elastischer 
Consistenz,  mit  dünner,  über  der  Unterlage  nicht  verschiebbarer  rothviolett 
verfarbter  Haut  bedeckt,  welche  von  einigen  ectatischen  Capillaren  durch- 
zogen ist.  Der  Tumor  ist  über  dem  Knochen  leicht  verschiebbar.  An  ein- 
zelnen Stellen  Fluctuation.  Ueberdies  ist  noch  eine  erbsengrosse  ebensolche 
Geschwulst  neben  den  erwähnten  sichtbar.  In  der  Gegend  des  rechten 
Foramen  mentale  sitzen  zwei  bohnengrosse,  derbe,  oberflächlich  seicht  ein- 
gekerbte Geschwülste  von  derber  Consistenz,  die  Haut  darüber  wie  oben. 
Im  Verlaufe  der  zweiten  Woche  bildet  sich  auf  dem  oberen  Tumor  der 
Nase  eine  stecknadelkopfgrosse  Perforation,  aus  der  sich  Detritusmassen 
entleeren.  Patientin  erhält  Druckverband  und  Injection  von  1  Theilstrich 
Liqu.  Fowleri  in  den  obersten  Tumor  jeden  anderen  Tag.  Unter  dieser 
Behandlung  gehe  dieser  sichtlich  zurück.  Patientin  steht  z.  Z.  noch  in 
Pflege  der  Klinik. 

Histologischer  Befund :  Es  wurde  ein  Stück  von  dem  Tumor 
der  Nase  excidirt  und  in  Alkohol  gehärtet.  Was  das  histologische 
Bild  betrifft,  so  handelt  es  sich  auch  hier  um  eine  kleinzellige  In- 
filtration in  das  Gewebe  der  Cutis  mit  fast  intacter  Erhaltung  der 
Grundsubstanz  jener  selbst.     So  klinisch  verschieden   von  dem 


lieber  die  sogenannte  Sarkomatosifl  cutis.  171 

Falle  I5  so  ähnlich  ist  derselbe  in  dem  mikroskopischen  Bilde  dem 
oben  beschriebenen  der  Patientin  P.  B.,  so  dass  er  von  diesem 
kaum  zu  unterscheiden  ist.  Der  einzige  unterschied  liegt  in  dem 
Umstände,  dass  das  Infiltrat  an  verschiedenen  Stellen  ver- 
schieden hoch  an  das  Rete  hinanreicht,  ja  dasselbe  hie  und 
da  sogar  erreicht  und  dass  das  subpapilläre  Bindegewebe  nicht 
so  reichlich  entwickelt  ist,  als  bei  jenem. 

Fall  IV,  V,  VI.  Schliesslich  habeich  noch  einen  an  der  Klinik  in 
Pflege  befindlichen  Fall  von  Sarcoma  idiopathicum  multiplex  pigmentosum 
Kaposi  bei  einem  52jährigen  Manne  untersucht.  Das  klinische  Bild  war 
auch  in  diesem  Falle  das  bekannte,  die  Erkrankung  auf  beiden  Händen 
und  Füssen  localisirt,  im  weiteren  Verlaufe  Eruptionen  an  anderen  Haut- 
stellen. Der  klinische  und  histologische  Typus  dieses  Krankheitslnldes  ist 
zu  sehr  abgeschlossen,  als  dass  es  nothwendig  wäre,  noch  näher  hierauf 
zurückzukommen.  Es  handelt  sich  auch  hier  um  localisirte  Bindegewebs- 
Neubildung  und  kleinzellige  Infiltration  in  der  Umgebung  der  Gefasse,  in 
den  älteren  Knoten  ausserdem  um  Pigmentablagerung.  Die  Form  der 
Zellkerne  ist  zumeist  eine  spindelförmige.  Zwei  andere  Fälle,  die  ich  noch 
an  der  Klinik  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  zeig^ten  genau  denselben 
Typus;  der  eine  bei  einem  63jährigen  Manne  mit  8j ähriger  Krankheits- 
dauer ist  durch  den  Umstand  auffallender,  dass  die  Ausbreitung  der  Krank- 
heit an  den  Extremitäten  sich  durchaus  flächenhaft  darstellt,  während  die 
Bildung  von  Knoten  ganz  in  den  Hintergrund  tritt  und  solche  sich  nur  in 
sehr  spärlichem  Masse  vorfanden,  ja  während  eines  Erysipels  der  rechten 
Extremität,  welches  Patient  durchmachte,  nahezu  vollständig  schwanden. 

Der  andere  Fall,  der  gleichfalls  in  vollkommenster  Weise  den  er- 
wähnten Typus  zeigte,  ist  durch  das  jugendliche  Alter  des  Patienten, 
eines  23jährigen  Pharmaceuten  aus  Russland,  bemerkenswerth.  Patient  ist 
seit  3  Jahren  erkrankt.  Nachdem  diese  Form  der  Erkrankung  bei  Perso- 
nen unter  40  Jahren  bisher  noch  nicht  beobachtet  worden  war,  dürfte  die 
Erwähnung  dieses  Falles  wohl  gerechtfertigt  erscheinen. 

Da  ich  einen  solchen  Fall,  wie  erwähnt,  bereits  der  histologischen 
Untersuchung  unterzogen  hatte,  glaubte  ich  bei  der  Gleichartigkeit  der 
Erscheinungen  in  diesen  letzterwähnten  Fällen  davon  absehen  zu  können. 

Epikrise. 

Wie  man  aus  der  vorausgegangenen  klinischen  und  histo- 
logischen Darstellung  sieht,  handelt  es  sich  in  den  erwähnten 
Fällen  um  Aflfectionen,  die  den  derzeitigen  Anschauungen  zu 
Folge  als  Sarcome  der  Haut  bezeichnet  wurden. 

Bemerkt  sei,  dass  in  keinem  einzigen  dieser  vier  Fälle 
eine  abnorme  Veränderung  des  Blutes  und  der  Blut  bereitenden 
Organe  zu  constatiren  war. 


172  Spiegier. 

So  verschieden  diese  Fälle  in  klinischer,  zum  Theil  auch 
in  histologischer  Beziehung  sich  verhalten,  so  stimmen  sie  doch 
in  zwei  sehr  wesentlichen  Eigenschaften  miteinander  überein: 
das  beschränkte  Wachsthum  und  die  Fähigkeit  der  Rückbildung. 

Nach  der  herrschenden  Ansicht  über  die  Sai'come,  welche 
zu  verlassen  gar  kein  Grund  vorliegt,  stellen  diese  aus  dem 
Bindegewebe  hervorgegangene,  gegen  die  Umgebung  scharf  ab- 
gegrenzte Geschwülste  dar  mit  unbeschränktem  Wachsthum, 
denen  wohl  die  Möglichkeit  des  Zerfalles,  nicht  aber  die  der 
Rückbildung  zukommt. 

Auf  die  vorliegenden  Fälle,  welche  gleichzeitig  die  Typen 
der  verschiedenen  Fälle  der  Sarcomatose  der  Haut  darstellen, 
angewendet,  ergibt  sich  hieraus  in  den  wichtigsten  Punkten  ein 
Mangel  an  Uebereinstimmung  mit  obigen  Postulaten.  Diese 
Tumoren  involvirten  sich  unter  unseren  Augen  häufig  spontan. 
Besonders  auffallend  war  dies  bei  der  alten  Frau  F.  B.,  bei 
welcher  unbeeinflusst  durch  eine  systematische  Arsenbehandlung 
die  Tumoren  bis  zu  Wallnussgrösse  binnen  wenigen  Wochen 
gediehen  und  sich  ebenso  rasch  wieder  involvirten.  Dasselbe 
war,  wenn  auch  weniger  auffallend  bei  den  übrigen  Fällen  zu 
constatiren.  In  keinem  einzigen  Fall  trat  aber  während  der 
Omonatlichen  bis  nahezu  1  Vsjährigen  Beobachtung  das  schranken- 
lose Wachsthum  ein,  wie  man  dieses  sonst  bei  Sarcomen  zu 
beobachten  gewohnt  ist,  sondern  die  Geschwülste  erreichten 
eine  bestimmte  Grösse,  um  dann  entweder  stationär  zu  bleiben 
oder  sich  rückzubilden. 

Aber  nicht  nur  in  klinischer  sondern  auch  in  histologischer 
Beziehung  unterscheiden  sich  diese  Tumoren  der  beiden  Frauen 
von  echten  Sarcomen  und  zwar  von  den  Rundzellen-Sarcomen, 
mit  denen  die  Geschwülste  die  grösste  Aehnlichkeit  haben,  indem 
es  sich  bei  diesen  nicht  um  Verdrängung  der  benachbarten 
Gebilde  durch  den  Tumor  handelt,  sondern  vielmehr  um  ein 
kleinzelliges  Infiltrat  in  das  Maschenwerk  der  Cutis  mit 
nahezu  intacter  Erhaltung  der  Structur  dieses  letzteren.  Die 
Möglichkeit  der  Resorption  eines  solchen  kleinzelligen  Infiltrates 
erklärt  auch  die  Verkleinerung  der  Tumoren.  Von  was  für 
Bedingungen  dies  abhängig  ist,  bleibt  allerdings  räthselhaft. 


')  Vide  speciell  Fall  I  und  III. 


üeber  die  sogenannte  Sarkomatosis  cutis.  173 

Die  Tumoren  bei  den  anderen  Fällen  unterscheiden  sich 
zwar  in  histologischer  Beziehung  in  nichts  von  den  Sarcomen, 
doch  muss  hier  wieder  auf  den  principiellen  klinischen  Unter- 
schied von  diesen  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  dieselben 
eine  ganz  strengcircumscripte,  nicht  fortschreitende, 
wohl  aber  der  Rückbildung  fähigen  Bindegewebswucherung 
mit  kleinzelligem  Infiltrate  darstellen. 

Ich  glaube  umsomehr  aus  diesem  klinischen  Verhalten 
eine  prindpielle  Verschiedenheit  auch  dieser  Geschwülste  von 
den  echten  Sarcomen  deduciren  zu  müssen,  als  ja  Virchow*) 
selbst  ausdrücklich  betont,  denklinischen  Verlauf  zur  Charakteri- 
sirung  krankhafter  Geschwülste  heranziehen  zu  müssen.  Hieran 
wird  nichts  geändert  durch  den  Umstand,  dass  diese  Fälle, 
durch  Metastasenbildung  in  inneren  Organen,  gleich  den  echten 
Sarcomen,  durch  schwere  Schädigung  der  Functionen  derselben, 
zu  schweren  Kachexien  und  schliesslich  zum  Tode  führen. 

Sämmtliche  geschilderten  Fälle  entsprechen  also  nicht  den 
grundsätzlichen,  allgemein  anerkannten  Forderungen  für  den 
Begriff  des  Sarcomes,  wiewohl  dieselben  Uebergangsformen  von 
entzündlicher  Wucherung  (chronischer  Entzündung)  zu  jenen 
darstellen  mögen.  Trotz  vielfacher  histologischer  Aehnlichkeit 
erscheint  es  daher  geboten  diese  Geschwülste  von  den  Sarcomen 
abzuscheiden  und  denselben  eine  besondere  Stellung  einzu- 
räumen, wobei  man  dieselben  nach  Kaposi's  Vorschlag*)  ganz 
wohl  als  „Sarkoide"  Geschwülste  bezeichnen  kann.  Es  sollen 
hiedurch  in  erster  Linie  diese  Geschwülste  den  echten  Sarcomen 
entgegen  gestellt  werden.  Die  besprochenen  Affectionen,  die 
Mycosis  fungoides  mit  eingeschlossen,  zeigen  sowohl  klinisch 
als  histologisch  untereinander  ein  so  verschiedenes  Verhalten, 
dass  die  einzelnen  Formen  immerhin  noch  als  solche  zu  dia- 
gnosticiren  sein  werden.  Von  der  besonderen  Erörterung  der 
Mycosis  fungoides  glaubte  ich  aus  dem  Grunde  absehen  zu 
können  als  deren  Stellung  von  P  a  1 1  a  u  f  *'')  ohnehin  in  erschöpfender 
Weise  behandelt  worden  ist. 


')  Virchow.  Geschwülste.  I.  Bd. 

')  Pathologie  und  Therapie  der  Hautkrankheiten.  4.  Aafl.,  p.  867. 
*)  üeber  lymphatische  Neubildtmgen  der  Haut.    Wiener  klinische 
Wochenschr.  1892,  p.  545. 


174  Spiegler. 

Vom  therapeutischen  Standpunkte  ist  schliesslich 
noch  zu  betonen,  dass  die  obenerwähnte  schlechte  Prognose 
dieser  Fälle  auch  nicht  absolut  giltig  ist,  da  ja  Fälle  beschrieben 
worden  sind, ')  wo  durch  consequente  Arsenbehandlung  Heilung 
eingetreten  war. 

Schliesslich  erlaube  ich  mir  noch  meinem  hochverehrten 
Chef,  Herrn  Prof.  Kaposi,  fiir  die  Anregung  und  Ueberlassung 
des  Krankenmaterials,  Herrn  Prof.  Pal  tauf  für  die  Durchsicht 
meiner  Präparate  meinen  besten  Dank  auszusprechen. 


')  Yide  z.  B.  Eöbner  „Heilung  eines  Falles  von  allgem.  Sarkoma- 
tose  der  Haut  durch  subcutane  Arseniigectionen.  Berl.  klin.  Wochenschr. 
1883,  p.  21.  —  Touton,  Ein  durch  Arsen  geheilter  Fall  von  sogen,  allge- 
meiner Hautsarkomatose.   Münch.  med.  Wochenschr.  1893.  Nr.  2. 


Erklänmg  der  Abbildungen  auf  Tafel  VZI  nnd  VIZI. 

Fig.  1.  Durchschnitt  durch  einen  Tumor  vom  Rücken^  von  Fall  I. 
Zeiss  Objectiv  AA.  Ocular  2. 

Fig.  2.  Derselbe  Fall.  Von  kleinzelligem  Infiltrate  durchsetzte  Knauel- 
drüsen.  Zeiss  Objectiv  C,  Ocular  2. 

Fig.  3.  Ein  Stuck  aus  der  Hauptmasse  des  Tumors.  In  das  Maschen- 
werk der  Cutis  eingelagerte  Infiltratzellen,  dieses  auseinander  drängend. 
Zeiss  Objectiv  E^  Ocular  4. 

Fig.  4.  Ein  Stück  aus  dem  Tumor  von  Fall  II  mit  zahlreichen  Ge- 
lassen, Hämorrhagien  und  Pigmentschollen.  Zeiss  Object.  C,  Ocular  2. 


Au  der  dermatologisclien  Abtheiltmg  des  Primärarzt  Dr.  Jadas- 
söhn  im  Allerheiligen-Hospital  zu  Breslaxu 


Heber  das  Verhalten  der  elastischen  Fasern 
in  Hautnarben  und  bei  Destructions- 

processen  der  Haut. 

Von 

Dr.  A.  Cruttentag. 


Die  elastischen  Fasern  haben  bisher  Terhältnissmässig  wenig 
Beachtung  gefunden,  obwohl  ihre  Rolle  in  den  verschiedensten 
Organen  des  Körpers  eine  wichtige,  und  ihre  Theilnahme  an 
mannigfachen  physiologischen  und  pathologischen  Processen  eine 
hervorragende  ist.  Es  erklärt  sich  die  Vernachlässigung  dieser 
Gebilde  aus  der  Unzulänglichkeit  der  bisher  üblichen  Methoden 
ihrer  Untersuchung.  Zwar  ist  eine  grosse  Reihe  von  Färbe- 
mitteln publicirt  worden,  seit  Balzer*)  und  nach  seinem  Vor- 
gange modificirend  Unna")  unter  Benutzung  der  Widerstands- 
fähigkeit der  elastischen  Fasern  gegen  zerstörende  Einflüsse 
die  ersten,  noch  primitiven,  electiven  Färbungen  derselben  an- 
gegeben haben.  Aber  gerade  die  grosse  Anzahl  der  Färbe- 
methoden und  die  Thatsache,  dass  jeder  Forscher,  den  seine 
Untersuchungen  zum  Studium  der  elastischen  Fasern  führten, 
diese  nach  eigener  Methode  zu  färben  versuchte,  dürfte  be- 
weisen, wie  wenig  jede  derselben  zu  leisten  im  Stande  war. 

So  entstanden  die  beiden  älteren  Methoden  von  Unna*)  (Färbung 
mit Dahlia und  die  Salpetersäuremetbodej,  die  Methode  von  Lustgarten*) 


176  Guttentag. 

(mit  Yictoriablau),  von  Herxheimer^)  (mit  Hämatoxylin)  und  die  beiden 
Methoden  von  Martinotti')  mit  Saf&anin  und  Argentum  nltricum,  von 
denen  die  letztere  eine  Bestätigung  der  von  Blaschko')  bei  Argyria 
cutis  gefundenen  Affinität  des  elastischen  Gewebes  zum  Silber  brachte. 
Kuskow')  wandte  bei  seinen  Untersuchungen  die  eine  Methode  Unnas 
(Dahlia)  und  die  Lustprarten's,  sowie  ein  modificirtes  Yerdauungsver- 
fahren  an. 

Im  Jahre  1889  gab  Koppen*)  das  Krystallviolett' als  Farbstoff  für 
elastische  Fasern  an,  Mibelli")  verwandte  Saffranin  und  Martin  B. 
Schmidt '')  benutzte  neben  anderen  Methoden  auch  die  mitXhionin  zur 
Darstellung  der  elastischen  Fasern.  Aber  alle  diese  Methoden  konnten 
sich  ebensowenig  wie  die  von  Pansim,'*)  Wolters,'*)  Dührssen'*) 
und  die  von  Manchot'^)  modificirte  Ebner 'sehe  Methode  allgemeine 
Geltung  verschaffen. 

Erst  die  von  Unna  '•)  empfohlene  T  a  e  n  z  e  r'sche  Orcein- 
färbung  hat  allgemein  Anklang  gefunden,  und  thatsächlich  ist 
auch  seitdem  eine  Reihe  von  Arbeiten  über  die  elastischen 
Fasern  erschienen.  Die  Schilderung  ihrer  normalen  Verhältnisse 
in  der  Haut  wurde  von  Zenthöfer  ^'^j  gegeben;  ferner  haben 
Behrens'®)  und  Secchi  *•')  ihr^  Kentniss  gefördert.  Weniger 
zalüreich  sind  die  Arbeiten  über  die  elastischen  Fasern  in  patho- 
logisch veränderter  Haut.  Sack'")  schildert  den  mikroskopischen 
Befund  bei  einem  Fall  von  Ulerythema  sycosiforme:  Die 
elastischen  Fasern,  die  sich  im  normalen  Bartboden  in  ganz 
besonders  reichlicher  Zahl  vorfinden,  sind  aufgezehrt  und  ver- 
drängt, während  coUagenes  Gewebe  oft  noch  zwischen  den 
haufenweise  liegenden  protoplasmatischen  Zellen  als  ein  schwach 
sich  färbendes  Netz  da  zu  erkennen  ist,  wo  die  elastischen 
Elemente  gänzlich  verschwunden  sind.  Eine  zweite  Erkrankung, 
deren  pathologisch  anatomische  Veränderungen  wesentlich  in 
einem  Schwunde  der  elastischen  Fasern  bestehen,  ist  von  Jadas- 
söhn**)  untersucht,  und  auf  dem  HI.  Congresse  der  dermatolo- 
gischen Gesellschaft  geschildert  wordeiL  Bei  dieser  Erkrankung, 
dieJadassohn  vorläufig  Atrophia  maculosa  cutis  nennt,  zeigt 
das  mikroskopische  Bild  Lücken  im  elastischen  Netze  der  Haut, 
die  besonders  in  der  Tiefe  an  Ausdehnung  bedeutend  werden, 
während  über  den  „leeren  Fleck"  noch  ein  Streifen  elastischer 
Fasern  hinzieht,  aus  dem  feinere  Aeste  in  die  Papillen  aufsteigen. 
Die  Grenzen  des  Flecks  zeigen  sowohl  in  der  Lücke  als  in 
dem  wieder  beginnenden  elastischen  Gewebe   eine   Infiltration, 


lieber  das  Verhalten  der  elastischen  Fasern  in  Hautnarben.      177 

^80  dass  man  sich  dem  Eindruck  nicht  verschliessen  kann, 
dass  überall  dem  Untergange  der  elastischen  Substanz  ein 
wenn  auch  nur  sehr  leichter  chronischer  Infiltrationsprocess 
Yorausgeht^.  Diese  Auffassung  darf  als  bewiesen  gelten,  da 
Jadassohn  auch  in  vivo  bei  der  Patientin  das  Hervorgehen  eines 
atrophischen  eingesunkenen  Flecks  aus  einer  prominenten  Infil- 
ti-ation  beobachten  konnte.  Innerhalb  der  einzelnen  Infiltrate 
konnten  mikroskopisch  nur  ganz  vereinzelte  dünne,  matte 
elastische  Fasern  nachgewiesen  werden.  Degenerationspro  du  cte 
derselben  waren  aber  zahlreich  an  den  verschiedensten  Stellen 
zu  sehen. 

Die  wichtige  Bolle,  welche  die  elastischen  Fasern  bei  dem 
Zustandekommen  dar  Striae  spielen,  ist  in  einer  älteren  Arbeit 
vonTroisier  und  Menetrier^*)  eingehend  geschildert  Ihre 
Resultate  werden  durch  die  Untersuchungen  mittelst  der  Orcein- 
methode  durchaus  bestätigt.  Es  wird  weiter  unten  Gelegenheit 
sein,  genauer  auf  diese  Befunde  einzugehen.  Ferner  haben 
S  0  f  f  i  a  n  t  i  n  i  ''^)  und  du  M  e  s  n  i  1  ^*)  kürzlich  eine  Beihe  patholo- 
gischer Producte  der  Untersuchung  auf  das  Verhalten  der  elasti- 
schen Fasern  unterzogen.  Endlich  hat  schon  1890  Unna^^)  in 
seiner  Arbeit  über  Plasmazellen  der  elastischen  Fasern  Erwähnung 
gethan.  Er  äussert  an  dieser  Stelle  die  Ansicht,  dass  das  von 
ihm  sogenannte  „Lupusfibrom'',  welches  man  bis  dahin  als 
spontan  vernarbtes  Lupusgewebe  angesehen  und  mit  beispiels- 
weise durch  operative  oder  chemische  Behandlung  geheiltem 
Lupus  für  identisch  gehalten  hatte,  sich  von  indifferenten  Narben 
erlieblich  unterscheide :  „. . .  die  spontane  Lupusnarbe  ist  auch 
nicht,  wie  man  bisher  meist  angenommen,  ein  einfach  indiffe- 
rentes Nebengewebe,  welches  ebenso  construirt  wäre,  wie  die 
Narbe  eines  beliebigen  ulcerösen  Processes.  Sie  ist  zunächst 
dadurch  charakterisirt,  dass  sie  nie  wieder  elastisches  Gewebe 
producirt  ..." 

Diese  Anschauung  ging  also  von  der  Annahme  aus,  dass 
„einfach  indifferentes  Narbengewebe"  wieder  elastisches  Gewebe 
produciren  kann.  Da  bislang  über  das  Verhalten  von  elasti- 
schen Fasern  in  Narben,  wenigstens  in  der  dermatologischen 
Literatur  nichts  publicirt  ist,  und  Unna  selbst  nach  dieser 
Bichtung  hin  angestellte  Untersuchungen  nicht  erwähnt,  schien 

ArthlT  f.  Dermatol.  «.  Syphll.  Band  XZVH.  22 


178  Qu  ttentag. 

es  von  Interesse  zu  sein,  indifferentes  Narbengewebe  auf  elastische 
Fasern  zu  untersuchen. 

Hiermit  hat  mich  Herr  Dr.  Jadassohn  beauftragt  und 
es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  ihm  an  dieser  Stelle  für  diese 
Anregung  sowie  für  das  Interesse,  mit  dem  er  meine  Befunde 
stets  controlirt  hat,  meinen  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 
Während  ich  mit  den  nachfolgenden  Untersuchungen  be* 
schäftigt  war,  erschien  ein  Referat  über  einen  Vortrag  von 
Riehl,  **)  der  ebenfalls  das  Verhalten  der  elastischen  Fasern 
in  Narben  studiert  hat.  Da  aber  seine  Untersuchungen,  so- 
weit nach  dem  kurzen  Referat  zu  urtheilen  erlaubt  ist,  mit  den 
meinigen  nicht  vollständig  übereinstimmen,  glaubte  ich  auch 
diesen  Theil  meiner  Arbeit  veröffentlichen  zu  sollen. 

Da  man  bei  derartigen  Untersuchungen  natürlich  wesent- 
'  lieh  auf  Leichenmaterial  angewiesen  ist,  habe  ich  von  ver- 
schiedenen Körperstellen  Narben  verschiedenen  Aussehens  mit 
der  angrenzenden  normalen  Haut  excidirt.  Es  ist  selbstver- 
ständlich, dass  ich  nicht  angeben  kann,  von  welchem  Processe 
die  Narben  herrühren.  Es  kam  ja  aber  zunächst  nur  darauf 
an,  nachzuweisen,  ob  und  in  welchem  Umfange  in  Narben- 
gewebe verschiedener  Provenienz  elastische  Fasern  vorhanden 
sind.  Ich  hebe  hier  ganz  allgemein  hervor,  dass  alle  unter- 
suchten Stellen  den  Eindruck  alter  Narben  machten,  und  dass 
man  wohl  mit  Recht  voraussetzen  kann,  dass  weitere  Verände- 
rungen im  Sinne  einer  Reparation  an  diesen  Stellen  nicht  ein- 
getreten wären. 

Die  Schnitte  des  in  Alkohol  gehärteten  und  in  Celloidin 
eingebetteten  Materials  wurden  gefärbt  mit 

Orcein  0,1 

Spiritus  (95%)  20,0 

Aq.  dest.  5,0 

das  zu  genau  gleichen  Theilen  mit 

Acid.  muriat.     0,1 

Spirit.  (95%)  20,0 

Aq.  dest.  5,0 

verdünnt  war.  Nach  mehrstündigem  Aufenthalt  in  der  Färbe- 
flüssigkeit wurden  die  Schnitte  in  Wasser  abgespült  und  einige 
Minuten  in  dem   sauren  Alkohol   von   eben  bescliriebener   Zu- 


üeber  das  Verhalten  der  elastischen  Fasern  in  Hautnarbeu.       179 

sammensetzung  entfärbt.  Gegenfärbung  mit  wässeriger  Methylen- 
blaulösung. 

Präparat  I.  Alte  Narbe  vom  Knie,  etwa  pfenniggross.  In  der  Um- 
gebung liegen  die  elastischen  Fasern  in  normaler  Menge  und  Anordnung. 
Die  Narbe  selbst,  kenntlich  an  dem  Fehlen  des  Papillarkörpers  und  dem 
glatt,  nur  wenig  gewellt  ausgespannten  Bindegewebe  enthält  bis  zur  Grenze 
des  subcutanen  Gewebes  keine  elastischen  Fasern.  Die  Gefässe  zeigen 
vermehrte  Kerne.  Am  Uebergange  vom  narbigen  zum  normalen  Gewebe 
treten  schmale  elastische  Fasern  in  spärlicher  Anzahl  auf,  so  dass  eine 
scharfe  Grenze  nicht  gezogen  werden  kann. 

Diese  Narbe  ist  die  einzige  aus  gesunder  Umgebung  entfernte  Narbe, 
bei  der  ich  in  ihrem  grössten  Bezirke  einen  völligen  Mangel  an  elasti* 
sehen  Fasern  constatiren  konnte. 

Präparat  II.  Schmale  spindelförmige  Narbe  vom  Knie.  Die  Schnitte 
sind  quer  durchgelegt,  so  dass  auf  beiden  Seiten  normales  Gewebe,  in 
der  Mitte  die  Narbe  zu  sehen  ist.  Der  Papillarkörper  fehlt  in  ihr ;  in  der 
Umgebung  ist  er  deutlich  sichtbar.  Das  Narbengewebe  überall  von 
spärlichen,  gestreckten,  schmalen  aber  glatten  elastischen  Fasern  durch- 
zogen, die  im  Gegensatz  zur  Norm  nicht  netzförmig  angeordnet  sind. 

Präparat  IIL  Tiefe  Narbe  vom  Bein.  In  der  Umgebung  sehr  viel 
elastische  Fasern.  Die  Narbe  enthält  auch  hier  elastische  Fasern  in  der 
oben  geschilderten  Weise.  Die  Grenze  der  Narbe  verläuft  ziemlich  scharf 
und  ebenso  scharf  setzt  sich  das  dichte  Netz  stärkerer  und  feinerer 
elastischer  Fasern  in  der  normalen  Umgebung  gegen  die  spärlichen  dünnen, 
parallel  zu  einander  verlaufenden  der  Narbe  ab.  Die  Grenzlinie  geht 
schräg,  so  dass  da,  wo  unter  dem  Epithel  noch  normales  Gewebe  zu 
sehen  ist,  in  der  Tiefe  schon  Narbengewebe  sich  befindet. 

Präparat  lY.  Narbe  bei  chronischem  Ekzem  des  Unterschenkels. 
Unter  dem  normalen  Epithel  ist  das  Bindegewebe  narbig  verändert;  die 
elastischen  Fasern  sind  in  einzelnen  Gruppen  erhalten  geblieben  und 
zeigen  mitten  im  narbenartigen  Bindegewebe  die  Anordnung  und  das 
Aussehen  wie  im  normalen  Gewebe.  Ausserdem  ist  die  Narbe  von  sehr 
spärlichen,  schmalen,  elastischen  Fasern  durchzogen. 

Präparat  V.  Yorderarmnarbe.  In  der  Umgebung  beginnen  die 
elastischen  Fasern  dicht  unter  dem  Papillarkörper.  Dann  treten  sie  auf 
einer  längeren  Strecke  von  ihm  zurück,  sind  aber  in  der  Tiefe  noch  voll- 
ständig erhalten,  und  hören  dann  mit  scharfem  Rande  auf.  In  der  Narbe 
sieht  man  zahlreiche  Gruppen  stehen  gebliebener  elastischer  Fasern; 
ausserdem  zahlreiche  schmale,  kurze  und  lange,  parallel  den  Bindegewebs* 
bündeln  ausgespannt. 

I^parat  VI.  Unterschenkelnarbe.  Befund  ähnlich  dem  vorher- 
gehenden. Die  elastischen  Fasern  treten  erst  von  der  Oberfläche  zurück 
und  hören  dann  mit  scharfem  Rande  auf.  Auch  hier  trifft  man  ausser 
den  erhaltenen,  rundlich  unregelmässigeu  Gruppen  schmale,  län^sverlau- 
fende  elastische  Fasern. 

12* 


180  Guttentag. 

Präparat  YII.  Oberschenkelnarbe.  Der  Papillarkörper  ist  auch  in 
der  Umgebung  nur  wenig  entwickelt.  Die  Narbe  ist  sehr  flach  und  nur 
zu  sehen,  dasa  die  elastischen  Fasern  eine  Strecke  weit  vom  Epithel 
zurücktreten. 

Aus  diesen  Befunden  geht  also  hervor,  dass  in  einer  An- 
zahl beliebig  zusammengestellter  Narben  von  meist  gewiss  schon 
sehr  langem  Bestehen  das  elastische  Netz,  wie  es  in  der  nor- 
malen Haut  vorhanden  ist,  fehlt,  dass  manchmal  (in  meinem 
ersten  Falle)  überhaupt  keine  Spur  von  mit  Orcein  färbbaren 
elastischen  Fasern  zu  finden  ist,  dass  dagegen  in  der  Mehr- 
zahl aller  Narben  spärliche,  oft  nur  bei  starker  Vergrösserung 
sicher  zu  constatirende,  dünne,  langgestreckte,  meist  parallel 
zu  einander  verlaufende  elastische  Fasern,  in  manchen  Fällen 
auch  unregelmässige  isolirte  Gruppen  dickerer  und  dünnerer 
Fasern  mitten  im  Narbengewebe  vorhanden  sind.  Der  Umfang 
des  in  den  Narben  darstellbaren  elastischen  Gewebes  ist  im 
Allgemeinen  augenscheinlich  umgekehrt  proportional  der  Tiefe 
der  Narbe,  und  somit  wohl  auch  der  Intensität  des  voran- 
gegangenen Destructionsprocesses.  Auch  im  einzelnen  Präpa- 
rate konnte  man  constatiren,  dass,  je  flacher  die  Narbe  nach 
der  Peripherie  hin  wurde,  um  so  unbedeutender  auch  der  Ver- 
lust des  elastischen  Gewebes  erschien.  So  sind  denn  auch  bei 
denjenigen  entzündlichen  Vorgängen,  die  nicht  bis  zur  Ein- 
schmelzung  des  Grundgewebes  vorgeschritten  sind,  nur  geringe 
Veränderungen  am  elastischen  Fasemetz  zu  erkennen.  Das 
deutlichste  Beispiel  hiefür  bilden  die  nach  der  Pockenimpfung 
zurückbleibenden  Narben,  bei  denen  der  Process  nur  ganz  ober- 
flächlich verläuft.  Die  mikroskopische  Untersuchung  dieser, 
die  ich  in  einer  Anzahl  von  Vaccine-Narben  normaler  Be- 
schaffenheit angestellt  habe,  liess  niemals  eine  irgendwie  auf- 
fallende Veränderung  des  elastischen  Fasernetzes  erkennen. 
Die  Fasern  selbst  waren  in  normaler  Ausdehnung  und  Gestalt 
vorhanden  und  selbst  ein  Zurücktreten  derselben  vom  Epithel 
war  nirgends  mit  Sicherheit  zu  diagnosticiren. 

Während  man  also  nach  dem  bisher  Gesagten  mit  Be- 
stimmtheit die  Behauptung  aufstellen  kann,  dass  in  der  Mehr- 
zahl aller  älteren  und  tieferen  Narben  das  ela- 
stische Gewebe  in  einem  hinter  der  Norm  ganz 
ausserordentlich  zurückbleibenden  Masse  vorhan- 


Ueber  das  Verhalten  der  elastischen  Fasern  in  Hantnarben.      131 

den  ist,  bedarf  die  Frage,  ob  man  die  in  der  Narbe  vorhan- 
denen elastischen  Fasern  als  Ueberbleibsel  des  alten  elastischen 
Netzes  deuten,  oder,  wie  Unna  anzunehmen  scheint,  als 
producirt  Tom  Narbengewebe  ansehen  soll,  einer  speciellen 
Untersuchung.  Am  besten  kann  wohl  das  Studium  der  elasti- 
schen Fasern  während  des  Entzündungsprocesses,  dessen  Folge- 
erscheinung die  nachher  auftretende  Narbe  ist,  Aufschluss 
gewähren.  Und  zwar  habe  ich  im  Hinblick  auf  den  Unterschied, 
den  Unna  zwischen  der  indifferenten  Narbe  und  dem  Lupus- 
fibrom macht,  entzündliche  Vorgänge  verschiedener  Art  in  den 
Bj-eis  der  Untersuchung  gezogen  und  ausser  verschiedenen 
tuberculösen  Erkrankungen  der  Haut  auch  das  Verhalten  der 
elastischen  P'asern  in  syphilitischen  Infiltrationen  studirt. 

Von  den  tuberculösen  Erkrankungen  sei  zuerst  ein  Lupus- 
fall eingehender  geschildert,  dessen  Krankengeschichte  ich,  wie 
auch  die  folgenden,  gütiger  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Jadas- 
sohn  verdanke. 

£s  handelt  sich  um  ein  junges  Mädchen,  das  seit  frühester  Jagend 
Lupus  am  rechten  Unterschenkel  hatte,  der  sich  allmälig  über  die  untere 
Extremität  fast  vollständig  ausgebreitet  hatte,  und  der  niemals,  ausser 
durch  indifferente  Salben  bebandelt  war.  Er  bot  das  charakteristische 
Bild  eines  serpig^nösen  Lupus,  d.  h.  die  centralen  Partien  waren  überall 
in  ein  glattes,  narbenähnliches  Grewebe  von  weisslicher  Farbe  verwandelt, 
in  dem  nur  hie  und  da,  namentlich  in  der  Nähe  des  Randes  einzelne 
hyperämische  Stellen,  aber  kaum  typische  Lupusknötchen  vorhanden  waren. 
Der  Rand  selbst  war  im  Durchschnitt  1 — 2  Cm.  breit,  bald  mehr,  bald 
weniger  erhaben  und  an  vielen  Stellen  deutlich  papiUomatös.  Das  ganze 
Bein  war  sehr  stark  verdickt.  Haut  nirgends  auf  der  Unterfläche  ver- 
schieblich. Die  Verdickung  betraf  zweifellos  auch  schon  den  Knochen. 
Es  handelte  sieh  also  um  eine  hochgradige  Elephantiasis  auf  lupöser 
Basis,  wie  sie  ja  von  vielen  Autoren  ausführlich  beschrieben  worden  ist. 

Von  diesem  Falle  wurden  3  Präparate  untersucht:  ein 
Stück  vom  Rande  gegen  das  Gesunde  hin,  wo  das  Entstehen 
des  Processes  beobachtet  werden  konnte,  eins  vom  Rande  des 
Üoriden  Processes  gegen  das  Vernarbte  und  eins  mitten  aus 
der  Narbe.  Letzteres  bestand  vorwiegend  aus  welligem  Binde- 
gewebe, das  die  elephantiastische  Verdickung  ausmachte  und 
enthielt  nur  vereinzelte,  nicht  als  specifisch  zu  erkennende  Infiltra- 
tionsherde, die  wesentlich  aus  „Plasmazellen"  in  Unna 's  Sinne 
bestanden.  Nur  in  der  Tiefe  zeigten  sich  vereinzelte  elastische 
Fasern. 


182  Guttentag. 

Also  auch  hier  war  eine  sehr  starke  Yermindemng  des 
elastischen  Gewebes  vorhanden;  aus  dem  Vergleiche  dieses 
Befundes  mit  den  oben  berichteten  von  indifferenten  Narben 
geht  hervor,  dass  eine  principielle  Differenz  zwischen  der  spon- 
tanen Lupusnarbe,  dem  „Lupusfibrom''  Unnas  und  Narben 
anderer  Provenienz  in  Bezug  auf  ihren  Gehalt  an  elastischen 
Fasern  nicht  besteht.  Ausserdem  ist  noch  in  Betracht  zu  ziehen, 
dass  das  collagene  Bindegewebe  hier  erheblich  hypertrophirt 
war  und  in  hypertrophischen  Bindegewebsneubildungen,  wie  auch 
du  Mesnil  meint,  eine  Vermehrung  der  elastischen  Fasern 
sicher  nicht  vorkommt. 

In  den  noch  erkrankten  Partien  zeigten  sich  scharf  abge- 
gi'enzte  t^-pische  Tuberkel 

In  ihnen  sind  noch  deutliche,  schmale,  grup- 
penweise zusammenliegende  elastische  Fasern 
erhalten. 

In  einem  zweiten  Falle  von  einem  isolirten,  noch  ganz 
jungen  Lupusherde  vom  Vorderarm  konnte  ich  ebenfalls  in  den 
tuberculösen  Infiltraten  noch  deuthche  elastische  Fasern  erkennen. 

Drittens  konnte  ich  noch  einen  Fall  von  Scrophulo- 
derma  untersuchen. 

Es  stammt  von  einem  etwa  sechsjährigen  Kinde,  bei  dem  siuh  an 
der  Streckseite  des  Vorderarms  zwei  Herde  fanden,  von  denen  der  eine 
etwa  linsengross,  braunlich  rotb,  mäosig  erhaben  war,  und  sich  albnäligin 
der  Umgebung  verlor.  Der  andere  stellte  einen  zehnpfennigstückgrossen, 
bläulich  rothen,  stärker  erhabenen  Knoten  dar,  der  in  der  Mitte  erweicht 
war.  Acut  entzündliche  Erscheinungen  waren  in  der  Umgebung  nicht 
vorhanden.  Die  bakteriologische  Untersuchung  der  Flüssigkeit  der  er- 
weichten Partie  ergab  die  Abwesenheit  von  auf  den  gewöhnlichen  Nähr- 
böden wachsenden  Mikroorganismen.  Eine  intraperitoneale  Injection  dieser 
Flüssigkeit  erzeugte  bei  einem  Meerschweinchen  eine  typische  Tuberculose. 
Es  handelte  sich  also  um  einen  ganz  charakteristischen  Fall  derjenigen 
Aifection,  die  die  Franzosen  als  „gomme  scrophuleuse^,  die  Deutschen 
meist  als  „Scrophuloderma^  bezeichnen  und  zwar  um  einen  aussergewöhn- 
lieh  reinen,  ausschliesslich  auf  die  Haut  beschränkten  Fall  dieser  Afiection. 

Hervorzuheben  ist  im  Hinblick  auf  die  Arbeit  von  Leistikow*^') 
die  vollständige  Abwesenheit  pyogener  Mikroorganismen  bei  einer  seh^ 
vollständigen  und  wie  auch  das  histologische  Bild  ergab,  ausschliess- 
lich auf  den  tuberculösen  Process  zurückzuführenden  Erweichung*  (dicht 
^u  der  durch  die  Flüssigkeitsansammlung  gebildeten  Höhle  lagen  sehr 
^chön    ausgebildete   Langhaus 'sehe  Riesenzellen   und  Epithelioidzellen 


lieber  das  Verhalten  der  elastischen  Fasern  in  Hautnarben.      183 

und  von  der  „secundären  Lenkocytose"  war  in  den  centralen  Partien  des 
Präparats  wenig  zu  sehen,  während  eine  solche  bei  einer  secundären 
pyogenen  Infection  doch  sehr  deutlich  hätte  sein  müssen.) 

Auch  hier  habe  ich  in  den  ausgebildeten  Tuberkeln  selbst 
elastische  Fasern  erkennen  können.  Sie  sind  schmal,  aber  noch 
in  langen,  ausgedehnten  und  auseinander  gedrängten  Maschen 
erhalten.  Die  Riesenzellen  selbst  enthielten  übrigens  in  keinem 
meiner  Fälle  elastische  Fasern,  wie  Ssudakewitsch^®)  es 
beobachtet  hat;  doch  traten  die  letzteren  zwischen  den  „Epi- 
thelioidzellen''  der  Tuberkel  auch  bis  dicht  an  die  Riesenzellen 
heran,  lagen  also  auch  in  denjenigen  Theilen  der  Tuberkel,  in 
welchen  nach  der  geläufigen  Anschauung  die  necrobiotischeu 
Vorgänge  bereits  beginnen. 

Von  syphilitischen  Erkrankungen  der  Haut  schien  es 
am  wichtigsten,  Processe  der  Tertiärperiode  zu  untersuchen,  da 
diese  eine  wirkliche  Zerstörung  des  Grundgewebes  veranlassen 
und  demzufolge  auch  wirkliche  Narben  produciren.  Untersucht 
wurde  zunächst  ein  Gumma,  das  von  einem  Patienten  stammt, 
der  neben  multiplen  charakteristischen  tuberösen  Syphiliden 
einzelne  ebenso  typische  Hautgummata  speciell  an  den  Unter- 
schenkeln aufwies.  Diese  Gummata  standen  im  Gegensatz  zu 
den  tuberösen  Efflorescenzen  isolirt,  wölbten  sich  fast  halb- 
kugelig hervor  und  speciell  der  excidirte  Knoten  war  von  livid 
braunrother  Färbung  und  in  der  Mitte  bereits  deutlich  erweicht. 
Auch  mikroskopisch  konnte  man  nicht  blos  im  Centrum,  son- 
dern auch  in  den  den  Hauptherd  umgebenden  Infiltraten  den 
Zerfall  schon  deutlich  nachweisen.  Trotzdem  fand  ich  in  ihnen 
noch  Schweissdrüsen  erhalten,  deren  elastische  Membran  sich 
noch  gut  färbte,  selbst  wenn  ihre  Epithelien  schon  nicht  mehr 
intact  erschienen.  Augenscheinlich  hat  das  elastische  Stützgerüst 
hier  die  Configuration  der  Drüsencanäle  im  Infiltrate  gewahrt. 
Aber  auch  in  dem  schon  ganz  zerfallenen,  nekro- 
tischen Centrum  der  Infiltrate  waren  noch  deut- 
lich elastische  Fasern  zu  sehen.  Wo  noch  Binde- 
gewebe in  den  Infiltraten  stellenweise  erhalten  war,  waren  es 
auch  die  elastischen  Fasern,  und  zwar  auch  noch  in  einer  Zone, 
in  der  dieses  selbst  im  Infiltrate  schon  nicht  mehr  zu  erken- 
nen war. 


184  Gnttentag. 

Ein  zweiter  Fall  betraf  ein  tuberöses  Syphilid,  das  nach 
der  klinischen  Beobachtung  schon  zur  Involution  neigte.  Ich  fand 
an  ihm  die  gleichen,  wenn  auch  nicht  so  deutlich  ausgesprochenen 
Erscheinungen.  Nur  spärlidie  elastische  Fasern  waren  in  den 
Infiltraten  zu  sehen.  Zahlreich  waren  sie  dagegen  in  der  Um- 
gebung derselben.  Da  aber  tuberöse  EfSorescenzen  keineswegs 
regelmässig  mit  einer  klinisch  nachweisbaren  Narbe  oder  narbigen 
Atrophie  abheilen,  dürfte  für  unsere  Zwecke  der  Befand  bei 
dem  oben  geschilderten  Gumma  der  ausschlaggebende  sein.  — 
Der  Vollständigkeit  wegen  habe  ich  auch  einen  Primäraffect 
untersucht.  Derselbe  war,  wenigstens  zur  Zeit  der  Beobachtung, 
nicht  exulcerirt,  sondern  von  normalem  Epithel  überzogen  und 
zeichnete  sich  dadurch  aus,  dass  er  nicht  bloss  einen  ausser- 
ordentlich derben,  sondern  auch  sehr  weit  in  die  Tiefe  rei- 
chenden, scharf  abgesetzten  Knoten  darstellte.  Mikroskopisch  sah 
man  dicht  unter  dem  Epithel  und  auch  in  die  Tiefe  Yordringend 
zahlreiche  Infiltrate.  In  ihnen  war  das  Maschenwerk  der 
elastischen  Fasern  ausserordentlich  deutlich  erhalten,  so  dass 
man  z.  B.  mitten  im  Infiltrate  stellenweise  noch  die  sogenannte 
„subepitheliale  Guirlande^  nachweisen  konnte.  In  den  oberen 
Schichten  waren  sie  yerschmälert,  in  dem  massigen  Infiltrate 
der  Tiefe  aber  sah  man  neben  spärlichem  coUagenen  Binde- 
gewebe noch  Tiele,  fast  unverändert  aussehende  elastische 
Fasern. 

Schliesslich  habe  ich  auch  ein  secundäres  Syphilid 
untersucht,  das  in  vivo  aus  flachen,  dunkelbraum*othen,  vielfach 
confluirenden  Papeln  bestand,  die  im  Nacken  eines  Patienten 
Sassen,  der  ein  universelles  papulöses  Exanthem  hatte.  Im 
mikroskopischen  Bilde  war  auch  das  normale  Gewebe  ann 
an  elastischen  Fasern.  Wo  sie  aber  in  der  Umgebung  der 
Infiltrate  zu  finden  waren,  sah  man  sie  auch  in  diesen  erhalten. 

Bei  allen  von  mir  untersuchten,  entzündlichen,  zurNarben- 
bildimg  führenden  Processen  hat  sich  die  Widerstandsfähigkeit  der 
elastischen  Fasern  als  grösser  ergeben  als  die  des  collagenen 
Bindegewebes.  Wo  von  dem  letzteren  Gewebe  nichts  mehr  zu 
sehen  war,  waren  die  ersteren  oft  noch  deutlich  in  dem  In- 
filtrate erhalten.  Nur  in  dem  von  Sack  beschriebenen  Falle  von 
Ulerythema  sycosiforme  und  dem  Jadassoh n'schen von  Atrophia 


Ueber  dui  Verhalten  der  elastischen  l'axnii  in  Hautnarben.      185 

maculosa  cutis  scheint  umgekehrt  eine  grössere  Widerstands- 
fähigkeit des  collageneu  Gewebes  bestanden  zu  haben.  Es  muss 
dahingestellt  bleiben,  ob  in  diesen,  ja  auch  sonst  eigenartigen 
Fällen  der  Process  als  solcher  gleichsam  eine  specielle  ^Virulenz  "^ 
für  das  elastische  Gewebe  gehabt  hat.  Gegen  das  tuberculöse 
und  syphilitische  Infiltrat  aber  besitzen  die  elastischen  Fasern 
augenscheinlich  eine  erheblich  grössere  Resistenz  als  das  collagene 
Bindegewebe.  Ich  kann  daher  du  Mesnil  nicht  beipflichten,  der 
die  elastischen  Fasern  für  wenig  widerstandsfähig  gegen  che- 
mische Einflüsse  hält.  Er  hat  die  elastischen  Faseiii  nicht  nur 
nicht  im  Tuberkel  gefunden,  sondern  beschreibt  auch  eine  von 
elastischen  Fasern  freie  „Mantelzone*'  um  denselben.  In  meinen 
Präparaten  konnte  ich  eine  solche  nicht  nachweisen.  Worauf 
diese  Differenz  zurückzuführen  ist,  vermag  ich  nicht  zu  sagen; 
gewiss  können  an  verschiedenen  SteUen  des  Körpers  und  bei 
Processen,  bei  denen  die  Intensität  des  Fortschreitens  eine  so 
wechselnde  ist  Differenzen  auch  in  dieser  Richtung  vorhanden 
sein.  Aber:  wenn  wirklich  von  tuberculösem  Material  ein 
gleichsam  verdauender,  chemischer  Einfluss  auf  das  elastische 
Gewebe  ausginge,  so  wären  meine,  von  du  Mesnil  abweichenden 
Befunde  nicht  erklärbar.  ^) 

Dieses  Ergebniss  der  grossen  Resistenz  der  elastischen 
Fasern  gegen  die  destruirenden  Processe  glaube  ich  nun  zur 
Erklärung  des  Vorkommens  der  elastischen  Fasern  in  Narben 
benützen  zu  können.  Ich  glaube  nicht,  dass  die  spärlichen, 
schmalen,  langgestreckten  elastischen  Fasern  der  Narbe  von 
dieser  „producirt"  sind,  sondern  halte  sie  für  Ueberreste  des 
elastischen  Netzes  des  Grundgewebes,  die  den  Entzündungs- 
und Destructionsprocess  überstanden  haben.  Schon  die  Aehn- 
lichkeit  der  schmalen,  in  den  entzündlichen  Infiltraten  sich  vor- 
findenden elastischen  Fasern  mit  denen  der  Narbe  macht  ihre 
Identität  wahrscheinlich.  Ich  erinnere  daran,  dass  ich  sie  auch 
in  den  schon  erweichten  Stellen  eines  luet.  Infiltrats  gefunden 
habe.  Dieses  hat  hier  den  Höhepunkt  seiner  Entwicklung  über- 
schritten. Die  mechanische  und  chemische  Einwirkung  auf  die  ela- 


')  Vielleicht  kann  man  die  Differenzen  auch  anf  eventuelle  secun- 
d&re  Infectionen  mit  Eitererregem  znräckfahren,  die  in  unseren  Fällen 
nicht  vorhanden  waren. 


186  Guttentagr. 

»tischen  Fasern  geht  an  Intensität  schon  zurück.  Es  erfolgt  dann 
an  diesen  Stellen  die  Bildung  der  indifferenten  Narbe  durch 
Wachsthum  des  Granulationsgewebes,  das  die  Reste  des  elasti- 
schen Gewebes  umsclüiesst.  Nun  wandelt  sich  das  Granulations- 
gewebe in  das  Narbengewebe  um,  und  dem  gleichmässig  wir- 
kenden Zug  und  Druck  vermag  die  elastische  Faser  nicht  zu 
widerstehen.  Sie  muss  sich  in  derselben  Richtung  wie  das  sie 
umgebende  Narbengewebe  strecken.  So  sind  die  schmalen, 
parallel  den  Bindegewebszügen  verlaufenden  elastischen  Fasern 
in  der  Narbe  zu  erklären.  Dass  sie  ein  Product  dieser  seien, 
dafür  ist  nirgends  ein  Anhaltspunkt  gegeben.  Wir  wissen  von 
der  Bildung  der  elastischen  Fasern  im  embryonalen  Leben  noch 
zu  wenig,  um  daraus  Analogieschlüsse  auf  eine  eventuell  bei 
der  Narbenbildung  stattfindende  Reproduction  derselben  machen 
zu  können.  Immerhin  sind  nur  zwei  Möglichkeiten  denkbar: 
entweder  wäre  das  Granulationsgewebe  bei  seiner  Umwandlung 
in  narbiges  Bindegewebe,  respective  dieses  selbst  im  Stande, 
elastische  Fasern  zu  produciren,  dann  wäre  aber  nicht  abzu- 
sehen, warum  bei  der  dann  vorausgesetzten  principiellen  Möglich- 
keit einer  Reproduction  diese  sich  auf  einem  so  geringem  Grade 
halten  sollte,  wie  er  dem  Gehalt  an  elastischen  Fasern  in  allen 
meinen  Präparaten  entspricht,  ja  warum  sie  in  manchen  Fällen 
(wie  in  meinem  ersten)  bei  sonst  scheinbar  gleicher  histologi- 
scher Zusammensetzung  der  Narbe  ganz  ausbleibt;  Rie  hl  scheint 
ja  sogar  —  wieder  so  weit  man  aus  dem  Referat  schliesseu 
kann  —  elastische  Fasern  bei  seinen  Untersuchungen  in  den 
Narben  ganz  vermisst  zu  haben.  Die  zweite  Möglichkeit  wäre, 
dass  von  den  elastischen  Fasern,  respective  von  dem  elastische 
Fasern  enthaltenden  Bindegewebe  der  Umgebung  ein  Hinein- 
wachsen in  das  von  elastischen  Fasern  zunächst  freie  Narbeu- 
gewebe  stattfände. ')  Der  gegen  die  Richtigkeit  der  ersten  An- 
nahme erhobene  Einwand  ist  auch  bei  der  zweiten  berechtigt. 
^'or  allem  aber  sprechen  gegen  eine  solche  Anschauung  die 
Befunde  bei  den  Striae,  wie  sie  von  den  oben  erwähnten  fran- 
zösischen Autoren  erhoben  worden  sind,  und  wie  ich  sie  in 
einem  Falle   bestätigen   konnte.     Troisier   und  Menetrier 


*)  Vergl.  in  dieser  Beziehung  die  in  dem  Nachtrag  erwähnte  Ar- 
beit Goldmann's. 


lieber  das  Verhalten  der  elastischen  Fasern  in  Hautnarben.      187 

fiudeii  die  elastischen  Fasern  in  den  ^»vergetures"  —  so  heisseu 
die  Striae  —  tres  espacees,  allongees  dans  le  meme  sens  que 
les  fibres  lamineuses ;  elles  forment  quelques  faisccaux  paralleles 
et  rectilignes,  laissant  entre  eux  de  grands  espaces,  qui  en  sont 
totalement  depourvus,  ou  ne  renferment  que  des  fibrilles  extre- 
mement  fines.  De  chaque  cote  sur  les  limites  de  la  vergeture 
le  tissu  elastique  parait  plus  dense  que  normalement  et  ren- 
ferme  un  plus  grand  nombre  de  fibres  ratatinees,  contoumees 
sur  elles-memes  en  vrille,  en  tirebouchon  et  qui  sont  tres- 
vraisemblablement  des  fibres  rompues  de  la  region  etiree."  Sie 
fassen  also  die  Striae  auf  als  Risse  in  den  übermässig  ge- 
dehnten elastischen  Fasern,  die  sich  nun  nach  beiden  Seiten 
sich  zurückziehend  aufrollen.  Diesen  Untersuchungen  pflichten 
auch  die  übrigen  französischen  Autoren,  Leloir  und  Vi  dal, 
Besnier  und  Doyon  bei;  die  letzteren  schreiben  geradezu: 
„les  vergetures  sont  des  eraillures  du  derme  avec  elongation 
ou  rupture  des  fibres  elastiques  et  dissociation  lamineuse/ 
Dass  sich  die  elastischen  Faseiii  in  den  Striae  regenerirt  hätten, 
hat  Niemand  beobachtet.  Auch  behalten  die  Striae  für  immer 
die  ihnen  eigenthümliche  weiche  Consistenz,  welche  zweifellos 
gerade  auf  dem  Verluste  des  elastischen  Gewebes  beruht  (cf. 
den  in  dieser  Beziehung  den  Striae  ganz  analogen  Fall  von 
Jadassohn).  Und  trotzdem  wären  gerade  in  den  Striae  bei  dem 
Fehlen  jeder  tieferen  Destruction,  jedes  narbigen  Processes  die 
Bedingungen  für  die  Reparation  der  gleichsam  nur  durch  ein 
Trauma  auseinandergerissenen  elastischen  Fasern  gewiss  die 
allergünstigsten. 

Aus  diesen  Untersuchungen  glaube  ich  folgende  Schluss- 
sätze ableiten  zu  können. 

1.  In  Narben  verschiedener  Provenienz  fehlen  die  elasti- 
schen Fasern  entweder  vollständig  oder  sie  sind  ausserordentlich 
viel  spärlicher  als  in  der  Norm;  die  vorhandenen  sind  im 
Allgemeinen  sehr  dünn  und  bilden  theils  langgestreckte  Züge, 
theils  isolirt  liegende  Knäuel. 

2.  Ceteris  paribus  scheint  der  Gehalt  der  Narben  an 
elastischen  Fasern  der  Intensität,  respective  der  Tiefe  des  der 
Narbenbildung  vorausgehenden  Destructionsprocesses  umgekehrt 
proportional  zu   sein;  in   ganz   oberflächlichen   Narben   (Impf- 


188  Gnttentag. 

narben)    sind  Veränderungen    des    elastischen   Gewebes   nicht 
nachgewiesen. 

3.  Der  Vergleich  von  Narben  nach  wirklicher  Destruction 
der  Haut  und  von  solchen,  bei  denen  sich  ein  Granulations- 
process  subepidermoidal  unter  „narbiger  Atrophie"  zurückge- 
bildet hat,  hat  DiflFerenzen  in  Bezug  auf  das  Verhalten  der 
elastischen  Fasern  nicht  ergeben.  Das  „Lupusfibrom''  Unnas 
unterscheidet  sich  in  dieser  Beziehung  nicht  von  andern  Narben. 

4.  Die  Untersuchung  einiger,  der  Narbenbildung  voraus- 
gehender specifischer  Granulationsprocesse  (Tuberculose,  Spät- 
lues) ergibt,  dass  bei  diesen  das  elastische  Gewebe  dem  Infil- 
trationsprocess  energischeren  Widerstand  leistet,  als  das  colla- 
gene  Bindegewebe,  da  mitten  in  specifischen  Infiltrationen,  ja 
auch  in  nekrotischen  Herden  noch  elastische  Fasern  vorhanden 
sind.  Doch  darf  diese  Anschauung  nicht  verallgemeinert  werden, 
da  in  einzelnen  Fällen  auch  eine  specifische  Einwirkung  grade 
auf  das  elastische  Gewebe  vorzukommen  scheint. 

5.  Der  Vergleich  der  bei  Granulationsprocessen  noch  vor- 
handenen elastischen  Fasern  mit  denen  in  Narben  spricht  dafür, 
dass  die  letzteren  nicht  neugebildete  Fasern,  sondern  Reste  der 
ursprünglich  vorhandenen  sind. 

6.  Für  die  Annahme  einer  Neubildung  von  elastischen 
Fasern  nach  Destructionsprocessen  in  der  Haut  haben  sich 
Anhaltspunkte  bei  der  Untersuchung  von  Narben  nicht  ergeben ; 
das  Verhalten  der  elastischen  Fasern  bei  den  Striae  und  in 
analogen  Fällen  (Atrophia  maculosa  cutis)  weist  darauf  hin, 
dass  eine  Neubildung  der  durch  tiefergreifende  Processe  zer- 
störten elastischen  Fasern  gemeinhin  nicht  stattfindet. 


Nach  Beendigung  dieser  Arbeit  erfahre  ich  das  interessante 
Ergebniss,  zu  dem  Goldmann  in  seinen  Untersuchungen  „über 
das  Schicksal  der  nacli  dem  Verfahren  von  Thiersch  verpflanz- 
ten Hautstückchen"  *)  gekonmien  ist.  Er  hat  beobachtet,  dass  die 
elastischen  Fasern  „aus  der  Tiefe,  vielleicht  aus  der  Umgebung 
des  Defects  in  die  transplantirte  Haut  hineinwuchem  und  zwar 
als  Fortsätze   der  daselbst  befindlichen   elastischen  Elemente". 


')  Beiträge  zar  klinischen  Chirurgie.  Redigirt  von  Bruns.  1693. 


Ueber  das  Verhalten  der  elasli.-chen  Fasern  in  Hautnarben.      |g9 

Auch  Goldmann  betont,  dass  „bei  der  gewöhnlichen 
Narbenbildung,  etwa  im  Anschluss  an  granulirende  Defecte  — 
elastische  Elemente  fast  vollständig  fehlen"  ;  daher  die  Unnach- 
giebigkeit,  die  Nichtverschieblichkeit  der  gewöhnlichen  Narben. 
(Es  geht  aus  der  Darstellung  G.^s  nicht  mit  Sicherheit  herror, 
ob  er  auch  YoUständig  ausgebildete  Narben  auf  elastisches 
Gewebe  untersucht  hat.)  Als  „Hemmniss  für  das  Einwachsen 
von  elastischen  Elementen"  sieht  er  den  „vorausgehenden  Gra- 
nulationsprocess"  an. 

Diese  Auffassung  stimmt  sehr  gut  mit  den  in  meiner  Arbeit 
niedergelegten  Resultaten  überein ;  denn  alle  die  Narben,  in  denen 
ich  die  elastischen  Elemente  nicht  oder  nur  spärlich  gefunden 
habe,  sind  natürlich  durch  einen  Granulationsprocess  entstanden. 

Ob  freilich  die  Granulationsbildung  als  solche  allein  die 
Ursache  für  das  Ausbleiben  der  Proliferation  des  restirenden 
elastischen  Gewebes  ist  oder  ob  nicht  auch  die  Schrumpfung 
und  die  dadurch  resultirende  derbere  Consistenz  des  Binde- 
gewebes nach  dieser  Richtung  anzuschuldigen  ist,  möchte  ich 
dahingestellt  sein  lassen.  Im  ersteren  Falle  wäre  wenigstens 
kein  Grund  abzusehen,  warum  nicht  nach  Ablauf  der  Granu- 
lationsbildung das  Einwachsen  des  elastischen  Gewebes  nach- 
geholt wird,  während  doch  thatsächlich  auch  ganz  alte  Narben 
nur  sehr  spärlich  damit  versehen  sind. 

Goldmann  ist  mehr  geneigt  umgekehrt  anzunehmen, 
dass  die  Schrumpfung  transplantirter  Haut  im  Gegensatz  zu 
einfach  vernarbender  ausbleibt,  weil  die  erstere  von  elastischen 
Fasern  durchsetzt  ist.  Auch  das  ist  natürlich  möglich.  Aber 
näher  scheint  mir  der  Gedanke  zu  liegen^  dass  die  Schrumpfung 
bei  der  Transplantation  dadurch  vermieden  wird,  dass  eben 
die  Granulationsbildung  möglichst  hintangehalten  wird  — je  ge- 
ringer diese,  um  so  geringer  die  Bildung  narbigen  Bindegewebes, 
um  so  grösser  die  Möglichkeit  desEinwachsens  elastischer  Fasern. 

Wie  dem  auch  sei,  die  transplantirte  Haut  bestätigt 
durch  ihr  anatomisches  und  klinisches  Verhalten  als  Ausnahme 
die  Regel  von  der  Unfähigkeit  gewöhnlicher  Narben,  elastisches 
Gewebe  aufzunehmen  oder  zu  produciren.  Sie  steht  aber  in 
einem  noch  nicht  erklärlichen  Gegensatz  zu  den  Striae,  in  denen 


190  üuttentag. 

weder  Granulationsbildung  noch  Bindegewebsschi-uinpfung  ein- 
treten und  doch  der  Wiederersatz  des  elastischen  Gewebes 
unseres  Wissens  ausbleibt. 


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26.  Praffer  med.  Wochenschrift.   1893.   Nr.  25.    Bericht  über  die 
Sitzung  der  k.  k.  Ges.  der  Aerzte  in  Wien  v.  9.  Juni  1893. 

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28.  Ssudakewitsch,   Virch.  Arch.  1889.  Bd.  115,  p.  264. 

29.  Leloir  et  Vi  dal.    Traite   descriptif  des  maladies  de  la  peau. 
Paris  1889. 

30.  Kaposi.    Pathologie   et  traitement  des  maladies  de  la  peau. 
Traduction  avec  notes  et  additions  par  Besnier  et  Doyon.  1890.  II,  p,  248. 


lieber  die  Behandlung  der  Syphilis  mit 
Injectionen  von  Calomel  und  salicyl- 

saurem  Quecksilber. 


Von 


Dr.  K.  E.  Linden, 

Diriglrender  Arzt  des  Gamisons •Krankenhauses  In  Helsingfoni,  Finland. 


Seit  Smirnoff  die  Calonielinjectionen  wieder  auf- 
genommen und  in  Brauch  gebracht  hat,  sind  beständig  neue 
unlösliche  Quecksilberpräparate  empfohlen  worden,  so:  Hydr. 
formamid.,  Hydi*.  oxydat.  flayum,  Lang's  Ol.  einer.,  Hydr.  salicyl. 
und  Hydr.  thymol.  Von  allen  diesen  sind  die  beiden  letzt- 
genannten vielleicht  allgemeiner  zur  Anwendung  gekommen  als 
eines  der  übrigen  Präparate  und  haben  Vergleiche  mit  den 
Wirkungen  der  Calomelinjectionen  hervorgerufen. 

Die  gegen  die  Anwendung  des  letzgenannten  Präparates 
gemachten  Einwände  beziehen  sich  hauptsächlich  auf  dadurch 
hervorgerufene  starke  Allgemeinreaction,  die  Bildung  von  Ab- 
scessen  und  schmerzhaften  Indurationen,  schweren  Stomatiten 
und  Enteriten;  auch  sind  mehrere  Todesfälle  nach  Anwendung 
desselben  verzeichnet. 

Bekanntlich  tritt  die  Syphilis  in  verschiedenen  Altem  sehr 
ungleich  auf  und  lässt  sich  verschieden  von  der  Behandlung 
beeinflussen.  So  ist  sie  z.  B.  gewöhnlich  bei  Kindern,  ausser 
in  den  ersten  Lebensmonaten  von  leichterem  Charakter,  wo  eben 
die  Kinder  verhältnissmässig  leicht  auf  Quecksilberbehandlung 
reagiren.  Ein  entgegengesetztes  Verhältniss  tindet  sich  be- 
kanntlich   gewöhnlich    bei   älteren  Leuten,    wo   die  Krankheit 


192  Linden. 

einen  langsamen  ^'erlauf  nimmt  und  meist  in  schwereren  und 
hartnäckigeren  Formen  auftritt.  Ebenso  muss  man  sich  vor- 
stellen, dass  ein  durch  Krankheit  geschädigter  Organismus 
anders  auf  das  syphilitische  Virus  wie  auch  auf  eine  anti- 
syphilitische Behandlung  reagiren  wird,  wie  vollkommen  gesunde 
Personen.  Möglicherweise  können  sich  auch  die  verschiedenen 
Geschlechter  in  genannter  Hinsicht  ungleich  verhalten. 

Ich  glaube  daher,  dass  das  von  mir  angewendete  Material, 
welches  zum  grössten  Theile  dem  Gamisonskrankenhause  in 
Helsingfors  entnommen  ist,  sich  besser  für  das  vorliegende 
Studium  eignet  als  solches  aus  civilen  Krankenhäusern  indem 
es  die  Forderung  der  möglichsten  Gleichmässigkeit  erfüllt,  die 
für  unsere  Aufgabe  von  so  grosser  Bedeutung  ist. 

Die  Patienten  sind  alle  als  zum  Kriegsdienst  tauglich, 
von  gesunder  Körperconstitution,  mit  keinem  speciellen  Leiden 
behaftet,  von  ungefähr  gleichem  Alter;  sie  leben  alle  unter 
denselben  gleichen  hygienischen  Verhältnissen;  die  meisten 
haben  sich  die  Krankheit  während  ihrer  Dienstzeit  zugezogen 
und  sind  also  gleich  unter  Beobachtung  und  Behandlung  ge- 
kommen und  können  schliesslich  mit  Hinsicht  auf  Behandlung 
und  möglicherweise  auftretenden  Recidiven  besser  überwacht 
werden  als  andere  Patienten.  Von  den  106  von  mir  behandelten 
Fällen,  welche  dem  vorliegenden  Aufsatze  zu  Grunde  liegen, 
befanden  sich  84  stationär  im  Krankenhause,  während  22  aus 
meiner  Privatpraxis  stammen,  doch  waren  Letztere  ungefähr  in 
demselben  Alter  wie  die  Erstgenannten. 

Seit  1885  sind  die  syphilitischen  Affectionen  im  Kranken- 
hause fast  ausschliesslich  mit  Injectionen  von  Calomel  Hydr. 
salicyl.  oder  Hydr.  thymol.  behandelt  worden,  und  nur,  wo  diese 
aus  dem  einen  oder  dem  anderen  Grunde  nicht  vertragen  wurden, 
trat  interne  oder  Innunctionsbehandlung  ein. 

Es  wurden  286  Calomelinjectionen  an  43  Patienten  ge- 
macht, darunter  7  Privaten.  Von  diesen  Injectionen  waren 
100  doppelte  und  86  einfache;  sie  wurden  gewöhnlich  mit 
Zwischenräumen  von  l'/a  Wochen  vorgenommen.  Nach  Smir- 
noffs  Anweisung  wurde  das  Calomel  Anfangs  in  Glycerin  ver- 
schlemmt, später  dagegen  in  Oel.  Die  gewöhnlichsten  Injections- 
dosen  betrugen  0*05  und  0*10,  einige  Male  auch  0*18  und  0*20 


lieber  die  Behandl.  der  Syphilis  mit  Injectionen  v.  Galomel.      193 

und  wurden  stets  subcutan  in  die  Trochanterregion,  mitunter 
zwischen  den  Schultern,  ausgeführt.  Die  Injectionen  wurden 
stets  unter  Beobachtung  möglichst  strenger  Antisepsis  gemacht. 
Die  Behandlung  begann  gewöhnlich  erst  nach  dem  Erscheinen 
secundärer  Symptome  und  wurde,  wo  solches  nöthig  erschien, 
neben  der  allgemeinen  Behandlung  auch  solche  der  localen 
Symptome  eingeleitet. 

Von  den  43  mit  Galomelinjectionen  behandelten  Patienten 
kamen  27  (4  Privatpatienten)  bald  nach  der  Infection  in  Be- 
handlung; bei  den  übrigen  war  die  Syphilis  von  älterem  Datum 
und  zwar  hatte  sie  bei  diesen  Va — 2  Jahre  bestanden,  in  einem 
Falle  datirte  sich  das  Leiden  13  Jahre  zurück. 

Bei  der  ersten  Gruppe  bestanden  die  Symptome  ausser 
der  primären  Sclerose  in  Roseola,  Papulae  mucosae,  Derma- 
titis papulos.  Bei  der  letzteren  fanden  sich  ausser  diesen  Symp- 
tomen auch  Formen  ulceröser  und  gummöser  Natur.  Aus  den 
Fällen,  wo  Notizen  über  die  Reaction  nach  Galomelinjectionen 
vorliegen,  geht  hervor,  dass  auf  187,  in  Dosen  von  0*05 — 0*20 
im  Erankenhause  gemachte  Injectionen,  46  Mal  oder  in  24*5 
Percent  Abscesse  folgten.  Nach  .  der  Einführung  von  Oel  als 
Substituens  an  Stelle  des  Glycerins,  und  besonders  seitdem  das 
Oel  gekocht  wurde,  fiel  die  Häufigkeit  der  Abscesse  auf  9'7 
Percent.  Diese  traten  gewöhnlich  nach  Icjection  von  grösseren 
Dosen  auf. 

Ausser  den  genannten  Abscessen  traten  auch  zahlreiche 
mehr  oder  weniger  schmerzhafte  —  bis  faustgrosse  —  Infiltra- 
tionen auf,  die  mehrere  Wochen  lang  fortbestehen  konnten  und 
recht  grosse  Beschwerden  verursachten. 

Wenn  auch  die  Schmerzen  nur  relativ  bestimmt  werden 
können,  so  sind  sie  doch  in  55  Fällen  als  sehr  schwer  be- 
zeichnet, in  welchen  sie  bis  zu  zwei  Wochen  anhalten  konnten  und 
äusserst  quälend  waren  und  die  Bewegung  sehr  behinderten* 
Man  kann  daher  sagen,  dass  nur  eine  geringe  Zahl  von  In- 
jectionen, ungef.  39  oder  20*8  Percent  ohne  Reaction  verliefen 
doch  sind  auch  in  diesen  Fällen  Infiltrationen,  wenngleich  keine 
schmerzhaften,  verzeichnet.  Zieht  man  also  in  Betracht,  dass 
in  allen  übrigen  oder  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle, 
<lie  Injectionen  von  Abscessen,  starken  Schmerzen  oder  schmerz- 

▲rehiv  f.  Demuitol.  a.  STphil.  Band  XXVII. 


194  Linden. 

haften  und  beschwerlichen  Infiltrationen  begleitet  waren,  so 
haben  uns  die  Calomelinjectionen  in  dieser  Hinsicht  keine  be- 
friedigenden Resultate  geliefert.  In  3  Fällen  ist  Stomatitis  Ter- 
zeichnet, irgend  welche  Quecksilberintoxication  von  Bedeutung 
ist  nicht  Torgekommen.  In  meiner  Privatpraxis  waren  die 
Resultate  nach  68  Injectionen  yerhältnissmässig  besser,  wahr- 
scheinlich weil  diese,  ausser  in  6  Fallen,  in  kleinen  Dosen  ge- 
macht wurden.  Hier  war  ungefähr  die  Hälfte  der  Fälle  von 
geringen  Schmerzen  begleitet;  7*3  Percent  von  schmerzhaften 
Infiltrationen,  1*5  Percent  von  Abscessen. 

Wenn  auch  keine  schweren  Intoxicationen  nach  Galomel 
auftreten,  so  waren  doch  meiner  Ansicht  nach  die  localen 
Reizerscheinungen  und  Schmerzen  nach  den  Injectionen  recht 
bedeutend.  Als  daher  das  salicylsaure  Quecksilber  von  Silva 
Aranjo  in  die  Syphilisbehandlung  eingeführt  und  von  Szadek 
sowie  Jadassohn  und  Zeising, ')  welche  dasselbe  zuerst 
neben  dem  Thymolquecksilber  einer  Nachprüfting  unterzogen, 
günstige  Urtheile  darüber  mitgetheilt  wurden,  begann  ich  das- 
selbe bei  der  Syphilisbehandlung  anzuwenden. 

Gleich  Jadassohn  undZeising  habe  auch  ich  dasPai-af- 
iinum  liquidum  als  Suspensionsmittel  für  das  Sahcyl-  und 
Thymolquecksilber  angewandt  und  aus  10  Percent  Mischung 
die  Injectionen  subcutan  in  Dosen  von  0*10  und  0*05  gemacht. 

Mit  diesen  Präparaten  wurden  63  Patienten  behandelt, 
48  im  Krankenhause  und  15  in  meiner  Privatpraxis. 

Von  den  im  Erankenhause  behandelten  wurden  33  mit 
primären  und  seeundären  Symptomen  aufgenommen  (Sclerosis, 
Dermatitis  papulos.,  Papl.  mucos.,  Laryngitis  syph.)  In  15  Fällen 
(Papl.  mucos.,  Stomatit.  papulos.,  Ulcera  syphilitica  und  eine  Iritis 
syphilitica)  war  die  Syphilis  älteren  Datums,  zwischen  1  und  8 
Jahren,  und  hatte  der  grössere  Theil  derselben  früher  in  einer 
oder  der  anderen  Form  eine  Quecksilberbehandlung  durch- 
gemacht. 

An  den  63  Patienten  wurden  935  Injectionen  gemacht, 
davon  83  mit  Hydr.  thymol.  In  keinem  Falle  traten  Abscesse 
ein.    Nach  46  Injectionen   (5   Percent)    bildeten  sich  Infiltra- 


'j  Arch.  f.  Denn.  u.  Syph.  1888,  p.  781. 


Ueber  die  Behandl.  der  Syphilis  mit  Ii^jectionen  v.  Calomel.     195 

tionen,  welche  jedoch  alle  indolent  verliefen  und  wenig  Be- 
schwerden Yerursachten. 

Wo  sie  sich  zeigten,  traten  sie  gewöhnlich  am  ersten 
Tage  auf  und  verschwanden  am  zweiten  oder  dritten  Tage,  nur 
in  Ausnahmsfallen  hielten  sie  etwas  längere  Zeit  an. 

In  9'9  Percent  waren  die  Beschwerden  gross,  in  13'8 
Percent  gering,  in  19*1  Percent  sind  geringe  oder  keine  notirt 
und  in  57*1  Percent  gar  keine. 

Einen  wesentlichen  Unterschied  zwischen  dem  salicylsauren 
Quecksilber  und  Thymolquecksilber  habe  ich  nicht  gefunden, 
und  waren  sowohl  Schmerzen  wie  Infiltrationen  die  gleichen. 
Einige  Patienten  vertrugen  die  Injectionen  ohne  jede  Beschwerde, 
bei  anderen  stellten  sich  solche  regelmässig  ein. 

In  Folge  der  leichten  Lösbarkeit  des  Präparates  traten  sehr 
bald  nach  den  Injectionen  eine  schnelle  Resorption  des  Queck- 
silbers andeutende  Symptome  auf,  doch  stellten  sich  keine 
schwereren  aUgemeinen  Symptome  ein,  keine  einzige  Enteritis 
und  nur  selten  leichte  Stomatitis. 

Sehr  häufig  dagegen  trat  vermehrter  Speichelfluss  auf, 
der  sich  am  ersten  Tage,  oft  schon  einige  Stunden  nach  der 
Injection  zeigte.  Am  zweiten  oder  drittten  Tage  hörte  er  schon 
auf  oder  war  wenigstens  bedeutend  geringer.  Dieses  schnelle 
Auftreten  und  Verschwinden  der  Salivation  fällt  zeitlich  mit  dem 
Auftreten  und  Verschwinden  desQuecksilbers  im  Harne  zusammen, 
wie  aus  meinen  Untersuchungen  über  die  Resorption  und  Elimi- 
nation des  Quecksilbers  nach  Injection  von  Hydr.  Salicjl. ')  her- 
vorgeht. 

Gewöhnlich  wurde  der  verstärkte  Speichelfluss  nur  durch 
die  erste  Injection  hervorgerufen,  während  die  späteren  ohne 
diese  Beschwerde  verliefen. 

Eine  andere  Complication,  die  erst  in  neuerer  Zeit  näher 
beachtet  und  discutirt  worden  ist,  ist  das  Fieber,  welches  sich 
nicht  selten  nach  Injection  dieser  leicht  resorbirbaren  Queck- 
silbersalze einstellt. 

Petersen,')  welcher  auf  dem  Dermatologen-Congresse 
in   Leipzig   1891    zuerst    die    Rede    auf   Temperatursteigerung 


')  Ergänzungshefte  z.  Arch.  f.  Derm.  und  Syph.  1892.  Heft  11. 
>)  Ergänznngshefbe  z.  Archiv  f.  Derm.  n.  Syph.  1892,  p.  382. 

13* 


196  Linden. 

nach  Injection  von  Hydr.  salicyL  brachte,  hat  dieselbe  in  18 
Percent  der  Injectionen  gefunden,  und  trat  die  Fiebersteigerung 
in  der  überwiegenden  Anzahl  der  Fälle  nach  der  ersten  Injec- 
tion auf,  selten  nach  den  folgenden.  Diese  Temperatur- 
steigerung war  bedeutend  höher  bei  Patienten  mit  frischer 
Syphilis  als  bei  solchen  mit  Recidiven.  Das  Fieber,  welches 
in  vereinzelten  Fällen  bis  auf  40°  C.  steigen  konnte,  überschritt 
gewöhnlich  nicht  38®  C.  und  währte  im  Allgemeinen  einen  halben 
Tag,  mitunter  auch  1 — 4  Tage. 

Dieselben  auf  das  Fieber  bezüglichen  Beobachtungen  sind 
auch  von  anderen  Beobachtern  gemacht  worden. 

Von  mir  wurde  eine  derartige  Temperatursteigerung,  die 
auf  einer  grösseren,  dem  Organismus  plötzlich  zugefuhrten 
Quecksilbermenge  beruhte,  in  15  Fällen  beobachtet. 

Oleich  der  Salivation  tritt  auch  diese  Complication  ge- 
wöhnlich nach  der  ersten  Injection  und  während  des  ersten 
oder  zweiten  Tages  auf,  also  zu  der  Zeit,  wo  der  Organismus 
die  grösste  Quecksilbermenge  aufnimmt  und  ausscheidet. 

Sie  war  gewöhnlich  von  Frost,  Kopfschmerzen  und  all- 
gemeinem üebelbefinden  begleitet,  und  stellten  sich  diese 
Symptome  stets  6 — 8  Stunden  nach  der  Injection  ein,  wo  auch 
das  Fieber  constatirt  wurde.  Sowohl  das  Fieber  wie  die  an- 
deren Symptome  waren  nur  von  kurzer  Dauer ;  bisweilen  folgte 
auf  eine  Vormittagsinjection  nur  am  Abend  eine  Steigerung; 
meist  währte  sie  jedoch  nur  1  Tag,  in  Ausnahmsfällen  ly^ — 2 
Tage.  In  der  überwiegenden  Anzahl  der  Fälle  trat  die  Stei- 
gerung nach  der  ersten  Injection  auf  und  konnte  dann  38"5®  C 
bis  40®  C.  betragen,  doch  wurde  mitunter  auch  nach  den 
späteren  Injectionen  Fieber  beobachtet,  aber  es  war  dann 
niedriger,  um  38®,  und  von  kürzerer  Dauer.  In  3  Fällen  wurde 
bei  Patienten  mit  Syphilisrecidiv  Fieber  nach  den  Injectionen 
beobachtet,  doch  war  eine  Zeit  von  resp.  1,  3  und  7  Monaten 
seit  der  letzten  Injection  verflossen,  und  stieg  das  Fieber  in 
diesen  Fällen  etwas  über  39®  mit  einer  Dauer  von  1  —  1 V2  Tagen. 

Wenn  auch  die  Ansichten  über  diese  Temperatursteigerung 
getheilt  sind,  so  stimmen  doch  aUe  darin  überein,  dass  sie 
nicht  dem  gewöhnlichen  Fieber  gleichzustellen  sei.    In  lieber- 


(Jeber  die  Behandl.  der  Syphilis  mit  Injectionen  v.  Calomel.      197 

einstimmung  mit  Jadassohn  wäre  ich  geneigt,  sie  dem  Fieber 
gleichzustellen,  das  durch  solche  Stoffe  wie  Tuberculin  hervor- 
gerufen wird,  denn  es  findet  sich  eine  gewisse  Uebereinstimmung 
in  der  Reaction  nach  Injectionen  von  Tuberculin  und  von 
Quecksilber.  Ebenso  wie  es  bei  dem  Tuberculin  der  Fall  ist, 
scheint  sich  der  Oiganismus  in  gewissem  Grade  auch  an  die 
durch  Quecksilberinjectionen  hervorgerufenen  Nebenwirkungen 
gewöhnen  zu  können;  dafür  spricht  nicht  nur  der  Umstand, 
dass  eine  Verminderung  oder  ein  Aufhören  des  Fiebers  sich 
bei  den  späteren  Injectionen  constatiren  lässt,  sondern  auch, 
dass  die  allgemeinen  Symptome,  wie  Kopfschmerzen,  allgemeines 
Uebelbefinden,  gesteigerter  Speichelfluss  und  locale  Schmerzen, 
welche  gewöhnlich  nach  den  ersten  Injectionen  vorkommen, 
nach  den  späteren  abnehmen  und  verschwinden. 

Es  ist  bekannt,  dass  Syphilis  selten  in  so  leichter  Form 
auftritt,  dass  sie  mit  dem  Verschwinden  der  primären  und 
ersten  allgemeinen  Symptome  erlischt,  sondern  es  tritt  gewöhn- 
lich nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit  scheinbarer  Gesundheit 
in  einer  oder  der  anderen  Form  ein  Recidiv  der  Krankheit  auf. 
Die  Angaben  über  die  Frequenz  der  Recidive  sind  dagegen 
sehr  verschieden  und  stehen  gewiss  sehr  unter  dem  Einfluss 
der  verschiedenen  Behandlungsmethoden;  doch  dürften  diese 
abweichenden  Angaben  hauptsächlich  auf  die  ungleiche  Dauer 
der  Beobachtungszeit  nach  abgeschlossener  Behandlung  beruhen. 
Legt  man  aber  ein  grösseres,  durch  längere  Zeit  beobachtetes 
Material  (Lewin,  Caspary,  Welander)  der  Berechnung  der 
Recidivfrequenz  zu  Grunde,  so  geht  daraus  hervor,  dass  äusserst 
wenig  Fälle  ohne  Recidiv  verlaufen.  So  hat  Caspary*)  unter 
100  von  ihm  mit  Quecksilber  und  Jodkali  behandelten  und  in 
der  langen  Zeit  von  15 — ^30  Jahren  beobachteten  Fällen  nur 
10  gefunden,  wo  innerhalb  3  Jahren  kein  Recidiv  auftrat.  Werden 
diese  zehn  Fälle  zu  den  neunundachtzig,  welche  aus  Casparys 
Material  für  vorliegende  Untersuchung  anwendbar  sind,  hinzu- 
gezählt, so  sind  ir27o  ohne  Recidiv  verlaufen.  Doch  traten 
in   zweien   von    diesen,    beziehungsweise   im   4.  und    7.  Jahre, 


')  Ueber  chronische  Quecksilberbehandlnng  der  Syphilis.    Viertel- 
Jahresschrift  f.  Denn,  und  Syph.  1887,  p.  1. 


198  Linden. 

bei  dem  einen  ein  s}'philiti8ches  Gumma,  bei  dem  andern  eine 
Parese  auf. 

Ein  anderer  l'mstand,  der  beim  Auftreten  von  Recidiven 
nicht  ausser  Acht  gelassen  werden  darf,  ist  ihre  Frequenz  in 
verschiedenen  Zeiträumen. 

So  traten  bei  Berechnung  nach  Casparys  Fällen  in 
49'57o  Recidive  innerhalb  des  ersten  Jahres  auf,  in  13*67o  ^ 
zweiten  und  in  25"87o  ^^^^  ^wei  oder  mehreren  Jahren.  Sieht 
man  von  den  Fällen  ab,  wo  sehr  spät  (7 — 15  Jahre)  Recidive 
auftraten,  so  waren  also  in  60'77o  die  Symptome  innerhalb  des 
ersten  Jahres  abgelaufen  und  in  ld*67o  innerhalb  des  zweiten. 

Nach  L  e  w  i  n  M  trat  eine  grössere  Zahl  von  Recidiven 
innerhalb  des  ersten  Jahres  auf:  83'07o  i^^ch  mercurieller  Be- 
handlung und  917o  i^ch  vegetabilischer-,  innerhalb  des  zweiten 
Jahres  nach  ersterer  Behandlungsmethode  in  77o9  nsich 
letzterer  in  127©  und  in  späteren  Jahren  in  resp.  27o  ^iid  b%. 

Finger')  hat  auch  aus  den  hereditären  Verhältnissen  die 
Abnahme  der  Intensität  des  syphilitischen  Giftes  studirt  und 
fand,  dass  ohne  Quecksilbergebrauch  die  Sterblichkeit  an  here- 
ditärer Syphilis  im  ersten  Jahre  507o  erreicht  und  in  den  zwei 
ersten  Jahren  nahezu  auf  707o  steigt,  nach  welcher  Zeit  sie 
stark  abnimmt.  Nach  Gebrauch  von  Quecksilber  dagegen  nimmt 
das  syphilitische  Virus  stark  an  Intensität  ab,  d.  h.  die  here- 
ditäre Disposition  wird  vermindert.  So  wird  z.  B.  die  Eander- 
sterblichkeit,  wo  sich  die  Vererbung  vom  Vater  nach  einer 
mittellangen  Quecksilbercur  herleitet,  von  59  7o  auf  217o  herab- 
gesetzt und  nach  einer  energischen  Cur  auf  37oi  ^as  nach  ihm 
nahezu  einem  Aufhören  der  Erblichkeit  des  Leidens  gleichzu- 
stellen ist. 

Bekannt  ist,  dass  das  syphilitische  Gift,  welche  Behand- 
lungsmethode immer  angewandt  wird,  sehr  lange  im  Organismus 
verweilen  kann,  wie  zu  ersehen  nicht  nur  aus  den  mitunter 
sehr  spät  auftretenden  Formen,  sondern  auch  aus  der  Mortali- 
tät in  Folge  von  10  bis  20  Jahre  alter  hereditärer  Syphilis. 

Nach  dem  oben  Erwähnten  scheinen  jedoch  derartige  Fälle 
recht  selten  zu  sein  und  die  Virulenz   der  Krankheit  tritt  nur 


')  Die  Behandlung  aer  Syphilis  mit  anbeut.  Sublimatinj.  p.  240. 
')  Die  Vererbung  der  Syphilis.  1892. 


Ueber  die  Bebandl.  der  Syphilis  mit  Injectionen  v.  Galomel.      199 

in  den  ersten  Jahren  hervor  und  müsste  durch  eine  rationelle 
Quecksilberbehandlung  wenn  auch  nicht  ganz  aufgehoben,  so 
doch  so  abgeschwächt  werden  können,  dass  nach  dem  zweiten 
Jahre  nur  noch  eine  verhältnissmässig  geringe  Zahl  vorkäme. 

Da  also  nicht  nur  die  klinischen  Beobachtungen,  sondern 
auch  die  hereditären  Verhältnisse  dafür  sprechen,  dass  das 
syphilitische  Virus  auch  ohne  jede  Behandlung  innerhalb  der 
ersten  Jahre  bedeutend  abgeschwächt  wird,  unter  dem  Ein- 
flüsse von  Quecksilberbehandlung  also  in  noch  höherem  Grade, 
so  darf  dieser  Umstand  bei  einer  statistischen  Zusammenstellung 
von  Recidiven  nicht  übersehen  werden.  Es  dürfen  also  nicht 
Krankheitsfälle  von  verschiedenem  Alter  zusammengestellt 
werden,  besonders  wenn  ein  Vergleich  über  die  Wirkung 
verschiedener  Behandlungsmethoden  angestellt  werden  soll. 

Obgleich  nicht  alle  von  mir  für  eine  Recidivstatistik  an- 
gewandten Fälle  durch  mehrere  Jahre  verfolgt  werden  konnten, 
so  dürfte  doch  eine  Zusammenstellung  derselben  nicht  ohne 
Bedeutung  sein,  da  die  überwiegende  Anzahl  der  Recidive 
während  des  ersten  und  zweiten  Jahres  abgelaufen  war,  und 
habe  ich  bei  dieser  Zusammenstellung  nicht  nur  den  Zeiträum 
in  Betracht  gezogen,  durch  welchen  der  Fall  nach  dem  Ver- 
schwinden der  letzten  Symptome  beobachtet  wurde,  sondern 
auch  das  Alter  der  syphilitischen  Affection.  Femer  muss 
man  sich  erinnern,  dass  bei  der  Beurtheilung  einer  Krankheit 
wie  die  Syphilis,  nie  bestimmte  Ziffern  aufgestellt  werden  können, 
sondern  dass  denselben  stets  nur  ein  höherer  oder  geringerer 
Grad  von  Wahrscheinlichkeit  zuzumessen  ist. 

Die  von  mir  behandelten  106  Fälle  konnten  nicht  alle  für 
eine  Recidivstatistik  verwendet  werden,  weil  das  Alter  des 
Leidens  nicht  immer  genau  bekannt  war  und  ein  Theil  der 
Fälle  allzu  kurze  Zeit  beobachtet  werden  konnte.  Angewandt 
für  vorliegenden  Zweck  wurden  nur  66  Fälle,  wo  das  Alter  der 
Krankheit  1  Jahr  und  darüber  betrug.  29  von  diesen  konnten 
nach  dem  Verschwinden  der  Symptome  1  Jahr  und  darüber 
verfolgt  werden  (17  Fälle  1—2  Jahre,  9  Fälle  2—3  Jahre, 
3  Fälle  über  3  Jahre),  15  Fälle  wurden  7 — 12  Monate  verfolgt; 
in  9  Fällen  betrug   die  Beobachtungszeit  4 — 7  Monate  und  in 


200  Linden. 

den  übrigen  war  sie  noch  kürzer  oder  dieselben  konnten  gar 
nicht  verfolgt  werden. 

Da  es  indessen  von  Wichtigkeit  ist,  auch  die  Häufigkeit 
der  Recidive,  die  nach  relativ  kurzer  Zeit  auftreten,  zu  be- 
trachten, so  sind  ausserdem  9  Fälle  mitgenommen,  bei  welchen 
das  Alter  der  Krankheit  nur  8  Monate  betrug.  Bei  Berechnung 
der  mittleren  Zeit  dagegen,  in  der  die  Symptome  nach  den 
verschiedenen  Behandlungsmethoden  als  abgelaufen  betrachtet 
werden  können,  sind  nur  solche  Fälle  aufgenommen,  die  wenig- 
stens ein  Jahr  beobachtet  waren. 

Bei  der  Zusammenstellung  von  Recidiven  sind  die  mit 
Calomel  und  hydr.  Salicyl.  behandelten  Fälle  von  einander  ge- 
schieden, ausserdem  die  von  Anfang  an  mit  Injectionen  behan- 
delten von  denen,  die  früher  anders  behandelt  worden  waren. 
In  einem  Theil  der  Fälle  wurden  neben  den  Injectionen  auch 
andere  Mittel  angewendet,  doch  war  auch  in  diesen  Fällen,  mit 
wenigen  Ausnahmen,  die  Injectionsbehandlung  die  überwiegende. 

22  Patienten  wurden  vom  Beginn  der  Krankheit  an  mit 
Calomelinjectionen  behandelt.  Von  diesen  traten  in  16  Fällen 
Recidive  auf  und  6  verliefen  ohne  solche ;  da  aber  von  letzteren 
nur  2  Fälle  längere  Zeit,  beziehungsweise  1  Jahr  und  9  Monate 
und  2  Jahre  und  9  Monate  beobachtet  werden  konnten,  so 
dürfte  nicht  mit  Wahrscheinlichkeit  angegeben  werden  können, 
dass  Recidive  in  mehr  als  11 7©  ausblieben. 

Zieht  man  die  Fälle  ab,  welche  nur  kurze  Zeit  behandelt 
wurden  und  nur  einige  Monate  verfolgt  werden  konnten,  so  er- 
gibt sich: 

5    Fälle    =  (27-7"'J  ll«/«   ohne   Recidiv 

4  „      =    22-27o  1 

5  „  =  27-77o  2 
3  „  =  16-77o  3 
1        ,      =      5-77o                  4 

und  zwar  traten  die  Recidive  auf  in 

10  Fällen  =    55-57o   innerhalb  1  Jahre 
3       „       =    16-77o  „         1—2  Jahren 

5       „       =    27-87o  T^        3  oder  mehr  Jahren. 

An  dreien  der  Fälle  wurde  £xcision  der  Sclerose  ge- 
macht.   In  einem   dieser  letzteren  waren  die  Symptome   sehr 


üeber  die  Behandl.  der  Syphilis  mit  Iigectionen  v.  Galomel.      201 

gelinder  Art  und  verschwanden  in  relativ  kurzer  Zeit.  Im 
zweiten  Falle  trat  erst  2  Jahre  nach  Abschluss  der  Behand- 
lung ein  Recidiv  auf  und  hat  sich  später  kein  neues  gezeigt, 
trotzdem  der  Fall  noch  2  Jahre  nach  demselben  beobachtet 
wurde.  Im  dritten  Falle  trat  in  1  Jahr  und  9  Monaten  nach 
abgeschlossener  Behandlung  kein  Recidiv  auf. 

Von  den  gleich  anfangs  mit  Calomel  behandelten  Fällen 
wurden  3  ausserdem  einer  kürzeren  Inunctionscur  unterworfen. 
Die  mittlere  Dauer  der  Calomelbehandlung  betrug  6  Wochen 
(öVa  W.)  ^)  und  die  verbrauchte  Calomelmenge  0*40  (0-21). 

Die  Recidive  traten  auf:  das  erste  im  Mittel  nach  SVa 
Monaten,  das  zweite  und  dritte  nach  37»  (8)  Monaten  und  18  (17) 
Monaten,  die  Behandlungszeit  für  die  resp.  Recidive  betrug 
4  (6) — 5  und  6  (16)  Wochen.  In  einem  FaUe  trat  noch  ein  4. 
und  5.  Recidiv  auf.  Die  mittlere  Zeit,  in  der  die  Sjrmptome  in 
den  Fällen,  welche  1  Jahr  und  darüber  beobachtet  werden, 
abgelaufen  wai-en,  betrug  9V2  Monate,  doch  wurden  ausserdem 
in  5  Fällen  =  22*77^,  Symptome  noch  27«— 7  Jahre  nach  der 
Behandlung  beobachtet. 

Dass  Recidive  nach  Injection  von  geringeren  Quantitäten 
Calomel  schneller  auftreten,  kann  nicht  mit  Bestimmtheit  nach- 
gewiesen werden;  es  traten  ja  freilich  in  den  Fällen,  welche 
mehr  als  die  Durchschnittsmenge  Calomel  erhielten,  Recidive 
erst  nach  5  Monaten  auf,  und  in  einem  Theil  der  Fälle,  welche 
geringere  Quantitäten  erhielten,  schon  nach  einigen  Wochen, 
doch  fanden  sich  unter  letzteren  auch  solche,  wo  erst  nach 
7 — 8  Monaten  und  V/^ — 27«  Jahren  Recidive  auftraten. 

33  Fat.  erhielten  von  Beginn  der  Krankheit  an  Injectionen 
von  Hydr.  salicyL  und  Thymol.  hydr.  In  25  Fällen  traten 
Recidive  auf  und  von  den  8  Fällen,  wo  keine  verzeichnet  sind, 
konnten  5  nach  Abschluss  der  Behandlung  nicht  weiter  verfolgt 
werden  oder  war  die  Beobachtungszeit  so  kurz,  dass  mögliche 
Recidive  nicht  auszuschliessen  sind.  Nur  in  3  Fällen  =  13*37o 
ist  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen,  dass  Recidive 
ausgeblieben  sind« 


')  Die  Ziffern  in  den  Klammem  betreffen  die  Fälle,  welche  neben 
den  Tnjectionen  eine  andere  Quecksilberbehandlnng  erhielten. 


202  Linden. 

In  diesen  3  Fällen  hatte  die  Krankheit  resp.  8  Monate, 
^/g  Jahr  und  1  Jahr  gedauert,  und  wurden  dieselben  nach  dem 
Verschwinden  der  Symptome  in  einem  Falle  2  Jahre  beobachtet 
und  in  2  Fällen  2  Jahre  und  3  Monate. 

Rechnet  man  als  unsicher  9  Fälle  ab,  die  mcht  längere 
Zeit  beobachtet  werden  konnten,  so  ergibt  sich  für  24  Fälle: 

4  Fälle  =  (16-67o)  13-3  kein  Recidiv 
9      ,      =    37-57o  1 

9      ,      =    37-57o  2 

1      ,      =      4-2%  3 

1      „      ^      4-27o  5 

und  traten  die  Becidive  auf: 

in  22  Fällen  =  91-67o  ^  1  Jahre 
„      1       „       =    4-27o   „   1—2  Jahren 
„      1       „        z=:     4-27o    ,  2-3        , 
In  zwei  Fällen  wurde  Excision  der  Sclerose  gemacht;  in 
dem   einen    derselben  trat  nach    5  y^monatlicher   Injectionsbe- 
handlung  kein  Recidiv  auf,  obgleich  der  Fall  noch  2 — 3  Monate 
lang  beobachtet  wurde;   im  zweiten  Falle  traten  innerhalb  9 
Monate   2  Recidive  auf,   das  zweite  mit  einem  leichten  hemi- 
plegischen  Anfalle;  nach  Injections-  und  Inunctionsbehandlung 
trat  darauf  in  8  Monaten  kein  neues  Recidiv  auf. 

Im  Mittel  währte  die  erste  Behandlung  8  (11)  Wochen 
und  die  angewandte  Quecksilbermenge  betrug  0*55  (0'57). 

Die  Recidive  traten  im  Mittel  auf;  das  1.  nach  10  (7) 
Wochen,  das  2.  und  3.  nach  10  (11)  und  5  Wochen;  die  Dauer 
der  Behandlung  für  die  resp.  Recidive  betrug  5  (5)  und  3  (12) 
Wochen.  In  einem  Falle  trat  ein  drittes  und  in  einem  anderen 
Falle  5  Recidive  auf. 

Im  Durchschnitt  waren  die  Symptome  in  7V2  Monaten 
abgelaufen;  16  der  Fälle  wurden  1 — 3  Jahre  beobachtet,  6  in 
8 — 10  Monaten,  in  2  Fällen  =  67©  konnten  die  Symptome  bis 
ins  zweite  Jahr  hinein  verfolgt  werden. 

Sowohl  in  diesen,  wie  auch  in  den  mit  Calomel  behan- 
delten Fällen  debutirte  die  Krankheit,  wo  mehrere  Recidive  auf- 
treten, als  ulceröse  Syphilis  oder  papulöse  Dermatitis. 

In  üebereinstimmung  mit  den  Calomelinjectionen  konnte 

» 

nicht  bestimmt  constatirt  werden,  dass  eine  grössere  Quantität 


Ueber  die  Behandl.  der  Syphilis  mit  Injectionen  v.  Calomel.     203 

iDJicirten  Quecksilbers  für   längere  Zeit    den  Ausbruch  eines 
Recidivs  verhindern  konnte  als  eine  geringere. 

Wenn  auch  solche  Fälle,  die  früher  auf  andere  Weise 
behandelt  worden  waren,  nicht  in  demselben  Grade  für  den 
Vorzug  der  einen  oder  anderen  Behandlungsmethode  sprechen 
können,  wie  die  oben  angeführten,  so  ist  doch  eine  Zusammen- 
stellung derselben  ganz  am  Platze,  da  bei  der  späteren  Be- 
handlung vorzugsweise  die  Injectionsmethode  zur  Anwendung 
gekommen  ist 

Es  waren  29  Fälle,  die  früher  Quecksilberbehandlung  unter- 
worfen gewesen  waren;  von  diesen  waren  14  mit  Calomel  be- 
handelt worden  und  15  mit  Injectionen  von  salicjlsaurem  Queck- 
silber. Neben  den  Injectionen  von  Hydr.  Salicyl.  war  in  den 
meisten  Fällen  auch  eine  Inunctionscur  und  innerliche  Behand- 
lung angeordnet  worden;  neben  den  Calomelinjectionen  nur  in 
zwei  Fällen. 

Das  Alter  der  syphilitischen  Affection  schwankte  im  All- 
gemeinen zwischen  einigen  Monaten  und  3 — 4  Jahren. 

Zieht  man  von  den  mit  Calomel  behandelten  Fällen  3  als 
unsichere  ab,  so  ergibt  sich  für  die  übrigen  11: 

in  7  Fällen  =  63-67o  kein  Recidiv 

,    4       ,      =36-47o     1 
und  zwar  traten  die  Becidive  auf: 

in  2  Fällen  =  18-2%  innerhalb   1  Jahre 
„    6         „    =54-57o         r      1—2  Jahren 
„3         ,    =  27-ö"/o         .      2-3       , 
Zieht  man  wieder  von  den  mit  Hydr.  SalicyL  und  ThymoL 
hydr.  behandelten  Fälle  5  als  unsichere  ab,  so  ergibt  sich: 

in  4  Fällen  =  407«  kein  Recidiv 
„    4       „      =407o  ein 
„2       j,      =  207o '^^©''"^re  Recidive 
und  traten  dieselben  auf: 

in  3  Fällen  =  30%  innerh.   1  Jahr 
,    4       ,       =40%       V     1—2    Jahren 
„    3       „       =:  30%       n     2  und  mehr  Jahren. 
In  diesen  Fällen  ist  die  Dauer   der  Behandlung   bei  An- 
wendung  von  Calomel  im  Durchschnitt  etwas  kürzer  gewesen 
(3  Vs  Wochen)  und  die  Zeit  bis  zum  Ausbruche  des  Recidivs  etwas 


204  Linden. 

länger  (T'/^  Monate)  als  bei  Anwendung  des  Hydr.  Salicyl.,  wo 
das  Gegentheil  sich  zeigte;  die  Behandlung  dauerte  4  (6) 
Wochen  und  das  Recidiv   blieb  im  Mittel  3  (47^)  Monate  aus. 

Zieht  man  die  sehr  alten  Falle  von  Syphilis  (3-,  4-  und 
8jährige)  ab,  so  ergibt  sich  als  Mittel  für  die  Zeit,  in  der  die 
Recidive  abgelaufen  waren,  bei  Calomelbehandlung  20  Monate 
und  bei  Hydr.  Salicyl.  17  Monate. 

Es  war  also  in  den  Fällen,  wo  vor  den  Injectionen  von 
Calomel  und  Hydr.  Salicyl.  eine  andere  Behandlung  angewandt 
worden,  der  Zeitraum  in  dem  die  Recidive  auftraten,  für  die  mit 
Calomel  behandelten  Fälle  etwas  länger  als  wo  Hydr.  thymol. 
und  Hydr.  salicyl.  zur  Anwendung  kamen,  und  för  alle  zusam- 
men bedeutend  länger  als  bei  ausschliesslicher  Injectionsbe- 
handlung.  Dieser  letztere  Umstand  dürfte  nicht  allein  der 
einen  oder  anderen  Methode  zuzuschreiben  sein,  sondern 
Tielleicht  eher  einer  mehr  oder  weniger  regehnässig  durch- 
geführten früheren  Behandlung,  wobei  ausserdem  die  Fälle 
schwererer  Art  gewesen  sein  können. 

Was  die  poliklinisch  behandelten  Privatpatienten  betrifft, 
80  können  sie  nicht  in  jeder  Hinsicht  dasselbe  Interesse  er- 
bieten wie  die  im  Krankenhause  behandelten,  nicht  dieselbe 
Bedeutung  beanspruchen  wie  die  oben  mitgetheilten  Fälle.  Das 
Material  war  viel  ungleicher,  ein  Theil  derselben  hatte  schon 
vor  der  Behandlung  Quecksilber  in  der  einen  oder  anderen 
Form  erhalten,  und  die  Behandlung  konnte  nicht  mit  derselben 
Regelmässigkeit  durchgeführt  werden  in  Folge  des  oft  langen 
Ausbleibens  der  Patienten.  Das  Verschwinden  der  Symptome 
und  Auftreten  von  Recidiven  konnte  in  Folge  dessen  nicht  ebenso 
sorgfältig  überwacht  werden,  weshalb  ich  glaube*,  dass  manches 
Recidiv  der  Aufmerksamkeit  entgangen  sein  kann. 

Wenngleich  auch  bei  Behandlimg  dieser  Privatpatienten 
die  Injectionsmethode  in  der  überwiegenden  Anzahl  der  Fälle 
zur  Anwendung  kam,  so  erhielten  sie  doch  in  grösserer  Aus- 
dehnung als  die  im  Krankenhause  behandelten,  zugleich  eine 
gemischte  Behandlung.  Aber  wenn  sie  sich  auch  in  geringerem 
Grade  für  einen  Vergleich  zwischen  den  verschiedenen  Methoden 
eignen,  so  will  ich  sie  doch  in  Kürze  mittheilen,  da  ein  Theil 
derselben  recht  lange  nach  Schluss  der  Behandlung  beobachtet 


Ueber  die  Behandl.  der  Syphilis  mit  Injectionen  v.  Galomel.      205 

werden  konnte  und  daher  mit  Rücksicht  auf  die   Recidiye   be- 
achtenswerth  ist. 

Von  den  PriTatpatienten  wurden  7  Fälle  poliklinisch  mit 
Calomelinjectionen  behandelt,  es  war  bei  den  meisten  die  Krank- 
heit verhältnissmässig  jungen  Datums,  1 — 7  Monate,  bei  einem 
aber  15  Jahre  und  hatten  die  meisten  früher  Quecksilber- 
behandlung durchgemacht.  Bei  diesen  war  die  ulceröse  und 
maculopapulöse  Form  die  yorherrschende. 

In  einem  Falle  wurde  Excision  der  Primärsclerose  gemacht 
und  trat  nach  einjähriger  Behandlung  im  Laufe  von  3  Jahren 
und  6  Monaten  kein  Recidiv  auf. 

Die  Behandlungszeit  ist  für  alle  diese  bedeutend  länger 
gewesen  als  für  die  im  Erankenhause  behandelten  Fälle.  Schliesst 
man  auch  einen  Fall  aus,  wo  die  Behandlung  mit  kurzen  Pausen 
2  Jahre  lang  dauerte,  so  bleibt  doch  für  die  Behandlung  der 
Uebrigen  ein  Mittel  von  7  Monaten.  Während  dieser  langen 
Behandlungszeit  dürften  wahrscheinlich  auch  die  ersten  Recidive 
aufgetreten  sein,  wenn  sie  auch  nicht  beobachtet  wurden.  Die 
drei  Fälle,  in  denen  kein  Recidiv  bemerkt  wurde,  waren  resp. 
8  Monate,  3  J.  6  M.  und  3  J.  10  M.  nach  Abschluss  der  Be- 
handlung verfolgt  worden.  In  dem  Falle,  wo  sich  ein  Recidiv 
einstellte,  geschah  dieses  nach  I4V3  Monate.  Die  Symptome 
waren  in  3  Fällen  abgelaufen  in  resp.  473,  6  und  13  Monaten. 

Fünfzehn  Privatpatienten  wurden  mit  Hydr.  Salicyl.  und 
Thymol.  hydr.  behandelt. 

Von  diesen  litten  1 1  in  überwiegender  Anzahl  an  mucösen 
Papeln  und  maculopapulösen  Dermatitiden  und  erhielt  ein 
groisser  Theil  derselben  neben  den  Injectionen  auch  eine  andere 
Quecksilberbehandlung.  In  einem  Falle  dauerte  die  Behandlung 
fast  ununterbrochen  3  Jahre. 

Ziehen  wir  von  den  11  Fällen  die  drei  Fälle  ab,  wo  das 
Resultat  unbekannt  ist,  und  die  nur  kurze  Zeit  in  Behandlung 
waren^  so  erhalten  wir  für  die  8  übrigen 

1  Fall    =  12-57o  kein  Recidiv 

2  Fälle  =  25'07o     1 

2       „     =r  25-0%     2      Recidive 

1  Fall    =  12-5%     3 

2  Fälle  =  25-07o     4 


206  Linden. 

Diese  traten  auf 

in  4  Fällen  =  öO'O^o  innerhalb  1  Jahre 
»3       „       ^  37'5  /o         I»  2      „ 

„  1  FaU      =  12'b%        ,         3      , 

Die  erste  Behandlung  dauerte  im  Mittel  öVs  Monate  und 
das  erste  RecidiY  trat  nach  2%  Monaten  auf;  das  zweite  und 
dritte  Becidiv  trat  nach  4  und  5  Monaten  auf  mit  einer  Be- 
handlungsdauer von  8  (11)  und  3  Wochen. 

4  Fälle  hatten  früher  eine  Quecksilbercur  durchgemacht. 

Nachfolgende  Tabelle  gibt  eine  Uebersicht  über  die  Dauer 
der  Yerschiedenen  Behandlungszeiten,  die  angewandte  Queck- 
silbermenge  und  die  Zeit  für  das  Auftreten  der  BeddiTe. 


lieber  die  Behandl.  der  Syphilis  mit  Injectionen  v.  Galomel.     207 


e  8 


0 

a 

o 
ja 

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9 

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*S  S  g  • 


lieber  die  Behandl.  der  Syphilis  mit  Injectionen  v.  Galomel.      209 


1   .' 


1 — 2  Jahre  n 
2  J.  und  mehr 


behandelte  FUle. 
Von  Anfang  an  mit  Injeetionan  von  Hydrarg.  taUcyl.  und  Thymol  bebandelt. 

Ansahl  Reoldive.  Reoidire  abgeUnfen. 

In  (16-67o)  13-37o  kein  Recid.    In  91-6%  innerhalb  1  Jahre 
V         37'5  /q  1         „         „     4*2  /„         „ 

n       .  37'5  /q  2         „         „     4*2  /q         „ 

4-27o  3 

4-27«  5         „ 

die  Symptome  abgelaufen  waren. 

In       67o  innerhalb  des  2.  Jahres, 
„   94'07o         «         7V2  Monaten. 

FrUher  mit  QueclKOilber  behandelt,  epftter  mit  Hydr.  ealicyl.  und  Thymol. 

Ansahl  ReeidlTe.  RMldive  abgelaufen. 

In  40-07o  kein  Recidiv.      In  30-07o  innerhalb  1  Jahre 
n  40-07o     1  n  .  40-07o         r,        1—2  Jahren 

„  20-0%     2  und  mehr.     „  30-0%         „        2  J.  und  mehr. 


handelte  F&lle. 

Aniahl  Beoidive. 

In  12-57o 

kein  Becidir. 

»  25-07o 

1 

1) 

,  25-07o 

2 

n 

,  12-57o 

3 

n 

,  25-07o 

4 

n 

Reoidive  abgelaufen. 

In  50'07o  innerhalb  1  Jahre 
n  37-57o         „        1—2  Jahren 


»  12-5% 


2  J.  und  mehr 


ArchlT  f.  Dermatol.  n.  8]rphil.  Band  XXVn. 


14 


210 


Linden. 


Fasst  man  die  Resultate  obiger  Auseinander- 
setzungen zusammen,  so  geht  daraus  hervor,  dass 
Excision  der  primären  Sclerose  einen  bestimmten 
Einfluss  auf  den  Verlauf  der  Krankheit  zu  haben 
scheint. 

Von  6  Fällen,  in  denen  Excisionen  gemacht 
wurden,  blieben  in  3  :=  507o  Recidive  aus;  in  den 
übrigen  trat  in  einem  Falle  ein  Recidiv  erst  nach 
2  Jahren  und  5  Monaten  auf  und  in  weiteren  zwei 
Jahren,  in  welchen  der  Fall  beobachtet  wurde, 
keines;  von  den  beiden  letzten  erhielt  der  eine 
Fall  ein  Recidiv  mit  sehr  leichtem  Verlauf  und  der 
andere  zwei  Recidive.  Die  Excision  kann  daher  in 
Fällen  empfohlen  werden,  wodieLage  derSclerose 
derart  ist,  dass  es  ohne  grössere  Ungelegenheiten 
geschehen  kann. 

In  Bezug  auf  die  Calomelinjectionen  hat  sich 
gezeigt,  dass  sie  unvergleichlich  grössere  Lo  cal- 
reaction  hervorrufen  als  Injectionen  von  Hg.  Sa- 
licyl.  und  Thym.  hydrg.  So  entstanden  ausser  Ab- 
scessen,  auch  grosse,  schmerzhafte,  für  den  Pati- 
enten sehr  beschwerliche  Infiltrationen.  Nach  den 
späteren  Injectionen  traten  nie  Abscesse  auf,  die 
Reaction  blieb  in  den  meisten  Fällen  ganz  aus 
oder  war  äusserst  gering,  und  wo  sich  Infiltrati- 
onen bildeten,  warensie  gewöhnlich  indolent.  Nur 
in  Ausnahmefällen  war  die  locale  und  allgemeine 
Reaction  sogross,  dass  die  Behandlung  nicht  ohne 
Ungelegenheit  fortgesetzt  werden  konnte. 

Mit  Ausnahme  der  poliklinischen  Patienten 
erforderte  die  ersteBehandlung  derKrankheit  bei 
beiden  Injectionsmethoden  etwas  längere  Zeit  als 
die  der  darauf  folgenden  Recidive. 

Die  Calomelinjectionen  zeigten  im  Allgemei- 
nen schnellere  Wirkung  als  Injectionen  von  Hydr. 
salicyl.  undThymol.  hydr.,  weshalb  di  ^Behandlung 
mit  ersterem  Präparate  kürzere  Zeit  in  Anspruch 


Ueber  die  Bebandl.  der  Syphilis  mit  Injectionen  v.  Calomel.      211 

nahm  als  die  mit  letzteren;  beiRecidiven  dauerte 
die  Cur  mit  beiden  Präparaten  ungefähr  gleich 
lange.  Die  angewandte  Quecksilbermenge  war  so- 
wohl bei  Calomel  wie  Hydr.  salicyl.  bei  den  Reci- 
diven  etwas  geringer  als  bei  der  ersten  Behand- 
lung. 

Das  Bestehen  eines  bestimmten  Verhältnisses 
zwischen  der  injicirten  Quecksilbermenge  und 
dem  Zeitpunkt  für  das  Auftreten  von  Recidiven, 
derartjdass  eine  grössere  Menge  Quecksilber  einer 
längeren  Zwischenzeit  bedingte  und  umgekehrt, 
habe  ich  nicht  gefunden. 

Von  allenFällen  zusammen  sindRecidive  aus- 
geblieben: Nach  Injection  von  Calomel  in  11%  und 
Inj.  von  Hydr.   salicyl.   und  Thymol.  hydr.   in  13*3%. 

Die  Anzahl  der  Recidive  war  im  Allgemeinen 
nach  Calomelinjectionen  während  des  ersten  Jah- 
res geringer  und  die  Intervalle  zwischen  den  Re- 
cidiven länger  als  bei  Anwendung  der  anderen 
Präparate,  wogegen  bei  diesen  die  Recidive,  wenn 
auch  grösser  an  Zahl,  in  kürzerer  Zeit  verliefen 
—  ungefähr  in9l7o  innerhalb  einesJahres,  während 
dagegen  nach  Calomelinjectionen  nur  55%  in  der- 
selben Zeit  verliefen;  es  traten  also  nach  Injec- 
tion von  Hg.  salicyl.  eine  geringere  Anzalil  von 
Spätrecidiven  auf. 

Das  Ergebniss  würde  mithin  sein,  dass  das  Calomel,  trotz- 
dem es  ein  stark  wirkendes  Präparat  ist,  welches  in  kürzerer 
Zeit  die  Symptome  zum  Verschwinden  bringt  als  Hydrarg.  sa- 
licyl. und  Thymol.  hydr.,  doch  diesen  beiden  nicht  absolut  vor- 
zuziehen ist,  da  diese  nicht  nur  geringere  locale  Reizung  ver- 
ursachen, sondern  auch  den  Verlauf  der  Krankheit  überhaupt 
abzukürzen  scheinen,  sei  es  nun  bei  combinirter  Behandlung 
oder  allein  mit  Injectionen.  Da  es  also  scheint,  als  ob  es  in 
der  Syphilistherapie  im  Allgemeinen  vortheilhafter  sei  ein  mild 
wirkendes  Präparat  anzuwenden  als  ein  kräftiges,  das  die  Symp- 
tome schnell  coupirt,  so  wäre  es  von  grossem  Interesse,  dieses 

14* 


212  Linden. 

durch  Thatsachen  bestätigt  zu  sehen,  die  sich  auf  ein  grösseres 
als  das  mir  zu  Gebote  stehende  Material  stützen.  Hiermit  sei 
aber  nicht  der  Nutzen  des  Calomels  in  Abrede  gestellt,  sondern 
wenn  mitunter  eine  schnelle  Wirkung  erzielt  werden  soll,  dann 
kann  nach  dem  Calomel  gegriffen  werden. 


lieber  die  Häii%keit  und  Zeit  des  Auftre- 
tens der  Urethritis  posterior  bei  der  acuten 

Gonorrhoe. 

Von 

Dr.  Alfred  Lanz, 

Ordlnator  am  Miamnitskyhospiul  in  MoskAU. 

(Vortrag,  gehalten  auf  dem  V.  russiscben  Aerztecongress 

zu  St.  Petersburg.) 


M.  H.!  Die  Frage  über  die  Häufigkeit  und  Zeit  des  Auf- 
tretens der  Urethritis  posterior  beim  acuten  Tripper  wird  sehr 
verschieden  beantwortet:  während  die  Einen  die  Affection  der 
hinteren  Harnröhre  als  eine  ziemlich  seltene  Erscheinung,  als 
Complication  der  Gonorrhoe  betrachten,  glauben  die  Anderen 
wiederum,  dass  die  Urethritis  posterior  eine  sehr  gewöhnliche, 
nur  in  Ausnahmefällen  fehlende  Erscheinung  sei.  Diese 
zweite  Meinung  findet  in  der  letzten  Zeit  immer  mehr  Anhän- 
ger. Jadassohn^)  stellt  die  Häufigkeit  der  Urethritis  poste- 
rior auf  Grund  von  163  Fällen  von  Gonorrhoe,  in  welchen  die 
Krankheit  bis  zur  Untersuchung  nicht  weniger  als  4 — 6  Wochen 
gedauert  hatte,  auf  81'7%  fest.  (Von  168  Fällen  von  Gonor- 
rhoe konjxte  die  Urethritis  posterior  nur  in  20  Fällen  nicht 
nachgewiesen   werden.)    Letzel*)    untersuchte    53   Falle   von 


')  Jadassohn.  Beitrage  zur  Lehre  von  der  Urethritis  posterior. 
Verhandlungen  der  DeutRchen  dermat.  Gesellschaft.  I.  Gongress  zu  Prag, 
10—12.  Juni  1889,  p.  182. 

')  LetzeL  üeber  die  Häufigkeit  der  Betheiligung  der  Urethra  post . 
am  gonorrhoischen  Entzündungsprocesse  nebst  einigen  Bemerkungen  über 
die  Behandlung  desselben.  Internat.  Centralbl.  f.  d.  Physiologie  und  Pa- 
thologie der  Harn-  und  Sexualorgane.  Bd.  II.  1890,  p.  284. 


214  Lanz. 

7 — lOwöchentlicher  Dauer  und  fand  einen  noch  höheren  Pro- 
centsatz  von  Urethritis  posterior,  nämlich  92*57o  0^  diesen 
Ö3  Fällen  war  der  hintere  Hamröhrenabschnitt  nur  4mal  ver- 
schont geblieben).  Rona*)  bestimmt  die  Häufigkeit  der  Er- 
krankung der  Urethra  posterior  in  Fällen  von  8 — lOwöchent- 
heher  Ki'ankheitsdauer  auf  62  %  und  in  Fällen  von  über 
lOwöchentlicher  Erankheitsdauer  auf  66%.  Nach  Philipp- 
sohn ^)  pflegt  die  Gonorrhoe  die  hintere  Urethra  in  86'6%  zu 
aflSciren,  Finger')  fand  eine  Urethritis  posterior  in  63% 
seiner  Privatpraxis  und  in  82%  seines  poliklinischen  Materials, 
und  nach  Heisler*)  wird  der  hintere  Hamröhrenabschnitt  in 
79-77o  ailer  Fälle  afficirt. 

Diese  Daten  wurden  von  mir  angeführt,  um  zu  zeigen, 
wie  erheblich  die  Angaben  der  verschiedenen  Beobachter  über 
die  Häufigkeit  der  Urethritis  posterior  diflferiren.  Diese  be- 
deutende Differenz  der  Angaben  in  einer,  wie  man  glauben 
sollte,  so  einfachen  Frage  werden  wir  uns  leicht  erklären  können, 
wenn  wir  einerseits  das  Material,  welches  die  verschiedenen 
Beobachter  benutzten,  andererseits  aber  die  Methoden,  welche 
zur  Feststellung  der  Diagnose  angewandt  wurden,  näher  in  Be- 
tracht ziehen.  Während  von  den  Einen,  nur  die  FäUe  erstma- 
liger Gonorrhoe  herangezogen  wurden,  machten  die  Anderen 
keine  derartige  Auswahl  und  schlössen  in  ihre  Beobachtungen 
auch  Fälle  von  wiederholter  Infection  ein;  so  hatten  Letzel 
und  H  e  i  s  1  e  r  nur  mit  Fällen  erstmaliger  Erkrankung  zu  thun, 
während  Jadassohn,  Röna,  Finger  und  Andere  sich  augen- 
scheinlich auf  Beobachtungen  an  einem  gemischten  Material 
stützen,     denn    wenigstens    wird    nicht    ausdrücklich   hervor- 


*)  Rona.  Vermafif  der  Compressor  orethrae  das  Weitewehreiten  der 
aeuten  Gonorrhoe  zu  verhindern?  Refer.  in  Monatsh.  f.  prakt,  Dermatol. 
1891.  Bd.  n,  p.  162. 

')  PbilippBohn.  üeber  die  Behandlung  der  chronischen  Gk>norrhoe. 
Kefer.  Centralbl.  f.  die  Physiologie  und  Pathologie  der  Harn-  u.  Sezual- 
organe.  Bd.  III.  1891,  p.  308. 

•)  E.  Finger.  Die  Blennorrhoe  der  Sexualorgane  and  ihre  Compli- 
caiionen.  3.  Aufl.  1893,  p.  67. 

*)  Ignatz  Heisler.  Ueber  die  Zeit  und  Ursache  des  Ueberganges 
<ltT  Gonorrhoe  auf  die  Pars  posterior  urethrae.  Archiv  f.  Dermatol.  und 
Syphilis.  1891,  p.  761. 


üeber  die  Häufigkeit  u.  Zeit  d.  Auftretetis  d.  ürethr.  poster.     215 

gehoben,  dass  sie  nur  mit  Fällen  von  erstmaliger  Erkrankung 
rechnen.  Es  ist  aber  gewiss  nicht  daran  zu  zweifeln,  wie  auch 
schon  Letzel  darauf  hingewiesen  hat,  dass  in  Fällen  von 
wiederholter  Erkrankung  es  nicht  immer  leicht  sein  wird,  eine 
Affectionen  der  hinteren  Harnröhre,  die  vielleicht  von  einer 
vorherigen  Erkrankung  zurückgeblieben,  auszuschliessen. 

Eine  andere  Ursache  dieser  Differenz  der  gewonneneu 
Resultate  muss  dem  Umstände  zugeschrieben  werden,  dass  zur 
Beobachtung  Fälle  von  verschiedener  Krankheitsdauer  heran- 
gezogen wurden,  indem  die  Einen  ihre  Beobachtungen  nur  auf 
acuten,  die  Anderen  hingegen  auch  auf  subacuten  und  chroni- 
schen Fällen  basiren.  So  stellte  H  e  i  s  1  e  r  z.  B.  seine  Beobach- 
tungen an  acuten  Gonorrhoen,  Letzel  an  Fällen  von  7 — 10- 
wöchentlicher  Erankheitsdauer  an,  und  in  den  Fällen  von 
Jadassohn  hatte  sich  das  Leiden  grösstentheils  schon  über 
6  Wochen  hingezogen. 

Was  die  Diagnose  der  Urethritis  posterior  anbetrifiFt,  so 
ist  dieselbe  bekanntlich  in  acuten  Fällen  mit  reichlicher  Secre- 
tion,  mit  Hilfe  der  sogenannten  Zweigläserprobe  sehr  leicht  zu 
stellen;  in  denjenigen  Fällen  aber,  wo  das  Secret  gering  ist 
und  daher  aus  der  Pars  membranacea  und  prostatica  nicht  in  die 
Blase  regurgitirt,  werden  die  geringen  Entzündungsproducte 
mit  dem  ersten  Urinstrahl  fortgespült  und  erscheinen  im  ersten 
Glase,  während  die  zweite  Harnportion  gewöhnlich  vollkommen 
klar  bleibt.  In  diesen  letzteren  Fällen  ist  also  die  Thomp- 
so  nasche  Probe  unzulänglich  und  muss  daher  eine  genauere 
Untersuchungsmethode  angewandt  werden.  Diese  besteht  be- 
kanntlich darin,  dass  man  dem  Kranken,  der  einige  Stunden 
lang  nicht  urinirt  hat,  die  vordere  Harnröhre  so  lange  ausspült 
bis  die  Irrigationsflüssigkeit  klar  abläuft;  erscheint  nun  der 
nach  erfolgter  Ausspülung  entleerte  Harn  trübe  oder  enthält, 
derselbe  Flocken,  so  gilt  das  als  Beweis  für  eine  Affection  der 
Pars  posterior.  Es  kommt  also  Alles  auf  eine  möglichst  voll- 
ständige Ausspülung  der  vorderen  Harnröhre  an.  Wie  soll  nun 
aber  diese  ausgeführt  werden?  Diese  Frage  wird  von  den 
Autoren  verschieden  beantwortet.   Jadassohn,  M  der  die  Irri- 

')  1.  c.  p.  179. 


216  Lanz. 

gationsprobe  zuerst  consequent  anwandte,  führte  dieselbe  mit 
Hilfe  eines  dünnen  Catheters  aus,  den  er  bis  zum  Compressor 
urethrae  einführte;  Letzel*)  begnügte  sich  mit  wiederholtem 
Ausspülen  mittelst  einer  100  Cm.  fassenden  Handspritze  ohne 
Catheter,  hält  es  aber  fär  nothwendig,  diese  Manipulation  noch 
dadurch  zu  yervoUständigen,  dass  er  den  Bulbus  mit  einem 
elastischen  bougie  ä  boule  auswischt,  „um  dort  etwa  noch  ver- 
bliebenes zäh  anhaftendes  Secret  zu  entfernen".  Heisler*) 
spritzt  gleich  wie  Letzel  die  Harnröhre  ohne  Catheter  mit 
einer  Spritze  aus,  führt  aber  keine  Knopfsonde  ein.  In  einer 
seiner  letzten  Veröffentlichungen  gibt  Jadassohn^)  die  An- 
wendung auch  einer  einfacheren  Ausspülungsmethode  zu,  indem 
er  dieselbe  ohne  Catheter  mit  einer  gewöhnlichen  Tripperspritze 
ausführen  lässt,  wobei  der  Kranke  die  Einspritzungen  so  lange 
wiederholt,  bis  die  herauslaufende  Flüssigkeit  Tollkommen  klar 
und  frei  von  Flocken  erscheint.  Kollmann **)  kehrt  zu  der 
ursprünglichen  Methode  von  Jadassohn  zurück,  wobei  er 
aber  besonders  hervorhebt,  dass  die  Flüssigkeit  nicht  unter  zu 
hohem  Drucke  eingespritzt  werden  darf;  er  benutzt  darum 
einen  dünnen  Catheter,  damit  zwischen  demselben  und  den 
Urethralwänden  noch  genügend  Baum  zum  freien  Abfluss  des 
Spülwassers  bleibe,  und  verwirft  die  von  Jadassohn  vorge- 
schlagene zeitweilige  Compression  des  Orificium  ext.  urethrae. 
Beim  Einspritzen  unter  hohem  Druck  kann  nach  Kollmann 
ein  Theil  des  Secretes  in  die  liintere  Harnröhre  eingetrieben 
werden  und  später  im  Urin  eine  Urethritis  posterior  vortäuschen. 
Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  die  injicirte  Flüssigkeit  — 
gleichviel,  ob  die  Ausspülung  mittelst  eines  Catheters  oder  mit 
gewöhnlicher  Tripperspritze  ausgeführt  wird  —  theilweise  in  die 
hintere  Harnröhre  gelangen  kann.  Ich  habe  ein  solches  Ein- 
dringen   der    eingespritzten    Flüssigkeit    bei   Anwendung    von 


')  1.  c.  p.  285. 
»)  1.  c.  p.  764. 

')  Jadassohn.  lieber  die  Behandlung  der  Gonorrhoe  mit  Ichthyol. 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1892.  Nr.  38  und  39. 

*)  A.  Kollmann.    Zur  Diagnostik  und  Therapie  der  männlichen 
Gonorrhoe.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1893.  Nr.  47. 


Ueber  die  Häufigkeit  u.  Zeit  d.  Auftretens  d.  Urethr.  i)08ter.     217 

Wismuthemulsionen  endoskopisch  nachweisen  können.  ^)  Es  muss 
also  angenommen  werden,  dass  der  Musculus  compressor  ure- 
thrae  zeitweilig  erschlafft  und  somit  der  eingespritzten  Flüssig- 
keit nicht  immer  genügenden  Widerstand  leistet.  Auf  dieser 
Eigenschaft  des  Compressors  beruht  ja  bekanntlich  die  Methode 
der  Blasenausspülung  ohne  Catheter  (Lavaux,  Rotte r, 
Ziemsse n,  Röna  u.  A.).  Wir  haben  es  hier  mit  derselben 
Erscheinung  zu  thun,  die  wir  täglich  bei  Einführung  Ton  In- 
strumenten in  die  Harnröhre  beobachten  können:  wendet  man 
z.  B.  eine  Ejiopfsonde  an,  so  bleibt  dieselbe  vor  dem  contrahirten 
Compressor  stehen,  bis  letzterer  erschlafft,  wobei  man  deutlich 
fühlt,  wie  das  Instrument  durch  den  nachgebenden  Compressor 
plötzlich  hindurchschlüpft,  wie  der  Compressor  sich  gleich  dar- 
auf wieder  contrahirt  und  sich  fest  der  Sonde  anschmiegt,  so- 
bald das  Ende  des  Instrumentes  in  die  Pars  prostatica  einge- 
drungen ist.  Dasselbe  geschieht  auch  nicht  selten  bei  Ein- 
spritzung von  Flüssigkeiten  in  die  Harnröhre :  sobald  ein  Theil 
der  injicirten  Flüssigkeit,  den  erschlafften  Compressor  passirend, 
in  die  Pars  membranacea  und  prostatica  eingedrungen  ist,  übt 
dieselbe  sofort  einen  Reiz  auf  die  Schleimhaut  dieses  Harn- 
röhrenabschnittes aus  und  löst  auf  reflectorischem  Wege  wieder 
eine  neue  Contraction  des  Compressors  aus,  wodurch  dann  ein 
weiteres  Eindringen  von  Flüssigkeit  in  die  hintere  Harnröhre 
verhindert  wird.  Damit  ist  der  Umstand  erklärt,  dass  in  ge- 
wissen Fällen,  wo  scheinbar  die  ganze  injicirte  Flüssigkeit  wieder 
zurückläuft,  dennoch  ein  Theil  derselben  hinter  den  Compressor 
gelangen  konnte.  Lohnstein ^)  hat  nun  vor  Kurzem  experi- 
mentell nachgewiesen,  dass  bei  der  Ausspülung  der  Pars  an- 
terior urethrae  mittelst  eines  Catheters  nach  Jadassohn 
die  Flüssigkeit  thatsächlich  in  die  Pars  posterior  gelangen 
kann. 


')  A.  Lanz.  Zur  Therapie  der  Urethritis  anterior.  Verhandlungen 
des  lY.  russischen  Pirogofif^schen  Aerztecongresses.  Medic.  Obosrenie.  1891. 
Nr.  2.  (Russisch.) 

*)  Lohnstein.  Zur  Diagnostik  der  Urethritis  posterior.  Deutsche 
med.  Wochenschr.  1898.  Nr.  44.  Ich  kann  es  nicht  unterlassen,  hier  fol- 
gende Daten  aus  Lohnstein 's  Arbeit  anzufahren:  Unter  94  Versuchen 
drang  die  iigicirte  Flüssigkeit  87  Mal  in  die  hintere  Harnröhre  ein,  d.  b. 
der  Compressor  erwies  sich  insufficient  in  397o' 


218  Lanz. 

Ich  erachte   es  für  nothwendig,  M.  H.,   Sie  an  diese  den 
Meisten  von  Ihnen  gewiss  bekannte  Thatsachen  zu  erinnern,  um 
zu  beweisen,  dass  wir  bis  jetzt  leider  noch  nicht  über  eine  Aus- 
spülungsmethode verfügen,  welche  es  ermöglicht,  in  allen  Fällen 
eine  sichere  Diagnose  der  Betheiligung  der  hinteren  Harnröhre 
am  gonorrhoischen  £ntziindungsprocess  zu  steUen.    Sowohl  bei 
Ausspülungen  mittels  des  Catheters,  als  auch  bei  gewöhnlichen 
Injectionen   mit  der  Tripperspritze  müssen  wir  mit  zwei  Um- 
ständen, welche  unsere  Diagnose  vollkommen  illusorisch  machen 
kömien,  rechnen:  1.  entfernt  man  beider  angewandten  Methode 
nicht  alles  Secret  aus   der  vorderen  Harnröhre  und  2.   dringt 
ein  Theil  des  Secrets  gleichzeitig  mit  der  injicirten  Flüssigkeit 
in  die  hintere  Harnröhre   ein.     In  beiden  diesen  Fällen  stellen 
wir  die  Diagnose  Urethritis  posterior,  obzwar  letztere  thatsäeh- 
lich  nicht   existirt.    Von  allen  Ausspülungsmethoden  ist,   soviel 
ich  einsehen  kann,   die  Lohn  stein 'sehe   die   genaueste,   aber 
auch  diese  gestattet  uns  nicht  die  Diagnose  in  allen  Fällen  auf 
Grund  einer  einmaligen  Untersuchung  zu  stellen.  Jedenfalls  ist 
diese  Methode,  ebenso  wie  auch  alle  anderen,  die  mit  Einführung 
von  Instrumenten  in  die  Harnröhre  verbunden  sind,   im  acuten 
Stadium  nicht  immer   zulässig,   denn   dadurch  kann  man  leicht 
eine  Steigerung  der  Entzündungserscheinungen  hervorrufen  und 
gleichzeitig  den  Uebergang  des  Processen  auf  die  hintere  Harn- 
röhre befördern.  Diese  Methode  dürfte  daher  nur  in  subacuten 
und  chronischen  Fällen  anzuwenden  sein,    wobei  es   auch  hier 
noch   fraglich   bleibt,    ob    man   nicht   dadurch  gelegentlich  die 
Propagation  des  Processes  begünstigt.     Aus  demselben  Grunde 
muss  auch  stets  mit  diesem  Umstände  gerechnet  werden,  wenn 
die  Ausspülung  bei   ein   und  demselben  Kranken  zur  mehrma- 
ligen Anwendung  gelangt  und  die  Urethritis  post.  erst  bei  einer 
wiederholten  P^xploration  constatirt  wird. 

Wir  müssen  aus  dem  bisher  Gesagten  den  Schluss  ziehen, 
diiss  die  oben  angeführten  Resultate  nur  einen  i-elativen  Werth 
beanspruchen  können,  indem  dieselben  nur  einen  annähernden 
Begriff  von  der  Häufigkeit  der  Mitbetheiligung  der  hinteren 
Harnröhre  geben.  Unter  solchen  Umständen  ist  ja  begreiflich, 
wenn  wir  uns  folgende  Frage  vorlegen :  in  welchem  Procentsatz 
aller  Fälle  von  acuter  Gonorrhoe  kann  mit    der  Thompson- 


lieber  die  Häufigkeit  u.  Zeit  d.  Auftretens  d.  Urethr.  poster.     219 

sehen  Probe  eine  ürethi*itis  posterior  nachgewiesen  werden? 
Eine  Antwort  auf  diese  Frage  suchte  ich  vergebens  in  der  mir 
zugänglichen  Literatur ;  *)  —  alle  Autoren  sprechen  nur  von  der 
Uugenauigkeit  dieser  Methode.  Ich  habe  indessen  bereits  oben 
erwähnt,  dass  die  Zweigläserprobe  in  acuten  Fällen  mit  reich- 
licher Secretion  ganz  zuverlässige  Resultate  gibt.  Bei  Anwen- 
dung dieser  Methode  darf  man  nur  nicht  vergessen,  dass  die 
Dauer  des  acuten  Stadiums  bei  der  Urethritis  post.,  wie  die 
Beobachtungen  lehren,  grossen  Schwankungen  unterworfen  ist 
und  Alles  eben  davon  abhängt,  ob  der  Kranke  in  diesem  acuten 
Stadium  untersucht  wird  oder  nicht.  Es  ist  einleuchtend,  dass 
bei  einer  continuirlichen  Beobachtung  von  Kranken  mit  acuter 
Gonorrhoe  durch  eine  längere  Zeit  es  möglich  sein  muss,  eine 
exacte  Diagnose  mit  der  Zweigläserprobe  zu  stellen,  wenigstens 
in  denjenigen  Fällen,  wo  die  Urethritis  posterior  mit  reichlicher 
Secretion  einhergeht. 

Dieses  voraussetzend,  sammelte  ich  alle  Fälle  von  acuter 
erstmaliger  Gonorrhoe,  die  ich  im  Verlaufe  der  letzten  Zeit 
in  meiner  Privatpraxis  zu  beobachten  die  Gelegenheit  hatte,  und 
solcher  Fälle  konnte  ich  92  zählen.  In  16  von  diesen  Fällen 
war  die  Beobachtungsdauer  zu  kurz  (einige  von  diesen  Kranken 
sah  ich  nur  ein  einziges  Mal),  um  dieselben  zur  Lösung  der 
von  mir  gestellten  Aufgabe  heranzuziehen.  Von  den  übrigen 
76  Fällen  konnte  ich  während  der  ganzen  Krankheitsdauer  mit 
der  Zweigläserprobe  nur  in  15  Fallen  eine  Urethritis  posterior 
nicht  nachweisen  und  in  61  Fällen,  d.  h.  in  80*87oi  konnte  die 
Urethritis  posterior  mittelst  der  Zweigläserprobe  deutlich  nach- 
gewiesen werden.  *)  Dieser  hohe  Procentsatz  diflferirt  nur  unbe- 
deutent  von  der  von  Hei  sie r  angegebenen  Zahl  (79'77o).    I^t 


')  Obzwar  schon  Guyon  (1888)  mittelst  der  Zweiglaserprobe  ge- 
funden hat,  dass  unter  100  Fällen  von  Urethritis  acuta  die  Pars  posterior 
28  Mal  und  unter  100  Fällen  von  Urethritis  chron.  dieselbe  72  Mal  be- 
theiligt war,  so  habe  ich  aus  dem  mir  vorliegenden  Referat  nichts  Näheres 
über  die  Art,  wie  diese  Versuche  angestellt  wurden,  ermitteln  können. 
Dasselbe  gilt  auch  von  den  Angaben  Ron a 's  (1.  c). 

')  £s  braucht  wohl  kaum  erwähnt  zu  werden,  dass  die  Bestimmung, 
ob  die  Trübung  des  Harnes  auf  vorhandenen  Eiter  oder  auf  Baoteriurie, 
Phosphaturie  etc.  zurückzufahren  war,  auch  auf  chemischem  Wege  aus- 
geführt wurde. 


220  La  HZ. 

muss  hierbei  noch  ausdrücklich  bemerken,  dass  die  von  mir 
ermittelte  Zahl  keineswegs  zu  hoch  gegriffen  sein  kann,  eher 
ist  schon  das  Gegentheil  denkbar,  wenn  wir  —  und  dagegen 
lässt  sich  kaum  etwas  einwenden  —  die  Möglichkeit  zugeben, 
dass  unter  meinen  15  negativen  Fällen  auch  solche  sich  befanden^ 
wo  die  Urethritis  posterior  sich  schleichend  und  ohne  reichliche 
Secretion  ausbildete  und  folglich  mittelst  der  T  h  o  m  p  s  o  n'schen 
Probe  nicht  nachzuweisen  war.  Wenn  auch  die  von  mir  ermittelte 
Procentzahl  von  der  anderer  Autoren,  welche  die  Ausspülungs- 
methode angewandt  haben,  nicht  auffallend  differirt,  so  halte 
ich  es  doch  nicht  für  überflüssig,  zu  bemerken,  dass  ich  mir  diesen 
hohen  Procentsatz  keineswegs  durch  die  Eigenartigkeit  der  Fälle, 
welche  zum  Specialisten  gelangen,  erklären  kann,  da  ich  die  meisten 
der  von  mir  angeführten  Kranken  nicht  mit  einer  schon  aus- 
gebildeten Urethritis  posterior,  sondern  noch  vor  Entwickelung 
derselben  zu  Gesichte  bekam. 

Ich  gehe  jetzt  zur  Beantwortung  der  zweiten  der  von  mir 
aufgestellten  Fragen  über,  und  zwar  zur  Frage  der  Zeit  des 
Auftretens  der  Urethritis  posterior  im  Verlaufe  des  acuten 
Trippers.  Diese  Frage  wurde  und  wird,  gleichwie  die  erste  schon 
von  mir  auseinandergesetzte,  verschieden  beantwortet.  Die 
Meisten  nehmen  an,  dass  die  acute  Gonorrhoe  ein  Leiden  mit 
typischem  Verlaufe  darstelle,  welches  in  der  Fossa  navicularis 
beginnt  und  nicht  vor  der  dritten  Woche  auf  die  Pars  membra- 
nacea  und  prostatica  urethrae  überzugehen  pflegt  (Finger, 
Zeissl,  Kopp  U.A.).  Ultzmann')  nahm  sogar  an.  dass  der 
entzündliche  Process  den  Bulbus  erst  in  der  vierten  Woche 
erreicht.  Einige  wie  Finger,  Kopp,  Zeissl  geben  zu,  dass 
in  seltenen  Fällen  die  Urethritis  posterior  sich  auch  früher 
ausbilden  könne,  dass  aber  letztere  dann  durch  besondere 
Momente  (instrumentelle  Untersuchung,  Excesse  in  Baccho  et 
in  Venere  etc.)  hervorgerufen  werde.  J  u  1 1  i  e  n  ')  sagt  in  seinem 
Traite  pratique  des  maladies  veneriennes,  dass  die  urethrite 
prevesicale  sich  gewöhnlich  um  die  dritte  Woche  ausbilde.     J. 


')  R.  Ultzmann.  Vorlesungen  über  Krankheiten  der  Hamorgane. 
Mitgetheilt  und  bearbeitet  von  Dr.  J.  H.  Brik.   Wien.  1888^92,  p.  60. 

^)  L.  Jullien.    Traite   pratique  des  maladies  veneriennes.    2-eme 
edition.   Paris  1880,  p.  106. 


Ueber  die  Häufigkeit  u.  Zeit  d.  Auftretens  d.  ürethr.  poster.     221 

Neumann ^)  glaubt,  dass  die  hintere  Harnröhre  gewöhnlich 
nicht  vor  der  dritten  Woche  afl5cirt  werde.  Nach  Letzel*) 
geht  die  Gonorrhoe  auf  die  Pars  posterior  in  den  meisten  Fällen 
im  Laufe  der  zweiten  oder  dritten  Woche  über.  Lang')  spricht 
sich  dahin  aus,  dass  der  venerische  Catarrh  auf  die  Pars  mem- 
branacea  und  prostatica  ziemlich  oft  schon  in  der  ersten,  in 
den  meisten  Fällen  aber  im  Laufe  der  zweiten  und  dritten 
Woche  übergreüe.  Hei  sie  r*)  hat  sich  am  eingehendsten  da- 
mit beschäftigt,  die  Zeit  des  Auftretens  der  Urethritis  posterior 
zu  bestimmen.  Auf  Grund  von  50  in  dieser  Richtung  unter- 
suchten Fällen  fand  er,  dass  die  Urethritis  posterior  in  der 

ersten    Woche  in  207o 

zweiten        „        „    347o 

dritten        ,        „    U% 

vierten  „  „  207„ 
der  Fälle  sich  ausgebildet  hatte.  Diese  Statistik  von  Heikler 
lehrt,  dass  die  Urethritis  posterior  thatsächlich  in  den  meisten 
Fällen  in  einer  viel  früheren  Zeit  auftritt,  als  man  anzunehmen 
pflegt,  und  zwar  in  der  Hälfte  aller  Fälle  (ü47o)  ™  Laufe  der 
ersten  2  Wochen. 

Es  gelang  mir  in  61  Fällen  von  acuten  erstmaligen 
Gonorrhoen  die  Zeit  des  Auftretens  der  Urethritis  posterior 
zu  bestimmen.  Diese  Fälle  sind  in  der  beifolgenden  Tabelle 
aufgezählt,  wo  einem  jeden  Kranken  entsprechend  die  Daten 
über  Beschäftigung  und  Alter,  die  Zeit  des  Auftretens  der  Ure- 
thritis posterior,  die  wichtigsten  Symptome,  ebenfalls  auch  die 
Daten  über  vorausgegangene  Behandlung  und  über  vorhandene 
constitutionelle  Leiden  verzeichnet  sind.  Ich  führe  nicht  wie 
Heisler  in  seinen  FäUen  die  Licubationszeit  an,  und  zwar, 
erstens,  weil  in  vielen  Fällen  dieselbe  nicht  genau  festgestellt  werden 
konnte  *)  und  zweitens,   weil  auch   da,   wo   diese   Bestimmung 


')  J.  Neumann.  Lehrbuch  der  venerischen  Krankheiten.  I.  Theil. 
Die  blennorrhagischen  Affectionen.  Wien.  1888,  p.  80, 

')  Letzel.  Lehrbuch  der  Geschlechtskrankheiten.   1892,  p.  20. 

')  E.  Lang.  Der  venerische  Katarrh.  Wiesbaden  1893,  p.  48. 

*)  1.  c.  p.  768. 

')  Auf  die  Bedingungen,   mit  welchen  bei  genauer  Feststellung  der 
Incubationszeit  beim  Tripper  gerechnet  werden  muss,  habe  ich  bereits  in 


222  L  a  n  z. 

gemacht  werden  konnte,  ich  entschieden  auch  keinen  Zusammen- 
hang zwischen  der  Dauer  dieser  Periode  und  der  Zeit  des  Auf- 
tretens der  Urethritis  posterior  feststellen  konnte. 

Die  Zeit  der  Affection  der  hinteren  Harnröhre  konnte  in 
der  grössten  Zahl  der  Fälle  genau  bestimmt  werden,  und  zwar 
in  allen  jenen  Fällen,  wo  die  Kranken  noch  vor  dem  Auftreten 
der  Urethritis  posterior  in  Behandlung  gelangten;  diese  Fälle, 
wie  ich  schon  oben  erwähnte,  bildeten  die  Mehrzahl.  Hier  lenkte 
ich  schon  gleich  im  Beginne  die  Aufmerksamkeit  der  Kranken 
auf  die  Möglichkeit  des  Auftretens  von  Erscheinungen,  die  die 
acute  Urethritis  posterior  charakterisiren  und,  indem  ich  die 
Patienten  mit  den  Hauptsymptomen  derselben  bekannt  gemacht, 
veranlasste  ich  sie,  nach  etwaigem  Auftreten  derselben  sofort 
zu  mir  zu  kommen.  Ich  verfuhr  auf  diese  Weise  nicht  nur, 
um  genauere  Daten  zu  erhalten,  sondeiii  auch  aus  therapeutischen 
Rücksichten,  denn  ich  betrachte  gleich  Finger  die  Anwendung 
einer  localen  Behandlung  in  Form  von  Injectionen  in  vielen 
Fällen  wenigstens  in  der  ersten  Zeit  des  Bestehens  einer  acuten 
Urethritis  posterior  für  contraindicirt.  In  denjenigen  Fällen,  wo 
die  Kranken  mit  einer  schon  ausgebildeten  Urethritis  posterior 
erschienen,  verfuhr  ich  verschieden :  wo  man  auf  die  Anamnese 
hin  die  Zeit  der  Affection  genau  feststellen  konnte,  hielt  ich 
auch  das  Auftreten  der  charakteristischen  Symptome  für  den  An- 
fang des  Leidens,  wo  hingegen  die  Symptome  ungenügend  aus- 
geprägt waren  oder  ganz  fehlten,  dort  datirte  ich  die  Urethritis 
j)osterior  von  dem  Momente  an,  wo  ich  dieselbe  durch  objective 
Untersuchung  feststellen  konnte.  Nach  diesen  vorausgeschickten 
Bemerlningen  kehre  ich  zu  der  von  mir  zusammengestellten 
Tabelle  zurück.  Aus  derselben  ist  ersichtlich,  dass  die  Ure- 
thritis posterior  sich  entwickelte 

am        5.  Tage    in    4  Fällen 

()  4 


d.  h.  in  der  ersten  Woche  in  12  Fällen  oder  in  lJ)*7"/o 


einem  frühem  Artikel  hingewiesen.  Vergl.  Alfred  Lanz,  Ein  Beitrag  zur 
Frage  der  Incnbationsdauer  l>eim  Tripper.  Archiv  fiir  Dermatologie  und 
Syphilis.  1893,  p.  481. 


lieber  die  Häutigkeit  u.  Zeit  d.  Auftretens  d.  Urethr.  poster.     2*28 

am         6.         Tage  in  4  Fällen 

9.  „       ,  1  Falle 

,11.  „       „  «Fällen 

1i  12.  99  „  3  „ 

13,  „       n  1  Falle 

in  der  ziireiten  Woche  (Tag  unbestimmt)  1     „ 


also  in  der  zweiten  Woche  in  18  Fällen,  d.  h.  in  29'57o 

am        15.         Tage    in  2  Fällen 
17.  „        „   1  Falle 

n  1^'  n  n     1         » 

20.  „        „   2  Fällen 

21,  .   1  Falle 

also  in  der  dritten  Woche  in  7  Fällen  oder  in  ITö^/o 

in  der  vierten  Woche  in  6  Fällen  oder  in  9.8*yo 

„  „  fünften  .  „  5       ^  ,  ,  8-27o 

^  „  sechsten  ^  ^  7       „  „  „  ll'i>% 

„  „  siebenten  „  „  2       „  „  „  HSX 

„  ^  achten  „  „  1  FaUe  „  „  Vß% 

„  „  neunten  „  „2  Fällen  „  „  :{*3"„ 

,  „  elften  „  „  1  Falle  „  „  l-B"/« 

Somit  entwickelte  sich  die  Urethritis  posterior  bedeutend 
früher,  als  dies  von  den  Meisten  angenommen  wird,  denn,  wie  wir 
sahen,  gebenAlle  mit  Ausnahme  von  He  isl  er  an,  dass  die  Urethritis 
posterior  in  der  grössten  Zahl  der  Fälle  in  der  zweiten  und  dritten 
Woche  auftrete.  Nach  meinen  Beobachtungen  hingegen  bildet 
sich  die  Urethritis  posterior  meistentheils  und  zwar  in  der 
Hälfte  aller  Fälle  im  Laufe  der  ersten  und  zweiten  Woche  aus. 
Meine  Angaben  stimmen  in  dieser  Hinsicht  vollkommen  mit 
denen  von  Hei  sie  r. 

Es  ist  eine  allgemeine  verbreitete  Ansicht,  dass  die  Ure- 
thritis posterior  sich  nur  in  jenen  Fällen  ausbilde,  wo  entweder 
eine  gewisse  Prädisposition  oder  irgend  ein  constitutionelles 
Leiden,  wie  z.  B.  Syphilis,  Tuberculose  etc.,  vorhanden  sind, 
oder  wo  gewisse  äussere  Einflüsse  zur  Wirkung  kommen,  z.  B. 
forcirte  Bewegungen,  Excesse  in  Baccho  et  Venere  etc.    Wenn 


224  L  a  n  z. 

wir  aber  berücksichtigen,  dass  die  Urethritis  posterior,  wie  wir 
gesehen  haben,  sich  in  80"/«,  entwickelt,  so  sind  alle  diese 
Erklärungen  hinfallig.  Wenn  von  5  Personen,  die  eine  acute 
Gonorrhoe  acquiriren,  bei  Vieren  sich  eine  Urethritis  posterior 
ausbildet,  so  ist  es  klar,  dass  zufällige  Momente,  gleichviel  ob 
äussere  oder  innere,  keine  Geltung  haben  können.  —  £ine 
andere  Frage  ist  die,  ob  diese  Momente  nicht  im  Stande  sind, 
das  Auftreten  einer  Urethritis  posterior  zu  beschleunigen.  Zur 
Beantwortung  dieser  Frage  sind  meine  Beobachtungen  zu  ge- 
ringzählig.  Wenn  z.  B.  beim  Kranken  Nr.  19,  der  an  Syphilis  litt, 
die  Urethritis  posterior  sich  nach  6  Tagen,  und  beim  Kranken 
Nr.  26,  der  an  Tuberculosis  pulmonum  litt,  schon  nach  4  Tagen 
ausbildete,  so  darf  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden,  dass 
einertheils  hier  auch  andere  Einflüsse  eine  Rolle  spielen  konnten, 
und  dass  andererseits  man  auch  Fälle  entgegengesetzter  Art 
anführen  kann,  wo  ungeachtet  des  Bestehens  eines  constitutio- 
nellen  Leidens,  z.  B.  der  Syphilis,  die  Urethritis  posterior  gar 
nicht  zur  Ausbildung  kam.  Ausserdem  lehren  die  Beobachtungen, 
dass  die  Urethritis  posterior  auch  bei  Individuen,  die  an  keiner 
constitutionellen  Krankheit  laboriren,  ebenso  frühzeitig  auftreten 
kann,  was  auch  durch  folgende  Fälle  unserer  Tabelle  illustrirt  wird 
(NN.  30,  32,  35,  37,  40,  43,  60).  Was  nun  einige  äussere  Ein- 
flüsse anbetrifft,  so  können  solche,  wie  es  scheint,  das  Auftreten 
der  Urethritis  posterior  wirklich  manchmal  beschleunigen,  z.  B. 
beim  Kranken  Nr.  1  traten  die  Erscheinungen  der  Urethritis 
posterior  post  coitum  und  post  abusum  spirituosorum  auf;  beim 
Kranken  Nr.  5  entwickelt  sich  die  Affection  der  hinteren  Harn- 
röhre nach  einem  Coitus,  der  am  siebenten  Tage  nach  Beginn 
des  Trippers  ausgeübt  wurde;  dasselbe  sehen  wir  auch  im 
Falle  Nr.  15.  Im  Krankheitsfalle  Nr.  32  geht  der  Urethritis 
posterior  eine  Pollution  voraus,  wenn  es  auch  in  diesem  Falle 
dahingestellt  bleiben  muss,  ob  nicht  vielleicht  umgekehrt  die 
Pollution  eine  Folge  des  Reizzustandes  war,  der  durch  die  be- 
ginnende Urethritis  posterior  veranlasst  wurde. 

In  den  Fällen  NN.  10  und  37  konnte  das  Auftreten  der 
Urethritis  posterior  vom  vielen  Gehen  und  im  Falle  Nr.  60 
vom  Arbeiten  am  Werktische  beeinflusst  werden.  Uebrigens 
muss  ich  es  dahingestellt  sein  lassen,  ob  diese  äusseren  Einflüsse 


üeber  die  Häufigkeit  u.  Zeit  d.  Auftretens  d.  Urethr.  poster.     225 

beschleunigend  auf  das  Auftreten  der  Urethritis  posterior 
wirken,  da  wir  auch  ein  ebenso  frühzeitiges  Auftreten  der  Ure- 
thritis posterior  ohne  diese  äusseren  Momente  beobachten. 
Meine  Tabelle  berechtigt  mich  auch  nicht,  Schlüsse  darüber 
zu  machen,  ob  das  Alter  und  die  Beschäftigung  der  Kranken 
die  Zeit  des  Auftretens  der  Urethritis  posterior  beeinflussen. 
Jedenfalls  erscheint  ein  derartiger  Einfluss  sehr  zweifelhaft. 

Ich  will  noch  eine  Bemerkungen  über  den  Einfluss  der 
Behandlung  auf  das  Enstehen  der  Urethritis  posterior  machen. 
Wenn  es  sich  ä  priori  auch  leicht  denken  liesse,  dass  die  Ein- 
spritzungen ein  schnelleres  Uebergreifen  der  Entzündung  auf 
die  hintere  Harnröhre  zur  Folge  haben  sollten,  so  wird  diese 
Voraussetzung  dennoch  durch  die  Praxis  nicht  bestätigt.  Ab- 
gesehen von  den  selteneren  Fällen,  wo  ein  unvorsichtiges  Ein- 
spritzen wirklich  den  Uebergang  der  Entzündung  auf  die  Pars 
membranacea  und  prostatica  befördert,  muss  es  anerkannt 
werden,  dass  die  Art  der  Behandlung  —  gleichviel  ob  eine 
innere  oder  äussere  in  Form  von  Injectionen  —  auf  die  Häufig- 
keit und  Entstehungszeit  der  Urethritis  posterior  ohne  auf- 
fallende Einfluss  bleibt.  Aus  unserer  Tabelle  scheint  im  Gegen- 
theil  hervorzugehen,  dass  die  Injectionen  das  Auftreten  der 
Urethritis  posterior  hinausschieben.  So  entwickelte  sich  in  den 
21  Fällen,  wo  Injectionen  gemacht  wurden,  die  Urethritis  poste- 
rior in 

der  ersten  Woche  in  3  Fällen  (Nr.  32,  37  und  46) 
„     zweiten       „        „   3       „       (Nr.  5,  31,  41) 
„     dritten       „        «    3       „       (Nr.  7,  24,  29) 
in  21  Fällen  also  nur  9  Mal  im  Laufe  der  ersten  drei  Wochen. 
In  den  Fällen  hingegen,  wo  keine  Injectionen  angewandt  wurden 
(17  Fälle)  und  nur  eine  innere  Behandlung   in  Form  von  Bal- 
samum  copaivae   und  Herba  chenopodii  ordinirt  war,    trat  die 
Urethritis  posterior  auf  in 

der  ersten    Woche  in  4  Fällen  (Nr.  19,  21,  26,  60) 

„    zweiten       „    .     „   7        „       (Nr.  9, 25, 48, 51,  53, 57,61) 

„     dritten        „        n   3        „       (Nr.  29,  44,  56) 

in    17  Fällen  also    14  Mal   im  Laufe  der  ersten  drei  Wochen. 

Immerhin  scheint  es  mir  unstatthaft,  auf  Grund  dieses  geringen 

Materials  auf  den  Einfluss  der  Behandlungsart  im  angedeuteten 

Archiv  f.  Dermatol.  n.  Sjphil.  Band  XXVII. 

15 


226  Lanz. 

Sinne  zu  schliessen.  —  Im  Falle  Nr.  40,  wo  Jodoformstäbcheu 
eingeführt  wurden,  trat  die  Urethritis  posterior  schon  nach 
5  Tagen  auf,  so  dass  der  Einfluss  dieser  Art  der  Therapie  (directer 
Transport  des  blennorrhagischen  Eiters  in  den  hinteren  Ham- 
röhrenabschnitt)  auf  das  schnelle  Weiterschreiten  des  Processes 
nicht  Ton  der  Hand  zu  weisen  ist;  demgegenüber  können  aber 
Fälle  aus  unserer  TabeDe  angeführt  werden,  wo  die  Urethritis 
posterior  sich  sehr  frühzeitig  auch  ohne  jegliche  vorausgegangene 
Behandlung  entwickelte ;  hierher  gehören  z.  B.  die  Fälle  Nr.  35 
und  43,  wo  die  Urethritis  posterior  schon  nach  4  resp.  5  Tagen 
entstand.  Keineswegs  aber  kann  ich  Wolff*)  beistimmen, 
wenn  er  sagt:  „Es  wird  unsere  Aufgabe  sein,  wenn  der  Patient 
frühzeitig  genug  zur  Behandlung  kommt,  es  zu  versuchen,  die 
Entzündung  auf  den  vorderen  Theil  (der  Harnröhre)  zu  be- 
schränken, was  auch  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  ge- 
lingen wird."  Auf  Grund  meiner  eigenen  Beobachtungen 
muss  ich  leider  das  Gegentheil  behaupten,  denn  es  gelingt  nur 
in  seltenen  Fällen,  den  Process  auf  den  vorderen  Theil  der 
Harnröhre  zu  beschränken. 

In  der  überwiegenden  Mehrzahl  unserer  Fälle  waren  die 
subjectiven  Symptome,  die  die  acute  Urethritis  posterior  charak- 
terisiren,  mehr  oder  weniger  deutlich  ausgeprägt.  ■  Es  gibt  aber 
auch  Fälle,  wo  die  subjectiven  Symptome  vollkommen  fehlen, 
obgleich  die  Harnuntersuchung  das  zweifellose  Vorhandensein 
einer  Urethritis  posterior  ergibt;  hierher  gehören  unsere  Fälle 
11,  17,  23,  24,  47  und  48.  Diese  Fälle  beweisen  noch  einmal 
die  Nothwendigkeit,  das  Verhalten  des  Urins  während  des  Trippers 
beständig  zu  controliren,  damit  eine  Urethritis  posterior  nicht 
übersehen  werde. 

Auf  Grund  unserer  Beobachtungen  kommen  wir  zu  folgen- 
den Schlüssen: 

1.  In  Fällen  von  acuten  erstmaligen  Gonorrhöen  kann  die 
Mitaffection  der  hinteren  Harnröhre  in  807o  durch  die  Thomp- 
son'sche  Probe  nachgewiesen  werden. 

2.  Diese  grosse  Häufigkeit  der  Urethritis  posterior  beweist, 
dass  letztere  nicht  als  Complication,   sondern   nur   als  ein  ge- 


')   A.   Wolff.    Lehrbuch    der   Haut-    und    Geschlechtskrankheiten, 
Stuttgart  1893,  p.  361. 


Ueber  die  Häufigkeit  u.  Zeit  d.  Auftretens  d.  ürethr.  poster.     227 

wisses  Entwickelungsstadium    des  Trippers   aufgefasst  werden 
muss. 

3.  Da  von  100  Kranken  mit  acuter  Gonorrhoe  bei  80  der 
Process  unvermeidlich  auf  die  pp.  membranacea  und  prostatica 
übergreift,  so  muss  die  Lehre  von  einem  nothwendigen  Vor- 
handensein zufalliger  Momente  —  innerer  (Prädisposition,  con- 
stitutionelle  Krankheiten)  oder  äusserer  (forcirte  Bewegungen, 
Excesse  in  Baccho  et  Venere  etc.)  —  zur  Entstehung  der  Ure- 
thritis posterior  eo  ipso  fallen.  Dieser  üebergang  der 
Entzündung  auf  die  hintere  Harnröhre  ist  der 
Krankheit  an  und  für  sich  eigen  und  hängt  von 
keinem  zufälligen  Momente  ab.  Immerhin  muss  aber 
zugegeben  werden,  dass  einige  äussere  Momente  (Coitus,  Abusus 
spirituosorum,  forcirte  Bewegungen,  unzweckmässige  Einspritz- 
ungen, Einführung  von  Instrumenten)  die  Entstehung  der  Ure- 
thritis posterior  besclileunigen  können. 

4.  Was  die  übliche  Behandlungsart  des  Trippers  anbetrifft, 
80  beeinflusst  dieselbe  nicht  bemerkbar  die  Entstehung  der 
Urethritis  posterior;  letztere  entwickelt  sich,  gleichviel  ob  die 
Behandlung  im  Gebrauch  von  nur  inneren  Mitteln  oder  in  An- 
wendung von  Einspritzungen  besteht. 

5.  Die  Urethritis  posterior  entsteht  bedeutend  früher,  als 
es  fast  allgemein  angenommen  wird,  und  zwar  entwickelt  sich 
dieselbe  im  Laufe  der  ersten  Woche  in  207o  (19'77o)i  im  Laufe 
der  zweiten  in  307©  (29'5"/o)  und  im  Laufe  der  dritten  Woche 
in  12%  (ll'ö7o)i  ^^^^  ^°  ^^^*  Hälfte  aller  FäUe  im  Laufe  der  ersten 
zwei  Wochen. 

6.  In  seltenen  Fällen  bildet  sich  die  Urethritis  posterior 
ohne  jegliche  subjective  Symptome  aus.  Die  rechtzeitige  Diag- 
nose kann  daher  in  diesen  Fällen  nur  da  gestellt  werden,  wo 
der  Harn  des  Kranken  diesbezüglich  einer  continuirlichen  Unter- 
suchung unterworfen  wird. 

7.  Die  Irrigationsprobe,  die  die  weniger  vollkommene 
Thompson 'sehe  ersetzen  soll,  wird  verschieden  ausgeführt. 
Diese  verschiedenen  Methoden  differiren  nicht  nur  in  ihrer 
technischen  Ausübung,  sondern  auch  sehr  bedeutend  in  ihrer 
Genauigkeit.  Es  bleibt  der.  Zukunft  überlassen,  eine  sowohl 
genaue,  als  auch  praktisch  leicht  anwendbare  Methode  aus- 
findig zu  machen.  — 

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Anhang. 

Die  mikroskopische  Technik  im  Dienste 

der  Dermatologie. 

(Ein  Rückblick  auf  die  letzten  zehn  Jahre.) 

Von 

Dr.  R.  Ledermann,       tmd  Dr.  Ratkowski, 

Arst  fHr  Hautkrankheiten  prakt.  Ant 

in    Berlin. 


II.   Specieller  Theil. 

Anatomie  der  Haut. 

1.  Oberhaut. 

Mikrophyten  der  normalen  Oberhaut. 

Bizozzero')  schildert  einige  Methoden  zum  Studium  der  Mikro- 
phyten der  normalen  Oberhaut  des  Menschen. 

Zunächst  muss  die  zu  untersuchende  Epidermis  vom  Fett  befreit 
werden.  Diese  Massregel  ist  namentlich  unentbehrlich  für  die  Schuppen 
der  Kopfhaare;  sie  ist  dagegen  für  die  Oberhaut  anderer  Theile  nicht 
durchaus  nothwendig.  Zur  Entfettung  legt  man  die  Epidermis  in  absoluten 
Weingeist,  den  man  nach  einigen  Stunden  durch  Aether  ersetzt.  Nach 
einem  oder  zwei  Tagen  ersetzt  man  den  Aether  wieder  durch  Weingeist, 


')  V.  Sehlen  empfiehlt  gelegentlich  seiner  Untersuchungen  über 
Alopecia  areata  folgendes  Tinctionsverfahren  für  die  Coccen  der  Haare: 
1.  Yorfarbung  in  Fuchsincarbolwasser  mit  nachfolgender  Entfärbung  in 
salzsaurem  Alkohol  und  Abspülen  in  destillirtem  Wasser.  2.  Nachfärbung 
in  Gentianaviolettanilinölwasser,  dann  Jodjodkalilösung,  absoluter  Alkohol, 
Nelken-  oder  Terpentinöl  —  Ganadabalsam.  (Zur  Aetiologie  der  Alopecia 
areata.  Yirch.  Arch.  Bd.  99,  p.  327.) 


236  Ledormann  und  Ratkowski. 

in  welchem  sich  alsdann  die  Epidermis  für  unbeschrankte  Zeit  zur  Unter- 
suchung geeignet  erhält. 

Zum  Studium  der  Mikrophyten  empfiehlt  Verf.  3  Methoden,  die 
sich  gegenseitig  ergänzen,  indem  für  die  einen  diese,  für  die  andern  jene 
Methode  besser  passt. 

Verfahren  Ä  mit  Essigsäure  oder  mit  Aetzkali:  Auf 
einen  Objectträger  bringt  man  einen  Tropfen  Essigsäure,  mit  gleicher 
Menge  Wasser  verdünnt,  oder  einen  Tropfen  10 7o  Aetzkalilösung.  In  den 
Tropfen  trägt  man  einige  entfettete  Epidermisschüppchen  und  lässt  sie 
einige  Minuten  aufquellen.  Zur  Untersuchung  legt  man  ein  Deckgläschen 
auf  die  zu  untersuchende  Masse,  die  Epidermiszellen  erscheinen  dann 
aufgequollen  und  blass,  Pilze  treten  scharf  hervor.  Zur  Conservirung  von 
Essigsäurepräparaten  bringt  man  einen  Tropfen  Glycerin  auf  den  Rand 
des  Deckgläschens  und  lässt  ihn  langsam  einziehen. 

Verfahren  B.  Färbung  mit  Methylenblau  und  Aufbe- 
wahrung in  Glycerin:  Auf  den  Objectträger  wird  ein  Tropfen  Gly- 
cerin gebracht,  der  mit  Methylenblau  leicht  geförbt  ist,  die  Epidermis- 
schüppchen werden  in  diesem  Glycerintropfen  mit  der  Nadelspitze  tüchtig 
umgerührt.  Nach  einigen  Minuten  bis  einer  Viertelstunde  ist  das  Präparat 
zur  Untersuchung  geeignet.  Die  Epidermisplättchen  sind  ungefärbt,  leicht 
bläulich,  Pilze  intensiv  gefärbt. 

Verfahren  C.  Auf  ein  Deckgläschen  wird  ein  kleiner  Tropfen 
einer  50  7o  Essigsäurelösung  gebracht,  in  welche  die  entfetteten  Epidermis- 
schüppchen hineinkommen.  Nach  einer  Viertelstunde  oder  mehr  breitet 
man  die  aufgequollenen  Schuppen  mit  der  Nadel  aus,  dampft  die  Essig- 
säure bei  gelinder  Hitze  ab  und  fuhrt  das  Gläschen  3  oder  4  Mal  langsam 
über  eine  Weingeistflamme,  wie  bei  der  Entfettung  der  Tuberkelbacillen 
nach  Ehrlich.  So  erhält  man  eine  Schicht  eingetrockneter,  säurefreier 
Epidermis.  Auf  diese  bringt  man  einen  Tropfen  der  färbenden  Lösung 
(wässerige  Lösung  von  Methylviolett,  Gentianaviolett,  Ve- 
suvin oder  Methylenblau,  alkoholisch- wässerige  Lösung 
von  Fuchsin  u.  dergl.).  Nach  10  Minuten  bis  einer  halben  Stande 
und  darüber  Auswaschen  in  Wasser,  Trocknen  und  Einschluss  in  Damar- 
oder  Ganadabalsam.  Man  erhält  schöne  und  haltbare  Präparate,  zumal  bei 
Färbung  mit  Methylenblau. 

In  seinem  Aufsätze  die  Färbung  der  Mikroorganismen  im  Homge- 
webe  (Monatsh.  für  prakt.  Dermatolog.  Bd.  XIII,  pag.  225)  schildert 
Unna  eine  Reihe  von  Metlioden,  betreffend  die  tinktorielle  Isolirung  von 
Mikroorganismen  im  Homgewebe,  erwähnt  jedoch  zuvor  die  seitherigen 
Methoden,  die  oben  ausgeführten  von  Sehlen,  Bizzozero,  sowie  ganz 
besonders  die  von  B  o  e  c  k,  welche  er  nach  dem  Referat  aus :  „Forhandlinger 
i  det  Norske  medicinske  Selskab  i  Chris tiania^,  1887,  pag.  119 — 223,  ') 
folgendermassen  angibt: 

')  Da  diese  Arbeit  in  Deutschland  wenig  bekannt  und  zugänglich 
ist,  so  geben  wir  das  Unn  ansehe  Referat  ausfuhrlich  wieder.  Verff. 


Die  raikroükop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  2H7 

^Die  dnrch  Alkohol  und  Aether  entfetteten  Schuppen  werden  V,  bis 
einige  Minuten  in  die  genannte  Farblösung  (16  Tbl.  57«ger  Boraxlösung. 
20  Tbl.  gesättigter,  wässriger  Methylenblaulösung,  24  Tbl.  dest.  Wassers) 
gebracht,  dann  V^ — 1  Minute  in  eine  schwache  wässrige  Resorcinlösung, 
darauf  einige  Minuten  bis  eine  Stunde  in  Alkohol.  Sodann  ist  beinahe 
immer  noch  eine  vorsichtige  Entfärbung  der  Epidermis  nöthig,  um  die 
Pilze  klar  hervortreten  zu  lassen.  Zu  diesem  Zwecke  kann  man  —  mit 
grosser  Vorsicht  —  eine  schwache  Lösung  von  Wasserstoffsuperoxyd  ver- 
wenden, in  welcher  das  Präparat  nur  ganz  kurze  Zeit,  mitunter  nur  Se- 
cunden  liegen  darf.  Es  kommt  dann  ganz  kurze  Zeit  in  Alkohol,  darauf 
in  Xylol  und  Xylolbalsam.** 

„Das  Resorcin  ist  nicht  absolut  nöthig ;  da  ich  aber  zufallig  entdeckt 
hatte,  dass  es  den  Farbstoff  besser  fixirte,  habe  ich  es  seitdem  immer 
verwendet.  Eine  bestimmte  Stärke  desselben  möchte  ich  nicht  angeben, 
da  vorräthige  Lösungen  sich  bald  verändern.  Ich  extemporire  jedesmal 
eine  Lösung,  indem  ich  einige  Kömchen  Resorcin  in  ein  ührschälchen 
bringe  und  dasselbe  voll  Wasser  giesse." 

Hierzu  fuhrt  Unna  in  einer  Anmerkung  folgendes  Schreiben 
Boeck's  an:  „Man  kann  mit  dieser  Methyleublaumethode,  die  einen 
grossen  Fortschritt  gegenüber  der  Balz  er 'sehen  Eosin  -  Kali  -  Methode 
(dieselbe  gibt  nach  Unna  gar  keine  Differentialfarbung  der  Pilze)  dar- 
stellt, die  Pilze  schon  mit  schwacher  Vergrösserung  wahrnehmen.  Auch 
halten  sich  die  Präparate  gut,  falls  sie  vorsichtig  entfärbt  waren.  Ich 
habe  eine  Menge  Präparate,  die  nach  5  Jahren  vollständig  unverändert 
sind.  Uebrigens  habe  ich  in  meinem  damaligen  Vortrage  bereits  bemerkt, 
dass  sich  die  Sporen  Malassez'  (.Saccharomyces  ovalis  et  sphaericus, 
Bizzozero)  eben  so  schön  mit  der  Gram'schen  Methode  färben  lassen.  Vom 
Leptothrix  epidermidis,  dem  Pilz  des  Erythrasmas  habe  ich  sehr  schöne 
Präparate  vom  Jahre  1886,  die  seitdem  vollständig  unverändert  sind.  Vom 
Trichophyton  habe  ich  Präparate  sowohl  aus  Schuppen,  wie  Haaren  und 
Nägeln,  von  Menschen,  Rindern  und  sogar  vom  Schafe.  Bei  diesem 
Thiere  kommt  Trichophyton  selten  vor  und  merkwürdiger  Weise  ist  es 
mir  nie  gelungen,  hier  den  Pilz  in  den  Haaren  nachzuweisen,  dagegen 
prachtvoll  in  den  Schuppen." 

In  dieser  Methode  liegt  nach  U  n  n  a  's  Ansicht  unstreitig  der  grösste 
Fortschritt,  den  die  Technik  im  Nachweise  von  Mikroorganismen  in  der 
Oberhaut  bisher  gemacht  hat  und  zwar  durch  die  Einführung  des  Re- 
sorcins.  Denn  dasselbe  fixirt  nicht  nur  die  Farbe  dem  Alkohol  und 
Säuren  gegenüber  auf  den  Pilzen,  sondern  leitet  auch  eine  bessere  Ent- 
färbung der  Hornschicht  ein  —  es  differencirt,  kurz  gesagt,  zwischen 
Hom  und  Mikrobie.  In  der  Auffindung  weiterer  und  besserer  specifischer 
Entfärbungsmittel  für  die  Homsubstanz,  die  zugleich  die  Mikroorganismen 
weniger  oder  gar  nicht  angreifen,  in  der  Auffindung  specifischer  Diffe- 
rencirungsmittel  liegt  die  Zukunft  dieser  ganzen  Technik  und  insofern 
bezeichnet  Boeck's  Methode  einen  Wendepunkt.   Bis  dahin  hatte  man 


238  Leder  mann  und  Hatkownki. 

nur  die  geebneten,  aber  für  das  Homgewebe  nicht  speciell  eingerichteten 
Wege  der  allgemeinen  Färbetechnik  beHchritten. 

Was  nun  ünna's  eigene  Studien  betrifft,  so  gibt  er  zunächst 
einen  übersichtlichen  Abriss  über  den  Gang  seiner  Untersuchungen,  bespricht 
sodann  die  bemerkenswerthesten  Methoden  einzeln  ausführlicher  und  stellt 
schliesslich  die  besten  und  für  den  praktischen  Gebrauch  besonders  geeig- 
neten formularweise  zusammen. 

Um  die  HornHubstanzen  zu  Augenblicks-  und  Dauer- 
präparaten  vorzubereiten,  empfiehlt  Unna  zuvörderst  folgendes 
Verfahren : 

Die  betreffende  Homschuppe  (Kruste,  Cumedo  etc.)  wird  mitten  auf 
einen  Objectträger  von  englischem  Format  gelegt  und  mit  einem  Tropfen 
starker  Essigsäure  befeuchtet.  Dann  lege  man  einen  zweiten  Objectträger 
kreuzweise  über  den  ersten  und  zerreibe  unter  drehenden  und  drückenden 
Bewegungen  beider  das  im  Essig  sofort  weich  werdende  Material  in  einigen 
Secunden  zu  einem  Brei,  der  etwa  die  4 — Gfache  Ausdehnung  der  früheren 
Hommasse  besitzt.  Dann  werden  beide  Objectträger  von  einander  gehoben 
(nicht  über  einander  hinweg  gezogen)  und  rasch  über  der  Flamme  ge- 
trocknet Nunmehr  nimmt  man  der  Reihe  nach  die  noch  warmen  (nicht 
heissen)  Objectträger  in  Daumen  und  Zeigefinger  der  linken  Hand,  welche 
mit  einem  Handtuch  bedeckt  ist,  klemmt  sie  zwischen  eine  Falte  des 
letzteren,  hält  die  Objectträger  etwas  schräge  aufwärts  und  giesst  auf  ihr 
oberes  freies  Ende  einige  Tropfen  Aetheralkohol,  deren  Menge  sich  nach 
dem  Fettgehalt  des  Materiales  richtet  und  die  im  Nu  alles  durch  die 
Wärme  verflüssigte  Fett  in's  Handtuch  abwärts  spülen.  Hierauf  tropft 
man  sofort  2  Tropfen  Borax  -  Methylenblaulösung  (Borax,  Methylenblau 
aa  1,  Aqu.  dest.  100*0)  auf  den  einen  Objectträger,  deckt  ihn  wieder 
kreuzweise  mit  dem  andern,  wodurch  sich  die  angewandte  minimale 
Quantität  der  Farblösung  gleichmässig  über  das  ganze  Präparat  ausbreitet, 
und  hält  die  gekreuzten  Objectträger  10 — 20  Secunden  über  die  Flamme. 
Nach  sauberem  Abspülen  mit  Wasser  werden  die  Präparate  entweder 
gleich  weiter   entfärbt  oder  ohne  Weiteres  über  der  Flamme  getrocknet. 

Alle  seine  einschlägigen  Färbungsversuche  hat  Verf.  an  genau  in 
der  beschriebenen  Weise  hergestellten  Druckpräparaten  durchgeführt« 
Controlirt  wurden  aber  alle  Versuche  an  2  Serien  von  Schnitten,  erstlich 
von  gewöhnlichen,  meist  doppelt  gefärbten  Schnitten  verschiedener  Der- 
matosen (bes.  Acne,  Ekzem,  Furunkel),  sodann  an  speciell  hierfür  her- 
gerichteten Comedonenschnitten,  die,  nach  Unna,  ein  besonders  brauch- 
bares Object  zum  Studium  der  verschiedensten  Hompilze  abgeben.  Zur 
Herstellung  derselben  verfährt  Unna  folgendermassen : 

Von  frisch  entnommenen  Comedonen  werden  die  grössten  und  ge- 
radesten Exemplare  herausgesucht  und,  unentfettet,  wie  sie  sind,  alle  mit 
den  Köpfen  nach  oben  in  eine  mit  warmer  Agarlösung  ausgegossene 
Rinne  versenkt.  Letztere  wird  hergestellt  durch  zwei  dicht  neben  ein- 
ander mit  einer  Harz  -  Wachs  -  Mischung  auf  Glas  aufgeklebte  ,  circa 
1  (>tm.   hohe  Glasleiste,    deren    Zwischenraum   e*wa  2  Mm.   beträgt    und 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  239 

an  beiden  Enden  ebenfalls  durch  vorgeklebte  Glasleisten  geschlossen 
wird.  Das  Agar  erstarrt  nach  einigen  Minuten,  wenn  man  die  Glasplatte, 
die  während  des  fiinsenkens  warm  (z.  B.  auf  Dampf)  stehen  muss,  er- 
kalten lässt.  Nach  Wegnahme  der  Glasleisten  hat  man  ein  durchsichtiges 
Agarplättchen  gewonnen,  welches  alle  Comedonen  in  derselben  Richtung 
liegend  enthält.  Dasselbe  wird  in  kleine,  je  zwei  bis  drei  Comedonen 
enthaltende  Stücke  zerschnitten,  welche  in  Alkohol,  Aether  und  Gelloidin 
kommen,  wobei  sie  zugleich  entfettet  werden.  Mit  dem  Mikrotom  lassen 
sich  dann  feinste  Schnitte  in  Masse  durch  die  Comedonen  herstellen. 

Bei  der  Beurtheilung  der  Leistungsfähigkeit  der  einzelnen  Metho- 
den wurde  wesentlich  auf  2  Mikroorganismenarten  Rücksicht  genommen, 
welche  sich  in  ihrer  Tingibüität  möglichst  verschieden  verhalten  und 
leicht  in  grösserer  Menge  in  den  Homgebilden  der  Haut  anzutreffen 
sind:  1.  die  Sporen  von  Malasse z,  welche  bei  jeder  Pityriasis  ca- 
pitis die  Hornschicht  in  reichlicher  Zahl  durchsetzen,  und  2.  ein  sehr 
kleiner,  in  Glocamasse  eingebetteter  Bacillus,  welcher  in 
keinem  Comedo  vermisst  wird  und  auch  sonst  alle  in  Zersetzung  und 
Verfärbung  begriffene  Hornsubstanzen  begleitet.  Erstere  bezeichnet  Unna, 
da  er  die  Hefenatur  derselben  nicht  mit  Bizzozero  anerkennen  kann, 
sie  vielmehr  für  Bacillensporen  hält,  als  grosse  „Flaschenbacillen'', 
letztere  als  kleine  „Hornbacillen".  Manche  sonst  gute  Methoden  stellen 
ausschliesBlich  erstere  dar,  nur  wenige  speciell  die  letzteren,  da  ihre 
Farbenreactionen  derjenigen  der  Hornschicht  selbst  allzu  nahe  kommen; 
wieder  andere  Methoden  lassen  beide  Arten  gleich  g^t  hervortreten. 

Die  Schwierigkeit  einer  distincten  Färbung  der  Mikroorganismen 
in  den  Hornsubstanzen  beruht  darauf,  dass  letztere  eine  ähnlich  starke 
Affinität  zu  den  basischen  Anilinfarbstoffen  besitzen,  wie  erstere  und 
mithin  entweder  leicht  zu  stark  mitgefarbt  oder  zu  wenig  entfärbt  werden, 
oder  aber  bei  erzwungener  Entfärbung  nichts  mehr  von  den  darin  ent- 
halten gewesenen  Bakterien  erkennen  lassen,  weil  diese  ebenfalls  entfärbt 
werden.  Es  kommt  also  auf  die  Auswahl  geeigneter  Färbungs-  und  Ent- 
färbungs-  resp.  Umfärbungsmittel  an,  um  die  immerhin  und  zwar  zu 
Gunsten  der  Bakterien  vorhandene  graduelle  Differenz  in  der  Afttnität  zu 
den  Anilinfarbstoffen  zum  Zw^ecke  einer  isoürten  Färbung  der  Bakterien 
in  den  Homgeweben  auszunutzen.  Diesen  Zweck  hat  nun  Unna,  zum 
Theile  in  Anlehnung  an  die  schon  bekannten  Methoden  von  v.  Schien, 
Bizzozero  und  Boeck,  aber  unter  wesentlicher  Erweiterung  und  Ver- 
vollkommnung derselben,  in  sehr  verschiedener  Weise  erreicht.  Er  gruppirt 
seine  bezüglichen  Methoden  nach  der  von  ihm  in  seiner  bekannten  Studie : 
„Die  Entwicklung  der  Bakterienfärbung  (Jena  1888,  G.  Fischer)  aufge- 
stellten Einth eilung,  wonach  die  Färbungen  in  monochromatische  und 
polychromatische  zerfallen  mit  folgenden  Unterabtheilungen: 

1.  Monochromatische  Färbungen; 
a)  directe  Färbungen, 

1.  in  verdünnten  Lösungen, 

2.  in  abgeschwächten  Lösungen; 


240  Ledermann  und  Ratkowski. 

b)  indirecie  Färbungen, 

1.  Entfärbung  durch  physikal.  Mittel  (Alkohol,  Anilin^ 
'  Oxydationsmittel  und  Alkohol), 

2.  Entfärbung   durch   chemische   Mittel    (Säuren    und 

Alkohol,  Salze  und  Alkohol,  Jod  und  Alkohol,  Reda* 
centia). 
2.  Polychromatische  Färbungen; 

a)  zwei-  oder  mehrzeitige  Färbung, 

1.  Contrastfarbung  farbloser  Gewebsreste, 

2.  partielle  Umfarbung  des  Gewebes; 

b)  einseitige  Färbung. 

Der  Weg  der  directen  Färbung  mittels  verdünnter  resp.  abge- 
schwächter Lösungen  ist  schon  in  Bizzozero's  Verfahren  eingeschlagen. 
Unna  verbesserte  dies  Verfahren  durch  Anwendung  verschiedener  noch 
stärker  abgeschwächter  Lösungen,  als  sie  der  italienische  Forscher  be- 
nutzt hatte,  z.  B.  Mischungen  von  Glycol  und  Methylenblaulösung  zu 
gleichen  Theilen  oder  von  Glycerinäther :  1  Tropfen  mit  2  Tropfen  der 
Farblösung.  Den  Weg  der  indirecten  Färbung  hatte  bereits  Boeck  mit 
seiner  Methode  der  Entfärbung  der,  durch  Borax  —  Methylenblau  vorge- 
farbten  Präparate  mittels  Resorcins  betreten.  Unna  hat  auch  hier  eine 
grosse  Zahl  neuer,  auf  diesem  Darstellungsprincip  gegründeter  Einzel- 
methoden ausfindig  gemacht,  unter  welchen  namentlich  diejenigen  auch 
theoretisch  von  Literesse  sind,  welche  die  Entfärbung  d.  h.  die  Differen- 
cirung  zwischen  Homgewebe  und  Mikroorganismen,  durch  die  von  Unna 
hierbei  neu  eingeführte  Combination  chemischer  und  physikalischer  Ent- 
färbungsmittel, nämlich  der  Salze  und  der  Oxydationsmittel,  specieller 
gesagt,  der  verschiedensten  Salze  und  des  Wasserstoffsuperoxyds,  be- 
wirkten. —  Der  Weg  der  polychromatischen  Färbung  war  durch  von 
Schien  mit  seiner  hier  einschlägigen  Methode  („Contrastfarbung  farb- 
loser Reste"),  welche  sich  im  Wesentlichen  mit  der  Koch-Ehrlich'schen, 
zur  Darstellung  der  Tuberkelbacillen  im  Gewebe  verwandten  Doppel- 
färbung deckt,  inaugurirt  worden.  Von  Schien 's  Methode  eignet  sich 
indessen,  nach  Unna,  nur  für  die  Darstellung  der  ELaarbakterien  gut; 
andere  Homsubstanzen  als  die  Haare  halten  den  ersten  Farbstoff,  der 
Säure  gegenüber,  nicht  genügend  fest,  so  dass  sie  dann  zu  leicht  in  der 
zweiten  Farbe  mitgefarbt  werden.  Die  wenigen  Verbesserungen,  die 
Unna  hier  seinerseits  erzielt  hat,  betreffen  hauptsächlich  die  Einführung 
der  Minimalfarbungen  als  Nachfurbung  und  den  Gebrauch  des  Glycols  und 
der  Salz-ILjO,-Methode  zur  zweiten  Entfärbung.  Noch  weniger  als 
die  Contrastfarbungsmethoden  haben  Unna  bisher  die  Versuche,  mittels 
der  andern  polychromatischen  Methoden  die  „Umfärbungen"  und  die  ein- 
seitige polychromatische  Färbung  mittels  „Farbengemisches",  reine  Ge- 
genfarbungen  von  Homsubstanzen  und  der  darin  enthaltenen  Mikroorga- 
nismen herzustellen  gelingen  lassen. 

Ln  „speciellen  Theile"  werden  nun  von  Unna  die  einzelnen  neuen 
Methoden  —  24  an  Zahl  —  eingehend  besprochen  und  der  Technicismus 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  <i<T  Dermatologie.  241 

sowie  die  Färbnngsreenltate  derselben  an  den  oben  erwähnten  Tastob- 
jecten  genau  angegeben.  Wir  begnügen  uns  diesbezüglich,  den  von 
Unna  selbst  dargebotenen  Aoszng  wiederzugeben,  in  welchem  er  die- 
jenigen unter  den  angeführten  Methoden  noch  einmal  genaoer  beschreibt 
und  zusammenstellt,  weiche  am  einfachsten  auszuführen  sind  und  für  die 
gewöhnlich  vorkommenden  Falle  auch  wohl  immer  ausreichen  dürften. 
Auch  bei  diesen  „Formeln^  g^t  Unna  von  dem  regelrecht  mit  Borax- 
Methylenblau  in  der  oben  referirten  Weise  vorgeförbten  Schnitt^  oder 
Druckpräparate  aus.  In  der  folgenden  Zusammenstellung  bedeutet  Bmb.: 
Borax-Methylenblau  ^Borax,  Methylenblau  aa  1,  Aq.  dest.  100). 

L  Styronmethode. 
Druckpräparate :  Schnittpräparate : 

1.  Bmb.  1  Minute.  1.  Bmb.  1  Minute. 

2.  Abspül,  in  Spiritus  10  Secunden.  2.  Spiritus  10  Secunden. 

3.  Kntfarb.  in  Styron  2  Min.  3.  Styron  2  bis  5  Minuten. 

4.  Abspfil.  in  Xylol.  4.  Xylol  oder  Cedernöl. 

5.  Balsam.  5.  Balsam. 

IL  Glykolmethode. 
Druckpräparate :  Schnittpräparate : 

1.  Bmb.  1  Minute.  1.  Bmb.   '/,  Minute. 

2.  Abspül,  in  Wasser.  2.  Abspül,  in  Wasser. 

3.  Entfärb,  in  Glykol  2—5  Min.  3.  Glykol  5  Minuten. 

4.  Abspül,  in  Wasser.  4.  Abspül,  in  Wasser. 

5.  Abspül,  in  Alkohol.  5.  Alkohol  absolutus. 

6.  Trocknen  über  der  Flamme.  6.  Oel  (Bergamott,  Cedem). 

7.  Balsam. 

III.  Glycerinäther-Mischungsmethode. 

(Die  Glyceriiiäthermischung  kann  bezogen  werden  von  Schuchardt,  Görlitz.) 

Druckpräparate :  Schnittpräparate : 

1.  Bmb.  2  Minuten.  1.  Bmb.  2  Minuten. 

2.  Abspül,  in  Wasser.  2.  Wasser. 

3.  Glycerinäther  2  Minuten.  3.  Glycerinäther  2  Minuten. 

4.  Abspül,  in  Wasser.  4.  Wasser. 

5.  Trocknen  über  der  Flamme.  5.  Antrocknung. 

6.  Balsam.  6.  Balsam. 

IV.  Essigmethode. 
Druckpräparate :  Schni  ttpräparate : 

1.  Bmb.  2  Minuten.  1.  Bmb.  5  Minuten. 

2.  Abspül,  in  l7o  Essigsäure.  2.  1%  Essigsäure  2  Secunden. 

3.  Abspül,  in  Wasser.  3.  Alkohol  absolutus. 

4.  Abspül,  in  Alkohol.  4.  Oel. 

5.  Trocknen  über  der  Flamme.  5.  Balsam. 

6.  Balsam. 

ArehlT  f.  DermAtoL  u.  Syphil.  Band  XXYII.  n^ 


242 


Ledermann  und  Ratkowski. 


Y.  Säuremethode  für  Iprocentige  Oxalsäure^  Iprocentige 
Gitronensäure  oder  Iproc.  Arsensäure. 


Druckpräparate : 

1.  Bmb.  5  Minuten. 

2.  Säurelösung  5  Secunden. 

3.  Abspül,  in  Wasser,  ev.  Alkohol. 

4.  Trocknen  über  der  Flamme. 

5.  Balsam. 


Schnittpräparate : 

1.  Bmb.  5  Minuten. 

2.  SäurelÖBung  7, — 1  Minute. 

3.  Alkohol  absolutus. 

4.  Oel. 

5.  Balsam. 


VT.  Hydroxylaminmethode. 


Druckpräparate : 

1.  Bmb.  5  Minuten. 

2.  Abspül,  in  Wasser. 

3.  l'/o  Hydroxylaminlösung  5  See. 

4.  Abspül,  in  Alkohol. 

6.  Trocknen  über  der  Flamme. 
6.  Balsam. 


Schnittpräparate  : 

1.  Bmb.  2  Minuten. 

2.  Wasser. 

3.  Hydroxylamin  V2  Minute. 

4.  Alkohol  absolutus. 

5.  Oel. 

6.  Balsam. 


VII.  Seifenmethode. 


Druckpräparate : 

1.  Bmb.  2  Minuten. 

2.  17,  neutrale  wässerige  Seifen- 

lösung 5  Secunden. 

3.  Abspülung  in  Wasser. 

4.  Abspül,  in  Alkohol. 

5.  Trocknen  über  der  Flamme. 


Schnittpräparate : 

1.  Bmb.  2  Minuten. 

2.  Seifenlösung  '/^  Minute. 

3.  Wasser  10  Secunden. 

4.  Alkohol  absolutus  1 — 2  Minuten. 

5.  Oel. 

6.  Balsam. 


6.  Balsam. 

VIII.  Kochsalz- Wasserst  off  superoxydmethode. 


Druckpräparate : 

1.  Bmb.  5  Minuten. 

2.  1%  Kochsalzlösung  5  Secunden. 

3.  Wasser. 

4.  Abspülung  in  Alkohol. 
6.  37«  H,  0-j  -Lösung  5  See. 

6.  Abspül,  in  Alkohol. 

7.  Trocknen  über  der  Flamme. 

8.  BaUam. 

IX.  Resorcinmethode. 


Schnitt  Präparate : 

1.  Bmb.  2  Minuten. 

2.  Kochsalzlösung  V«  Minute. 

3.  H,0, -Lösung  10  Secunden. 

4.  Alkohol  absolutus  10—20  See. 

5.  Oel. 

6.  Balsam. 


Druckpräparate : 

1.  Bmb.  5  Minuten. 

2.  57«  Wässer.  Resorcinlös.  10  See. 

3.  Glycerinäthermischung  (oder  17© 

Oxalsäurelösung)  10 — 20  See. 

4.  Abspül,  in  Wasser. 

5.  Abspül,  in  Alkohol. 

6.  Trocknen  über  der  Flamme. 

7.  Balsam. 


Schnittpräparate : 

1.  Bmb.  5  Minuten. 

2.  57o  Wässer.  Resorcinlös.  2  Min. 

3.  Grlycerinäthermischung  (oder  17# 

Oxalsäurelösung)  y«  Minute. 

4.  Wasser. 

5.  Alkohol  absolutus. 

6.  Oel. 

7.  Balsam. 


Die  mikroskopi  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  243 

X.  Hydrochinonmethode. 
Druckpraparate :  Schnittpraparat  e : 

1.  Bmb.  V,  Minute.  1.  Bmb.   '/,  Minute. 

2.  1%  spirituöse  Hydrochynonlösung      2.  Hydrochinonspiritus    V« — V»  Min. 

'/,  Minute.  8.  Anilinöl  5 — 10  See. 

3.  Abspül,  in  Alkohol.  4.  Xylol  oder  Cedernöl. 

4.  Anilinöl  '/i  Minute.  5.  Balsam. 

5.  Abspül,  in  Alkohol. 

6.  Trocknen  über  der  Flamme. 

7.  Balsam. 

Isolirung  von  Epithelzellen. 

Zur  Isolirung  von  Epithelzellen  empfiehlt  Schieferdecker  fol- 
gende Methode:  Er  löst  Pancreatinum  siccum  (bezogen  von  Witte, 
Rostock)  in  einigen  Ccm.  Wasser,  so  viel  sich  in  der  Kälte  löst,  auf, 
filtrirt  und  giesst  die  erhaltene  Lösung  in  ein  Schälchen.  Da  hinein 
kommt  ein  Stückchen  frische  Haut,  worauf  das  zugedeckte  Schälchen  in 
einen  Brutofen  oder  überhaupt  an  einen  wärmeren  Ort,  z.  B.  in  die  Nähe 
eines  Ofens  gestellt  wird,  so  dass  die  Flüssigkeit  Körpertemperatur  oder 
eine  etwas  niedrigere  Temperatur  annimmt.  Nach  3—4  Stunden  ist  die 
Maceration  so  weit  vorgeschritten,  dass  man  die  Epithelzellen  mit  einer 
Nadel  abschaben  kann.  Man  spült  dann  das  Stückchen  Haut  in  Wasser 
ab,  legt  es  in  eine  Mischung  von  Glycerin,  Wasser,  Alkohol  aa  (von 
Merkel  früher  für  Untersuchung  der  Retina  angegeben),  worin  es  sich 
Jahre  lang  hält.  Die  Epidermiszellen  sitzen  fest  an  einander,  die  Kerne 
sind  deutlich  sichtbar,  die  Stacheln  der  Rilfzellen  erhalten. 

Eine  andere  Methode  zu  gleichem  Untersuchungszweck  schildert 
Löwy,  ein  Schüler  BlaschkoV  Durch  Blaschko  wurde  eine  neue 
Methode  für  die  Betrachtung  des  Baues  der  Oberhaut  eingeführt,  indem 
er  die  Unteriläche  der  Epidermis  als  Ausgangspunkt  der  Untersuchung 
nahm  und  die  Oberhaut  faultodter  Fische  theils  feucht  in  Glycerin,  theils 
trocken  untersuchte.  Dem  Mangel  dieser  Methode,  der  darin  bestand, 
dass  die  Herstellung  der  Präparate  durch  Kochen  oder  Fäulniss  unsichere 
Resultate  lieferte,  wurde  abgeholfen,  als  Philippson  durch  seine  Arbeit 
über  Herstellung  von  Flächenbildem  der  Oberhaut  und  der  Lederhaut 
(Monatshefte  f.  prakt.  Dermat.  Bd.  VHI,  pag.  389)  die  Trennung  der 
Oberhaut  und  Lederhaut  auf  chemischem  Wege  herbeiführte.  Er  legte 
Hautstückchen  je  nach  ihrer  Grösse  1 — 3  Tage  in  '/j — '/^  procentige 
Essigsäure,  fagte,  um  Fäulniss  zu  vermeiden,  einige  Tropfen  Chloroform 
hinzu  und  war,  da  die  verschiedene  Quellungsfahigkeit  der  Epidermis 
und  Cutis  eine  Trennung  beider  bewerkstelligte,  im  Stande,  die  Oberhaut 
als  feinen  Schleier  von  der  darunter  liegenden  Lederhaut  abzuziehen. 
Im  Verfolg  dieser  Methode  und  auf  Anregung  B 1  a  s  c  h  k  o's  erhielt  Löwy 
gleich  gute  Resultate  durch  Maceration  mittels  einer  Gprocentigen 
Holzessiglösung,  welche  er  für  zartere  Gewebe,  z.  B.  die  Epidermis 
der  weiblichen  Sexualorgane  schwächer,   bis  zu  1*/,   nahm.    Dabei  setzte 

16* 


244  Ledermanii  und  Ratkownky. 

er  die  Haut  einer  constanten  Wärme  von  40*  aw.  Haarreiche  Stellen  ra- 
sirte  er  vorher  und  konnte  dann  nach  24 — 48  Standen  die  Oberhaut  a(»- 
ziehen.  Annähernd  gleiche  Resultate  wurden  mit  Citronensäure  in 
schwacher  Lösung  erzielt,  wie  schon  Philipsohn  angibt,  femer  mit 
Salzsäure.  Verf.  nimmt  an,  dass  alle  organischen  und  Mineralsäoren  in 
geeigneter  Concentration  mehr  oder  weniger  günstige  Resultate  Hefem 
würden. 

Verbornung. 

Zur  Untersuchung  der  Yorhomung  der  menschlichen  Haut  folgt 
Behn  einer  Anregung  seitens  Unna  (Studien  über  die  Homschicht  der 
menschlichen  Oberhaut,  speciell  über  die  Bedeutung  des  Stratum  lucidum. 
Oehl,  Kiel  1887),  welcher  den  Satz  aufstellt:  „In  Zukunft  wird  man  spe- 
cifisch  gefärbte  Gewebe  zu  verdauen  und  Reste  der  verdauten  Gewel>e 
specifisch  zu  färben  und  endlich  die  isolirten  Resultate  beider  Methoden 
sorgfaltig  zu  vergleichen  haben.''  Behn  hat  von  dem  Arbeiten  mit 
Trypsin  ganz  abgesehen,  um  vor  dem  Verschwinden  homhaltiger  Sub- 
stanzen ganz  sicher  zu  sein,  und  hat  dio  Pepsin-Salzsäure  ganz 
allein  als  Verdauungsflüssigkeit  benutzt.  Im  Anfang  stellte  er  sich  die 
Lösung  nach  Hoppe-Seiler  aus  der  thierischen  Magenschleimhaut  her, 
später  benutzte  er  conservirte  Pepsinpräparate  und  empfiehlt  namentlich 
den  Vin.  pepsini  (Blell),  weil  das  Arbeiten  mit  dem  ein  Glycerin- 
extract  von  Pepsin  darstellenden  Pepsinweine  ausserordentlich  bequem  sei. 
Die  dazu  benutzte  Lösung  bat  folgende  Zusammensetzung: 

4  Theile  Vinum  pepsini  (Blell). 
2       „      Acid.  muriat.  officinal. 
125       „       Aq.  dest. 

Die  Schnitte  wurden  in  dieser  Lösung  4 — 10  Stunden  auf  einer 
Temperatur  von  87 — 40"  C.  erhalten,  stark  ausgewaschen,  so  dass  alle 
Säure  entfernt  war,  und  dann  verschiedenen  Färbemethoden  unterworfen. 


KentMhyafin  will 

Zur  Darstellung  der  Keratohyalins  empfiehlt  Mertsching  folgende 
Methode:  Die  Hautstücke  werden  spätestens  eine  halbe  Stunde  nach  dem 
Tode  in  eine  conservirende  Flüssigkeit:  Chromsäure,  Müller'sche 
Flüssigkeit,  Alkohol  gelegt.  Dann  mit  Nelkenöl  oder  nach  Bütscbli 
mit  Chloroform,  Chloroform-Paraffin  weiter  behandelt.  In  Paraffin  mit 
etwas  Wachs  eingebettet  und  mit  Hilfe  eines  J ungesehen  Mikrotoms 
geschnitten.  Die  zu  diesem  Zwecke  ganz  besonders  fein  herzustellenden 
Schnitte  wurden  mit  Eiweiss-Glycerin  auf  dem  Objectträger  befestigt,  das 
Paraffin  durch  Wasserdämpfe  und  Abspülen  in  Terpentin  und  Beseitigung 
des  letzteren  durch  Alkohol  entfernt  und  mit  Bismarckbraun,  Saf- 
franin,  Alauncarmin,  Carmin-Pikrocarmin,  Gentianaviolett 
etc.  gefärbt. 

Ran  vieres  Untersuchungsmethode  über  das  Eleidin  besteht  in  der 
Anwendung  von  ammoniakaÜschem  Pikrocarmin  (1  :  1000)  auf  in  Alkobo 


Die  mikroskop.  Technik  im  Divnsfe  der  Dermatologie.  245 

gehärtete  Präparate.  Am  besten  ist  eine  kurze  Einwirkung  von  367o  Alkohol 
wahrend  24  Standen;  Untersuchung  in  Glycerin.  —  Auch  mit  Hämato- 
xyKn  lässt  sich  das  Eleidin  in  Präparaten  von  Müller'scher  Flüssigkeit 
oder  doppelt  chromsaurem  Ammoniak  färben.  Säuren  entfärben  daH 
Eleidin  und  daher  muss  das  Glycerin  neutral  sein. 

Mit  dem  Hyalin,  welches  eine  eoHoide  Substanz  ist,  hat  das  flüssige 
Eleidin  nichts  Verwandtes. 

Unter  den  Arbeiten  über  Keratohyalin  und  Eleidin  haben  besonders 
aufklarend  und  instructiv  gewirkt  die  Untersuchungen  von  B  u  z  z  i.  Er  hat 
bekanntlich  die  Widerspruche  über  die  Katur  der  Körner  und  Tropfen, 
welche  in  der  Uebergangszone  zwischen  Stachel-  und  Homschicht  vor- 
kommen, und  welche  Ranvier  für  eine  Huile  essencielle  hält,  die 
VTaldeyer  und  Unna  aber  nach  der  älteren  Anschauung  für  solide,  dem 
Hyalin  nahe  stehende  Ausscheidungen  des  Zellprotoplasmas  erklären,  in 
der  Weise  geklärt,  dass  er  jene  Gebilde  als  zwei  ganz  verschiedene  Sub- 
stanzen unterschieden  hat.  Die  eine  erscheint  beim  Aufschneiden  von 
irischen  Schnitten  frei  auf  der  Schnittfläche  der  basalen  Homschicht  in 
Form  von  Tropfen  eines  flüssigen  Fettes,  welche  sich  leicht  verwischen 
lassen  und  ausser  der  rothen  Tingirung  mit  dem  rothen  Pikrocarmin 
Ranvier *s  noch  folgende  Reactionen  besitzen:  sie  färben  sich  mit  Al- 
kanna, Osmiumsänre,  Spritlöslichem  Nigrosin,  sulfosaurem 
Nigrosin  und  einer  Reihe  von  ätherischen  Farbextracten,  dagegen 
nicht  mit  Hämatoxylin.  Die  andere  Substanz  tritt  in  Form  von 
Körnern  innerhalb  der  Zellen  der  Kömerschicht  auf,  lässt  sich  selbst  beim 
Anschneiden  der  Zellen  der  Kömerschicht  nicht  wegwischen  und  färbt 
sich  ausser  mit  dem  Pikrocarmin  Ranvier 's  in  speeifischer  Weise 
mit  Hämatoxylin,  mit  der  Pararosanilin-Jod-Methode  und  mit 
Rothkohlextracten,  ist  dagegen  nicht  farbbar  durch  Alkanna,  Nigrosin 
und  die  anderen  Fett  färbenden  Substanzen.  Die  zuerst  beschriebene 
Substanz  entspricht  dem  Eleidin  Ranvier 's,  die  zuletzt  beschriebene 
dem  Keratohyalin  Waldeyer's. 

Einen  eigenartigen  Befbnd  in  den  tieferen  Schichten  der  Epidermis, 
von  dem  es  zweifelhaft  ist,  ob  es  sich  um  eine  Fettsubstanz  oder  um 
einen  an  dem  Aufbau  des  Pigments  betheiligten  Körper  bündelt,  beschreibt 
Ledermann  in  seinen  Arbeiten:  „Der  Fettgehalt  der  normalen  Haut 
und  „Ueber  die  Osmirung  der  normalen  Haut".  Es  gelang  ihm  mittels 
Ueberosmiumaäure  in  den  tieferen  Schichten  des  Epithels  kleine,  schwarz 
gefiirbte  Kömchen  nachzuweisen,  welche  sich  ausserdem  in  geringer  Menge 
im  P^pillartheil  der  Cutis,  stets  in  massiger  Menge  in  den  Knäueln  der 
Schweissdrüsen ,  nie  in  den  geraden  Theilen  der  Schweissdrnsenausfnh- 
mngsgänge  vorfanden.  Die  Herstellung  der  Präparate  geschah  in  der  Art, 
dass  die  dem  Lebenden  oder  der  Leiche  entnommenen  Hautstückchen 
zunächst  24  Stunden  im  Dunkeln  in  1,  besser  27«  Ueberosmiumsäure 
fixirt,  dann  12 — 24  Stunden  in  fliessendem  Wasser  ausgewaschen  und 
entweder  tSar  mehrere  Tage  (je  länger,  desto  besser)  in  absolutem  Alkohol 
Hpriiirtet  oder  sofort  mit  dem  Gefriermikrotom  geschnitten  wurden.    Die 


246  Lederniann  und  Ratkowski. 

in  Alkohol  gehärteten  Stückchen  kamen  direet  aus  dem  Alkohol  in  dünne^ 
später  dickere  Celloidinlösung,  nicht  erst,  wie  sonst  bei  Celloidin-Einbettong 
üblich,  in  Alkohol  und  Aether,  da  diese  Mischung  Fett  und  auch  osmirtes 
P>tt  auflöst.  Nach  genügend  langer  Celloidindurchtrankung  wurden  sie  auf 
einem  Korken  oder  Holzplättchen  befestigt  und  in  einer  Lösung  von  Chlore- 
form-Glycerin-Alkohol  bis  zum  Schneiden  aufbewahrt.  Für  die  Conser- 
virung  der  Celloidinschnitte  ist  zu  beachten,  dass  die  zur  Aufhellung  ge- 
wöhnlich benutzten  ätherischen  Oele  mehr  oder  minder  eine  Auflösung 
und  Entfärbung  der  Osmiumniederschläge  bewirken.  Als  einzig  brauchbar 
bewährte  sich  Kelkenöl,  das  gleichzeitig  zum  Entcelloidiniren  diente,  da 
die  Anwendung  von  Alkohol  und  Aether  ausgeschlossen  werden  muss. 

Bergamottöl  und  Terpentinöl  sind  nicht  zu  verwerthen.  Letzteres 
leistet  sehr  gute  Dienste,  wenn  man  die  Osmiumniederschlage  sehr  schnell 
entfärben  will,  um  bei  dunklem  Pigment,  welches  eine  Unterscheidung  von 
den  Osmiumkömehen  erschwert,  schnell  einen  Ueberblick  über  die  Anzahl 
der  letzteren  zu  gewinnen.  Je  länger  die  Stücke  in  Alkohol  nachgehärtet 
sind,  um  so  schwerer  erfolgt  die  Auflösung  der  Niederschläge.  Nächst 
Nelkenöl  lässt  sich  zum  Aufhellen  noch  Xylol  mit  einigem  Yortheil  ver- 
wenden. Die  durch  Nelkenöl  oder  Xylol  aufgehellten  Schnitte  werden  am 
besten  in  reinen  Canadabalsam  eingeschlossen.  Die  Erwärmung  des  reinen 
Balsams  muss  vorsichtig  geschehen,  da  höhere  Temperaturen  die  Osmium- 
Niederschläge  gleichfalls  zerstören.  Der  Paraffin-Eiuschluss,  der  sich 
übrigens  nur  für  fötale  Haut  gut  eignet,  geschah  so,  dass  die  gehärteten 
Stücke  zuerst  in  Nelkenöl,  dann  in  Nelkenöl-Paraffin  und  zuletzt  in  reinem 
Paraffin  bei  der  Schmelzpunkt-Temperatur  im  Brutofen  präparirt  wurden. 
Die  Paraffin-Schnitte  kamen  dann  wieder  in  Nelkenöl  und  zuletzt  in  Ca- 
nadabalsam. Für  Gefrier-  und  auch  für  Celloidinschnitte  wurde  der  Ein- 
schluss  in  Canadabalsam  durch  Benutzung  des  Glycerin-Einschlusses  zu 
ersetzen  gesucht.  Jedoch  erfolgt  nach  kürzerer  oder  längerer  Zeit  oft 
bei  sorgfaltigem  Lackverschluss  eine  diffuse  Bräunung  der  Schnitte  und 
des  umgebenden  Glycerins,  so  dass  die  Erfahrungen  nicht  für  eine  Ver- 
wendung dieser  vielfach  empfohlenen  Einschlussmethode  sprechen.  Das- 
selbe gilt  für  den  Einschluss  in  Glycerin-Leim  oder  Farrantscher  Lösung. 
Die  Reduction  der  Ueberosmiumsäure  lässt  sich  verstärken,  wenn  man  os- 
mirte  Schnitte  für  einige  Zeit  in  rohen  oder  verdünnten  Holzessig  bringt, 
die  dadurch  gewonnenen  sehr  schönen  Bilder  sehen  wie  Holzschnitte  aus. 
Zur  Contrastfärbung  von  Celloidin-  oder  Gefrierschnitten  eignen  sich  am 
besten  Canninfarben,  besonders  das  Pikrocarmin,  andere  Farben  nehmen 
osmirte  Schnitte  nur  schwer  an.  Will  man  sie  aus  irgend  welchem  Grunde 
mit  Hämatoxylin  färben,  so  empfiehlt  es  sich,  die  Schnitte  für  einige  Zeit 
in  Mülle r'scher  Flüssigkeit  bei  Brutofentemperatur  zu  halten,  dann 
gründlich  auszuwaschen  und  zu  färben. 

Herxheimer's  Fasern  und  Nachweis  des  Fibrins  in  den  Geweben. 

Herxheimer  beschrieb  in  dem  5.  Heft  des  Archivs  für  Dermato- 
logie und  Syphilis,  Jahrgang  1889  p.  645,  gewundene,  in  der  menschlichen 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  247 

Oberhaut  verlaufende  Fasern,  über  deren  Bedeutung  er  nicht  zu  einer  defi- 
nitiven Entscheidung  kam.  Bevor  wir  jedoch  auf  die  dazu  verwendete 
Färbung  eingehen,  müssen  wir  auf  zwei  Arbeiten  recurriren,  welche  sich 
auf  den  Nachweis  des  Fibrins  in  den  Geweben  beziehen. 

Die  von  Weigert  veröffentlichte  neue  Färbungsmethode  des 
Fibrins  stellt  sich  als  eine  Modiücation  der  Gram 'sehen  Färbung  dar. 
Die  Schnitte  werden  aus  dem  Alkohol  in  eine  farbstoffgesättigte  Gen- 
tiana-  oder  Methylviolett-Anilinwasserlösung  übertragen,  ver- 
bleiben in  derselben  wie  bei  der  Gram'schen  Färbung  einige  Minuten 
oder  auch  längere  Zeit,  werden  in  Cblomatriumlösung  abgespült  und 
dann  1 — 2  Minuten  in  die  Jod-Jodkalilösung  (Jod  1  :  Jodkali  2  :  Aq. 
dest.  300)  eingelegt.  Aus  dieser  Lösung  bringt  man  sie  mit  dem  Spatel 
auf  den  Objectträger,  trocknet  mit  Fliesspapier  sorgfaltig  ab  und  setzt 
einige  Tropfen  Anilinöl  hinzu.  Dasselbe  färbt  sich  sogleich  dunkel  und 
wird  je  nach  Bedarf  ein  oder  mehrere  Male  erneuert,  bis  die  Schnitte 
makroskopisch  ganz  farblos  und  durchsichtig  erscheinen.  Das  Anilin 
entfärbt  nicht  nur  die  Objecto,  sondern  entwässert  sie  auch,  da  es  unter 
den  bisher  in  der  mikroskopischen  Technik  verwendeten  öligen  Substanzen 
diejenige  ist,  welche  am  meisten  Wasser  zu  absorbiren  vermag.  Man 
kann  beobachten,  wie  die  so  behandelten  Schnitte,  die  ursprünglich  ganz 
opak  sind,  im  Verlaufe  der  Einwirkung  des  Anilins  sich  vom  Rande  her 
allmälig  aufhellen,  bis  sie  schliesslich  ganz  durchsichtig  sind.  Zum 
Schluss  wird  das  Anilin  sorgfaltig  mit  Hilfe  von  Xylol  entfernt,  das  Prä- 
parat sodann  in  Xylol-Canadabalsam  eingeschlossen.  Gefärbt  bleiben  bei 
der  Anwendung  dieser  Methode  nur  Fibrin  und  dessen  hyaline  Derivate, 
viele  Mikroorganismen,  wie  Tuberkel-  und  Leprabacillen,  Pneumoniecoccen, 
Fadenpilze ;  entfärbt  dagegen  werden  unter  Anderem  auch  Typhusbacillen. 
Doppelfarbungen  erzielt  man,  wenn  man  vor  der  Methylviolett-Färbung 
irgend  eine  Carminfarbung  vornimmt.  In  Celloidin  eingebettete  Präparate 
brauchen  nicht  vor  der  Färbung  vom  Celloidin  befreit  zu  werden. 

Dieser  W  e  i  g  e  r  t'schen  Färbung,  welche  Unna  als  J  o  d-P  a  r  a  r  o  s  a- 
nilin-Anilin-Xylol-Methode  bezeichnet,  stellt  derselbe  in  Anbetracht 
der  Vielseitigkeit  der  Reaction,  der  verschieden  starken  Färbung  der 
einzelnen  Formen  und  Arten  des  Fibrins  und  drittens  wegen  der  compli- 
cirten  Art  der  Methode  eine  neue,  einfachere  Methode  entgegen,  welche 
er  Tanninmethode  nennt.  —  Sie  beruht  darauf,  dass  die  basischen 
Anilinfarben  eine  doppelte  Reihe  von  Salzen  bilden,  von  denen  die  mit 
weniger  Tannin  in  Wasser  unlöslich,  die  mit  mehr  Tannin  löslich  sind, 
und  dass  man  das  Tannin  in  concentrirter  Lösung  zur  Entfärbung  von 
basisch  gefärbten  Schnitten  verwenden  kann.  Unna  verwendet  stets  ein 
polychromes.  Methylenviolett  und  Methylenroth  enthaltendes  Methylenblau. 
Das  fadige  Fibrin  ist  schwarzblau  gefärbt  und  so  scharf  gezeichnet  wie 
bei  der  Weigert'schen  Methode.  Das  kömige  Fibrin  jedoch  scheint 
durch  Unna'a  Methode  besser  gefärbt  zu  sein,  welche  ausserdem  noch 
eine  grosse  Anzahl  anderer  Stoffe  hervorhebt,  vor  Allem  Keratin,  Hyalin, 
die    HerxheimerVhen    Spiralen    und    den    Inhalt    der    Kerne.    Die 


248  Ledermann  und  Ratkowski. 

Kerne  werden  nach  2  Kategorien  entweder  hauptsftehlieh  vom  Methylen- 
blau  oder  vom  Methylenviolett  tingirt.  Das  Methylenroth  wird  wie  ge- 
wöhnlich auf  den  Mastzellen  fixirt,  aber  aueb  aal  gewissen  Baeillenarten. 
Bas  Protoplasma  der  Plasmazellen  tritt  blau,  aber  ab  gani  homogene 
Masse  hervor. 

Die  Schnitte  aus  in  Alkohol  gehärtetem  Grewebe  müssen  möglichst 
fein  sein.  Die  Zeit  des  Tanninanfenthalts  richtet  sich  nach  der  der  Methylen- 
blaubehandlung. Besser  ist  es,  die  Methylenblaufarbung  auf  20  Minuten 
und  mehr  auszudehnen.  Am  besten  ist  es  dann,  nach  2 — S  Misnien  der 
Tannineinwirkung  den  Schnitt  in  Wasser  abzuspülen. 

Eine  Gege'niarbung  z.  B.  der  Kerne  oder  des  CoUagens,  ist  nicht 
leicht  und  im  Allgemeinen  zu  widerrathen.  Ist  eine  Färbung  des  Collagens 
in  Contrastfarbe  durchaus  wünschenswerth,  so  ist  es  noch  am  zweck- 
massigsten,  die  aus  dem  Tannin  kommenden  Schnitte  in  eine  Lösung  von 
einigen  Kömchen  reinen  Sänrefuchsins  in  concentrirter  Tanninlösang  zu 
bringen.  (Nebenbei  eine  prachtvolle  Methode  für  hyalin-degene- 
rirende  Bindegewebszellen,  die  das  Hyalin  blauviolett  in 
rothem  Protoplasma  zeigen.)    Also: 

1.  Polychrome  Methylenblaulöfung  10 — 20  Minuten. 

2.  Rasche  Abspülung  in  Wasser. 

3.  Goncentrirte  wässerige  Tanninlösung  (1  : 2)  2 — 5  Minuten. 

4.  Sorgfältige  Abspülung  in  Wasser. 

5.  Absoluter  Alkohol,  Bergamottöl,  Balsam. 

Zu  gleicher  Zeit  gibt  Unna  eine  einfach  zu  handhabende  Modifi- 
caticm  der  W  e  i  g  e  r  tischen  Fibrinfarbungsmelhode,  wie  sie  sich  in  seinem 
Laboratorium  als  praktischste  herausgebildet  hat,  und  welche  er  als  modi- 
ficirte  Jodmethode  bezeichnet.  Da  nämlich  durch  die  Weigert'sche 
Methode  Keratin  ebenso  electiv  gefärbt  wird  wie  Fibrin,  so  erhalt  man 
über  die  Fibrincoag^la  der  Homsehicht  nur  Auskunft,  wenn  das  Keratin 
gleichzeitig  durch  eine  saure  Farbe  sowohl  praoccupirt,  wie  später  noch 
einmal  umgefärbt  wird.  (Das  Gleiche  gilt  für  die  Bakterienfarbung.)  Als 
erstere  figunrt  am  zweckmässigsten  die  Pikrinsäure,  deshalb  zieht  Unna 
eine  Yorfärbung  mit  Pikrocochenille  oder  Pikrocarmin  dem 
gebräuchlichen  Alauncarmin  für  die  Haut  vor.  —  Die  Schnitte  kommen 
alsdann  statt  in  die  gebräuchliche  Anilin  -  Gentianalösung  in  folgende 
Mischung : 

Gentianaviolett  1*5 

Alaun  lO'O 

Wasser  100*0 

Dieselbe  hat  verschiedene  Yortheile:  sie  bildet  keine  theerigen 
H&utchen,  haftet  nicht  am  Glase,  lässt  sich  leicht  wieder  abspülen  und 
hält  sich  unbegrenzt  klar,  so  dass  gebrauchte  Lösungen  sich  zuroekfil- 
triren  und  wieder  benutzen  lassen.  —  Als  Jodlösung  verwendet  er  aus- 
schliesslich die  1886  von  ihm  angegebene  Mischung  von  KJ  und  H^O, 
aus  den  damals  erörterten  Gründen.  Man  improvisirt  die  Lösung  stets, 
indem  man  in  ein  kleines  Schälchen  mit  Wasser  einen  Grystall  JK  und 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  249 

einige  Tropfen  der  käuflieben  HtO^-Lösung  hineingibt.  —  Am  meisten 
modificirt  ist  die  nun  folgende  Entfärbung.  Sie  wird  mit  einer  Anilin- 
mischung  ausgeführt,  welche  Xylol  und  ausserdem  eine  entfärbende 
saure  Farbe:  Goldorange,  enthält  (von  Dr.  Grübler,  Leipzig)  und 
kaum  2  Minuten  dauert.  Man  stellt  sich  zuerst  durch  Verreiben  des 
Anilins  mit  Goldorange  eine  gesättigte  Lösung  des  Farbstoffes  dar,  filtrirt 
und  Termischt  sie  mit  dem  halben  Volumen  Xylol.  Durch  mehrfaches 
Filtriren  verschwindet  die  Trübung  und  die  klare,  haltbare  Lösung  kann 
sogar  nach  dem  Gebrauche  wieder  zurückfiltrirt  werden,  so  dass  sie  lange 
als  KntfarbuDgsfiüssigkeit  dienen  kann.  Diese  Methode  hat  nach  Unna 
mannigfache  Vorzüge,  und  wenn  er  sie  auch  der  Originalvorschrift  nicht 
als  vollkommen  gleichwertig  gegenüberstellt,  so  hält  er  sie  doch  fiir  die 
Untersuchung  der  Haut  far  sehr  werthvoll.    Das  Verfahren  ist  also: 

1.  Starke  Vorfarbung  mit  Pikrocochenille  oder  Pikrocarmin. 

2.  Gen tianaviolett- Alaunlösung  (1*5  :  10  :  100)  10  Minuten.  Abspülung 
in  Wasser. 

3.  Lösung  von  KJ  und  H^O,  1  Minute,  Abtrocknen. 

4.  Anilin-Xylol-Goldorange  (2  :  1  bis  zur  Sättigung)  2  Minuten. 
6.  Xylol,  Balsam. 

Endlich  erwähnt  Unna  noch  eine  von  Sabouraud  in  den  Annales 
de  rinstitut  Paste ur,  VI,  1892  angegebene  Methode,  eine  modificirte 
Jodmethode,  welche  der  W  e  i  g  e  r  tischen  sehr  nahesteht  und  das  Jod 
als  Differencirungsmittel,  das  Tannin  als  Fixirungsmittel 
anwendet,  und  welche  Unna  als  Tannin-Jod -Methode  bezeichnet. 
Ein  1  Cm.  langes  und  3  Mm.  dickes  Stück  beispielsweise  eines  Schankers, 
welches  man  in  Müller^scher  Flüssigkeit  fixirt  hat,  lässt  man  15 — 20 
Stunden  in  einer  Tanninlösung  von  1  :  200,  w^elche  leicht  alkoholisirt  ist 
(10  Gem.  Alkohol  auf  200  Wasser),  liegen.  Man  nimmt  dann  die  Ehr* 
lich'sche  Färbung  mit  Anilinviolett  vor  und  lässt  die  Färbung  nach 
Gram-Weigert  folgen,  wobei  man  in  der  Entfärbung  das  Amlinöl  durch 
Nelkenöl  ersetzt,  und  sieht  alsdann  auf  der  ulcerirten  Oberfläche  des 
Schankers  einen  fibrinösen  Filz,  von  welchem  ein  ausserordentlich  fein 
und  klar  gezeichnetes  intercelluläres  Netzwerk  ausgeht,  das  bis  an  die 
Grenzen  der  Neubildung  heranreicht  und  sich  hier  verliert,  indem  es 
aussieht,  als  ob  es  eine  Menge  feiner  abgeschnittener  Haare  wäre.  —  Die 
Election  des  Fibrins  ist  stark  genug,  um  eine  Doppelfarbung  mit  Eosin 
oder  Safifranin  auszuhalten.  Man  kann  auf  diese  Weise  Präparate  von 
grosser  Klarheit  und  interessantem  Aussehen  erbalten. 

Unna  findet  es  ausserordentlich  werthvoll,  dass  eine  Controle  der 
einen  Methode  durch  die  andere  möglich  ist,  während  die  Zukunft  es 
lehren  wird,  welche  von  diesen  Methoden  an  sich  die  brauchbarste  ist. 

Herxheimer  bemerkte^  dass  bei  Behandlung  tob  Schnitten  der 
menschlichen  Haut  nach  der  Gram'schen  Methode  die  ZeUmembranen  in 
der  basalen  Epidermisschicbt  zuweilen  den  Anilinfarbstoff  zurückhalten. 
Noch  deutlicher  werde  diese  Reaction,  wenn  man  die  Gram*sche  Methode 
durch  die  Weigert'sche  Fibrinfsrbungsmethode   substituire.    Man  findet 


250  Ledermaiiii  und  Ratkowski. 

dann  sehr  hänfig  die  Zellmembranen  in  der  basalen  Cylinderzellen, 
sowie  in  der  ganzen  Stachelzellenschicht  nicht  blos  difitis,  sondern  ge- 
radezu electi  V  gefärbt,  ferner  die  schon  erwähnten,  nachihmbenannten 
spiraligenFasern.  Für  die  Anwendung  der  W  e  i  g  e  r  t'schen  Methode 
für  seine  Zwecke  stellt  er  folgende  Regeln  auf: 

1.  Härtung  in  Alkohol. 

2.  Entcelloidiniren    durch    Einlegen   der  Schnitte   in  Aether,    Al- 
kohol aa. 

3.  Einlegen   der  Schnitte    auf  mindestens  2  Stunden   in   absoluten 
Alkohol. 

Die  Färbung  wird  am  besten  auf  dem  Objectträger  vorgenommen, 
die  Schnitte  kommen: 

a)  5 — 10  Minuten  in  eine  gesättigte  Lösung  von  Gentiana violett, 

b)  auf  eine  Minute  in  Lugol'sche  Lösung,  werden  dann 

c)  in    einer  Mischung   von   Xylol   und   Anilinöl   entfärbt   (bis    eine 
deutliche  tiefblaue  Färbung  beobachtet  wird), 

d)  in  Xylol  ausgewaschen  und  in  Canadabalsam  montirt. 

E d d o  w e 8  wich  in  zwei  Punkten  von  Herxheimer's  Vorschriften 
ab.  Er  entfärbte,  indem  er  für  die  Xylol- Anilinlösung  mehr  Xylol  brauchte, 
die  Schnitte  weit  länger  und  trocknete  zwischen  den  einzelnen  Entfar- 
bungRphasen  Object  und  Objectträger  mit  Filtrirpapier  gut  ab.  Er 
lies»  ferner  die  L u g o Psche  Lösung  länger,  als  esHerxheimer  that,  auf 
das  Präparat  einwirken.  Auf  diese  Weise  erhielt  er  sehr  charakteristische 
Bilder.  Die  mit  destillirtem  Wasser  hergestellte,  zur  Färbung  benutzte 
Gentianaviolett-Lösung  kann,  nachd.'m  ein  Tropfen  Chloroform  hinzu- 
gefügt ist,  stets  vorräthig  gehalten  worden.  Eine  solche  Lösung  ist 
mindestens  eben  so  gut,  wie  eine  frisch  angefertigte.  Wünscht  man  einen 
Schnitt  länger  als  5  Minuten  in  der  Farblösung  liegen  zu  lassen,  so  ver- 
meidet man  die  leicht  eintretenden  Niederschläge  dadurch,  dass  man  den 
Objectträger  mit  einem  Glasnäpfchen  bedeckt  und  vor  dem  Zutritt  der 
äusseren  Luft  abschliesst.  In  dieser  feuchten  Kammer  kann  man,  ohne 
Niederschläge  befürchten  zu  müssen,  die  Schnitte  bis  24  Stunden  in  der 
Farblösung  liegen  lassen. 

Kromayer  gibt  in  seiner  Arbeit:  „Die  Protoplasmafaserung  der 
Epithelzellen"  eine  bis  ins  Einzelne  genaue  Beschreibung  seines  Verfahrens 
mit  der  Weigert'schen  Fibrinfarbung,  wie  er  sie  nach  vielen  Versuchen 
als  die  beste  gefunden  hat,  während  im  üebrigen  diese  Arbeit  nur  mit  der 
Deutung  der  Herxheimer'schen  Fasern  sich  beschäftigt.  Als  erste 
Bedingung  für  die  Herstellung  der  Präparate  stellt  er  möglichst  dünne 
Schnitte  hin.  Er  ist  deshalb  von  der  Celloideinbettung  zur  Paraffin- 
methode übergegangen.  Das  Messer  muss  haarscharf  sein  und  halb 
schräg,  nicht  senkrecht  zum  Messerschlitten  gestellt  werden.  Bei  der 
menschlichen  Haut  muss  man  das  Präparat  so  einstellen,  dass  zuerst  die 
Epidermis  getroffen  wird.  Das  Messer  gleitet  alsdann,  nachdem  es  die 
Epidermis  und  den  Papillartheil  der  Cutis  in  feinsten  Schnitten  abgehobelt, 
an  der  derben  Cutis  ab;   bei  der  umgekehrten  Einstellung  kann  man  nur 


Die  mikroskop.  TecLnik  im  Dienste  der  Dermatologie.  251 

dicke  Schnitte  erhalten.  Die  feinsten  Schnitte  bedürfen  auch  einer  überaus 
zarten  weiteren  Behandlung.  Sie  werden  in  Xylol  gebracht,  um  das 
Paraffin  zu  lösen.  Nach  5  Minuten  wird  dasselbe  durch  neues  Xylol 
ersetzt  und  dieses  wiederum  durch  einmal  zu  wechselnden  absoluten 
Alkohol.  Vom  absoluten  Alkohol  dürfen  nun  die  Schnitte  nicht  direct 
ins  Wasser  kommen,  da  sie  durch  die  energische  Diffusion  des  Alkohols 
im  Wasser  einfach  zerrissen  würden.  Man  setzt  vielmehr  Wasser  allmalig 
zu,  bis  der  Alkohol  nur  wenig  Procente  der  Mischung  beträgt;  hierbei 
rollen  sich  die  Schnitte  auf  und  schwimmen  glatt  auf  der  Oberfläche. 
Nun  werden  sie  vorsichtig  auf  einen  Objectträger  gebracht  und  durch 
sanften  Druck  mittels  vierfach  gefalteten  Fliesspapiers  fixirt.  Die  Färbung 
geschieht  auf  dem  Objectträger.  Als  Anilinfarbe  dient  Methylviolett 
6B,  welche  Lösung  jedes  Mal  frisch  aus  gleichen  Theilen  concentrirten 
Anilinwassers  und  absolut  concentrirter  wässeriger  Lösung  von  Methyl- 
violett hergestellt  wird.  Einige  Tropfen  werden  auf  den  Objectträger 
gebracht  und  nach  5  Minuten  wieder  abgespült.  Bei  sehr  dünnen 
Schnitten  braucht  die  folgende  Jod-Jodkalilösung  nur  1  Secunde  zu 
wirken;  bei  dickeren  ist  die  Wirkung  durch  die  Lupe  zu  controliren, 
um  den  Schnitt  blauschwarz  zu  färben.  Von  grösster  Bedeutung  ist  das 
Mischungsverhältniss  von  Anilin  und  Xylol.  Zu  viel  Xylol  lässt  den 
Schnitt  zu  dunkel,  zu  wenig  entfärbt  die  feine  Protoplasmafaserung.  Für 
viele  Fälle  empfiehlt  sich  das  Mischungsverhältniss:  Anilin  1  :  Xylol  2. 
Je  dünner  der  Schnitt,  um  so  energischer  zieht  das  Anilin  die  Farbe 
aus.  Bei  den  dünnsten  Schnitten  ist  daher  eine  starke  Verdünnung  mit 
Xylol  erforderlich.  Den  Entfarbungsprocess  verfolgt  man  mit  schwacher 
Vergrösserung,  um  ihn  im  richtigen  Momente  durch  üebergi essen  der 
Schnitte  mit  Xylol  unterbrechen  zu  können,  nämlich  dann,  wenn  frisch 
auf  den  Schnitt  gebrachtes  Anilin-Xylol  keine  makroskopisch  sichtbaren 
Farbwolken  mehr  auszieht.  Zur  Vorfärbung  der  Kerne  empfiehlt  Ver- 
fasser Alauncarmin.  Bei  misslungenen  Präparaten  kann  man  den  ganzen 
Färbungsprocess  wiederholen,  nachdem  man  allen  Farbstoff  durch  Salz- 
säurealkohol ausgezogen  hat.  Kromayer  hat  Präparate  4mal  gefärbt. 
Für  die  Härtung  und  Fixirnng  hat  er  den  absoluten  Alkohol  am  brauch- 
barsten gefunden. 

Ehr  mann  hat  die  Objecte  mittels  der  Fibrinmethode  von  Weigert 
untersucht  und  ebenfalls  eine  ziemlich  grosse  Mannigfaltigkeit  von  Gebilden 
angetroffen.     Seine  Untersuchungsobjecte  waren: 

1.  Die  Haut  eines  wegen  Phimose  circumcidirten  Xegepräputiums, 

2.  die  breiten  Condylome  und 

3.  die  spitzen  Condylome. 

Wenn  die  mit  irgend  einer  Methode  dargestellten  Bildungen  mit  ein- 
ander nur  das  gemein  haben,  dass  sie  sich  mit  derselben  Methode  intensiv 
färben,  so  kann  man  sie,  seiner  Meinung  nach,  nicht  ohne  weiteres  alle 
für  identisch  erklären,  es  sei  denn,  man  wäre  berechtigt,  die  Färbungs- 
methode als  eine  chemische  Reaction  anzusehen. 


252  Leder  mann  und  Katkowski. 

Seinen   speciellen  Fall  betreffend,  fuhrt  er  über  die  Vorgänge  bei 
der  Färbung  Folgendes  aus.    Nachdem  bereits  Kromayer  berrorgehoben, 
dast  der  grössere  oder  geringere  Wassergehalt  des  Präparates  massgebend 
i»t  für  das  Gelingen  der  Färbung  der  Fasern,  förben  sieh  dieselben  nach 
seinen  Erfahrungen  um  so  sicherer,  je  weniger  die  Qewebsbestandtheile 
Gelegenheit  hatten,  vor  dem  Einlegen  in  Gentianaviolett  ra  schrumpfen 
und  je  mehr  sie  während  der  Entfärbung  durch  Anilinxylol   schmmpfen 
können.    Präparate,    welche    behufs    Paraffineinbettung    schon    vor    der 
Färbung  in  Xylol  oder  Chloroform  waren,  färben  rieh  schlecht,  indem  sie 
nachher  bei  der  Entfärbung  mit  Anilinxylol  allen    ihren  Farbstoff  ab- 
geben, wenn  sie  nicht  vorher  in  Wasser  oder  verdünntem  Alkohol  gelegen 
hatten.    Die  Entfärbung  des  Bindegewebes  geht  am  langsamsten  vor  sich, 
weil   es  mehr  Wasser  enthält  und  folglich  auch  während  der  Entfitfbung 
mehr  Wasser  abgibt  und  schrumpfen  kann.  Verf.  halt  deshalb  die  Färbung 
für   einen   mechanischen,   physikalischen  Vorgang,    vermöge   dessen    der 
Farbstoff  in   den  Gebilden,   während    sie  schrumpfen,   festgehalten   wird, 
und  zwar  durch  den  Vorgang  beim  Schrumpfen  selbst,   während  er  nicht 
schrumpfende  oder  bereits  geschrumpfte  Gebilde  verlässt.    Es  muss  anch 
auffallen,  dass  in  der  Regel  das  Mischnngsverhältniss  von  1  Anilin  :  2  Xylol 
genügend  int,   um   die  Färbung  so  lu  gestalten,  dass  die  Herxheimer^' 
sehen  Fasern  gefärbt  bleiben ;   bei  solchen  Präparaten  aber,  die,  wie  oben 
erwähnt,   schon  in   Xylol   oder  Chloroform  gelegen  hatten  und  dadurch 
schrumpften,  ist  es  nothwendig,  1  Theil  Anilin  zu  3,  selbst  4  Theilen  Xylol 
zuzusetzen.    Das  Xylol  ist  nicht  nur  als  Verdünnungsmittel  für  das  Anilin 
wirksam,   sondern  es  wirkt   selbst  beim  Zurückhalten  des  Farbstofies  in 
einzelnen  Gebilden,  also  bei  der  Election,  mit,  indem  es  sie  schrumpfen 
macht.    Möglicher  WVise  ist   die  spiralige  Form  mancher  dieser  Gebilde 
durch  diesen  Vorgang  selbst  künstlich  erzeugt.    Dem  entsprechend  findet 
man  auch,  dass  sich  mittels  der  W ei ger tischen  Methode  eine  Anzahl  von 
Gebilden  färbt,  welche  morphologisch  von  einander  sehr  verschieden  aind. 
Beim  breiten  Condylom  fand  er,  dass  sich  zweifellos  Protoplasmen  färben. 
IHese    Gebilde    nun   färben    sich    bei    Anwendung    der    WeigerVschen 
Methode  schön   blau  und  ihr  Kern  bleibt  hell;  die  Kemkörperehen  aber 
färben  sich  ebenfalls  dunkel.    Bei  Anwendung  der  Doppelfarbung  mit  Zu- 
hilfenahme von  Alauncarmin  färben   sich   die  Kerne  schön  roth  und  der 
i^brige  Zellleib  violett. 

Pigment  vnd  opitMtal»  AwMme. 

Zur  Untersuchung  des  Oberhaut-  und  Haarpigments  bediente  sieb 
J arisch  der  braunen  Flecke  der  Coivfunctiva  bnlbi  des  Ochsen.  Die 
noch  warmen  Coivjunctivalstücke  wurden  theils in R a b Tsche  Flüssigkeit, 
theils  in  ansteigenden,  theils  in  absoluten  Alkohol  gebracht.  Die 
er^teren  wurden  nach  2  Tagen  in  TOprocentigen  Alkohol,  der  während 
einer  Woche  häufig  gewechselt  wurde,  von  der  Pikrinsäure  befreit  und 
in  Alkohol  absolutus  aufbewahrt.  Von  diesen  Präparaten  wurden  Stücke 
in  toto   in  Borax car min   gefärbt,   dann   in  Wasser  flüchtig  abgespült, 


Die  mikroKku]).  Tecbiiik  im  Dienste  tler  Dermatologie.  203 

dann  in  häufig  gewediselten  Salzsäore-Alkohol  (6  Tropfen  auf  100  Ccm. 
eines  TG*/«  Alkohols)  for  mehrere  Stunden  eingelegt,  bis  sie  hellroth 
geworden  waren  und  keine  Farbe  mehr  abgaben.  Dann  Alkohol  absolutus, 
Tolaol  (ca.  2  Standen),  Paraffinbad«  Die  Mikrotomschnitte  (Serien)  wui'den 
mittels  sehwacher  Gummilösung  (1  Tropfen  des  offioin^len  Mucilago 
gummi  arabici  auf  eine  kleine  Dose  von  Aq.  dest.)  in  Beihen  auf  den 
Objecttrager  fixirt  und  nach  vollständiger  Antrocknung  in  Terpentin  von 
dem  Paraffin  befreit  und  dann  in  Damarlack  eingeschlossen.  —  Zur  Fixi- 
rung  der  Haut-  und  Haarpraparate  vom  Menschen  benutzte  Verf.  anstei- 
genden Alkohol,  absoluten  Alkohol  und  Sublimat;  sonst  das  gleiche 
Verfahren.  Eine  andere,  von  Benda  zuerst  angegebene  Methode  fand 
Joseph  zur  mikroskopischen  Untersuchung  des  Hautpigments  als  sehr 
geeignet.  Die  aus  einem  grossen  Naevus  excidirten  Hautstücke  werden 
aufs — 4  Stunden  in  lOprocentige  Salpetersäure,  darauf  in  Mülle  r'sche 
Flüssigkeit  gelegt  und  nach  24  Stunden  zur  gründlichen  Ausspülung  auf 
mehrere  Tage  in  Wasser  gebracht.  Die  Nachhänung  (Alkohol)  und 
Einbettung  (Celloidin)  geschieht  in  der  üblichen  Weise.  Die  so  eonser- 
virten  Stücke  werden  nun  in  folgender  Weise  gefärbt:  Nach  Einlegen 
der  Schnitte  auf  24  Stunden  in  eine  Lösung  von  Liq.  ferri  sulfur.  oxydat 
aa  mit  Wasser  und  Abspülen  mit  destillirtem  und  gewöhnlichem  Wasser 
bringt  man  sie  in  eine  alkoholische  Hämatoxylinlösung.  Von  hier  kommen 
sie  in  30procentige  Essigsäure  und  nach  der  Entiarlning  werden  sie  in  der 
üblichen  Weise  conservirt.  — 

Bei  den  Untersuchungen,  welche  Mor.  Cohn  über  die  Ephelideu, 
Lentigines  und  Kaevi  pigmentose  anstellte,  wurden  die  Präparate  sämmt- 
lich  in  Alkohol  gehartet  und  in  Celloidin  eingebettet.  Als  Färbemethoden 
erwiesen  sich  unter  einer  ganzen  Reihe  von  Farbstofien  das  Hämatoxylin 
und  Picrokannin  am  brauchbarsten.  Um  die  Zellnatur  der  z.  Tb.  recht 
dunkel  pigmentirten  Präparate  zu  erweisen,  benutzte  er  die  von  Unna 
in  seinen  Monatsheften:  1889,  Bd.  VIII,  p.  374  ang^^bene  Methode  „der 
Depigmentation  und  der  nachträglichen  Färbung**.  Sie  besteht  darin,  dass 
man  das  stark  mit  Hämatoxylin  gefärbte  Präparat  mit  Wasserstoffsuper- 
oxyd langsam  entfärbt.  Man  lässt  die  Präparate  24  Stunden  in  einer  nicht 
zu  starken  Hämatoxylinlösung  liegen,  dann  bringt  man  das  Präparat  unter 
das  Mikroskop,  sucht  sich  eine  nicht  zu  dunkelpigmentirte  Stelle  aiii«, 
an  welcher  das  Pigment  die  Zellf<H*m  darbietet.  Es  kommt  jetzt  darauf 
an,  genau  zu  beobachten,  ob  während  der  Entfärbung  die  Zelle  unver- 
ändert ihre  Oestalt  beibehält  und  der  Kern  hervortritt.  Da  die  Entfärbung 
häufig  mehrere  Tage  in  Anspruch  nimmt,  so  ist  es  rathsam,  sich  die 
Stelle  vor  der  Einwirkung  von  EL,  0,  geuau  aufzuzeichnen«  An  der  Uaud 
dieser  Figur  wird  das  Präparat  anfangs  alle  paar  Stunden,  später  2 — 3 
mal  am  Tage  eontrolirt.  Ist  es  fast  vollständig  entfärbt,  so  dass  die  Uiu- 
lisse  der  Zellen  eben  noch  zu  erkennen  sind,  so  zeichne  man  die  Figur 
abermals.  Dann  förbe  man  das  Präparat  mit  Hämatoxylin,  falls  Doppel - 
farbung  erwünscht,  auch  mit  Picrokannin  nach,  um  nun  den  Nachweis 
zu  erbringen,  ob  sich  an  der  Stelle  wirklich  eine  Zelle  befunden  habe. 


254  Lodermann  und  Katkowsky. 

Caspary  hat  bei  seinen  Untersuchungen  über  die  Herkunft  des 
Pigments  der  Epithelien  die  Hautstücke  unmittelbar  nach  der  Ex- 
cision  in  Flemming'sche  Lösung  eingelegt,  sie  in  absolutem  Alkohol  ge- 
härtet, in  Paraffin  eingebettet  und  die  durch  das  Mikrotom  gewonnenen 
Schnitte  mittels  Dahlia  oder  Saifranin  gefärbt.  Diese  von  Grünhagen 
angegebene  Methode,  die  sich  sehr  bewährt  hat,  vervollkommnet  er  noch 
in  folgender  Weise  (Archiv  f.  Dermat.  u.  Sjrphil.  1891).  Kleine,  ihres  Fett- 
polsters beraubte  Hautstücke  wurden  unmittelbar  nach  der  Ezcisio  in 
vivo  auf  2V2 — 3  Stunden  in  frisch  bereitete  Flemming'sche  Lösung  einge- 
legt, sodann  24  St.  in  häufig  gewechseltem  Wasser  ausgewässert,  hierauf 
24  Stunden  in  Alcohol  absolutus  nacbgehärtet  und  schliesslich  nach  Ein- 
legen in  Paraffin  auf  dem  Mikrotom  in  feine  Schnitte  zerleget.  Diese  werden 
—  nach  Entfernung  des  ParafBns  in  Chloroform  und  nach  Entfernung  des 
Chloroforms  durch  Alcohol  absolutus  —  mehrere  Stunden  in  verdünnte 
wässerige  Dahlia-  oder  Saffiraninlösung,  dann  zu  ausreichender  Entfärbung 
in  Alkohol  absolutus,  endlich  nach  Aufhellung  durch  Chloroform  oder 
Nelkenöl  zur  dauernden  Einschliessung  unter  dem  Deckgläschen  in  Canada- 
baisam  gebracht. 

Haare. 

Zur  Untersuchung  der  Haare  bedient  sich  Unna  des  Wasser- 
st o  f f  s uperoxyds,  welches  sich  durch  grosse  Ausfallungskraft  auszeichnet. 
Sämmtliche  in  den  Homstofifen  vorkommenden  Pigmente  lösen  sich  dann 
zu  farblosen  Sauerstoffverbindungen,  auch  sämmtliche  Pigmente  der 
übrigen  Gewebe  nur  mit  verschiedenem  Grade  der  Leichtigkeit.  (Unna 
empfiehlt  Wasserstoffsuperoxyd  gleichfalls  zum  Studium  der  Pilzkrank- 
heiten, ferner  als  Entfärbungsmittel  für  Osmium-  und  Chromsäure-Prä- 
parate, für  Hämatoxylinprä])arate,  ferner  zur  Klärung  alter  Gold-  und 
Sil  ber-Präparate.) 

Zur  Tinction  der  inneren  Wurzelscheide  des  Haares  empfiehlt  Unna 
das  Jod-Methyl -Anilin  (Archiv  für  mikr.  Anat.  Bd.  XII,  p.  735),  das, 
an  Alkoholpräparaten  angewendet,  beim  Auszieben  durch  Alkohol  an  den 
verhornten  Zellen  der  Wurzelscheide  in  tief  blauer  Farbe  haften  bleibt 
und  nach  Pikrocarminfärbung  schöne  Doppeltinction  zeigt. 

Für  Flemmings  Färbung  eignen  sich  Präparate,  die  in  Kali  bi- 
chromicum  vorgehärtet  und  in  Alkohol  nachgehärtet  sind,  doch  auch  reine 
Alkoholpräparate,  nur  dass  an  letzteren  die  Färbung  der  inneren  Wurzel- 
scheide weniger  hell  und  leuchtend,  mehr  stahl-  oder  violett-blau  aus- 
fallt. Die  Schnitte  werden  einige  Stunden  bis  einen  Tag  lang  in  mittel- 
starkem Pikrocarmin,  dann  einige  Stunden  in  mittelstarkem  Grenache ra- 
schen Hämatoxylin  (Bereitung  s.  in  Flemming,  Zellsubstanz,  Kern  and 
Zelltheilung,  1882,  p.  383)  geförbt  und  nach  Waschung  in  Wasser  nach 
Belieben  in  Balsam  oder  Glycerin  eingelegt.  Die  Bindegewebsfibrillen 
erscheinen  rosa,  bis  roth,  die  Muskeln  gelb-röthlich,  alle  Zellkörper 
ähnlich,  Zellkerne  dunkel-purpurn  bis  violett.  Die  Hornsubstanz  des 
Haares  pikringelb  (in  allen  Chrompräparaten  grünlich),   die  eben  verhör- 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  255 

nenden  Zellen  der  Haarmatrix  bräunlich,  die  innere  Warzeischeide,  soweit 
sie  verhornt  ist,  von  einem  brillanten  Lichtblau.  Die  Doppelfarbung 
gelingt  an  Präparaten,  die  längere  Zeit  in  Kali  bichromicum  gelegen 
haben,  nicht  mehr  so  gut. 

Nägel. 

Guldberg  macht  darauf  aufmerksam,  dass,  wenn  man  Schnitte 
von  Nagel  und  Nagelmatrix  mit  verschiedenen  Anilinfarben  behandelt, 
z.  B.  mit  Safranin,  Methylenblau  und  Gentianaviolett,  und  nachher  in 
salzsaurem  Alkohol  (Alkohol  mit  einigen  Tropfen  Salzsäure)  entfärbt,  die 
Nagelsubstanz  eine  grössere  Affinität  zu  den  Farbstoffen  zeigt,  ja,  noch 
intensiver  gefärbt  wird  als  die  Kerne  der  Matrix-Zellen.  Dasselbe 
geschieht  an  Schnitten  von  Präparaten,  die  vorher  mit  Kali  bichromicum 
oder  Chromsäure  oder  mit  einem  Gemisch  von  Chromsäure,  Osmiumsäure 
und  Essigsäure  behandelt  werden  und  nachher  in  Alkohol  gehärtet  sind. 
Die  Nagelsubstanz  färbt  sich  immer  stark  braun,  wenn  sie  längere  Zeit 
in  einer  dünnen  Lösung  (1 — 27©)  von  Kali  bichromicum  oder  Chromsäure 
C/jVo)  gelegen  hat.  —  Die  üebergangszone  erscheint  bei  frischen,  in 
Alkohol  gehärteten,  mit  Eisessig  behandelten,  wie  bei  den  in  Kali  bichro- 
micum (1 — 2%)  oder  in  Chromsäure  ( 'A"/o)  und  sodann  in  Alkohol  gehär- 
teten und  in  Glycerin  aufgehellten  Schnitten  als  eine  bräunliche  oder 
graubräunliche  mehrschichtige  Zellenlage. 

Bei  der  Untersuchung  des  sogenannten  primären  Nagelgrundes  hat 
Zander  für  die  Unterscheidung  der  Zellschichten  charakteristische  Farben- 
reactionen  erhalten.  Zu  diesem  Zwecke  lässt  er  eine  wässerige  l7o  Lösung 
von  Methylorange  (von  Trommsdorff  in  Erfurt)  eine  halbe  Stunde  oder 
zweckmässig  noch  länger  auf  einen  Schnitt  einwirken.  Dieser  wird  durch- 
weg gelb  gefärbt,  besonders  intensiv  aber  die  von  ihm  so  genannte  „Begren- 
zungsschicht''. Absoluter  Alkohol  entfärbt  den  Schnitt  allmälig  vollkommen. 
Am  längsten  wird  die  Farbe  von  der  „Begrenzungsschicht"  zurückgehalten. 
Combinirt  man  mit  dieser  Tinction  noch  eine  reine  KemRrbung  durch 
Alauncarmin,  so  erhält  man  bei  rechtzeitigem  Abschluss  der  Extraction 
durch  Alkohol  sehr  instructive  Bilder.  Während  die  Epidermiszellen  un- 
gefärbt bleiben  und  die  violette  Alauncarminfarbe  annehmen,  zeigen  sich 
die  Begrenzungsschicht  mehr  oder  weniger  intensiv  gelb  und  die  in  ihr 
liegenden  Kernre«?te  bismarckbraun.  Bequemer  iat  folgende  Methode:  Eine 
17q  wässerige  Lösung  von  Methyleosin  (Trommsdorff)  färbt  in  wenigen 
Augenblicken  dünne  Schnitte  prächtig  roth.  Die  Zellkerne,  in  höherem 
Grade  aber  noch  die  Begrenzuugsschicht,  nehmen  einen  dunkleren  Ton 
an.  Ohne  Schaden  kann  man  die  Präparate  selbst  Tage  lang  in  der  Lösung 
belassen ;  starker  Alkohol  extrahirt  immer  die  Farbe  bis  zu  einem  gewissen 
Grade.  Es  besitzen  die  Körper  der  Epidermiszellen  alsdann  einen  schwach 
röthlichen  Hauch,  die  Kerne  zeigen  ein  mattes,  etwas  ins  Bläuliche  spie- 
lendes Roth,  die  Begrenzungsschicht  aber  ist  glänzend  purpurroth  gefärbt. 
Die  schönsten  und  lehrreichsten  Bilder  lieferte  das  von  Weigert  für  die 
Untersuchung  des  Centralnervensysteras  (Centralbl.  f.  d.  medicin.  Wissen- 


25()  Leder  mann  und  Uatkowski. 

Schäften  1882,  p.  753,  772  619)  und  vonMicheUon,  för  dermatologisehe 
Zwecke  empfohlene  Säarefuchsin  (Monatsh.  £  inrakt.  Denn.  1883.  Nr.  12). 
In  der  concentrirten  wÄBserigen  Lösung  des  Farbstoffes  blieben  die 
Schnitte  mehrere  Stunden,  wurden  darauf  in  Brunnenwasser  ond,  wenn 
keine  Farbenwolken  sich  mehr  bildeten,  in  die  vorgeschriebene  alkoholische 
Kalihydratlosung  gebracht.  Die  einzige  Schwierigkeit  besteht  darin,  den 
Moment  abzupassen,  wenn  die  entfurbten  Schnitte,  wiederum  in  Brunnen- 
wasser gebracht,  sich  nicht  von  Neuem  roth  färben.  Solehe  Präparate 
müssen  nochmals  zuerst  mit  Wasser  und  dann  mit  Kalialkohol  extrahirt 
werden.  Gelungene  Präparate  worden  in  destillirtem  Wasser  abgespült 
und  dann  in  gewöhnlicher  Weise  in  Balsam  eingebettet.  Wirkt  das  Wasser 
oder  der  Kalialkohol  zu  lange  auf  die  Schnitte  ein,  so  wird  schliesslich  das 
Säurefnchsin  vollständig  ausgezogen. 


(Fort««tfaBC  folgt) 


BericM  illier  die  Leistunpn 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  uüd  Syphilis, 


Archlr  f.  Dennatol.  u.  Sjphll.  Bftnd  ZXVn.  ^7 


Hautkrankheiten. 

(Redigirt  von  Prof.  Kaposi  in  Wien.) 


Bildnngsanomalien. 

1.  Lanz,  A.  Ueber  radicale  Entfernung  der  Haare  vermittelst  Elektrolyse. 
Medizinskoje  Obosrenje.  Moskau  1892.  Bd.  37,  p.  1001. 

2.  Barham,  Guthbert  R.  Report  of  a  case  of  naevns  unins  lateris.  Med. 
Record.  N.  York.  18.  Febr.  1893. 

■  3.  Lewin,  G.  Ueber  Morbus  Addisonii  mit  besond.  Berücke,  der  eigen- 
thüml.  abnormen  Pigmentation  der  Haut.    Char.-Ann.   X.  Jahrg. 

4.  Lewia,  G.  Ueber  Morbus  Addisonii.  III.  Theil.  Cbarite-Annalen  1892. 

5.  Pagensteeher,  £.  Vorstell,  eines  Falles  von  Morbus  Add.  Greifsw. 
med.  Verein.   Orig.-Ber.  in  Müneb.  med.  Wchschr.  1892.  Nr.  32,  p.  678. 

6.  Leviseur,  Fred.  J.  A  case  of  keloid  on  the  scalp  of  a  boy  four  years 
old.  Med.  Record.  N.  York.  4.  März  1893. 

7.  Hoflii,  Albert.  Zur  pathologischen  Anatomie  der  Scleroderma.  Münch. 
medic.  Wochenschr.  1892.  Nr.  35,  p.  615. 

8.  Rossi,  A.  Ricerche  anatomo  pathologiche  suUa  Elefantiasi]  acquisita. 
Istituto  di  Anatomia  Patologica  della  R.  Univ.  di  Napoli  diretto  dal 
Prof.  0.  V.  Schroen.  1890. 

9.  Corkbill,  J.  G.  G.  Myxoedema  with  enlarged  thyroid,  treated  by 
subcutaneous  injections  of  thyroid  eztract:  recovery.  The  Brit.  Med. 
Joum.  7.  Jan.  1893. 

10.  GibaoD,  John  L.  The  function  of  the  thyroid  gland  with  observations 
on  a  case  of  thyroid  grafting.    The  Brit.  Med.  Joum.    14.  Jan.  1893. 

11.  Holatan,  Gonstantine.  Oase  of  myxoedema  treated  by  thyroid  feeding. 
The  Brit.  Med.  Joum.  21.  Jan.  1893. 

12.  mackenzle,  Hector  W.  G.    Clinieal  lectore  on  myxoedema  and  the 
reeent  advances  in  its  treatment.  The  Lancet.  21.  Jan.  1893. 

13.  Landie,  R.  A.    A  case  of  myxoedema  treated  with  thyroid  extraet 
and  thyroid  feeding.   The  Brit.  Med.  Joum.  14.  Jan.  1893. 

14.  Creawell  ISabe«,  £.  Feeding  with  fresh  thyroid  glands  in  myxoedema. 
The  Brit.  Med.  Joum.  7.  Jan.  1893. 

15.  Hawtery  Benson,  J.  Case  of  myxoedema  of  long  standing  treated  by 
admin.  of  thyroid  extraet  by  mouth.   The  Brit.  Med.  J.  15.  April  1893. 

16.  Henry,  John  P.  A  case  of  myxoedema  cured  by  thyroid  extraet.  The 
Brit.  Med.  Joum.  8.  April  1893. 

17* 


260  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

17.  Dee  ShaplMld.    The  treatment  of  myxoedema  by  feeding  witb  the 
thyroid  gland  of  the  sheep.  The  Brit.  Med.  Joum.  6.  April  1893. 
(1)  Verf.  kommt  in  dieser  Arbeit  zu  folgenden  Schlüssen: 
1.  Das  einzige  radicale  Mittel  zur  Epilation  ist  die  Elektrolyse. 
.2.  Die  Spuren,  welche  nach  der  Operation  zurückbleiben,  sind  bei  An- 
wendung schwacher  Strome  und  bei  richtiger  Einfuhrung  der  Nadel  gering. 

3.  Die  Stromstarke  soll  im  Allgemeinen  nur  2—3  M.-A.  betragen 
und  darf  jedenfalls  nicht  4  M.-A.  überschreiten. 

4.  In  einer  Sitzung  soll  man  nicht  nahe  bei  einander  stehende  Haare 
entfernen.  Die  Gesammtzahl  der  während  einer  Sitzung  zu  entfernenden 
Haare  soll  im  Allgemeinen  nicht  über  20—30  betragen. 

5.  Die  Operation  ruft  nur  unbedeutende  Schmerzen  hervor,  so  dass 
eine  locale  Anästhesie  unnütz  ist.  Selbst  empfindliche  Personen,  welche 
während  der  ersten  Sitzung  über  bedeutende  Schmerzen  klagten,  vertragen 
später  die  Operation  gut. 

6.  Am  besten  eignet  sich  zur  Epilation  die  feinste  Nr.  der  Näh- 
nadeln (Nr.  12),  wobei  jeder  Patient  seine  eigene  Nadel  haben  mnss. 

7.  Beim  Einfuhren  der  Nadel  in  den  Follikel  des  zu  entfernenden 
Haares  mnss  man  zwar  versuchen,  die  Haarpapille  zu  treffen,  da  unter 
solchen  umständen  die  Zerstörung  des  Haares  schneller  und  sicherer  vor 
sich  geht.  Es  ist  dies  aber  keine  unumgängliche  Bedingung,  da  die  Wir- 
kung der  Elektrolyse  nicht  an  der  Spitze  der  Nadel  ihre  Grenze  findet, 
sondern  auch  auf  die  nächste  Umgebung  sich  erstreckt. 

8.  Die  Ausführung  dieses  Heilverfahrens  erfordert  nicht  nur  Geduld 
von  Seiten  des  Pat.,  sondern  auch  von  Seiten  des  Arztes.  Letzterer  muas 
ausserdem  gut  sehen  können,  eine  feste  Hand  und  grosse  Uebung  besitzen. 

9.  Die  Zerstörung  der  Haarpapille  geht  hauptsächlich  durch  die 
ehem.  Wirkung  des  Stromes  vor  sich.  Alfred  Lanz. 

(3)  Zum  Yerständniss  des  folgenden  Referates  ist  eine  kurze  Beca- 
pitulation  des  Inhaltes  der  ersten  Arbeit  G.  Lew  ins  über  Morbus  Addi- 
sonii  erforderlich.  L.  gibt  zunächst  systematisch  geordnet  277  der  Lite- 
ratur entnommene  und  4  eigene  Krankengeschichten.  Sodann  geht  er  auf 
die  Bedeutung  der  Nervi  splanchnici  und  ihrer  Ganglien,  speciell  des  Gang- 
lion coeliacum  ein.  Nach  einer  genauen  Beschreibung  der  Anatomie  des 
N.  splanchnicus,  der  zu  %  seiner  Fasern  von  den  Rüekenmarksnerven  und 
nur  zu  y,  von  dem  Sympathicus  abstammt,  gibt  er  die  Resultate  der 
Pflüger 'sehen  Untersuchungen  über  die  Physiologie  des  N.  splanchnicns 
wieder.  Das  Hauptergebniss  derselben  ist  die  Thatsache,  dass  Reizung  des 
Nerven  Stillstand  der  peristaltischen  Bewegungen  des  Dünndarms  bewirkt, 
für  die  Bewegung  des  Dickdarms  jedoch  indifferent  ist.  Nachdem  nun  L. 
die  Anschauungen  Pflüger^s  durch  Besprechung  aller  einschlägigen  Ar- 
beiten und  Versuche  kritisirt  hat,  stellt  er  die  Theorie  auf,  dass  der 
Splanchnicus  einmal  ein  musculo-motorischer  Nerv  sei,  durch  seine  Reizung 
also  befördernd,  durch  seine  Lähmung  hemmend  auf  die  Darmmusculatur 
und  damit  auf  die  Peristaltik  wirkt,  sodann  als  vasomotonscher  Nerv  bei 
Reizung  Contraction  der  Gefasse,  also  Anämie,   bei  Lähmung  Hyperämie 


der  Dermatologie.  261 

der  Unterleibsorgane  hervorruft.  Da  nun  bei  einer  Erkrankung  Reizung 
und  partielle  Lähmung  nebeneinander  und  nacheinander  wirken  können, 
ergibt  sich  ein  beim  Morbus  Addisonii  in  der  That  vorhandenes  wechsel- 
volles Symptomenbild.  Es  traten  z.  B.  bei  33  Fällen  Verstopfung,  bei  74 
Diarrhoen  ein.  üebelkeit  und  Erbrechen  als  Zeichen  der  gestörten  Inner- 
vation der  von  dem  Sympathicus  versorgten  Digestionsapparate  sind  ziemlich 
constant.  Experimentell  constatirte  L.  beim  Hunde,  beim 
Hammel  und  beim  Kaninchen  nach  Exstirpation  derGanglia 
coeliaca  Meteorismus  des  Darms  und  Anfüllung  desselben 
mit  harten  Kothmassen.  Bei  den  Kaninchen  wurde  erst  Ver- 
stopfung, dann  Durchfall  beobachtet;  es  würde  dies  einer 
vorübergehenden  Lähmung  und  dann  erst  eintretenden  Rei- 
zung des  Splanchnicus  entsprechen.  Das  in  dem  klinischen  Bilde 
des  Morbus  Addisonii  eine  hervorragende  Rolle  spielende  Erbrechen  ist 
auf  Reizungserscheinxmgen  xmd  vielleicht  auch  auf  Lähmungen  der  sympa- 
thischen Nerven  zu  schieben.  Dass  nicht  etwa  die  veränderte  Blutmischung 
beim  M.  A.  ähnlich  wie  bei  der  Urämie  das  Erbrechen  erzeugt,  ergibt 
sich  aus  dem  Umstände,  dass  Erbrechen  auftritt,  bevor  von  einer  Alte- 
ration der  Blutmischung  die  Rede  sein  kann. 

Die  Hyperämie  und  Hypertrophie  der  Leber  und  deren  häufige  Folge, 
die  Verfettung,  können  wohl  aus  den  Stauungsverhältnissen  in  dem  Ffort- 
adersystem  erklärt  werden,  welche  eben  in  Folge  der  Lähmung  der 
Splanchnici  eintreten.  Folgen  der  Hyperämie  der  Unterleibsorgane  sind 
auch  wahrscheinlich  die  Erkrankungen  der  drüsigen  Gebilde  des  Darms, 
namentlich  der  Brunner^schen,  Peyer'schen  und  solitären  Drüsen.  Gegen 
eine  Betheiligung  des  Splanchnicus  an  einem  der  häufigsten  Symptome  des 
M.  A.,  den  epigastrischen  Schmerzen  spricht  der  Sitz  derselben  sowie  ihre 
specielle  Eigenart.  Die  Kranken  haben  ein  dumpfes,  unbestimmtes  Gefühl 
in  der  Gegend  des  Magens,  während  die  von  den  spinalen  Nerven  aus- 
gehenden Schmerzen  —  der  N.  splanchnicus  ist  zu  V^  seiner  Fasern  ein 
Rückenmarksnerv  —  stets  blitzartig  wie  z.  B.  bei  der  Tabes  sind.  Auch 
die  Nervengeflechte  der  Nebennieren  sind  entgegen  der  Anschauung  ein- 
zelner Autoren  nicht  für  die  epigastrischen  Schmerzen  verantwortlich  zu 
machen.  L.  fand  bei  seinen  Versuchen  an  Hunden  und  Kaninchen  eine 
relativ  geringe  Schmerzhaftigkeit  der  Nebennieren.  Dazu 
kommt,  dass  in  einer  nicht  kleinen  Anzahl  von  Fällen  die  Neuralgien  be- 
standen, trotzdem  die  Section  gesunde  Nebennieren  nachwies.  Dagegen 
sprechen  eine  Reihe  von  Momenten,  insbesondere  die  von  L.  nachgewiesene 
starke  Empfindlichkeit  bei  experimenteller  Reizung  dafür, 
dass  die  epigastrischen  Schmerzen  von  dem  Plexus  solaris 
ausgehen,  also  eine  Hyperästhesie  des  Plexus  darstellen.  Im  weiteren  Ver- 
lauf der  Arbeit  sucht  L.  den  Nachweis  zu  fuhren,  dass  ein  grosser  Theil 
der  mannigfachen,  beim  M.  A.  beschriebenen  Symptome  direct  und  in- 
direct  von  der  Erkrankung  des  N.  splachnicus  abhängt.  Während  die 
Verhältnisse  der  Lunge  wegen  der  ungemein  häufig  vorhandenen  compli- 
cirenden  Tuberculose  von  geringerem  Interesse  sind,  ist  die  Anämie  und 


262  Bericht  über  die  Leistungen  aof  dem  Gebiete 

Atrophie  des  Herzens  von  der  durch  die  Splanchnicns-Lähmung  bedingten 
Hyperämie  der  Unterleibsorgane  abhängig.  So  eridaren  sich  manche  Er- 
scheinungen, insbesondere  der  kleine  Puls.  Die  häufig  beschriebene  Puls- 
beschleunig^g  ist  von  der  Verminderung  des  Tonus  der  Yaguswurzeln 
und  diese  wieder  von  der  Anämie  des  Gehirns  abhängig.  Die  Blutleere 
des  Gehirns  ist  ebenso  wie  die  Blutleere  des  Herzens  zu  erklären.  £&  ist 
ohneweiters  klar,  dass  bei  einem  Krampf  der  vasomotorischen  Nerven 
des  Unterleibs  Anämie  der  Unterleibsorgane  und  damit  gerade  das  Ge- 
gentheil  der  eben  geschilderten  Symptome  eintreten  muss.  Die  wichtigste 
Frage  in  der  Pathogenese  des  M.  A.,  die  Beziehungen  der  Nebennieren 
zur  Hautfarbung,  ist  noch  nicht  einwandsfrei  zu  lösen.  Es  mehren  sich 
eigentlich  dauernd  die  Fälle,  in  den  Bronzefarbnng  bei  gesunden  Neben- 
nieren und  kranke  Nebennieren  ohne  Bronzefilrbung  gefunden  werden. 
Besteht  aber  eine  Beziehung  zwischen  dem  Morbus  Addisonii  und  den 
Nebennieren,  so  fragt  sich,  welcher  Theil  der  Nebennieren  diesen  Effect 
bewirkt.  Nach  den  Krankengeschichten  lässt  sich  nicht  entscheiden,  ob 
Rinde  oder  Mark  der  Sitz  der  Erkrankung  ist.  Ob  die  Nebennieren  einen 
Einfluss  auf  die  Blutbereitung  und  Pigmenterzeugung  haben,  suchte  L. 
experimentell  festzustellen.  Das  Blut  von  Kaninchen  und  Hunden,  denen 
beide  Nebennieren  exstirpirt  waren,  zeigte  2  Tage  und  1  Monat  nach 
der  Operation  keine  Spur  von  Pigment.  Auch  die  Häminkrystalle  des 
Blutes  dieser  Thiere  unterschieden  sich  nicht  von  denen  gesunder.  Für 
die  Hypothese,  dass  das  Pigment  beim  M.  A.  aus  dem  Blut  stamme  und 
Indican  ist,  sprechen  Versuche  L.'s.  Im  Blut  von  7  Kaninchen  (von  20), 
denen  die  Nebennieren  exstirpirt  waren,  konnte  Indican  gefunden  werden. 
Die  Thiere  hatten  Durchfalle  gehabt  und  wenig  gefressen,  es  lag  aber 
keine  Retention  von  Danninhalt  vor.  Ein  grosser  Theil  der  ausserordent- 
lich interessanten  Gedanken  der  Arbeit  konnte  naturgemäss  nicht  im 
Referat  berücksichtigt  werden.  Heller. 

(4)  In  einer  12  Bogen  umfassenden  Arbeit  hat  L.  von  einem  ganz 
andern  Gesichtspunkt,  als  den  in  der  vorhergehend  referirten  Studie  die 
Lehre  vom  Morbus  Addisonii  zu  behandeln  unternommen.  Zu  den  früher 
veröffentlichten  300  Krankengeschichten  wurden  durch  Revision  der  älte- 
ren und  Berücksichtigung  der  neuesten  Literatur  circa  500  weitere  Fälle 
gesammelt.  Indem  nun  L.  diese  800  zum  grössten  Theil  gut  beobachteten 
Krankengeschichten  —  nur  solche  werden  ja  im  Allgemeinen  veröffentlicht 
—  gewissermassen  statistisch  verarbeitet,  gibt  er  ein  objectives  Krank- 
heitsbild, dessen  einzelne  Züge  nicht  der  Phantasie  entnommen  sind, 
«ondem  auf  realen,  in  Zahlen  ausgedrückten  Beobachtungen  beruhen.  An- 
Btatt  der  in  der  klinischen  Darstellnng  beliebten  allgemeinen  Bezeichnungen, 
wie:  „viel,  selten",  tritt  die  Zahl,  die  Procentziffer.  Die  meisten  dieser  An- 
gaben werden  dadurch  doch  einmal  controlirt,  dass  die  gesammelten  800 
Fälle  för  8  Statistiken  verwerthet  werden,  von  denen  die  eine  die  ersten 
300,  die  zweite  die  letzten  öOO,  die  dritte  684  theils  der  ersten,  theils 
der  zweiten  Kategorie  angehörende  Fälle  umfasst. 


der  Dermatologie.  2fö 

Aetiologie.  An  Morbus  Addisonii  erkranken  etwa  60V«  Männer  und 
407«  Frauen,  von  denen  eine  grossere  Zahl  unverheiratet  oder  kinderlos 
gewesen  ist,  woraus  hervorgeht,   dass  eine  Beziehung  der  Addison'schen 
Krankheit  zur  Gravidität  nieht  besteht,  obwohl  gerade  sonst  Pigmentver- 
änderungen während  der  Schwangerschaft  regelmässig  eintreten.  557«  der 
Kranken  befanden  sich  im  Alter  von  20 — 50  Jahren.   Aber  auch  bei  einem 
Sjähiigen  Kinde  und  81jährigen  Greise  vnirde  die  Krankheit  constatirt. 
Stand,    Beruf,    Beschäftigung  der  Kranken    ergeben      kein    ätiologisch 
verwerthbares  Moment;   von   dem  Morbus  Addisonii   werden  sowohl  im 
Haus  beschäftigte,   als  im  Freien  arbeitende,   sowohl  vorwiegend  geistig 
thätige  als  auch  von  ihrer  Hände  Arbeit  lebende  Individuen  befallen.   Dies 
steht  im  Gegensatz  zu  der  Erfahrung,  dass  Vermehrung  des  Hautpigmentes 
bei  Menschen,  die  den  Einflüssen  der  Temperatur  ohne  genügenden  Schutz 
ausgesetzt  sind,  eine  regelmässige  Erscheinung  ist.  Die  Addison'sche  Krank- 
heit kommt  nicht  nur  bei  den  pigmentarmen  hellen  Bässen  vor,  sie  wurde 
auch  bei  einem  Hindu  und  einem  Mulatten  beobachtet.    Auch  Heredität 
und  vorangegangene  Krankheiten  spielen  in  der  Aetiologie  des  M.  A.  keine 
Bolle.   Nur  in  drei  Fällen  wurde  die  Krankheit  auch  in  der  directen  As- 
cendenz  beobachtet.  Bei  10  Kranken  wurde  chronischer  Alkoholmissbrauch, 
bei  9  Syphilis,  bei  7  hereditäre  Belastung  mit  Tuberculose  constatirt.   Auf 
die  Beziehungen  des  M.  A.  zur  Tuberculose  überhaupt  wird  später  einge- 
gangen werden.    Von  den  übrigen  Krankheiten  und  äusseren  Schädlich- 
keiten wird  in  der  Anamnese  der  800  Patienten  keine  so  häufig  erwähnt, 
dass  man  ihr  ätiologische  Bedeutung  beimessen  könnte.   Köi-perliche  Ueber- 
anstrengung  wird  nur  bei  29,  übermässige  geistige  Arbeit  nur  bei  18  Pa- 
tienten angegeben.    Die  von  einigen  Autoren  als  ätiologisch  wichtig  be- 
trachtete Malaria  überstanden  im  Ganzen  657«  der  Kranken.  Das  Ergebniss 
der  ätiologischen  Untersuchungen  ist  also  negativ ;  auch  für  die  Annahme 
eines  infertiven   thierischen  oder  pflanzlichen  Virus  geben  die  objectiven 
Krankengeschichten  keinen  Anhalt. 

Symptomatologie.  Die  Krankeit  pflegt  mit  Störungen  des  Di- 
gestionsapparates zu  beginnen.  Bei  13  7o  der  Kranken  kommt  es  zu  Durch- 
fallen, bei  llVo  zu  dauernder  Verstopfung,  ohne  dass  eine  Gesetzmässig- 
keit, etwa  beginnende  Verstopfung,  folgende  Durchfalle  zu  constatiren 
wären.  Zuweilen  tritt  Wechsel  von  Diarrhoe  und  Durchfall  ein.  Auch 
unstillbarer  Durchfall,  Tenesmus,  Incontinentia  alvi  wurde  von  den  Autoren 
beobachtet.  In  einem  Drittel  aller  Fälle  wurde  üebelkeit  und  Erbrechen, 
meist  Anorexia,  häufig  Aufstossen,  Gefühl  des  Vollseins,  Flatulenz  con- 
statirt. Ein  Theil  der  Kranken  klagte  über  Schmerzen  im  Unterleib,  die 
auf  Druck  nur  in  wenigen  *)  Fällen  sich  steigerten.  Die  Schmerzen  sind 
in  157,  der  Fälle  im  Epigastrium  localisirt.  Die  reissenden  und  bohrenden 
Schmerzen  sind  meist  vorübergehend,  waren  nur  in  einem  Falle  constant. 
Eine  Folge  der  subjectiven  und  objectiven  gastrischen  Störungen  ist  eine 


')  Für  alle  allgemeinen  Quantitäts-Bezeichnungen  des  Referates  gibt 
das  Original  ezacte  Zahlen  und  Belege  an. 


264  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Yerschlechterung  des  Allgemeinbefindens,  die  sich  in  Gewichtsabnahme 
und  zunehmender  Anämie  äussert.  Indirect  wird  anch  das  Gentrainerven- 
System  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Ohrensausen,  Schwindelempfindungen, 
Kopfschmerzen  treten  auf,  ja  es  kommt  zu  Convulsionen  und  epileptischen 
Anfallen.  Auch  directe  Geisteskrankheiten,  Delirien,  Manien,  Melancholien, 
Idiotie,  Blödsinn  u.  s.  w.  wurden  beobachtet.  Dagegen  scheinen  AiTecti- 
onen  des  Rückenmarks  nur  verhältnissmässig  selten  vorzukommen.  Gering 
sind  auch  die  am  Herzen  beobachteten  Veränderungen:  der  Puls  ist  meist 
klein  und  weich,  die  Frequenz  im  Anfang  der  Krankheit  vermindert,  im 
späteren  Verlauf  erhöht.  Herzerkrankungen  kamen  nur  bei  etwa  öV«  der 
Kranken  vor.  Wenig  erforscht  ist  die  Pathologie  des  Blutes;  die  angege- 
benen Untersuchungen  sind  nicht  auf  die  Hilfsmittel  der  modernen  Technik 
basirt.  Nicht  allzu  häufig  sind  Nierenerkrankungen.  Bei  einigen  Kranken 
wurde  Albuminurie,  Hämatozie,  Acetonurie,  Indicanurie  constatirt,  andere 
litten  an  Symptomen  von  Bright'scher  Krankheit  und  Diabetes  insipidus. 
Zu  Symptomencomplex  spielen  Erkrankungen  von  Leber  und  Milz  keine 
wesentliche  Rolle,  wenn  auch  zuweilen  Vergrösserungen  und  Verkleine- 
rungen klinisch  diagnosticirt  werden.  Dagegen  beherrschen  in  vielen  Fällen 
die  Symptome  der  Lungenerkrankung  das  klinische  Bild,  da  in  257«  aller 
Fälle  bei  der  Section  Lungentuberculose  nachgewiesen  wurde. 

Das  für  die  Diagnose  Morbus  Addisonii  Ausschlag  gebende  Symptom 
ist  die  Veränderung  der  Hautfarbung.  Dieselbe  kann  in  den  einzelnen 
Fällen  ganz  verschieden  sein,  bei  demselben  Individuum  eine  ganze  Scala 
von  Farbentönen  und  Nuancen  durchlaufen.  Die  Hautfarbung  wird  von  den 
Autoren  blassgrau,  grau,  bleifarben,  orangeblass,  gelbbraun,  wachagelb, 
olivengrün,  grünlichbraun,  kupferfarbig,  bronzeähnlich,  rauchbraun,  choco- 
ladenbraun,  sepiaartig,  schwarz  genannt.  Häufig  werden  zur  Bezeichnung 
der  Farben Vergleichsobjecte  wie  „leberfleckähnlich^,  negerartig**,  „wallnuss- 
braun **  u.  a.  herangezogen.  Am  häufigsten  ist  die  Färbung  bronzeähnlich 
(54  Fälle),  dunkelbraun  (21  Fälle),  schwarz  (20  Fälle).  In  etwa  TO*/,  aller 
Fälle  war  die  Färbung  eine  diffuse,  grössere  Hautpartien  überziehende; 
in  dem  Rest  trat  sie  in  grösseren  oder  kleineren  Flecken  auf.  Hautnarben 
waren  in  10  Fällen  gefärbt,  in  8  Fällen  Schwund  des  Pigmentes.  Leuko- 
dermie  fand  sich  bei  5  Kranken.  Bei  3  bestand  abnorme  Trockenheit  der 
Haut,  bei  5  Hyperidrosis.  Die  einmal  aufgetretene  Hautfarbung  macht  nicht 
nur  im  Verlauf  der  Krankheit  Veränderungen,  sondern  verschwindet  auch 
zuweilen  eine  Zeit  lang  (3  Fälle)  oder  auch  gänzlich  (2  Fälle). 

In  einem  Drittel  der  Fälle  war  die  Haut  des  Kopfes  gefärbt;  be- 
sonders häufig  sind  Hände,  Genitalien,  Hals  befallen.  In  227«  aller  Be- 
obachtungen kamen  Pigmentveränderungen  der  Schleimhäute  vor.  Von 
den  Anhangsgebilden  der  Haut  sind  die  Nägel  meist  abstechend  weiss, 
trotzdem  wird  in  9  Fällen  die  dunklere  Färbung  besonders  hervoi^gehoben. 
Auch  die  Haare  nahmen  bei  3  Kranken  eine  dunklere  Farbennuance  an. 
Irgend  eine  Beziehung  der  Färbung  der  Haut  zur  Intensität,  zur  Dauer 
der  Krankheit,  zu  hinzutretenden  Gomplicationen  und  accessorischen  Krank- 
heiten konnte  nicht  nachgewiesen  werden. 


der  Dermatologie.  265 

Die  pathologische  Anatomie  ist  in  der  Arbeit  L  e  w  i  n  s  unter  Zugrunde- 
legung von  311  Sectionsprotokollen  sehr  ausfuhrlich  behandelt  Es  ergab 
sich,  dass  in  den  typischen,  mit  Bronzefarbung  der  Haut  verlaufenden  Fällen 
die  einzelnen  Organe  sich  mit  folgenden  Procentzahlen  an  den  patholo- 
gischen Veränderungen  betbeiligen:  Nebennieren  887o)  Lunge  36 Vo»  Leber 
18Vt,  Milz  13Vp,  Nieren  137,,  I>arm  8%,  Magen  7%,  Centralnervensystem 
7%,  Sympathicus  und  seine  Ganglien  57o-  Aus  den  pathologischen  Angaben 
folgt  eine  grosse  Zahl  meist  kritisch-negativer  Schlüsse.  Vor  Allem  ergab 
sich  über  den  Zusammenhang  der  Braunfarbung  der  Haut  mit  der  Erkran- 
kung der  Nebennieren: 

Typische  Fälle  von  M.  A.  mit  kranker  Nebenniere      zz  88Vo 
n  »        r,      y,    y>     n    gesunder        „  =  12% 

Erkrankung  der  Nebennieren  mit  Bronzefarbung  .   .    zz  227« 
»  »  »  ohne  „  =:  287. 

In  einer  nicht  kleinen  Zahl  von  Fällen  sind  also  die  Nebennieren 
bei  dem  typischen  Symptomenbild  des  M.  A.  gesund  und  in  einer  über 
doppelt  so  grossen  die  Nebennieren  erkrankt,  ohne  dass  während  des  Lebens 
das  Krankheitsbild  des  M.  A.  beobachtet  worden  wäre.  Alle  Versuche  aus 
der  Art  der  Nebennierenerkrankung,  aus  der  Aifection,  beziehungsweise 
dem  Mangel  einer  oder  beider  Nebennieren  irgend  welche  Schlüsse  zu 
ziehen,  muss  als  aussichtslos  bezeichnet  werden.  In  neuer  Zeit  hat  man 
zur  Erklärung  der  Pathogenese  des  M.  A.  die  Erkrankung  des  Bauch- 
sympathicus  und  seiner  Ganglien  herangezogen.  Auch  Lewin  (vgl.  das 
vorangehende  Referat)  hat  experimentelle  Stützen  für  diese  Theorie  gegeben. 
In  69  Fällen  wurde  der  Nerv  52  Mal  erkrankt,  17  Mal  gesund  gefunden. 
Häufig  unterblieb  eine  Untersuchung  des  Sympathicus;  der  normale  Be- 
fund ist  wohl  meist  nicht  erwähnt.  Ausserordentlich  wichtig  ist  eine 
Beobachtung  Virchow's,  nach  welcher  in  einem  typischen  Falle  von 
M.  A.  Nebennieren,  Ganglien,  Sympathicus  gesund  waren. 

Die  Diagnose  ist  meist  nicht  schwierig,  wenn  Hautfärbung,  Allge- 
meinerscheinungen, Schwäche,  Verdauungsstörungen,  epigastrische  Schmer- 
zen vorhanden  sind,  jedoch  gibt  es  Fälle,  in  denen  alle  Erscheinungen  bis 
auf  die  Bronze  selten  fehlen  und  bei  denen  dennoch  die  Section  Neben- 
nieren-Erkrankung nachweist. 

Die  Prognose  ist  ernst.  In  707,  der  Fälle  erfolgte  der  Tod  während 
der  Beobachtungszeit,  17*570  waren  nicht  abgelaufen,  in  8'67o  wurde  Bes- 
serung, in  3*57o  Heilung  constatirt.  Wenn  auch  die  letztgenannte  Zahl 
bei  strenger  Kritik  sich  verringert,  so  existiren  doch  4  anscheinend  wirk- 
liche Heilungen  (0.57o)-  Bei  einem  Kranken  wurde  noch  24  Jahre  nach 
Ablauf  der  Krankheit  völliges  Wohlbefinden  constatirt.  Berücksichtigt  man 
für  die  Dauer  der  Krankheit  nur  die  letal  geendeten  Fälle,  so  ist  das 
Mittel  27,  Jahre;  bei  einem  Kranken  verlief  jedoch  die  Krankheit  in  einem 
Monat,  während  sie  bei  einem  andern  10  Jahre  dauerte. 

Die  Therapie  ist  zur  Zeit  symptomatisch.  In  den  geheilten  und 
gebesserten  Fällen  hatte  man  neben  roborirenden  Diät  Eisen,  Wismuth, 
Arsen,  Chinin,  Jodkali  gegeben.   Zu  wenig  angewandt  ist  entschieden  die 


266  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Elektricität  (nur  2  Besserungen).  Da  der  Symptomeneomplez  des  M.  A. 
in  einer  nicht  kleinen  Zahl  von  Fällen  bei  gesunden  Nebennieren  und 
intacten  Sympathicus-Ganglien  beobachtet  wurde,  so  muss  auch  die  Hoff- 
nung aufgegeben  werden,  die  Chirurgie  könne  durch  Exstirpation  jener 
Organe  sich  ein  neues  therapeutisches  Gebiet  erobern.  Eine  rationelle 
Therapie  ist  erst  ron  einem  besseren  Yerstandniss  des  Erankheitswesens 
zu  erwarten.  Heller. 

(5)  Es  handelte  sich  um  einen  sehr  exquisiten  Fall  von  Morbus 
Addisonii  bei  einem  41  a.  n.  Reisenden,  der  vor  20  Jahren  Lue«  durch- 
gemacht hat.  Es  bestand  zugleich  ein  hochgradiger  angeborener  Wolfs- 
rachen und  ein  seltenes  Yorkommniss  —  Yitiligo.  Es  befand^i  sich  an 
der  rechten  Hals-  und  Nackengegend  mehrere  stecknadelkopfgrosse  und 
ein  handtellergrosser,  absolut  pigmentloser,  rein  weisser  Fleck,  der  nur 
durch  spärliche  braune  Flecke  gesprenkelt  war.  Keine  Zeichen  weder  von 
Tuberculose  der  Lungen,  noch  von  Carcinom  irgend  eines  Org^ans  nach- 
weisbar. Yon  Seiten  der  Nebennieren  oder  Nieren  Hessen  sich  ebenfalls 
keine  Abnormitäten  nachweisen.  A.  Grünfeld. 

(7)  Hoffa  hatte  die  Gelegenheit  in  einem  Falle  von  beginnendem 
Skleroderma  (34  a.  n.  Manne)  des  rechten  Oberschenkels  die  erkrankte 
Hautstelle  —  21  Cm.  lang,  an  der  breitesten  Stelle  5  Cm.  breit  —  zu 
entfernen.  Durch  die  Naht  wurden  nur  die  Enden  der  Wunden  vereinigt, 
Jodoformgase  aufgelegt  und  nach  8  Tagen  die  granulirenden  Partien  mit 
vom  Oberschenkel  genommenen  Thiersch'schen  Transplantationen  bedeckt. 
Die  Heilung  erfolgte  anstandslos.  Bei  der  genau  vorgenommenen  mikro- 
skopischen Untersuchung  eonstatirte  H.  eine  zellige  Infiltration  in  den 
Scheiden  der  Drüsen  und  der  Fettträubchen  und  hauptsächlich  eine  Yer- 
änderung  der  Arterien  in  Form  von  Peri-,  Mesa-  und  Endarteritis  fibrosa. 
Somit  meint  H.,  dass  das  Wesen  der  sklerodermischen  Processe  im  We- 
sentlichen in  der  Erkrankung  der  Hautarterien  zu  suchen  ist. 

A.  Grünfeld. 

(8)  Rossi  kommt  nach  der  histologischen  Untersuchung  der  Haut 
eines  Falles  von  Elephantiasis  acquisita  zu  dem  Schlüsse,  dass  es  sich 
bei  dieser  Krankheit  um  eine  Folge  langdauemder  Entzündung  handle, 
von  welcher  sie  das  Stadium  der  Neubildung  reprasentire,  nicht  aber  um 
die  Folgen  einer  Lymphstauung.  Er  fand  neben  Hyperplasien  in  den 
verschiedenen  Schichten  der  Epidermis  Erweiterung  der  Lymphräume  in 
der  Zona  papillaris,  im  Unterhautzellgewebe  weite  Strecken  eines  com- 
pacten Gewebes,  in  welchem  nicht  mehr  einzelne  Bindegewebsfasern  er- 
kennbar sind,  ferner  eine  reichliche,  zellige  Infiltration,  bestehend  aus 
dreierlei  Elementen:  Leukocyten  des  Blutes,  Fibroblasten  und  Mastzellen 
nach  Ehrlich.  Spietschka. 

(9)  Corkhill's  Patientin,  eine  verheiratete  Frau  von  32  Jahren, 
erkrankte  nach  einer  Ueberanstrengung  des  Nervensystems  innerhalb  48 
Stunden  an  Myxödem  und  einer  kolossal  vergrösserten  Gland.  thyreoidea. 
Die  Schwellung  war  so  stark,  dass  sie  ein  Gefühl  von  Suffocation  hervor- 
rief.   Yerf.  glaubt,  dass  die  Schwellung,  die  eine  rein  vasculäre  war, 


der  Dermatologie.  267 

den  wahren  Zustand  der  Drüse  selbst  maskirte  und  keinerlei  Beziehong 
zum  Myxödem  hatte.  Durch  Injectionen  mit  Extract  aus  der  Gland. 
thyreoidea  wurde  die  Kranke  geheilt.  Die  Druse  war  etwa  noch  halb  so 
gross  als  vorher.  Sternthal. 

(10)  Gibsen  wendet  sich  zunächst  gegen  die  Ansicht  Horsley's, 
dass  die  Gland.  thyreoidea  ein  blntbereitendes  Organ  in  Bezug  auf  corpus- 
culäre  Elemente,  gewissermassen  ein  compensatorisches  Organ  der  Milz 
sei.  Durch  Versuche  an  Hunden  hat  er  erwiesen,  dass  bei  einem  Hunde, 
dessen  Milz  excidirt  ist,  die  Zahl  der  rothen  Blutkörperchen  sinkt  und 
dass  dies  Sinken  zwei  Monate  nach  der  Excision  seinen  Höhepunkt  er- 
reicht. Damit  ist  die  Annahme  der  compensatorischen  Function  der  beiden 
Organe  widerlegt.  Als  nun  Gibsen  dem  Hunde,  dem  er  die  Milz  entfernt 
hatte,  zuerst  einen  Lappen  der  Thyreoidea  herausschnitt,  hatte  dies  auf 
das  Thier  keinen  schlechten  Einfluss  und  trotz  der  Excision  erreichten 
die  rothen  Blutkörperchen  in  einem  weiteren  Monat  die  Zahl  wieder,  die 
vor  der  Excision  der  Milz  bestanden  hatte.  Der  zurückgebliebene  Lappen 
der  Th3rreoidea  wurde  dann  ebenfalls  entfernt,  worauf  das  Thier  in  14 
Tagen  zugrunde  ging;  die  Zahl  der  rothen  Blutkörperchen  war  aber 
2  Tage  vor  dem  Tode  genau  so  gross  wie  vor  der  Excision  des  ersten 
Lappens.  Dieses  Thier  lebte  ohne  Milz  und  ohne  Thyreoidea  genau  so 
lange  wie  andere  Hunde,  denen  nur  die  Thyreoidea  excidirt  war.  Eine 
andere  Frage  ist  es  indessen,  ob  nicht  die  Thyreoidea  eine  Substanz  ab- 
sondert, welche  die  chemische  Zusammensetzung  des  Blutplasma  ver- 
ändert. Verf.  bekennt  sich  zu  der  Schiff'schen  Theorie,  wonach  die 
Drüse  eine  Substanz  absondert,  deren  Absorption  in  das  Blut  eine  Lebens- 
bedingung ist,  und  zu  der  Erweiterung  dieser  Hypothese  von  Sanguirico 
und  Caualis,  dass  die  Drüse  ein  Material  absondere,  dass  für  die  Er- 
nährung des  Centralnervensystems  nöthig  sei. 

Verf.  gibt  dann  die  Krankengeschichte  eines  Kindes,  das  er  zuerst 
sah,  als  es  im  Alter  von  2  Jahren  an  Myxödem  erkrankt  war.  Abbil- 
dungen zeigen  das  Kind  in  diesem  Alter  und  mit  der  vorgeschrittenen 
Krankheit  im  Alter  von  4  und  6  Jahren.  Es  bot  zu  dieser  Zeit  alle  ty- 
pischen Erscheinungen  des  Myxödems.  Am  20.  Juli  1891  wurden  dem 
Kinde,  die  gleichzeitig  im  Opei^tionsraume  entfernten  beiden  Lappen 
einer  Lammsthyreoidea  in  die  Scheide  des  rechten  Pectoralis  major 
unterhalb  der  Brustwarze  eingepflanzt,  nachdem  jeder  Lappen  zuvor  ge- 
spalten war.  Am  folgenden  Tage  schon  besserte  sich  der  Geisteszustand 
des  Kindes  und  fuhr  fort  sich  zu  bessern  bis  Mai  1892.  Zu  dieser  Zeit 
begann  die  Haut  wieder  die  Tendenz  zu  zeigen  trocken  zu  werden,  ob- 
wohl kein  Anzeichen  für  eine  Rückkehr  des  Oedems  da  war.  Es  wurden 
deswegen  am  20.  Mai  die  Lappen  einer  Lammsthyreoidea  in  das  Abdomen 
des  Kindes  gebracht,  nachdem  jeder  Lappen  wieder  erst  gespalten  war. 
Ein  Lappen  wurde  durch  eine  Silkwormnaht  an  die  Knke  vordere  Bauch- 
wand befestigt,  der  andere  frei  in  die  rechte  Seite  der  Bauchhöhle  gelegt. 
Die  Incision  war  in  der  Linea  alba  gemacht;  die  Wunde  heilte  per 
primam   und   es   traten   keine  Zeichen  peritonealer  Reizung,   noch  Aus- 


268  Bericht  über  die  Leistongen  aof  dem  Grebiete 

dehnang  des  Abdomen  auf.  Trotz  intercurrirender,  dreiwöchentlicher  £r- 
krankmig  an  Dysenterie  besserte  sich  das  Kind  bis  September  1892  kör- 
perlich und  geistig  bedeutend.  Die  Drüse  links  konnte  länger  als  2  Monate 
deutlich  gefühlt  werden,  später  wurde  sie  weniger  deutlich,  vrar  aber  doch 
noch  nachweisbar.  Die  unbefestigte  Drüse  konnte  ebenfalls  mehrere  Wochen 
deutlich  gefühlt  werden. 

Das  erste  Lamm  (das  zweite  g^ng  in  der  Narkose  zugrunde)  zeigte 
nach  Entfernung  der  Thyreoidea  keinerlei  Symptome.  Es  wurde  7  Monate 
nach  der  Excision  getödtet.  Eine  accessorische  Thyreoidea  wurde  nicht 
gefunden.  Dagegen  entdeckte  man  bei  genauester  Untersuchung  der  Tra- 
chealgegend  vom  an  der  Trachea,  zwischen  dieser  und  der  Narbe,  ein 
etwa  bohnengrosses  Stück  der  Drüse.  Es  war  zweifellos  ein  aus  einem 
kleinen  Stückchen  der  Drüse,  das  bei  der  Operation  zufällig  zurückgelassen 
war,  hypertrophirtes  Drüsengewebe.  Dieses  hatte  die  Functionen  der  Drüse 
übernommen.  Sternthal. 

(11)  Hol  mann  heilte  einen  sehr  schweren  und  alten  Fall  von 
Myxödems  durch  interne  Darreichung  von  Gland«  thyreoidea.  Er  macht 
darauf  aufinerksam,  dass  man  nur  kleine  Dosen  geben  darf,  da  grosse 
stürmische  Herzaction  und  Nausea  verursachen.  In  seinem  Falle  genügte 
ein  halber  Drüsenlappen  einen  um  den  anderen  Tag  gegeben.  Er  wurde 
mit  Scheren  in  demselben  Glase  fein  zerschnitten,  aus  dem  die  Patientin 
ihn  nachher  mit  etwas  Brandy  und  Wasser  trank.  Sternthal. 

(12)  Mackenzie  gibt  noch  einmal  ausfuhrlich  die  Symptome  des 
Myxoedem  und  dessen  Pathologie,  bespricht  dann  die  Behandlungsmethoden 
desselben  mit  Injectionen  und  erwähnt  darauf  die  von  ihm  gleichzeitig 
mit  und  unabhängig  von  Fox  (Plymouth)  gemachte  Entdeckung,  dass 
auch  das  Extract  der  Drüse  oder  diese  selbst  per  os  gegeben,  denselben 
Effect  erzielt  wie  die  Injectionen.  Er  stellt  dann  eine  Patientin  vor,  an 
der  er  die  Erfolge  dieser  Behandlung  nachweist.  Mackenzie  gab  zuerst 
die  Drüse  in  fein  zerschnittenem  Zustande  mit  etwas  Brandy  und  Beeftea. 
Später  Hess  er  die  zerkleinerte  Drüse  mit  etlichen  Theelöffeln  Wasser  eine 
halbe  Stunde  stehen,  dazm  wurde  das  Gkinze  ausgepresst  und  der  Saft 
durch  ein  Stück  Linnen  oder  Monselin  durchgegeben.  Der  ausgepresste 
Saft  wurde  mit  Beeftea  gereicht.  Kochen  zerstört  die  Wirkung  der  Drüse. 
Man  braucht  von  der  Drüse  nicht  viel  zu  geben;  eine  oder  eine  halbe 
Drüse  oder  deren  Extract  zweimal  wöchentlich  genügen  im  Anfang; 
später  einmal  wöchentlich.  Mackenzie  theilt  mit,  dass  Mr.  White, 
der  Apotheker  des  St.  Thomashospitals,  ein  Pulver  aus  der  Drüse  hergestellt 
hat,  das  geschmacklos  ist,  sich  gut  hält  und  g^at  anschlägt.  Sollte  dieses 
Pulver  sich  weiter  bewähren,  so  wäre  ein  grosser  Fortschritt  in  der  Be- 
handlung des  Myxödems  erzielt.  Sternthal. 

(18)  Lundie  besserte  eine  seit  14  Jahren  an  Myxödem  erkrankte 
54jährige  Frau  zuerst  mit  Injectionen  von  Extract  der  Gland.  thyreoidea. 
Da  aber  Schmerzen  und  Abscesse  nach  den  Injectionen  auftraten,  mussten 
diese  ausgesetzt  werden,  worauf  schon  5  Wochen  später  wieder  eine 
Verschlechterung  zu   constatiren   war.    Verf.   entschloss  sich  darauf,  das 


der  Dermatologie.  269 

Extract  per  os  zu  geben  und  zwar  zweimal  wöchentlich  Extract  von  V, 
Schafsthyreoidea.  Das  Resnltat  war  ausgezeichnet.  Innerhalb  14  Tagen 
trat  deutliche  Besserung  ein,  die  weiter  fortschritt.  Verf.  warnt  besonders 
vor  übermässiger  Körperanstrengung  während  der  frühen  Stadien  der  Be- 
handlung, da  nach  einer  solchen  Anstrengung  seine  Patientin  livide  und 
athemlos  wurde  und  nur  durch  Stimulantien  und  ruhige  Rückenlage  dem 
Tode  entging,  der  zwei  Patienten  Murray's  aus  ähnlichem  Anlasse 
betroffen  hat.  Sternthal. 

(14)  Creswell  Babes  behandelte  nach  dem  Vorgang^  Hector 
Mackenzie^s  eine  53jährige  Frau,  die  schon  seit  6  Jahren  an  Myxödem 
litt,  mit  irischer  Schafsthyreoidea.  Er  reichte  die  zerkleinerte  Drüse  mit 
Anchpyypaste  gemischt  auf  geröstetem  Weissbrot.  Sie  wurde  mit  einem 
kleinen  Brandy  und  Selterswasser  hinuntergespült.  Unter  dieser  Behand- 
lung trat  entschiedene  Besserung  ein.  Nach  Darreichung  einer  ganzen 
Drüse  trat  36  Stunden  später  Kopfschmerz  und  intensiver  Rücken-  und 
Gliederschmerz  auf,  was  Verf.  darauf  zurückfuhrt,  dass  die  Producte  des 
festen  Oedems  im  Blute  circulirten.  Denn  bei  Inactivität  der  Drüse  bildeten 
sich  krankhafte  Producte,  die  bei  künstlicher  Einführung  des  Saftes  der 
Gland.  thyreoidea,  sei  es  nun  subcutan  (nach  G.  R.  Murray)  oder  per  os 
(nach  H.  Mackenzie  und  E.  L.  Fox)  einer  raschen  Absorption  anheim- 
fielen. Gibt  man  nun  sehr  grosse  Mengen  der  Drüse,  so  werden  auch 
grössere  Mengen  jener  Producte  absorbirt,  und  es  treten  dann  leichte  un- 
angenehme Nebenwirkungen  auf.  Sternthal. 

(16)  Eine  44jährige  Frau,  seit  14  Jahren  an  Myxödem  erkrankt, 
wurde  von  Henry  nach  Murray's  Methode  durch  Injection  mit  dem 
Extract  der  Gland.  thyreoidea  bedeutend  gebessert.  Als  man  darauf  zur 
Darreichung  roher  Drüse  überging,  so  erwies  sich  in  diesem  Falle  die 
Methode  entschieden  nicht  gleich werthig  den  lujeotionen.  Zwar  kehrten 
die  Oedeme  nicht  wieder,  doch  wurden  Menses  und  Stuhlgang,  die  unter 
den  Injectionen  regelmässig  gewesen  waren,  wieder  unregelmässig  und  der 
Einfluss  auf  die  Temperatur  war  nur  vorübergehend.  Sternthal. 

(17)  Dee  Shapland  behandelte  eine  52jährige,  seit  10  Jahren  an 
Myxödem  leidende  Frau  mit  frischer  Schafsthyreoidea.  Die  Patientin 
wurde  wesentlich  gebessert  Sternthal. 

Parasitäre  Dermatosen. 

1.  Eddowes,  Alfred.  Treatment  of  ringworm.  (With  Discussion.)  The 
Brit.  Med.  Joum.  15.  April  1893. 

2.  ]IIa8§azza,  Guiglielmo.  A  proposito  del  nuovo  melodo  Peroni  per  la 
cura  della  Tigna.  Giom.  ital.  delle  malattie  ven.  e  della  pelle. 
XXVm.  Fase.  I. 

3.  Mibelll,  Y.  Sul  Favo  (conte  fine).  Giomale  Italiano  delle  Bialattie 
Veneree  e  della  Pelle.  Anno  XXVUI.  Fase.  3. 

(1)  Eddowes  empfiehlt  zur  Behandlung  des  Herpes  tonsurans  der 
Kopthaut    eine  Methode,  die  im  Wesentlichen  mit  der  von  Unna  ange- 


270  Bericht  über  die  Leistungen  anf  dem  Gebiete 

gebenen  identisch  ist.  In  der  ersten  Woche  werden  die  Haare  möglichst 
kurz  geschnitten  und  eine  Schwefelsalbe  (3J  ^^  3J  Vaseline)  eingerieben. 
Darüber  wird  Tag  und  Xacht  eine  Kappe  getragen.  Die  Kopfhant  wird 
in  dieser  Woche  2 — ^dmal  gewaschen.  In  der  zweiten  und  den  folgenden 
Wochen  wird  eine  zusammengesetzte  Chrjrsarobinsalbe  (25  Grs.  Gfarysa- 
robin  auf  3J  Vaseiiae,  26  Grs.  Iditiiyol,  10  Grs.  acid.  salicyl.)  auf  einen 
kleinen  Bezirk  der  Kopfhaut  eingerieben  (nicht  so  viel,  dass  sie  auf 
Gesicht,  Nacken  oder  Ohren  laufen  kann),  der  Best  der  Kopfhaut  wird 
mit  Schwefelsalbe  bedeckt.  Darüber  kommt  ein  Stück  Guttaperehapapier 
oder  WachstafTet  und  zum  Schluss  eine  festliegende  Kappe.  Die  Salbe 
wird  täglich  erneuert  Wird  die  Haut  empfindlich,  so  wischt  man  die 
Chrysarobinsalbe  mit  Werg  oder  Watte  ab  und  reibt  die  Schwefetealbe 
allein  ein.  Wird  die  Chrysarobinsalbe  gut  vertragen,  so  wird  sie  allmälig 
in  immer  ausgedehnterem  Umkreise  angewandt,  bis  die  ganze  Kopfhaut 
damit  bedeckt  ist.  Man  wendet  sie  aber  nie  langer  hintereinander  an  als 
4  Tage.  Dazm  wird  jedenfalls  die  Schweielsalbe  benutzt.  Am  letzten  Abend 
der  Woche  wird  der  Kopf  gut  mit  Olivenöl  abgerieben  und  Morgens  mit 
weicher  Seife  oder  Sodawasser  abgewaschen,  abgetrocknet  und  dann 
eingeölt.  —  Da  imter  den  ärmtt'en  Classen  in  den  Sdiulen  der  Herp.  tons. 
capillitii  häufig  verln^tet  wird,  so  schlägt  Eddowes  vor,  dass  das  Haar 
der  Kinder  kurz  geschoren  werden  soll,  die  Kopfhaut  einmal  wöchentlich 
mit  warmem  Wasser  und  Seife  gewaschen  wird  und  dass  dann  Oel  oder 
Vaseline  angewandt  wird.  Am  Ende  jedes  Lehrganges,  besonders  im 
Sommer,  sollten  die  Köpfe  untersucht  und  die  Vormünder  der  Kinder 
sollten  von  dem  Vorhandensein  der  Kranklieit  benachrichtigt  werden. 
Die  Kinder  dürften  beim  Wiederbeginn  der  Schule  nur  zugelassen  werden, 
wenn  sie  geheilt  oder  so  gekleidet  waren,  dass  sie  nicht  für  die  anderen 
eine  Quelle  der  Contagion  wurden.  Um  sieher  zu  wissen,  ob  die  Affection 
geheilt  sei,  müsse  man  verlangen,  dass  nach  Aussetzen  der  B^andlung 
für  mehrere  Wochen  der  Kopf  gesund  bleibe.  Am  besten  sei  es  von  aus- 
gezogenen Haaren  Gulturen  in  der  von  Unna  gelehrten  Weise  an- 
zulegen. 

Mercurialpraparate  dürfe  man  nur  mit  Vorsicht  anwenden,  da  bei 
Herp.  tons.  die  Homschicht  der  Haut  vielfach  defect  sei  und  so  Resorption 
stattfinden  könne. 

In  der  Discussion  bemerkt  Abraham,  dass  er  folgende  Einreibung 
abends  und  morgens  brauchen  lasse:  Mit  W]fe  einer  steifen  Bärste  wird 
eine  Pomade  eingerieben,  bestehend  aus  Lanolin  und  Vaseline  aa  3>*7  a<^<^- 
carbol.  und  acid.  salicyl.  aa  J^sn  bis  j.  Die  Kopfhait  wird  von  Zeit  zu 
Zeit  rasirt,  das  Haar  kurz  geschoren  und  immer  fettig  gehalten.  Eine 
Kappe  wird  beständig  getragen,  aber  täglich  gewechselt  and  &ils  aus 
Leinen,  täglich  gekocht.  Der  Kopf  wird  einmal  wöchentlich  mit  einer 
antieeptischen  Seife  gewaschen.  Abraham  betraditet  «inen  Fall  erst 
dann  als  geheilt,  wenn  nach  mehreren  Untersuchungen  keine  kurzen 
Stümpfe  mehr  zu  sehen  sind,  keine  kranken  oder  irregulär  wachsenden 
Haare,  kein  Schorf  und  bei  mikroskopischer  Untersuchung  keine  Sporen. 


der  Dermatologie.  271 

—  Normaun  Walker  benutzt  zur  Züchtung  der  Pilze  oft  eine  einfache, 
schwach  sauer  gemachte  Dextroselösung.  Sternthal. 

(2)  Massazza  berichtet  über  die  Erfolge,  die  an  der  derm.-syph. 
Klinik  zu  Pavia  mit  der  1691  von  Peroni  angegebenen  Methode  zur 
Heilung  des  Favus  erzielt  wurden.  Bei  drei  Kranken  wurde  genau  in  an- 
gegebener Weise  durch  lange  Zeit  hindurch  (vom  lO^II.  bis  4^YL,  ld./lV. 
bis  21./yil.,  5./yi.  bis  October)  die  Behandlung  durchgeführt,  jedoch 
wurde  bei  keinem  eine  Heilung  erzielt,  so  dass  die  Methode  gegenwärtig 
als  unbrauchbar  bei  Seite  gelassen  werden  muss.  Spietschka. 

(3)  Mibelli  bespricht  in  dieser  Fortsetzung  zu  seiner  Arbeit 
über  den  Favus  im  Fase.  II  zunächst  die  histologische  Zusammensetzung 
und  Entwickelung  des  Scutulum,  welches  in  der  Regel  bei  allen  Favus- 
Erkraukungen,  wenn  nicht  makroskopisch,  so  doch  mikroskopisch  vor- 
handen ist,  und  nur  bei  den  rasch  verlaufenden  erythematösen  Formen 
nicht  zur  Entwickelung  kommt.  Somit  bildet  das  Scutulum  ein  wesent- 
liches klinisches  Unterscheidungsmerkmal  des  Favus  gegenüber  anderen 
Mycosen.  Der  Pilz  entwickelt  sich  nicht  in  den  tiefsten  Lagen  der  Hom- 
schicht,  sondern  immer  in  den  mittleren.  Darauf  folgt  eine  ausföhrliche 
Schilderung  der  concentrischen  Structur  und  der  Dellenbildung  am 
Scutulum,  welche  nicht  durch  die  dasselbe  durchbohrenden  Haare  bedingt 
sei,  sondern  durch  die  Art  des  Wachsthums  des  Pilzes  und  die  Reaction 
der  Haut.  Diejenigen  Scutuli,  welche  die  Grösse  einer  Linse  überschreiten, 
seien  aus  mehreren  ursprünglich  getrennten  Pilzcolonien  durch  Confluenz 
entstanden.  Nur  an  der  vertrockneten  Oberfläche  des  Scutulum  kommen 
anderweitige  Mikroben  vor,  in  der  Mitte  und  den  tieferen  Theilen  bestehe 
es  nur  aus  Sporen  und  H3rphen.  Anfuhrung  von  Fällen,  wo  die  Pilzmassen 
grosse,  den  Kopf  bedeckende  Krusten  bilden.  In  Bezug  auf  die  Topo- 
graphie des  Pilzes  in  der  Haut  ist  zu  bemerken,  dass  sich  der  Pilz 
sowohl  im  Haarsohaft,  als  auch  in  den  Scheiden  des  Haares  entwickelt, 
und  zwar  am  reichlichsten  in  der  Höhe  des  Infundibulum.  Die  Pilz- 
vegetationen  lassen  sich  oft  im  Inneren  des  Haarschaftes  mehrere  Cm. 
weit  im  freien  Theile  desselben  nachweisen.  Dass  ein  ein  Scutulum  durch- 
setzendes Haar  frei  von  Pilzen  ist,  kommt  an  der  Haut  des  Kopfes  häu- 
tiger vor  als  am  Körper.  In  der  Höhe  des  Infundibulum  dringt  der 
Pilz  direct  in  das  Innere  des  Haares  ein.  Nach  Aussen  hin  durchdringt 
er  jedoch  nie  das  Stratum  spinosum. 

In  den  tiefsten  Thdlen  des  Follikels  breitet  sich  der  Pilz  in  jenen 
Theilen  der  inneren  Wurzelscheiden  aus,  welche  noch  nicht  ganz  verhornt 
sind,  und  wo  noch  Spuren  von  Karyokinesen  vorhanden  sind,  jedoch  ist 
nie  eine  Spur  des  Pilzes  in  jenen  Schichten  zu  £nden,  welche  noch  deutlich 
tingible  Zellkerne  zeigen. 

Im  nächsten  Abschnitte  behandelt  Mibelli  die  Histologie  der  an 
Favus  erkrankten  Haut.  Zunächst  die  erythematösen  und  squamösen 
Formen,  wo  noch  kein  Scutulum  vorhanden  ist,  mit  ihrer  Infiltration  um 
die  Gefässe  und  den  Veränderungen  in  der  Hornschicht.  Das  Scutulum 
entwickelt  sich  nur  in   der  Hornschichte     und  dringt  nie  zum  Papillär- 


272  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

körper.  Unter  der  Mitte  desselben  ist  die  Hant  verdünnt,  an  den  Rändern 
wallartig  erhoben«  Dann  werden  die  in  Folge  der  Scutulum-Entwicklnng 
im  Haarfollikel  stattfindenden  Verandemngen  aasfohrlich  beschrieben. 
Nur  die  oberste  und  ein  Theil  der  mittleren  Homschichte  erheben  sich 
wie  ein  Dach  über  das  Scutulam.  Wenn  dadorch  der  Haarfollikel  Ter- 
schlossen  wird,  kommt  es  zur  Bildung  von  Cysten,  die  ein  verkrümmtes 
Haar  enthalten. 

Bei  sehr  acuter  Infiltration,  des  Follikels  auch  im  tiefsten  Theile 
desselben  and  bei  einer  wahren  Perifolliculitis  kann  man  das  Haar  mit 
den  inneren  Wnrzelscheiden  herausziehen,  die  äusseren  bleiben  dabei  stets 
an  ihrer  Stelle.  Femer  wird  die  Atrophie  der  Haut  nach  lange  be- 
stehendem Favus  beschrieben.  Dabei  kommt  es  zu  vollständigem  Schwunde 
der  elastischen  Fasern,  welche,  sobald  die  Entzündung  beginnt,  die 
Fähigkeit  der  Orcinfarbung  verlieren.  An  jenen  Theilen,  wo  das  Sca- 
tulum  keinen  Druck  ausübt,  findet  sich  reichliche  Proliferation  im  Hai- 
pighischen  Stratum. 

Beim  Favus  handelt  es  sich  um  einen  Entzfindungspiocess,  von 
welchem,  namentlich  der  Papillarkörper  getroffen  wird;  dieser  Process 
erscheint  oft  als  eine  katarrhalische  Entzündung,  mit  reichlicher  klein- 
zelliger Infiltration  und  Exsudation  morphologischer  Elemente.  Zur 
Eiterung  kommt  es  nicht,  oder  nur  selten,  secundär,  in  kleineren  Herden. 
Der  Favus  hat  also  nicht  die  Charaktere  eines  destructiven  Processes, 
sondern  es  kann  vollständige  Restitutio  ad  integrum  eintreten.  Der 
schlimmste  Ausgang  ist  narbenähnliche  Atrophie  der  Haut  in  Folge  des 
Druckes,  den  die  Scutuli  und  die  favösen  Krusten  auf  die  Haut  ausüben, 
die  aber  nicht  durch  Eiterung  oder  dadurch  bedingt  ist,  dass  der  Pilz 
bis  in  das  Derma  eindringe  (Balz er,  Malassez).  Das  Haar  selbst  dient 
dem  Pilze  nicht  zur  Nahrung,  sondern  die  Exsudate  aus  der  Nachbarschaft 
ernähren  ihn. 

In  Bezug  auf  die  Untersuchungen  des  Favus  am  Nagel  konmit 
Mi  belli  zu  folgenden  Resultaten: 

Derma  und  Epidermis  des  Nagelbettes  zeigen  die  gleichen  Ent- 
zündungsersoheinungen  wie  die  Haut  anderer  Körpertheile.  2.  Der  Nagel 
selbst  bewahrt  seine  normale  Dicke;  die  scheinbare  Verdickung  am  freien 
Rande  und  an  den  Seiten  des  Nagels  ist  durch  eine  hornige  Substanz 
bedingt,  die  zwischen  Bett  und  Nagel  eingeschoben  ist.  3.  Diese  Substanz 
ist  ein  Lieblingssitz  der  Pilzentwicklung.  4.  Ein  anderer  Sitz  der  Pilz- 
entwicklung ist  die  Lamina  des  Nagels  selbst,  aber  nur  in  ihren  ober- 
flächlichsten Schichten  (entgegen  der  Annahme  Fabry's).  5.  Der  Pilz 
dringt  auch  hier  gleich  wie  bei  der  Haut,  nie  in  das  Corpus  Malpighi 
des  Nagelbettes.  6.  Der  Umstand,  dass  sich  der  Pilz  wohl  in  den  ober- 
flächlichsten Schichten  des  Nagels  vorfindet,  den  Nagel  selbst  jedoch  nie 
durchdringt,  als  ob  etwa  diese  oberflächlichen  Pilzentwickelungen  mit  den 
Wucherungen  unter  dem  Nagel  in  Verbindung  stünden,  könnte  der  Meinung 
Pelizzari's  Recht  geben,  dass  der  Pilz  auch  primär  die  Lamina  des 
Nagels  selbst  befallen  kann.  Spietschka. 


Venerische  Krankheiten. 

iRedigirt  toxi  Prof.  Neinser  und  Primararzt  Jadassohn  in  Breslau.) 


Gonorrhoe  und  deren  Complicationen. 

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ArehiT  f.  Dennittol.  n.  8/phll.  Band  XXVII.  jg 


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XXVII.  Nr.  8. 

48.  Grünfeld,  J.  Ueber  die  Wirkung  des  Heidclbeerendecoct«»  auf  die 
Epithelialauflagemngen  der  Harnröhre.  Blätter  für  klinische  Hydro- 
therapie. 7.  1891. 

49.  Baeon,  John  E.  Kava-Kava  in  Gonorrhoea.  American.  Ther.  1893. 
Nr.  12,  p.  304. 

18* 


276  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

60.  Friedl&nder,  M.  Pichi  (Fabiana  imbricata),  ein  Mittel  gegen  Krank- 
heiten der  Hamorgane.  Aus  Dr.  Lassar^s  Klinik.  Therap.  Monatsh. 
1893.  Heft  7. 

51.  Falkäon.  Zur  ambulanten  Behandlung  der  Epididymitis  gonorrhoica. 
Berlin,  klin.  Wochenschr.   1893.  Nr.  3. 

52.  Allen.  An  irrigator  for  the  female  Urethra.  The  Boston  medical  and 
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'53.  Rallet.  Traitement  de  Füret hrite  blennorrhagique  chez  la  femme.  Le 
Progr.  m^d.   2.  Oct.  1893. 

54.  Murray.  Ueber  gonorrhoische  Yaginitis.  Verhandlungen  der  Gesell- 
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Gynäkologie.  1892,  p.  757. 

55.  Behaudlang  der  Yaginitis  blennorrhag.  mit  Methylenblau.  Nouv.  re- 
mkles.  Nr.  13.  1893.  Nach  dem  Gorrespondenzblatt  for  Schweizer 
Aerzte.  1893.  16. 

56.  Frederick,  0.  G.The  treatment  of  Gonorrhea  and  Gonorrhoeal  Pelvic 
Disease  in  Women.  Buffalo  Medical  and  Sorgical  Journal.  1892. 

57.  DnmODt.  Ein  Fall  von  gonorrhoischer  Salpingitis  durch  Laparotomie 
geheilt.  Gorrespondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  1891.  Nr.  6.  Ref.  im 
Gentralblatt  für  Gynäkologie.  1892,  p.  336. 

58.  Traitemeut  de  la  vulgo-vaginite  par  le  permanganate  de  potasse. 
Index  therapeutique,  la  province  med.  14.  Oct.  1893.  Nr.  41. 

59.  KirstelD.  Ueber  die  Massnahmen  zur  Verhütung  der  Blenn.  neonator. 
und  über  die  Frage  der  Zweckmässigkeit  diesbezügl.  obligatorischer 
Vorschriften  für  die  preuss.  Hebammen.  Allgem.  medicin.  Gentralzeit. 
1892.  Nr.  61/62.  Ref.  Supplementband  u.  Gentralbl.  f.  Augenheilk.  1892. 

60.  Morel-Lavall^e.  Deux  cas  d'arthropathie  blennorrhagique  gueris  a  la 
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61.  Foyrau  de  Gourmelles.  Ueber  die  Diagnose  der  Urethralstricturen. 
Fortschr,  der  Krankenpflege.  Wien  1893. 

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Bd.  60,  Nr.  7. 

64.  Meisels,  Wilhelm.  Ueber  Stricturen  der  weibl.  Urethra.  Wiener 
medic.  Wochenschr.  Nr.  12.  1893. 

65.  Soutliaiu,  F.  A.  The  treatment  of  stricture  of  the  Urethra.  The  Brit. 
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66.  Morris,  Henry.  Some  changes  in  surgical  opinion  regarding  the  di- 
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67.  Martinez  del  Gampo.  Gombined  internal  and  external  urethrotomy 
with  vesico-urethral  drainage  in  the  treatment  of  multiple  urethral 
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der  Syphilis.  277 

68.  Coignet.  De  roretrostomie  perineale  dans  les  r^tr^cissements  incn- 
rables.  These  Lyon  1898. 

69.  Miller.  A  new  instmment  for  the  treatment  of  diffioalt  strictores 
of  the  Urethra.    Edinburgh  medical  Journal.  October  1893. 

70.  TnfBer.  Reoherches  experimentales  sur  Pelectrolyse  de  Purethre  dans 
les  cas  de  rötrecissement.  La  Semaine  m^dicale.  Kr.  87.  10.  Juni  1893. 

71.  Fort.  Classification  des  retrecissements  nr^thraux  cicatriciels  basee 
sur  les  faits  foumis  par  Peleetrolyse  lin^aire.  Gaz.  d.  hop.  1898,  XXX. 

72.  Guelliot.  Traitement  des  retrecissements  de  Purethre  par  Pelectro- 
lyse.  Soc.  de  Chir.  21.  Juni  1893.  La  Sem.  med.  1893.  Nr.  40,  p.  316. 

73.  Reynler.  Traitement  des  retrecissements  de  Purethre  par  Pelectrolyse. 
La  Sem.  medicale.   Nr.  39.   21.  Juni  1893. 

74.  Bazy.  Traitement  des  retrecissements  de  Purethre  par  Pelectrolyse. 
Soc.  de  chir.  28.  Mai  1893.  La  Sem.  med.  1893.  Nr.  41,  p.  325. 

75.  ]llan§ell  Moaliiu,  G.  The  treatment  of  stricture  of  the  Urethra  by 
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76.  Blaekwood,  William.  Electricity  in  Strictures.  The  Times  and  Reg. 
XXVL  1893.  Nr.  3. 

77.  Greene,  J.  B.  Electricity  in  the  Treatment  of  Urethral  Strictures. 
The  Times  and  Register.  XXVI.  1893.  Nr.  3. 

78.  Wallaee,  F.  H.  Electrolysis  for  Urethral  Stricture.  The  Times  and 
Register.  XXVI.  1893.  Nr.  3. 

79.  Phelbs,  0.  S.  Electrolysis  for  Urethral  Stricture.  The  Times  and 
Register.  XXVI.  Nr.  3. 

80.  Cannady,  Ghas.  6.  Stricture  of  the  Maie  Urethra  and  its  Treatment 
by  Electricity.  The  Times  and  Register.  XXVI.  1893.  Nr.  3. 

81.  Newman,  Robert.  The  Present  Status  of  Electrolysis  in  the  Treat- 
ment of  Urethral  Strictures  with  Statistics  of  One  Hundred  Gases  (the 
Third  Series.)  The  Journal  of  the  Amer.  Med.  Assoc.   Vol.  XX.  Nr.  15. 

82.  Walling,  W.  H.  The  Electrical  Treatment  of  Strictures.  The  Times 
and  Register.  Vol.  XXVI.  Nr.  3. 

(1)  Feis  berichtet  über  einen  Fall,  bei  welchem  das  erst  54  Stan- 
den nach  dem  Blasensprung  geborene  Kind  einer  Multipara  sofort  nach 
der  Gebart  alle  Zeichen  einer  acuten  Ophthalmoblennorrhoe  mit  positivem 
Gonococcenbefund  aufwies.  Zum  Schluss  erwähnt  Verf.,  dass  unter  den 
letzten  452  Geburten  der  Göttinger  Frauenklinik  nur  4  Fälle  von  Blennor- 
rhoe beobachtet  worden  seien,  der  oben  beschriebene  Fall,  femer  ein 
schon  krank  eingeliefertes,  ausserhalb  der  Anstalt  geborenes  Kind,  ein 
Fall,  wo  die  Grede'sche  Einträufelung  vergessen  worden  war,  und  ein 
Fall,  wo  versuchsweise  an  Stelle  des  Arg.  nitr.  Aq.  chlori  eingeträufelt 
worden  war,  so  dass  also  die  Morbidität  bei  der  Anwendung  der  Grede- 
schen  Prophylaxe  0%  betrage..  Paul  Neisser. 

{2)  Den  bisher  publicirten  Fällen  von  bei   der   Geburt  schon    zu 
constatirender    Blennorrhoe  (Magnus,  Galczowski,  Feis,  Kranenberg  und 
Hirschberg)  fagt  Paryschew  einen  Fall  aus  L  e  b  e  d  e  v's  Klinik  hinzu.    Ab- 
gang des  Wassers  3  Tage  vor  Beginn  der  Wehen.    Drittgebärende.  Sofort 


278  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

nach  dem  Durchschneiden  des  Kopfes  typische  Blennorrhoe;  zahh*eicbe 
Gonococcen.  Am  2.  Tage  ausgedehnte  Hohihauttrübungen.  Prophylaktisch 
empfiehlt  Verf.  nach  Abgang  des  Fruchtwassers  Irrigation  mit  Sublimat 
1  : 2—8000. 

(3)  Es 8 ad  hat  in  5  Fällen  von  gonorrhoischer  Conjunctivitis  mit 
typischem  Gonococcenbefund  mit  einer  Ausnahme  —  es  war  zu  einem 
Durchbruch  der  Cornea  schon  vor  der  Aufnahme  der  Patientin  gekommen 
—  mit  8  ~4mal  täglich  vorgenommenen  Argentum-Aetzungen  sehr  gute  Re- 
sultate erzielt. 

(4)  Im  Anschluss  an  einen  Tripper  und  eine  Gonitis  beobachtete 
Eliasberg  bei  einem  22jährigen  Mann  4  Monate  nach  der  Infectiou 
eine  Keratitis  parenchymatosa,  erst  der  einen,  dann  der  anderen  Seite, 
die  durch  ihren  günstigen  Verlauf  ausgezeichnet  war  und  welche  der 
Verfasser  mit  grösster  Bestimmtheit  auf  die  Gonorrhoe  zurückfuhrt. 

(5)  Kembe  bespricht  die  Symptome  der  Conjunctivalblennorrhoe, 
die  anatomischen  Veränderungen  der  inficirten  Conjunctivae  und  berichtet, 
dass  der  Procentsatz  der  an  Blennorrhoe  erkrankten  Neugeborenen  von 
8,567t  ^™  Jahre  1878  mit  Anwendung  des  Cr ed ersehen  Verfahrens  auf 
1,71%  im  Jahre  1891  in  der  kgl.  Universitäts-Klinik  in  Berlin  gesunken  sei. 
Die  Behandlung  besteht  neben  häufigen,  alle  1-2  Minuten  zu  wechselnden 
Eisumschlägen  in  Aetzung  der  Bindehaut  mit  Arg.  nitr.  Lösung  7i — 1 — 37i- 

(6)  C  o  z  z  o  1  i  n  o    unterscheidet   2  Arten  der  Blennorrhoe  der  Nase : 
die  metastatische,   von   Forcarde  beschriebene,  welche  entsteht,  nach- 
dem plötzlich  durch  eine   caustische  Injection  der  Urethralausflnss  aufge- 
hört hat,  und  die  unmittelbar  durch  Contagion  entstehende ;  Edwards  hat 
einen  Fall  beschrieben,  in  welchem  sich  eine  alte  Frau  an  dem  Suspenso- 
rium  ihres  Sohnes   inficirte,    Sigmund   hat   eine    directe   sexuelle  An- 
steckung beobachtet;    Renzone  hat  ein  Kind  mit  Ozaena   durch  eine 
Tripperspritze  inficiert  werden  sehen.  Mit  Ziem  glaubt  Cozzolino daran, 
dass  die  purulente  Rhinitis  der  Neugeborenen  durch  eine  Gonorrhoe  der  Mutter 
zustande  kommt,  und  empfiehlt,  prophylaktisch  Jodoform   in  die  Nase  zu 
stäuben.  Diese  blennorrhoische  Rhinitis  entsteht   einen  Tag  nach  der  Ge- 
burt, die  syphilitische   erst  in  der  3.  oder  4.  Woche.     Das  klinische  Bild 
ist  noch  nicht  genau  umschrieben:     Schwellung  der  Nase  und  Oberlippe, 
starker  Ausfluss.  Die  Behandlung  besteht  am  besten  in  Ausspülungen  mit 
l—l,5*/to  Sublimat,  später  Zinc.  sulfo-carbol.  */,,,  Arg.  nitr.  Vg,  und  in  der 
Anwendung  antiseptischer  Puder  (Ac.  bor.  6,  Aristol  3,  Dermatol  2j. 

Jadassohn. 

(7)  Krönig  demonstrirt  in  der  gynäkologischen  Gesellschaft  zu 
Leipzig  ein  8  Wochen  altes  Kind,  welches  3  Tage  post  partum  an  Ophthal- 
moblennorrhoe, 10  Tage  später  an  gonorrhoischer  Rhinitis  und  8  Tage 
später  an  Otitis  media  mit  Perforation  des  Trommelfells  erkrankte.  In 
Allen  Secreten  wurden  Gonococcen  nachgewiesen.  Vortragender  erklärt 
<lii'  Infection  so,   dass   von   den   bei   der  Geburt  inficirten  Augen  aus  die 


der  Syphilis.  279 

Gonococcen  znnächBt   durch   den  Ductus  nasolacrimalis  in  die  Nase  und 
von  da  durch  die  Tuba  Eustachii   in  das  Mittelohr  übergewandert   seien. 

Paul  Neisser. 

(8)  Stern  berichtet  über  einen  Fall  (35  a.  n.  Mann),  der  mit  allen 
Zeichen  eines  virulenten  Hamröhrentrippers  3  Tage  nach  der  Infection 
sich  behandeln  Hess.  3  Tage  darauf  stellten  sich  Fieber  (5  Tage  lang ; 
höchste  T.  38,7^)  und  Schmerzen  am  linken  Fussgelenk  ein.  Jodpinselun- 
gen und  innerliche  Darreichung  hoher  Salicyldosen  hatten  nicht  den  ge- 
ringsten Erfolg.  7  Tage  später  deutliche  Flnctuation.  Die  Function  des 
Gelenkes  ergab  nur  ca.  '/«  Spritze  einer  hellgelben  Flüssigkeit,  deren  mi- 
kroskopische Untersuchung  ausser  vereinzelten  Eiterkörperchen  nichts  Be- 
sonderes ergab.  Bei  der  Function  nach  weiteren  7  Tagen  bekam  S.  eine 
weissgelbliche,  schleimige  Flüssigkeit.  Bei  der  mikroskopischen  Untersu- 
chung und  Färbung  mit  Löftler's  Lösung  zeigten  sich  unter  einer  Anzahl 
von  Präparaten  in  zweien  derselben  einige  vielkernige  Zellen,  deren  Proto- 
plasma mit  Diplococcen  (in  Form  und  Lagerung  ganz  gleich  den  Gono- 
coccen) in  massiger  Menge  angefüllt  war.  Die  Behandlung  bestand  zuerst 
in  Massage  (8  Tage  lang),  welche  einen  Rückgang  der  Schwellung  brachte. 
Darauf  Fusssoolbäder  einen  Tag  um  den  anderen  abwechselnd  mit  Ichthyol- 
vaselineinreibung und  Einhüllung  des  Fussgelenkes  in  eine  Tricotbinde. 

A.  Griinfeld. 

(9)  Horwitz  erwähnt  die  verschiedenen  Theorien  des  Zustande- 
kommens von  Trippermetastasen,  wie  sie  bisher  von  den  verschiedenen 
Forschern  angenommen  wurden  und  gibt  als  Beweis  für  die  Richtigkeit 
der  Ansicht  Deutschmann ^s  und  Anderer,  die  die  Einwanderung  des 
Gonococcus  Neissers  im  Wege  der  Blutbahn  als  Ursache  der  Metastasen 
ansehen,  folgenden  Fall  ans  der  Klinik  Prof.  E.  Langes  in  Wien. 
Bei  einem  27jährigen  kräftigen  Manne  besteht  bereits  seit  einem  Jahre 
ein  wechselnd  starker  schleimig-eitriger  Ausfluss  aus  der  Harnröhre,  ohne 
dass  irgend  welche  Therapie  angewendet  worden  war.  Es  finden 
sich  nach  der  Aufnahme  des  Patienten  spärliche  Gonococcen  im  reichli- 
chen Urethralsecret.  Am  Dorsum  metacarpi  sinistri,  entsprechend  der 
Sehne  des  Mittelfingers,  ein  entzündliches  Infiltrat  mit  acut  gerötheter 
Haut.  Es  besteht  grosse  Empfindlichkeit  bei  Bewegungen.  Nach  12tägi- 
gem  Bestehen  wird  der  nun  deutlich  fluctuirende  Abscess  mittelst  sterili- 
sirter  Nadel  punktirt.  Es  entleeren  sich  einige  Tröpfchen  blutig  seröser 
Flüssigkeit,  deren  Untersuchung  keine  Gonococcen  ergibt.  Vier  Tage  später 
Spaltung  des  Abscesses,  Auskratzung  der  mit  krümligem  Eiter  gefüllten 
Höhle  mit  dem  scharfen  Löffel.  In  dem  zähen,  schleimigen  Eiter  fand 
R.  Pal  tauf  reichlich  Gonococcen,  deren  Cultivirung  weder  auf  Gela- 
tine oder  Agar  noch  auf  Blutserum  allein,  wohl  aber  auf  dem  von 
Wertheim  angegebenen  Gemisch  von  Agar  und  menschlichem  Blutserum 
gelingt.  K.  Uli  mann. 

(10)  Stanziale  berichtet  nach  ausfahrlicher  Wiedergabe  der  Lite- 
ratur über  einen  Fall  von  gonorrhoischer  Arthritis  des  linken  Kniegelenks, 
deren  Exsudat  er  bakteriologisch  genau  untersucht  hat.  In  der  gelblichen. 


280  Bericht  über  die  LeiBtnngen  auf  dem  Gebiete 

fadenziehenden,  leicht  entarrenden  Flüssigkeit  fanden  sich  Lencocyten, 
Fibrinfasem,  einige  rothe  Blutkörperchen  und  spärliche  Endothelien.  Anf 
peptonisirter  Brühe  mit  und  ohne  Glycerin,  Fleischgelatine,  Agar-Agar, 
Glycerinagar,  erstarrtem  Pferdeblntsemm  (auf  Petri'schen  Schalen)  wuchs 
nichts;  mikroskopisch  wurden  ebenfalls  Bakterien  nicht  gefunden.  Zwei 
junge  Männer,  deren  Urethrae  mit  dem  Exsudat  geimpft  wurden,  blieben 
gesund;  ebenso  fielen  Thierversuche  und  Blutuntersuchungen  aus  der  Ge- 
lenkgegend  (mikroskopische  und  bakteriologische)  negativ  ans.  I>as  Harn- 
röhrensecret  enthielt  typische  Gonococcen.  Stanziale  schliesst  aus 
diesen  Versuchen:  1.  Das  Exsudat  der  Arthritis  gonorrhoica  war  in  dem 
besprochenen  Falle  sero-fibrinös,  nicht  purulent;  2.  es  fanden  sich  keine 
Mikroorganismen,  speciell  keine  Gonococcen  darin;  3.  es  war  nicht  pa- 
thogen; 4.  auch  im  Blut  der  Gelenkgegend  fehlten  die  Gonococcen.  In 
seinen  epikritischen  Erwägungen  bespricht  Verf.  die  verschiedenen  Möglich- 
keiten und  scheint  am  meisten  geneigt,  der  Annahme  zuzustimmen,  dass 
ein  von  den  Gk>nococcen  gebildetes  Toxin,  wie  es  Eraud  und  H u gön- 
nen q  aus  ihren  Gulturen  des  „Diplocoque  urethral''  isolirt  und  auch  bei 
einer  vereiterten  Epididymitis  gefunden,  bei  einer  Arthritis  gonorrhoica 
aber  vermisst  haben,  die  Arthritis  erzenge. 

(Es  sei  Ref.  gestattet,  an  dieser  Stelle  zwei  Irrthümer  zu  corrigiren, 
die  in  Stanziale 's  Arbeit  sich  finden:  1.  schreibt  er,  dass  der  Referent 
in  sehr  vielen  Fällen  (moltissimi  oasi)  im  Exsudat  der  Arthritis  gonor- 
rhoica vergeblich  nach  Gonococcen  gesucht  habe;  er  bezieht  sich  dabei 
auf  eine  Notiz,  welche  ich  gelegentlich  in  dem  Baum  gar  ten'schen 
Jahresbericht  1890,  p.  139  geschrieben  habe :  „in  dem  fast  zellfreien,  serösen 
Exsudat  einer  solchen  Arthritis  fand  sich  in  einer  grossen  Anzahl  von 
Präparaten  kein  Bakterium  —  Gulturen  blieben  steril**;  ich  kann  noch 
hinzufügen,  dass  auch  ein  Impfversuch  auf  die  menschliche  Harnröhre 
kein  Resultat  gab.  Der  Fall  stimmt  also  ganz  mit  dem  Stanziale 's 
überein;  aber  es  war  eben  nur  ein  Fall.  Auf  Grund  dieser  und  anderer 
negativer  Befunde  im  Gegensatz  zu  dem  bis  dahin  allein  dastehenden 
Deutschmann 's  mit  dem  sicheren  Nachweis  von  Gonococcen  im  Gelenk- 
inhalt glaubte  ich  die  Hypothese  aufstellen  zu  können,  dass  die  Gonococcen 
in  der  Synodialmembran  vegetiren  und  zum  mindesten  nicht  in  allen  Fällen, 
vielleicht  sogar  in  ihrer  Minderzahl  erst  bei  reichlicherer  entzündlicher 
Eruption  aus  dieser  in  die  Grelenkhöhle  gelangen  —  ähnlich  wie  bei  den 
Entzündungen  seröser  Häute  (Pleuritis  etc.)  die  pathogenen  Mikroorga- 
nismen im  Exsudat  fehlen  können. 

Stanziale  erwähnt  diese  Hypothese  und  polemisirt  gegen  dieselbe, 
weil  bei  Pleuritis  etc.  der  Nachweis  der  Bakterien,  z.  B.  der  Tuberkel- 
bacillen  wegen  der  grösseren  Menge  der  Flüssigkeit  schwerer  sein  könne 
und  weil  auch  der  Impfversuch  bei  ihm  (und  wie  ich  jetzt  hinzufüge  auch 
bei  uns)  negativ  ausgefallen  sei  (was  doch  aber  nur  dafür  spricht,  dass 
eben  in  dem  Exsudat  gar  keine  Mikroorganismen  vorhanden  waren),  end- 
lich aber  und  wohl  vor  Allem,  weil  —  und  das  ist  der  zweite  Punkt,  in 
welchem  es  sich  am  einen  thatsächlichen  Irrthum  Stanziale's  handelt 


der  Syphilis.  281 

—  St.  einen  Passus  in  der  Arbeit  Deutschmann 's  (oder  in  meinem 
Referat  derselben)  missverstanden  hat;  er  meint,  die  von  Deuts chmann 
gefundenen  Gonoeoccen  seien  auf  Gelatine  gewachsen;  Deutschmann 
aber  betont  besonders,  dass  das  Ausbleiben  des  Wachsthums  auf  Gelatine 
ihm  charakteristisch  für  die  Gonococcennatur  der  fraglichen  Mikroorga- 
nismen erschienen  sei. 

Seither  sind  noch  weitere  Fälle  von  Arthritis  u.  a.  sicher  gonor- 
rhoischer Metastasen  publicirt  worden,  welche  Stanziale's  Anschauung 
widerlegen,  mit  meiner  Hypothese  aber  gat  übereinstimmen.) 

Jadassohn. 

(11)  Der  Patient  Thibierge's,  welcher  kurze  Zeit  vorher  einen 
acuten  Gelenkrheumatismus  durchgemacht  hatte,  wurde  in  der  7.  Woche 
einer  Gk>norrhoe  von  einer  Entzündung  des  Stemo-Claviculargelenks  be- 
fallen. Paul  Neisser. 

(12)  Bei  einem  2 '/Jährigen  Mädchen  mit  Vulvo-Vaginitis  gonor- 
rhoica fand  Guinon  eine  Entzündung  der  Mittelfussgelenke  und  Sehnen- 
scheiden. Der  Verf.  stellt  dann  die  Erfahrungen  über  Arthritis  gonorrhoica 
bei  Kindern  zusammen:  Meist  ist  nur  ein  Gelenk  ergriffen,  öfter  aber 
werden  auch  mehrere  nach  einander  befallen;  vage  Schmerzen  in  den 
Gliedern  gehen  oft  voraus;  Fieber  fehlt.  Die  Gelenkaffection  tritt  meist 
sehr  früh  auf.  Die  Prognose  ist  gut  —  therapeutisch  ist  nur  Immobili- 
sirung  zu  empfehlen. 

(13)  Bichardiere  hat  bei  einem  Kinde  nach  einer  gonorrhoischen 
Vulvitis  eine  gonorrhoische  Arthritis  des  Tibio-Tarsalgelenkes  beobachtet. 
Salicyl  war  erfolglos.  Nach  B.  unterscheidet  sich  die  gonorrhoische  Arth- 
ritis der  Kinder  von  der  der  Erwachsenen  nur  durch  ihre  schnellere 
Entwicklung  und  ihre  geringere  Dauer.  Jadassohn. 

(14)  Hock  demonstrirt  ein  2  Monate  altes  Kind,  welches  8  Tage 
nach  der  Geburt  an  Ophthalmoblennorrhoe  erkrankte.  Ein  Monat  später 
trat  unter  Fieber  eine  Schwellung  des  linken  Kniegelenks  ein;  durch 
Probepunktion  gewonnener  Eiter  enthielt  Gonoeoccen.  In  der  Discussion 
bemerkt  Wertheim,  dass  nach  seiner  Ansicht  die  Fälle  von  gonorrho- 
ischer Arthritis,  welche  einen  negativen  Gonococcenbefund  darbieten,  nur 
zu  spät  zur  Untersuchung  kämen;  er  selbst  habe  auf  des  Lang'schen 
Abtheilung  auch  in  einem  2  Tage  alten  Falle  Gonoeoccen  nachweisen 
können.  Paul  Neisser. 

(15)  Die  S^ähr.,  vorher  gesunde  Patientin  Lop's  erkrankte  am  9.  Tage 
einer  gonorrhoischen  Vulvovaginitis  (mit  G.-C.  Befund)  an  Schwellung 
und  Schmerzhaftigkeit  des  rechten  Carpo-Badialgelenks  mit  völliger  Func- 
tionsstörung.  Nach  etwa  IV,  Monaten  war  die  Gonorrhoe  unter  Sublimat- 
waschungen und  57«  Höllensteinsalbe  verschwunden  und  die  Gelenkaffection 
bis  auf  geringe  Steifigkeit  ausgeheilt.  Paul  Neisser. 

(16)  Karewski's  Fall  bietet  insofern  Interesse,  als  es  sich  um 
eine  Spontanluxation  in  Folge  einer  gonorrhoischen  Monarthritis  handelt. 
Die  Therapie  bestand,  da  eine  Beposition  in  Narkose  unmöglich  war,  in 
der  Besectio  coxae  nach  Langenbeck. 


282  Bericht  über  die  Leistungen  aaf  dem  Gebiete 

(17)  Bei  secnndären  gonorrhoischen  Affectionen  der  Gelenke,  des 
Peri-  und  Endocardiums ,  der  regionären  Lymphdrusen  etc.  hat  nach 
Councilman  eine  Anzahl  Forscher  den  Gonoeoccns  als  Krankheits- 
erreger gefunden.  80  Petrone  und  Kramer  beim  gonorrhoischen  Gelenk- 
rheumatismus, Glusinski  in  den  Vegetationen  der  Aortenklappen  in 
einem  Falle  gonorrhoischer  Endocarditis.  Andere  Autoren  dagegen  be- 
trachten die  genannten  Affectionen  als  durch  Mischinfection  hervorge- 
rufen. Mit  Rücksicht  auf  diese  Controverse  theilt  C.  folgenden  genauer 
untersuchten  Fall  mit.  Ein  Gonorrhoiker  wurde  10  Tage  nach  Beginn 
seiner  Gonorrhoe  von  einer  links-,  3  Tage  später  von  einer  rechts- 
seitigen Knie-  und  später  von  J^^nger-,  Schulter-  und  Fuss-Gelenksaffecti- 
onen  befallen.  Darauf  stellten  sieh  Athemnoth  und  Brustschmerzen  ein, 
während  die  Untersuchung  nur  eine  leichte  Yergrösserung  der  Herzdämpf- 
ung ohne  pericardiale  Reibegeräusche  ergab.  Kein  Fieber.  5  Wochen  nach 
Beginn  der  Gonorrhoe  trat  plötzlich  unter  Suffocationserscheinungen  der 
Tod  ein. 

Von  dem  sehr  ausführlich  mitgetheilten  Obductionsbefunde  sei 
folgendes  hervorgehoben.  Schwellung  beider  Kniegelenke,  besonders  des 
rechten,  das  ca.  100  Gem.  schleimig  eitriger  Flüssigkeit  enthält.  Die  Syno- 
vialis geschwellt  und  intensiv  congestionirt,  mit  Granulationsgewebe  bedeckt, 
das  Tuberkelgranulationen  ähnlich  sieht.  Pericardialer  hämorrhagischer 
Erguss  von  ca.  8(X)  Ccm.  Beide  Pericardialsackwände  mit  dicken  Membranen 
belegt.  Das  Myocard  bes.  des  linken  Yentrikels  und  Herzohra  stellenweise 
von  wachs-  oder  amyloidartigem  Aussehen,  stellenweise  hämorrhagisch 
infiltrirt.  Die  Urethralscli  leim  haut  verdickt  und  geschwellt,  ebenso  das 
Periurethralgewebe.  Ca.  4  Cm.  von  Meatus  ext.  eine  leicht«  Ulceration  der 
Urethralschleimbaut.  Aus  den  Ausfuhrungsgängen  der  Samenbläschen  und 
der  Prostata  kann  Eiter  ausgedrückt  werden.  Letztere  sowie  das  peripm- 
statisclie  (iewebe  eitrig  infiltrirt ;  links  von  der  Prostata  ein  umschriebener 
Abscess. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  fand  sich  in  den  in  Alkoho 
gehärteten  Schnitten  der  Urethralschleimbaut  die  Epithelschicht  stellen- 
weise von  intensiver  bis  in  das  submucöse  Gewebe  reichender  Rundzellen- 
infiltration unterbrochen.  Zwischen  den  Epithelzellen  eine  beträchtliche 
Anzahl  polynucleärer  Leukocyt«n.  G.-C.  finden  sich  in  einer  rel.  geringen 
Zahl  im  Epithel,  theils  in,  theils  zwischen  den  Epithelzellen,  der  grössere 
Theil  in  den  Eiterzellen  auf  der  Oberfläche  und  zwar  sowohl  in  Haufen 
als  in  einzelnen  Paaren.  In  den  tieffsten  Epithellagen  sowie  in  dem  sub- 
epithelialen Gewebe  keine  G.-C.  Mit  der  Intensität  der  purulenten  Schleim- 
hautinfiltration  wächst  auch  die  Zahl  der  G.-C,  letztere  zeigen  sich  auch 
in  den  Urethralkrypten  und  den  Morgagnischen  Taschen,  doch  weniger 
zahlreich  als  an  der  Oberfläche.  Die  Ausfühmngsgänge  der  Prostata  stark 
purulent  infiltrirt,  mit  wenig  G.-C.  Im  Prostataabscess  weder  G.-C.  mtch 
andere  Organismen.  Die  einzigen  anderen  Organismen,  die  sich  in  der 
Urethra  fanden,  waren  kurze  Bacillen  auf  der  Schleimhautoberfläohe,  die 
augenscheinlich   mit  der  Entzündung  in   keiner  Beziehung   standen.    Die 


der  Syphilis.  28H 

gleichfalls   in   Alkohol   gehärteten  Schnitte   aus  dem  Herzen   zeigten   am 
Pericard  lose  anhängendes  Fibrin,  aber  nirgends  eine  fibrinöse  Exsudat  ion. 
In  dem  stark  verdickten  Pericard  zahlreiche  erweiterte  Blutgefässe  mit 
verdünnten  Wänden,  deren  Berstnng  wohl  die  Hämorrhagie  herbeigeführt 
hatte.  Die  Herzmuskelfasem  sind  theils  nekrotisch,  theils  purulent  infiltrirt. 
Da,   wo    sie   weniger  verändert  sind,    zeigen   sie  sich  leicht  geschwellt, 
diifus  gefärbt  ohne  Kerne  und  enthalten  häufig  Vacuolen.     Wenig  oder 
kein  Granulationsgewebe.    In  einzelnen  nekrotischen  Herden  ausgedehnte 
Hämorrhagien.   G.-C.  fanden  sich  in  den  Schnitten  in  beträchtlicher  Zahl, 
ganz  besonders  in  einzelnen  Schnitten   des   linken  Herzohrs,    wo  stellen- 
weise jede  Eiterzelle  solche  enthielt,  aber  auch  im  Ventrikel  selbst;   sehr 
wenige  lagen  im  Pericard.   Im  Gewebe  ausserhalb  der  Eiterzellen  wurden 
sie  nicht  gefunden.    Die  Schnitte    aus  beiden  Kniegelenken  zeigten    da, 
wo  schon  makroskopisch  Trübung  bemerkt  war,  purulente  Infiltration,  die 
sich  nicht   über  einen   Mm.   in    das   Gewebe   erstreckte,  die   Blutgefässe 
daselbst   erweitert,    zahlreiche    Eiterzellen    enthaltend.    In  dem  darunter 
liegenden  Gewebe  wenig  Eiterzellen.   Die  meisten  der  Zellen  waren   ge- 
schwollen und  entsprachen  dem    allgemeinen  Typus  epitheloider.  Zellen, 
die    häufig    grosse   Vacuolen    enthielten.    G.-C.  wurden    in    nur    kleiner 
Zahl  und  nur  entweder  unmittelbar  auf  der  Oberfläche  oder  in  den  ober- 
flächlichsten Lagen  und  nur  in  den  Zellen   gefunden.    Am  zahlreichsten 
waren  sie  da,  wo  der  entzündliche  Process  am  intensivsten  ausgesprochen  war. 
In  der  Epikrise   bemerkt  C,   dass    die    beschriebene  Afi'ection  mit 
einer  durch  Eiter-  oder  andere  Organismen  hervorgerufenen  keine  Aehnlich- 
keit  hat. 

Bei  den  peri-  und  myocardialen  Veränderungen  sei  der  Mangel 
fibrinösen  Exsudates  auflallig.  Der  pathologische  Vorgang  bestehe  in  Her- 
vorrufung mannigfacher  Gewebsdegeneration  und  Nekrose  mit  purulenter 
Infiltration  und  geringer  Bildung  von  Granulationsgewebe.  Eigeuthümlich 
sei  der  Process  in  den  Kniegelenken,  wo  neben  geringer  purulenter  Infilt- 
ration hauptsächlich  eine  Bildung  von  Granulat ionsgewebe  mit  schleimiger 
Entartung  der  Zellen  bestand,  daher  auch  der  vi-.cide  und  gelatinöse 
Charakter  der  Kniegelenksergüsse.  C.  bedauert,  während  der  Obduction 
keine  Culturen  angelegt  zu  haben  und  glaubt,  dass  man  die  in  Eiterzelleu 
gefundenen  Organismen  nicht  absolut  von  anderen  durch  die  Morpho- 
logie allein  unterscheiden  könne.  Auch  die  Streptococcen  landen  sich 
öfters  paarweise  in  Eiterzellen,  doch  würden  sie  nicht  mehr  als  zu  vieren 
(wie  die  G.-C.)  gefunden.  Die  Mikroorganismen  des  vorliegenden  Falles 
seien  übrigens  im  Gegensatz  zu  den  Eitererregern  Rämmtlich  durch  das 
Gram^sche  Verfahren  entfärbt  worden.  Endlich  spräche  noch  das  Fehlen 
von  Fieber,  das  fast  alle  Beobachter  als  charakteristisch  für  die  gonor- 
rhoischen Affectionen  bezeichneten,  zu  Gunsten  einer  gonorrhoischen  und 
gegen  eine  purulente  Infection.  Loeser. 

(18)  In  zwei  Fällen  vonH  i  s  hatte  sich  im  Gefolge  eines  acuten  Trippers 
ein  pyämischer  Zustand  eingestellt  mit  besonderer  Localisation  des  septischen 
Processes  auf  den  Aortenklappen.  Im  ersten  Falle  waren  Thrombosen  der 


284  Bericht  über  die  Leistniigen  auf  dem  Gebiete 

Prostatavenen,  septische  Localprocesse  vorhanden,  während  sie  im  zweiten 
fehlten.  Welche  Mikroorganismen  die  Metastasen  vemrsacht  hatten,  konnte 
nicht  sicher  eruirt  werden,  da  im  ersten  Fall  Mikroskop  und  Gnltorvei^ 
fahren  vollkommen  im  Stich  Hessen,  im  zweiten  der  Befund  von  Diplo- 
coccen  in  der  einen  Aortenklappe  wegen  der  Härtang  in  Müller'scher 
Flüssigkeit  werthlos  war.  Zweifellos  kommen  Herzaffectionen  beim  Tripper 
auch  ohne  Gelenkrheumatismus  vor.  Bei  bestehendem  Klappenfehler  scheint 
das  Auftreten  eines  Trippers  eine  Verschlimmerung  des  Herzleidens  her- 
beiführen zu  können,  wie  aus  einer  weiteren  Beobachtung  des  Yerfiusers 
hervorgeht.     «  Karl  Uerxheimer. 

(19)  Coats  berichtet  über  einen  Sectionsbefund  von  ausgedehnter 
am  jloider  Entartung  der  Nieren  (mit  Venenthrombose)  und  des  Dünndarms 
und  leichterer  Amyloiddegeneration  der  Milz.  Die  Leber  war  frei,  doch 
fanden  sich  Gallensteine  und  in  der  Blase  eiterhaltiger  Urin,  mit  reichlichen 
Coccen,  die  Coats  für  Gk>noooccen  hielt.  —  Aus  der  von  Carlslaw  mit- 
getheilten  interessanten  Krankengeschichte  dieses  Falles  ist  hervorzuheben, 
dass  der  Patient  mit  17  Jahren  Gonorrhoe  erwarb,  der  eine  heftige  Poly- 
arthritis folgte.  Mit  19,  21,  25  und  27  Jahren  erneute  Attaquen  der  Go- 
norrhoe und  der  Arthritis  mit  vorwiegender  Betheiligung  des  rechten 
Knies.  Seit  dem  21.  Jahre  litt  der  Kranke  zeitweilig  an  Kopfschmerz, 
Dyspnoe  und  Oedemen;  schliesslich  fand  sich  reichlich  Eiweiss  im  Urin, 
in  dem  weisse  Blutkörperchen,  kein  Blut  und  keine  Cylinder  enthalten 
waren.  Die  Diagnose  wurde  auf  chronische  Nephritis,  nicht  auf  Amyloid 
gestellt,  da  Diarrhoe  fehlte  und  Leber-  und  Milzschwellung  nicht  nach- 
gewiesen werden  konnten.  Mit  28  Jahren  erneute  Gonorrhoe  und  Arthritis; 
wieder  ist  das  rechte  Knie  am  meisten  ergriffen.  Tod  nach  Hinzutritt 
einer  schweren  dysenterischen  Diarrhoe.  —  ('oats  glaubt  die  Amyloid- 
entartung  nicht  auf  die  unbedeutende  Eit-erung,  sondern  direct  auf  das 
im  Blute  kreisende  Trippergift  zurückfuhren  zu  müssen.  KocL 

(20)  Dnrdufi  glaubt  auf  Grund  literarischer  Studien,  dass  die 
Allgemeininfection  mit  Trippervirus  auch  zu  Neuritiden  oder  Myelitiden 
(besonders  Meningo-Myelitiden)  führen  könne.  Er  möchte  alle  diese  Fälle 
„Blennorrhagismus^  oder  „Morbus  blennorrhagicus''  nennen. 

In  der  Discussion  verhält  sich  Minor  gegenüber  den  Localisationen 
des  gonorrhoischen  Processes  im  Nervensystem  sehr  skeptisch;  Muratow 
glaubt,  dass  alle  Fälle  (auch  der  Leyden'sche)  auf  Neuritiden  oder  arthro- 
pathische  Amyotrophien  zurückzuführen  seien.  Jadassohn. 

(21)  Trapezniko ff  berichtet  über  einen  Patienten,  welcher  in  der 
Woche    einer    Gonorrhoe   plötzlich    neben     einer    Epididymitis    eine 

Parese  der  unteren  Extremitäten  mit  Lähmung  der  Blase  und  völliger 
Urin-  und  Stuhl  verhaltung  bekam.  Nach  einer  Woche  verschwanden  anf 
energische  Behandlung  die  Symptome  und  es  folgte  eine  3  Wochen 
dauernde  Cystitis  mit  Polyurie.  Nach  seiner  Entlassung  erkrankte  Pat. 
sehr  bald  wieder  an  Incontinentia  urinae  et  faecium  welche  eine  nene 
Behandlung  nöthig  machte.  Vortragender  erwähnt  noch  drei  ähnliche 
Krankengeschichten  und   steht  nicht  an,    die  Rückenmarkserscheinungen 


der  Syphilis.  285 

auf  eine  directe  Einwirkung  des  gonorrhoischen  Virus  zurückzufuhreu. 
Moev  gUubt  mehr  an  eine  durch  die  Epididymitis  verurdachte  Reizung 
des  Sympathicus  und  an  eine  Reflexwirkung  auf  den  Dorsaltheil  des  Rücken- 
marks. Auch  Tchistiakoff  undOussass  sehen  nicht  ein,  wie  man  die 
meningitischen  S3rmptome  mit  der  Gonorrhoe  in  Zusammenhang  bringen 
könne.  Paul  Neisser. 

(22)  Raynauld  berichtet  2  Krankengeschichten  von Gonorrhoikem, 
welche  neben  Arthritis  spinale  Affectionen  darboten.  In  dem  ersten  Falle 
handelte  es  sich  um  einen  jungen  Mann,  welcher,  seit  vier  Monaten  an 
Gonorrhoe  erkrankt,  mit  einer  linksseitigen  Gonarthritis  und  in  sehr 
kachektischem  Zustand  das  Spital  aufsuchte.  Bei  Untersuchung  zeigte 
sich  allgemeine  Muskelatrophie,  starke  Abmagerung,  reichliche  Diarrhoen, 
betrachliche  ödematöse  Schwellung  des  linken  Knies  und  Unter- 
schenkels ,  Decubitus.  8  Tage  später  Exitus.  Die  Section  ergab  nichts ; 
eine  histologische  Untersuchung  des  Rückenmarkes  wurde  leider  versäumt. 
In  dem  zweiten  Falle  handelte  es  sich  um  einen  Patienten,  welcher, 
beinahe  ein  Jahr  krank,  ausser  seiner  Arthritis  alle  Zeichen  einer  Meningo- 
Myelitis,  Lähmung  der  unteren  Extremitäten,  Aufhebung  der  Sehnenreflexe, 
blitzartige  Schmerzen  und  Kribbeln  in  den  Beinen,  Decubitus  darbot.  R. 
fuhrt  dann  noch  einen  Fall  an,  in  dem  ein  junger  Soldat  im  Verlauf 
seiner  Gonorrhoe  plötzlich  an  Hysterie  mit  Delirien,  charakteristischen 
Convulsionen,  Weinkrämpfen  und  Harnverhaltung  erkrankte.  Verf.  hält 
sich  für  berechtigt,  alle  diese  Erscheinungen  von  Seiten  des  Nerven- 
systems auf  eine  directe  Einwirkung  des  gonorrhoischen  Virus  durch  eine 
Allgemeinintoxication  zu  beziehen.  Paul  Neii^ser. 

(23)  Raymond  bespricht  die  häufigsten  Complicationen  der  Gronor- 
rhoe  von  Seiten  des  Nervensystems.  Er  nennt  1.  die  Ischias,  2.  die  Tripper- 
Meningitis  und  Myelitis,  3.  den  blennorrhoischen  Muskelschwund,  4.  die 
blennorrhoischen  Erkrankungen  der  Sinnesorgane  :1  Fall  von  Neuroreti- 
nitis  und  1  Fall  von  nervöser  Taubheit),  5.  blennorrhoische  Gehirnerschei- 
nungen. 6.  Tripperneurosen,  wie  sie  von  Anderen  beschrieben,  erkennt 
Raymond  nicht  an.  7.  Hauterkrankungen,  die  beim  Tripper  vorkommen 
und  vielleicht  mit  nervösen  Veränderungen  zusammenhängen  (Erythema 
nervosum). 

(24)  Ungefähr  in  der  6.  Woche  einer  mit  Polyathritis  und  Conjunctiv. 
cat.  verbundenen  Gonorrhoe  entwickeln  sich  bei  24j.  nervös-rheumatidch 
belasteten  Pat.  Vidal's  Homkrusten  über  dem  rechtem  Knie,  und  von  da 
ziemlich  symmetrisch  über  den  ganzen  Körper  hin.  Sie  sind  hart,  trocken ; 
am  Kopfe  klein  und  zerstreut,  werden  sie  gegen  abwärts  immer  grösser. 
Zu  dicken  Homschichten  vereinigt  heben  sie  die  Nägel  empor.  Stellenweise 
bilden  sie  fürmliche  Hauthömer,  an  den  Sohlenflächen  zusammenhängende 
Homschichten.  Nur  ausnahmsweise  entwickeln  sich  die  Krusten  auf  vor- 
angehenden Bläschen.  Hebt  man  sie  ab,  so  erscheint  ein  etwas  papillomatöser, 
trockener  oder  nur  wenig  feuchter  Grund.  Der  grösste  Theil  der  Nngel 
ging  verloren.    Nachdem  die  ganze  Afiection  bei  Abheilung  der  Gonorrhoe 


286  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

allmälig  normalen  Verhältnissen  Platz  genoacht  hatte  —  nur  die  Ns^rol- 
bildung  wurde  eine  difforme,  —  trat  sie  in  derselben  Weise  und  Starke 
während  eines  neuerlichen  mit  Polyathritis  and  catarrhalisoher  Conjunctivitis 
verbundenen  Trippers  auf.  V.  reiht  die  Aflfection  an  die  bisher  bekannten 
Hantlocalisationen  der  Blennorhoe,  die  rubeoliformen  Ausschläge,  die  poly- 
moq)hen  Erytheme  n.  a.  an.  Winternitz. 

(25)  Christian  hat  von  300  Gonorrhoeen,  die  Hälfte  von  vornherein 
mit  Injectionen  (Silber  und  Wismuth),  die  andere  Hälfte  zunächst  nur 
innerlich  behandelt  (Copaiva  und  Sandelholz).  In  der  ersten  Reihe  der 
Fälle  trat  eine  Posterior  d2mal,  eine  £pididymiti8  13mal  auf,  in  der  zwei- 
ten eine  Posterior  12mal,  eine  Epididymitis  4mal.  Erst  im  chronischen 
Stadium  des  „moming  drop**  ist  er  bei  der  zweiten  Serie  der  Fälle  zu 
Adstringentien  übergegangen. 

(26)  Audry  empfiehlt  ausser  den  allgemein  bekannten  diätetischen 
Massregeln  ganz  besonders  die  Janet'sche  Methode,  welche  er  fnr  ge- 
radezu specifisch  hält.  Als  Coutraindicationen  stellt  er  auf:  Das  Bestehen 
von  Cystitis  oder  endourethralen  Folliculitiden ;  bei  Epididymitiden  aber 
wendet  er  die  Irrigationen  unbesorgt  an.  Von  100  Patienten  hat  er  O.j 
auf  diese  Weise  geheilt  Injectionen  widerräth  A.  im  AUgemeinen.Vom  Ichthyol 
(er  spricht  dab«i  von  forcirten  Injectionen  in  die  Ur.  posterior,  wie  sie  Re- 
ferent empfohlen  habe ;  davon  ist  dem  Letzteren  nichts  bekannt)  hat  er  bei 
wenigen  Versuchen  keine  Erfolge  gesehen.  Er  wendet  zur  Behandlung  der 
postgonorrhoischen  Urethritis  mit  Injectionen  1>esouders  gern  das  Resorciu 
(Resorcin  1,0;  Zinc.  sulf.  1,0;  Aq.  dest.  100,0)  an.  Die  Balsamica  gibt  er 
nur  combiuirt  mit  Injectionen.  Von  der  abortiven  Methode  mit  Arg.  nitr. 
hat  er  (wohl  nur  vereinzelte)  Erfolge  gesehen  und  berichtet  einen  solchen 
Fall  (Beginn  7  Tage  post  infectionem,  3  Iiyectionen  von  '/^j  Arg.  mit 
gutem  Resultat).  Jadassohn. 

(27)  G  e  b  e  r  t  gibt  eine  Schilderung  der  in  der  B 1  a  s  c  h  k  o'schen  Poli- 
klinik geübten  Gonorrhoebehandlung,  die  wohl  mehr  für  den  praktischen 
Arzt  als  für  den  Fachmann  geschriel)en  ist.  Als  bemerkenswerth  wollen 
wir  hervorheben,  dass  die  acuten  Gonorrhoen  im  Beginn  mit  Balsamicis 
(hauptsächlich  Ol.  Santal.)  und  nur  dann  mit  Einspritzungen  behandelt 
werden,  wenn  die  ersteren  nicht  vertragen  werden.  Da  die  Neisser'sche 
Forderung,  dass  die  Inject.-Flüssigkeit  gonococcentodtend  wirirt,  dem  Verf. 
von  nicht  grossem  Werth  erscheint,  wird  eine  warme  Lösung  von  schwefel- 
saurem Zink  oder  Kai.  permangan.  üijicirt.  Die  Diätmassregeln  der  B.'schen 
Poliklinik  sind  die  üblichen,  ebenso  ist  die  Behandlung  der  Gomplicationen 
eine  dem  Fachmann  geläufige.  Um  den  Sitz  der  chronischen  Go- 
norrhoe zu  ergründen,  bedient  sich  Verf.  der  Untersuchung  des  Urins 
durch  Dreigläserprobe  und  der  Harnröhre  mittelst  der  Sonde  exploratrice 
von  Guyon.  Diese  Explorationen  machen  das  Urethroskop  ganz  entbehrlich. 
Zur  Behandlung  sind  ausser  Injectionen  der  bekannten  Lösungen  von  Arg. 
nitric.  und  Zinc.  sulfuric.  erforderlich  tiefe  Injectionen  mit  dem  G  u  y  on'schen 
Catheter  oder  die  Salbensonde.  Um  die  letztere  herzustellen,  wird  ein  elasti- 
sches  ßougie  mit  Olive  mit  Salbe  )}estrichen  und   dann  noch  in  Paraffin. 


der  Syphilis.  287 

liquid,  getaucht,  wodurch  das  leichte  Abstreifen  der  Salbe  verhindert  wirl. 
Stricturen  werden  durch  mehrere  immer  stärkere  Bougies  in  derselben 
Sitzung  gedehnt.  Aufgehört  wird  mit  der  Behandlung,  wenn  die  grosseren 
Fäden  aus  dem  Urin  verschwunden  sind,  und  in  den  kleineren  bei  öfterer 
Untersuchung  keine  Gonococcen  mehr  gefunden  werden  können. 

Karl  Herxheimer. 

(28)  Leudesdorf  glaubt,  dass  bei  der  Injectionsbehandlung  der 
Qonorrhoe  durch  die  Pression  der  Glans  an  das  Ansatzstück  der  Spritze 
die  Fossa  navicularis  lädirt  wird  und  empfiehlt  deshalb  Bespülungen  der 
vorderen  Harnröhre  jnittels  Irrigators  (von  20 — 80  Ccm.  Inhalt),  welcher 
in  ein  dünnes  und  stumpfes  Glasrohr  endet.  Das  letztere  sei  leicht 
einzuführen  und  ermögliche  ausgiebige  Berieselung  der  Harnröhre.  In  der 
Discussion  empfiehlt  Unna  28tündig  Injectionen  von  */,*/•  Zincum  sulfo- 
carbol.-  oder  Resorcinlösung  am  Tage,  resp.  2  Mal  Nachts.  Auf  letz- 
tere legt  er  besonderes  Gewicht.  Philippson  empfiehlt  die  Höllenstein- 
lösnngen  und  bemerkt,  dass  durch  geeignete  Itgectionsspritzen  die  von 
L e u d e B d o r f  geschilderten  Nachtheile  aufgehoben  werden.  Unna  be- 
hauptet, mit  seiner  Methode  frische  Gonorrhoen  in  14  Tagen  heilen  zu 
können,  eine  Möglichkeit  die  Philippson  leugnet.  G a  1  e w s k y. 

(29)  G  an  na  day  empfiehlt  die  Gonorrhoe  im  ersten  acuten  Stadium 
nur  mit  innerlichen  Mitteln,  besonders  Diureticis  zu  behandeln. 

Paul  Neisser. 

(80)  1.  Die  abortive  Behandlung  der  Gonorrhoe  mit  Injection  einer 
10%  Höllensteinlösung  in  die  Fossa  navicularis  ist  nach  Martin  zulässig, 
wenn  sich  die  Krankheit  im  allerersten  Stadium  befindet,  d.  h.  wenn  ent- 
zündliche Erscheinungen  fehlen,  lediglich  ein  geringer  weisslicher  Aus- 
fiuss  und  massiges  Brennen  beim  Urinlassen  besteht  und  der  Ausfluss 
wesentlich  Schleim  und  Epithelien  und  wenig  Eiter  enthält.  Die  abortive 
Behandlung  ist  in  einem  unbestimmbaren  Procentsatz  von  Fällen  von  Nutzen. 
Wo  sie  im  Stich  lässt,  wird  der  weitere  Verlauf  der  Gonorrhoe  nicht 
dadurch  beeinflusst. 

2.  Ist  die  Gonorrhoe  schon  im  floriden  Stadium,  dann  empfiehlt 
Verf.  neben  leichter  Diät,  regelmässiger  Stuhlentleerung,  reichlichem  Genuss 
von  reinem  Wasser,  alcalisohen  Diureticis  protrahirte  heisse  Bäder  und 
Balsamica  in  grossen  Dosen,  und  milde  antiseptische  Irrigationen  oder 
Injectionen.  Die  wiiksamsten  Balsamica  sind  Sandelholz  und  Copaivabalsani, 
welche  bei  Magenstörungen  ausgesetzt  werden  müssen. 

8.  Die  Irrigation  mit  heissen  antiseptischen  Lösungen  gibt  bessere 
Resultate  als  jede  andere  Behandlung.  Diese  Irrigationen  müssen  ein-  bis 
zweimal  täglich  gemacht  werden,  bis  die  Gonococcen  aus  dem  Ausfluss 
verschwinden ;  dann  sollen  sie  durch  adstringirende  Injectionen  ersetzt  werden. 

4.  Wo  Irrigationen  nicht  gemacht  werden  können,  da  empfiehlt 
Verf.  während  des  floriden  Stadiums  Sublimateinspritzungen  1 :  2(KKK)  oder 
Höllensteineinspritznngen  1 :  10000  bezw.  1 :  15000.  Er  verstärkt  dieselben 
allmälig  je  nach  der  Toleranz  der  Urethra. 


288  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

5.  IHe  Injectionen  von  Höllenstein  1 :  8000  oder  1 :  6000,  oder  Su- 
blimat 1 :  3000,  oder  die  .  Injection  Broa''  im  floriden  Stadium  der  Gonor- 
rhoe geben  eine  Pradisposition  für  die  Entwicklung  der  hyperacaten  oder 
hinteren  Urethritis,  für  Epididymitis  und  andere  Complicationen  der  Go- 
norrhoe und  können  die  Harnröhrenentzündung  verschlimmem  and  hin- 
ziehen. In  gleicher  Weise  sind  in  diesem  Stadium  Adstringentien  schädlich. 

6.  Die  Behandlung  mit  interner  Medication  veranlasst  in  einer  kleinen 
Anzahl  von  Fällen  Epididymitis  und  Urethritis  posterior.  Die  wirksamste 
Behandlung  besteht  in  der  Combination  von  balsamischen  Mitteln  mit  lo- 
caler  antiseptischer  Behandlung. 

In  der  Discussion  stimmt  Taylor  den  Anschauungen  des  Redners 
zu.  Er  hält  das  Sandelholzöl  und  den  Copaivabalsam  für  die  besten  in- 
ternen Medicationen.  Für  Hamröhrenirrigationen  hält  er  Zinksulfatsolu- 
tionen  1 :  5000  bis  1 :  10000  für  ebenso  nützlich  wie  Sublimatirrigationen. 
Der  abortiven  Behandlung  misst  er  einen  geringeren  Werth  bei.  Er  be- 
trachtet für  die  abortive  Behandlung  Ealiumpermanganatlösungen  1 :  1500 
bis  1 :  2000  für  ebenso  gut  und  für  weniger  gefahrlich  als  starke  HöUen- 
steinlösungen .  Ledermann. 

(81)  Jonathan  Hutchinson  behandelt  die  Gonorrhoe  ohne  Bück- 
sicht auf  Stadium  und  Heftigkeit  der  entzündlichen  Erscheinungen  nnd 
hält  die  Abortivbehandlung  für  die  geeignetste.  Er  lässt  folgende  3  Mittel 
gleichzeitig  anwenden:  3-  bis  4malige  Injectionen  von  Chlorzink,  Abführ- 
mittel und  Sandelholzölkapseln.  H.  glaubt,  dass  bei  frühzeitiger  Behand- 
lung weniger  Complicationen  beobachtet  werden,  als  in  denjenigen  Fällen, 
bei  welchen  das  Höhestadium  der  entzündlichen  Erscheinungen  abgewartet 
würde.  Schaffen 

(32)  Jullien  bespricht  die  Folgen  der  Gonorrhoe,  speciell  die  der 
chronischen,  die  Cystitis,  Epididymitis,  Impotenz  und  die  Hambeschwer- 
den  etc.  Er  empfiehlt  bei  chron.  Gonorrhoe  Instillationen  (20—30)  jeden 
zweiten  Tag  von  Arg.  nitr.  1 :  150—20,  Sublimat  1 :  1000—100  und  Kreolin 
1:100 — 10  in  steigender  Concentration.  Galewsky. 

(3:3)  Carvallo  empfiehlt  gegen  Blennorrhoe  Injectionen  von  Lysol 
sowohl  in  acuten  als  in  chronischen  Fällen.  Die  Schmerzen  sollen  nach  we- 
nigen Tagen,  der  Ausfluss  gewöhnlich  nach  Verlauf  einer  Woche  ver- 
schwunden sein.  Empfohlen  werden  folgende  Lösungen: 

Solut.  lysol.  (1%)  100,0 

Landanum  Sydenham.  3,0. 

Solut.  lysol.  (1%)  100,0 

Cocain,  hydrochlor.  0,5. 
Die  Flüssigkeit  soll  dreimal  täglich  injicirt  werden  und  etwa  4  bis 
5  Minuten  in  der  Harnröhre  bleiben. 

(34)  von  Wedekind  empfiehlt  zur  Abortivbehandlung  der 
Gonorrhoe  eine  unverdünnte  Lösung  von  Wasserstoffsuperoxyd.  (Die  mit- 
getheilten  Fälle,  in  denen  das  Mittel  angeblich  gewirkt  haben  soll,  sind 
aber  durchaus  nicht  beweisend.  Ref.)  SternthaL 


der  Syphilis.  289 

(35)  Glenn  behandelt  Gronorrhoen  mit  Injectionen  von  Chlor-  und 
Jodzinklösungen  —  V,  Gran  des  Chlorides  und  1  Gran  des  Jodides  auf 
1  Unze  Wasser.  Von  24  Fällen  mit  positivem  Gonococcenbefund  wurden 
zwei  in  drei  Tagen(!),  einer  in  acht^  einer  in  neun,  einer  in  zehn,  einer 
in  zwölf,  einer  in  dreizehn,  zwei  in  fünfzehn,  zwei  in  siebenzehn,  einer 
in  achtzehn,  einer  in  zwanzig,  einer  in  dreissig,  einer  in  sechsunddreissig, 
zwei  in  vierzig  und  einer  in  fünfund vierzig  Tagen  geheilt.  In  den  letzten 
Fällen  lagen  Complicationen  vor.  Ledermann. 

(36;  Hill  er  bespricht  im  Anschluss  an  die  antibakteriellen  und 
desinficirenden  Vorzüge  des  Solveol  seine  Wirksamkeit  bei  Cystitis.  Ein 
Fall  von  fauliger  Cystitis  (calculosa)  war  nach  3  Ausspülungen  mit  '/«*/• 
warmer  Solveollösnng  geheilt.  Galewsky. 

(37)  Costa  empfiehlt  bei  (ronorrhoe  auf  Grund  seiner  an  40 
Fällen  gesammelten  Erfahrungen  die  Anwendung  des  Zimmtöl.  Er  gibt  1 — 3 
Tropfön  auf  eine  Unze  Benzoinol,  nach  Urinentleerung  und  vorheriger 
Ausspülung  der  Harnröhre.  In  6  Fällenhörte  der  Aasfluss  nach  2  Tagen  auf,  in 
12  nach  5,  in  6  nach  9 — 10,  in  10  nach  10 — 15  Tagen;  in  zwei  Fällen  war 
die  Behandlung  ohne  Erfolg.  Angaben  über  Gonococcenbefund  und  Be- 
tlieiligung  der  posterior  fehlen.  Koch. 

(38)  Boinet  und  Trintignan  haben  in  5  Fällen  acuter  und 
chronischer  Gonorrhoe  durch  Methylenblau-Injectionen  schnelle  Heilung 
erzielt  (in  2  frischen  Fällen  nach  8,  resp.  10  Tagen). 

(39)  Die  Resultate  der  Alumnolbehandlung  bei  12  unbehandelt  ju  Fällen 
frischer  Gonorrhoe,  die  Samt  er  auf  die  Chotzen'sche  Publication  hin 
vornahm,  sind  nicht  geeignet,  das  Mittel  als  Specificum  gegen  die  in  Rede 
stehende  Erkrankung  erscheinen  zu  lassen.  Es  blieb  nicht  nur  der  eiterige 
Ausfluss  in  den  meisten  Fällen  nach  6tägiger  Behandlung,  dessen  Ver- 
schwinden C hetzen  betont  hatte,  sondern  in  2  Fällen  zeigte  sich  sogar 
Vermehrung  der  Gonococcen.  Das  Mittel  leistet  jedenfalls  nicht  mehr  als 
andere  Antigonorrhoica.  Karl  Herxheimer. 

(40)  Von  C hetzen  ist  das  Alumnol  geradezu  als  wirkliches  Heil- 
mittel gegen  Gonorrhoe  gepriesen  worden.  Casper  stellte  daraufhin  Unter- 
suchungen bei  40  Gonorrboikem  an,  wobei  er  zu  wesentlich  anderen  Re- 
sultaten gelangte.  Bei  acuter  Gonorrhoe  erwies  sich  das  Alumnol  zwar 
als  secretionsbeschränkend,  jedoch  nicht  in  erheblicherem  Masse  als  andere 
längst  bekannte  Mittel.  Dagegen  zeigte  es  keine  gonococcentödtende 
Wirkung,  wie  Ch.  hervorgehoben  hatte.  Bei  der  Behandlung  der  chroni- 
schen Gonorrhoe  mittelst  Guyon^scher  Instillationen  stand  das  Alumnol 
in  seiner  Wirkung  dem  Argentum  nitricum  nach,  indem  es  eine  nur 
oberflächlich  abhäutende  Wirkung  geltend  machte.  Bei  gonorrhoischer 
Epididymitis  hatte  die  Behandlung  mit  AlumnolpflastermuU,  bei  inguinaler 
Lymphadenitis  diejenige  mit  Injectionen  des  Mittels  in  die  Nachbarschaft 
der  afficirten  Drüsen  keine  besonderen  Vorzüge.  Nur  in  2  Fällen  von 
Ulcus  molle  erzielte  C,  ebenso  wie  Ch.,  schnelle  Heilung.  (Ref.  war  duieh 
die  Farbwerke  in  Höchst  a./M.  frühzeitig  ein  grösseres  Quantum  Alumnol 
zur  Verfugung  gestellt  worden.    Zur  Zeit  der  C. 'sehen  Publication  hatte 

ArehiT  f.  Derm«toI.  a.  Syphil.  Band  XXVII.  X9 


290  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Ref.  dasselbe  in  30  Fällen  meist  frischer  Gonorrhoe  versucht  und  kam  zu 
ähnlichen  Resultaten  wie  C.)  EarlHerxheimer. 

(41)  Das  von  Cazeneuve  angewandte  Gallobromol,  Acid.  dibro- 
mogallic,  enthält  Brom  und  3  Phenylgnippen ;  es  besteht  aus  kleinen, 
weissen,  durch  Zersetzung  ev.  grau  werdenden  Nadeln ;  es  ist  in  10  Theilen 
warmen  Wassers  löslich,  ätzt  in  dieser  Lösung  und  als  reines  Pulver.  In 
1%  Lösung  injicirt,  brennt  es  gar  nicht;  in  2'/»  massig.  Es  wurde  theils 
in  Einspritzungen,  theils  in  Ausspülungen  verwendet.  Es  wirkt  calmmirend 
auf  Schmerzen  und  Erectionen;  der  Ausfluss  wird  grau  oder  braun  und 
nimmt  schnell  ab.  Viele  Patienten  wurden  nach  6 — 8  Tagen  geheilt;  bei 
anderen  wurde  in  der  zweiten  Woche  neben  dem  Grallobromol  Tannin 
oder  Zinc.  sulfur.  angewandt.  Auch  Instillationen  in  die  Urethra  poster. 
wurden  mit  Erfolg  verwendet.  Jadassohn. 

(42)  Dowd  behauptet,  dass  man  nicht  eher  die  Behandlung  einer 
chroniachen  Gonorrhoe  beginnen  dürfe,  bis  man  nicht  die  specielle  Ur- 
sache derselben  kenne.  In  erster  Reihe  sind  es  granulirende  Wucherungen 
der  Urethra,  welche  lange  Zeit  Ausfluss  verursachen.  Nach  sorgfaltiger 
Untersuchung  des  Urins,  mit  Hilfe  von  Bougies  und  Endoskop  kann  man 
leicht  die  Diagnose  stellen  und  die  Localisation  des  Processes  genau  be- 
stimmen. Grössere  Bedeutung  als  bei  der  Diagnosenstellung  hat  nach 
Dowd's  Ansicht  das  P^ndoskop  bei  der  Therapie  der  chronischen  Go- 
norrhoe, da  es  die  Application  von  Medicamenten  genau  auf  die  erkrankten 
Stellen  gestattet;  am  empfehlenswerthesten  sind  hiebei  starke  Silber- 
lösungen. 

Als  zweite,  sehr  gewöhnliche  Ursache  der  chronischen  Urethritis 
werden  die  Stricturen  angefahrt,  die  sich  durch  Bougies  oder  Otis'Ure- 
thrometer  leicht  constatiren  lassen.  In  diesen  Fällen  ist  die  Behandlung 
der  Verengerung  die  erste  Bedingung  für  die  Heilung;  Spaltung  des  Ori- 
ficium  extemum  ist  oft  erforderlich. 

Einen  anderen  Grund  sucht  Verfasser  in  den  mechanischen  Läsionen, 
denen  das  Glied  bei  der  Anwendung  von  Instrumenten  imd  zuweilen  anch 
beim  Uriniren  ausgesetzt  ist.  Die  Hamröhrenschleimhaut  sei  ebenso  em- 
pfindlich wie  die  Conjunctiva  und  werde  durch  Reiben  und  Quetschen 
nicht  weniger  gereizt,  als  diese. 

Viertens  wird  als  Ursache  chronischen  Ausflusses  genannt  die  Ent- 
zündung von  Falten  und  Taschen  der  Harnröhre;  sie  wird  dadurch  er- 
kannt, dass  bei  der  Sondenuntersuchung  das  Secret  aus  den  Falten  heraus- 
gepresst  wird  und  dem  Instrument  folgt. 

In  fünfter  Reihe  wird  die  Entzündung  der  Cowper'schen  Drüsen 
oder  der  Prostata  mit  Urethritis  posterior  angeschuldigt.  Erstere  wird 
durch  Incision  geheilt,  letztere  ist  weder  leicht  zu  diagnosticiren,  noch 
zu  behandeln.  Schmerzen  beim  Einfuhren  der  Sonde  in  die  tieferen 
Theile  der  Harnröhre  oder  bei  der  Ejaculation ,  Empfindlichkeit  der 
Prostatagegend  bei  der  Palpation  deuten  auf  die  Betheiligung  der  Drüse 
hin.     Die   Behandlung    besteht   in    der   Anwendung   entzündungswidnge'^ 


der  Syphilis.  291 

Mittel  auf  die  Dammgegend,  in   Sondeneinführung  und  Application  von 
Adstringentien  auf  die  Schleimhaut  der  Urethra  posterior. 

£ndlich  darf  man  auch  den  Allgemeinzustand  des  Patienten  nicht 
vernachlässigen;  nicht  selten  findet  man  hochgradige  Schwäche  nach  un- 
zweckmässigem Gebrauch  von  Copaiva  und  Cubeben;  mit  der  Besserung 
des  Allgemeinbefindens  schwindet  in  solchen  Fällen  auch  die  chronische 
Gonorrhoe. 

Zum  Schluss  erwähnt  Dowd,  dass  er  in  2  Fällen  das  Fortbestehen 
des  Ausflusses  auf  unbefriedigte  Begierde  zurückfuhren  zu  können  glaubte« 
Nach  Wiederaufnahme  des  geschlechtlichen  Verkehrs  erfolgte  die  Heilung. 

Schaff  er. 

(43)  Im  Lancet  (27.  Februar  1892)  wurde  folgende  Behandlungs- 
methode der  acuten  Gonorrhoe  von  Cot  es  und  Slater  empfohlni.  Nach 
dem  üriniren  wird  ein  ürethroskop  so  weit  in  die  Harnröhre  eingeführt, 
als  die  Schleimhaut  entzündet  ist;  hierauf  wird  ein  gestielter,  in  lO*/© 
Argentum  nitricum-Lösung  getauchter  Tampon  bis  ans  Ende  des  Tubus 
vorgeschoben  und  zugleich  mit  diesem  herausgezogen;  etwa  2  Zoll  vor 
dem  Orificium  extemum  wird  ein  frischer  Tampon  applicirt.  Gleichzeitig 
werden  täglich  einige  gewöhnliche  Injectionen  in  die  Harnröhre  gemacht 
und  innerlich  alkalische  Wässer  oder  Copaiva  gegeben.  Etwa  40  Fälle 
sollen  durchschnittlich  innerhalb  12  Tagen  geheilt  worden  sein.  Christian 
hat  keine  günstigen  Resultate  mit  der  angegebenen  Methode  erzielt.  Von 
7  Fällen,  deren  Krankengeschichten  mitgetheilt  werden,  wurden  2  inner- 
halb 4  Wochen  geheilt;  4  Fälle  gingen  in  das  chronische  Stadium  über. 
Christian  glaubt  demnach  die  Methode  nicht  empfehlen  zu  können, 
zumal  da  dieselbe  heftige  Schmerzen  verursacht.  Seh  äff  er. 

(44)  Pitts  empfiehlt  bei  acuter  Gonorrhoe  die  Tamponade  der 
Urethra  mit  Sublimattampons.  Nach  Entleerung  des  Urins  und  Ausspülung 
der  Harnröhre,  eventueller  Cocaineinspritzung  in  dieselbe,  führt  er  einen 
möglichst  weiten  Metallcatheter  ein  und  schiebt  in  diesem  einen  mit 
Sublimat  (1  :  20.000)  getränkten  Tampon  vor,  an  dem  ein  Seidenfaden 
befestigt  ist;  dann  spritzt  er  Sublimat  gegen  den  Tampon,  führt  einen 
zweiten  ein,  spritzt  wieder,  und  so  fort,  bis  die  Hamröhrenmündung  er- 
reicht ist.  Die  Tampons  bleiben  möglichst  lange  liegen ;  in  der  Zwischen- 
zeit spritzt  er  mit  einer  Lösung  von  Plumb.  acet.  und  Morphin.  11  Fälle 
waren  nach  im  Durchschnitt  25tägiger  Behandlung  ohne  nachtheilige 
Folgen  geheilt.  Koch. 

(45)  Rockley  empfiehlt  bei  chron.  Gonorrhoe  die  Anwendung  einer 
von  ihm  construirten  Urethralcurette.  Nach  Cocainisirung  wird  ausge- 
kratzt und  dann  werden  mehrere  Tage  antisept.  Flüssigkeiten  injicirt. 
Die  Curette  ist  länglich  geformt,  etwas  gebogen  und  mit  14  Löchern  ver- 
sehen, deren  obere  Ecken  scharf  sind.  Rockley  hat  einen  Fall  behandelt 
und  geheilt.  Galewsky. 

(46)  Williams  empfiehlt  für  die  Behandlung  der  chronischen  Ure- 
thritis ein  Instrument,  das  zugleich  zur  Dilatation  und  Ausspülung  dient. 
Das  Instrument  ist  ein  G  Zoll  langes  starkes  Rohr  (Nr.  14  Charr.),  an  dessen 

19* 


292  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

eines  Ende  eine  Spritze  durch  einen  Gummischlauch  befestigt  wird, 
^während  das  andere  eine  Schraubenmutter  tr&gt,  auf  welche  IV«  Zoll 
lange  Ansätze  (zwischen  18  und  29  Charr.)  geschraubt  werden;  diese  sind 
coniseh  geformt  und  an  der  Basis  ron  4  Lochern  durchbohrt,  durch 
welche  die  zum  Ausspülen  benutzte  Flüssigkeit  ausströmt;  als  solche  be- 
nutzt der  Verf.  Kai.  hypermanganic.  (1  :  10.000),  Salzwasser  etc.  Für  die 
tieferen  Theile  der  Harnröhre  verwendet  er  einen  weichen  Katheter.  Die 
Resultate,  die  mit  diesem  Instrumente  erzielt  worden  sind,  sollen  sehr 
gute  sein.  Jadassohiu 

(47)  Nach  Daggets  Ansicht  ist  jede  Behandlungsmethode  der 
acuten  Gonorrhoe  verwerflich,  welche  den  entzündlichen  Process  steigert; 
aus  diesem  Grunde  ist  die  Anwendung  des  Katheters,  besonders  aber 
chirurgisches  Eingreifen  im  acuten  Stadium  zu  vermeiden.  Als  besonders 
zweckmässig  empfiehlt  Dagget  Irrigationen  der  Urethra  und  Blase  mit 
heissem  Wasser;  zu  diesem  Zwecke  hat  er  einen  Ganülenansatz  con- 
struirt,  der  von  einem  aufblähbaren  Gummiballon  umgeben  ist.  Dagget 
machte  mit  seinem  Apparate  zahlreiche  Ausspülungen  der  Harnröhre  und 
Blase,  wobei  die  Patienten  in  Rückenlage  sich  befanden  und  die  Beine 
angezogen  hatten;  zuweilen  musste  zum  Gelingen  der  Manipulationen  die 
Aufmerksamkeit  des  Patienten  abgelenkt  werden.  Dagget  glaubt,  dass 
durch  die  Irrigationen  sich  Verengerungen  und  sonstige  Complicationen 
leichter  vermeiden  lassen  würden.  Schäffer. 

(48)  Grünfeld  empfiehlt  nach  Winternitz's  Vorgange  gegen 
die  bisher  jeder  Medication  trotzenden,  in  Form  von  sehnenartig  glän- 
zenden Plaques  auftretenden  Epithelialauflagerungen  bei  chron.  Urethritis 
zur  Injection  ein  Decoct  von  100-0  Heidelbeeren  auf  300-0  Gr.  Colatur. 
Gr.  will  damit  in  wenigen  Tagen  eine  wesentliche  Besserung  erzielt  haben, 
die  sich  durch  endoskop.  Untersuchung  und  Abnahme  der  subjectiven  Be- 
schwerden erkennen  Hess.  —  Gr.  macht  hierbei  auf  die  grosse  Aehnlichkeit, 
die  zwischen  diesen  Epithelialauflagerungen  und  der  Leucoplakia  buccalis 
besteht,  aufmerksam.  Galewsky. 

(49)  Bacon  hat  Versuche  mit  einem  trockenen  und  einem  Hüssigen 
Extract  vonKava-Kava  gemacht;  das  erstere  bringt  mit,  das  andere  ohne 
Schmerz  eine  Anaesthesie  der  Mundschleimhaut  hervor.  Das  Fluid-Extract 
vermehrt  ('/, — 1  Drachme  48tündlich)  den  Urin,  macht  ihn  dünner  und 
alkalisch.  Bei  der  Gonorrhoe  (Verf.  hat  82  Fälle  beobachtet)  vermindert 
es  die  Beschwerden  und  heilt  in  15 — 30  Tagen  den  Ausfluss;  nur  in 
6  Fällen  versagte  es,  wie  Bacon  meint,  weil  es  in  diesen  nicht  gelang, 
den  Urin  alkalisch  zu  machen.  Jadassohn. 

(50)  Pichi  ist  ein  in  Südamerika  vorkommender  Strauch,  dessen 
Abkochung  namentlich  von  den  Chilenen  schon  lange  gepen  Erkrankungen 
der  Hamorgane  verwendet  wird.  Von  E.  Merck  in  Darmstadt  wird  ein 
Fluidextract  des  Mittels  hergestellt,  eine  dunkelbraune  Flüssigkeit,  deren 
sich  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  er  bei  seinen  Versuchen  bediente.  Die  Dosis,  3  Mal  täglich 
1  Theelöffel,  hatte  keine  üblen  Nebenwirkungen,  verbesserte  sogar  den 
Appetit    und    war   von    nicht    unangenehmem   Geschmack.    6    Kranken- 


der  Syphilis.  293 

geschichten  (die  allerdings  sehr  cursoriech  sind  insofern,  als  sowohl  über 
den  Weiterverlanf  als  den  Gonococcenbefund  nur  mangelhafte  oder  gar 
keine  Angaben  gemacht  werden.  Ref.)  von  nervöser  Reizbarkeit  der  Blase, 
acuter  Gonorrhoe  mit  Cystitis,  Hypertrophie  der  Prostata  mit  chronischer 
Cystitis,  chronischer  Prostatitis,  acuter  Gonorrhoe  und  subacuter  Gonorrhoe 
mit  rechtsseitiger  Epididymitis  iUustriren  die  günstige  Einwirkung  des 
Mittels  vornehmlich  auf  die  subjectiven  Beschwerden.  Die  Wirksamkeit 
desselben  beruht  zweifellos  auf  dem  starken  Gehalte  an  Harzsäure  und 
Tannin.  Karl  Herx heimer. 

(51)  Falkson  hat  ein  Suspensorium  anfertigen  lassen,  dessen  Gurt 
das  Beckengerüst  als  Stützpunkt  hat.  Er  besteht  aus  einem  Mittelstück, 
das  auf  die  Symphyse  zu  liegen  kommt,  und  Seitentheilen  und  ist  mit 
Wildleder  gefuttert.  Unterhalb  des  Gurtmittelstücks  befindet  sich  das 
Penisloch  am  Ansatz  des  aus  grauem  Leinen  bestehenden  Beutels.  Am 
hinteren  freien  Rande  des  Beutels  befindet  sich  je  ein  Band,  welches 
durch  eine  Schnalle  geführt  wird,  die  am  äusseren  Rand  des  Symphysen- 
theils  des  Gurtes  sitzt.  Die  Schenkelbänder  sind  die  üblichen.  F.  bestreicht 
das  Scrotum  mit  Vaselin,  legt  darüber  Gummipapier,  polstert  mit  Watte 
aus  und  legt  darüber  das  Suspensorium  an.  Der  Verband  wird  jeden 
vierten  Tag  emeueK.  Bezugsquelle  des  Suspensoriums  ist  Hobe's  Apotheke, 
Berlin  S.,  Dresdener  Strasse  81.  Karl  Herx  heimer. 

(52)  In  Anbetracht  der  Thatsache,  dass  der  Sitz  der  Gonorrhoe  bei 
Frauen  hauptsächlich  die  urethrale  Schleimhaut  ist,  und  dass  diese  im 
Gegensatz  zu  der  Gonorrhoe  bei  Männern  nicht  häufig  genug  von  dem 
Heilmittel  getroffen  wird,  hat  Alien  einen  Irrigator  angegeben  mit 
einer  ca.  8  Cm.  langen  Hartgummispitze,  die  entsprechend  der  Urethra 
leicht  gekrümmt  ist,  und  einer  Vorrichtung,  dass  das  Instrument  nicht 
zu  tief  eindringen  kann.  A.  glaubt,  dass  mit  diesem  Irrigator  die  Kranken 
selbst  die  verordneten  Ausspülungen  ausfahren  können.  Loeser. 

(58)  Rollet  räth  dringend,  bei  der  Behandlung  der  weiblichen 
Gonorrhoe  nie  die  Urethra  zu  vernachlässigen.  Es  käme  oft  genug  vor, 
dass  Uterus  und  Adnexa  behandelt  werden  und  die  vernachlässigte 
Urethra  immer  wieder  die  Quelle  der  Infection  würde.  R.  unterscheidfit 
eine  acute  schmerzhafte,  eine  chronische  schmerzlose  und  eine  latente 
Form  der  Urethritis.  In  allen  diesen  Fällen  empfiehlt  er  die  locale  Be- 
handlung der  Harnröhre,  sei  es  mit  Stiften  von  Kupfersulfat,  Sublimat, 
Jodoform,  Ichthyol,  sei  es  mit  Lösungen.  (Hier  empfiehlt  er  starke  Lösungen 
von  Arg.  nitr.  (l*57t),  Ichthyol  (37«),  Resorcin  (5%)  u.  s.  f.)  Zur  Berie- 
selung der  Urethra  verwendet  Verf.  einen  kurzen  Gatheter  mit  Olive  und 
grossem  Fenster.  Stein. 

(54)  Bei  Gelegenheit  der  Demonstration  einiger  Präparate,  die  bei 
Laporotomien  wegen  Salpingitis  gewonnen  worden  waren,  spricht  Mnrray 
über  die  Therapie  der  gonorrhoischen  Vaginitis.  Er  empfiehlt  im  acuten  Sta- 
dium Ausspülungen  mit  Sublimat  (1 :  10000),  später  Behandlung  der  Cervix 
mit  Sublimat  und  Carbolsänre,  Ausspülungen  der  Soheide  mit  5  Vt  Aigentnm- 
nitricumlösungen  mit  folgender  Jodoformgazetamponade.  In  der  Discussioa 


294  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

empfiehlt  Polk  sofort  Behandlung  des  stets  (?)  miterkrankten  Endo- 
metriums durch  Ausspülungen,  Einfuhren  von  Jodoformgaze,  eventuell 
Curettement ;  Golec  wendet  Yaginalkugeln  mit  lOV^  Salicylsäure  an. 

Paul  Neisser. 

(55)  Nach  Ausspülung  und  Reinigung  der  Vagina  mit  Sublimat- 
lösung wird  dieselbe  mit  Watte  austamponirt,  die  in  eine  Lösung  von 
Methylenblau  lO'O,  Alcoh.  15-0,  Kai.  carbon.  0*2,  aqu.  dest.  200-0  getaucht 
wurde.  Die  Tampons  bleiben  2  Tage  liegen,  dann  wieder  Ausspülung  der 
Vagina  und  neue  Tamponade.  Augenblickliche  Schmerzlinderung  und 
schnelle  Heilung. 

(56)  Die  Vaginitis  gonorrhoica,  welche  Frederick  für  sehr  selten 
halt,  behandelt  er  mit  Ausspülungen  von  heissem  Wasser,  10%  Zinklösnng 
und  endlich  mit  10%  Argentnm  nitricum-Lösung.  Bei  der  Behandlung 
der  Gervicalgonorrhoe  wird  die  Dilatation  des  Muttermundes  mit  Lanü- 
nariastäbchen  vorgenommen  und  hierauf  mit  lOV«  Argentum  nitricnm  die 
Schleimhaut  ausgewischt.  Die  Therapie  der  gonorrhoischen  Entzündung 
der  weiblichen  Beckenorgane  unterscheidet  sich  nicht  von  derjenigen  der 
übrigen  Entzündungen  dieser  Theile.  Insbesondere  werden  angewandt 
Bettruhe,  heisse  Umschläge  und  Opium;  letzteres  jedoch  sollte  nicht 
in  zu  grossen  Dosen  gegeben  werden,  da  hierdurch  vielleicht  die  Ent- 
stehung von  Adhäsionen  durch  völliges  Aufhören  der  Peristaltik  be- 
günstigt wird.  Kommt  es  zur  Bildung  von  Eiter,  so  kann  man  entweder 
von  der  Vagina  aus  punctiren  oder  die  Laparotomie  machen.  Letz- 
teres ist  in  den  meisten  Fällen  vorzuziehen,  da  die  Abscesse  gewöhn- 
lich multipel  sind  undbeider  l^mction  von  der  Scheide  aus  nicht  sämmtliche 
Eiterherde  entleert  werden  können.  Am  empfehlenswerthesten  ist  jedoch 
in  solchen  Fällen  die  radicale  Entfernung  der  erkrankten  Adnexe,  welcher 
später  ein  Curettement  des  Uterus  angeschlossen  werden  kann.  Dass  oft 
auch  nach  der  Radicaloperation  vollständige  Gesundheit  nicht  erlangt 
wird,  liegt  nach  Frederic k's  Ansicht  daran,  dass  die  Kranken  durch 
die  vorangegangenen  Leiden  und  das  langjährige  Siechthum  zu  sehr  ge- 
schwächt waren,  als  dass  sie  ihre  ehemaligen  Kräfte  wiedererlangen 
könnten.  Es  wäre  daher  wünschenswerth,  dass  die  Radicaloperation  nicht 
zu  weit  hinausgeschoben  und  nicht  erst  dann  unternommen  ¥rürde,  wenn  die 
Gesundheit  der  Frauen  bereits  vollständig  untergraben  ist.    Schaffen 

(98)  Die  22jährige  Patientin  Dumont's,  welche  einmal  geboren 
hatte,  wurde  später  von  ihrem  Manne  gonorrhoisch  infioirt.  Diagnose: 
linksseitige  Salpingitis.  Bei  der  Laporotomie  wrurde  der  linksseitige,  an 
einer  Dünndarmschlinge  adhärente  salpingitische  Tumor  entfernt;  das 
Ovarium  war  nicht  zu  finden.  Rechte  Adnexe  normal.  Glatte  Heilung. 
Völliges  Verschwinden  aller  Beschwerden.  Paul  Neisser. 

(94)  M  o  n  o  d  in  Bordeaux  behandelt  die  Vulvo-Vaginitis  kleiner 
Mädchen  mit  Kai.  hypermang.  Er  fuhrt  täglich  durch  die  Hymenalöffiiuiig 
einen  weichen  Catheter  ein  und  spült  die  Vagina  mit  1  bis  iVt  L.  einer 
Lösung  (1  :  4000)  aus.  Die  Lösung  fliesst  aus  einem  hochgehängten  Gefass 
zu.    Heilung  binnen    14  Tagren.   —   Bei   Erwachsenen   mit   gleichzeitiger 


der  Syphilis.  295 

£ndometritiB  cervicalis  fuhrt  M.  einen  Tampon  in  die  Vagina   resp.  den 
Cerricalcanal  ein,  der  mit  Kali  hypermang.  (1  :  1000)  getrankt  ist. 

Raff. 

(69)  Kirstein.  Die  3  bisher  geübten  Methoden  zur  Prophylaxe  der 
Blennorrh.  neonator.  haben  ziemli  ch  gleich  glänzendeErfolge  zu  verzoichnen. 
Es  sind 

1.  Die  Cr ed ersehe  Methode:  Einträufeln  eines  Tröpfchens  27o  Arg. 
nitr.  Lösung;  2. Die  Kaltenbach'sche  Methode:  Desinfection  den  Scheide 
erst  mit  Sublimat  '/,O0«,  dann  V^Vo  (Vergiftungsgefahr  für  die  Mutter!); 
3.  Die  Schirmer-Korn'sche  Methode,  bestehend  in  sorgfaltiger  Reinigung 
der  Augenlider  sofort  nach  dem  Durchschneiden  des  Kopfes  und  zweite 
Reinigung  des  Gesichtes  und  Kopfes  vor  der  Abnabelung. 

Von  den  der  Arbeit  zum  Schlüsse  beigefügten  Thesen  sind  be- 
sonders folgende  hervorzuheben: 

1.  Die  Blennorrh.  neonat,  entsteht  in  den  meisten  Fällen  durch 
manuelle  Ueberimpfung  virulenten  Scheidensecrets  bald  nach  der  Geburt. 
2.  Die  Hebammen  müssen  wie  zur  Verhütung  der  puerperalen  Sepsis,  so 
auch  behufs  Verhütung  der  Blennorrh.  neonat,  zur  peinlichsten  Reinlichkeit 
erzogen  werden.  3.  Den  Hebammen  ist  die  Bedeutung  des  Grede'schen 
Verfahrens  einzuschärfen  und  die  Anwendung  desselben  zu  gestatten. 

(60)  Bei  Gelegenheit  der  Vorstellung  zweier  Patienten  Morel- 
Lavallee's,  welche  von  einer  gonorrhoischen  Arthritis  durch  innerlichen 
Gebrauch  von  Hg.  geheilt  worden  waren  (übrigens  waren  beide  Patienten 
alte  Syphilitiker),  spricht  JuUien  seine  Ansicht  dahin  aus,  dass  das  Hg. 
nicht  nur  antiluetisch,  sondern  überhaupt  antibakteriell  wirke.  Er  selbst 
habe  1888  schon  solche  FäUe  publicirt,  bei  denen  er  subcutane  Injectionen 
von  Sublimat  angewendet  habe,  von  dem  Gedanken  ausgehend,  dass  das- 
selbe direct  auf  die  Gonococcen  oder  sonstige  pyogenen  Substanzen  in 
den  Gelenken  deletär  wirken  würde;  es  sei  diese  Methode  nicht  mit  der 
localen  Application  von  grauer  Salbe  zu  verwechseln,  welche  doch  nur 
antiphlogistisch  wirke.  Paul  Neisser. 

(61)Fovrau  de  Courmelles  berücksichtigt  besonders  beginnende 
Stricturen.  Dieselben  werden  mittelst  eines  complicirten  Apparates  dia- 
gnosticirt.  Ein  mit  Quecksilber  gefülltes  Bongie  wird  in  die  Blase  einge- 
führt; kurz  vor  dem  Ende  des  Bougies  befindet  sich  ein  dünnwandiger 
Kautschukballon,  communicirend  mit  dem  Hohlraum  der  Sonde.  Der  Druck 
den  die  Harnröhrenwände  beim  Zurückziehen  des  Bougies  aus  der 
Blase  auf  dasselbe  ausüben,  wird  vermittelst  complicirten  Hebelapparats 
auf  einem  Registrircylinder  graphisch  dargestellt.  —  Es  soll  nach  Angabe 
des  Verf.  dadurch  möglich  sein,  Stricturen  in  ihren  ersten  Anfangen  zu 
erkennen.  Stein. 

(62)  Reliquet  und  Guepin  weisen  an  der  Hand  einer  ganzen 
Reihe  von  Krankengeschichten  nach,  dass  es  nicht  gar  so  selten  vorkommt, 
dass  anamnestische  Daten  und  die  klinische  Untersuchung  zur  An- 
nahme des  Bestehens  einer  Strictur  drängen,  und  trotzdem  in  Wahrheit 
keine  Strictur  besteht.  Die  Urinentleerung'  kann  in  derartigen  Fällen  stark 


296  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

behindert  sein;  es  kann  zu  vollstindiger  Retentio  urinae  kommen,  die 
untersuchende  Sonde  ist  an  irgend  einer  Stelle  der  Harnröhre  fest  enga- 
girt  und  doch  beruht  das  Hindemiss  einzig  auf  einem  Spasmas,  der  als 
Keflexact  einer  peripheren,  bisweilen  auch  einer  centralen  Anomalie  zu 
Stande  kommt. 

In  den  meisten  Fällen  handelt  es  sich  um  Verengerungen  des  Prä* 
pntinms,  resp.  um  eine  £nge  im  Orificium  ext.  der  Urethra.  Eine  Anzahl 
von  Krankengeschichten  illustriren  aufs  Deutlichste,  wie  nach  der  einfachen 
Spaltung  einer  solchen  Phimose,  nach  der  blutigen  Erweiterung  eines 
solchen  verengten  Orificiums  die  Symptome  der  Strictur  schwanden.  — 
£rwihnt  sei  hierbei,  dass  auch  eine  in  Wirklichkeit  bestehende  Strictur 
durch  einen  solchen  Spasmus  einen  abnormen  Grad  von  Enge  vor- 
täuschen kann. 

Neben  den  oben  genannten  Anomalien  können  eine  weitere  Ursache 
iur  den  reflectorischen  Spasmus  abgeben:  Entzündung  der  TysonVhen 
Drüsen,  Entzündungen  im  Gebiete  der  Prostata  und  der  ihr  zagehörigen 
Drüsen,  femer  Entzündungen  der  Cooper'schen  Drüsen,  sodann  abnorme 
Füllnngszustände  im  Rectum.  Femer  wird  ein  Fall  erwähnt,  in  dem  nach 
Beseitigung  eines  Excemaad  anum  die  beängstigenden  Symptome  d^  Ae* 
tention  schwanden.  Schliesslich  kommt  es  auch  vor,  dass  bei  beginnenden 
Myelitiden  derselbe  Reflexact  ausgelöst  wird.  Stein. 

(63)  Glenowuille  weist  darauf  hin,  dass  man  bei  einerVerengernng 
der  weiblichen  Urethra  zuerst  an  comprimirende  Tumoren  und  an  Steine 
denken  müsse.  Die  meisten  Stricturen  finden  sich  im  vorderen  Drittel  der 
Harnröhre;  die  beste  Behandlung  ist  im  allgemeinen  die  allmälige  Dila- 
tation, obgleich  man  bisweilen  die  Urethrotomia  interna  nicht  umgehen 
kann. 

(64)  Meisels  findet  das  Vorkommen  von  Stricturen  in  der  weib- 
lichen Urethra  häufiger,  als  dies  gemeiniglich  in  Lehrbüchern  und  von 
Fachleuten  angegeben  wird.  Ihm  scheint  die  Möglichkeit  ihrer  Enstehnng 
bei  den  vielen  Schädlichkeiten  (Coitus,  Blennorrhoe,  Geburtstrauma  etc.), 
die  in  Betracht  kommen,  jedenfalls  sehr  gross  und  er  glaubt,  dass  gewiss 
manche  irradiirte  Erscheinungen,  Blasenspasmen,  Nervenkiämpfe,  Hysterie 
auch  dadurch  zu  erklären  seien.  M.  selbst  hatte  zwei  ziemlich  hochgradige 
Stricturen  in  Beobachtung,  von  denen  die  eine  durch  hamsaure  Diathese, 
Passiren  der  Calculi  durch  die  Harnröhre,  die  andere  durch  Blennorrhoe 
bedingt  war.  Aufmerksam  gemacht  wurde  M.  auch  hier  durch  Inradiations- 
erscheinangen,  Krämpfe  etc.  Die  Therapie  gestaltet  sich  analog  derStric- 
turbehandlung  bei  Männern,  natürlich  nur  viel  einfacher. 

K.  UUmann. 

(65)  Sontham  behandelte  während  der  letzten  3  Jahre  imkönigl. 
Hospitale  zu  Manchester  60  Fälle  von  Strictur,  von  denen  12  mit  Retentio 
urinae,  8  mit  Urinextravatation  aufgenommen  wurden.  Bei  6  von  den  12  an 
Retentio  Leidenden  wurde  die  Pnnctio  vesicae  mit  befriedigendem  Erfolge 
vorgenommen,  bei  den  anderen  7  wurde  die  Rentention  durch  Opium  und 
heisse  Bäder  behoben.    Bei  der  Behandlung  der  Strictur  selbst,  fidls  sie 


dei*  Syphilis.  297 

für  Instrumente  durchgangig  war,  wurde  erst  die  graduelle  Dilatation 
versucht.  Genügte  diese  nicht  oder  war  sie  unmöglich,  so  wurde  zur  in- 
neren Urethrotomie  geschritten ;  zur  äusseren  nur  bei  Unpassirbarkeit  der 
Strictur.  Die  graduelle  Dilatation  wurde  29mal  erfolgreich  ausgeführt. 
Die  innere  Urethrotomie  wurde  16mal  bei  resilienten  oder  irritablen 
Stricturen  angewandt,  jedesmal  mit  sehr  gutem  Resultat.  Es  wurde  das 
Teevan'sche  Urethrotom  benutzt,  das  an  ein  filiformes,  als  Leitsonde 
dienendes  Bougie  angeschraubt  war.  Die  Strictur  wurde  an  ihrer  oberen 
Wand  von  vorn  nach  hinten  durchtrennt.  Vor  der  Operation  erhielt  der 
Patient,  um  den  Urin  zu  sterilisiren,  jedesmal  Salol  oder  Borsäure  und 
musste,  um  die  bei  schweren  Stricturen  meist  vorhandene  Cystitis  zu  bessern, 
Bettruhe  halten,  auch  morgens  und  abends  ein  warmes  Bad  nehmen.  Für 
leichten  Stuhlgang  wurde  durch  Magnesia  sulf.  gesorgt.  Peinliche  Anti- 
sepsis war  selbstverständlich.  Nach  Durchtrennung  der  Strictur  und  Dila- 
tation derselben  mit  Lister-Sonde  bis  Nr.  15  (£ngl.  Massstab)  wurde  der 
Urin  abgelassen  und  Blase  und  Harnröhre  mit  Borsänrelösung  ausgewaschen 
und  ein  Jodoformbougie  eingeführt.  Ein  Verweilcatheter  wurde  nicht 
benutzt  und  erst  am  3.  oder  4.  Tage  eine  Sonde  Nr.  9 — 12  bis  zur  Blase 
eingeführte  Dies  wurde  jeden  Morgen  wiederholt,  bis  der  Patient  (gewöhn- 
lich nach  8  Tagen)  das  Spital  verliess.  Complicationen  wurden  nicht  be- 
obachtet. Die  Urethrotomia  externa  wurde  lömal  ausgeführt,  Smal  bei 
Urinextra vasation.  Der  Versuch  nach  Wheelhouse,  die  Urethra  vor 
der  Strictur  zu  öffnen,  eine  dünne  Sonde  durch  die  Verengerung  zu  schie- 
ben und  dieselbe  dann  von  der  Perinealwunde  aus  zu  durchtrennen,  wurde 
jedesmal  unternommen,  doch  gelang  es  nur  schwer,  bisweilen  gar  nicht, 
die  Oeffhung  der  Strictur  zu  entdecken.  In  letzterem  Falle  wurde  die 
Harnröhre  hinter  der  Strictur  geöffnet.  In  3  Fällen  trat  der  Tod  ein  in 
Folge  schon  bestehender  Nierenerkrankung,  in  einem  4.  Falle  durch  Becken- 
zellgewebseiterung,  die  von  der  Perinealwunde  ausging.  Es  wurde  allen 
Strictur-Kranken  empfohlen,  von  Zeit  zu  Zeit  eine  Sonde  durch  die  Harn- 
röhre zu  fnhren.  Sternthal. 

(66)  Morris  bespricht  neben  der  Behandlung  anderer  Affectionen, 
die  hier  nicht  von  Interesse  sind,  auch  die  Behandlung  der  Urethralstric- 
toren.  Alle  Stricturen,  die  mit  einlacher  Dilatation  behandelt  werden  kön- 
nen, sollen  auch  so  behandelt  wurden.  Die  äussere  Urethrotomie  oder 
der  Perinealschnitt  ist  die  geeignete  Operation  bei  impermeablen  Stricturen 
mit  Urinretention,  bei  Stricturen,  die  mit  Urinfisteln,  Urinabscess  oder 
Extravasation  complicirt  sind.  Für  Stricturen,  die  der  gewöhnlichen  Dila- 
tation nicht  weichen,  die  sehr  reizbar  oder  sehr  resilienten  Charakters  sind, 
kann  man  zwischen  innerer  Urethrotomie  oder  gewaltsamer  Dilatation 
unter  Chloroform  wählen.  Was  die  Elektrolyse  anbetrifft,  so  kann  mau 
mit  dieser  zwar  auch  Erfolge  erzielen,  doch  nur  bei  sehr  lange  fortge- 
setzter Behandlang.  Von  der  gewaltsamen  Dilatation  hat  man  sich  eine 
zn  ungänstige  Ansicht  gebildet.  So  gnt  die  innere  Urethrotomie  bei  Fällen 
einfacher  Strictur  ist,  die  nahe  dem  Bulbus  oder  dem  Meatus  sitzt, 
besonders,  wenn  sie  ringförmig  ist  oder  an  der  unteren  Seite  der  Harnröhre 


298  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

liegt,  so  dass  sie  selbst  und  nicht  die  gesunde  Schleimhaut  von  der  Klinge 
durchschnitten  wird,  so  sehr  ist  der  Dilatator  vorzuziehen  bei  multiplen 
Stricturen  der  Pars  spongiosa  urethrae  und  da,  wo  das  Strictnrgewebe  be- 
grenzt und  so  gelegen  ist,  dass  es  der  Incision  ausweicht.  Bei  dieser  Methode 
werden  sehr  oft,  auch  wenn  weiter  keine  instmmentelle  Behandlung  mehr 
stattfindet,  dauernde  Erfolge  erzielt.  Sternthal. 

(67)  Martinez  del  Campo  empfiehlt  auf  Grund  seiner  Erfah- 
rungen bei  multiplen  Hamröhrenstricturen  die  combinirte  innere  und 
äussere  Urethrotomie  mit  nachfolgender  Drainage  der  Urethra  und  Blase; 
die  Resultate  sind  wegen  der  Dauererfolge  sehr  befriedigend.       Koch. 

(68)  Coignet  beschreibt  ausfuhrlich  (mit  Krankengeschichten)  die 
Methode  der  perinealen  ürethrostomie,  welche  Poncet  empfohlen  hat; 
14  so  operirte  sind  geheilt.  Die  Gohabitationsfahigkeit  ist  erhalten;  die 
Impotentia  generandi,  welche  resultirt,  ist  bei  diesen  Kranken  nicht  za 
beklagen  gewesen.  Die  Operation  ist  indicirt:  bei  immer  wieder  nach  den 
verschiedensten  Behandlungmethoden  recidivirenden  Stricturen,  bei  weitaus- 
gedehnter  narbiger  Destruction  der  Urethra,  bei  Pyelitis  etc.,  bei  Intoleranz 
des  Catheterismus.  bei  manchen  Fremdkörpern,  bei  Tuberculose  der 
Urethra,  bei  gewissen  Prostatikern.  Jadassohn. 

(69)  Miller  benützt  zur  Dehnung  schwieriger  Stricturen  ein 
dickes,  schweres  Metall-Bougie  mit  leichter  Krümmung,  dessen  Schaft  sich 
in  der  Gegend  der  letzteren  verjungt,  während  das  dünne  periphere  Ende 
in  ein  Knöpfchen  ausläuft.  Es  vereinigt  so  in  sich  die  Vorzüge  von  ähn- 
lichen, früher  von  Syme,  Spence  und  L i s t e r  angegebenen  Instrumenten 
und  soll  sich  vorzüglich  bewähren.  Koch. 

(70)  Tuffier  hat  auf  gesunde  Harnröhren  von  Hunden  Ströme 
von  8  und  20  Milliamperes  einwirken  lassen  und  in  2  Fällen  nach  zwei 
Monaten  eine  Strictur  an  der  behandelten  Stelle  constatiren  können. 
Ferner  hat  er  bei  einem  Hunde  traumatisch  eine  Strictur  erzeugt,  die 
unmittelbar  nach  der  Elektrolyse  verschwunden  zu  sein  schien,  sich  aber 
allmälig  wieder  ausbildete.  Auch  auf  Grund  seiner  klinischen  Erfahrungen 
(25  Fälle)  glaubt  Tuffier,  dass  Recidivenach  derElectrolysedie  Kegel  sind. 

Koch. 

(71)  Auf  Grund  von  51  Fällen,  die  Fort  selbst  behandelt,  stellt 
er  in  Bezug  auf  Stricturen  die  Thesen  auf:  Es  gibt  zweierlei  Arten  von 
Stricturen  —  weiche  und  harte.  Die  ersteren  sind  die  selteneren  und 
betragen  ein  Drittel  aller  Stricturen.  Sie  zeigen  sich  für  die  elektrolytische 
Behandlung  sehr  leicht  zugänglich*  Lasch. 

(72)  Guelliot  hat  15  Stricturen  elektrolytisch  behandelt,  ohne  je 
Fieber  zu  beobachten.  Er  hält  die  Methode  nur  bei  nicht  zu  engen,  nicht 
zu  hai*teu  und  nicht  zu  langen  Stricturen  für  anwendbar.  Ueber  die  Re- 
cidive  nach  Elektrolyse  vermag  G.  noch  nichts  definitives  zu  sagen. 

Jadassohn. 

(73)  Reynier  hat  acht  Stricturen  mit  Elektrolyse  behandelt»  In 
den  leichteren  Fällen  genügte  eine  Sitzung,  in  den  schwereren  mussten  drei 
bis  vier  vorgenommen  werden    mit   bis   zu   40   Milliamperes    steigenden 


der  Syphilis.  299 

Strömen.  Die  Sitzungen  sind  sehr  schmerzhaft.  In  zwei  Fällen  musste 
R.  zur  Urethrotomia  interna  greifen;  in  dem  einen  waren  auf  eine 
Sitzung  Schüttelfrost  und  Fieber,  im  anderen  auf  drei  Sitzungen  lymphan- 
gitische  Erscheinungen  gefolgt.  Reynier  ist  der  Ansicht,  dass  die  elek- 
trolytische Behandlung  der  Stricturen  keine  besonderen  Yortheile  bietet 
und  dass  man  die  urethrotomia  interna  nicht  entbehren  kann.     Koch. 

(74)  Im  Anschluss  an  die  Arbeit  Desnos'  berichtet  Bazy,  dass 
er  mit  der  circulären  Elektrolyse  (nach  der  Methode  von  Boisseau  du 
Roch  er)  bei  sehr  harten  und  engen  Stricturen  dauernde  Erfolge  nicht  er- 
zielt hat  Auch  die  lineare  Elektrolyse  (mit  30—40  Milliamperes)  ist  iu 
manchen  Fällen  ganz  unwirksam,  auch  in  solchen,  in  denen  die  Urethro- 
tomia interna  zu  völliger  Heilung  fährte. 

DemSalol  rühmt  Bazy  antifebrile  Wirkungen  nach  und  meint,  dass 
es,  bei  suspectem  Gathet«rismus  in  genügenden  Dosen  prophylactisch  ge- 
geben, die  Zersetzung  des  Urins  verhindern  kann.  Jadassohn. 

(75)  Mansell  Moullin  ist  der  Ansicht,  dass  der  constante  elek- 
Irische  Strom  bei  der  Behandlung  von  Stricturen  da  von  einigem  Werthe 
ist,  wo  eine  schwielige  Masse  die  Harnröhre  umgibt  und  sie  zu  einem 
engen  und  vielleicht  gewundenen  Ganal  geworden  ist.  Der  Strom  unter- 
stützt die  Erweichung  des  dichten  Gewebes  und  erleichtert  so  die  An- 
wendung wirksamerer  Methoden.  Bis  zu  einem  gewissen  Grade  beseitigt 
er  auch  Muskelspasmen.  Mehr  leistet  er  aber  nicht.  Sternthal. 

(76)  Blackwood,  welcher  sich  seit  25  J.  bei  der  Behandlung  der 
Hamröhrenstricturen  mit  Erfolg  der  Elektrolyse  bedient,  hebt  ihre  Vor- 
züge gegenüber  den  anderen  Behandlungsmethoden  hervor.  Bei  ihrer  An- 
wendung ist  darauf  zu  achten,  dass  die  Instrumente  aseptisch  sind,  dass 
femer  keine  Gonococcen  in  der  Harnröhre  sich  befinden.  Die  anzuwendende 
elektrische  Sonde  sei  um  eine  Nummer  stärker  als  diejenige,  welche,  ohne 
Schmerzen  zu  verursachen,  die  Strictur  passirt.  Der  negative  Pol  entspricht 
der  Sonde,  während  die  indifferente,  also  positive  Elektrode  am  Perineum 
oder  oberhalb  des  Schambeins  angesetzt  wird.  Man  dränge  das  Bougie 
sanft  gegen  die  verengte  Stelle,  welche  meist  schon  nach  einer  Minute 
überwunden  ist;  ist  dies  nach  wenigen  Minuten  noch  nicht  geschehen,  so 
beginne  man  die  Procedur  mit  einer  schwächeren  Nummer  von  neuem. 
Blutungen  dürfen  bei  der  elektrolytischen  Behandlung  nicht  eintreten.  Die 
Batterie  muss  einen  gleichmässigen  Strom  liefern  und  leicht  controlirbar 
sein;  ein  Galvanometer  ist  unentbehrlich.  Schaffe r. 

(77)  Green  e  hält  die  elektrolytische  Behandlung  der  Hamröhren- 
stricturen fiir  besser  als  alle  anderen  Methoden;  die  zahlreichen  Miss- 
erfolge  anderer  fuhrt  er  auf  Fehler  in  der  Anwendungsweise  zurück. 
Verfasser  hält  einen  Strommesser  für  durchaus  nothwendig;  als  positive 
Elektrode  empfiehlt  er  einen  grossen  feuchten  Schwamm.  Unt«r  üai  200 
Fällen  von  Urethralstricturen,  die  mit  Elektrolyse  behandelt  wurden,  hatte 
Greene  nur  einen  Misserfolg.  Von  2  mitgetheilten  Krankengeschichten 
bezieht  sich  die  eine  auf  einen  Patienten,  der  von  einer  gonorrhoischen 
Strictur  und  Urethralfistel  mittelst  des  elektrolyiischen  Verfahrens  geheilt 


300  Bericht  über  die  Leistungfii  auf  dem  Gebiete 

wurde ;  im  zweiten  Falle  handelt  es  sich  um  eine  Strictur,  die  blutig  operirt 
wurde,  sich  jedoch  bald  wieder  einstellte  und  erst  durch  elektrolytische 
Behandlung  zur  völligen  Heilung  gebracht  wurde.  Schiffer. 

(78)  Die  elektrolytische  Behandlung  der  Hamröhrenstrictuien  hält 
W  a  1 1  a  c  e  für  vortheilhaft,  weil  durch  sie  eingreifende  Operationen  ▼ermieden 
werden,  weil  die  Patienten  ihrer  Beschäftigung  nachgehen  können,  ferner 
wegen  der  Schmerzlosigkeit  des  Verfahrens,  wegen  des  Ausbleibens  von 
Fieber  und  schliesslich,  weil  der  Ansfluss  aus  der  Harnröhre  grfuutig  be- 
einilusst  wird.  —  Wallace  warnt  davor,  die  Curen  beschleunigen  zu 
wollen  und  einerseits  zu  grosse  Stromstärken  zu  verwenden,  andererseits 
die  Sitzungen  zu  oft  zu  wiederholen.  Die  besten  Resultate  glaubt  er  erzielt 
zu  haben,  wenn  er  die  elektrolytische  Behandlung  in  Zwischenräumen  von 
10 — 14  Tagen  vornahm.  Schaff  er. 

(79)  P  h  0 1  b  8  fuhrt  5  Fälle  von  Hamröhrenstrictur  nach  Gononhoe 
an,  welche  er  nach  Newman^s  Methode  mit  Elektrolyse  behandelte.  Bei 
einem  der  Patienten  handelte  es  sich  um  ein  Rectdiv,  welches  nach  einer 
brüsken  Dilatation  aufgetreten  war.  Im  allen  Fällen  w^urde  in  kurzer  Zeit 
dauernde  Heilung  erzielt.  Seh  äff  er. 

(80)  Einen  sicheren  Fall  von  sogenannter  spastischer  Hamröhren- 
strictur hat  G  a  n  n  a  d  y  nie  gesehen ;  die  organischen  Verengerungen 
der  Urethra  hält  er  für  viel  häufiger  als  allgemein  angenommen  wird. 
Die  Behandlung  derselben  mit  Bougies  oder  Stahldilatatoren  erscheint  ihm 
unzweckmässig,  vielmehr  wendet  er.  seit  mehreren  Jahren  nur  die  Elektro- 
lyse an.  Er  verfährt  im  Allgemeinen  nach  den  Vorschriften  Newman's; 
beim  Zurückziehen  des  Bougies  benutzt  er  den  faradischen  Strom. 

Scfa  äffer. 

(81 )  K  e  w  m  a  n  fügt  zu  den  bereits  verött'entlichten  200  Fällen  noch  100 
neue  hinzu,  welche  wiederum  bestätigen,  dass  die  elektroijrtische  Behandlang 
der  Hamröhrenstricturen  fast  stets  von  Erfolg  begleitet  ist.  Mitserfblge 
könnten  nur  bedingt  sein  durch  unvorhergesehene  Gomplicationen,  durch 
schlechte  Instrumente,  durch  die  Nachlässigkeit  des  Operateurs  oder  in 
Folge  von  Fehldiagnosen.  Als  besonders  zu  beobachtende  Vorschriften 
werden  angeführt:  stets  nur  den  constanten  galvanischen  Strom  in  einer 
Stärke  von  8 — 5  Milliamperes  anzuwenden,  den  negativen  Pol  auf  die 
verengte  Stelle  zu  appliciren,  die  Sitzung  nicht  iSnger  als  6 — 10  Minuten 
auszudehnen,  höchstens  einmal  in  der  Woche  zu  operiren  und  nur  dann, 
wenn  die  Schleimhaut  sich  nicht  im  Zustande  der  Entzündung  befindet. 
Nach  Newman's  Ansicht  ist  die  richtig  angewandte  Elektrolyse  jeder 
anderen  Behandlung  der  Urethralstrictnren  durchaus  überlegen. 

Die  Resultate,  welche  in  den  100  angefoihrten  Fällen  erzielt  wurden,  sind 
in  der  That  sehr  gute.  Es  werden  in  der  Statistik  u.  A.  angegeben :  Sitz  und 
Weite  der  Strictur,  Behandlungsdauer,  das  Oaliber  detf  Instrumentes, 
welches  nach  der  Behandlung  die  Strictur  passirte  und  die  Beobaohtongs- 
daner.  Unter  den  100  Fällen  finden  sich  nur  2  Mitserfolge,  welche  durch 
die  besonders  ungünstigen  Verhältnisse  erklärt  werden.  Dagegen  sind 
unter  den  erfolgreich  behandelten  Fällen  mehrere,   bei  denen  nach  Fehl- 


der  Syphilis.  301 

schlagen   aller   anderen   Mittel   die   Boutonniere  bereits    in  Aussicht   ge- 
nommen war. 

Im  Allgemeinen  betrug  die  Zahl  der  einzelnen  Sitzungen  5  bis  6 
im  einzelnen  Fall,  die  durchschnittliche  Behandlungsdauer  war  etwa  2 
bis  3  Monate;  Recidive  wurden  nicht  constatirt,  obwohl  die  Patienten 
im  Durchschnitt  2'/«  Jahr  lang  beobachtet  wurden. 

In  der  sich  anschliessenden  Discussion  wird  hervorgehoben,  dass 
auch  für  traumatische  Hamröhrenstricturen  die  elektrolytische  Behandlung 
geeignet  sei.  Es  wird  femer  über  einen  Fall  von  Oesophagusstrictur  be- 
richtet, welcher  vermittelst  Elektrolyse  geheilt  wurde.  Seh  äffe r. 

(82)  Die  Behandlungsmethode  der  Oesophagus-,  Nasengang-,  Rectum- 
stricturen  mittelst  Elektrolyse  wird  kurz  geschildert.  Man  applicire  stets 
den  negativen  Pol  des  constanten  Stroms  auf  die  Stricturstelle,  wende 
nicht  zu  starke  Ströme  an  (im  Oesophagus  und  im  Rectum  bis  25  Milliam- 
peres, in  der  Harnröhre  bis  10  Milliamperes);  immer  soll  man  langsam 
vorgehen  und  grössere  Gewalt  vermeiden,  insbesondere  wenn  es  sich  um 
ausgedehntere  Stricturen  handelt,  wobei  es  sich  empfiehlt,  die  Behandlung 
auf  mehrere  Sitzungen  zu  vertheilen.  —  Für  die  Dehnung  der  Hamröhren- 
stricturen empfiehlt  Verfasser  Elektroden  mit  kugligem  Ansatz,  welche 
er  denjenigen  mit  scharfer  Schneide  bei  weitem  vorzieht. 

Seh  äff  er. 


Verhandlungen  der  Berliner  dermatologischen 

Vereinigung. 


Sitzung  vom  5.  December  1893. 

Vorsitzender:  Lew  in.    Schriftführer:  Rosenthal. 

L  a  8  s  a  r.    Krankenvorstellnng. 

Haslund  hat  vor  einiger  Zeit  in  den  Annales  de  Dermatologie  auf 
eine  eigenthümliche  Form  der  Alopecia  aufmerksam  gemacht,  welche  herd- 
weise auftritt  und  sich  mit  einem  Leucoderma  specificum  vergesellschaftet. 
L.  hat  wiederholt  dieselbe  Beobachtung  gemacht  und  besonders  in  letzter 
Zeit  zwei  Fälle  gesehen,  bei  denen  diese  Erscheinung  der  fleck  artigen 
Alopecie  mit  Leucoderma  vereint  war.  (L.  demonstrirt  die  betreff. 
Photographien.)  Der  Pat.,  den  er  jetzt  vorstellt,  zeigt  genau  dieselbe  Form 
der  von  Haslund  beschriebenen  Alopecie,  ohne  sonst  irgend  eine  Spur 
von  Syphilis  zu  haben.  Es  ist  dies  auch  ein  Beweis  dafür,  dass  umge- 
kehrte Schlüsse  oft  unzureichend  sind. 

Femer  stellt  Lassar  einen  Mann  vor,  der  seit  längerer  Zeit  au 
einem  pustulösen  Hautausschlag  mit  reichlicher  Narbenbildung  leidet.  Die 
Affection  begann  an  den  Unterextr  emitäten  und  erstreckte  sich  von  da 
aus  auf  die  oberen.  Jetzt  bestehen  neben  zahlreichen  Narben  frische 
Eruptionen  in  Form  von  kleinen  Knötchen.  Der  Ausschlag  hat  mit  einem 
specifischen  Exanthem  grosse  Aehnlichkeit  und  ist  auch  mehrfach  dafür 
gehalten  worden.  Lassar  betrachtet  den  Fall  als  eine  Art  von  Acne 
pustulosa. 

L  i  1  i  e  n  t  h  a  1  stellt  einen  Pat.  vor,  der  vor  kurzer  Zeit  einen  Tripper 
hatte,  den  er  mit  Copaivbalsam  beseitig^.  Bald  zeigte  sich  erneuter  Au«- 
ÜuBs,  in  dem  sich  bei  der  Untersuchung  keine  Gonococcen  fanden.  Zu- 
gleich trat  eine  Schwellung  des  Präputiums  und  der  Inguinaldrüsen  auf. 
Seit  14  Tagen  besteht  ein  syphilitisches  Exanthem  und  Plaques  auf  den 
Tonsillen.  Bei  genauerer  Untersuchung  zeigte  es  sich,  dass  der  Pat  eine 
Sklerose  der  Harnröhre  hat. 

Lewin  macht  darauf  aufmerksam,  dass  bei  Sklerosen  in  der  Urethra 
«gewöhnlich  keine  starke  Härte,  sondern  nur  eine  mittelweiche  Schwellung 
vorhanden  ist. 

Saalfeld  stellt  einen  43jährigen  Pat.  vor,  der  im  Mai  d.  J.  an 
Gelbsucht  und  Hautjucken  erkrankte  und  längere  Zeit  im  Moabiter  Kran- 
kenhaus behandelt  worden  war.  Als  S.  ihn  zum  ersten  Male  sah,  bestand 


J 


der  Berliner  dermatologischen  Vereinigung.  303 

neben  beträchtlicher  Magerkeit  ein  hochgradiger  Icterus;  in  der  Gegend 
der  Gallenblase  befanden  sich  mehrere  Tumoren,  von  denen  einer  als  der 
Gallenblase  angehörig  betrachtet  werden  konnte.  Andere  von  Erbseu- 
bis  WallnnssgrÖBse  sassen  in  der  Haut;  der  linke  Leberlappen  war  sehr 
resistent.  Hansemann,  dereinen  exstirpirten  Tumor  untersuchte,  stellte 
die  Diagnose  auf  Carcinom.  Der  primär  erkrankte  Theil  ist  wahr- 
scheinlich die  Vesica  fellea.  Jucken  bestand  während  der  ganzen  Zeit, 
war  aber  in  der  letzten  Zeit  am  intensivsten. 

Rosenthal:  Beitrag  zur  Behandlung  der  Unterscheu- 
kelge  schwüre. 

B.  beabsichtigt  nicht,  über  die  Behandlung  der  Unterschenkel- 
geschwüre  eingehend  zu  sprechen,  sondern  nur  auf  ein  Unterstützungs- 
mittel zur  Behandlung  dieser  Affection  näher  einzugehen.  Die  Majorität 
der  Unterschenkelgeschwüre  beruht  auf  varicöser  Basis.  Es  kommt  dadurch 
zu  Staunngsödemen  und  zu  Sklerosirungen  der  Ränder.  Diese  Zustände 
tragen  neben  den  anderen  bekannten  Ursachen  dazu  bei,  die  Behandlung 
der  Unters chenkelgeschwüre  so  schwierig  zu  gestalten.  Von  jeher  ist 
deshalb  auf  die  Beseitigung  dieser  Complicationen  hauptsächlich  geachtet 
worden.  R.  erinnert  an  die  Theden'schen  Einwicklungen,  die  Heft- 
pflasterverbände, die  Martin'schen  Gummibinden  etc.  Der  von  Unna 
i.  J.  1882  zu  demselben  Zwecke  eingeführte  Zinkleim  verband  hat  alle 
früheren  Methoden  aus  dem  Felde  geschlagen.  Derselbe  hat  nach  R.  den 
Nachtheil,  dass  das  Secret  durch  denselben  verhalten  wird,  daas  in  Folge 
dessen  die  ekzematösen  Randpartien  gereizt  werden,  dass  der  Verband 
schnell  durchtränkt  wird  und  dass  man  denselben  deshalb  oft  wechseln 
muss,  was  grosse  Ansprüche  an  die  Zeit  des  Arztes  und  an  die  Tasche 
des  Patienten  stellt.  R.  hat  zur  Vermeidung  dieser  üebelstände  seit 
Jahren  in  seiner  Klinik  gefensterte  Zinkleimverbände  eingeführt.  Wenn- 
gleich diese  Methode  schon  hier  und]  da  in  der  Literatur  Erwähnung 
gefunden  hat,  so  hat  dieselbe  jedoch  so  wenig  Eingang  ffefunden,  dass 
es  sich  lohnt  des  ^'äheren  darauf  einzugehen.  Für  diese  Art  der  Verbände 
eignen  sich  natürlich  nur  Unterschenkelgeschwüre  von  nicht  zu  grosser 
Ausdehnung;  circuläre  Geschwüre  können  damit  nicht  behandelt  werden, 
weil  bei  grösserem  Umfang  der  Ulcera  der  Hauptzweck,  den  Unterschenkel 
gleichmässig  zu  comprimiren,  illusorisch  gemacht  wird.  Das  Geschwür 
darf  kaum  über  handflächengross  sein.  Auch  sind  Ulcera  mit  stark 
ekzematöser  Umgebung  für  diese  Behandlung  noch  nicht  geeignet,  sondern 
muss  zuerst  das  Ekzem  in  geeigneter  Weise  durch  Puder,  Umschläge 
von  essigsaurer  Thonerde  u,  s.  w.  beseitigt  werden.  Um  den  Verband 
anzulegen,  wird  zuvörderst  das  Geschwür  mit  irgend  einem  hohlen  Gegen- 
stande bedeckt.  K.  nimmt  dazu  mit  Vorliebe  Uhrgläser  von  entsprechender 
Grösse,  die  die  Pat.  selbst  oder  ein  Assistent  fixirt.  Dann  wird  der  ganze 
Unterschenkel  mit  Zinkleim  bestrichen  und  mit  einer  ungestärkten 
Gazebinde,  worauf  R.  Gewicht  legt,  eingewickelt.  Einer  zweiten  Lage 
Zinkleim  folgt  dann  eine  zweite  Gazebinde,  die  wieder  in  derselben 
Weise  bestrichen  wird.    In  der  Umgebung  des  Geschwüres   bleibt  nach 


304  VerhäDdluD^en 

Entfernung  des  Uhrglases  noch  eine  kleine  imbedeckte  Partie  öbrig 
Dieselbe  wird  mit  in  Zinkleim  eingetauchten  Wattastreifen  belegt,  so  daas 
nur  noch  das  Geschwür  frei  bleibt  und  auf  diese  Weise  auf  das  genaueite 
isolirt  ist.  Um  zu  verhüten,  dass  das  über  den  Rand  des  Verbandes  her- 
überlaufende Beeret  denselben  beschmutzt  und  dnrchnisst,  wird  dieser 
Theil  mit  Photoxylin  bepinselt  Das  Geschwür  kann  nun  mit  Pulver,  feaefa- 
ten  Umschlägen  und  Salben,  je  nach  Bedarf,  behandelt  werden.  B.  stellt 
S  jetzt  in  Behandlung  befindliche  Pat.  vor,  bei  denen  die  Geschwüre  too 
verschiedener  Ausdehnung  sind  und  die  Heilung  bereits  verschieden  weit 
vorgeschritten  ist. 

Karewski  hat  die  Zinkleimverbände  seit  der  Publication  Unna's 
in  Anwendung  gezogen  und  glaubt,  dass  es  nicht  möglich  ist,  grosse  Ge- 
schwüre damit  zur  Heilung  zu  bringen.  Der  Werth  dieses  Verbandes 
scheint  ihm  erst  dann  hervorzutreten,  wenn  das  Geschwür  bereits  geheih 
ist.  Der  eine  Fall  Rosen thal's  ist  in  der  Heilung  w^eit  vorgeschritten 
und  dürfte  durch  den  Zinkleimverband  geheilt  werden.  Bei  dem  zweiten 
Fall  erlaubt  sich  K.  einige  Bedenken  zu  äussern.  Dieser  Verband  stellt 
nur  eine  gleichmftssige  Compression  her,  er  ist  eine  verbesserte  Gommi- 
binde.  Die  Behandlung  des  Geschwürs  erfordert  immer  antiseptische  oder 
besser  aseptische  Mittel.  Ob  es  möglich  ist,  bei  einem  Verbände,  der  H 
bis  8  Wochen  liegt,  in  gleicher  Weise  vorzugehen,  bezweifelt  K.  Er  bat 
deshalb  in  allen  Fällen  die  Pat.  taglich  zu  sich  kommen  lassen  and 
sie  täglich  selbst  aseptisch  verbunden.  Es  ist  das  eine  kolossale  Arbeit, 
aber  doch  die  einzige  Methode,  um  an's  Ziel  zu  kommen.  Ist  das  Geschwür 
geheilt,  dann  soll  mau  einen  Zinkleimverband  anlegen  und  ihn  2 — ^3  Mo- 
nate liegen  lassen,  um  Reeidive  zu  verhüten.  Man  kann  aber  solche  Pat. 
auch  in  kurzer  Zeit  gesund  machen,  indem  man  sie  etwa  3  Wochen  lang 
stationär  behandelt.  Die  Behandlung  besteht  in  der  Exstirpation  der 
Varicen  und  der  sich  daran  anschliessenden  Transplantation  von  nor- 
maler Haut.  K.  hat  öfter  in  einer  einzigen  Sitzung  diese  beiden  Opera- 
tionsacte  ausgeführt.  Die  Exstirpation  der  Varicen  stellt  keine  grösseren 
Anforderungen  an  die  Technik,  hat  keine  Gefahren  für  die  Patienten  und 
fesselt  diese  eben  auch  nicht  lange  an  das  Bett.  Man  kann  event.  znr 
Verhütung  von  Reeidiven  noch  die  V.  saphena  magna  unterbinden.  Dieser 
Eingriff  ist  so  gering,  dass  man  denselben  auch  ambulant  ausfahren 
könnte,  was  K.  freilich  bisher  nicht  gethan  hat.  K.  möchte  wissen,  ob  es 
Rosenthal  wirklich  gelungen  ist,  Geschwüre  von  Handtellergrösse  unter 
dem  Zinkleimverband   zur  Heilung  zu    bringen. 

Rosenthal  erwidert,  dass  er  bereits  in  den  einleitenden  Worten 
hervorgehoben  hat,  dass  die  gefensterten  Zinkleim  verbände  nur  ein 
Unters  tut  zunj^s-  und  Hilfsmittel  abgeben,  und  nicht  die  eigentliche  Be- 
handlung bilden.  Ausserdem  darf  natürlich  ein  Zinkleimverband  nicht 
6 — 8  Wochen  lieg-en,  sondern  inusa  in  der  ersten  Zeit  schon  nach  6 — 8 
Ta<ren  erneuert  werden;  erst  später  darf  derselbe  einige  Wochen  liegen 
bleiben.  Die  Frajre,  ob  es  R.  gelungen  sei,  handtellei^grosse  Geschwüre 
unter  dem  Zinkleimverband   zu  heilen,    kann  R.  nur  bejahen,   da  er  mit 


der  Berliner  dermatologischen  Vereinigung.  305 

oder  ohne  Hilfe  des  Zinkleimverbandes  derartige  Geschwüre  znr  Heilung 
gebracht  hat.  Was  die  Behauptung  betrifft,  dass  man  die  Geschwüre  nur 
unter  antiseptischen  oder  aseptischen  Mitteln  heilen  kann,  so  kann  nach 
B.'s  Ueberzeugung  hievon  keine  Bede  sein,  da  alle  derartig  wirkende 
Mittel  starke  Schmerzen  hervorrufen  und  ev.  geeignet  sind,  den  Zustand 
der  Pat.  zu  verschlimmem.  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  hat  R. 
keine  Erfahrungen. 

Heller  demonstrirt  einen  Tumor,  der  vom  linken  Hoden  eines 
34jährigen  Mannes  stammt.  Der  Vater  des  Pat.  hatte  sich  ausserhalb  der 
Ehe  syphilitisch  inficirt  und  seine  Frau  angesteckt  Er  selbst  hat  in  seiner 
Jugend  an  einem  hartnäckigen  Ausschlag  gelitten,  war  aber  sonst  stets 
gesund.  Seit  8  Jahren  ist  er  verheirathet ;  das  erste  Kind  starb,  das  zweite 
ist  gesund,  dann  folgten  mehrere  Aborte.  Vor  1'/,  Jahren  begann  der 
linke  Testis  anzuschwellen,  ein  Jahr  später  erlitt  der  Pat.  ein  Trauma, 
und  fand  H.,  als  er  gerufen  wurde,  eine  Geschwulst  von  Zweifaustgrösse. 
Bei  der  von  einem  GoUegen  beabsichtigten  Radicaloperation  erwies  sich 
der  Testis  als  vollkommen  gesund;  nur  der  Nebenhoden,  der  aus  einer 
mächtigen  bindegewebigen  Masse  bestand,  welche  den  Hoden  umgab,  war 
erkrankt.  Es  wurde  infolgedessen  zuerst  eine  Inunctionscur  eingeleitet, 
die  aber  ohne  Resultat  blieb.  Da  eine  Eiterung  hinzutrat,  musste  zur 
Castration  geschritten  werden.  Bemerkenswerth  erscheint  noch,  dass  gleich- 
zeitig mit  der  Entwicklung  des  Tumors  sich  eine  Paranoia  ausbildete, 
deren  Hanptidee  sich  auf  die  geschlechtliche  Sphäre  bezog.  Trotzdem  der 
Mann  an  seine  Frau  ausserordentlich  hohe  geschlechtliche  Anforderungen 
stellte,  beschuldigte  er  sie,  die  Ehe  gebrochen  zu  haben.  Er  betrachtete 
Beine  eigene  Krankheit  als  die  Folge  der  Unzucht,  die  seine  Frau  mit 
seinem  Bruder  getrieben  hätte.  Als  der  Hodentumor  seine  grösste  Aus- 
dehnung erreicht  hatte,  Hessen  die  Wahnideen  etwas  nach.  Der  Tumor 
selbst  ging  vom  Corpus  Highmori  aus  und  bestand  aus  einer  starken 
Wucherung  sehr  harter  bindegewebiger  Massen,  bei  deren  Durchschnitt 
eine  Anzahl  Cysten  sichtbar  wurde.  Dieselben  enthielten  Cholestearin  und 
Detritusmassen.    Es  handelte  sich  um  ein  alveoläres  Sarcom. 

Lassar  beobachtete  während  seiner  Assistentenzeit  in  der  psychia- 
trischen Klinik  zu  Breslau  einen  ähnlichen  Fall  von  Paranoia,  ohne  dass 
eine  Hodenaffection  vorlag. 

Ledermann  stellt  einen  Fall  von  ausgebreitetem  Eczema 
marginatum  vor,  der  mit  starkem  Juckreiz  verbunden  war  und  jetzt 
in  Heilung  begriffen  ist. 

Peter  hat  in  letzter  Zeit  eine  grossere  Anzahl  solcher  Fälle,  die 
er  für  Pityriasis  rosea  hält,  gesehen  und  bei  der  Untersuchung  der 
Schuppen  regelmässig  Pilze  gefunden.  Hauptsächlich  an  den  Rändern  der 
einzelnen  Epithelzellen  war  grosse  Mengen  kleinster  Sporen  in  allen  seinen 
Fällen  sichtbar. 

Lewin  stellt  einen  Fall  von  Vitiligo  oder  Albinismus  partialis  vor. 
Li  letzter  Zeit  ist  eine  Arbeit  erschienen,  die  nachweist,  d^s  das  Zoraath 
der  Bibel  Vitiligo  und  nicht  Lepra  gewesen  ist,  eine  Meinung,  die  sich 

ArchiT  f.  Demutol.  u.  Sjphil.  Band  XX VIT.  20 


306  Verhandlangeu 

z.  Tb.  mit  den  Ansichten  von  Celans  deckt.  Wenn  behauptet  wird,  dass 
derartige  Kranke  weniger  intelligent  sind,  so  kann  L.  das  nicht  zugeben. 
Sachs,  der  selbst  mit  Vitiligo  behaftet  war  and  das  beste  Buch  über 
Albinismus  geschrieben  hat,  macht  zuerst  darauf  aufmerksam,  dass  das 
von  der  Affection  befallene  Haar  eisenfrei  ist  Diese  Beobachtung  ist  später 
bestätigt  worden.  Für  die  Heredität  sind  bisher  wenig  Beispiele  vor- 
handen. Es  sind  sogar  an  Kaninchen  Versuche  gemacht  worden,  um  diese 
Behauptung  zu  widerlegen.  Eigenthümlich  ist  auch,  dass  diese  Flecke 
sich  yergrössem,  aber  sich  nie  verkleinern.  Der  Behauptung,  dass  solcLe 
Personen  nervös  sind,  liegt  nach  L.  eine  gewisse  Berechtigung  zu  Grande. 
Die  vorgestellte  Pat.  stammt  von  gesunden  Eltern  und  kam  wegen  Fluor 
vaginalis  in  die  Charite. 

Saal  fei  d  hat  ein  junges  Mädchen  beobachtet,  das  die  gleiche 
Affection  nach  einer  äusserst  starken  Gemuthsaffection  acquirirte,  die 
von  der  grössten  Wichtigkeit  für  ihr  ganzes  Leben  war.  S.  hat  dieser 
Angabe  ein  gewisses  Vertrauen  entgegengebracht. 

Mankiewicz  weist  bez.  der  Heredität  auf  eine  ihm  bekannte 
Familie  hin.  Die  Mutter  ist  blond,  der  Vater  ein  Mann  mit  ziemlich 
dunklen  Haaren.  An  Haut  und  Augen  ist  nichts  zu  merken.  Drei  Kinder 
sind  Albinisten. 

Lilienthal  kennt  eine  Familie,  in  der  der  Vater  einen  typischen 
Fall  von  Albinismus  darstellt,  während  ein  Kind  tiefschwarz  ist,  so 
dass  man  eher  geneigt  sein  könnte,  es  für  einen  Neger  zu  halten. 

Lewin  kann  für  die  Heredität  4 — 5  Beispiele  anfahren. 

Femer  stellt  Lewin  eine  Pat.  vor,  die  an  spastischer  Spinalpara- 
lyse leidet.  Es  zeigte  sich  ein  gesteigerter  Patellarr^ez,  eine  beginnende 
Parese  der  Füsse  mit  Spitzengang  und  ein  stark  ausgesprochener  Fuss- 
clonus.  Die  Kranke  kam  mit  Rupia  auf  die  Abtheilung.  Auf  der  hinteren 
Pharynzwand  war  ein  Geschwür  vorhanden.  Nach  sechs  Injectioneu  von 
Hydrarg.  oxycyanat.  musste  wegen  zunehmender  Schwäche  der  Pat. 
mit  der  Behandlung  aufgehört  werden.  Nachher  wurde  durch  Jodkali 
eine  bedeutende  Besserung  erzielt.  Erb,  der  L  J.  1875  zuerst  diesen 
Symptomencomplex  zusammengestellt  hat,  hat  später  eine  Unterart  dieser 
Affection  beschrieben,  die  transversale  Myelitis,  bei  der  es  sich  um  eine 
Erkrankung  der  Seitenstränge,  vorzüglich  der  Pyramidenbahn  handelt, 
und  als  Aetiologie  Syphilis  angegeben.  Der  Fall  ist  insofern  interessant, 
als  er  durch  die  Therapie  geheilt  wurde,  was  L.  in  anderen,  ähnlichen 
Fällen  nicht  gelungen  ist.  So  hat  er  vor  einigen  Tagen  einen  anderen 
Fall,  den  er  im  vorigen  Jahre  behandelt  hat,  wiedergesehen.  Derselbe  hat 
mehrfach  Schmier-  und  Schwitze  aren  ohne  Erfolg  durchgemacht.  Ebenso- 
wenig kann  L.  die  Erfolge  des  Quecksilbers  bei  Tabes  bestätigen. 

Rosenthal  erinnert  an  den  Fall,  den  er  zu  Anfang  d.  J.  vorge- 
stellt hat,  bei  dem  es  sich  um  eine  Affection  der  Seiten-  und  Hinterstrange, 
also  um  eine  spastische  Spinalparalyse  zugleich  mit  tabischen  Erschei- 
nungen handelte.  Während  der  Gang  zuerst  schleudernd  war,  bildete  sich 
später  der  bekannte  Spitzengang  aus.    Zu  gleicher  Zeit  war  erhöhter  Pa- 


der  Berliner  dermaiologischen  Vereinigong.  307 

tellarreflex,  Fussklonus  und  eine  Lähmung  der  Sphinkteren  vorhanden.  Die 
Fat.  wurde  durch  die  Medication  zwar  nicht  geheilt,  fühlte  sich  aber  so 
viel  besser,  dass  sie  Europa  verliess,  um  sich  eine  neue  Existenz  in  Ame- 
rika zu  verschaffen. 

Saalfeld  fragt,  ob  irgendwelche  Erscheinungen  von  Seiten  der 
Sprache  vorhanden  waren,  resp.  ob  die  Fat.  einen  Nystagmus  der  Kehl- 
kopfrnuBculatur  gehabt  hat. 

Lewin  hat  nichts  Abnormes  gefunden. 

Femer  stellt  Lewin  einen  Fat  vor,  der  an  einem  syphilitischen 
Exanthem  leidet,  das  einen  ausgesprochenen  liohenartigen  Charakter  hat. 
Dasselbe  besteht  aus  kleinen,  scheinbaren  Acneknötchen,  die  lichenartigen 
Charakter  haben;  die  Farbe  ist  eine  eigenthümlich  rothe,  wie  sie  syphi- 
litischen Ausschlagen  nicht  eigenthümlich  ist;  auch  der  Sitz  ist  ein  eigen- 
thümlicher,  so  dass  leicht  ein  Zweifel  entstehen  kann,  ob  ein  syphilitisches 
Exanthem  vorliegt  oder  nicht. 

Lassar  hält  den  Fall  deshalb  für  werthvoU,  weil  Lewin  zum 
ersten  Male  ausgesprochen  hat,  dass  es  eine  Form  kleinpapnlöser  Syphi- 
lide gibt,  welche  eine  weitgehende  Aehnlichkeit  mit  Liehen  ruber  besitzen, 
eine  Beobachtung,  die  L.  bereits  seit  längerer  Zeit  gemacht  hat. 

I  s  a  a  c  hat  früher  einen  Fall  vorgestellt, '  bei  dem  die  Diagnose 
zwischen  Liehen  ruber  und  Liehen  syphiliticus  schwankte.  Der  vorgestellte 
Fall  scheint  ein  Liehen  syphiliticus  zu  sein,  wofür  auch  die  Anordnung 
in  Gruppen  spricht. 

Lewin.  Der  vorgestellte  Fall  zeigt  noch  ausserdem  Clavi  syphilitici. 
L.  möchte  aber  vor  Allem  darauf  aufrnerksam  machen,  dass  der  specifische 
Liehen  nie  juckt,  während  beim  gewöhnlichen  Liehen  ein  intensiver 
Juckreiz  besteht. 

Lewin:  lieber  Leucoderma.  0.  Simon  gebührt  das  Haupt- 
verdienst, die  Aufmerksamkeit  auf  diese  Affection  gelenkt  zu  haben ;  nach 
ihm  haben  besonders  Neisser  und  Lesser  darüber  geschrieben.  L.  hat 
daraufhin  8000  Kranke  untersucht,  die  er  in  vier  Kategorien  theilt:  1. 
Solche,  die  nicht  syphilitisch  waren,  2.  Solche,  die  zum  ersten  Male 
syphilitische  Erscheinungen  haben,  3.  Kranke  mit  recidivirender  Syphilis, 
4.  Kranke,  die  früher  syphilitiscü  waren,  aber  jetzt  keine  Zeichen  von 
Syphilis  zeigten.  —  Was  die  Behauptung  Neisser's  anbetrifft,  dass  das 
Leucoderma  ein  sicheres  Zeichen  von  Syphilis  sei,  so  hat  L.  folgende 
Besultate :  Von  4800  Kranken,  die  keine  Zeichen  von  Syphilis  hatten  und 
auch  früher  nie  syphilitisch  waren,  hatten  227,  also  47«,  Lencoderma, 
u.  zw.  war  dasselbe  stark  ausgeprägt  in  l'AVt»  schwächer  in  lV4Vt  <uid 
nur  in  Spuren  in  1%.  L.  kann  also  die  Behauptung  Neisser's  nicht  för 
richtig  anerkennen.  Uebrigens  sprechen  sich  auch  Lesser,  Riehl, 
Fournier  und  Kaposi  ähnlich  aus.  Von  2190  KranknUy  die  den  ersten 
Ausbruch  der  Syphilis  zeigen,  hatten  778,  d.  i.  SOVt  Leucoderma,  1362 
d.  i.  637«)  ^^^  Leucoderma.  Die  Abwesenheit  desselben  spricht  also  nicht 
gegen  Lues,  und  man  darf  deshalb  nicht,  wie  Neisser,  von  einem 
positiven  und  negativen  Werthe  dieser  Affection  sprechen.  —   Von  2600 

20* 


308  Verhandlaogen 

Kranken  mit  recidivirender  Syphilifi  hatten  65*/,  Leacoderma,  also  ein 
grösserer  Procentsats  als  bei  frischer  Syphilis,  u.  zw.  hatten  dieselben 
verschiedene  Guren  durchgemacht,  34*8%  kein  Lenooderma.  Ton  Kranken. 
die  früher  syphilitisch  waren  und  bei  denen  die  Untersuchung  keine 
Symptome  von  Syphilis  mehr  darbot,  hatten  597«  Leueoderma.  Diese 
Kategorie  lässt  am  dentlichsten  die  schwerwiegenden  Folgen  der  über- 
triebenen Werthschätsung  des  Leacoderma  erkennen,  denn  alle  die«e 
Kranken  müssten  einer  erneuten  Cur  unterworfen  werden.  —  Ne isser 
gibt  femer  an,  dass  er  das  Leueoderma  vorzugsweise  bei  Brünetten  ge- 
funden habe.  L.  hat  kein  absolut  sicheres  Resultat  feststellen  können 
aber  ihm  schienen  im  Gegentheil  die  Blondhaarigen  häufiger  Leueoderma 
zu  haben,  etwa  im  Verhältnis  von  67'5 :  40.  Auch  bei  Frauen,  die  schwanger 
waren  oder  sind,  konnte  ein  stärkeres  Auftreten  von  Leacoderma  nicht 
constatirt  werden.  Neisser  behauptet  femer,  dass  die  Affection  sieb  im 
4.  bis  6.  Monat  nach  der  Infection  entwickelt.  Auch  diesem  Aussprach 
kann  L.  nicht  beistimmen,  da  er  schon  Leueoderma  bei  Kranken  mit 
primärem  Ulcus  fand.  Dass  das  Leueoderma  ein  paar  Jahre  anhält  nnd 
später  nicht  mehr  zu  finden  ist,  ist  im  Allgemeinen  richtig.  L.  hat  das- 
selbe aber  bei  6  Personen  mit  Hautgummata,  bei  2  Personen  mit  Peri- 
ostitis und  bei  einer  mit  lobulärer  Pneumonie  gesehen. 

lieber  die  histologische  Entwicklung  sind  die  Ansichten  der  Autoren 
ebenfaUs  getheilt.  Neisser  behauptet,  dass  es  sich  aus  einer  voransre- 
gangenen  Roseola  entwickelt;  auch  dem  kann  L.  nicht  beipflichten,  denn 
er  hat  Fälle  gesehen,  wo  keine  Roseola,  wohl  aber  schon  Leueoderma 
bestand.  Femer  befallt  die  Roseola  nicht  häufig  Hals  und  Nacken,  und  es 
tritt  da  Leueoderma  bei  Recidiven  häufiger  auf,-  wo  eine  Roseola  sich 
nur  ausnahmsweise  zeigt.  Darin  kann  aber  L.  Neisser  beistimmen,  dass 
in  einzelnen  Fällen  von  papulösen  Exanthemen  am  Halse  sich  ans  den- 
selben das  Leueoderma  entwickeln  kann.  Von  merkwürdigem  Einflu^s  ii^t 
die  Therapie:  Etwa  in  6— lO'/o  nimmt  das  Leueoderma  ab,  in  30— 70',, 
bleibt  es  bestehen,  und  in  20Vo  nimmt  es  zu. 

Was  die  Pathogenese  anbetrifft,  so  stammt  nach  L.  das  Pigment 
aus  dem  Blute  und  wird  durch  Ghromatophoren  auf  die  Haut  geführt. 
Diese  unterstehen  dem  motorischen  Nervensystem.  Werden  nun  die  be- 
treffenden Centren  afQcirt  und  ein  Theil  der  Ghromatophoren  dadurch 
gelähmt,  so  ist  eine  Pigmentverarmung  der  Haut,  d.  h.  Leueoderma,  die 
Folge.  Es  handelt  sich  hier  also  um  eine  functionelle  Störung.  Die  Mo- 
mente, die  auf  das  Nervensystem  wirken,  können  verschiedenster  Natur 
sein,  vor  Allem  aber  psychische  Einflüsse.  Auch  vom  (Gehirn  aus  kann 
das  vasomotorische  Gentrum,  das  zugleich  das  Centrum  der  Pigmentirung 
ist,  erregt  werden.  Auch  bei  Affectionen  des  Rückenmarks  und  der  peri- 
pherischen Nerven  sind  Pig^entanomalien  mitgetheilt  worden.  L.  glaubt 
also,  dass  das  Leueoderma  auf  einer  Lähmung  der  Ghromatophoren  beruht. 

O.  Rosenthal. 


Verhandlungen  der  Wiener  dermatologisclien 

Gesellscliaft. 


Sitzung  vom  10.  Jänner  1894. 
Vorsitzender:  Lang.  Schriftführer:  Nobl. 

Kaposi:  Ich  will  Ihnen  einen  Fall  von  Liehen  ruber  acumi- 
natns  vorstellen,  einen  Fall,  der  durch  gewisse  Details  für  Sie  aUe  sehr 
interessant  sein  wird.  Ohne  mich  hier  auf  den  Streit  einzulassen,  ob  man 
nicht  auch  die  Diagnose  Pityriasis  rubra  pilaris,  wie  sie  von  den 
Franzosen  aufgestellt  wurde,  hier  machen  kann,  will  ich  nur  hervor- 
beben, dass,  so  wie  bei  Liehen  ruber  planus  die  Intensitätssteigerung  der 
entzündlichen  Vorgänge  zur  Blasenbildung  und  acuten  di£fusen  Dermatitis 
führt,  dieselbe  auch  bei  Liehen  ruber  acuminatus  dadurch  solche 
contrastirende  Formen,  wie  sie  der  folgende  Fall  zeigt,  hervorrufen  kann« 

Der  Fat.  war  im  Jahre  1867  als  12jähriger  Bursche  an  der  Klinik 
Hebra's.  Ein  von  Letzterem  ausgestelltes  Zeugniss  weist  die  Diagnose 
Liehen  exsudativus  ruber  auf. 

Nach  den  Angaben  des  intelligenten  Fat.  traten  im  Jahre  1869 
leichte  Recidiven  an  der  Hand,  im  Jahre  1872  und  1876  grössere  Knötchen 
auf,  welche  aber  bald  unter  dem  Gebrauch  von  Arsenik  verschwanden. 

Vorige  Woche  nun  schrieb  mir  der  Patient,  welcher  Geistlicher  in 
Ungarn  ist,  dass  er  seit  19.  November,  an  welchem  Tage  er  auch  stark 
fieberte,  abermals  von  einer  Erkrankung  befallen  worden  sei,  die  seiner 
genauen  Selbstbeobachtung  nach  der  früheren  Hautaffection  vollständig 
entspreche.  Im  Interesse  der  Wissenschaft  hat  sich  Patient  zu  De- 
monstration in  der  dermatologischen  Gesellschaft  freiwillig  hieherbegeben. 

Sie  sehen  nun,  genau  so,  wie  es  dieses  alte  Bildniss  zeigt,  die  Ge- 
sichtshaut glatt  und  straff  gespannt,  von  braunrother  Farbe,  die  Augen- 
lider ectropionirt ;  in  der  Halsgegend  sind  etwas  flache  Knötchen,  in  der 
Analregion  sind  dieselben  zu  Plaques  zusammengesetzt.  An  der  linken 
Hand  sehen  wir  einzelne  Knötchen  hervorragen,  ebenso  wie  an  der  Flach- 
hand und  auch  an  den  Sohlen.  Dem  Beckenkamm  entsprechend  ziehen 
gürtelförmige  Streifen  und  auch  der  behaarte  Theil  des  Kopfes  ist  von 
der  Affection  befallen.  Pat.  ninmit  seit  3  Monaten  Arsenik,  aber  in  un- 
rationeller Weise  ein. 


310  Verhandlungen 

In  Bezug  auf  Recidiven  bei  Liehen  ruber  haben  wir  nur  wenig 
Erfahrung. 

Durch  die  Arsenikcur  und  locale  Behandlung  geht  die  Erkrankung 
stets  zurück,  wenn  auch  die  vollständige  Heilung  manchmal  mehrere  Mo- 
nate bis  zu  einem  Jahr  braucht.  Ich  habe  einen  Fall  beobachtet,  wo  ich 
eine  letale  Prognose  stellte,  der  aber  bei  rationellem  Arsenikgebrauch 
davonkam.  Ein  zweiter  FaU,  bei  welchem  die  Behandlung  vorzeitig  aus- 
gesetzt wurde,  endete  letal.  Zum  Schlüsse  nun  hebe  ich  noch  einmal 
hervor,  dass  die  interessante  Seite  des  eben  vorgestellten  Falles  darin 
liegt,  dass  durch  volle  20  Jahre  sich  an  dem  Körper  des  Patienten  keine 
Spur  dieser  Erkrankung  gezeigt  hatte. 

Hebra  bemerkt,  dass  er  sich  gewissermassen  in  Verlegenheit  be- 
finde, da  er  eine  Diagnose  weiland  seines  Vaters  umstossen  müsse,  um 
die  von  Letzterem  begründete  Lehre  über  den  Liehen  ruber  rein  zu  er- 
halten. An  dem  vorgestellten  Kranken  fehlen  alle  Symptome  des  Liehen 
exsudativus  ruber,  welcher  Form  und  Abart  immer;  es  ist  kein  von  Pa- 
pillarkörper  ausgehendes  Infiltrat  da,  vielmehr  liege  ein  Bild  vor,  welches 
viel  eher  einer  Psoriasis  ähnlich  sehe,  da  an  manchen  Stellen  die  Erhöhung 
über  das  normale  Niveau  blos  aus  angehäuften  Epidermismassen  bestehe, 
welche  leicht  abgehoben  werden  können.  Auch  die  Erscheinung,  dass  in 
Streifen  gestellte  Elfflorescenzen  vorhanden  sind,  genüge  nicht  zur  Dia- 
gnose Liehen  ruber,  weil  dieses  Symptom  gleichfalls  bei  der  Psoriasis 
auftrete.  Redner  erinnert  sich  noch  sehr  gut  der  schleppenden  Verlaufs- 
weise und  schwerer  Heilbarkeit  des  vorgestellten  Falles  bei  dem  ersten 
Ausbruche  der  Krankheit,  die  mit  der  Verlaufsweise  eines  Liehen  ruber 
nicht  übereinstimmte.  Er  negirt  daher  die  Berechtigung,  den  Fall  als 
Liehen  ruber  acuminatus  zu  diagnosticiren,  der  vielmehr  ein  Paradigma 
von  Pityriasis  rubra  pilaris  von  Devergie  darstelle. 

Neumann  erklärt  diesen  Fall  unbedingt  für  Liehen  ruber  acumi- 
natus und  sagt,  dass  sich  dieser  vor  Allem  dadurch  von  Pityriasis  rubra 
pilaris  unterscheide,  weil  die  Knötchen  grauer  sind  und  die  Haut  sich 
derber  anfühlt. 

Lang  constatirt,  dass  in  dem  Falle  thatsächlich  Infiltration  nicht 
vorliegt. 

Hebra  hebt  noch  hervor,  dass  bei  Liehen  ruber  die  Efflorescenzen 
an  der  Oberfläche  straff  sind  und  einen  wachsartigen  Glanz  zeigen;  wenn 
man  eine  solche  Efflorescenz  abkratzt,  wird  es  bluten. 

In  dem  eben  demonstrirten  Falle  aber  kann  man  dieselbe  wie  eine 
Kappe  abheben,  ohne  dass  es  blutet;  ebenso  wie  es  bei  einer  Psoriasis 
möglich  sei;  auch  von  dem  wachsartigen  Glänze  ist  bei  diesem  Falle 
keine  Spur  zu  bemerken.  Redner  kann  also  nichts  finden,  wonach  die 
Diagnose  Liehen  ruber  acuminatus  berechtigt  wäre. 

Neu  mann  zeigt: 

1.  einen  55  Jahre  alten  Kranken  mit  Lymphosarkom  der  linken 
Inguinal gegend  und  der  Gegend  des  linken  Schenkeldreieckes.  In  Inguine 
links  ein  mehr  als    faustgrosses  Convolut   vergrösserter   ausserordentlich 


der  Wiener  dermatologiscben  Gesellschaft.  311 

harter  Lymphdrüsen,  über  welchen  die  Haut  vorgewölbt  tmd  an  einer 
flachhandgrossen  Stelle  livid  bis  schieferg^au  verfärbt  und  den  zerfallenen 
Oeschwulstpartien  entsprechend  teigig  weich  erscheint. 

Dauer  der  Afifection  drei  bis  vier  Monate.  Damals  waren  die  Drüsen 
schon  vergrössert,  aber  nicht  so  derb.  Im  Jahre  1891  stand  der  Kranke 
auf  der  Klinik  mit  syph.  PrimäraflTect  und  Exanthem  in  Behandlung  und 
erhielt  20  Einreibungen.  Derselbe  hat  noch  derzeit  an  den  Ellbogen  Efßo- 
reszencen  von  Psoriasis  syphilitica. 

2.  Einen  Kranken  mit  an  Stamm  und  Extremitäten  localisirten, 
halbkreuzergrossen,  über  das  Hautniveau  elevirten,  mit  dichten  silber- 
glänzenden Schuppen  belegten  Efflorescenzen  —  squamoses  Syphilid, 
das  der  Psoriasis  vulgaris  ähnlich  sieht.  Vor  Kurzem  bestand  noch  eine 
ausgebreitete  gruppirte  Roseola  am  Stamme,  welche,  jetzt  abgelaufen,  an 
einer  damals  angefertigten  Moulage  demonstrirt  wird.  Patient  war  bereits 
im  Vorjahre  mit  dem  Primäraffect  auf  N.'s  Klinik  und  wurde  mit  Ein- 
reibungen behandelt. 

3.  Eine  31jährige  Kranke  mit  silbergroschengrossen  im  Centrum 
geheilten  hellrothen  Efflorescenzen,  deren  Rand  infiltrirt  und  schuppend 
erscheint.  —  Herpes  tonsurans  vesiculosus  und  squamosus. 

Femer  zeigt  dieselbe  an  der  Innenfläche  der  Oberschenkel  gegen 
die  Genitocrural&lten  hin  symmetrische,  über  flachhandgrosse,  hell-  bis 
braunrothe ,  scharf  begrenzte ,  mit  elevirtem  Rand  versehene  Stellen ; 
neben  denselben  einzelne  thalergrosse,  den  am  Hals  befindlichen  conforme 
Efflorescenzen.  Demnach  Ekzema  marginatum  und  Herpes  tonsurans.  Die 
Infection  dürfte  durch  einen  Hund  erfolgt  sein. 

4.  Den  bereits  vorgestellten  Patienten  mit  Cavernitis.  Das  früher 
über  thalergrosse  Geschwür  an  der  Dorsalseite  des  Penis  ist  nun  zur 
Hälfte  übemarbt,  die  übrige  Partie  granulirend. 

5.  Einen  Mann  mit  seit  mehr  als  Jahresfrist  bestehenden,  derben, 
bohnengrossen  Wucherungen  am  Präputialrest  und  der  Scrotalhaut.  Die- 
selben sind  als  hypertrophisches  chronisches  Ekzem,  wie  dies  sonst  an 
anderen  Hautpartien  erscheint,  anzusehen. 

Lang  bemerkt  zu  diesem  Falle,  dass  die  Wucherungen  am  Scrotum 
jenen  Zustand  darstellen,  welchen  er  als  dauernd  organisirte  Papeln 
bezeichnet,  während  Neumann  die  Diagnose  Ekzema  chronicum  aufrecht- 
erhält, für  welche  ausser  anderen  Symptomen  auch  die  Localisation  am 
Penis  spricht,  woselbst  niemals  derartig  cheloidartige  Papeln  vorkommen. 

6.  Die  Moulage  eines  Peniscarcinoms. 

Nobl  demonstrirt  aus  der  Abtheilung  Langes: 

1.  Einen  vieijährigen  Knaben  mit  acuter  gonorrhoischer 
Urethritis.  Von  der  Mutter  mit  der  Klage  ins  Ambulatorium  gebracht, 
dass  das  Kind  seit  mehreren  Tagen  nur  unter  heftigen  Schmerzen  uri- 
niren  könne,  Hess  sich  bei  dem  Knaben  eine  entzündliche  Phimose  mit 
profuser  Eitersecretion  aus  dem  phimotischen  Präputium  feststellen.  Nach 
operativer  Behebung  der  Phimose  präsentirte  sich  das  Orificium  urethrae 
geröthet  und  stark  ödematös  geschwellt;   aus  der  Urethra  Hess  sich  Eiter 


312  Vei'handlungen 

in  grosser  Menge  exprimiren,  der  sich  bei  der  mikroskopischen   Unter- 
suchung reich  an  Gonococcen  erwies. 

Die  Herkunft  der  Gonorrhoe  Hess  sich  in  diesem  Falle  nicht  schwer 
feststellen ;  bei  der  Untersuchung  der  Mutter  zeigte  sich,  dass  sie  an  einer 
linksseitigen  eitrigen  Bartholinitis  leidet,  deren  Secret  reichlich  Gonococcen 
nachweisen  lässt.  Da  nun  der  Knabe  mit  der  Mutter  im  selben  Bette 
schläft,  so  ist  es  als  sehr  wahrscheinlich  hinzustellen,  dass  sich  das  Kind 
mit  dem  bartholinischen  Secrete  der  Mutter  inficirt  hat. 

2.  Einen  23jährigen  Schankgehilfen,  mit  einer  selteneren  Loca- 
lisation  eines  extragenitalen  luetischen  Primäraffectea. 
Patient  gelangte  mit  bereits  dicht  entwickeltem  papulösem  Exanthene, 
Palmar-  und  Plantarsyphilide  und  mächtiger  Sklerodenitis  der  rechten 
Unterkieferdrüsen  zur  Aufnahme.  Die  regionäre  Adenopathie  in  der 
Suburaxillargegend  deutete  von  selbst  auf  die  Mundhöhle,  als  den  Sitz 
der  Initialmanifestation  hin.  Entsprechend  dem  letzten  rechten 
Schneide-,  dem  Eck-  und  ersten  Backenzahne  des  Oberkiefers 
sieht  man  das  Zahnfleisch  an  der  buccalen  und  oralen,  sowie  die  Inter- 
dentalpapillen  —  diese  an  der  buccalen  Seite  —  in  eine  über  die  Umgebung 
erhabene,  über  kronengrosse,  am  Rande  mehr  dnnkelrothe,  im  centralen 
Theile  eitrig  belegte,  derbe  Geschwürsflächen  umgewandelt,  die  ent- 
sprechenden Zähne  stark  gelockert. 

Patient  bezeichnet  nun  auch  die  Geschwürsbildung  am  Zahnfleisch 
als  den  Beginn  seiner  zehnwöchentlichen  Erkrankung ;  an  diese  scbloss 
sich  erst  nach  14  Tagen  die  Intumescenz  der  rechten  Unterkieferdrüsen  an, 
welch  letztere  sich  bis  zu  einem  über  maunsfaustgrossen  Tumor  vergrösserten. 

Wegen  der  Drüsenschwellung  suchte  Pat.-  ein  chirurgisches  Ambula- 
torium auf,  wo  die  Diagnose  „Beinhautentzündung''  gestellt  und  einige  Zähne 
des  Unterkiefers  extrahirt  wurden  j  wenige  Tage  später  trat  das  Exanthem 
auf;  am  Genitale  ist  keinerlei  Läsion  zu  constatiren. 

3.  Einen  20jähngen  Tapeziergehilfen,  bei  welchem  Lang  die  £x- 
cision  eines  Lupusherdes  vornahm.  Der  über  thalergrosse,  ander 
linken  Wange,  nahe  dem  Kieferwinkel  sitzende  Plaque  wurde  in  Narkose 
tief  excidirt,  die  Wundränder  durch  Naht  vereinigt  und  2  Cm.  nach  aussen 
vom  lateralen  Wundrande  parallel  zu  diesem  ein  circa  4  Cm.  langer  Ent- 
spannungsschnitt gemacht. 

Die  Wunde  ist  per  primam  geheilt  und  der  Sitz  des  firüher  ent- 
stellenden Krankheitsherdes  durch  eine  feine  blasse,  lineare  Narbe  kaum 
mehr  als  angedeutet. 

4.  Einen  mit  Scabies  und  Syphilis  behafteten,  21  Jahre  alten 
Arbeiter,  bei  welchem  eine  Reihe  von  Scabiesefflorescenzen  sich  in  grosse 
luetische  exulcerirte  Inflltrate  umgewandelt  haben. 

Sitzung  vom  24.  Januar  1894. 

Vorsitzender:  Lang.    Schriftführer:  Nobl. 

I.  Hebra:  Ich  demonstrire  einen  Fall  von  Liehen  exsudativus 
ruber.    Das  Bild  ist  nicht  mehr  frisch,  was  ich  jedoch  zeigen  will,  ist 


der  Wiener  dermatologiscben  Qesellscbaft.  3 13 

noch  in  ganz  genügender  Menge  vorhanden.  Die  einzelnen  kleinen,  rothen 
Infiltrate  und  Knötchen  sind  hier  bereits  theilweise  zorückgebildet,  die 
centralen  Partien  meist  schon  in  Heilang  begriffen,  die  Oberfläche  der 
Efflorescenzen  ist  gleichmassig  roth.  Der  angeführte  Name  ist  vollkommen 
gerechtfertigt,  denn  Sie  finden  keinerlei  Schuppong,  wiewohl  der  Zustand 
bereits  seit  4  Monaten  besteht,  und  gar  keinerlei  Erkrankung  in  der  Nähe 
der  Haare.  Sie  sehen,  dass  die  Yertheilung  der  Krankheit  hier  eine  ganz 
andere  ist,  als  in  dem  kürzlich  vorgeführten  Falle,  denn  hier  ist  gar 
keine  Miterkrankung  der  Haarfollikel.  Es  ist  vielmehr  eine  Yertheilung, 
welche  von  jener  gerade  entgegengesetzt  ist.  Was  dort  ergriffen  war,  ist 
hier  frei  und  umgekehrt.  Die  Herren  werden  gewiss  nicht  daran  zweifeln, 
dass  wir  es  demnach  mit  2  verschiedenen  Erkrankungen  zu  thun  haben. 
Ich  bin  mir  bewusst,  keinen  besonders  entzückenden  Fall  vorgestellt  zu 
haben,  glaube  jedoch  damit  dem  Wunsche  des  Prof.  Lang  nachgekommen 
zu  sein,  indem  ich  diesen  Fall  demonstrirte. 

Neumann  bemerkt  zu  dem  obigen  Falle,  dass  es  sich  um  einen 
Liehen  planus  handelt. 

n.  Schiff:  Ein  Kind,  1'/,  Jahre  alt,  das  mir  vor  14  Tagen  vor- 
gestellt wurde.  Zu  constatiren  sind  beträchtliche  Verdickungen  beider 
Unterschenkel  (an  der  Tibia).  Es  sind  ostitische  Auflagerungen,  femer  sind 
zu  bemerken  einzelne  Narben  an  den  Mundwinkeln.  Obwohl  weder 
Anamnese  der  Eltern  noch  sonstige  Befunde  positive  Daten  geben,  sehe 
ich  mich  aus  der  Form  veranlasst,  die  Erkrankung  für  hereditär  lue- 
tisch zu  halten. 

Neumann:  Es  ist  diese  Form  nicht  mit  Bestimmtheit  als  hereditär 
luetische  Periostitis  zu  bezeichnen.  Man  kommt  bei  Erwachsenen  namentlich 
schwer  zu  einem  ganz  bestimmten  Resultate.  Kürzlich  erst  wurde  von  mir 
ein  Mädchen  entlassen,  an  dem  ich  bei  vorhandener  Periostitis  nicht  mit 
Sicherheit  Lues  constatiren  konnte.  Auch  bei  Kindern  kommt  Periostitis 
vor,  die  nicht  Lues  haben. 

Schiff:  Anknüpfend  an  die  Bemerkung  des  Vorredners  muss  ich 
einen  Fall  erwähnen,  den  ich  seit  einigen  Wochen  gemeinschaftlich  mit 
Finger  beobachte.  Es  handelt  sich  um  einen  Einjährig-Freiwilligen,  der 
ebenfalls  eine  leicht  empfindliche  Verdickung  beider  Tibiae  hat. 
Auch  in  diesem  Falle  waren  wir  lediglich  per  exclusionem  gezwungen,  die 
Diagnose  auf  Lues  hereditaria  tarda  zu  stellen. 

in.  Schiff  stellt  ferner  ein  Kind  vor  (Alter  5  Jahre)  mit  einem  kreis- 
förmig angeordneten  Ekzema  marginatum  um  den  Mund  herum,  in  der 
Breite  von  ca.  8  Cm.  Im  vorigen  Jahre  hatte  er  Gelegenheit,  einen 
ähnlichen  Fall  bei  einem  14jährigen  Burschen ,  bei  dem  jede  Ekzem- 
behandlung fruchtlos  blieb  und  erst  auf  energische  Anwendung  antipa- 
rasitischer Mittel  (Chrysarobin)  zum  Schwinden  gebracht  wurde. 

Kaposi  zum  Fall  2:  Es  ist  vielleicht  ein  Fehler  der  Sprache, 
dass  man  nicht  den  rechten  Ausdruck  findet,  um  obigen  Begriff  genau 
abzugrenzen.    Er   ist  nur  anwendbar   für   den  Fall,    dass  begrenzte,    mit 


314  Verhandlungen 

Knötchen  besetzte  Erhebungen  vorhanden  sind.  Denn  auch  souBt  gibt  es 
bei  jugendlichen  Individuen  auBBerordentlieh  haafig  scharf  begrenzte 
Ekzeme.  Ebenso  kommt  dies  bei  weiblichen  Individuen  recht  oft  vor. 
Die  scharf  begrenzten  Ekzeme,  die  ich  meine,  sind  gleichmässig  in  der 
ganzen  Area  vetheilte,  sehr  blasse  Ekzeme.  Ein  ganz  exquisites  Ekzemi 
marginatum  aber  trägt  ganz  den  Charakter,  wie  ihn  Hebra  seinerzeit 
dargestellt  hat. 

Ich  würde  den  vorliegenden  Fall  als  Eczema  areatnm  bezeich- 
nen. Denn  jeder  Versuch,  hier  einen  Pilz  nachzuweisen,  wird  ganz  umsonst 
sein.  Wenn  Sie  dagegen  das  Bild  eines  wahren  Ekzema  marginatum  be- 
trachten, so  finden  Sie  gewiss  die  genannte  Hebräische  Form  markant 
ausgebildet. 

Hebra:  Solche  Ekzeme  heilen  nur  auf  antimycotische  Behandlung. 
Wenn  man  in  diesen  Fällen  einzig  und  allein  Chrysarobin-Salbe  oder 
1 :  1000  Sublimatlösung  anwendet,  so  heilt  es  ausserordentlich  rasch.  Ich 
sah  schon  viele  solche  circumscripte  Ekzeme,  die  im  Verlaufe  von  ganz 
kurzer  Zeit  auf  diese  Behandlung  hin  ganz  geschwunden  sind.  Es  wurde 
ja  in  neuerer  Zeit  eine  ganze  Flora  der  Haut  gezüchtet,  aber  noch 
ist  man  nicht  im  Stande,  den  zugehörigen  Pilz  genau  anzugeben. 

Nichtsdestoweniger  hat  mich  die  neueste  Forschung  zur  sicheren 
Diagnose  geführt  und  ich  bin  von  dem  mycotischen  Charakter  des  Falles, 
der  hier  vorliegt,  ganz  überzeugt.  Daher  ist  auch  —  meiner  Erfahrung 
nach  —  der  Effect  nicht  derselbe,  als  wenn  man  Pyrogallol  etwa  in  ge- 
eigneter Concentration  verwendet. 

Schiff.  Ich  muss  zugeben,  dass  ich  mich  im  Ausdruck  geirrt  habe 
und  indem  ich  die  Affection  Ekzema  marginatum  benannt  habe,  lediglich 
damit  nur  betonen  wollte,  dass  es  sich  um  ein  marginirtes  d.  h.  scharf 
abgegrenztes  Ekzema  handelt,  wie  wir  es  überhaupt  bei  den  mycotischen 
Formen  beobachten.  Wenn  es  uns  auch  bisher  nicht  gelungen  ist,  in 
solchen  Fällen  bestimmte  pathogene  Organismen  nachzuweisen,  so  spricht 
doch  das  inselformige  klinische  Bild,  der  Verlauf  und  die  Therapie  fnr 
das  ätiologische  Moment  dieser  Ekzeme. 

Neu  mann:  Wenn  man  über  den  Gegenstand  näher  sprechen  will 
so  müsste  man  vor  Allem  den  Pilz  nachweisen.  Wenn  man  bis  nnnzu 
eine  ganze  Reihe  von  Parasiten  an  der  Haut  gefunden  hat,  so  überrascht 
mich  das  gar  nicht.  Nehmen  Sie  blos  einige  Schuppen,  so  finden  Sie  bei  der 
Untersuchung  die  verschiedensten  Dinge.  Wenn  ich  demnach  eine  Diagnose 
stellen  will,  so  möchte  ich  zuerst  den  Pilz  gefunden  haben.  Aus  Erfahrung 
kann  ich  Folgendes  sagen:  Diese  Ekzeme,  welche  symmetrisch  um  den 
Mund  gelegt  sind  und  concentrisch  um  die  Oberlippe  und  so  weiter  sich 
verbreiten  —  das  sind  Erkrankungen,  die  vorzüglich  bei  anämischen 
Individuen  vorkommen  und  da  muss  man  oft  jahrelang  arbeiten,  bis 
man  sie  ganz  wegbringt.  —  Einen  Pilz  aber  hat  bei  diesen  Erkrankungen 
noch  Niemand  nachgewiesen,  und  erst  bis  dies  geschehen  ist,  kann  man 
vielleicht  darüber  weiter  discutiren. 


der  Wiener  dermatolog^schen  Gesellschaft.  315 

IV.  Schiff  stellt  ein  Kind  (10  Monate)  mit  einem  difins  aufge- 
tretenen, papnlösen  Erythem  vor.  Die  Affection,  welche  ganz  acut 
aufgetreten  ist,  wurde  beobachtet  unmittelbar  nach  Darreichung  von 
1 — 5  Gr.  Antipyrin  wegen  Pertussis  und  ich  glaube  daher  annehmen  zu 
dürfen,  dass  es  sich  hier  um  ein  in  diesem  Alter  wohl  sehr  selten 
beobachtetes  toxisches  Exanthem  handelt. 

y.  Schiff  stellt  ein  5  Jahre  altes  M&dchen  mit  absolut  kahler* 
spiegelglatter,  fettglänzender  Schädeldecke  vor,  ans  der  nur  hie  und  da 
kurz  abgebrochene,  dünne  atrophische  pigmentlose  Härchen  hervorspriessen. 
Augenbrauen  sind  erhalten.  Die  Untersuchung  der  Haare  ergab  eine 
beträchtliche  Atrophie  und  Anwesenheit  von  nicht  näher  zu  charakterisi- 
renden  Pilzelementen  zwischen  innerer  und  äusserer  Wurzelscheide. 
Culturversuche  sollen  noch  unternommen  werden.  In  Anbetracht,  dass 
diese  Formen  von  Alopecien  in  Frankreich  und  England  sehr  häufig 
sind  und  bei  uns  zu  den  grössten  Raritäten  gehören,  und  bei  dem  umstände, 
dass  ich  in  den  letzten  Wochen  noch  2  gleiche  Fälle  beobachtet  habe 
(der  eine  betraf  einen  Officier,  der  von  den  Manövern  kam  und  der  andere 
einen  Beamten,  der  eine  Fussreise  unternommen  hatte),  könnte  man  daran 
denken,  dass  diese  Affection  auch  nunmehr  bei  uns  eingeschleppt  worden  ist. 

Ehr  mann  bemerkt  dazu:  Ich  glaube  nicht,  dass  sich  diese  Fälle 
häufen  werden.  Ich  glaube  vielmehr  annehmen  zu  dürfen,  dass  es  Alopecia 
areata  ist,  die  das  Fortschreiten  des  Ausfallens  der  Haare  verschuldet  hat. 
Ich  glaube  nicht,  dass  dabei  die  Haare  anfangen  ganz  gleichmässig  aus- 
zufallen, sondern  es  bleiben  Ringe,  die  vollständig  behaart  sind.  Ich  will 
mich  nicht  weiter  einlassen  auf  den  physiologischen  Grund,  aber  solange 
nicht  charakteristische  Pilze  mit  Hilfe  von  Gulturen  nachgewiesen  sind, 
so  lange  kann  die  mycotische  Art  nicht  nachgewiesen  werden. 

Kaposi:  Ich  muss  bemerken,  dass  man  mit  Bezug  auf  die 
klinische  Verlaufsweise  in  der  Regel  das  Auffallende  der  Symptome  über- 
treibt. Ich  möchte  darauf  hindeuten,  dass  die  Herren,  die  es  in  Frankreich 
gesehen  haben,  selber  keinen  Unterschied  gemacht  haben  bezüglich  der 
klinischen  Form.  Sie  fühlten  sich  blos  mit  Rücksicht  auf  das  Auftreten 
in  Endemien  veranlasst,  auf  das  Ansteckende  hinzuweisen,  doch  ist  man 
nicht  im  Stande  dies  zu  beweisen.  Was  die  Behauptung  der  Häufung 
der  Fälle  betrifft,  so  darf  man  nicht  vergessen,  dass  dies  zufallig  sein 
kann.  Man  müsste  nachweisen,  dass  dies  zu  gewissen  Zeiten  in  Pensionaten 
oder  sonstigen  Anstalten  vorkommt,  was  allerdings  überzeugender  wäre. 
Ich  sah  Fälle  in  einer  Familie,  bei  denen  ich  mich  aufs  Entschiedenste 
entschliesscn  musste,  sie  für  nicht  ansteckend  zu  erklären. 

N  e  u  m  a  n  n :  Bei  Alop.  areata  schwindet  auch  zugleich  das  Pigment  und 
man  kann  infolge  dessen  dies  mit  gewissen  Pilzen  unmöglich  in  Zusammen- 
hang bringen.  Was  aber  speciell  die  Prognose  in  solchen  Fällen  betrifft, 
so  muss  man  sich  nach  dem  Alter  des  Patienten  richten.  Wenn  das 
Individuum  jung  ist,  12 — 14  Jahre,  und  der  Kopf  kahl  ist,  so  muss  man 
eine  Renovirung  des  Haares  bestimmt  annehmen.  So  kannte  ich  ein 
Mädchen  aus  Amerika,    das  vollständig  kahl  war  und  sich  sogar  vor  den 


316  Verhandlungen 

eigenen  Geschwistern  schämte.  Das  Mädchen  war  24  Jahre  alt.  Bei  ihr 
bildeten  sich  zwar  hie  und  da  Wollhaare,  aber  diese  blieben  nicht,  sie 
fielen  nach  kurzem  Bestände  aus.  —  Solange  nicht  Sprossenbildungen  da 
sind,  bleibt  die  mycotische  Natur  noch  zweifelhaft  und  wir  sind  genöthigt, 
das  mit  Nerven  in  Zusammenhang  zu  bringen. 

YI.  Schiff.  Ein  12jähriges  Mädchen  mit  einer  Nagelaffection,  die 
mir  Anfangs  als  mycotisch  imponirte.  Erst  nach  längerer  Zeit  entdeckte 
ich  an  der  allgemeinen  Decke  einige  Psoriasisplaques  und  da  ich  bei 
genauester  mikroskopischer  Untersuchung  nicht  im  Stande  war  in  den 
angehäuften  Massen  unter  dem  Nagel  ein  charakteristisches  Pilzelement 
zu  finden,  so  fand  ich  mich  veranlasst,  die  Affection  der  Nägel  (sie 
betraf  nur  die  beiden  Daumen  und  den  linken  Mittelfinger)  ebenfalls  für 
eine  nicht  gewöhnliehe  Form  von  Psoriasis  der  Nägel  zu  halten. 
Energische  mechanische  Behandlang  sowie  Einpinselung  von  Chrysarobin 
haben  den  Process  zum  Stillstand  gebracht  und  man  sieht  die  normaJen 
Nägel  nachwachsen. 

Vn.  Neumann  zeigt:  1.  Einen  27  J.  alten  Schlosseigehilfen,  der  im 
Juni  v.  J.  mit  einer  extragenitalen,  an  der  Wange  unterhalb  des  unteren 
Augenhöhlenrandes  localisiriten  Sclerose,  die  er  angeblich  bei 
einer  Rauferei  durch  Biss  acquirirt  haben  soll,  mit  consecutivem  macolo- 
papulos.  Exanthem  auf  seiner  Klbiik  in  Behandlung  gestanden  hatte. 

Derselbe  zeigt  jetzt  an  der  bezüglichen  Stelle  der  Wange  eine 
kreuzergrosse,  derbe,  strahlige  Narbe,  femer  an  der  Streck-  und  Beugeseitc 
beider  Unterschenkel  linsengrosse,  lividrothe  Efflorescenzen  eines  tuber- 
culösen  Syphilides,  sowie  zerfallene  Papeln  am  After,  Papeln  der  Mund- 
schleimhaut und  Leucoderma  am  Halse. 

Bei  seinem  ersten  Spitalsaufenthalte  erhielt  er  35  Einreibungen. 

2.  Einen  60  Jahre  alten  Drechslergehilfen  mit  einem  polymorphen, 
die  ganze  Hautoberflache  betreffenden  Syphilide,  linsen-  und  lOkreozer- 
grossen  braunrothen,  elevirten,  theils  schuppenden,  theils  mit  gerunzelten 
Epidermislagen   überdeckten  Efflorescenzen. 

Einzelne  derselben,  namentlich  am  Rücken,  sehr  dunkel  gefirbt, 
fast  schwarz.  An  den  Extremitäten  mehr  punkt-  und  hirsekomgrosse, 
an  Liehen  planus  erinnernde  Efflorescenzen.  Zahlreiche  solche  Efflores- 
cenzen  in  der  Nähe  der  Handgelenke  localisirt;  sie  fehlen  jedoch  in  der 
Lendengegend. 

Am  inneren  Präputialblatte  die  Reste  nässender  Papeln. 

Der  Kranke  von  anämisch-kachektischem  Aussehen ;  dem  entsprechend 
die  eigenthümliche  Pigmentirung  des  Syphilides.  Krankheitsdauerzeit  der 
Infection  4'/3 — 5  Monate.   Therapie:  Einreibungen. 

3.  Einen  48jähr.  Maurergehilfen  mit  oberhalb  dem  Corpus  iterni 
looalisirten,  confluirten,  halblinsengrossen,  dunkelrothen,  abschuppenden, 
cutanen  Gunmiaknoten  und  einer  Psoriasis  muc  oris  specifica  des  Zangen- 
randes. 

Dauer  der  Lues  seit  der  Infection  beträgt  29  Jahre  und  wurde  der 
Kranke    seither    vielfach    und    ausschliesslich    mit   Jodkalium   behandelt. 


er  matologiscben  Gesellscliaft.  317 

Znsammen  751  Gr.,  mehrfach  anch  auf  der  Klinik  des  Vortragenden, 
zuerst  1884  mit  Hautgummen,  zuletzt  1891  mit  einem  gummösen  Zungen- 
geschwüre. 

Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  noch  auf  einen  Kranken  aufmerksam 
machen,  der  seit  14  Jahren  bereits  Jodkalium  einnimmt.  Er  hat  ausge- 
rechnet, dass  er  bereits  10  Kilo  verbraucht  hat.  Jetzt  nimmt  er  seit  etwa 
9  Monaten  7  6r.  täglich. 

4.  Einen  56  Jahre  alten  Maurergehilfen,  von  sehr  blassem,  kachek- 
tischem  Aussehen,  erdfahlem  Colorit  der  Hautdecken. 

Derselbe  zeigt  am  rechten  Unterschenkel  eine  flachhandgrosse, 
pigmentirte,  in  Form  Yon  Schlangenlinien  begrenzte  Narbe.  Reste  eines 
gummösen  Geschwüres.  Links  der  weiche  Gaumen  an  einer  fast 
guldenstückgrossen  Stelle  perforirt,  im  Bereich  der  Mundhöhle  der 
Knochen  des  harten  Gaumens  freiliegend,  Wandung  und  Ränder  des 
Deffectes  mit  zersetzten,  übelriechenden  Exsudatmassen  belegt,  das 
Gaumensegel  dieser  Seite  unbeweglich.     Quatem.  Syphilis. 

Der  Kranke  wurde  niemals  antiluetisch  behandelt. 

5.  Den  bereits  2  Mal  demonstrirten  Kranken  mit  gummöser 
Syphilis  und  sich  daran  anschliessender  amyloider  Deg  e- 
neration  von  Leber,  Milz  und  Nieren. 

Das  Abdomen  erscheint  nunmehr  noch  stärker  vorgewölbt,  der 
Lebertumor  noch  umfangreicher,  bis  fast  zur  Symphyse  sich  erstreckend. 
Hauptsächlich  ist  der  rechte  Leberlappen  vergrössert,  während  der  linke 
blos  4  Querfinger  unterhalb  des  Process.  xyphoideus  palpirt  werden  kann. 
Man  tastet  deutlich  den  Einschnitt,  sowie  einzelne,  sich  nicht  hart 
anfühlende,  schmerzlose  Protuberanzen,  lieber  der  Leber,  unter  dem 
Rippenbogen  ein  Reibegeräusch,  keine  Schmerzen  daselbst;  kein  Ascites. 
Tastbarer  Milztumor ;  im  Harn  viel  Albumen,  kein  Zucker,  kein  ürobilin ; 
hyaline  Cy linder,  Hämoglobingehalt  35  "/o  des  Normalen. 

6.  Einen  31jährigen  Kranken,  mit  einer  theilweise  acuten  Erup- 
tion von  Psoriasis  vulgaris.  Erste  Erkrankung  im  Jahre  1680. 

Am  Stamm  recente,  linsen-  und  hirsekomgrosse,  hellrothe,  elevirte 
Efflorescenzen.  An  mehreren,  mit  dem  kratzenden  Nagel  vor  6  Tagen 
irritirten  Hautpartien  Eruption  ganz  frischer  EfQorescenzen. 

7.  Einen  29|j&hr.  Schuhmachergehilfen  mit  universeller  Psoriasis 
vulgaris. 

Derselbe  wurde  bereits  mehrfach  mit  Pyrogallol  behandelt,  und 
zeigt  ausser  «einzelnstehenden  Efflorescenzen  am  Stamme  und  ausgebreiteten 
infiltrirten  Psoriasisplaques  an  den  bekannten  Prädilectionsstellen  noch 
zahlreiche,  meist  einzeln  stehende,  schuppende  Efflorescenzen  auf  Palma 
und  Planta. 

8.  Einen  34;j ährigen,  äusserst  kachektischen  Patienten  mit  ma- 
ligner Syphilis.  Derselbe  zeigt  an  der  Hautoberfläche  äusserst  zahlreiche, 
regelmässige,  am  Rande  pigmentirte  Narben  nach  ulcerösen  Hautgummen, 
daneben  neue,  schuppende,  im  Laufe  der  Behandlung  aufgetretene  tuber- 


318  Yerhandlnngen 

calöse   Effloreflcenzen    von    braunrother  Farbe,    stark    abschuppend,    auf 
Fingerdmck  schmerzhaft. 

Der  rechte  Nasenflügel  zerstört;  in  der  Umgebung  Narben  nach 
Gammen.  Es  besteht  femer  hochgradige  Anämie,  amyloide  Entartung  der 
Nieren.  Uvula  zerstört,  hintere  Gaamenbögen  mit  der  hinteren  Pharynx- 
wand  verwachsen. 

Dauer  der  Syphilis  seit  der  Infection  5  Jahre.  Der  Kranke  wurde 
bereits  vielfach  specifisch  behandelt. 

9.  Ein  Mädchen  mit  singulären,  flach  papulösen  Effloreacenzen 
zwischen  den  Schulterblättern  und  am  Rücken ;  durch  die  stärkere 
Desquamation  sind  die  Efflorescenzen  einer  Psoriasis  vulgaris  nicht 
unähnlich. 

Schliesslich  demonstrirt  Neumann  Abbildungen  von  Aphthen  an 
den  Labien. 

ym.  Spiegier  zeigt  einen  Mann,  der  seit  drei  Jahren  an  Rhino- 
sclerom  leidet.  Die  zur  Zeit  sichtbaren  Veränderungen  beziehen  sich  auf  die 
äussere  Nase  und  auf  den  weichen  Gkumen,  sowie  den  Nasenrachenraum. 
Der  Larynx  ist  frei.  Gleichzeitig  demonstrirt  der  Vortragende  mikro- 
skopische Präparate,  sowie  Reinculturen  von  Rhinosclerombacillen,  die  von 
dem  vorgestellten  Falle  gewonnen  worden  waren  und  erwähnt  die  diffe- 
rentiellen  Momente  vom  Pneumoniebacillus  Friedländer. 

IX.  Lang  demonstrirt  eine  33  J.  alte  Patientin,  welche  die  seltene 
Combination  von  Carcinom  und  Syphilis  aufweist,  an  der 
Mitte  des  Saumes  der  Unterlippe  sitzt  ein  Epitheliom,  in  dessen  un- 
mittelbarer Nachbarschaft,  an  der  Schleimhaut  der  Unterlippe,  Plaques 
muceuses.  Das  äussere  Genitale  ist  dicht  besetzt  mit  beetartig  gewucherten, 
mächtigen,  nässenden  Papeln.  Die  Wucherung  an  der  Lippe  entwickelt 
sich  seit  zwei  Jahren,  die  Lues  soll  seit  mehreren  Monaten  bestehen. 

X.  Nobl  zeigt  (aus  der  Abtheilung  Lang's): 

1.  Eine  Kranke  mit  Taches  bleues  an  den  Unterschenkeln 
in  dichter  Anordnung,  die  Schenkel  sind  nur  sehr  wenig  behaart  und 
konnten  an  den  feinen  Lanugo-Härchen  Risse  nachgewiesen  werden. 

2.  Einen  22jährigen  Hausknecht  mit  perforirtem  Präputium 
in  Folge  einer  rasch  zerfallenden  gangränösen  Sclerose  am  inneren 
Präputialblatte. 

Der  Präputialsaum  ist  hochgradig  phimotisch,  und  fiihlt  sich  gleich- 
wie der  erhaltene  Rest  des  Präputiums  derb-infiltrirt  an,  dies  letztere 
zeigt  an  seiner  linken  Hälfte  einen  über  thalergrossen  längsovalen  Defect, 
durch  welchen  die  Glans  penis  in  ihrer  ganzen  Ausbreitung  zu  sehen  ist. 
Die  Ränder  des  Substanzverhistes  glatt,  speckig  belegt,  leicht  erhaben. 
Der  Process  besteht  seit  11  Tagen,  als  dessen  Beginn  Patient  die  Ge- 
schwürsbildung am  inneren  Vorhautblatte  bezeichnet. 


Buchanzeigen  und  Besprechungen. 


Die  augenärzflichen  Operationen  von  Dr.  Wilhelm  Gzermak.  Wien 

Gerold  1893. 

Angezeigt  von  Dr.  Hago  Pereies  in  Frag. 

Bisher  sind  4  Hefte  dieses  prachtvoll  ausgestatteten  Werkes 
erschienen,  in  welchen  in  einem  allgemeinen  Theile  die  Instrumente, 
Narkose,  Antiseptik  etc.  besprochen  werden.  Dieser  Theil  enthalt 
viele  brauchbare  Winke  für  den  Operateur  auf  jedem  Gebiete.  Der 
specielle  Theil  behandelt  bisher  die  Operationen  an  den  Lidern 
und  bietet  dem  Dermatologen  ein  specielles  Interesse  in  dem  Capitel 
über  die  Blepharoplastiken,  welches  in  besonders  lichtvoller  Weise 
abgehandelt  ist.  Wir  sehen  der  Vollendung  des  umfangreich  ange- 
legten Werkes,  das  durch  ausgezeichnete  Illustrationen  in  grosser 
Zahl  geziert  ist,  mit  Vergnttgen  entgegen,  und  können  es  jedermann, 
der  sich  für  diesen  Zweig  operativer  Technik  interessirt,  wegen 
der  Anschaulichkeit  und  der  leichten,  messenden  Art  der  Darstel- 
lung auf  das  wärmste  empfehlen. 


Varia. 


Deutsche  DermatologiBChe  Ge»ellschaft.  Zu  dem  vom  14.— 16. 
Mai  1.  J.  in  Breslau  stattfindenden  IV.  Gongress  der  Deutschen 
Dermatologischen  Gesellschaft  sind  bisher  folgende  Referate, 
Vorträge  imd  Demonstrationen  angemeldet: 

Hauptthemata:  1.  Die  modernen  Systematisirungsversuche  in  der 
Dermatologrie.  Referent:  Kaposi  (Wien).  Discussion:  Schwimmer  (Pest). 
2.  Der  angenblickliche  Stand  der  Dermatomycosenlehre.  Ref. :  Piek  (Prag). 


320  Varia. 

Femer  Bind  angemeldet: 

Dofflonttration  ¥«ii  Culturen:  Wintemitz,  Kroesing. 

Vorträge  und  Defflonttrttionen  Ober  Gonerriioe,  Endoskopie  etc.  von 
Grünfeld,  Jacobi,  Jadassohn,  Koch,  Kollmann,  Loewen- 
hardt,  Lohnstein,  A.  Neisser,  Putzler,  Schäffer,  Steinschnei- 
der etc. 

DermatologiocheVortrlge:  Caspary  (Erythema exsudativum).  Dout- 
relepont  (Die  Hanttuberculose),  Friedheim  (Einwirkung  von  Säuren 
auf  die  Haut),  van  Hoorn  (Thema  vorbehalten),  Joseph  (Üngewöhnl. 
Ichthyosisformen),  Lasch  (Urticaria  factitia).  Ledermann  (Resorbin), 
Lesser  (Herpes  zoster),  Mracek  (Aetiologie  der  toxischen  Erytheme). 
Neuberger  (Liehen  ruber),  B i e h  1  (HauttubercuL),  Rosenthal  (Blasen- 
bildende  AfTect.  der  Mundschleimhaut),  Saalfeld  (Phaneroskopie  und 
Glasdruck),  Schwimmer  (Hysterische  Hautgangran),  vonSehlen  (Ekzem 
und  Schleimhanterkrankung),  Staub  (Erythromelalgie,  Therapie  der  Haut- 
actinomycose),  Winternitz  (Allgemeinwirkung  hautreizender  Stoffe). 

Syphilidologisehe  Vorträge  und  Oemonotrationen:  Block  (Bubonenbe- 
handlung),  Lues  und  Tuberculose  (Hochsinger,  Jadassohn,  A.  Neie«- 
ser),  Marschalko  (Spätlues),  J.  Neumann  (Syphilis  der  Speicheldrüsen). 

Dermatologiocbe  Vortrfige  mit  Demonstrationen:  Arning  (visc.  Lepra), 
Dreysel  und  Oppler  (Eleidin),  Ehr  mann  (Lymphgefasse  der  männl. 
Genitalien),  Fabry  (Urticaria  pigmentosa),  Galewski  (Lepröse  Tropbo- 
neurose),  Halle  (Hautmodelle),  Kroesing  (Zur  Lupusbehandlung),  Mi- 
kulicz (Angiombehandlung),  Münchheimer  (Herpes zoster),  A. Neisser 
(Molluscum  contagiosum),  Buffer  (Carcinom-Psorospermien) ,  Touton 
(Molluscum  contagiosum). 

Krankendemonstrationen  von  Ghotzen,  Jadassohn,  A.  Neisser. 


Der  Coiigre§§  amerikanischer  Aerzte  und  Chirurgen  wird  zu 
Washington  vom  29.  Mai  bis  1.  Juni  1694  abgehalten  werden.  Präsident 
der  dermatologischen  Section  ist  Robert  Morison,  Baltimore. 

Die  von  der  dermatologischen  Section  zur  Discnssion  gestellten 
Themata  lauten:  Ausbreitung  und  Controlle  der  Lepra  in  den  Vereinigten 
Staaten.  1.  Die  Ausbreitung.  Befer.:  Prof.  Dr.  J.  N.  Hyde,  Chicago. 
Correferenten:  Prof.  Dr.  W.  A.  Hardaway,  St  Louis  und  Dr.  J.  E. 
Graham.  2.  Prophylaxe  und  Behandlung.  Beferent:  Prof.  Dr. 
J.  C.  White,  Boston.  Correferenten:  Prof.  Dr.  G.  H.  Fox,  New  York, 
W.  C.  Wyman  und  Prof.  Dr.  Joseph  D.  Bryant. 


Arthiv  (  Oprtri.3riilüqie  u  Svptiil.'.  Band    XÖ'Il. 


^p}    &",;■ 


Archiv  f  Dermaioloaie  u  Svohilis  Band   XWIl 


Siiiogler'Vbflrd.  sogen. Sa  mrnimnsistulis. 


Originalabhandlungei] . 


ArchlT  f.  Dermatol.  n.  Syphll.  Band  XXVll.  21 


lieber  die  Behandlung  der  Psoriasis  mit 
grossen  Dosen  von  Jodkalimn,  nebst  Be- 
merkungen über  die  Jod  Wirkung. 


Von 

Dr.  Seifert, 

PrivAidocent  In  WUrzborg. 


Die  Psoriasis  gehört  zu  jenen  Krankheiten  der  Haut,  über 
deren  Wesen  wir  trotz  sorgfaltiger  Untersuchungen  noch  wenig 
Sicheres  wissen.  So  lange  wir  eine  Einsicht  in  das  Wesen 
dieses  Erankheitsprocesses  nicht  gewinnen,  wird  uuser  therapeu- 
tisches Handeln  noch  kein  zielbewusstes  sein  können  und  auch 
noch  die  eine  Hauptfrage  unerledigt  bleiben,  ob  wir  mehr  Ton 
einer  externen  oder  mehr  von  einer  internen  Behandlung 
erwarten  können.  Es  steht  ja  ausser  Zweifel,  dass  durch  eine 
ganze  Beihe  von  externen  Behandlungsmethoden:  Chrysarobin, 
Pyrogallussäure,  Naphthol,  Anthrarobin,  Hydra cetin,  Hydro- 
xylamin,  Aristol,  Europhen,  Gallanol,  Gallactophenin  etc.  Psoriasis 
geheilt  werden  kann,  aber  eine  solche  Heilung  stellt  immer 
nur  eine  temporäre  dar,  früher  oder  später  kommen  Becidive, 
ohne  dass  wir  die  Macht  besitzen,  sie  hintanzuhalten.  Einzelne 
dieser  stärker  wirkenden  Medicamente  wie  Chrysarobin,  Pyro- 
gallussäure, Hydroxylamin  zeichnen  sich  auch  noch  unvortheil- 
haft  aus  durch  ihre  unangenehmen  und  nicht  immer  ungefähr- 
lichen Nebenwirkungen.  Unter  solchen  Umständen  ist  es  nicht 
zu  verwundern,  dass  ausser  der  externen  Behandlungsmethode 
auch  inmier  wieder  das  eine  oder  andere  Mittel  für  den  internen 
Gebrauch   empfohlen  wird.     Zu  jenen  Mitteln,  welche  sich  am 

21* 


324  Seifert. 

längsten  behauptet  haben,  gehört  der  Arsenik  und  das  Jod- 
kalium. Wir  haben  auf  unserer  Abtheilung  früher  Tielfach  Ge- 
brauch gemacht  vom  Arsenik  mit  wechselndem  Erfolge ;  zu  der 
Zeit,  als  ich  die  Syphilido-Klinik  übernahm  (1887),  waren  die- 
selben so  wenig  befriedigend,  dass  ich  mit  Freuden  die  Empfeh- 
lung des  Jodkaliums  durch  Haslund^)  begrüsste  und  sogleich 
eine  Reihe  Ton  Psoriasisfallen  nach  der  von  ihm  Torgeschlagenen 
Methode  behandelte.  Aus  der  Arbeit  von  Haslund  geht  herror, 
dass  die  erste  Empfehlung  des  Jodkaliums  bei  Psoriasis  zurück- 
führen ist  auf  Greves'),  der  sowohl  bei  Erwachsenen  als  bei 
Kindern  gute  Erfolge  von  dessen  Anwendung  sah,  wenn  es  in 
allmälig  steigender  Dosis  gegeben  wurde.  Wenn  der  Patient 
bis  zu  4  Gr.  in  täglicher  Dosis  gelangt  war,  fing  das  Mittel  an, 
seine  günstige  Wirkung  auf  die  Hautkrankheit  zu  zeigen,  aber 
erst  bei  täglicher  Dosis  von  10  Gr.  ging  es  rapid  besser.  Er 
hat  beobachtet,  dass  zuerst  Kopf  und  Hals,  dann  Truncus  und 
zuletzt  die  Extremitäten  glatt  werden.  Eine  schädliche  Wirkung 
der  grösseren  Dosen  Jodkaliums  will  er  nie  beobachtet  haben. 

Boeck')  fugt  dem  Referate  über  diesen  Artikel  einen  Fall  aus 
seiner  eigenen  Praxis  hinzu,  ein  5j  ähriges  Mädchen  betreffend,  das  an 
einer  fast  universellen  Psoriasis  litt ;  nach  Gebrauch  von  79  Gr.  Jodkalinm 
war  die  Krankheit  in  gutem  Rückgange. 

Haslund*)  berichtet  nun  über  eine  stattliche  Anzahl  von  Fällen, 
welche  mit  Jodkalium  in  steigender  Dosis  behandelt  wurden.  Unter  50 
Fällen  wurde  in  46  Fällen  völlige  Genesung  durch  die  Cur  erreicht, 
während  4  Fälle  bedeutende  Besserung  zeigten,  in  6  Fällen  ist  kein 
Resultat  erzielt  worden,  indem  die  Psoriasis  bei  dem  Abschluss  der  Cur 
ganz  unverändert  geblieben  ist,  oder  sich  reichliche  neue  Efflorescenzen 
zeigten  zur  selben  Zeit,  wo  die  alten  fast  verschwunden  waren.  Die 
Dauer  der  Behandlung  war  sehr  verschieden,  im  Durchschnitt  wenig  mehr 
als  7  Wochen.  Dem  entsprechend  war  die  g^nze  Menge  von  Jodkaliom, 
welche  gebraucht  wurde,  um  die  Krankheit  zu  heilen,  sehr  verschieden 
gross.  Was  die  Männer  betrifft,  so  variirte  sie  von  160—1390  Gr.,  was 
die  Frauen  angeht,  von  526—1828  Gr.  und  für  die  Kinder  von  277  bis 
1520  Gr.  In  den  meisten  Fällen  sah  man,  dass,  wenn  die  Krankeit  ein- 
mal zu  schwinden  angefangen  hatte,  es  dann  nur  kurze  Zeit  dauerte,  bis 
die  Haut  glatt  war;  in  einzelnen  Fällen  fand  dieser  Rückgang,   wenn  er 


')  Vierteljahrsschrift  f.  Dermat.  u.  Syph.  1887. 
»)  Tidsskrift  for  prakt.  Medic.  16.  1881. 
')  Vierteljahrsschrift  f.  Dermat.  1882.  3. 
*)  1.  c. 


Ueber  die  Behandl.  der  PBoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     325 

begonnen,  so  rapid  statt,  dass  eine  sehr  aasgebreitete  Efflorescenz  im 
Laufe  einer  Woche  oder  in  noch  kürzerer  Zeit  fast  ganzlich  ver- 
schwnnden  war. 

Das  Jodkali  wurde  in  der  Weise  yerabreicht,  dass  mit  einer  LÖsong 
von  10  Gr.  Jodkali  auf  200  Gr.  Wasser  angefangen  wurde,  wovon  der 
Patient  1  Esslöffel  voll  4mal  täglich  bekam.  Bei  kleinen  Kindern  wurde 
mit  5  Gr.  auf  100  Gr.  angefangen.  Nach  2—3  Tagen  wurden  6  Essloffel 
täglich  genommen,  nach  weiteren  2  Tagen  8  Löffel  und  so  fort,  bis  der 
Patient  12  Löffel  erreichte,  was  also  die  ganze  Portion  ausmachte.  Hatte 
der  Patient  ein  paar  Tage  hindurch  die  ganze  Portion  eingenommen,  so 
wurde  die  folgende  Portion  zu  12  :  200  verschrieben  und  so  fort,  alle 
2 — 8  Tage  die  Auflösung  2  Gr.  stärker  als  die  frühere  genommen.  Für 
reichliche  Wasserzufuhr  besonders  nach  den  stärkeren  Dosen  wurde  gesorgt. 
Haslund  hat  einem  seiner  Patienten  bis  zu  50  Gr.  p.  die  gegeben. 

Es  ist  Haslund  aufgefallen,  dass  die  Patienten  so  grosse  Dosen 
gut  vertragen  konnten,  nur  in  dem  einen  Fall,  der  bis  zu  50  Gr.  täglich 
gestiegen  war,  handelte  sich  um  ernstlichere  Erscheinungen  von  Jodismus, 
bestehend  in  einer  gewissen  Abgestumpftheit,  der  Unfähigkeit  die  Gedanken 
zu  sammeln,  Verwirrtheit,  Kopfweh,  Ohrensausen,  Herzklopfen.  Am  fol- 
genden Morgen  war  der  Herzschlag  ziemlich  tumultuarisch  und  die  Töne 
unrein,  aber  bei  der  Untersuchung  wurde  sonst  nichts  Abnormes  beobachtet, 
kein  Steigen  noch  Fallen  der  Temperatur.  Diese  Erscheinungen  von  Herz- 
parese  gingen  bald  vorüber. 

Absolute  Idiosynkrasie  gegen  Jodkalium  hat  Haslund  nur  einige 
Male  beobachtet. 

Die  meisten  der  Patienten  hatten  nach  überstandener  Krankheit  an 
Gewicht  zugenommen  und  für  mehrere,  welche  an  Gewicht  abgenommen 
hatten,  waren  besondere  Verhältnisse  geltend  zu  machen,  die  einen  solchen 
Verlust  erklären  konnten. 

Aus  seinen  Beobachtungen  zieht  Haslund  den  Schluss,  dass  wir 
im  Jodkalium  in  grossen  Dosen  gegeben,  ein  Mittel  besitzen,  das  mit 
ziemlicher  Sicherheit  vermag,  einen  Ausbruch  der  Psoriasis  zu  heilen,  femer, 
dass  wir  gegenwärtig  kein  Mittel  kennen,  das,  innerlich  gebraucht,  in  so 
kurzer  Zeit,  wie  dieses  heilend  wirkt.  Ueber  das  Auftreten  von  Becidiven 
konnten  bestimmte  Angaben  nicht  gemacht  werden,  weil  über  das  weitere 
Schicksal  des  grösseren  Theiles  der  Fälle  jede  Nachricht  fehlt.  Ueber  die 
Weise,  wie  das  Jodkalium  wirkt  und  heilend  wirkt,  haben  die  Versuche 
von  Haslund  nicht  Licht  schaffen  können. 

Von  Interesse  sind  noch  die  Beobachtungen,  welche  Haslund 
über  das  Verhalten  des  Pulses  gemacht  hat.  Nur  einige  Male  zeigte  sich 
ganz  vorübergehend  eine  leichte  Unregelmässigkeit  des  Pulses.  Die 
Schnelligkeit  des  Pulses  wurde  stets  durch  die  grossen  Dosen  von  Jod- 
kalium vermehrt.  In  den  ersten  10— 14  Tagen  stieg  der  Puls  gewöhnlich 
bis  100,  ging  dann  langsam  hinauf  bis  auf  130,  bei  Einzelnen  sogar  bis 
140  Schläge  in  der  Minute.  Von  einer  Einwirkung  auf  die  Körpertempe- 
ratur ist  in  dem  Aufsatze  nirgends  die  Rede. 


326  Seifert. 

Molesnei*)  hat  Jodkalinm  bei  Psoriasis  ebenfalls  angewandt,  anm 
Theil  in  noch  grosseren  Dosen  als  Haslund. 

Auf  der  dermatologischen  Klinik  in  Breslau  sind  eine  ganze  Reihe 
Ton  Psoriasisfallen  mit  Jodkalinm  behandelt  worden  (s.  Bienstock') 
Es  hat  sich  ergeben,  dass  Dosen  von  27  Gr.  Jodkalinm  pro  die  mit 
reichlich  Milch  gegeben,  ohne  Nachtheil  yertragen  worden,  daas  aber 
eine  wirkliche  Heilwirkung  in  keinem  einzigen  der  Fälle  eonstatärt 
werden  konnte. 

Doatrelepont*)  stellte  in  der  niederriieinischen  Gresellschaft  in 
Bonn  eine  Patientin  vor,  die  von  ihrer  universellen  Psoriasis  dorch  Jod- 
kalinm geheilt  worden  war.  Die  Patientin  hatte  in  102  Tagen  allmälig 
1920  Gr.  Jodkalinm  eingenommen,  die  grösste  Tagesdosis  betrog  28  Gr. 
Die  Patientin  hat  diese  grosse  Dosen  sehr  got  vertragen  ond  sich  während 
des  Aofenthaltes  in  der  Klinik  sehr  gekräftigt.  Aosser  diesem  Falle  sind 
in  der  Poliklinik  noch  2  mit  Psoriasis  behaftete  Patienten  mit  grossen 
Dosen  Jodkali  behandelt  ond  geheilt  worden. 

Barduzzi*)  sah  in  3  Fällen  von  inveterirter  Psoriasis  vom  in- 
neren Gebrauch  des  Jodkali  sehr  g^ten  Erfolg.  Er  liess  die  Cur  mit 
1*0  pro  die  beginnen  und  jeden  5.  Tag  um  1  Gr.  steigen,  bis  die  tägliche 
Dosis  von  7  Gr.  erreicht  war.  Zu  so  heroischen  Dosen,  wie  Haslund 
sie  anwendet,  stieg  Barduzzi  nie,  er  hält  solche  auch  nicht  für  noth- 
wendig,  da  er  bereits  mit  der  Maximaldosis  von  7  Gr.  eine  auffallende 
und  andauernde  Besserung  der  Psoriasis  erzielte. 

Gutteling')  berichtet  über  22  Fälle  von  Psoriasis,  welche  in  der 
Klinik  und  Poliklinik  von  van  Haren  Koman  zu  Amsterdam  mit  Jod- 
kali behandelt  wurden.  Von  diesen  Fällen  wurden  5  völlig  geheilt  (1  mal 
nachdem  einRecidiv  eingetreten),  5  zeigten  nur  noch  spärliche  Reste,  als 
sie  sich  der  Behandlung  entzogen,  5  sind  fast  ganz  geheilt  und  7  sind 
gebessert,  doch  konnte  Heilung  nicht  erzielt  werden,  zum  Theil  wegen 
beträchtlichem  Jodismus.  Im  Allgemeinen  wurde  Jodkali  auch  in  grosseren 
Dosen  gut  ertragen.  Die  Patienten  nahmen  an  Körpergewicht  zu.  Albu- 
minurie wurde  nicht  beobachtet.  Die  Pulsfirequenz  war  bis  100  und  120 
erhöht.  Es  wurde  das  Jodkalium  bis  zu  Tagesdosen  von  30—40  ja  57  Gr. 
und  in  Totaldosen  von  2*3  und  3*7  Kg.  gegeben.  Die  Erfolge  haben  dem- 
nach den  Verfasser  nicht  befriedigt,  es  scheinen  ihm  nur  die  recenten 
Fälle  für  das  Jodkalium  geeignet  zu  sein. 

Fabry')  theilt  in  seinem  Aufsatz  „zur  Behandlung  der  Psoriasis, 
insbesondere   mit  Hydroxylaminum  muriaticum''   mit,  dass  in  der  Klinik 


')  VircL-Hirsch.  1889. 

^)  Zur  Therapie  der  Psoriasis.   Dissert.  Breslau.  1888. 

*)  Beri.  klin.  Wochenschr.  14.  1888. 

*)  Gazz.  degli  ospitali.  17.  1889. 

*)  Nederl.  Tijdschr.  v.  Geneeskunde.  17.  1889. 

*)  Vierteljahrschr.  f.  Dermat.  u.  Syphil.  1889.  2. 


deber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.  327 

von  Doutrelepont  bei  einer  Reihe  von  Psoriasiskranken  Jodkalium  in 
kleinen  Dosen  (von  einer  ö*/»  Lösnng  zwei  bis  sechs  Esslöffel  pro  die)  als 
die  örtliche  Medication  unterstützendes  Heilmittel  verabreicht  wurde. 

S ho maoker*)  empfiehlt  auser  versehiedenen  anderen  Mitteln  auch 
Jodkali,  doch  ist  ans  dem  Referat  über  diesen  Auisats  nicht  ersichtlich, 
nach  welcher  Vorschrift  und  mit  welchem  Erfolg  das  Mittel  gegeben 
wurde. 

Luciani^)  behandelte  einen  ÖSj&hrigen  Mann,  der  schon  seit  seinem 
17.  Lebensjahre  an  Psoriasis  litt,  welche  aUen  Heüungsversuchen  wider- 
standen hatte,  mit  Jodkali  in  steigenden  Dosen  von  8  bis  16  Gr.  pro  die. 
Schon  nach  20  Tagen  war  eine  wesentliche  Besserong  erzielt  worden. 
Erscheinungen  Ton  Jodismns  wurden  nicht  beobachtet,  ebensowenig 
gastrische  Störungen.  Da  neben  dem  innerlichen  Gebrauche  des  Jod- 
kalium  auch  eine  örtliche  Behandlung  (Creolin-  und  Ichthyolsalbe)  einge* 
leitet  wurde,  dürfte  im  vorliegenden  Falle  die  Involution  der  Psoriasis 
nur  zum  Theil  auf  Rechnung  des  Jodkali  zu  setzen  sein. 

In  einem  Aufsatze  von  Nielsen')  über  Herpes  zoster  findet  sich 
als  gelegentliche  Bemerkung,  dass  in  dem  Gommunehospital  in  Kopenhagen 
eine  grosse  Anzahl  von  Psoriasisfallen  mit  JodkaHum  in  grossen  Dosen 
behandelt  worden  sei. 

Polotebnoff)  hat  nur  in  einem  Falle  von  Psoriasis  grosse  Dosen 
Jodkali  gegeben,  allerdings  ohne  Erfolg. 

Gamberini^)  sah  vom  Jodkali  in  grossen  Dosen  keine  Wirkung. 

Kaposi*)  kann  dem  Jodkali,  wenn  es  consequent  gegeben  wird, 
eine  Wirksamkeit  auf  die  Psoriasis  nicht  absprechen. 

Mapother^  empfiehlt  ausser  Quecksilber  äusserlich  auch  Protojodid 
innerlich. 

Kor  ton*)  gibt  von  seiner  JodwasserstofiiBäure-Miztur  1 — 2  Thee- 
löffel  voll  3  Mal  taglich  bei  Psoriasis.  1  Theelöffel  voU  des  Syrups  ent« 
spricht  0*3  JodkalL  Der  Aufsatz  von  de  Mol^nes')  über  die  Wirkung 
des  Jodkalium  in  grossen  Dosen  auf  den  Organismus  und  seine  Anwendung 
bei  Psoriasis  ist  mir  nicht  zugänglich  gewesen. 


')  The  med.  Register.  Philadelphia.  10.  Nov.  1888. 

')  Contrib.  alla  cura  della  psoriasi  con  forti  dosi  di  joduro  di  po- 
tassio.  Lo  speriment.  4.  1889. 

*)  lieber  das  Auftreten  von  Herpes  zoster  während  Arsenikbehand* 
lung.   Monatsh.  f.  prakt.  Dermatol.  XL  1890. 

*)  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  Ergänzungsheft  L   1891. 

')  Giom.  ital.  d.  mal.  vener.  e  d.  pelle.  IV.  1892. 

•)  Lehrb.  11.  Aufl. 

^  The  brit.  med.  Joum.  1891. 

*)  The  med.  and  surg.  Report.  20.  1890. 

*)  Arch.  gener.  de  med.  Juin  1889. 


328  Seifert. 

Dnbois-Habenitli  *)  ist  der  Ansicht,  dass  ebensowenig  wie 
Arsenik  so  anch  Jodkalium  ein  Specificnm  gegen  Psoriasis  sei. 

Auch  Wolff)  scheint  in  einzebien  Fällen  von  Psoriasis  grosse 
Dosen  Jodkalinm  zu  geben,  wie  man  aus  einer  Bemerkung  in  seinem 
Vortrag  über  Syphilis  hereditaria  tarda  schliessen  kann. 

In  Betreff  der  JodkaHumtherapie  macht  Hillebrand*)  dsnuif 
aufmerksam,  dass  bei  Kindern  und  alten  Leuten  in  Bezug  auf  die  Dosis 
etwas  grössere  Vorsicht  erforderlich  sei  als  bei  Erwachsenen. 

Lang*)  hat  einem  Psoriasis-Eranken  grosse  Dosen  Jodkalinm  ge- 
geben, doch  ündet  sich  in  der  im  Archiv  mitgetheilten  Notiz  nichts  über 
die  Wirkung  dieses  Mittels  auf  die  Psoriasis  angegeben,  der  Patient  hatte 
ausser  der  Psoriasis  eine  Geschwulst  im  linken  Hoden,  die  anfsrngs  für 
Syphilis  gehalten  werden  musste,  nach  der  Exstirpation  sich  aber  als 
Sarkom  erwies. 

Nach  Crocker')  beeinflusst  JE  in  sehr  grossen  Dosen  günstig 
die  Psoriasis. 

Aus  dieser  ZusammenstelluDg  geht  hervor,  dass  im  All- 
gemeinen die  Jodtherapie  der  Psoriasis  wenig  Anhänger  gefunden 
hat,  60  dass  es  von  Interesse  sein  wird,  von  den  Erfahrungen 
Mittheilnng  zu  machen,  die  wir  mit  der  Jodtherapie  auf  der 
Abtheilung  für  Hautkrankheiten  im  Juliusspital  gemacht  haben. 

Meine  Beobachtungen  datiren  aus  dem  Jahre  1888.  Es 
wurden  im  Ganzen  13  Fälle  von  Psoriasis  mit  Jodkali  be- 
handelt, deren  Krankengeschichten  im  Folgenden  mitgetheilt 
werden: 

L  Gruppe. 

1.  S.  Rosine,  17  Jahre  alt,  Dienstmädchen.  Heredität  nicht  nach- 
weisbar. Patientin  war  schon  vom  11. /IX.  1886  bis  lO^UI.  1887  wegen 
Psoriasis  universalis  in  Spitalbehandlung  und  mit  den  verschiedensten 
inneren  nnd  äusseren  Mitteln  behandelt  worden,  bis  sie  schliesslich  als 
temporar  geheilt  entlassen  werden  konnte.  Schon  2  Monate  nach  der 
Entlassung  traten  an  den  Streckseiten  der  Extremitäten  wieder  Psoriasis- 
Flecke  auf,  welche  die  Patientin  zu  abermaligem  Eintritt  in  das  Spital 
veranlassten.  Status  B^IV,  1888.  Patientin  gross,  kräftig  gebaut,  wohl- 
genährt. 

Psoriasis  guttata  et  numularis  am  Rumpfe  und  an  den  Extremitäten; 
Handteller,  Fusssohlen  und  Gesicht  frei. 

Körpertemperatur  normal,  Puls  80. 


')  La  policlinique.  6.  1892. 

»)  Volkm.  Vorträge.  Nr.  93. 

')  Arch.  f.  Dermat.  1892. 

*)  Archiv  f.  Dermat.  u.  Syphil.  XXIV.  2.  1892  p.  341. 

^)  Brit.  med.  Joum.  28.  Oct.  1893. 


Ueber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     329 

Ordination:  Eal.  jodat.  10*0,  Aq.  destil.  200*0  4  Mal  taglich  1  Ess- 
löfiel  voll. 

19./IY.  Die  Hant  der  Extremitäten  durch  Abfall  des  grössten  Theiles 
der  Schuppen  und  Blasser-  und  Flacherwerden  der  Plaqnes  glatter  ge- 
worden. Da  Patientin  über  Magenbeschwerden  klagt,  muss  Jodkali  für 
einen  Tag  ausgesetzt  werden.  Die  Temperatur  ist  in  diesen  Tagen  normal 
geblieben,  die  Pulsfrequenz  hie  und  da  auf  10€ — 112  gestiegen.' 

207IV.  Von  heute  ab  wieder  Jodkali  4  Mal  3  Esslöffel  voll  obiger 
Mixtur. 

25./iy.  Von  heute  an  15*0  Jodkali :  200*0  Aqua  destill.  10  £s$löffel 
taglich. 

8^y.  Patientin  ist  zu  20  Esslöffel  der  genannten  Mixtur  gestiegen, 
klagt  wieder  über  Magenschmerzen,  so  dass  abermals  ausgesetzt 
werden  muss. 

Temperatur  normal  geblieben,  Puls  ebenfalls  im  Allgemeinen  normal, 
nur  an  einzelnen  Tagen  hat  sich  eine  Erhöhung  auf  100 — 104  gezeigt, 
ohne  Herzklopfen  und  ohne  Enrzathmigkeit.  Allgemeinbefinden  war  bis 
heute  sehr  gut,  Körpergewicht  hat  zugenommen. 

Die  Psoriasisplaques  sind  bedeutend  abgeblasst,  Schuppung  nur 
noch  sehr  gering,  nur  am  rechten  Oberarm  sind  einige  frische  Plaques 
aufgetreten. 

Patientin  hat  im  Ganzen  370  6r.  Jodkali  genommen.  Ausser  einem 
wöchentlichen  Reinigungsbad  war  eine  weitere  Behandlung  nicht  vor- 
genommen worden.    Therapie  von  jetzt  an  Ghrysarobin-Traumatioin. 

14./V.  Die  Wirkung  des  Chrysarobins  ist  im  Vergleich  zur  Wirkung 
bei  früherem  Spitalaufenthalt  eine  überraschend  gute. 

Ueber  den  weiteren  Verlauf  ist  nichts  mitzutheilen,  da  Jodkali 
spater  nicht  mehr  gegeben  wurde. 

2.  Ziegler  Margarethe  18  Jahre  alt,  aufgenommen  am  l4./in  1888. 
In  der  Familie  eine  gleiche  Erkrankung  nicht  beobachtet.  Vor  einem 
halben  Jahre  wurden  die  ersten  Krankheitserscheinungen  an  den  Armen 
und  im  Gesicht  beobachtet.  Vor  3  Wochen  breitete  sich  der  zuerst 
geringfügige  Ausschlag  rasch  über  den  ganzen  Körper  aus. 

Status.  14./III.  1888.  Patientin  von  mittlerer  Grösse,  kraftig  gebaut, 
wohlgenährt.  Der  ganze  Körper  mit  Ausnahme  der  Hohlhand  und  der 
Fusssohlen  mit  Psoriasis  plaques  besetzt  (Psoriasis  numularis),  am  Rumpf 
und  im  Gesicht  confluiren  die  Plaques  stellenweise.  Ordination  2*0  Jod- 
kali pro  die. 

2SJJ11,  Die  Dosis  Jodkali  ist  pro  die  auf  4*0  gesteigert,  ohne  dass  irgend 
welche  Störungen  des  AUgemeinbetindens  aufgetreten  wären,  Temperatur 
und  Puls  sind  normal  geblieben,  die  Schuppung  im  Gesicht  und  am  Hals 
hat  bedeutend  abgenommen,  die  Plaques  sind  am  ganzen  Körper  blasser 
geworden. 

28./III.  Patientin  hat  in  den  letzten  Tagen  je  6*0  Jodkali  pro  die 
genommen.  Störungen  des  Allgemeinbefindens  haben  sich  nicht  bemerk- 
bar gemacht.    Temperatur   stets  normal.    Pulsfrequenz  einige  Male  stark 


330  Seifert. 

erhöht,  einmal  bis  zu  128  ohne  Herzklopfen,  ohne  Störungen  des  Allgemein- 
befindens, die  Psoriasis  bedeutend  vermindert.  Körpergewichtszunahme 
1  Pfund.  Patientin  hat  bisher  45  Gr.  Jodkali  genommen,  die  Entlassimg 
erfolgte  auf  dringenden  Wunsch  der  Patientin. 

In  diesen  beiden  Fällen  hat  die  innerliche  Darreichung 
von  Jodkali  einen  entschieden  günstigen  Einfluss  auf  die  Psori- 
asis ausgeübt,  leider  konnte  in  dem  ersten  Falle  die  Medication 
wegen  Magenschmerzen,  in  dem  zweiten  Falle  wegen  vorzeitigem 
Austritt  aus  dem  Spital  nicht  genügend  lange  fortgesetzt  werden. 

In  Fall  1  zeigte  sich  nach  Aussetzen  des  Jodkali  eine  im 
Gegensatze  zur  früheren  Spitalbehandlung  auffallend  rasche 
und  günstige  Wirkung  der  Localbehandlung  mit  Chrysarobin, 
entsprechend  den  Beobachtungen  Fahr y^s.  Abgesehen  Ton  den 
Magenbeschwerden  in  Fall  1  haben  die  yerhältnissmässig  grossen 
Dosen  Jodkali  das  Allgemeinbefinden  nicht  gestört,  das  Körper- 
gewicht hat  in  beiden  Fällen  unter  dieser  Behandlung  zuge- 
nommen. Die  Körpertemperatur  blieb  stets  normal,  dagegen 
wies  die  Pulsfrequenz  eine  zum  Theil  recht  beträchtb'che  Stei- 
gerung auf,  einmal  bis  zu  128.  Ich  werde  auf  diesen  lezteren 
Punkt  später  noch  zurückkommen. 

II.  Gruppe. 

8.  Weinert  August,  89  Jahre  alt«  In  der  Familie  ist  die  ghiche 
Erkrankung  noch  nicht  beobachtet  worden.  Vor  12  Jahren  Beginn  der 
Erkrankung.  Patient  war  schon  mehrfach  in  Spitalbehandlung,  hier  zum 
1.  Male  vom  8./VI.— 27./Vin.  1887,  er  wurde  damals  mit  Chryaarobin  und 
Pyrogallussäure  behandelt  und  als  gebessert  entlassen.  Anfangs  Januar 
1888  bemerkte  Patient  wieder  Ausschlag  an  den  Oberarmen,  in  den  fol- 
genden Wochen  verbreitete  sich  die  Erkrankung  ziemlich  rasch  über  den 
ganzen  Körper. 

Status  8./yi.  1888:  Patient  mitfelgross,  sehr  kraftig  gebaut,  wohl- 
genährt. Psoriasis  numularis  et  gyrata  verbreitet  über  Extremitäten, 
Rumpf,  behaarten  Kopf,  Gresicht  frei.  An  den  volae  man.  und  an  den 
Plantae  pedum  einzelne  Plaques. 

Ordination :  Von  einer  Jodkalimixtur  10  :  200  nimmt  Patient  täglich 
4  Esslöffel  voll. 

5./yi.  Patient  hat  massig  starken  Jodschnupfen.  Körpertemperatur 
morgens  auf  38*0  gestiegen,  Puls  auf  120.  Jodkali  ausgesetzt. 

7./VI.  Jodschnupfen  beseitigt,  Temperatur  und  Puls  normal. 

15./ VT.  Die  Dosis  Jodkali  war  auf  12*0  gesteigert  worden,  die  Tem- 
peratur normal  geblieben,  die  Pulsfrequenz  einige  Male  bis  auf  100  ge- 
stiegen.   Die   Schuppen   fangen   an  abzufallen   und   die   Psoriasisplaqnes 


üebep  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     331 

blasser  zn  werden,  neue  sind  nur  wenige  hinzugekommen.  Aussetzen  der 
Medication  wegen  Magenbeschwerden  vom  15. — 19. 

27./yi.  Die  Dosis  des  Jodkali  war  in  diesen  Tagen  von  12*0  auf 
16*0  gesteigert  worden,  hatte  nur  an  einem  Tage  geringe  Magenbeschwerden 
verursacht,  so  dass  nicht  ausgesetzt  werden  musste,  Temperatur  normal 
geblieben,  Pulsfrequenz  mehrmals  auf  108  gestiegen.  Die  Psoriasisplaques 
an  der  Innenfläche  und  am  grössten  Theile  des  Bumpfes  fast  vollständig 
zurückgegangen. 

ll./yil.  Die  tägliche  Dosis  des  Jodkali  hat  jetzt  die  Höhe  von 
32*0  erreicht.  Temperatur  und  Pulsfrequenz  normal  geblieben.  Am  be- 
haarten Kopfe,  an  den  Streckseiten  der  Extremitäten  noch  eine  Anzahl 
von  Plaques,  die  von  jetzt  an  einer  localen  Behandlung  mit  Ghrysarobin 
unterzogen  werden  (am  Kopfe  Praecipi tatsalbe).  Daneben  bekommt  Pat. 
Jodkali  weiter. 

81. /MI.  Tägliche  Dosis  Jodkali  34*0.  Die  Psoriasisplaques  sämmtlich 
beseitigt,  aber  nicht  mit  Hilfe  des  Chrysarobius,  sondern  mit  Hilfe  von 
Anthrarobin,  da  ersteres  schon  am  ersten  Tage  eine  heftige  Dermatitis 
hervorgerufen  hatte. 

9./Vni.  Pat.  als  temporär  gebeilt  entlassen.  Das  Allgemeinbefinden 
war  diese  ganze  letzte  Zeit  über  ein  vortreftliches,  das  Körpergewicht 
hatte  eine  Zunahme  von  4'Ö  Ko.  erfahren  (von  65-5  auf  69*0).  Anthrarobin 
hatte  einen  raschen  und  vollständigen  Heileffect  bedingt.  Gesammtdosis 
des  genommenen  Jodkali  872  6r. 

4.  Schlereth  Bruno,  42  Jahre  alt.  Im  Alter  von  18  Jahren  zum  ersten 
Male  an  Psoriasis  erkrankt,  zum  letzten  Male  vor  2  Jahren,  damals  mit 
Ghrysarobin  behandelt.  Heredität  nicht  nachweisbar. 

Status  1  l./V.  1888 :  Patient  gross,  kräftig  gebaut,  ziemlich  gut  genährt. 
An  der  Streckseite  der  Extremitäten  Psoriasis  numularis,  am  Rumpf  und 
im  Gesicht  vereinzelte  Plaques  von  verschiedener  Grösse. 

Ordination:  Jodkali  3*0  pro  die. 

13./Y.  Schon  gestern  Abend  ist  die  Pulsfrequenz  auf  108  angestiegen, 
die  Temperatur  auf  37*7.  Heute  ebenfalls  erhöhte  Temperatur  und  Puls- 
frequenz. 

14./y.  Fieber,  Kopfschmerzen,  Acne  jodica.  Jodkali  ausgesetzt. 

18./V.  Temperaturabfall.  Die  Jodacne  im  Gesicht  sehr  ausgebreitet. 

19./V,  Von  Neuem  Jodkali  zu  4'Ö  pro  die. 

24W.  Massiger  Jodschnupfen.  Temperatur  normal  geblieben,  aber 
die  Pulsfrequenz  häufig  über  100  erhöht.  Jodkali  7*0  pro  die.  Die  Schuppen 
im  Gesicht  und  am  Rumpf  abgefallen,  die  Plaques  ganz  blass,  an  den 
Extremitäten  noch  wenig  Wirkung  vom  Jodkali  zu  bemerken. 

30./y.  Die  Tagesdosis  Jodkalium  beträgt  11*0.  Gesicht  und  Rumpf 
ganz  frei  von  Psoriasis,  an  den  Extremitäten  sind  die  Schuppen  abgefallen 
und  die  Plaques  blass  geworden.  Jodkali  ausgesetzt. 

liyVI.  Die  letzten  Reste  der  Psoriasis  gingen  ganz  rasch  weg  auf 
Chrysarobin-Traumaticinanwendung.  Obgleich  in  den  letzten  Wochen  das 
Allgemeinbefinden  ganz  gut,  Körpertemperatur  normal  geblieben  war,   ist 


332 


Seifert. 


Temperatur 
Pulsfrequenr 


dennoch  das  Körpergewicht  von  58*5  Kilo  auf  55*0  Kilo  heruntiergegangen. 
Gesammtdosis  des  Jodkaliums  220  6r. 

5.  Kuhn  Pauline,  28  Jahre  alt,  Hereditat  nicht  nachweisbar.  Erstes 
Auftreten  der  Hautkrankheit  im  18.  Lebensjahre,  seit  dieser  Zeit  zahlreiche 
Bückfalle,  mehrfache  Spitalbehandlung. 

Status  11. /XL  1888:  Patientin  kraftig  gebaut,  wohlgenährt,  Psoriasis 
guttata  an  den  Streckseiten  der  Extremitäten,  Psoriasis  numularis  in  der 
Glutaalgegend,  der  übrige  Rumpf  und  der  Kopf  frei. 

Ordination:  Kai.  jodat.  3*0  pro  die. 

19./XI.  Tagesdosis  des  Jodkali  auf  7*5  gesteigert.  Die  Schuppenbildung 
entschieden  geringer,  die  Plaques  wesentlich  blasser  geworden,  neue  Nach- 
schübe nicht  beobachtet.  Jodkali  wurde  bisher  sehr  gut  vertragen,  an  ein- 
zelnen Tagen  nur  geringer  Jodschnupfen  und  massige  Erhöhung  der  Puls- 
frequenz bis  auf  100  beobachtet,  ohne  Herzklopfen  oder  anderweitige 
Störungen  des  Allgemeinbefindens. 

8./Xn.  In  der  letzten  Zeit  auch  Jodkali  weniger  gut  vertragen,  der 
Schnupfen  machte  sich  in  unangenehmerer  Weise  bemerkbar,  dazu  kamen 
auch  öfters  heftige  Kopfschmerzen,  so  dass  das  Mittel  einige  Male  aus- 
gesetzt werden  musste.    Die   Pulsfrequenz  stieg  manchmal  bis  zu  116  an, 


Ueber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     333 


die  Körpertemperatur  bis  auf  37*8.  Die  Besserung  der  Psoriasis  hat  in  der 
letzten  Zeit  keine  wesentlichen  Fortschritte  gemacht.  Jodkali  wird  nun 
ganz  ausgesetzt  und  die  Reste  der  Psoriasis  sollen  mit  Chrysarobin-Trau- 
maticin  beseitigt  werden. 

7./I.  1889.  Patientin  als  temporär  geheilt  entlassen.  Chrysarobin- 
Wirkung  war  eine  sehr  rasche  und  vollständige.  Körpergewicht  um  1  Kilo 
gestiegen  (von  62*6  auf  68*5).  Gesammtdosis  des  verabreichten  Jodkalium 
270  Gr. 

6.  Beck  Greorg,  16  Jahre  alt,  Heredität  nicht  nachweisbar.  Patient 
will  die  Hautkrankheit  schon  in  frühem  Kindesalter  bekommen  haben. 

Status  21. /n.  1889:  Patient  kräftig  gebaut,  wohlgenährt.  Psoriasis 
punctata  et  numularis  der  Extremitäten,  des  Rumpfes  und  des  behaarten 
Kopfes;  Gesicht  und  Hals  frei. 

Ordination:  Kalijodat  1*5 
pro  die. 

24./n.  Kali jod.  30  pro  die. 

26./II.  Gestern  Abend  Stei- 
gerung der  Pulsfrequenz  auf  106, 
Temperatur  war  normal.  Heute 
Morgen  96  Puls,  Temperatur  36*6. 
Pat.  klagt  über  Kopfschmerzen. 
Abends  plötzliche  Temperatur- 
steigerung auf  89*4,  Puls  100. 
Patient  hatte  seine  Tagesdosis 
schon  genommen.  Keine  Störung 
des  Allgemeinbefindens. 

27yn.  Heute  Temperatur- 
abfall, Allgemeinbefinden  besser, 
da  Patient  seit  gestern  kein  Jod- 
kali mehr  genommen  hat. 

28./n.  Da  wieder  ganz 
normale  Verhältnisse  bestehen,  so 
nimmt  Patient  von  Keuem  Jod- 
kali 3*0  pro  die. 

19./ni.  Patient  hat  dieses 
Mittel  seither  regelmässig  genom- 
men, ohne  dass  eine  erneute  Stö- 
rung des  Befindens  eingetreten 
wäre,  nur  die  Pulsfrequenz  hat 
an  einzelnen  Tagen  eine  Steige- 
rung bis  zu  116  erfahren.  Die  Psoriasisefflorescenzen  ganz  abgeblasst, 
Schuppenbildung  nur  noch  sehr  gering.  Um  den  Rest  der  Psoriasis  rascher 
zu  beseitigen,  wird  Ghrysarobin-Traumaticin  appUcirt,  Jodk.  weitergegeben. 

237III.  Patient  vollkommen  geheilt.  Eine  Störung  des  Allgemein- 
befindens ausgeblieben.  Patient  hat  im  Ganzen  136  Gr.  Jodkalium  ge- 
nommen. Körpergewicht  ist  um  4  Kilo  gestiegen  (von  40  auf  44). 


-..  Temperatur 
•^...  hilsfrequenz 


334  Seifert. 

7.  Höppel  Joseph,  28  Jahre  »It,  Beginn  der  Erkrankung  vor  V,  Jahr«. 
Heredität  nicht  nachweisbar. 

Status  12./IX.  1888:  Patient  schwächlich  gebaut  Psoriasis  numii- 
laris  et  figurata  an  den  Extremitäten  und  am  Rumpfe,  am  Kopfe  nur  die 
Stime  befallen. 

Ordination:  Kali  jodat  8*0  pro  die. 

lO./X.  1888.  Die  tägliche  Dosis  des  Jodkali  auf  16*0  gesteigert, 
Allgemeinbefinden,  abgesehen  von  leichtem  Jodschnupfen,  nicht  gestört. 
Temperatur  bis  heute  normal  geblieben,  heute  Abend  (Patient  nimmt  heute 
zum  1.  Male  16*0)  eine  massige  Temperatursteigerung  auf  38^,  Pulsfrequenz 
hat  sich  in  den  letzten  6  Tagen  ständig  zwischen  108  und  124  bewegt, 
heute  Abend    aber    132  erreicht.    Allgemeinbefinden  Yollkommen  normal. 

11./X.  Jodkali  ausgesetzt.  Temperatur  normal,  Puls  auf  120  herunter- 
gegangen. Die  Psoriasiseffioresoenzen  wesentlich  abgeblasst,  die  Schuppung 
geringer.  Die  Beste  der  Psoriasis  sollen  mit  Chrysarobin  behandelt  werden. 

157X.  Psoriasis  fast  ganz  geheilt,  Patient  wird  auf  seinen  dringenden 
Wunseh  entlassen.  Allgemeinbefinden  in  den  letzten  Tagen  sehr  gut. 
Patient  hat  im  Ganzen  210  Gr.  Jodkali  genommen.  Körpergewicht  um  4  Kilo 
gestiegen  (von  45  auf  49). 

8.  Biehwar  Michael,  21  Jahre.  Erstmalige  Erkrankung  vor  1  Jahre. 
Heredität  nicht  nachweisbar. 

Status  27./XII.  1887.  Patient  ziemlich  kräftig  gebaut,  gut  genährt. 
Psoriasis  punctata  et  guttata  über  den  ganzen  Körper  ausgebreitet. 

Vom  10./I.  1888  an  nimmt  Patient  3*0  KaH  jod.  pro  die. 

1971.  In  der  ersten  Zeit  musste  einige  Male  wegen  heftigen  Jod- 
schnupfens die  Medication  ausgesetzt  werden.  Temperatur  und  Pulsfrequenz 
bisher  normal.  Heute  zum  1.  Male  Temperatursteigerung  auf  38*6  und 
Erhöhung  der  Pulsfrequenz  auf  112.  Jodkali  ausgesetzt  ohne  Störung  des 
Allgemeinbefindens. 

28yn.  Die  tägliche  Dosis  Jodkali  ist  allmälig  auf  27  Gr.  gesteigert 
worden.  Im  Allgemeinen  hat  Patient  dieses  Mittel  gut  vertragen,  jedoch 
bei  jeder  Steigerung  der  Tagesdosis  eine  Erhöhung  der  Körpertemperatur 
auf  37*9 — 38*7  und  der  Pulsfrequenz  auf  100—120  erfahren,  ohne  dass  sich 
irgend  welche  Störungen  des  Allgemeinbefindens  bemerkbar  gemacht  hatten. 
Da  diese  Erscheinungen  ganz  regelmässig  eintraten,  und  am  2.  Tage  ohne 
Aussetzen  der  Medication  wieder  zurückgingen,  so  wurde  eine  Unter- 
brechung der  Cur  nicht  für  nöthig  gehalten,  zumal  die  Wirkung  des  Jod- 
kali auf  die  Psoriasis  unverkennbar  war.  Die  Effiorescenzen  sind  im  Gesicht 
und  am  Bumpfe  vollkommen  zurückgegangen,  so  dass  hier  die  Haut  ganz 
glatt  erscheint.  An  den  Extremitäten  findet  sich  noch  eine  Anzahl  schup- 
pender Plaques,  die  zu  rascherer  Beseitigung  mit  Chrysarobin- Traumaticin 
behandelt  werden  sollen. 

11. /in.  1888.  Chrysarobin  hat  sehr  rasch  und  gründlich  gewirkt. 
Patient  heute  geheilt  entlassen.  Gesammtdosis  des  verabfolgten  Jodkali: 
414  Gr.  Körpergewicht  war  bis  zum  27yll.  von  51  auf  ö2'6  Kilo  gestiegen 


Ueber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     335 


und  ist  znletzt  bis  auf  61*6  zurückgegangen,  so  dass  Patient  immerhin 
noch  mit  einer  Zunahme  Ton  0*6  Kilo  das  Spital  verlasst. 

9.  Weber  Karl,  38  Jahre.  Heredität  nicht  nachweisbar.  Elrate  Er- 
krazJnmg  im  20.  Lebensjahre.  Patient  schon  mehrfach  in  Spitalbehandlang 
gewesen.  Vor  16  Wochen  Recidiv. 

Status :  26VIX.  1888.  An  den  Extremitäten  und  am  Rumpf  Psoriasis 
guttata  et  numularis  in  geringer  Ausdehnung,  an  der  Stime  Psoriasis  gyrata. 

Ordination:  Kali  jodat.  2*0  pro  die. 

11. /X.  Die  tägliche  Dosis  bereits  gesteigert  auf  14*0.  Während 
bisher  Jodkali  sehr   gut  vertragen  wurde,   weder  Temperatursteigerung 


Name  :   Weber  €arl . 


Datum: 


Oktober   1888 


—  Temperatur 
......  ^Isfrequenz 

noch  Erhöhung  der  Pulsfrequenz  sich  zeigte,  klagt  Pat.  heute  über  all- 
gemeines Unbehagen,  Kopfschmerzen.  Temper.  38*3,  Puls  100.  Jodkali 
ausgesetzt.  12./X.  Temp.  und  Puls  wieder  normal,  Allgemeinbefinden  gut. 
14./X.  Von  heute  ab  wieder  14*0  Kai.  jodat.  17^X.  Gestern  Abend 
und  heute  Morgen  Fieber.  Patient  bekommt  heute  noch  die  halbe  Dosis 
Jodkali.  Trotz  der  hohen  Abendtemperatur  keine  Störung  des  Allgemein- 
befindens, ausser  dem  Gefühl  grosser  Müdigkeit.  18./X.  Wohlbefinden, 
normale  Temperatur,  Pulsfrequenz  noch  etwas  hoch.  Vom  21 /X.  an  wieder 
Jodkali  12*0  pro  die. 


336 


Seifert. 


27X1.  Mit  der  täglichen  Jodkali-Dosis  war  bis  zu  16'0  gestiegen 
worden,  ohne  dass  mehr  störende  Nebenwirkungen  zur  Beobachtung  ge- 
langten. Pat.  hat  im  Ganzen  268  Gr.  Jodkali  genommen.  Körpergewicht 
trotz  der  zweimaligen  Fieberanfalle  um  2  Kilo  gestiegen  (von  60  auf  62). 
Die  Psoriasisplaques  am  Rumpfe  und  an  den  Extremitäten  vollkommen 
beseitig^,  nur  an  der  Stirne  noch  etwas  Böthnng  und  Schuppung. 

Therapie:  Anthrarobin. 

15/XI.  Patient  geheilt  entlassen. 

in.  Gruppe. 

10.  Deubert  Katharine,  26  Jahre.  Die  Mutter  der  Patientin  soll  an 
derselben  Hautkrankheit  gelitten  haben.  Im  20.  Lebensjahre  erstmaliger 
Ausbruch  der  Erkrankung,  seither  war  Pat.  schon  mehrmals  in  Spital- 
behandlung.  Vor  3  Wochen  Auftreten  neuer  Erscheinungen. 


a 


!  Name  :    Deubert. 


Datum: 


Januar    1888 


Februar  1888 


Temperatur 

Pulsfrequenz 

Status  27./XII.  1887.  Am  Rumpf  und  an  den  Extremitäten  Psoriasis 
punctata.   Gesicht  und  Kopf  frei. 

Ordination:  Kai.  jodat.  8  0  pro  die. 


Ueber  die  Bebandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     337 

l/l.  Die  t&gliohe  Dosis  des  Jodkali  gesteigert  auf  4*0.  Abgesehen 
von  einem  leichten  Jodschnnpfen  traten  bisher  unangenehme  Störungen 
nicht  auf,  auffallig  war  nur,  dass  gestern  Abend  die  Pulsfrequenz  über 
126  gestiegen  war.  Heute  Abend  plötzliche  Temperatnrsteigerung  und 
bedeutendere  Erhöhung  der  Pulsfrequenz.  Patientin  klagt  über  allgemeine 
Müdigkeit  und  starke  Schlingbeschwerden,  als  deren  Ursache  eine  ery- 
thematöse  Röthung  der  Gaumen-  und  Rachenschleimhaut  mit  ödematöser 
Anschwellung  der  Uvula  anzusehen  ist.  Abends  Jodkali  ausgesetzt. 

8./I.  Oedem  der  Uvula  zurückgegangen,  Erythem  etwas  geringer. 
Schlingbeschwerden  vermindert.   Allgemeinbefinden  besser. 

9./I.  Schleimhaut  der  Mund-  und  Rachenhöhle  wieder  nahezu  nor- 
mal.  Jodkali  fortgesetzt. 

ll.yn.  1888.  Die  tägliche  Dosis  des  Jodkali  auf  20*0  gesteigert.  All- 
gemeinbefinden seither  nicht  mehr  gestört.  Auffällig  ist,  dass  seither  die 
Pulsfrequenz  bei  normalem  Verhalten  der  Temperatur  eine  häufige  Stei- 
gerung auf  100 — 128  erfuhr.  Heute  Abend  Temperatursteigerung  und  be- 
deutende Erhöhung  der  Pulsfrequenz  ohne  irgend  welche  locale  Störungen, 
nur  Gefühl  von  grosser  Müdigkeit,  Jodkali  ausgesetzt. 

12Vn.  Allgemeinbefinden  ganz  gut. 

14./n.  Die  Schuppen  überall  abgefallen,  die  Plaques  vollkommen 
verschwunden.   Patientin  geheilt  entlassen. 

Patientin  hat  im  Ganzen  422  Gr.  Jodkali  genommen.  Das  Körper- 
gewicht war  bis  Mitte  Februar  um  1*5  Kilo  gestiegen,  ist  aber  in  den 
letzten  Tagen  des  Spitalaufenthaltes  auf  das  Anfangsgewicht  zurück- 
gegangen. 

11.  Höfling  Margarethe,  28  Jahre.  Hereditär  nicht  nachweisbar. 
Die  ersten  Krankheitserscheinungen  traten  vor  '/,  Jahre  an  den  Knien 
und  Ellenbogen  auf. 

Status  9./I.  1888.  Pat.  kräftig  gebaut,  wohlgenährt.  Psoriasis  guttata 
«t  numularis.    Sitz :  Rumpf  und  Extremitäten.  Kopf  und  Gesicht  frei. 

Ordination:  Kai.  jodat.  3*0  pro  die. 

12./n.  Steigerung  der  täglichen  Dosis  Jodkali  auf  19*0.  Bisher  war 
das  Allgemeinbefinden  ein  gutes,  hie  und  da  machten  sich  Magenbe- 
schwerden bemerkbar,  welche  rasch  wieder  vorübergingen.  Einige 
Male  massige  Erhöhung  der  Pulsfrequenz  bei  durchweg  normaler  Tem- 
peratur. 

21^.  In  den  letzten  Tagen  ganz  auffällige  Steigerung  der  Puls- 
frequenz bei  ganz  normaler  Temperatur.  Allgemeinbefinden  dabei  nicht 
gestört. 

10./in.  In  den  letzten  Tagen  massige  Erhöhung  der  Temperatur  bis 
auf  38*4  und  der  Pulsfrequenz  auf  100 — 120  ohne  Störungen  des  Allgemein- 
befindens. Die  Patientin  befindet  sich  ganz  wohl,  die  Schuppen  und  somit 
auch  die  Plaques  vollkommen  beseitigt,  so  dass  Pat.  als  geheilt  bezeichnet 
werden  kann.  In  Summa  hat  Pat.  850  Gr.  Jodkali  genommen.  Körper- 
gewicht hat  um  2  Kilo  zugenommen  (57*7  auf  59*7). 

ArehlT  f.  Dermatol.  n.  Syphll.  Band  XXVn.  22 


340  Seifert. 

anlangt,  so  hatte  dieselbe  in  ihrer  Localisation,  mit  Ausnahme 
eines  Falles,  nichts,  was  sie  von  den  gewöhnlich  zu  beobachten- 
den Formen  der  Psoriasis  Tulgaris  unterschied. 

Bei  einem  Falle  (Nr.  13)  handelte  es  sich  um  einen  acuten 
Ausbruch  der  Erkrankung  unter  Störungen  des  Allgemeinbefindens, 
ein  Fall  (Nr.  2)  kann  als  Psoriasis  universalis  bezeichnet  werden, 
in  welchem  nur  Handfläche  und  Fusssohle  frei  blieben,  ein  Fall 
(Nr.  10)  wird  als  Psoriasis  punctata  aufgeführt,  ein  Fall  (Nr.  8) 
als  Psoriasis  punctata  et  guttata,  ein  Fall  als  Psoriasis  punctata 
et  numularis  (Fall  Nr.  6),  ein  Fall  (Nr.  4)  als  Psoriaris  numu- 
laris,  3  Fälle  als  Psoriasis  guttata  et  numularis  (Nr.  5,  9 
und  11),  3  Fälle  als  Psoriasis  numularis  et  gyrata  (Nr.  1,  7 
und  12).  Der  Fall  3  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  bei  ihm 
nicht  nur  der  ganze  Körper  in  Form  der  Psoriasis  numularis 
et  gyrata  befallen  war,  sondern  dass  sich  auch  an  den  Hand- 
flächen und  an  den  Fusssohlen  einige  typische  Plaques  fanden. 
Es  ist  das  bekanntermassen  eine  bei  der  Psoriasis  vulgaris  sehr 
selten  zu  beobachtende  Localisation.  (Nobl.)  ') 

Heredität  war  nur  in  2  Fällen  (Nr.  10  und  Nr.  13)  nach- 
weisbar, in  einem  FaUe  hatte  die  Mutter,  in  dem  zweiten  Falle  der 
Vater  an  der  gleichen  Hautkrankheit  gelitten.  (In  dem  Falle  10 
begann  die  Erkrankung  im  20.,  bei  Nr.  1 3  im  30.  Lebensjahre.) 
Die  Mehrzahl  der  Fälle  hatte  schon  eine  grössere  Anzahl  von 
Attaquen  durchgemacht  und  sich  wegen  solcher  theils  in  Privat-, 
theils  in  Spitalbehandlung  befunden,  in  einem  Falle  kam  das 
erste  Recidiv  hier  zur  Behandlung,  und  5  Fälle  wurden  behufs 
erstmaliger  Behandlung  in  die  Klinik  angenommen. 

Die  ersten  Krankheitserscheinungen  sollen  bei  Nr.  6  schon 
in  den  ersten  Lebensjahren,  bei  Nr.  12  im  13.  Lebensjahre 
beobachtet  worden  sein,  bei  den  11  anderen  Fallen  traten  sie 
erst  nach  der  Pubertät  auf  und  zwar  in  6  Fallen  zwischen  15.  und 
20.  Lebensjahr,   in  5  Fällen    zwischen  20.  und  30.  Lebensjahr. 

Von  diesen  13  Fällen  betrafen  7  männliche  Individuen, 
die  alle  wohlgenährt  und  kräftig  gebaut  waren,  und  6  weibliche 
Individuen,  von  denen  nur  eines  schwächlich  gebaut  war  und 
schlechten  Ernährungszustand  aufvdes,  während  die  übrigen  5 


*)  Wien,  dermat.  Gesellsch.  22.  Nov.  1893. 


Ueber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     341 

ebenso   wie    die  Männer  als   kräftig  und  wohlgenährt  zu  be- 
zeichnen waren. 

Die  Eintheilung  der  ersten  9  Fälle  in  11  Gruppen  bezieht 
sich  weniger  auf  die  Wirkung  des  Jodkalium  auf  die  Psoriasis, 
als  auf  gewisse  Nebenwirkungen  des  genannten  Mittels,  welche 
nachher  zur  Besprechung  kommen  sollen.  In  Bezug  auf  den 
ersteren  Punkt  verhalten  sich  Gruppe  I  und  11  gleich,  insofern 
bei  diesen  Fällen  eine  vollständige  Heilung  der  Psoriasis  durch 
Jodkali  nicht  erreicht  worden  war.  Eine  vollkommene  Heilung 
der  Psoriasis  durch  Jodkalium  konnte  nur  in  den  4  Fällen  der 
n.  Gruppe  erzielt  werden,  welche  in  Bezug  auf  die  Neben- 
wirkungen zusammen  mit  den  Fällen  der  H.  Gruppe  besprochen 
werden  sollen. 

Unter  den  9  Fallen  der  L  und  H.  Gruppe  konnte  in  Nr.  2 
nur  eine  Besserung  der  Psoriasis  verzeichnet  werden,  die  Patientin 
verliess,  nachdem  sie  eine  Gesammtdosis  von  45  Gr.  JodkaU 
genommen  hatte,  fiühzeitig  das  Spital.  Im  ersten  Falle  musste 
wegen  Magenschmerzen  mehrfach  das  Jodkalium  ausgesetzt  und 
schliesslich,  nachdem  Patientin  die  Gesammtdosis  von  370  Gr.  ge- 
nommen hatte,  das  Mittel  vollkommen  von  der  Tagesordnung 
abgesetzt  werden,  weil  die  Patientin  sich  andauernd  über  die 
genannten  Beschwerden  beklagte.  Es  war  das  gerade  in  diesem 
Falle  um  so  beklagenswerther,  weil  es  sich  nach  den  Erfah- 
rungen von  einem  firüheren  Spitalaufenthalt  her  um  eine  sehr 
schwere  Form  der  Psoriasis  handelte  und  weil  gerade  hier  Jod- 
kali auf  die  Hauterkrankung  einen  entschieden  günstigen  Ein- 
fluss  geäussert  hatte,  so  dass  wir  hätten  erwarten  können,  bei 
consequenter  Fortsetzung  der  Jodkalibehandlung  eine  voll- 
kommene Heilung  zu  erzielen. 

Wie  bei  diesem  Falle,  so  zeigte  sich  auch  bei  den  übrigen 
7  Fällen  der  I.  resp.  H.  Gruppe  nach  dem  Aussetzen  des  Jod- 
kali  eine  auffallig  rasche  Wirkung  der  localen  Application  von 
Chrysarobin  resp.  Anthrarobin  und  zwar  in  einer  solchen  Weise, 
dass  man  zu  der  Annahme  gelangen,  musste,  dass,  wenn  auch 
Jodkalium  in  einer  Anzahl  von  Fällen  nicht  im  Stande  ist, 
Psoriasis  zu  heilen,  dieses  Mittel  doch  die  Krankheitserschei- 
nungen in  einer  solchen  Weise  verändert,  dass  die  locale  Be- 
handlung zu  einer  sehr  raschen  Heilung  führen  kann.    Ob  zur 


342  Seifert. 

definitiYen  Heilung  sich  nur  die  genannten  Mittel  (Chrjsarobin 
und  event.  Anthrarobin)  oder  auch  andere,  wie  Theer  eignen, 
darüber  kann  ich  mir  ein  Urtheil  nicht  erlauben,  weil  wir  nur 
vom  Chrysarobin  und  Anthrarobin  Gebrauch  machten.  Sehe 
ich  ab  von  dem  Fall  2,  in  welchem  nur  45  Gr.  Jodkali  zur 
Verwendung  kamen,  so  wurden  in  den  8  Fällen  der  I.  und 
IL  Gruppe  Gesammtdosen  Jodkalium  von  136—872  Gr.  gegeben. 

Unter  den  4  Fällen  Ton  ToUkonmiener  Heilung  der 
PBoriasis  waren  3  weiblichen,  1  männlichen  Greschlechtes.  In 
dem  letzteren  Falle  handelte  es  sich  um  einen  unter  Stö- 
rungen des  Allgemeinbefindens  aufgetretenen  acuten  Nachschub, 
der  innerhalb  5  Wochen  durch  Jodkalium  (223  Gr.)  geheilt 
wurde. 

Von  den  weiblichen  Individuen  war^eine  (Nr.  II)  noch 
nicht  behandelt  worden,  bei  den  anderen  lagen  chronische 
Formen  Tor,  welche  schon  mehrfachen  Heilungsversuchen  getrotzt 
hatten.  Die  Heilung  war  auch  bei  diesen  3  eine  vollkommene 
ausschliesslich  der  Wirkung  des  Jodkali  zuzuschreibende.  Die 
Behandlungsdauer  betrug  im  Durchschnitt  7  Wochen,  also 
ebenso  viel,  als  Haslund  in  seinen  durch  Jodkali  geheQten 
Fällen  gefunden  hat. 

Die  verbrauchten  Dosen  JodkaUum  bezi£Pem  sich  auf 
344—850  Gr. 

Leider  ist  in  meinen  Fällen  nicht  genügend  darauf  ge- 
achtet worden,  zu  welchem  Zeitpunkte  die  retrograde  Meta- 
morphose der  einzelnen  Efflorescenzen  sich  zu  zeigen  begann, 
im  Allgemeinen  glaube  ich  mit  Haslund  constatiren  zu  können, 
dass  4 — 5  Wochen  der  Zeitpunkt  zu  sein  scheint,  wo  der  Rück- 
gang gewöhnlich  anfangt.  Auch  darüber  vermag  ich  nichts 
Sicheres  anzugeben,  an  welchen  Körperstellen  sich  dieser  Bück- 
gang zuerst  bemerkbar  macht,  nach  Greve  und  Haslund 
sollen  die  Effloreseenzen  zuerst  am  Kopf  und  am  Hals,  dann 
am  Rumpf  von  oben  nach  unten  und  zuletzt  an  den  Extremi- 
täten verschwinden.  Das  Eine  habe  ich  mit  grosser  Regelmässig- 
keit beobachtet,  dass  die  EfSorescenzen  an  den  Extremitäten 
am  hartnäckigsten  sind. 

Bei  so  grossen,  für  eine  Reihe  von  Wochen  in  gleich- 
massiger  Steigerung  fortgesetzten  Dosen  Jodkali  wird  man  sich 


üeber  die  Bebandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     343 

die  Frage  vorlegen  müssen,  welche  unangenehmen  Nebenerschei- 
nungen bei  solchen,  man  kann  wohl  sagen,  heroischen  Guren 
zu  beobachten  sind.  In  Uebereinstimmung  mit  den  Beobachtungen 
der  Eingangs  genannten  Autoren  zeigen  auch  meine  Beobachtungen 
das  auffallige  Resultat,  dass  im  Allgemeinen  die  hohen  Tages^ 
dosen  Jodkali  erstaunlich  gut  vertragen  werden. 

Derartige  Beobachtungen  sind  gewiss  nicht  neu,  verdienen 
aber  immer  wieder  besonders  hervorgehoben  zu  werden.  Die 
Syphilidologen  haben  ja  Gelegenheit,  Aehnliches  zu  sehen.  So 
fuhrt  Kopp  ^)  an,  dass  manche  Individuen  20 — 30  Gr.  Jodkalium 
im  Tage  ohne  irgend  welche  belästigende  Symptome  zu  sich 
nehmen  konnten.  Garnett ^)  hat  bei  einem  Falle  von  syphili^ 
tischer  Spinalerkrankung  30 — 60  Gr.  Jodkali  pro  die  und  im 
Ganzen  12  Eg.  Jodkali  gegeben.  Auch  Segnin^  ist  ein  An- 
hänger von  grossen  Dosen  Jodkalium  (10 — 40  Gr.  pro  die)  und 
scheut  auch  bei  Kindern  grosse  Dosen  nicht.  Ueber  einen  Fall 
von  Jodtoleranz  berichtet  Neumann.  ^)  Ein  Füselier  hatte  eine 
ihm  in  der  Dosis  von  3  Mal  täglich  1  Esslöffel  zu  nehmende 
Lösung  von  20  Gr.  Jodkali  auf  400  Gr.  Wasser  in  nicht  ganz 
24  Stunden  getrunken,  ohne  dass  sich  irgend  welche  unange- 
nehme Erscheinungen  gezeigt  hätten.  Wolf f  ^)  hatte  Gelegenheit 
bei  4  Fällen  von  schwerer  tertiärer  Syphilis  Toleranz  gegen 
grosse  Dosen  Jodkalium  zu  beobachten.  In  einem  Falle  wurden 
schliesslich  50  Gr.  pro  die  diei  Monate  laug  (im  Ganzen  5  Kilo 
Jodkali)  gegeben,  ohne  dass  unangenehme  Nebenwirkungen  auf- 
traten, das  Körpergewicht  war  schliesslich  um  28  Pfd.  gestiegen. 
Im  2.  Falle  kamen  30  Gr.  pro  die  2  Monate  lang  zur  Verwen- 
dung, das  Körpergewicht  hatte  am  Ende  der  Cur  um  21  Pfd. 
zugenommen.  Im  3.  Falle  wurden  16  Gr.  pro  die,  im  4.  Falle  32  Gr. 
Jodkali  pro  die  vertragen.  Die  Erscheinungen  des  Jodismus 
glaubt  W.  dadurch  vermieden  zu  haben,  dass  er  Jodkalium  nicht 
in  Wasser,  sondern  in  Amylum  verabreichte.  Graydon*)  war 


')  Leijrbuch  der  vener.  Erkrankungen  p.  517. 

')  Ref.  Deutsche  Mediz.  Zeitung.  1888. 

*)  Arch.  d.  med.  XII.  p.  114. 

*)  Deutsche  Med.  Zeitung.  1889.  89  p.  458. 

*)  62.  Naturforscher- Vers.  Heidelberg  1889. 

®)  Med.  and  surg.  report.  Vol.  61.  Nr.  11. 


344  Seifert. 

bei  einem  Pat.  mit  Chorioiditis  syphilitica  schUesslich  auf  30*0 
Jodkali  pro  die  gestiegen,  ohne  dass  sich  ausser  Acne  faciei 
unangenehme  Nebenerscheinungen  eingestellt  hatten« 

Montgommery  ^)  ist  in  einem  Falle,  wo  die  Diagnose 
Syphilis  zweifelhaft  war,  bis  zu  120  Gramm  Jodkali  pro  die  ge- 
stiegen. 

Zur  Erklärung  dieses  eigenthämlichenVerhaltens  des  mensch- 
lichen Organismus  gegenüber  einem  so  differenten  Mittel  wie 
dem  Jod  muss  an  Terschiedene  Möglichkeiten  gedacht  werden. 
Einmal  liesse  sich  denken,  dass  grosse  Dosen  Jodkaüum  diu- 
retisch  wirken  und  deshalb  rascher  ausgeschieden  werden  als 
kleine  Dosen,  die  nicht  diuretisch  wirken.  Für  diese  Annahme 
würde  auch  die  schon  mehrfach  gemachte  Beobachtung  spre- 
chen, dass  gerade  bei  kleinen  Dosen  häufiger  die  Erscheinun- 
gen des  Jodismus  auftreten  als  bei  den  grossen  Dosen,  wie  sie 
z.  B.  auf  einmal  in  dem  Falle  von  Neumann')  genommen 
wurden.  Bringier^  hat  schon  nach  0*32  Gr.  Jodkali  (3mal 
täglich  genommen)  acuten  Jodismus  auftreten  sehen  undBrunt- 
haven^)  konnte  die  gleiche  Beobachtung  machen.  De  la  Bar- 
cerie^)  sah  bei  einem  Falle  von  Angina  pectoris  schon  nach 
0*5  Gr.  Jodkali  die  Erscheinungen  des  acuten  Jodismus.  In  einem 
von  Bussel^)  mitgetheilten  Fall  trat  nach  3tägigem  Gebrauch 
von  Jodkali  in  kleinster  Dosis  acuter  Jodismus  auf,  der  unter 
Inauction  und  leichter  Pneumonie  zum  Exitus  führte.  Möglicher- 
weise handelte  es  sich  hier  um  das  Eintreten  von  Lungenödem, 
dessen  Entstehung  Zeissl^  experimentell  an  Hunden  nach- 
gewiesen hat  in  Uebereinstinmiung  mit  den  älteren  Versuchen 
Yon  Böhm  und  Berg^).  Diesen  Thierexperimenten  gegenüber 
erscheint  die  klinische  Beobachtung  sehr  auffallend,  dass  Jod- 
kali zur  richtigen  Zeit  angewandt  zur  Abortivcur  bei  Pneumonie 


')  St.  Louis  Med.  and  sarg.  Joom.  1893. 

»)  1.  c. 

*)  Med.  News.  JoU  1892. 

*)  Med.  News.  Sept.  1892. 

')  Revue  gen.  d.  clin.  et  de  therap.  27.  1892. 

*)  New  York  med.  record.  Aug.  1893. 

')  Intern,  klin.  Rundschau.  4.  1894. 

•)  Arch.  f.  exper.  Path.  u.  Pharm.  V.  4.  u.  5.  1876. 


üeber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     345 

dienen  könne.  Veiten*)  gibt  an,  dass  in  jenen  Fällen  von 
Pneumonie,  in  welchen  12—22  Stunden  nach  dem  Schüttel- 
frost mit  dem  Einnehmen  des  Mittels  begonnen  wurde,  die 
Temperatur  bis  zur  Norm  sank,  am  Mittag  oder  Abend  des 
zweiten  Tages  sich  wieder  erhob,  aber  gewöhnlich  nur  wenig 
über  38'0®  und  dass  eine  zweite  Gabe  erforderlich  war,  um 
das  Fieber  dauernd  zu  beseitigen.  Später  als  24  Stunden  nach 
dem  Beginn  der  Erkrankung  werde  Tom  Jod  kein  Erfolg  mehr 
gesehen.  Unangenehme  Folgen  der  Einführung  von  Jodkali 
(6  Gr.  in  wenig  Stunden)  sah  Veiten  nur  in  einem  Falle 
(Oedem  der  Augenlider,  der  Oberlippe  und  des  rechten  Gau- 
menbogens,  Halsschmerzen,  Heiserkeit). 

Die  von  Bresgen*)  beobachteten  Falle  von  acutem  Jo- 
dismus traten  nach  verhältnissmässig  kleinen  Dosen  von 
Jodkali  auf,  so  dass  er  an  eine  Verunreinigung  des  Präpa- 
rates gedacht  hatte.  Nach  der  Untersuchung  desselben  von 
Binz^)  ei*gab  sich,  dass  diese  Annahme  nicht  stichhaltig  war,  da 
das  in  Anwendung  gezogene  Jodkali  durchaus  chemisch  rein  war. 

Für  die  Anschauung,  dass  die  Zeichen  des  Jodismus  haupt- 
sächlich dann  auftreten,  wenn  Jod  im  Körper  zurückgehalten 
wird,  sprechen  die  Untersuchungen  von  Ehlers.^) 

In  einem  längeren  Aufsatz  besprechen  Röhmann  und 
Malachowski^)  die  Entstehung  und  Therapie  des  acuten 
Jodismus,  sie  konnten  einen  Unterschied  zwischen  kleinen  und 
grossen  Dosen  von  Jodkali  auf  die  Häufigkeit  des  Auftretens 
von  Jodismus  nicht  finden. 

Ebenfalls  für  die  Annahme,  dass  der  Jodismus  hauptsäch- 
lich dann  hervorgerufen  werde,  wenn  Jod  im  Körper  zurück- 
gehalten werde,  sprechen  die  Beobachtungen  von  Gerson.*) 
Bei  einem  Manne  mit  latenter  Nephritis  traten  schon  nach 
2  Gr.  Jodkali  schwere  Intozicationserscheinungen  auf.  Dass  in 
diesem  Falle  durch  die  kranken  Nieren  Jod  nicht  ausgeschieden 


•)  Berl.  klin.  Wochenschr.  11.  1893. 

')  Centralbl.  f.  kUn.  Med.  9.  1886. 

*)  Centralbl.  f.  klin.  Med.  9.  1886. 

*)  Hosp.  Tid.  Vn.  1.  1889. 

*)  Therap.  Monatsh.  VII.  1889. 

«)  Münch.  med.  Wochenschr.  28.  1889. 


846  Seifert. 

werden  konnte,  stellte  sich  durch  die  Untersuchung  des  eiweiss- 
haltigen    Urins    heraus,    in    welchem  Jod  nicht  nachzuweisen 
war.  Derartige  Beobachtungen  sind  Ton  grosser  praktischer  Be- 
deutung gerade  für  die  Behandlung  der  Psoriasis,    man  wird 
bei  jedem  solchen  Falle,  bevor  man  ihn  einer  Jodcur  unterzieht, 
genau    und    mehrmals    den  Urin    auf  etwaigen  Eiweissgehalt 
prüfen  müssen  und  den  Patienten  nur  bei  Tollkommenem  Frei- 
sein des  Urins  von  Albumen  einer  Jodcur  unterwerfen  dürfen. 
Fälle,  wie  die  von  Dujardin-Beaumetz, ')   in  welchen  auf 
6*0  Jodkali  Intoxicationserscheinungen  auftreten,  werden  sicher 
nicht  zu  den  besonders  bemerkenswerthen  Fällen  gerechnet  werden 
können.  Wenn  nun  eine  Anzahl  von  Autoren,  die  ich  oben  auf- 
geführt habe,  auch  bei  unverhältnissmässig  grossen  Dosen  Jodkaii 
(30—60  Gr.  pro  die)  keine  Intoxicationserscheinungen  auftreten 
sahen,  so  kann  man  doch  nicht  annehmen,   dass  diese  Tag  iur 
Tag  gegebenen  Mengen  ebenso  rasch  wieder  ausgeschieden  werden, 
als  die  mittleren,  welche  ja  vielleicht  diuretisch  wirken  könnten 
im  Sinne  der  obigen  Ausführung.  Zur  Erklärung  des  auflalljgen 
Umstandes,    dass   diese   grossen  Dosen  nicht   toxisch  wirken, 
können  wir  nicht  umhin,  nach  einem  anderen  Moment  zu  suchen, 
den  wir  freilich  nicht  näher  definiren  können,  es  ist  das  die 
individuelle  Toleranz. 

Oppenheimer')  hat  ganze  Familien  kennen  gelernt, 
bei  welchen  eine  Intoleranz  gegen  Jodkali  hereditär  ist 
Ward  man  aus  irgend  einem  Grunde  veranlasst,  Jodkali  zn 
verabreichen,  so  konnte  man  schon  nach  3  Centigramm  die 
stürmischen  Erscheinungen  einer  gestörten  Blutcirculation,  Herz- 
klopfen, kleinen  Puls,  Klopfen  der  Carotiden,  das  Gefühl  als  ob 
der  Schädel  bersten  müsse,  bei  ihnen  beobachten. 

Wenn  bei  ganz  gesunden  Individuen  so  kleine  Dosen 
schon  toxisch  wirken,  so  kann  man  kaum  annehmen,  dass  sie 
durch  Retention  im  Organismus  diese  Wirkung  entfalten,  hier 
kann  es  wohl  nur  das  Jod  als  solches  sein,  welches  bei  seinem 
Durchgang  durch  den  Organismus  diesen  in  einzelnen  seiner 
Theile  entweder  Schleimhäute  oder  Nervensystem  in  der  Weise 
irritirt,  dass  die  Intoxicationserscheinungen  als  Symptome  dieser 


')  Bull,  gener.  de  ther.  T.  CXm. 
')  Therap.  Monatsh.  12.  1889. 


Ueber  die  Behnndl.  der  Paoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     347 

fast  specifischen  Irritation  auftreten.  Worauf  diese  Eigenthüm- 
lichkeit  einzelner  Organismen  beruht,  entzieht  sich  vollkommen 
der  Beurtheilung. 

Keinenfalls  möchte  ich  die  Anschauung  W  0  0  d's  *)  zu  der 
meinigen  machen,  dass  Personen,  welche  tolerant  gegen  grosse 
Joddosen  sind,  leichter  an  Syphilis  erkranken  als  andere,  bei 
denen  diese  Widerstandsfähigkeit  fehlt,  geht  er  ja  doch  so 
weit,  bei  Toleranz  gegen  Jod  allein  aus  diesem  Symptome 
syphilitische  Infection  für  wahrscheinlich  zu  halten.  Würde 
man  sich,  auf  diesen  Standpunkt  stellen,  so  hätte  man  eine 
einfache  Erklärung  für  die  Aetiologie  vieler  Fälle  von  Psoriasis, 
sie  würden  eben  dann  syphilitischer  Natur  sein,  eventuell  ab- 
geschwächte Formen  hereditärer  Spätsyphilis.  Dass  dem  nicht 
80  ist,  wenigstens  nicht  für  die  von  mir  beobachteten  Fälle, 
vermag  ich  mit  Sicherheit  zu  behaupten. 

Es  erübrigt  mir  nun  noch,  die  einzelnen  Erscheinungen 
des  Jodismus  zu  besprechen.  Die  leichtesten  Formen  des 
Jodismus,  bestehend  in  Schnupfen,  reichlicher  Thränensecretion, 
Kopfschmerzen  fehlten  fast  in  keinem  meiner  Fälle,  wenn  auch 
darüber  nicht  in  allen  Krankengeschichten  eigene  Vormer- 
kungen zu  finden  sind.  So  lange  diese  Erscheinungen  nicht 
heftig  waren,  sah  ich  mich  nicht  veranlasst,  den  Gebrauch  von 
Jodkalium  zu  unterbrechen,  ich  habe  ebenso  wie  Haslund 
gesehen,  dass  diese  geringfügigen  Symptome  bei  langsamem 
Fortgebrauch  des  Mittels  offenbar  in  Folge  von  Gewöhnung  an 
den  durch  abgespaltenes  Jod  entstehenden  Reizzustand  der 
Schleimhäute  bald  vollkommen  verschwanden.  Im  ersten  Falle 
musste  wegen  heftiger  Störungen  von  Seite  des  Digestions- 
tractus  vor  vollendeter  Cur  Jodkalium  ganz  ausgesetzt  und 
eine  locale  Behandlung  der  Psoriasis  substituirt  werden.  So 
eigenartige  nervöse  Störungen,  wie  sie  von  einzelnen  Autoren 
berichtet  werden,  sah  ich  in  keinem  meiner  Fälle.  Kopp') 
beobachtete  das  Auftreten  von  eigenthümlichen  Schmerzen  in 
den  Fusssohlen,  Dujardin-Beaumetz*)  Schmerzen  in  den 


*)  Brit.  med.  joum.  1890. 
«)  Münch.  med.  W.  1887. 
«)  1.  c. 


348  Seifert. 

Extremitäten,  Hutchinson')  mitunter  dauernde  depressive 
Störung  des  Nervensystems,  Heller^  ausser  Aufregung  und 
Unruhe,  Benommenheit  des  Sensoriums,  Schmerzen  in  den 
Fingern.  Von  Andern  sind  noch  schwerere  Erscheinungen  von 
Seite  des  Nervensystems  beobachtet  worden,  SchwindelanfaJle, 
Gedankenflucht,  Schlafsucht,  Goma  und  Delirien  s.  Lewin ^) 
und  Finger^)  (der  acute  Jodismus  und  seine  Gefahr  in  der 
Syphilisbehandlung)  und  Haslund^)  Abgestumpftheit,  Ver- 
wirrtheit, Schwindel.  Husemann^)  stellt  die  ivresse  jodique 
von  Lugol,  hauptsächlich  durch  Schwindel  und  Kopfschmerz 
charakterisirt,  als  nervöses  Symptom  in  Frage. 

In  den  letzten  Jahren  haben  von  selteneren  Intoxications- 
erscheinungen  die  Oedeme  des  Kehlkopfes  Interesse  erregt. 
Derartige  Beobachtungen  sind  an  Zahl  sehr  geling,  ich  ver- 
weise zur  näheren  Einsichtnahme  derselben  auf  die  Zusammen- 
stellungen von  Grönouw^  und  von  Avellis*)  und  fiihre  nur 
ganz  kurz  die  hieher  gehörigen  Literaturangaben  auf  mit  Er- 
gänzung aus  der  neuesten  Literatur.  Der  erste  gut  beobachtete 
Fall  stammt  von  Fenwich')  aus  dem  Jahre  1875.  In  2  Fällen 
von  Fournier*®)  kam  ärztliche  Hilfe  zu  spät,  in  4  weiteren 
Fällen  konnte  der  Luftröhrenschnitt  rechtzeitig  ausgeführt 
werden.  Binz'^)  führt  Kehlkopfödem  bei  Jodgebrauch  an  als 
aus  beim  Vorhandensein  von  Kehlkopfgeschvniren  entstehend. 
Kosenberg*")  veröffentlichte  einen  Fall  von  subglottischem 
Oedem  und  Grönouw")  berichtet  über  4  hieher  gehörige 
Fälle.  Weitere  2  Fälle  finden  sich  in  dem  Lehrbuche  von  Solis- 


*)  The  practit.  Jone  1891. 

»)  Wien,  med.  Presse.  29.  1887. 

'}  Lehrb.  d.  Toxikologie. 

*)  Wien.  med.  Wochenschr.  1892. 

»)  1.  c.  p.  711. 

•)  Specielle  Arzneimittellehre  p.  788. 

^)  Therap.  Monatsh.  DI.  1890. 

•)  Wien.  med.  Wochenschr.  46—48.  1892. 

»)  Lancet.  18.  1875. 

'<')  Gaz.  d.  höpit.  21.  1889. 

")  Vorlesungen  über  Pharmakologie.  1886  p.  206. 

•')  Deutsche  med.  Wochenschr.  1890. 

»»)  1.  c. 


Ueber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     349 

Cohen')  mitgetheilt,  den  Ton  B  anmgarten')  als  Jodödem 
au^eführten  Fall  will  Avellis  nicht  recht  als  solches  gelten 
lassen.  In  dem  Aufsatz  von  Ayellis^)  findet  sich  ein  von  ihm 
selbst  und  ein  aus  der  Clientel  von  Fischenich  in  Wiesbaden 
stammender  Fall  aufgeführt.  In  dem  Falle  Ton  Kessler  (Pe- 
tersb.  med.  Wochenschr.,  27.  1891)  handelte  es  sich  wahrschein- 
lich auch  um  Glottisödem. 

Die  neueste  Publication  hierüber  haben  wir  Schmiege- 
1 0  w  ^)  zu  verdanken,  der  zwei  Fälle  von  Jodödem  mittheilt,  in 
dem  ersten  seiner  Fälle  trat  die  Larynxstenose  ungemein  rasch 
auf,  so  dass  die  Tracheotomie  möglichst  rasch  mittels  eines 
gewöhnlichen  Bistouri  ausgeführt  werden  musste.  In  dem  zweiten 
Falle  gingen  die  stürmischen  Erscheinungen  Torüber,  ohne 
dass  ein  operativer  Eingrijff  nöthig  gewesen  wäre. 

In  keinem  der  von  mir  beobachteten  Fälle  wurde  ein 
Oedem  des  Kehlkopfes  beobachtet,  dagegen  stellte  sich  in 
Fall  10  ein  intensives  Erythem  des  weichen  Gaumens  mit  öde- 
matöser  Anschwellung  der  Uvula  auf,  nachdem  die  tägliche 
Dosis  auf  4*0  gesteigert  worden  war.  Bei  der  eigenthümlichen 
Form  des  Erythems  ohne  jede  Betheiligung  der  Tonsillen  und 
bei  dem  raschen  Rückgang  der  Erscheinungen  ist  die  Annahme, 
dass  es  sich  um  eine  toxische  (Angina  jodica)  und  nicht  um 
•eine  infectiöse  Form  der  Angina  gehandelt  habe,  voll  berechtigt, 
wogegen  auch  nicht  das  die  Angina  begleitende  Fieber  spricht. 

Während  derartige  Erytheme  der  Mundrachenschleimhaut 
weniger  häufig  vorzukommen  scheinen,  s.  Rose's^)  ersten  FalU 
sind  Erytheme  sowohl  ohne  als  mit  Ezsudationsvorgängen  auf 
der  äusseren  Haut  als  ein  nicht  ungewöhnliches  Vorkommen 
zu  bezeichnen.  O'Beilly*)  beschrieb  zuerst  eine  bullöse  Form 
des  Jodexanthems,  Pellizari^  einen  papulösen  und  rupia- 
förmigen Hautausschlag,    dessen   Ausbruch   Frost  und  Fieber 


')  Diseases  of  the  throat.  etc.  p.  442. 

')  Deutsche  med.  Wochenschr.  9.  1892  und  Pest.  med.  chir.  Presse. 
78.  1892. 

»)  1.  c. 

*)  Arch.  f.  Laryngol.  I.  1. 

*)  Virch.  Arch.  35,  p.  17. 

')  New  York  med.  6az.  Jan.  1854. 

')  Lo  sperünent.  1884. 


350  Seifert. 

vorausging.  Nach  Ricord  soll  eine  blntigseröse  Infiltration  des 
Bindegewebes  vorkommen  (s.  Hasemann,  Arzneimittellehre). 
In  einem  Falle  von  Elliot^)  traten  nach  2  Dosen  Jodkaüimi 
ä  0*25  rothe  Flecken  im  Gesicht  auf,  welche  sich  nachher  zu 
variolaähnlichen  Knötchen  umwandelten.  Ducrey^  sah  iwd 
FäUe  von  Jodexanthem,  in  dem  einen  handelte  es  sich  um 
anthraxähnliche  Pusteln,  in  dem  anderen  um  eine  hämorrha- 
gische Urticaria,  während  ein  Fall  von  Wolf)  ein  dem  Pem- 
phigus ähnliches  Exanthem  darbot  und  in  dem  Falle  ^n 
Taylor^)  sich  discrete  Tumoren  an  Stirn,  Wange,  Augenhdem 
und  Hals  entwickelten. 

Balkänyi^)  beobachtete  ein  bläschenförmiges  Exanthem 
im  Gesicht  und  Erythem  am  Rumpf  und  an  den  unteren  Ei- 
tremitäten;  Duhring*)  eine  local  umschriebene  phlegmonöse, 
durch  Jod  bedingte  Dermatitis,  der  Fall  von  Anderson,^  in 
welchem  es  sich  um  Purpura  handelte,  endete  letal.  Mor- 
row,  ^  welcher  ein  bullöses  Exanthem  sah,  weist  darauf 
hin,  dass  manchmal  schon  kleine  Mengen  Jodkali  (0*3  p.  die) 
genfigen,  um  solche  Exantheme  zu  erzeugen.  Zu  den  oben  ge- 
nannten schweren  Erscheinungen  von  Seiten  des  Nervensystems 
kamen  in  den  Fällen  von  Heller*)  und  Janovsky")  Pete- 
chien an  den  Händen.  Bradley")  berichtet  über  ein  dem 
Erythema  nodosum  entsprechendes  Exanthem,  Haslund'*) 
über  ein  gleiches  Exanthem  sowie  über  eines  mit  Blasenemp- 
tionen  und  über  ein  hämorrhagisches  pnrpuraähnliches  Exan- 
them. Ein  bullöses  Exanthem  wird  von  Guire**)  nach  dem 
Einnehmen  von  Jodammonium,   ein   pustulöser  Aasschlag  von 

')  Med.  record.  1885. 

')  Riv.  internaz.  di  Med.  e  Chirurg.  Nov.  1683. 

»)  Berl.  klin.  Wochenschr.  86.  1886. 

*)  Joum.  of  eilt,  and  genito-ur.  diseas.  1886. 

*)  Pest,  med.-chir.  Presse.  30.  1887. 

*)  Med.  and  surgery  reporter.  1887. 

^)  Treat.  on  diseas.  of  the  Skin.  London  1887. 

•)  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat,  1887  p.  537. 

•)  1.  c. 

")  Monatsh.  f.  prakt.  Derm.  1886  p.  445. 
*')  Th^se  de  Paris.  1887. 
")  Hospit.  tidende.  7.  1889. 
*')  Joom.  of  cut.  and  genito-orin.  diseases.  Vol.  VI.  5.  1866. 


Ueber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     351 

de  AiDicis/)  Pemphigus  Yon  üallopeau,^)  Erythema  nodo- 
sum  von  L  e  8  8  e  r  ^)  berichtet  und  zwar  traten  diese  Eruptionen 
nach  Jodnatrium  schwächer  auf  als  nach  Jodkali.  In  einem 
Falle  von  Grerson^)  trat  ein  masemähnliches  Exanthem  ohne 
Temperaturerhöhung  und  ohne  Steigerung  der  Pulsfrequenz 
auf,  Besnier^)  beobachtete  Purpura  an  den  Extremitäten  und 
auch  Hutchinson^)  berichtet  über  Jodexanthem.  In  einem 
Falle  von  Cutler^  und  in  2  Fällen  von  Giovannini®) 
handelte  es  sich  um  eine  Dermatitis  tuberosa.  Ein  Fall  von 
Mackenzie, *)  der  ein  öjähriges  Kind  betraf,  endete  unter 
den  Erscheinungen  einer  Purpura  hämorrhagica  letal.  Der  von 
Kämpfer*®)  beobachtete  sowie  der  von  ihm  citirte  Fall  von 
Talamon  und  der  von  Taylor'')  mitgetheilte  betrafen  die 
tuberöse  Form  des  Exanthems,  das  letztgenannte  besass  die 
grösste  Aehnlichkeit  mit  einem  papulösen  Syphilid.  Brocq'^) 
zählt  neunerlei  Arten  von  Hautausschlägen,  welche  durch 
Jod  bedingt  sein  können,  auf:  1.  diffuses  Erythem,  2.  Papeln 
mit  Urticaria,  3.  Bläschen  und  Ekzem,  4.  Pemphigusblasen,  5. 
Papeln  und  Pusteln,  6.  Anthraxformen,  7.  Petechien,  8.  Knötchen 
und  Knotenformen,  9.  polymorphes  Exanthem.  Fischer'^)  be- 
schreibt unter  anderen  Ausschlägen  auch  ein  knötchenförmiges 
Exanthem.  Eine  eigenthümliche  Beobachtung  konnte  T  e  m  p  1  e  '^) 
machen  bei  einem  60jährigen  Manne,  dessen  weisse  Kopf-  und 
Barthaare  sich  nach  Stägigem  Einnehmen  von  3mal  täglich 
0*6  Jodkalium  rosenroth  färbten.     Gemy'*)  berichtet  über  je 


')  Ref.  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  1888  p.  34. 

*)  L'union  med.  1888. 

')  Deutsche  med.  Wochenschr.  14.  1888. 

*)  Münch.  med.  Wochenschr.  25.  1889. 

')  Annal.  d.  dermat.  1889. 

•)  Arch.  of  Surgery.  1889. 

^  Jonm.  of  ontan.  and  genit.-urin.  diseases.  Febr.  1889. 

*)  Lo  sperim.  1889  u.  Giom.  ital.  dell.  mal.  ven.  •  della  pelle.  1889. 

')  s.  Peltesohn.  Berl.  klin.  Wochenschr.  43.  1889. 
^•)  Centralbl.  f.  klin.  Medic.  6.  1890. 
>')  Med.  News.  18.  Juli  1891. 
**)  Malad,  de  la  peau.  Paris  1890. 
")  Wiener  med.  Wochenschr.  1891. 
'')  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  XIII.  11. 
'^  Annal.  d.  dermat  1891.  8—9. 


352  Seifert. 

einen  Fall  von  Erythema  articatum  und  von  ekzemähnlicher 
Eruption  und  über  2  Fälle  von  pustulo-ulceröser  Dermatitis 
mit  Ausgang  in  Narbenbildung.  In  je  einem  Falle  von  Feu- 
lard*)  und  Kalb^  handelte  es  sich  um  Pemphigus-Erup- 
tionen^  in  2  Fällen  von  Hyde*)  um  ein  bullöses  Exanthem. 
Höning^)  beobachtete  ein  hämorrhagisches  quaddelartiges 
Exanthem  der  Haut  und  Gaumenschleimhaut,  Walker^)  und 
H eisten*)  einen  tuberösen,  beziehungsweise  papulösen  Aus- 
schlag, der  letztere  führte  schliesslich  zu  tie%ehenden  Zer- 
störungen der  Cutis.  Legrand')  berichtet  ebenfalls  über  eine 
Dermatitis  tuberosa  nach  Jodgebrauch.  Welche  Art  von  Ex- 
anthem sich  in  dem  von  Buzzi  und  Valerie^  mit  JodkaU 
behandelten  Fall  von  Actinomykosis  zeigte,  konnte  ich  aus  dem 
mir  vorliegenden  Referat  nicht  ersehen.  Trapesnikow')  be- 
richtet über  einen  Fall  von  Pemphigus  vegetans  jodicus. 

Robinson*®)  und  Rüssel")  beobachteten  ein  hämor- 
rhagisches purpuraähnliches  Exanthem,  in  dem  letzteren  Fall 
erfolgte    der  Exitus    unter    den   Erscheinungen   der  Inanition. 

Caspary")  sah  ein  inpetiginöses  Ekzem  im  Gesicht  und 
an  den  Vorderarmen  nach  Jodkaligebrauch.  Eigenthümlicb 
ist  die  Form  und  Ausbreitung  eines  Jodexanthems  in  einem 
von  Feibes*')  mitgetheilten  Fall,  in  welchem  sich  das  Exan- 
them nahezu  ausschliesslich  auf  die  gelähmte  Körperhälfte  loca- 
lisirte.  Von  derartigen  Nebenwirkungen  des  Jodkali  habe  ich 
bei  meinen  Fällen  nur  einmal  ein  urticariaähnb'ches  Exanthem 
beobachtet,  das  im  Ganzen  6  Mal  während  der  Jodeur  auftrat, 


')  Annal.  d.  dermat.  1891. 
^)  Münch.  med.  Wochenschr.  11.  1889  p.  190. 
')  Jonm.  of  cutan.  and  vener.  diseas.  Vol.  IT.  Heft  12. 
*)  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  XIY.  8. 
^)  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  XIY.  7. 
•)  New- York.  med.  Joum.  23.  April  1892. 
^)  Annal.  d.  Dermat.  8.  1893. 
•)  Rif.  Med.  JuU  1893. 
*)  Therap.  Blätter.  2.  1893. 
'•)  The  Lancet.  4.  ÜI.  1893. 
")  New- York.  med.  record.  Aug.  1898. 
•*)  Arch.  f.  Dermat.  XXYI.  1.  p.  20. 
*')  Dermatol.  Zeitschrift.  I.  8. 


üeber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     353 

jedesmal  unter  Temperatursteigerung  und  beträchtlicher  Erhöhung 
der  Pulsfrequenz  (Fall  12).  Ich  habe  die  ganze  Literatur 
über  Jodexanthem  aus  dem  Grunde  zusammengestellt,  um  eine 
Uebersicht  iiber  die  verschiedenen  Formen  der  Jodexantheme 
zu  bekommen.  Lasse  ich  die  am  häufigsten  zur  Beobachtung 
gelangende  Acne  jodica  ausser  Acht  und  lege  der  Uebersicht 
über  die  Literatur  die  Eintheilung  von  Brocq  zu  Grunde,  so 
ergeben  sich  folgende  Zahlen: 

1.  Diffuses  Erythem :  5  Mal  (GersonjLesseryB^ftdley, 
Haslund,  Elliot), 

2.  Papeln  mit  Urticaria:  2  Mal  (Gemy,  Seifert), 

3.  Bläschen  und  Ekzem:  3  Mal  (Gemy,  Balkanyi, 
Caspary), 

4.  Pemphigusblaseu :  1 1  Mal (Wolff,Taylor,Hallopeau, 
Guire,  Haslund,  Morrow,  Reilly,  Kalb,  Feulard, 
Hyde,  Tropesnikow), 

5.  Papeln  und  Pusteln:  5  Mal  (Holsten,  Gemy  2.  F., 
de  Amicis,  Pellizari), 

6.  Anthraxformen :  1  Mal  (Ducrey), 

7.  Petechien:  9  Mal  (Robinson,  Rüssel,  Honig, 
Mackenzie,  Besnier,  Haslund,  Heller,  Andersen, 
Janovsky), 

8.  Knötchen  und  Knotenformen:  9  Mal  (Fischer,  Ta- 
lamon,  Giovannini,  Taylor,  Kämpfer,  Gutler,  Le- 
grand, Walter), 

9.  Polymorphes-Exanthem  (Brocq). 

Aus  dieser  kurzen  Zusammenstellung  geht  hervor,  dass 
gerade  die  schwersten  Exanthemformen  wie  Pemphigus  und 
Petechien  zu  den  häufigsten  nach  Jodgebrauch  entstehenden 
Hautausschlägen  gehören,  während  die  leichteren  Formen  sel- 
tener zur  Beobachtung  gelangen. 

Die  Angabe  Morro^s,  dass  oft  schon  kleine  Dosen  Jodkali 
(0*3  pro  die)  genügen,  um  derartige  Veränderungen  auf  der 
Haut  hervorzurufen,  habe  ich  weniger  an  den  von  mir  be- 
obachteten Fällen  als  in  der  Mehrzahl  der  in  der  Literatur 
mitgetheilten  Fälle  bestätigt  gefunden,  bei  den  kurzen  Literatur- 
notizen kommt  allerdings  dieses  Moment  nicht  genügend  zum 
Ausdruck. 

ArchW  f.  Dermatol.  n.  Syphil.  Band  XXVII.  23 


354  Seifert. 

£8  findet  dieses  eigenthümliche  Verhalten  der  Haut  yiel- 
leicht  seine  Erklärung  in  dem  Verhalten  des  ßefässsjstems 
gegen  Jod.  Die  Einwirkung  des  Jod  auf  das  Gefässsystem  geht 
sowohl  aus  dem  Thierexperiment  als  aus  klinischen  Beobach- 
tungen herror.  Wenn  auch  Böhm  und  Berg*)  weder  Contraction 
der  Capillaren  noch  Aenderungen  des  Blutdruckes  nach  Jod-  oder 
Jo^jodnatrium-Injectionen  constatiren  konnten,  so  stehen  diesen 
negativen  Besultaten  doch  eine  Reihe  von  älteren  und  neueren 
Beobachtungen  gegenüber,  nach  denen  dem  Jod  ein  wesentlicher 
Einfluss  auf  das  Gefässsystem  zukommt.  So  gibt  Rose-)  an, 
dass  es,  in  grossen  Mengen  dem  Körper  einverleibt,  einen  Gre- 
fasski'ampf  hervorrufe.  Aus  den  Untersuchungen  von  Bogo- 
lepoff^)  an  Hunden  geht  hervor,  dass  Jodkalium  (zu  18  Cgr.) 
in  die  Venen  gebracht,  rasch  eine  Dilatation  der  peripheren 
Getässe,  constantes  Abfallen  des  Blutdruckes  bei  gesteigerter 
Pulsfrequenz  veursacht.  Von  besonderem  Interesse  sind  die 
experimentellen  Studien  G.  See's*)  über  die  Wirkungsweise 
des  Jodkalium  auf  das  Herz.  G.  S  e  e  trennt  genau  die  Wirkung 
des  Kalisalzes  auf  das  Herz,  auf  die  Vasoconstriktoren  und  auf 
den  Blutdruck  von  der  des  Jod.  Er  unterscheidet  bei  der  Jod- 
kaliwirkung auf  das  Thier  (Hund)  zwei  Phasen  in  der  Wirkung. 
Die  erste  entspricht  der  Wirkung  des  Alkali,  es  wird  während 
diese  die  Herzaction  beschleunigt,  der  Blutdruck  in  Kurzem  um 
einige  Centimeter  erhöht,  und  es  bleibt  diese  Erhöhung  für 
längere  Zeit  bestehen,  nach  längerer  Zeit  —  etwa  eine  Stunde 
nach  der  Einspritzung  —  beginnt  die  zweite  Phase  der  Wirkung, 
welche  für  Jodkalium  und  Jodnatrium  identisch  und  wohl  als 
Ausdruck  der  Jodwirkung  anzusehen  ist.  Der  Blutdruck  sinkt, 
die  Herzation  wird  frequenter.  Das  Abfallen  des  Blutdruckes 
dauert  mehrere  Stunden  und  sinkt  auf  ein  Minimum,  um  ganz 
allmähg  wieder  emporzusteigen.  Die  Wirkung  auf  den  Blut- 
druck erklärt  sich  aus  der  Verengerung  (Ealiwirkung)  resp. 
Erweiterung  der  Gefässe  (Jodwirkung),  Ob  man  mit  Hilfe  dieser 
Thatsachen  in  der  Lage  sein  wird,   die  Wirkungen  des  Mittels 


')  Arcb.  f.  exper.  Patb.  V. 

*)  1.  c. 

»)  Schmidt's  Jahrb.  1877.  1.  p.  U. 

*)  Wiener  med.  Wocbenscbr.  47.  1889. 


üeber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     355 

bei  Psoriasis  und  Urticaria^)  zu  erklären,  ist  noch  fragUcb.  Es 
ruft  demnach  das  Jod  überall  nicht  nur  auf  den  Schleim- 
häuten, sondern  auch  auf  der  äusseren  Haut  Hyperämien  herror, 
welche  nach  grösseren  Dosen  sogar  zu  Hämorrhagien  (s.  oben) 
Veranlassung  geben  können.  Diese  Gefässdilafation  kömmt 
aber  nicht  durch  Lähmung  des  yasomotorischen  Centrums  zu 
Stande»  wie  nach  Chloral  oder  Amylnitrit,  sondern  durch  Ein-» 
Wirkung  auf  die  Gefasse  der  Organe  oder  der  oberflächlichen 
Gewebsschichten. 

Die  Untersuchungen  Trasbots*)  über  die  Wirkungs- 
weise des  Jodkalium  bei  Thieren  weichen  wenig  Ton  den  Er- 
gebnissen G.  See's  ab,  während  PreTo st  und  Binet^)  keinen 
besonderen  Einfluss  des  Jods  auf  den  arteriellen  Blutdruck 
und  auf  die  Circulation  gefunden  haben.  Ob  bei  ihnen  die 
Beobachtungszeit  zu  kurz  war,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden, 
die  eigentliche  Jodwirkung  beginnt  ja  nach  G.  S  e  e  nicht  sofort 
nach  der  Einverleibung  des  Jod,  sondern  erst  längere  Zeit 
nachher. 

Klinische  Beobachtungen  über  das  Verhalten  der  Circu- 
lation gegen  Jod  sind  sehr  spärlich,  und  soweit  es  sich  um 
die  Darreichung  von  Jodkalium  handelt,  durchaus  nicht  ein- 
wandfrei, weil  hier  die  Wirkung  des  Kalisalzes  von  der  des 
Jod  nicht  zu  unterscheiden  ist.  Haslund  beobachtete  nur 
bei  einem  seiner  Fälle  neben  nervösen  Erscheinungen  Herz- 
klopfen, starke  Beschleunigung  der  Herzaction  (tumultuarischen 
Herzschlag)  ohne  Steigerung  der  Temperatur.  Ob  die  von 
Bieder^)  beobachtete  Herzschwäche  dem  Jod  zuzuschreiben 
ist,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Bradley^)  fand  als 
constantes  Symptom  des  Jodismus  Pulsbeschleunigung  ohne 
Erhöhung  der  Temparatur,  manchmal  eher  eine  Erniedrigung 
derselben.  Dass  für  das  Zustandekommen  einer  derartigen 
Jodwirkung  auch  individuelle  Verhältnisse  massgebend  sind, 
hebt  Oppenheimer^)  hervor,  der  Kenntniss  hat  von  ganzen 

')  Stern.  Münch.  med.  Wocbenschr.  1890. 
*)  Acad.  de  Medic.  Paris  15.  Oct.  1889. 
')  Revue  med.  d.  la  Soisse  rom.  1890.  8. 
*)  Manch,  med.  Woohenscbr.  6.  1887. 
*)  These  de  Paris.  1887. 
^  Therap.  Monatsh.  XII.  1889. 

23* 


356  Seifert 

Familien,  bei  welchen  eine  Disposition  zu  solcher  Jodwirkung 
besteht.  Wird  man  aus  irgend  einem  Grunde  yeranlasst,  Jod- 
kalium zu  verabreichen,  so  konnte  man  schon  nach  0*03  die 
stürmischsten  Erscheinungen  einer  gestörten  Blutcirculation, 
Herzklopfen,  kleinen  Puls,  Klopfen  der  Criotiden,  das  (jefühl 
als  ob  der  Schädel  bersten  müsse,  bei  ihnen  beobachten.  Eine 
Hypothese  für  diese  FäUe  vermag  Oppenheimer  nicht  zu  geben. 
Man  könnte  nur  vermuthen,  dass  bei  einer  gewissen  Disposition  des 
Gefässnervensystems  die  chemische  Zusammensetzung  desselben 
der  Art  sei,  dass  Jodkalium  eine  Veränderung  hervorbringen 
könne  und  dass  beim  Mangel  dieser  eigenthümlichen  Beschaff 
fenheit  das  Jodkalium  nur  die  Wirkung  eines  Ealiumsalzes  ver- 
ursache. 

Wenn  ich  nach  dieser  Betrachtung  über  die  Jod-  resp. 
Jodkaliwirkung  meine  Fälle  durchsehe,  so  komme  ich  zu  dem 
Schlüsse,  dass  bei  genauer  Beobachtung  solcher  Fälle,  bei 
denen  Jodkali  in  steigender  Dosis  längere  Zeit  gegeben  wird, 
nahezu  regelmässig  ein  Einäuss  auf  die  Circulation  sich  be- 
merkbar macht,  den  ich  nicht  ohne  Weiteres  als  Kaliwirkung 
auffassen  kann.  Wenn  ich  auch  nicht  überall  in  den  kurzen 
Krankengeschichten  das  Verhalten  des  Pulses  hervorgehoben 
habe,  so  fehlte  doch  in  keinem  der  Fälle  eine  an  einzelnen 
Tagen  zu  beobachtende  Steigerung  der  Pulsfrequenz.  Am 
lehrreichsten  ist  der  FallHöfling,  bei  welchem  ohne  Erhöhung 
der  Temperatur  anfallsweise  ausserordentliche  Erhöhungen 
der  Pulsfrequenz  bis  zu  170  zur  Beobachtung  gelangten  (s.  d. 
Curve).  Was  mir  gerade  in  diesem  Falle  für  eine  vorwiegende 
Jodwirkung  zu  sprechen  scheint,  ist  der  Umstand,  dass  die 
jedesmalige  Steigerung  der  Pulsfrequenz  erst  am  Tage  nach 
jedesmaliger  Erhöhung  der  Jodgabe  auftrat.  Würden  solche 
Steigerungen  der  Pulsfrequenz  als  Kaliwirkung  anzusehen  sein, 
so  müsste  nach  den  Untersuchungen  von  G.  See  diese  Er- 
scheinung kurz  nach  der  erhöhten  Jodkalidose,  also  an  dem 
gleichen  Tage  zur  Erscheinung  gekommen  sein.  Es  hatten  im 
Uebrigen  diese  immerhin  recht  auffälligen  Störungen  der 
Circulation  so  wenig  Einfluss  auf  das  Allgemeinbefinden,  dass 
uns  ein  Aussetzen  des  Mittels  nicht  nöthig  erschien.  In  wie 
weit  bei   den  Psoriatikem  eine  Disposition  zu    solchen  Circu- 


lieber  die  Behandl.  der  Psoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JK.     357 

latfonsstörongen  vorliegt,  vermag  ich  noch  nicht  zu  entscheiden, 
da  ich  erst  in  letzter  Zeit  einen  meiner  Zuhörer,  Herrn  De  hnike 
beauftragt  habe,  die  von  Polotebnoff^)  gemachten  Angaben 
über  die  Erregbarkeit  des  Herzens  bei  Psoriatikern  zu  prüfen. 
Bei  Individuen  mit  so  leicht  erregbarem  Herzen  und  hohem 
Erethismus  des  (jefässsystems,  wie  in  den  von  Oppenheimer 
erwähnten  Fällen  möchte  freilich  der  Fortgebrauch  so  hoher 
Dosen  (20 — 22  Gr.)  Jodkalium  nicht  rathsam  erscheinen. 

Einer  anderen  ebenfalls  interessanten  Wirkung  des  Jod- 
kalium habe  ich  noch  zu  gedenken,  nämlich  der  Erzeugung  von 
Fieber, 

Schon  bei  Husemann')  findet  sich  eine  Notiz,  aus  der 
hervorgeht,  dass  Jod  ausser  Pulsbeschleunigung  auch  Temperatur- 
erhöhung hervorrufen  kann,  die  hinsichtlich  ihrer  Intensität 
und  Dauer  zur  localen  Einwirkung  in  keinem  Verhältnisse  steht. 
Auch  Rose  beobachtete  Steigerung  der  Körpertemperatur. 
Bogolopeff)  fand  bei  seinen  Thierversuchen ,  dass  die 
Temperatur  öfter  um  einige  Grade  ansteigt,  was  ebenso  wie  die 
Abnahme  des  Blutdruckes  mit  Erweiterung  der  peripheren 
Gefässe  zusammenfällt.  Beobachtungen,  wie  die  von  Janowsky,^) 
von  Kämpfer*)  und  Seifert  (Fall  12),  wonach  das  Auftreten 
von  Exanthemen  von  Temperaturerhöhungen  begleitet,  resp.  mit 
solchen  eingeleitet  werden  kann,  können  nicht  als  reines  Jod- 
fieber bezeichnet  werden. 

Malachowski*)  bezeichnet  die  beiden  von  ihm  beob- 
achteten Fälle  als  die  ersten  in  der  Literatur  mitgetheilten, 
in  welchen  ohne  Zweifel  das  Fieber  als  eine  reine  Jodwirkung 
anzusehen  war.  Malachowski  schliesst  dies  daraus,  weil 
1.  das  Fieber  kürze  Zeit  nach  Beginn  der  Jodtherapie  bei  vor- 
her fieberlos  erkrankten  Individuen  auftrat,  weil  2.  das  Fieber 
in  kurzer  Zeit  nach  Aussetzen  des  Mittels  verschwand  und  weil 
3.  trotz  sorgfältiger  Untersuchung  nirgends  am  ganzen  Körper 


')  Dermat.  Stadien.  1890. 

^)  Handbuch  d.  Fonikologie.   1862. 

»)  1.  c. 

*)  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat.  1886  p.  445. 

*)  1.  c. 

•)  Therap.  Monatsh.  IV.  1889. 


358  Seifert. 

aich  ein  Anhaltspunkt  für  das  Fieber  bot  und  auch  keinerlei 
subjective  Beschwerden  auf  eine  Fieberquelle  hinwiesen.  Der 
Puls  hatte  in  beiden  Fällen  eine  dem  Fieber  entsprechende 
Vermehrung  gehabt. 

Eine  Erklärung  für  das  Fieber  Termag  Malachowski 
nicht  zu  geben,  er  weist  nur  hin  auf  die  Möglichkeit  einer 
eyentuellen  Beeinflussung  thermischer  Centren  im  Gehirn. 

Diesen  Beobachtungen  von  Malachowsky  lassen  sich 
meine  11  Fälle  der  IL  und  IIL  Gruppe  anreihen.  Während  in 
den  ersten  beiden  Fällen  die  Körpertemperatur  während  der 
ganzen  Dauer  der  Behandlung  normal  geblieben  war,  zeigte 
nur  die  Pulsfrequenz  an  einzelnen  Tagen  eine  massige  Erhöhung 
zwischen  100  und  128  ohne  Herzklopfen  und  ohne  Störung 
des  Allgemeinbefindens,  so  dass  mit  der  Jodmedication  aus- 
zusetzen unnöthig  erschien. 

Von  den  Fällen  der  IL  und  Gruppe  IIL  muss  ich  von 
vorneherein,  um  etwaigen  Einwänden  zu  entgehen,  Fall  3, 
4  und  5  sowie  Fall  10  und  12  ausscheiden,  weil  es  sich  hier 
nicht '  um  reines  Jodfieber,  sondern  um  anderweitige  Intozi- 
cationserscheinungen  handelte,  in  deren  Begleitung  das  Fieber 
zur  Beobachtung  kam. 

In  Fall  4  trat  schon  am  3.  Tage  nach  der  ersten  Dosis 
eine  ziemlich  starke  Jodacne  auf  und  in  deren  Begleitung  eine 
mehrere  Tage  lang  dauernde  Temperatursteigerung  mit  massiger 
Pulsbeschleunigung  (s.  Gurve).  Die  verhältnissmässig  lange 
Dauer  des  Fiebers  und  die  geringe  Beschleunigung  der  Puls- 
frequenz würden  auch  abgesehen  von  der  Jodacne  gegen  die 
Bedeutung  dieses  Fiebers  als  Jodfieber  sprechen  können. 

Auch  die  Erscheinungen  in  Fall  3  und  5  möchte  ich 
nicht  ohne  Weiteres  als  Jodfieber  auffassen,  da  sich  leichte 
Temperaturerhöhimgen  (37*8 — 38*0)  im  Anschluss  an  Jod- 
schnupfen  und  heftige  Kopfschmerzen  bemerkbar  machten.  Auf- 
fallend ist  allerdings  die  im  Verhältniss  zur  Körpertemperatur 
erhebliche  Beschleunigung  der  Pulsfrequenz  (11 6 — 120),  welche  in 
dem  vorher  bezeichneten  Falle  bei  einer  Temperatur  von  39'0 
nur  96  betragen  hatte. 

Trotzdem   will    ich,    um    scharfe    Kritik   zu  üben,    auch 
diesen  Fall  nicht  unter  die  reinen  Jodfieber  rubriciren,  sondern 


Ueber  die  Behandl.  der  PBoriasis  mit  grossen  Dosen  von  JE.     359 

annehmen,    dass   der   starke    Schnupfen   zu    der   Temperatur- 
steigerung Veranlassung  gegeben  hat. 

Bei  Fall  12  erklärt  das  über  den  ganzen  Körper 
sich  ausbreitende  urticariaähnliche  Exanthem  das  Auftreten 
der  Temperatursteigerung,  doch  zeigte  sich  auch  hier  wieder 
wie  in  Fall  5  eine  mit  der  Temperatursteigerung  in  keinem 
Yerhältniss  stehende  Beschleunigung  der  Herzaction. 

Der  Fall  10  ist  nur  zum  Theil  aus  der  Betrachtung  aus- 
zuschliessen,  indem  sich  in  den  ersten  Tagen  der  Jodbehandlung 
Fieber  an  ein  Erythem  des  Rachens  mit  ödemalöser  Anschwellung 
der  Uvula  anschloss,  resp.  diese  Erscheinungen  begleitete. 

Dagegen  kann  die  in  der  zweiten  Hälfte  der  Behandlungs- 
zeit zur  Beobachtung  gelangte  Erhöhung  der  Körpertemperatur 
und  der  Pulsfrequenz  als  Jodfieber  bezeichnet  werden  aus 
gleich  zu  besprechenden  Gründen. 

In  den  übrigen  6  Fällen  handelte  es  sich  unzweifelhaft 
um  Fiebererscheinungen,  welche  direct  auf  die  Jodeinwirkung 
zu  beziehen  sind.  Für  dieses  Jodfieber  möchte  ich  als  Para* 
digma  die  in  Fall  10  während  der  zweiten  Hälfte  der  Behand- 
lungszeit auftretenden  Erscheinungen  bezeichnen.  Es  findet 
sich  hier  auf  der  zweiten  Hälfte  der  Curve  eine  plötzUche 
Steigerung  der  Temperatur  und  Beschleunigung  der  Pulsfrequenz 
angegeben,  letztere  der  Temperatursteigerung  um  nahezu 
24  Stunden  vorausgehend.  Nach  12  Stunden  Abfall  der  Tem- 
peratur auf  resp.  etwas  unter  die  Norm,  während  die  Puls- 
frequenz noch  Tage  lang  unverhältnissmässig  hoch  bleibt.  Am 
zweiten  Tage  nochmals  geringe  Temperatursteigerung  bei 
gleichbleibender  Pulsfrequenz. 

Ein  ähnliches  Verhalten  weist  auch  Fall  6  auf,  doch 
zeigte  sich  bei  diesem  die  Beschleunigung  der  Pulsfrequenz  bei 
Weitem  nicht  so  auffällig  wie  bei  Fall  10. 

Wenn  man  die  Krankengeschichten  und  die  Curven  genauer 
betrachtet,  so  findet  man,  dass  solche  Anfälle  von  Jodfieber 
sowohl  bei  grossen  als  bei  kleinen  Dosen  auftreten  können. 
Von  besonderem  Interesse  scheint  mir  noch  der  Fall  8  zu  sein, 
bei  welchem  jede  Erhöhimg  der  Tagesdosis  Jodkali  von  einer 
Erhöhung  der  Temperatur  und  der  Pulsfrequenz  gefolgt  war. 
Ich  bin   der  Ansicht,    dass   gerade   solche  Beobachtungen   am 


360  Seifert. 

besten  geeignet  sind,  um  die  Abhängigkeit  des  Fiebers  Yon 
der  Jodwirkung  klar  zu  stellen. 

Zur  Charakteristik  des  Jodfiebers,  die  uns  Malachowski 
gibt,  hätte  ich  nach  meinen  Beobachtungen  nur  wenig  hinzu- 
zufügen, nur  einige  Bemerkungen  glaube  ich  noch  anschliessen 
zu  sollen. 

Malachowski  gibt  an,  dass  der  Puls  in  seinen  beiden 
Fällen  eine  dem  Fieber  entsprechende  Vermehrung  gehabt  habe. 
Aus  meinen  Beobachtungen  darf  ich  wohl  den  Schluss  ziehen, 
dass  gerade  das  Missverhältniss  zwischen  Temperatursteigemng 
und  Erhöhung  der  Pulsfrequenz  dazu  beiträgt,  um  ausser  den 
von  Malachowski  genannten  Momenten  das  Jodfieber  als 
solches  zu  charakterisiren,  es  braucht  dieses  MissTerhältniss 
nicht  regelmässig  vorhanden  zu  sein,  dürfte  aber  doch  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  zur  Beobachtung  gelangen  und  gerade  jene 
Fälle  scheinen  mir  besonders  bemerkenswerth,  in  welchen  die 
Erhöhung  der  Pulsfrequenz  nicht  mit  dem  Eintritt  der  Tem- 
peratursteigerung zusammenfallt,  sondern  dieser  um  12 — 24 
Stunden  yorausgeht. 

Femer  hat  Malachowski  angegeben,  dass  das  Jodfieber 
in  kurzer  Zeit  nach  Aussetzen  des  Mittels  yerschwindet,  Fall  8 
liefert  den  Beweis,  dass  das  Fieber  auch  zurückgeht,  wenn  der 
Organismus  sich  an  jene  Höhe  der  Jodkalidosis  gewöhnt,  welche 
die  Fiebererscheinui^en  hervorgerufen  hat,  so  dass  man  also 
bei  leichtem  Jodfieber  nicht  gezwungen  ist,  mit  dem  Medica- 
ment  auszusetzen. 

Und  zum  Schluss  möchte  ich  nur  noch  eine  Bemerkung 
erlauben.  Man  wird  in  der  Hospitalbehandlung  bei  fortgesetzter 
Jodmedication  in  steigender  Dosis,  sobald  man  nur  ganz  regel- 
mässige exacte  Temperaturbestimmungen  und  Zählungen  der 
Pulsfrequenz  vornimmt,  leichtere  Grade  von  Jodfieber  öfters 
beobachten.  Die  leichteren  Grade  des  Jodfiebers  werden  sicher 
ohne  solche  fortlaufende  Untersuchungen  übersehen,  da  sie 
keinerlei  Störungen  des  Allgemeinbefindens  bedingen. 

Wenn  auch  meine  Untersuchungen  und  Beobachtungen 
nicht  viel  Neues  gebracht  haben,  so  schienen  sie  mir  doch  der 
Mittheilung  werth. 


Ans  der  k.  k.  böhm.  UniYenitäta-Elinik  fär  Hautkrankheiten 

des  Prof.  Dr.  V.  JaaoTsk;^. 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Dermatosis 

Darier's. 


Von 

Dr.  Heinrich  Mourek, 

klln.  ÄBfistenten. 

(Hierzu  Taf.  IX,  X,  XI.) 


Die  überaus  seltene,  unter  dem  Namen  „Psorospermose 
folliculaire  vegetante"  vonThibault*)  undDarier")  beschrie- 
bene Erankheitsform  scheint  ganz  besonders  in  Oesterreich 
äusserst  selten  Torzukommen.  Soweit  wenigstens  mir  bekannt 
ist,  gelangte  kein  einziger  in  Oesterreich  beobachteter  Fall 
von  Psorospermose  zur  Veröffentlichung.  Dies  ist  allerdings 
nicht  der  einzige  Grund,  weshalb  wir  den  Fall  aus  der  Klinik 
des  Prof.  Dr.  JanoTsky  publiciren.  Die  Frage  des  ätiologischen 
Verhältnisses  der  Parasiten  aus  der  Classe  „Protozoa"  zu  den 
verschiedenen  menschlichen  Erkrankungen  steht  heute  im  Vorder- 
grunde der  am  häufigsten  erörterten  Zeit-  und  Streitfragen 
und  obzwar  die  letzten  drei  Jahre  einige  gründliche  neben  dieser 
Frage  auch  das  Wesen  der  D  arier'schen  Dermatose  zunächst 


')  Observations  cliniques  pour  servir  ä  l'histoire  de  la  Psorosper- 
mosa  follieulaire  v^getante  de  Darier.  Paris  1889. 

')  De  la  Psorospermose  follieulaire  vegetante.  Annales  de  Derma- 
tologie. 1889. 


362  Mourek. 

behandelnde  Studien  brachten,  wird  es  immer  noch  neuer  Stadien 
und  Controlarbeiten  in  dieser  Frage  bedürfen.  Ausserdem 
aber  ist  unser  Fall  der  einzige  in  der  Literatur,  der  nach  ver- 
hältnissmässig  kurzer  Dauer  letal  verlief  und  in  welchem  eine 

Section  gemacht  wurde. 

Unser  Fall  betrifft  einen  54  Jahre  alten  Taglöhner  J.  E.  aus  Lang- 
dorf  in  Böhmen,  welcher  am  22.  April  1892  aub  Prot.-Nr.  5718  anf  die 
Klinik  aufgenommen  wurde. 

Aus  der  Anamnese  heben  wir  hervor:  In  der  Familie  des  Patienten 
sind  keine  hereditären  oder  infectiösen  Krankheiten  vorgekommen.  Der 
Kranke  weiss  sich  nicht  zu  erinnern,  dass  irgend  ein  Mitglied  seiner 
Familie  mit  irgend  einer  Hautkrankheit  behaftet  gewesen  wäre.^  Seine 
Eltern  starben  an  Altersschwäche,  seine  Geschwister  leben  und  sind  ge- 
sund. Er  hat  drei  gesunde  Kinder,  auch  sein  Weib  war  stets  gesund  nnd 
hat  nie  abortirt.  Desgleichen  hat  Fat.  selbst  bisher  nie  irgend  eine  bedeu- 
tendere Krankheit  überstanden  und  stellt  jede  Infection  entschieden  in 
Abrede.  Vor  fünf  Jahren  acquirirte  er  einen  rechtsseitigen  Bruch,  vor  drei 
viertel  Jahren  einen  solchen  linkerseits.  Sofort  nach  Wahrnehmung  des 
Bruches  trug  er  ein  Bruchband.  Die  jetzige  Hautkrankheit  soll  angeblich 
erst  seit  October  1891  bestehen.  Ihre  Entwicklung  bemerkte  der  Kranke 
zuerst  am  Schamhügel.  Insoweit  er  sich  zu  erinnern  vermag,  bildeten  sich 
hier  zerstreut  stehende  bräunliche  Flecke  und  Knötchen.  Bald  hierauf  trat 
an  einzelnen  Stellen  Nässen  ein.  Vom  Anfange  an  war  die  Affection  von 
ziemlich  starkem  Jucken  begleitet  und  verhältnissmässig  rasch  verbreitete 
sie  sich  über  die  übrige  Haut.  Eine  zeitweilige  Besserung  hat  Patient 
niemals  beobachtet. 

Wann  und  in  welcher  Weise  die  Fisteln  am  Scrotum  entstanden 
sind,  weiss  Patient  nicht  anzugeben,  wie  er  überhaupt  auch  keine  an- 
nähernde Ursache  für  die  Entwicklung  der  Hautaffection  zu  bezeichnen 
vermag.  Alkoholiker  ist  derselbe  nicht.  Nähere  verlässliche  anamnestisehe 
Details  sind  von  dem  Kranken  schwer  zu  erlangen. 

Status  präsens.  Patient  ist  von  hoher  Statur,  kräftigem  Knochen- 
bau, Musculatur  gut  entwickelt.  Seine  Temperatur  ist  normaL  Der  Thorax 
ist  gut  gewölbt,  die  Percussion  der  Lungen  voll  und  etwas  gedämpft,  durch 
die  Auscultation  kann  man  zahlreiche  Rasselgeräusche  und  Pfeifen  an 
beiden  Lungen  constatiren.  Das  Herz  liegt  in  geringerer  Dimension  der 
vorderen  Wand  des  Brustkorbes  an.  Die  Tone  sind  rein,  klappend,  jedoch 
schwach  hörbar.  In  dem  bedeutend  grossen  Scrotum  —  dessen  rechte 
Hälfte  insbesondere  vergrössert  zu  sein  scheint  —  finden  wir  auf  der 
rechten  Seite  eine  Geschwulst,  die  in  den  Leistencanal  hineinragt.  Dia 
Geschwulst  ist  glatt,  faustgross,  die  Percussion  oberhalb  derselben  tympa- 
nitisch,  bei  gesteigertem  Bauchdrucke  vergrössert  sie  sich  und  lässt  sich 
leicht  in  die  Bauchhöhle  zurückbringen.  Schmerzempfindung  ist  nicht 
vorhanden.  Eine  ganz  ähnliche  Geschwulst  findet  sich  an  der  linken 
Hälfte  des  Scrotums,  doch  ist  sie  nur  halb  so  gross.   Die  übrigen  Organe 


Ein  Beitrag  znr  Lehre  von  der  Dermatosis  Darier's.  363 

der  Bauchhöhle  haben,  insoweit  dies  durch  die  physikalische  Untersuchung 
constatirt  werden  kann,  eine  normale  Lage  und  sind  normaL 

Der  chemisch  und  mikroskopisch  untersuchte  Harn  bietet  keinen 
pathologischen  Befund  dar.  — *  Die  Haut  am  behaarten  Theile  des  Kopfes 
ist  erheblich  verdickt,  uneben,  mit  zahlreichen  kleinen  Knötchen  besäet, 
von  bräunlicher  Farbe  und  mit  beträchtlichen  Homkegeln  bedeckt. 
Bei  einzelnen  dieser  EfHorescenzen  tritt  mitten  durch  ein  Haar  heraus, 
bei  anderen  beobachten  wir  dies  nicht.  Stellenweise  verschmelzen  diese 
Knötchen  zu  grösseren,  mit  zusammenhängenden  gelblichen  Krusten  be- 
deckten Infiltraten,  stellenweise  zeigen  sich  wieder  nach  Abfallen  der 
Krusten  nässende,  unebene  röthliche  Stellen,  die  oberflächlicher  oder  tiefer 
in  die  Malpighischen  Schichten  hineinragen.  Die  Krusten  haften  fest  an 
ihrer  Unterlage.  Zwischen  den  einzelnen  Efflorescenzen  zeigt  sich  die 
Haut  normal.  Die  Haare  sind  dunkelbraun,  trocken,  brüchig  und  sehr 
dicht  gestellt. 

An  der  Stimhaut  finden  wir  zahlreiche  primäre  Knötchen  von 
eigenthümlichem  Charakter,  die  sich  übrigens  theilweise  in  Gruppen,  theil- 
weise  als  isolirte  Efflorescenzen  an  verschiedenen  Körperstellen  zeigen. 
Diese  Knötchen  haben  die  Grösse  eines  Stecknadelkopfs  bis  eines  Hanf- 
koms,  sind  trocken,  fest,  streng  abgegrenzt,  sitzen  in  den  oberen  Schichten 
der  Lederhaut  und  Epidermis,  zeigen  durchwegs  eine  intensiv  röthliche, 
bräunliche  oder  gelbliche  Farbe.  Sie  sind  bedeckt  mit  einer  bedeutend 
verdickten  Homschichte,  nach  deren  Ablösung  sich  die  nässende,  stellen- 
weise mit  gelblichem  Detritus  bedeckte  Malpigbi'sche  Schichte  zeigt. 

Das  hornige  Hübelchen  ist  in  der  Mitte  am  stärksten  und  lässt  sich 
ziemlich  schwer  von  der  Basis  ablösen.  Der  übrige  Boden  bildet  gewöhn- 
lich eine  trichterförmige  Höhle  mit  ungleichen  Bändern.  Durch  das  Ver- 
schmelzen einzelner  solcher  primärer  Knötchen  entstehen  grössere  ge- 
röthete  Flächen,  in  deren  Umgebung  stets  sehr  deutliche  primäre  Efflo- 
rescenzen hervortreten.  An  der  Haut  des  Rumpfes  kommen  haufenw^eise 
Gmppen  der  beschriebenen  Knötchen  zum  Vorschein  und  bewirken  stellen- 
weise eine  beträchtliche  Verdickung  der  Haut.  Nach  gewaltsamer  Ent- 
femnng  der  einzelnen  Efflorescenzen  an  der  Stirn  entsteht  stellenweise 
eine  leichte  Blutung.  Die  Haut  der  Ohrmuscheln,  der  Nase  und  der  Partie 
der  Wangen  zwischen  der  unteren  Falte  des  Augenlides  und  der  Naso- 
labialfurche  hat  im  Ganzen  ein  normales  Aussehen.  Dagegen  zeigen  sich  im 
Barte  an  den  Wangen  und  am  Kiim  ähzüiche  Veränderungen  an  der  Haut, 
wie  sie  bezüglich  des  behaarten  Theiles  des  Kopfes  beschrieben  sind. 

An  der  Haut  des  Halses  fliessen  die  Gruppen  der  primären  Knöt- 
chen in  sehr  umfangreiche,  dunkelbraune  Infiltrate  zusammen,  so  dass 
diese  Gegend  wie  eine  schmutzigbraune,  ungleiche,  warzenförmige  Fläche 
aussieht. 

An  der  Haut  der  Supra-  und  Infraclaviculargegend  sind  zahlreiche 
primäre,  schön  entwickelte,  vereinzelt  oder  dicht  gruppirt  stehende,  gut 
abgegrenzte  Efflorescenzen  verstreut,  welche  sich  als  Stecknadelkopf-  bia 
hanfkorn-  und  darüber  grosse,  feste,   trockene,  schmutzig  braune,  in  der 


364  Mourek. 

Mitte  häufig  mehr  als  an  der  Peripherie  dnnkle  Knötchen  präsentiren. 
An  einigen  Efflorescenzen  kann  man  leicht  —  besonders  mit  der  Loape 
—  in  der  Mitte  einen  schwarzen  Punkt  wahrnehmen.  Die  homartige  Er- 
höhung lässt  sich  hier  etwas  leichter  abkratzen  als  am  behaarten  Theüe 
des  Kopfes.  Es  bleibt  sodann  eine  nässende  Fläche  zurück,  die  gewöhnlich 
nicht  blntet.  Die  Haut  der  Umgebung  ist  nicht  pig^entirt,  die  Haut 
zwischen  den  einzelnen  Efflorescenzen  erseheint  dankler  als  die  Umgebung, 
die  eine  erdige  Verfärbung  haben. 

Die  Verhältnisse  der  Haut  der  Stemalgegend  sind  analog  denen 
am  Halse,  nur  dass  die  Verfärbung  hier  noch  weit  intensiver  und  dunkler 
ist.  An  den  Seiten  längs  der  ganzen  Peripherie  sind  die  beschriebenen 
primären  Papeln  verstreut. 

An  der  vorderen  Seite  des  Thorax  bis  etwa  zwei  Finger  unter  der 
Brustwarze  ist  die  Haut  von  normalem  Aussehen  u.  zw.  sowohl  rechts 
wie  links  vollständig  symmetrisch.  Die  symmetrische  Localisation  verdient 
überhaupt  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  zumal  die  Efflorescenzen 
an  beiden  Körperhälften  fast  in  bewundemswerther  Weise  gleichroässig 
angeordnet  sind.  Hie  und  da  finden  wir  allerdings  an  der  Haut  der  vor- 
deren Thoraxwand  eine  vereinzelte  charakteristische  Efflorescenz  oder 
eine  Gruppe  derselben  aus  einigen  jedoch  wenigen  Exemplaren  bestehend. 
Die  Haut  der  seitlichen  Partien  des  Brustkorbs  wie  auch  die  Haut  des 
Rückens  und  Bauches  ist  mit  einer  ungeheueren  Menge  einzelner  Knötchen 
besäet,  die  der  Mehrzahl  nach  in  ausgebreitete  Flächen  von  dunkelbrauner 
Färbung  und  fettigem  Aussehen  verschmolzen  sind.  Die  Infiltrate  sind 
mit  Krusten,  Rissen  und  Excoriationen  bedeckt.  Zwischen  den  verschmol- 
zenen grossen  Infiltraten  sieht  man  hie  und  da  Stellen,  —-  zuweilen  aller- 
dings von  unbedeutender  Ausdehnung,  —  wo  die  Haut  bräunlich  oder 
röthlich  gefärbt,  aber  von  besonderen  Efflorescenzen  frei  ist. 

Die  Symmetrie  der  Localisation  der  Efflorescenzen  ist  auch  an  den 
Extremitäten  schön  zu  sehen.  Die  oberen  Extremitäten  sind  von  der 
Affection  nur  wenig  betroffen.  In  der  Achselhöhle  finden  wir  die  grössten 
Gruppen  von  Efflorescenzen.  Hier  kam  es  in  Folge  von  Maceration  zur 
Ablösung  der  Malpighi'schen  Schichte  und  das  ganze  Bild  der  Affection 
ist  dadurch  verändert.  In  den  Ellenbogenbeugen  dafür  finden  sieh  in 
Gruppen  feste,  trockene,  braune,  papulöse  Efflorescenzen,  wie  sie  oben 
beschrieben  worden  sind.  Die  charakteristischen  Knötchen  sind  an  der 
inneren  Seite  des  Vorderarmes  nur  spärlich  vertheilt.  Am  Handrücken 
sind  gleichfalls  kleine,  trockene,  dunkelbraune  Papeln,  die  auch  stellen- 
weise zusammenfliessen,  gruppenförmig  angeordnet  Das  Gleiche  ist  der 
Fall  bezüglich  der  Haut  aller  Finger,  insbesondere  über  der  2.  und  8. 
Phalanx.  Die  Haut  der  Handfläche  ist  rauh,  aber  die  Efflorescenzen,  die 
wir  hier  bei  der  Berührung  als  harte  in  Gruppen  vorkommende  Papeln 
fühlen,  unterscheiden  sich  bezüglich  der  Pigmentation  nicht  auffallend 
von  der  Umgebung.  Die  Nägel  zeigen  auffallende  längliche  Rinnen.  Der 
Nagel  des  linken  Daumens  ist  blos  zur  Hälfte  braun  verfärbt,  die  übrigen 
Nägel  sind  normal. 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Dermatosis  Darier's.  365 

Die  Haut  der  unteren  Extremitäten  ist  gleichfalls  wie  die  Haut  der 
oberen  Extremitäten  in  nicht  erheblichem  Grade  von  der  Affection  heim- 
gesucht. Bios  die  an  der  Schamgegend  eng  angrenzende  Hautpartie  der 
Oberschenkel  ist  sehr  bedeutend  verändert.  Einzelne  Efflorescenzen,  die 
schon  an  der  Haut  des  Hypogastriums  grosse  Dimensionen  erreicht  haben, 
erlangen  in  der  Leiste  eine  sehr  bedeutende  Grösse,  indem  sie  eine  halb- 
kugelförmige  Gestalt  vom  Umfange  einer  halben  Erbse  erreichen  und 
erheblich  über  das  Niveau  hervorragen.  Auf  ihrer  Oberfläche  fehlen  hier 
die  Krusten,  einige  zeigen  in  Wirklichkeit,  wie  dies  Darier  beschreibt, 
am  Gipfel  eine  trichterförmige  Oeffhung,  aus  welcher  man  eine  eitrige 
nnd  talgartige  Masse  ausdrücken  kann.  Die  Efflorescenzen  in  Inguine 
fliessen  zusammen  und  bilden  weichere  und  rothe  Knötchen,  deren  Ober- 
fläche mit  einer  talgartigen,  stark  riechenden,  stets  von  neuem  von  der 
ganzen  Oberfläche  des  von  der  Epidermis  entblössten  Knötchens  abge- 
sonderten Flüssigkeit  bedeckt  ist.  Das  Secret  sammelt  sich  insbesondere 
in  tiefere  Furchen  an,  welche  die  einzelnen  Knötchen  streifenartig  von 
einander  trennen  und  zersetzt  sich  hier.  Solche  Verhältnisse  sind  auch  an 
der  Haut  des  Scrotums  mit  Ausnahme  von  dessen  vorderer  Partie.  Hier 
finden  wir  auch  einige  ganz  oberflächliche  Fisteln,  aus  welchen  ein  ähn- 
liches, eitrig  talgartiges  Secret  ausfliesst,  welches  wiederholt  auf  Tuberkel- 
bacillen  untersucht,  ein  negatives  Kesultat  ergeben  hat. 

Die  erdfarbig  pigmentirte  Fläche,  die  durch  das  Zusammenfliessen 
der  primären  Efflorescenzen  am  Rücken  entsteht,  unterscheidet  sich  scharf 
von  der  nur  wenig  aflicirten  Haut  der  Glutealgegend.  Die  Grenze  bildet 
der  Bogen,  der  von  der  Spina  ossis  ilei  anterior  superior  zur  Endigung 
der  Glutaealfalte  verläuft.  Die  Symmetrie  ist  auch  hier  streng  auf  beiden 
Seiten  gewahrt.  In  der  Glutealgegend  wie  auch  an  der  Haut  der  Ober- 
schenkel und  Waden  sind  nur  spärlich  kleine  Gruppen  grauer  harter 
Papeln  zu  sehen.  Dafür  ist  die  Haut  in  der  Kniekehle  von  der  Affection 
in  hohem  Grade  ergriffen  und  zwar  im  Umfange  einer  männlichen  Hand- 
fläche. Die  Verhältnisse  der  Haut  sind  hier  nicht  unähnlich  jenen  in  der 
Leistengegend.  Auch  hier  finden  wir  durch  Rinnen  von  einander  abgetheilte, 
braun  gefärbte  von  Epidermis  entblösste  und  mit  übelriechendem  Secret 
bedeckte  Infiltrate. 

Am  Do7sum  pedis  sieht  mau  mehrere  Gruppen  fester,  primärer, 
dimkelbrauner  Efflorescenzen,  die  nicht  verschmelzen.  Die  Planta  pedis 
ist  von  Efflorescenzen  vollständig  frei.  Die  Nägel  der  Zehen  zeigen  weit 
mehr  Veränderungen  als  die  der  Finger.  An  den  Rändern  sind  sie  zumeist 
gefranst,  insgesammt  convex  gekrümmt  und  gerippt.  Besonders  auffallende 
Veränderungen  sind  nicht  vorhanden  und  die  quantitative  Stufe  der  Ver- 
änderungen ist  an  den  Nägeln  der  verschiedenen  Zehen  eine  verschiedene. 
Am  auffallendsten  ist  der  Nagel  der  grossen  Zehe  des  rechten  Fusses 
verändert. 

Alle  sichtbaren  Schleimhäute  sind  normal  —  Patient  klagt  aber 
massiges  Jucken.  Sämmtliche  physiologischen  Functionen  desselben  sind 
normal.    Der    Kranke    wurde    an    der    Klinik    vom    22.    April    1892    bis 


366  Mourek. 

24.  April  1893,  seinem  Todestage  beobachtet.  Die  Hautaffection  bat  sich 
während  dieses  ganzen  Jahres  nur  sehr  wenig  geändert.  Trotz  des  ein- 
geleiteten Heilverfahrens,  zu  welchem  alle  möglichen  geeigneten  Mittel 
aus  dem  dermatologischen  Armamentarium  abwechselnd  herangezogen 
wurden,  konnten  wir  keinerlei  erhebliche  regressive  Veränderungen  be* 
obachten.  Die  therapeutischen  Verfahren  wurden  bei  unserem  Patienten 
verhaltnissmässig  rasch  gewechselt  und  zwar  aus  doppelten  Gründen : 

Erstens  erzielten  wir  nie  mit  irgend  einem  bestimmten  Medicamente 
ein  günstiges  Resultat,  zweitens  versuchten  wir  selbst  eine  Reihe  von 
Mitteln,  von  deren  einem  wir  irgend  einen  Effect  zu  erlangen  hoCflen. 
Eine  nähere  Beschreibung  dieser  Experimente  wäre  zwecklos.  Ich  bemerke 
nur  kurz,  dass  nach  kürzerer  oder  längerer  Frist  verschiedene  Salben, 
Gelatine,  Pflaster,  Pasten,  Bäder,  Einwicklungen  in  mit  verschiedenen 
Lösungen  befeuchtete  Compressen  zur  Anwendung  kamen. 

Dagegen  konnten  wir  eine  gewisse  Progression  des  Processes  Ter- 
folgen,  darin  bestehend,  dass  die  kleinen  Gruppen  von  Efflorescenzen, 
bei  welchen  man  früher  auch  ohne  Lonpe  die  Einzelexemplare  isoliien 
konnte,  jetzt  vollständig  verschmolzen  waren  und  dass  an  der  Peripherie 
der  älteren  Efflorescenzen  sich  hie  und  da  neue  Papeln  entwickeln.  Aber 
diese  Progression  war  im  Ganzen  so  langsam,  dass  sie  dem  täglichen 
Beobachter  fast  entging  und  nur  bei  Vergleichung  der  Photographien, 
Bilder  und  Typen,  die  in  verschiedenen  Zwischenräumen  angefertigt 
worden  sind,  sich  gut  beobachten  Hess. 

Dem  gegenüber  veränderte  sich  das  Allgemeinbefinden  des  Patienten 
im  Verlaufe  der  Behandlung  an  der  Klinik  in  bedeutendem  Grade.  Schon 
im  Laufe  des  ersten  Monates  seines  Aufenthaltes  an  der  Klinik  klagte  der 
Kranke  über  Verdauungsbeschwerden.  Wir  fanden  zu  dieser  Zeit  durch 
die  physikalische  Untersuchung  keinerlei  erhebliche  Veränderungen  ausser 
den  im  Status  bereits  angegebenen.  Der  filtrirte  Magensaft  reagirte 
schwach  sauer.  Im  Harn  wurden  zu  dieser  Zeit  zuerst  Spuren  von  Eiweiss 
gefunden.  Die  Quantität  des  Harns  in  dieser  Zeit  war  verhaltnissmässig 
normal.  Die  mikroskopische  Untersuchung  des  Blutes  zeigte  genug  auf- 
fallende Veränderungen.  Neben  deutlicher  Abnahme  des  Hämoglobins 
(nach  Fieischels  Methode  untersucht)  waren  sehr  deutliche  Veränderungen 
der  Form  und  Grösse  der  rothen  Blutkörperchen  zu  finden.  Von  Mikro- 
cythämie  war  aber  dazumal  keine  Spur,  diese  zeigte  sich  erst  nach  vier 
Monaten.  Ihre  Entstehung  vermochten  wir  uns  nicht  recht  deutlich  zu 
erklären. 

Seit  Ende  Juni  1892  litt  der  Kranke  an  hartnäckigem  Durchfall, 
der  allerdings  sich  zeitweilig  besserte,  im  Ganzen  jedoch  stetig  schlimmer 
wurde,  indem  er  anfangs  seltener,  später  aber  sehr  häufig  sich  einstellte. 
Bis  zu  diesem  Zeitpunkte  erhielt  der  Kranke  in  Intervallen  Arsen,  welches 
nunmehr  aus  der  Therapie  vollständig  ausgeschlossen  wurde,  wie  man 
auch  unsererseits  streng  darauf  achtete,  dass  der  Patient  keinerlei  den 
Darm  oder  die  Nieren  reizende  Mittel  erhielt.  Seit  dieser  Zeit  trat  auch 
beim  Patienten  ein  Gewichtsverlust  ein.     Bis  zum  Ende   des  Jahies  ver- 


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368  Mourek. 

Ueam  correspondirenden  Partie  verdickt,  von  fester,  fast  harter  Consisteiu. 
Eine  ähnliche  diffuse  Verdickung  findet  sich  am  Mesocolon  transversum, 
welches  verkürst  und  dessen  Serosa  ii^icirt  ist.  Das  Peritoneum  ist  stark 
mit  Fett  durchwachsen.  Die  Schleimhaut  des  Dickdarms  ist  verdickt, 
besonders  im  Colon  descendens  ist  sie  auffallend  stark,  durchwegs  blass; 
die  Zotten  sind  an  der  Spitze  dunkelbraun  pigmentirt.  Die  Payer'schen 
Plaques  sind  gleichfalls  pigmentirt.  Die  Schleimh&ute  des  Magens  wie  auch 
des  Duodenums  sind  blass.  Die  Milz  ist  vergi'össert  (15*5,  lO'O,  4*0).  Die 
Kapsel  verdickt,  stellenweise  fast  knorpelig.  Beide  Nieren  sind  entsprechend 
gross,  an  der  Oberfläche  graublass,  die  Pyramiden  an  der  Peripherie  sind 
blassviolett,  das  Gewebe  morsch,  brüchig.  Die  Leber  massig  vergrössert, 
die  Kapsel  an  der  convexen  Seite  verdickt,  am  Rande  in  der  Serosa  findet 
sich  eine  gestielte,  haselnussgrosse  Geschwulst  von  fester  und  derber  Gon* 
sistenz.  Das  Gewebe  ist  massig  blutreich,  die  Contour  deutlich,  die  Farbe 
hellgrau,  die  Consistenz  brüchig.  Die  Harnblase  ist  massig  dilatirt,  ihre 
Wandungen  verdickt,  die  Schleimhaut  blass. 

Der  pathologisch- anatomische  Befund  lautet:  Nephritis  subacuta, 
catarrhus  intestinornm  chronicus,  Thrombosis  arteria  pulmonalis ;  Oedema 
pulmonum  acutum.    Morbus  DarierL 

Vergleichen  wir  diesen  unseren  Fall  vom  klinischen  Stand- 
punkte mit  jenen  von  Darier  und  anderen  Autoren  beschrie- 
benen, so  sehen  wir,  dass  wir  zu  den  gelieferten  klinischen 
Beschreibungen  nichts  Wesentliches  beizutragen  vermögen.  Nur 
einige  unbedeutende  Einzelheiten  zeichnen  unseren  Fall  aus,  die 
wir  in  den  bisher  bekannten  Fällen  nicht  wahrgenommen  haben 
und  zwar:  Die  Krankheit  trat  in  einem  späteren  Lebensalter 
ein,  während  sie  bekanntlich  in  den  jüngeren  Jahren  sich  zu 
entwickeln  pflegt,  —  sie  war  weiters  viel  bedeutender  ausge- 
breitet als  in  anderen  Fällen,  obzwar  sie  eine  verhältnissmässig 
kurze  Zeit  andauerte  und  war  von  Jucken  begleitet,  was  ander- 
weitig nicht  beobachtet  wurde. 

Wiewohl  die  beschriebene  Erkrankung  klinisch  hoch 
interessant  sich  gestaltet,  so  erweckt  doch  deren  pathologische 
Histologie  ein  höheres  Interesse.  Zum  Zwecke  der  mikrosko- 
pischen Untersuchung  habe  ich  Schnitte  aus  verschiedenen 
Hautpartien  angefertigt,  auf  welchen  primäre  Efflorescenzen 
sich  befanden.  Die  Verarbeitung  der  Präparate  erfolgte  auf 
verschiedenartigste  Weise.  Es  wäre  überflüssig,  die  einzelnen 
Methoden  anzuführen,  zumal  wir  im  weiteren  Verlaufe  ohnehin 
die  wesentlichsten  berühren  werden. 

Die  anatomischen  Verhältnisse,  wie  sich  selbe  an  meinen 
so  viel  als  möglich  senkrecht  aus  den  beschriebenen  charakteri- 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Dermatosis  Darier's. 

stischen  Papeln  angefertigten  Schnittpräparaten  darstellen 
die  ich,  so  weit  die  Umstände  dies  gestatten,  abgebildet 
sind  folgende:  Auf  den  ersten  Blick  erkennen  wir   unter 
Mikroskope,   dass  die  Epidermis  yergrössert  ist  und  das 
Hauptantheil  daran  auf  die  vergrösserte  Hamschichte    er 
dass  aber  auch  abwechselnd  das  Stratum  granulosum  um 
Stratum  Malpighii  daran  Theil  nehmen.    Die  Cutis  propi: 
zwar  verändert,  jedoch  bei  weitem  nicht  in  dem  Masse  w 
Cutis    parenchymatosa    (Eromayer).     Die    Anordnung 
Bindegewebselemente  und  der  elastischen  Fasern  in  den  ti ! 
Schichten   zeigt   keine   erheblichen  Abweichungen.    Die 
drüsen  sind  Ton  normalem  Aussehen  und  deren  Umgebur  | 
auch  die  Umgebung  der  tiefen  Follikeln  und  der  Schweisst  i 
ist  fast  vollständig  ohne  Veränderung. 

Die  Cutis  vasculosa  (die  oberflächlichsten  Schichte  i 
Cutis  mit  dem  Papillarkörper)  zeigt  eine  kleinzellige  Infilt  i 
die  bei  weitem  charakteristischer  ist  als  diejenige  in  de: 
propria.    Rings  um  das  subpapillare  Gefässnetz  ist  das 
trat  verhältnissmässig  am  grössten.    Hier  ist  auch    das     i 
liehe  Pigment  in  formlosen  Klumpen  angehäuft.    Am  En  1 
wie    auch   an    den  Wänden    der  Gefässe   ist   durchaus     i 
pathologisches  zu  finden.    Diffuse  Infiltrate   der  Papille] 
keines  der  Präparate.    Die  Gefasse  der  Papillen  sind  d  i 
dilatirt  und  in  ihrer  Umgebung  findet  man  am  häufigst  i 
kleinzelliges  Infiltrat.   Die  Papillen  sind  stellenweise  verl   : 
die  Verlängerung  ist  zwar  ziemlich  bedeutend,   jedoch  i   : 
enorm.    Die   Papillen   zeigen   sehr   verschiedene  ForuM    • 
indem  sie  ein-  auch  mehrmal  gespalten,  manchmal  vei    i 
«ind.    Anderwärts  sind  sie  wieder  kolbenförmig,  währei    ! 
Durchmesser  an  verschiedenen  Stellen  sich  verschieden  g€    i 
Hiedurch  kommen  stellenweise  auch  bizarre  Formen  der  I    : 
?u  Stande. 

Die  correspondirenden  interpapillaren  Zapfen  besitz 
sich  dies  von  selbst  versteht,   gleichfalls   eine    solche  u     < 
massige  Form.    Die    Schichte    der   Basalzellen  weist,  i    i 
dies  die  Form  der  Zellen  betrifft,  die  wenigsten  Abwei<     i 
vom  normalen  Bilde  auf.    Die  Zellen  haben  eine  cylin 
ausgezogene  Form  und  stehen  stellenweise  in  zwei  Beihe     1 

ArehlT  f.  DemBatol.  a.  Sjrphil.    Basd  XXVII.  g 


370  Mourek. 

einander.  Sie  färben  sich  durchwegs  gut  und  überaus  Tiele 
zeigen  Mitosen.  Diese  Schichte  stellt  sich  auch  an  nicht  ge- 
tärbten  Präparaten  sehr  deutlich  dar,  zumal  zahlreiche  Zellen 
ein  granuliiles,  braunschwarzes  Pigment  enthalten.  Alle  übrigen 
Schichten  der  Epidermis  sind  erheblicher  verändert  und  zwar 
so,  dass  fast  regelmässig  die  Veränderungen  um  so  auffallender 
und  charakteristischer  werden,  je  mehr  wir  uns  der  Ober- 
fläche nähern.  Die  Stachelzellen  sind  insbesondere  in  ihrer 
Anordnung  und  in  ihrer  Zahl  verändert,  sodann  aber  auch  in 
ihrer  Form.  Die  Formunterschiede  an  verschiedenen  Zellen 
zeigen  sich  in  verschiedenem  Grade  und  in  verschiedener  Weise, 
auffallend  verändert  ist  nur  die  Minderheit  der  Zellen.  Es  ist 
wahr,  dass  viele  von  ihnen  nicht  jene  polygonale  Form,  wie 
selbe  normal  ist,  aufweisen,  dass  sie  in  mehr  abgerundete 
Zellen  sich  verändern  und  dass  die  Stacheln  sich  sehr  schwer 
auffinden  oder  nachweisen  lassen ;  dies  gilt  jedoch  entschieden 
nicht  von  allen  Zellen  dieses  Stratums  oder  von  den  Zellen 
der  grossen  Mehrheit  dieser  Schichte,  wie  man  nach  der  Be> 
Schreibung  der  verschiedenen  Autoren   dies  annehmen  könnte. 

So  verhält  es  sich  auch  bezüglich  der  Veränderungen  an 
den  Kernen,  welche  zwar  sehr  viele  Zellen  hier  zeigen,  nie  je- 
doch die  Mehrzahl.  Zahlreiche  Zellen  fesseln  die  Aufmerk- 
samkeit durch  die  über  das  Normale  hinausgehende  Grösse 
mit  homogenem  glänzenden  Protplasma  und  granulirtem  ge- 
wöhnlich peripherer  liegendem  Kerne.  Zwischen  den  in  dieser 
Weise  mehr  oder  weniger  veränderten  Zellen  kommen  wir  im 
Stratum  Malpighii  auf  vereinzelt  stehende  Zellenformationen  von 
eigenartigem  Charakter.  Solche  Zellen  kommen  in  dieser 
Schichte  nur  sporadisch  vor,  während  wir  in  den  höheren 
Schichten  ähnliche  Elemente  in  grossen  Mengen  finden,  lieber 
die  näheren  Charaktere  dieser  auffallenden  und  auf  den  ersten 
Anblick  gegen  die  übrigen  Zellen  differirenden  Elemente  werden, 
wir  sofort  ausfuhrlich  berichten,  sobald  wir  ihre  Ausbreitung 
auch  in  den  übrigen  Schichten  der  Epidermis  besprochen  haben 
werden.  —  Die  Zahl  der  Zellen  der  Stachelschicht  differirt  in 
bedeutendem  Masse  an  verschiedenen  Stellen. 

Im   Ganzen  ist  das  Zahlenverhältniss  der   auf  den  Prä- 
paraten   dargestellten    Zellen    und   derselben   Zellen    an    den 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Dermatosis  Darier's.  37 1 

Präparaten  der  noimalen  Haut  derselben  Körperpartie  grösser. 
Dies  beobachten  wir  freilich  nur  steUenweise  und  hier  sei  es 
gleich  gesagt,  eher  an  den  peripheren  Partien  der  Papel  als  im 
centralen  Theile.  Stellenweise  sind  die  Zellen  des  Stratums  Mal- 
pighii  auf  zwei  bis  drei  Schichten  reducirt  Dies  ist  besonders  der 
Fall  an  Stellen,  wo  die  Epidermis  mit  der  Cutis  vasculosa 
nicht  Yollständig  zusammenhängt,  indem  sie  von  ihm  durch 
einen  Zwischenraum  yon  mehr  oder  minder  bedeutenderen 
Dimensionen  getrennt  wird.  Solche  Zwischenräume,  welche  die 
Epidermis  streng  von  der  Cutis  vasculosa  markant  trennen, 
finden  wir  besonders  zahlreich  in  Präparaten  aus  grösseren 
Papeln  und  insbesondere  in  ihren  centralen  Partien. 

In  diesen  Lacunen  haben  wir,  wie  weiter  unten  betont 
wird,  Leucocyten  oder  Reste  ihres  Zerfalles,  auch  Fibrin 
gefunden.  Auf  Conglomerate  von  Blutpigment,  wie  Darier  solche 
beschreibt,  bin  ich  nicht  gekommen.  Es  muss  bemerkt  werden, 
dass  rings  um  solche  geschilderte  lacunenförmige  Zwischen- 
räume sehr  häufig  zwischen  epithelialen  Zellen  Leucocyten 
gefunden  werden,  deren  Kerne  sich  sehr  gut  färben.  Aber  auch 
anderweitig  zeigt  sich  in  der  Structur  der  Malpighüschen 
Schichte  eine  Differenz. 

Die  Zellen  sind  nur  stellenweise  in  Reihen  über  einander 
angeordnet,  sehr  oft  zeigt  sich  in  der  Schichte  überhaupt  nicht 
die  normale  Regelmässigkeit  Noch  grössere  Veränderungen 
beobachten  wir  im  Stratum  granulosum  und  das  nicht  allein 
im  Glänzen  sondern  hauptsächlich  an  seinen  einzelnen  Zellen. 
Das  Stratum  granulosum  hat  eine  ungleiche,  verschieden  ge- 
wundene Richtung.  An  Stellen,  die  tiefer,  näher  an  den  Papillen 
liegen,  pflegt  es  gewöhnlich  dichter  aus  mehreren  Zellenreihen 
zusammengesetzt  zu  sein.  Das  sind  gewöhnlich  Stellen,  über 
welchen  auch  die  Homschicht  reichlicher  entwickelt  ist.  Aber 
dass  das  Yerhältniss  der  Mächtigkeit  der  Homschichte  und  der 
Kömerschichte  ein  stetiges,  regelrechtes  wäre,  wie  einige  diese 
seltene  Hautaffection  beschreibende  Autoren  angeben,  und  dies 
hätte  allerdings  eine  weitreichende  Bedeutung,  —  dies  lässt  sich 
auf  Grundlage  unserer  Präparate  nicht  behaupten. 

Wir  sehen,  dass  stellenweise  unter  der  mächtigen  Hom- 
schichte  sich  nur  ein  zartes  Stratum  granulosum   hinzieht,  ja 

24* 


372  Mourek. 

dasB  es  unter  derselben  yoUständig  schwindet  und  wir  finden 
Terhomte  ZeUen  direct  über  den  Zellen  des  Stratum  Malpighü, 
ohne  dass  wir  ii^end  welche  UebergangszeUen  wahrnehmen 
könnten.  So  yerhält  es  sich  zunächst  über  den  Lacunen, 
wovon  wir  Yoranstehend  Erwähnung  gethan  haben. 

Die  Anzahl  der  Zellen  des  Stratum  granulosum  ist  im 
Ganzen  weit  grösser  als  in  normalen  Verhältnissen.  Die  grösste 
Verschiedenheit  zeigt  sich  aber  in  der  Form  der  das  Stratum 
zusammensetzenden  einzelnen  Elemente.  Von  den  einzelnen 
Zellen  fesseln  auf  den  ersten  Blick  die  grossen  Zellen  Ton 
besonderem  Charakter  die  Aufmerksamkeit. 

Während  jedoch  im  Stratum  der  Malpighii^schen  Zellen 
ähnliche  Elemente,  wie  schon  früher  erwähnt  worden,  nur  yer- 
einzelt  und  sporadisch  vorkommen,  so  finden  wir  solcher  hier 
verhältnissmässig  sehr  viele  zumeist  in  grösseren  Gruppen.  Im 
weiteren  Verlaufe  werden  wir  ihres  Charakters  im  Zusammen- 
hange mit  den  ähnlichen  und  identischen  Elementen  des  Mal- 
pighischen  Stratums  und  des  Stratums  der  Homzellen  Erwähnung 
thun.  Auch  die  übrigen  Zellen  des  Stratum  granulosum  zeigen 
jedoch  der  Mehrzahl  nach  Abweichungen  in  der  Form  von 
normalen  Verhältnissen.  Solche  Zellen  sind  hier  mehr  rund, 
manchmal  polygonal,  im  Ganzen  grösser  als  sie  normal  zu  sein 
pflegen,  zuweilen  sehr  gross,  wie  dies  bei  anderen  Dermatosen 
nicht  zu  sehen  ist. 

Die  Homschichte  ist,  wie  bereits  erwähnt,  mächtig  fEtöt 
an  der  ganzen  Oberfläche  der  Papel,  an  einigen  Stellen  m 
enormem  Grade.  An  diesen  Stellen,  welche  gerade  so  oft  den 
Mündungen  der  Follikel  und  Drüsen  entsprechen,  als  sie  häufig 
an  anderen  Stellen  zu  Tage  treten,  dringt  die  Homschichte  in 
die  Tiefe  gegen  die  Cutis  vasculosa  und  propria  in  der  Form 
eines  mehr  minder  starken  Zapfens  von  trichterförmiger  Gestalt 
mit  der  Basis  nach  oben  ein. 

Die  mächtige  Homschichte  erhebt  sich  im  Ganzen  be- 
deutend über  das  Niveau  der  Umgebung.  Ihre  Structur  ist 
überaus  eigenthümlich.  Die  Homlamellen  reihen  sich  in  bedeu- 
tender Zahl  über  einander  und  gewöhnlich  kann  man  die 
Schichtung  sehr  gut  unterscheiden,  obzwar  stellenweise  die 
Lamellen  wieder  so  eng  an  einander  liegen,  dass  sie  das  Bfld 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Dermatosis  Darier's.  373 

homogener  Schichten  darbieten,    die  mittelst  Pikrokarmin  sich 
intensiv  gelb  färben. 

An  anderen  Stellen  stehen  wieder  die  Lamellen  von 
einander  weit  ab.  Die  Kerne  der  Homzellen  färben  sich  an 
einigen  Stellen  in  grosser  Menge  sehr  gut.  Die  untersten 
Schichten  pflegen  öfter  von  Gruppen  nicht  vollständig  ver- 
hornter Zellen  durchbrochen  zu  sein. 

Zur  Uebersicht  der  kurz  angedeuteten  groben  anatomischen 
Veränderungen  der  charakteristischen  Efflorescenz  verweise  ich 
auf  Fig.  1. 

Eine  ganz  andere  Structur  der  Homschichte  sehen  wir 
an  anderen  Stellen  und  dies  zunächst  dort,  wo  wir  die  erwähnten 
Zapfen  hauptsächlich  aus  Hornzellen  gebildet  finden.  (Siehe 
Fig.  3,  4,  5.)  Hier  stehen  die  einzelnen  Lamellen  vollständig 
und  zwar  in  bedeutendem  Maasse  von  einander  ab  und  reihen 
sich  nicht  am  häufigsten  an-  und  übereinander,  sondern  ver- 
biegen sich  und  bilden  gleichsam  ein  Netz.  In  den  Zwischen- 
räumen dieses  Netzes  nehmen  wir  bei  aufinerksamer  Unter- 
suchung das  Licht  stark  brechende,  glänzende,  schwach  con- 
tourirte  Formationen  wahr.  Sie  besitzen  eine  verschiedene, 
zumeist  der  Form  des  Zwischenraumes  im  Netze  entsprechende, 
zuweilen  aber  auch  abgerundete  Gestalt  Solche  an  der  Peri- 
pherie gelegene  Formationen  scheinen  vollständig  homogen  zu 
sein,  sie  zeigen  selbst  bei  der  stärksten  Vergrösserung  keine 
feinere  Structur. 

Dagegen  zeigen  jene,  welche  tiefer  und  im  Zapfen  mehr 
central  liegen,  deutlich  eine  interessante  Structur.  Stellenweise, 
insbesondere  am  Boden  des  Zapfens,  scheint  die  Hornmasse 
wie  eine  homogene,  compacte  Substanz  zu  sein,  hier  nehmen 
wir  die  Lamellenbildung  auch  nur  bei  grosser  Aufmerksamkeit 
wahr.  In  solchen  mächtig  verhornten  Partien,  die  mit  Pikro- 
carmin  gelb  und  mit  HämatoxyUn  blassblau  sich  färben,  finden 
wir  stellenweise  eine  Menge  sich  stark  färbender  runder,  ovaler 
und  verschieden  geformter  Kerne.  Bei  sorgfältiger  Unter- 
suchung und  leichter  Umdrehung  der  Mikrometerschraube 
kommen  wir  zum  Urtheile,  dass  sie  zu  den  übrigens  fast  ganz 
verhornten  einzelnen  Zellen  gehört.    (Siehe  Fig.  4.) 


374  Mourek. 

An  anderen,  gewöhnlich  etwas  tieferen  Stellen,  insbesondere 
an  der  Grenze  des  Stratum  granulosiun  und  zwischen  seinen 
Zellen  zeigen  sich  die  interessantesten  auch  und  auffallendsten 
Elemente.  Auf  den  ersten  Blick  sehen  wir,  dass  es  sich  uin 
Zellenelemente  handelt,  die  mit  einer  Membran,  einem  Proto- 
plasma, einem  Kejn  und  Nucleolus  versehen  sind.  In  bedeu- 
tender Anzahl  verrathen  sie  sich  schon  durch  ihre  in  die 
Augen  springende  Grösse,  woraus  ihre  Verschiedenheit  durch 
ihi*e  sehr  leichte  Unterscheidung  von  anderen  Zellen  selbst  bei 
geringer  Yergrösserung  resultirt.  (Siehe  Fig.  1.) 

Sie  stehen  zwar  hie  und  da  isolirt  —  und  dies  nur  in 
tieferen  Schichten,  insbesondere  wenn  sie  sich  im  Stratum  der 
der  Malpiglü'schen  Zellen  entwickeln.,  —  gewöhnlich  jedoch  in 
grösseren  oder  kleineren  Gruppen.     (Siehe  Fig.  2  und  3.) 

Gruppen  finden  sich  insbesondere  in  den  oben  bezeichneten 
Seitenwänden  der  Lacunen.  (Fig.  1.)  Einzelne  Exemplare  sind 
oft  umschlossen  von  den  erwähnten  mehr  oder  minder  yer- 
grösserten  und  zusammengedrängten  Zellen,  wodurch  sich  ihre 
Formation  sehr  mannigfaltig  gestaltet.  Derart  zusammenge- 
drängt bilden  sie  sehr  oft  gleichsam  einen  Mantel  rings  um  das 
für  uns  charakteristische  Zellengebilde.  (Fig.  6.) 

Dieses  hat  gewöhnlich  eine  breite  Membran,  Die  Breite 
ist  an  verschiedenen  Stellen  der  Peripherie  zumeist  eine  un- 
gleichmässige,  so  dass  die  inneren  Elemente  oft  excentriseli 
gelagert  zu  sein  scheinen.  Indem  sie  an  einigen  Stellen  enger, 
an  anderen  breiter  sind,  unterscheiden  sie  sich  auffallend  Ton 
der  Umgebung,  insbesondere  an  gefärbten  Präparaten  dadurch, 
dass  sie  sich  nicht  färben.  Die  Membran  bricht  stark  das 
Licht. 

Der  Saum  dieser  Membran  ist  die  Ursache,  dass  es 
scheint,  als  würden  die  innen  liegenden  Elemente  sich  in  einer 
Vertiefung  (Höhle)  befinden.  Die  glänzenden  und  sich  nicht 
färbenden  Halone  der  mehr  neben  einander  gelegenen  Zellen 
verschmelzen  zuweilen,  woraus  dann  allerdings  auf  den  ersten 
Anblick  überaus  seltsame  Gebilde  resultiren.    (Fig.  9.) 

Das  mit  einem  solchen  Halo  umgebene  Protoplasma  ist 
gewöhnlich  hell  und  feinkörnig.  Es  färbt  sich  weniger  intensiv 
insbesondere  an  jenen  Formationen,  die  sich  sporadisch  zwischen 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  Ton  der  Dermatosis  Darier's.  375 

den  Zellen  im  rete  Malpighii  Torfinden.  Dagegen  aber  färbt 
sich  zahlreich  —  jenes  Protoplasma  vorerst  im  Stratum  granu- 
losum  —  genau  wie  Keratohyalin. 

Zwar  bedingen  diese  Gebilde  theilweise  die  Formation  der 
Zellen  in  der  Umgebung,  aber  sie  ändern  auch  ihre  runde  und 
OYale  Gestalt  unter  der  Einwirkung  des  Druckes  der  benach- 
barten Zellen  und  werden  yerschiedenartig  auf  einander 
gedrückt  u.  s.  w.  (Fig  7.) 

Hieraus  resultiren  allerdings  wieder  ganz  eigenthümliche 
Gebilde,  die  wir  nur  durch  das  Studium  an  verschiedenen 
optischen  Durchschnitten,  andere  wieder  nur  bei  sehr  starker 
Vergrösserung  ermitteln.  (Fig.  8,  9,  10.)  Zuweilen  aber  stellen 
sie  sich  so  dar,  als  ob  eine  Zelle  in  den  Einschnitt  der  anderen 
hineinfallen  würde. 

Das  Protoplasma  der  beschriebenen  Gebilde  weist  an 
einigen  Stellen  leere  Räume  auf.  Diese  kleinen  Räume  zeigen 
sich  auch  an  Zellen  von  Präparaten,  die  nicht  in  Alkohol 
gehärtet  wurden,  welcher  Präparation  so  vielfache  Aenderungen 
im  Aussehen  der  Präparate  zuzuschreiben  sind.  In  solchen  Va- 
cuolen,  die  am  häufigsten  vollkommen  leer  zu  sein  scheinen, 
bemerken  wir  öfter  verschieden  gestaltete  Körnchen,  deren 
Aetiologie  ziemlich  räthselhaft  ist.  Das  Verhalten  der  Leuko- 
cythen,  die  wir  in  der  Umgebung  der  Lagerstätte  solcher 
Gebilde  in  Menge  vorfinden,  gegenüber  den  beschriebenen 
Elementen,  die  Fig.  1 1  darstellt,  wirft  neben  anderen  Momenten, 
die  wir  gleich  erwähnen  werden,  etwas  Licht  auf  dieses 
Problem. 

Die  Mehrzahl  der  beschriebenen *Körpercheü  enthält  einen 
schön  und  deutlich  röthlichen  grossen  Kern.  Nur  selten  färbt 
sich  der  Kern  so,  dass  er  homogen  zu  sein  scheint.  Gewöhnlich 
ist  er  hellkörnig  und  meistens  färbt  er  sich  stark,  am  stärksten 
gewöhnlich  an  der  Peripherie.  Der  Form  nach  pflegt  er 
länglich,  oval,  öfter  unregelmässig  zu  sein.  Zumeist  ist  seine 
Lage  concentrisch,  seltener  excentrisch.  Sehr  zahlreiche  Kerne 
finden  sich  in  den  Mitosen.  In  einzelnen  bemerken  wir  eine 
oder  mehrere  Vacuolen,  die  gewöhnlich  an  der  Peripherie 
liegen.  Zuweilen  scheint  es,  als  ob  die  Vacuola  im  Protoplasma 
den    Kern    herausdrücken   würde,    bis    sie    zu  einem  bizarren 


376  Mourek. 

Aussehen  der  Organismen  gerade  so  beiträgt,  wie  eine  grossere 
Yacuole,  die  im  Kern  selbst  peripher  gelegen  ist.  Fast  immer 
enthalten  die  Kerne  mehrere  NucleolL  Oft  findet  sich  rings 
um  den  Kern  ein  heller,  nicht  gefärbter  Saum,  gerade  so  wie 
rings  um  die  Kemchen. 

In  einer  grossen  Zahl  von  Zellen  yerliert  der  Kern  an 
Deutlichkeit,  indem  er  sich  zart  färbt.  Meistens  ist  dies  bei 
Gebilden,  die  im  Stratum  granulosum  liegen,  der  Fall.  Die 
Kemchen  pflegen  gleichfalls  vergrösseii;  und  entweder  rund 
oder  verschieden  gestaltet  zu  sein.  Einige  brechen  stark  das 
Licht.  Oft  sind  sie  durch  die  Vacuola  im  Kern  excentrisch  an- 
gedrückt, einzelne  schliesslich  enthalten  die  Vacuole  allein. 

Demgemäss  ist  das  Aussehen  der  Zellen,  je  nachdem  sich 
diese  oder  jene  Veränderungen  im  Protoplasma,  der  Membran, 
im  Kern  oder  Körperchen  zeigen,  und  überaus  yerschieden 
combiniren,  allerdings  sehr  mannigfaltig. 

Nebenbei  finden  wir  —  und  dies  behaupten 
wir  direct  gegenüber  den  Angaben  Darier^s  anf 
Grund  unserer  z ah IreichenPräparate  —  zahlreiche 
üeb  ergang  sformen  vonZellen  gewöhnlicher  Gestalt 
zu  Zellen  mit  den  beschriebenen  Veränderungen. 

Es  würde  gar  zu  weit  führen,  wollten  wir  uns  in  eine 
detaillirte  Beschreidung  der  mannigfachen  Gestaltung  der  Zellen- 
Veränderungen  einlassen.  Wir  glauben,  dass  das  Angeführte  zur 
Beleuchtung  des  Standpunktes  ausreicht,  den  wir  bezüglich  der 
Pathologie  der  beschriebenen  Erkrankung  eingenommen  haben. 
Nur  eines  erlauben  wir  uns  noch  an  dieser  Stelle  zu  betonen. 
Neben  den  beschriebenen  eigenthümlichen  Gebilden,  die  in  erster 
Reihe  das  Interesse  des  Histologen  fesseln,  finden  wir  zwischen  den 
übrigen  Zellen — insbesondere  in  den  derMalpighi'schen  Schichte, 
seltener  auch  zwischen  den  Zellen  des  Stratum  granulosum — Ter- 
streute  Zellen  mit  farblosem,  glänzendem,  homogenem  Protoplasma 
(wie  wir  oben  bereits  erwähnt  haben),  ohne  mit  Stacheln  Ter- 
sehenen  Bändern,  mit  granulösem,  peripher  liegendem,  gleichfalls 
schlecht  sich  färbendem  Kern.  Dies  ist  zunächst  in  der  Um- 
gebung der  erwähnten  grossen  und  kleinen  Lacunen  der  Fall. 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  DermatoBis  Darier's. 

B  0  e  c  k  ^)  erklärt  die  Entstehung  der  Lacunen  mit  dem 
zeitigen  Eintritte  des  Verhomungsprocesses,  wodurch  eine  St 
der  Cohärenz  der  einzehien  Zellen  yerschuldet  wird,  I: 
und  Miethke^  erklären  sie  als  Folge  eines  exsudative! 
cesses,   indem  sie  auf  den  Befund  von  Fibrinfasern,   lyni 
de    Zellen    und  Conglomeraten,  Blutpigment  in  den  Lai 
hinweisen.  Nach  Pawloff*)  verursachen  beiderlei  Procesf; 
Entwicklung  der  erwähnten  Bäume.    Auf  Grund  unserei 
parate  können  wir   nicht  leugnen,    dass   auch    die  F 
einer    colliquativen  Nekrose    hiebei    eine    ge  i 
Rolle   spielen  kann.    Zellen,    die  —  den  mikroskop 
Bildern  gemäss  —  der  Nekrose  verfallen  und  eingegangei 
können,   wofern    dies   bei   einer    grösseren  Zahl  benacli  I 
Zellen  erfolgt,  die  Entwicklung  von  Lacunen  verursachen 
Befund  chromatischer  Kerne  und  Leukocyten  oder  ihrer 
in  den  Lacunen  können  wir  uns  dabei  sehr  gut  erklärei 
In  Summa  haben  wir  bei  der  beschriebenen  Der 
mit  dem  Mikroskop  wie  in  der  Cutis  propria  Spuren   vc  i 
sudation  und  iritative  Erscheinungen,  so  in  der  Cutis    i 
chymatosa  (Cutis  vasculosa  und  Epidermis)  einen  exsu<  i 
und  hyperplastischen  Process    gefunden,    nur    hier  in 
höheren   Grade.     Der  Process   in    der    Cutis    parenchj 
charakterisirt  sich  weiters  einerseits  durch  Anomalien  d  i 
homungsprocesses,  andererseits  durch  einen  abnormen  ]  i 
des  Wachsthums  der  nicht  verhornten  Elemente  der  Epi  i 
weiters  auch  durch  Anomalien   der  Pigmentirung,   voi 
jedoch    durch    die  Anwesenheit   von  Zellenelementen,     i 
eigentlich  der  ganzen  Affection  in  histologischer  Bezieh    i 
specifisch  charakteristisches  Gepräge  verleihen,  und  vo: 
Bedeutung  die  Classification  der  ganzen  Erki'ankung  £   I 
Diese    Elemente    sind    von    Einigen    als    parasitäre   i    \ 
von    Anderen    als    epitheloide    degenerirte    Zellen  be:    i 


')  Vier  Fälle  von  Darier'scher  Krankheit.    Archiv  für  Deri 
imd  Syphilis.  189L 

')  Ueber  die  Darier'sche  Dermatose.  Monatshefte  für  prak 
tologie.  1891. 

*)  Zur  Frage  der  sogenannten  Psorospermose  folliculaire 
Darier.   Ergänzungshefte  z.  Archiv  f.  Dermatol.  und  Syphilis.  1( 


378  Mourek. 

worden.  —  Die  erstere  Ansicht  vertrat  zuerst  Darier  auf 
Grundlage  des  morphologischen  Aussehens  dieser  Gebilde  und 
wurde  hiebei  vom  Zoologen  Balbiani  und  von  Prof.  Malassez 
unterstützt  Wir  haben  unsere  Präparate  Zoologen  voii  Fach 
vorgelegt  und  erhielten  die  Bestätigung,  dass  wirklich  die  er- 
wähnten Gebilde  gewisse  Zeichen  der  Kokcidien  darbieten. 

Wenn  nicht  unnöthig,  so  wäre  es  sicher  überflüssig,  an 
dieser  Stelle  eine  Uebersicht  der  Kokcidien  zu  geben,  in  welche 
Darier  und  andere  Autoren  die  bei  der  oben  beschriebenen 
Krankheitsform  sich  entwickelnden  Organismen  einreihen.  Es 
genügt  uns  indessen  das  Factum,  dass  Darier,  wie  er  selbst 
anführt,  sein  Ui'theil  zunächst  auf  Grund  der  morphologischen 
Gestaltungen  abgab.  Wir  gestehen  zu,  dass  diese  Verhältnisse 
geeignet  sind,  uns  an  eine  gewisse  Gattung  Kokcidien  zu  erin- 
nern —  und  es  haben  dies  auch  bekanntlich  selbst  versirte 
Zoologen  anerkannt.  Weil  aber  keinerlei  mikrochemische  Methode 
existirt,  welche  eine  verschiedene  Reaction  bei  Gegenwart  von 
Zooparasiten  und  Epithelialzeüen  zeigen  würde,  war  es  noth- 
wendig,  zu  eingehenderen  histologischen  und  bakteriologischen 
Studien  Zuflucht  zu  nehmen.  —  Es  handelte  sich  ofiFenbar  zu- 
nächst darum,  ob  sich  nicht  verschiedene  Gebilde,  die  den 
Kokcidien  in  einem  gewissen  Stadium  ähnlich  sind,  nachweisen 
lassen.  Es  war  allerdings  zunächst  klar,  dass  ein  mögliches 
negatives  Resultat  in  dieser  Sache  den  Werth  eines  positiven 
Beweises  in  Abwesenheit  von  Kokcidien  entbehrt,  weil  bekannt 
ist,  dass  nur  bestimmte  Stadien  derselben  in  gegebenem  Ver- 
hältnisse sich  entwickeln,  während  die  Entwicklung  späterer 
Stadien  nothwendig  andere  Bedingungen  erfordert.  —  In  Wirk- 
lichkeit sind  auch  unsere  unter  freundlicher  Mitwirkung  von 
Zoologen  in  dieser  Sache  erzielten  histologischen  Befunde  nicht 
positiv  ausgefallen.  Die  Structurverhältnisse  der  räthselhaften 
Elemente  liessen  sich,  wie  begreiflich,  am  besten  an  Präparaten 
Studiren,  die  aus  abgekratzten  Hautschichten  angefertigt  und 
entsprechend  präparirt  waren. 

Wir  haben  die   durch  Zupfen  gewonnenen  und  nach  den 
verschiedenen  von  Darier,  *)  Miethke  undBuzzi,  *)  Boeck*) 


')  1.  c. 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Dermatosis  Darier'a.  379 

und  Anderen  angegebenen  Methoden  angefertigten  Präparate 
untersucht.  Unsere  Befunde  decken  sich  mit  jenen  von  Darier, 
Buzziund  Miethke  und  anderen  Autoren  und  es  wäre  über- 
flüssig sie  zu  wiederholen  und  durch  Abbildungen  zu  veran- 
schaulichen. 

Wir  haben,  wie  nicht  zu  bemerken  nöthig  ist,  sowohl 
„grains**  als  „corps  ronds"  gefanden.  Hiedurch  sind  wir  aber 
auch  nicht  mit  einem  Schritte  der  Entscheidung  der  interessanten 
Frage  näher  gerückt.  Es  war  nothwendig,  bakteriologische 
Untersuchungen  vorzunehmen.  Mittelst  keiner  der  zahlreichen 
üblichen  Methoden  ist  es  gelungen,  irgend  einen  specifischen 
Parasiten  zu  ermitteln,  den  wir  hätten  züchten  und  ausserhalb 
des  menschlichen  Körpers  studiren  können.  Selbst  unsere  Ver- 
suche, die  wir  unter  Mitwirkung  des  Zoologen  Herrn  Dr.  Stolz, 
dem  wir  für  seine  freundliche  Unterstützung  unseren  Dank 
aussprechen,  unternommen  haben,  um  durch  Vergleichung  die 
erwähnten  Gebilde  sicher  und  ohne  Zwang  in  die  Kategorie 
der  niedrigsten  beschriebenen  und  studirten  zoologischen  Orga- 
nismen einzureihen,  sind  uns  nicht  gelungen.  —  Schliesslich 
blieben  auch  die  Experimente  ohne  Resultat,  die  wir  mit  der 
Ueberimpfung  unter  den  strengsten  Cautelen  und  mit  sorgfältiger 
Berücksichtigung  aller  möglichen  Umstände  nach  dem  freund- 
lichen Rath  des  Vorstandes  des  bakteriologischen  Instituts 
Herrn  Prof.  Dr.  Hlava  an  Tauben,  Mäusen  und  Kaninchen 
und  später  mit  Einwilligung  der  Patienten  selbst  an  diesen 
vorgenommen  haben,  und  bei  welchen  uns  nebst  dem  Chef  der 
Klinik  Herrn  Prof.  Dr.  Janowsky  theilweise  auch  Herr 
Prof.  Dr.  Hlava  und  dessen  Assistenten  unterstützt  haben, 
wofür  ich  an  dieser  Stelle  ihnen  meinen  Dank  ausspreche. 

Wir  haben  zum  Zwecke  einer  vollkommenen  Sicherheit  die 
Versuche  wiederholt,  in  welcher  Weise  die  zweifelhaften  Orga- 
nismen sich  bei  Einleitung  des  künstlichen  Verdauungsprocesses 
verhalten,  die  bereits  Buzzi  und  Miethke  angestellt  haben. 
Die  in  einer  feuchten  Kammer  bei  38"  im  Theimostat  gezüchteten 
Präparate,  auf  welche  eine  halbprocentige  wässerige,  mit  etwas 
Salzsäure  versetzte  Pepsinlösung  geträufelt  wurde,  zeigten  nach 
mehreren  Tagen  keine  Varänderungen,  die  auf  Verdauung 
hinweisen    könnten    und  wir    können  daher   die   Angaben  von 


380  Monrek. 

Biizzi  und  Miethke  in  dieser  Angelegenheit  yollständig 
beBtätigen. 

Das  Resultat  unserer  Experimente  war  daher,  dass  wir 
nicht  im  Stande  waren,  künstlich  irgend  ein  Stadium  der  Para- 
siten zu  ermitteln,  welches  bei  der  Untersuchui^  der  mikro- 
skopischen Präparate  der  beschriebenen  Dermatose  supponirt 
werden  könnte,  dass  die  Versuche  einer  künstlichen  Ueber- 
impfung  erfolglos  waren  und  dass  die  Experimente  bezüglich 
der  künstlichen  Verdauung  gleichfialls  fehlschlugen. 

Da  wir  nun  nicht  yermochten,  die  blosse  Gestaltung  der 
Elemente  ohne  sonstige  Kennzeichen  als  Grundlage  der  Unter- 
scheidung anzunehmen,  waren  wir  im  weiteren  Verlaufe  aller- 
dings genöthigt,  in  erster  Beihe  die  Resultate  der  Stadien 
Darier 's  zu  verfolgen,  wie  er  selbe  im  yorigen  Jahre  neuer- 
dings wiederholt  hat.') 

Eine  wichtige  Einwendung  Darier 's,  mittelst  welcher  er 
seine  Anschauung  betre£fs  der  Anwesenheit  von  Parasiten  zu 
stützen  sucht,  ist  die,  dass  keine  Uebergangs- Elemente  z^Fischen 
Epithelien  und  Psorospermosen  bestehen. 

Wir  gestehen  zu,  dass  in  der  That  das  Aussehen  der  be- 
treffenden Elemente  auf  den  ersten  Blick  von  Epitheliahellen 
sich  unterscheidet  Dass  jedoch  das  blosse  Fehlen  der  Stacheh, 
weiters  eine  das  Licht  stark  brechende  Membran  und  die  be- 
schriebenen und  abgebildeten  Eigenthümlichkeiten  des  Kerns 
genügen  sollten,  um,  wie  Darier  behauptet,  a  limine  den 
Gedanken  an  eine  Degeneration  abzuweisen,  das  konnten  wir 
allerdings  nicht  bestätigen,  dies  müsste  yielmehr  den  Antrieb 
für  weitere  Untersuchungen  bieten.  Die  einfach  mit  Haemato- 
xylin  und  Pikrocarmin  gefärbten  Präparate  lehrten  uns,  dass 
in  Wirklichkeit  üebergänge  zwischen  Darier's  Psorosper- 
mosen und  epithelialen  Zellen  existiren.  Wir  glauben,  dass 
die  beiliegende  Abbildung  diese  Behauptung  genügend  bestätigt. 
Bei  Besichtigung  der  einzelnen  Präparate  finden  wir  Zellen  Ton 
der  Beschaffenheit  der  Epithelialzellen,  nur  etwas  yergrössert; 
weiters  Zellen,  die  an  der  Peripherie  mit  einem  ganz  unansehn- 
lichen,  das  Licht  brechenden  sich  nicht  färbenden  Halo,    der 


*)  Psorospermose  foUiculaire  yegetante.  Atlas  international  des  ma- 
ladies  rares  de  la  peau.  YIII. 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Dermatosifl  Darier's.  381 

bei  anderen  Zellen  noch  breiter  ist,  umgeben  sind.  Wir  glauben, 
dass  wir  diese  Zellen  für  die  gesuchten  Uebei^änge  halten 
können.  Aber  nicht  dies  allein.  Wir  haben  in  zahl- 
reichen Zellen  der  Stachelschicht,  die  sonst  unverändert 
waren,  bestimmte  Veränderungen  im  Kerne  gefanden.  Bei  den 
meisten  veränderten  Zellen  sodann  spielen  grössere  oder  kleinere 
Veränderungen  des  Kerns  eine  gewisse  Rolle.  Es  ist  bekannt, 
dass  in  Theilung  befindliche  Epithelialzellen  durch  Vergrösserung 
und  durch  ihre  gewöhnlich  abgerundete  Form  auffallend  sind. 
Das  Zellenprotoplasma  differencirt  sich  vom  Kern  augenschein- 
licher als  unter  normalen  Verhältnissen.  Die  umgebenden  Zellen 
sind  zusammengedrückt,  bilden  rings  um  solche  Zellen  gleichsam 
einen  Mantel.  Dies  alles  finden  wir  an  unseren  Zellen  in  ge- 
steigertem Masse,  Vergrösserung,  rundliche  oder  ovale  Form, 
insofern  auf  dieselbe  nicht  der  Druck  der  umgebenden  verän- 
derten Zellen  einwirkt,  rings  um  den  Kern  gewöhnlich  ein  Saum, 
am  Kern]  Veränderungen.  Demzufolge  dürfen  wir  vielleicht 
diese  Zellengebilde  den  epithelialen  Zellen  eher  als  den  Psoro- 
spermien  beizählen. 

Uebrigens  zeigen  sich  diese  zweifelhaften  Elemente,  wie 
bereits  früher  darauf  hingewiesen  wurde,  deutlich  als  Zellen- 
elemente, welche  ein  Protoplasma,  eine  Membram  und  einen 
Kern  besitzen.  Da  wir  in  der  Homschicht  gleichmässig 
wie  vollständig  oder  theilweise  verhornte  Epithelialzellen  gefunden 
haben,  da  wir  uns  auf  Grund  der  mikrochemischen  Reaction 
weiter  zu  dem  Urt heile  berechtigt  glaubten,  da  weil  sie  Kera- 
tohjalin  und  Eleidin  enthalten  —  Buzzi  und  Miethke.  wie 
auch  andere  Autoren  haben  übrigens  darauf  deutlich  hinge- 
wiesen, —  haben  wir  noch  weitere  Untersuchungen  in  der 
Richtung  angestellt,  ob  nicht  die  betreffenden  Elemente  ander- 
weitig veränderte  Epithelien  sind.  In  erster  Reihe  mussten 
wir  uns  fireilich  von  der  Kromayer'schen*)  Methode  der 
specifischen  Färbung  der  Epithelien  Erfolg  versprechen. 

Leider  gelang  es  mir  nicht  Präparate  anzufertigen,  an 
welchen  sich  das  Protoplasmagewebe  leicht  und  schön  färben 
liesse,  wie  dies  z.  B.  bei  Molluscum  contagiosum  erzielt  worden 


')  Archiv  für  mikroskopische  Anatomie.  Bd.  89. 


382  Mourek. 

war.  Die  iiach  Kromayer  gefärbten  Epithelialfaden  sind  an 
den  Präparaten  nicht  sichtbar.  Es  scheint,  dass  sie  theilweise 
verschmelzen,  theilweise  zerfedlen.  Aber  deutlich  nachzu- 
weisen, dass  der  granulirte  Inhalt,  wie  wir  ihn  bei  den  be- 
schriebenen und  in  den  beiliegenden  Tabellen  abgebildeten 
Zellen  sehen,  einzig  das  Product  des  Zerfalles  wäre,  ist  uns 
trotz  der  grössten  Bemühung  bei  unseren  Präparaten  nicht 
gelungen. 

Es  scheint  uns  hier  am  Platze  zu  sein,  die  Behauptung 
T  ö  r  ö  k's  ^)  anzuführen,  der  zu  Folge  bei  einem  hydropischen  Pro- 
cesse  und  beim  Verhomungsprocesse  carcinomatöser  Zellen  der 
Nucleolus  wächst  und  eine  bedeutende  Grösse  erreicht.  Hiebei 
verliert  die  chromatische  Substanz  des  Kerns  ihre  Färbbarkeit 
vollständig  und  schwindet.  Der  veränderte  Nucleolus  befindet 
sich  in  dem  in  einem  klaren  Hohlraum  veränderten  Kerne. 
Nur  die  Membran  des  Kernes  behält  ihre  Färbbarkeit  und 
zeigt  sich  als  ein  Saum  der  Höhlung.  Auf  ähnliche  Processe 
an  vielen  Stellen  bei  unseren  Präparaten  zu  schliessen,  liegt 
bei  weitem  näher,  als  eine  zweifelhafte  Aehnlichkeit  mit  „Psoro- 
spermien"^  zu  suchen. 

Ein  theilweise  wenigstens  positives  Resultat  erzielten  wir 
bei  der  näheren  Forschung  nach  degenerativen  Veränderungen. 
Wiewohl  die  auf  verschiedenartige  Weise  gefärbten  Präparate 
zeigten,  dass  wir  es  thatsächlich  mit  einem  gewissen  Grade 
hyaliner  Degeneration  an  den  studirten  Gebilden  zu  thun  haben, 
so  haben  uns  .doch  die  nach  Unna's^)  Angabe  mit  einer 
Ipercentigen  wässerigen  Fuchsinlösung  und  mit  einer  Ipro- 
centigen  alkoholischen  Lösung  von  Pikrinsäure  angestellten  Fär- 
bungen die  besten  Bilder  in  dieser  Frage  geliefert 

Nach  Unna  tingiren  sich  neben  hyalinen  deponirten 
Gebilden  ähnlich  (roth)  auch  die  Homschichte  und  die  Kem- 
körperchen  und  sodann  die  im  Beginn  der  Degeneration  befind- 
lichen Epithelien.  An  ähnlich  gefärbten  Präparaten  fand  ich  im 
Ganzen  Folgendes: 


*)  Die  protozoenartigen  Gebilde  des  Garcinom.  Monatshefte  für 
prakt.  Dermatologie.  1893. 

')  Zur  KenntnisB  der  hyalinen  Degeneration  der  Garcinomepithelien. 
Dermatologische  Zeitschrift.  1894. 


Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Dermatosis  Darier's.  333 

Hyaline  Körperchen,  frei  zwischen  Zellen  liegend  und 
ohne  Zusammenhang  mit  denselben  im  InterceUularraume  habe 
ich  nicht  gesehen.  Auch  eine  difiPuse  Infiltration  der  Epi- 
thelien  ist  mir  zu  constatiren  trotz  aller  Sorgfalt  in  der  Technik 
nicht  gelungen.  Oefter  habe  ich  dafür  —  nach  den  Forschungs- 
resultaten Unna's  urtheilend  —  abgegrenzte  diffuse  Infiltration 
der  perimulearen  Substanz  des  Zellkörpers  gefunden,  wie  ich 
auch  aus  dem  Protoplasma  epithelialer  Zellen  entstandene 
geformte  Gebilde  in  verschiedenen  Gestalten  hie  und  da  erblickte. 
Im  Ganzen  fanden  wir  daher  an  den  besprochenen  Gebilden 
partielle  hyaline  Infiltration.  Aber  irgend  welche  elementare 
Typen  hyalinentarteter  Elemente  ähnlich  jenen  Unna's  haben 
wir  nicht  constatirt. 

Eine  weitere  Einwendung  Darier's  und  ein  Stützpunkt 
für  den  zooparasitären  Ursprung  der  Krankheit  durch  Berufung 
auf  gewisse  angeblich  von  ähnlichen  Parasiten  bedingte  mensch- 
liche Erkrankungen  (Molluscum  contagiosum,  Paget's  Ki*ank- 
heit,  Carcinom)  ist  bei  dem  heutigen  Stande  der  Dinge  mehr 
als  zweifelhaft.  Auch  die  Behauptung,  dass  die  „Psorospermie" 
einmal  isolirt,  das  anderemal  gruppenförmig  an  verschiedenen 
Stellen  zu  Tage  tritt,  scheint  nach  dem  Vorangehenden  nicht 
gerechtfertigt  zu  sein. 

Wichtig  ist  dafür  der  Einwand  der  intercellularen  Locali- 
sation  der  „Psorospermie.''  Wir  gestehen  zu,  dass  wir  bei  einer 
rascheren  Uebersicht  der  Präparate  uns  von  der  Anschauung 
des  Bestehens  einer  intercellularen  Localisation  nicht  frei 
machen  konnten.  Wir  weisen  auf  unsere  Abbildungen  hin.  Ea 
war  aber  nur  nöthig,  etwas  dickere  Schnitte,  bei  welchen  keine 
übermässige  Anhäufung  von  „Psorospermen^  vorhanden  war, 
zu  untersuchen,  um  die  Ueberzeugung  zu  gewinnen,  dass  ein- 
zelne Zellen,  die  dem  Drucke  der  Umgebung  unterliegen,  eine 
gleichsam  im  Ausschnitte  der  anderen  liegen,  dass  die  theilweise 
oder  ganz  verhornten  Zellen  der  Umgebung  einen  Mantel  um 
sie  bilden  u.  s.  w.,  wie  dies  bereits  angeführt  wurde.  Das. 
Studium  der  verschiedenen  Durchmesser  desselben  Schnittes 
lehrt  uns  aber  am  besten,  wie  leicht  wir  bei  einer  flüchtigen 
Besichtigung  der  Präparate  uns  täuschen  konnten.  Die  Fig. 
11  und  12  illustriren  theilweise  neben  Anderen  die  Verhältnisse. 


384  Mourek. 

Die  einzelnen  „eingekapselten^  Formen  erklären  wir  uns  dann 
weit  besser  nax^h  Ribbert^)  und  viel  natürlicher  als  nach 
Darrier. 

Zum  Schlüsse  bemerke  ich,  dass  nach  Unna  —  wie 
Buzzi  und  Miethke")  anführen,  sich  bei  Comu  cutaneum 
und  bei  Onjchogryphosis,  wie  auch  bei  Hyperkeratosis  überhaupt 
ähnliche  Elemente  Torfinden. 

Auf  einer  Seite  wurde  also  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit 
Zooparasiten  gefunden,  die  sich  nicht  cultiviren  oder  isoliren 
Hessen  und  an  welchen  wir  yerschiedene  Entwicklungsstadien 
nicht  beobachtet  haben,  auf  der  anderen  Seite  nahm  mau  ver- 
änderte Epithelialzellen  als  Grund  der  Erscheinung  an. 

Die  weitere  Frage,  ob  nicht  Wucherung  des  Epithels, 
Hyper-  oder  Parakeratose  eine  Folge  des  Einflusses  der  in  den 
tieferen  Schichten  sitzenden  „rundlichen  Körperchen"  ist,  wie 
selbe  Darier  stellt,  dürfen  wir  erst  dann  beantworten,  bis 
wir  den  Zweifel  an  die  Angelegenheit  der  „Psorospermien"  ver- 
lieren, deren  verschiedene  Stadien  —  und  das  ist  doch  fxLr  den 
Nachweis  von  Parasiten  sehr  nothwendig  —  selbst  Darier 
an  seinen  Präparaten  nicht  gesehen  hat. 

Aus  unseren  Präparaten  dürfen  wir  nur  so  viel  folgern, 
dass  die  Darier^sche  Dermatose  eine  Krankheit  ist,  die  in 
die  Kategorie  der  Epidermidosen  gehört,  gegen  deren  von 
Darier  dargelegten  parasitären  Ursprung  wir  sehr  gewichtige 
Bedenken  vorbringen  können.  Es  wäre  daher  heutzutage  eine 
sehr  grosse  Goncession  gegenüber  dem  bezeichneten  Autor  die 
Erkrankung  mit  „Psorospermosis  folliculaire  vegetante**  zu 
benennen. 

Für  die  freundliche  Ueberlassung  des  Arbeitsmateriales, 
wie  auch  für  liebenswürdige  Unterstützung  und  die  vielfachen 
werthvoUen  und  von  mir  stets  befolgten  Rathschläge  im  Ver- 
laufe der  Arbeit  spreche  ich  dem  hochgeehrten  Herrn  Professor 
Dr.  V.  Janovsky  meinen  wärmsten  Dank  aus. 

Die  Erklärung  der  Abbildungen  ist  dem  Texte  zu  entnehmen. 


')  Ueber  Einsoblüsse  im  Epithel  bei  Carcinom. 
»)  L.  c.  p.  69. 


Ans  der  k.  Üniyersitäts-Klinik  für  Hautkrankheiten  des  Prof. 

Dr.  A.  Wolff  in  Strassbnrg. 


lieber  das  Vorkommen  von  Nerven  in 

spitzen  Condylomen. 


Von 

A.  Reisner, 

ÄMiatent  der  Klinik. 

(ffierzu  Taf.  Xü,  Xm.) 


Die  spitzen  Condylome  sind  zu  wiederholten  Malen 
mikroskopisch  genau  untersucht  worden,  von  Eraemer,') 
Zeissl,*)Bären8prung,*)Martin,*)Ca8tilhon,*)Kaposi,*) 
u.  A.  Es  sind  auch  specielle  Untersuchungen  in  Betreff  des 
Vorhandenseins  von  Nerven  in  ihnen  vorgenommen  worden, 
besonders  von  L  e  1  o  i  r, '')  aber  stets  mit  negativem  Erfolg.  Man 
nahm  daher  an,  dass  überhaupt  keine  Nerven  in  den  spitzen 
Condylomen  vorhanden  seien  und  kam  so  zu  der  Definition: 

„Besteht  an  irgend  einer  Stelle  der  Haut  ein  chronischer 
Reizzustand,  so  kann  sich  eine  locale  Hypertrophie  des  Papillär- 
körpers  ausbilden,  wobei  die  entzündlich  infiltrirten  Papillen 
mit  ihren  Gefässen  auswachsen  und  sich  häufig  auch  in  Zweige 
theilen.  Das  Epithel  ninunt  meistens  an  der  Hypertrophie 
theil  und  wird  dadurch  dicker  als  normal.  Es  entstehen  dar- 
nach Bildungen,  welche  man  als  entzündlich  fibröse  Papillome 
bezeichnen  kann.  Meist  werden  sie  spitze  Condylome  od^r 
Condylomata  acuminata  genannt.  Ziegler. '*)^ 

Von  meinem  verehrten  Lehrer,  Herrn  Professor  Doctor 
Wolff,  dazu  aufgefordert,  unternahm  ich  es,  die  spitzen  Con- 
dylome auf  das  Vorhandensein,  resp.  Nichtvorhandensein  von 
Nerven  zu  untersuchen. 

ArehiT  f.  Dermfttol.  n.  Sjphil.  Baad  XXVII.  25 


386  Reisner. 

Vor  der  Darlegung  und  Beschreibung  der  Ergebnisse,  zu 
denen    diese  Untersuchungen  führten,    scheint    es  angemessen, 
eine  Uebersicht   über   die   bisherige  Entwicklung  dieser  Frage 
zu  geben.    Doch  ist   hier  von   vorneherein   zu  bemerken,  dass 
sich   in    der   Literatur   wenig  Positives    darüber  findet.     Meist 
handelt  es  sich,  wenn  die  Frage  erörtert  wird,  um  kurze  Sätze, 
wie  z.   B.    „Nerven    sind   in   spitzen   Condylomen   noch    nicht 
nachgewiesen**    u.  a.,  ohne   nähere  Angaben   über  die  Art  und 
Weise  der   Untersuchung.    Der  Erste,    welcher  ausführlichere 
Mittheilungen  über   diesen  Theil   der  Mikroskopie   der  spitzen 
Condylome  macht,  ist  Kraemer,')  im  Jahre  1847.  Vor  seiner 
Ai*beit  waren  in  Berlin,   Erlangen  und  Kiel  Dissertationen  von 
Wernher,')  Scherdel,*'')undLindenau")  über  die  spitzen 
Condylome   geschrieben  worden.     Sie  enthielten  aber  über  die 
Histologie  dieser  Gebilde  so  gut  wie  nichts.  Rokitansky  hatte 
in  der   ersten  Auflage  seines  Lehrbuches   zwar  eine  Histologie 
der  spitzen  Condylome   gegeben,   der  Nerven  aber  nicht  darin 
erwähnt.    Kraemer   beschreibt  nun  in    dem  diesbezüglicheu 
Werke   die   histologischen  Verhältnisse    der  spitzen  Condylome 
hinsichtlich   des  Epithels,   des  Bindegewebes   und    der  Gefasse 
sehr  eingehend  und  fährt  dann  fort:  „Obwohl  es  aus  mehreren 
Gründen  annehmbar  erscheint,  dass  die  Papillargefasse  (sc.  der 
spitzen  Condylome)  von  Nerven  der  Cutis  umgeben  seien,  so  ist 
es  mir  doch  nur  einigemal  so  vorgekommen,  als  ob  das  Gefäss 
bis   zu   einer  geringen  Höhe  von  Fasern  umgeben  sei ;  jedoch 
waren    sie  zu  undeutlich,   als   dass  ich  mich  mit  Bestimmtheit 
von    ihrer    Existenz    hätte    überzeugen    können."     Kraemer 
schon  glaubte  aus  diesem  Befunde   schliessen  zu  müssen,  dass 
in  den  spitzen  Condylomen  keine  Nerven  vorhanden  seien  und 
erklärte  demnach,  dass  die  spitzen  Condylome  nicht  eine  Hyper- 
trophie  des   ganzen  Papillarkörpers,   sondern  nur  des  Gefäss- 
apparates  seien.  Einer  besonderen  Methode  zum  Nachweise  der 
Nerven  scheint  sich  Kraemer  nicht  bedient  zu  haben,  wenig- 
stens erwähnt  er  keine.    Seine  histologischen  Präparate  fertigte 
er  mit  Natronlauge  und  Essigsäure  an. 

So  wenig  dieses  ist,  so  ist  es  doch  das  Meiste,  was  bis  in 
die  neueste  Zeit  darüber  geschrieben  worden  ist  Die  über  die 
spitzen    Condylome    erschienenen    Monographien  von   Kranz, 


üeber  das  Yorkoinmen  yon  Nerven  in  spitzen  Condylomen.       387 

Kaposi,  Auspitz,  Kühn,  Le  wy, Thibierge  u.  A.  haadeln 
meistens  von  der  Therapie,  und  wenn  die  Histologie  besprochen 
wird,  so  findet  sich  doch  nichts  über  Nerven.  Ebensowenig  in 
den  Lehrbüchern  der  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  von 
Neumann,  Kaposi,  Gibert,  Mauriac,  Devergie,  Robert, 
während  einige  Autoren,  wie  Hebra,  Behrend  und  Lesser 
durch  den  kurzen  Satz :  „Nerven  sind  in  spitzen  Condylomen  noch 
nicht  nachgewiesen*^,  darauf  hindeuten,  das3  sie  dieses  Capitel 
noch  nicht  für  abgeschlossen  halten.  Nirgends  finden  sich 
Angaben  darüber,  dass,  geschweige  denn,  wie  die  Untersuchungen 
gemacht  wurden. 

Dieser  Mangel  an  Angaben  über  den  Nachweis  von  Nerven 
in  spitzen  Condylomen,  während  man  gleichzeitig  annehmen  zu 
dürfen  glaubte,  es  seien  keine  darin  vorhanden,  veranlasste 
im  Jahre  1878  Leloir^)  zu  genauen  Forschungen,  die  in  der 
Gazette    des  höpitaux   veröffentlicht  wurden.    Es   lieisst  dort: 

„Les  nerfs  des  vegetations  sont  inconnus.  D'ailleurs  il 
faut  avouer  qu'ils  n'nont  jamais  ete  l'objet  des  recherches 
bien  minutieuses  —  si  toutefois  ils  Tont  ete,  comme  nous  disait 
Mr.  Cornil." 

Da  die  Ausführungen  sehr  kurz  und  knapp  sind,  sowie 
um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  scheint  es  uns  am  passend- 
sten die  Beschreibung  Leloirs  mit  seinen  eigenen  Worten  wieder- 
zugeben: ,,La  recherche,  fährt  er  fort,  a  porte  sur  un  grand 
nombre  de  vegetations,  la  plupart  vulvaires.  Nous  avons  d'abord 
examine  ces  vegetations,  apres  les  avoir  injectees,  aussitot  apres 
leur  ablation,  avec  de  l'acide  osmique  au  centieme,  pur  ou 
melange  d'un  volume  egal  d^alcool  au  tiers;  les  coupes  ont 
ete  ensuite  pratiquees  soit  ä  l'etat  frais,  soit  apres  durcisse- 
ment  dans  Talcool.  Nous  n'avons  pu  trouver  la  moindre  trace  de 
fibre  nerveuse,  comme  nous  pouvions  d'ailleurs  nous  y  attendre 
en  employant  ce  procede,  les  nerfs  etant  depourvus  de  myeline 
dans  les  tissus  enfiammes.  II  parait  donc  probable  qu'il 
n'existe  pas  de  tubes  nerveux  ä  myeline,  dans  les  vegetations. 
Mais  si  elles  ne  contiennent  pas  de  tubes  nerveux  ä  myeline, 
«lies  peuvent  contenir  des  cylindre-axis.  —  Nous  avons  d^ahord 
employe  le  procede  de  Loewin  qui  consiste  ä  faii*e  passer  le 
tissu    ä   examiner   successivement   dans  Tacide   formique  au  3 

25* 


388  Reisner. 

ou  an  4  centieme  pendant  douze  an  Tingt-quatre  henres,  pois 
dans  le  cfalomre  d'or  an  centieme  pendant  10 — 20  minntes, 
pnis  de  noQTeaa  dans  Tadde  formiqne  ä  3  on  au  4  centieme 
pendant,  6  ä  24  henres.  Les  conpes  des  vegetations,  aassi  pre- 
parees  ne  nous  ont  pas  montre  le  moindre  vestige  de  cylindre-am 

Aassi  arons  nons  emploje  le  procede  qne  Ranvier  ä 
expose  recemment  ä  Tacademie  des  sciences.  H  consiste,  comme 
on  le  sait,  ä  placer  la  piece  a  examiner  dans  da  jus  de  citron 
pendant  10 — 20  minates,  ä  la  mettre  ensoite  pendant  10 — 25 
minates  dans  ane  solation  de  chlorare  d^or  ä  l7o  ^t  a  la 
passer  enfin  rapidement  dans  de  Teaa  additionnee  de  quelques 
gouttes  d'acide  acetique.  Malgre  Fezamen  attentif  de  nombreuses 
Tegetations  que  nous  a^ons  ainsi  etudiees  nous  n^avons  pu 
rencontrer  de  filet  nenreux.  La  dilaceration  ne  nous  a  pas 
donne  de  meilleurs  resultats.  L'existence  de  nerfs  dans  les  Tege- 
tations est  donc  tres  problematique/ 

Es  schien  in  der  That  nach  diesen  eingehenden  Unter- 
suchungen sehr  vieler  spitzer  Condylome  mehr  als  wahrscheinlich, 
dass  in  ihnen  keine  Nerven  vorhanden  seien.  Und  doch  wollte 
Leloir  selbst  keine  absolute  Folgerung  daraus  machen,  weil 
er  zugeben  musste,  dass  die  spitzen  Condylome  schmerz- 
haft sind. 

Mit  Rücksicht  besonders  auf  das  letztere  Factum  ver- 
suchten wir  es  nun,  auf  dem  Wege  der  methodischen  Unter- 
suchung den  Nachweis  von  Nerven  in  spitzen  Condylomen  zu 
führen.  Da  wir  nach  den  Angaben  Leloirs  nicht  der  mangel- 
haften Untersuchung  die  Schuld  geben  konnten,  vielmehr  an- 
nehmen mussten,  dass  die  angewandten  Methoden  für  diese 
Fälle  ungeeignet  seien,  so  benutzten  wir  zunächst  keines  der 
angegebenen  Verfahren,  sondern  das  Golgische.  Und  zwar 
wandten  wir  ausschliesslich  das  von  RamonyCajal  sogenannte 
schnelle  Verfahren  und  die  Doppelfarbung  an.  Da  beide  Ver- 
fahren in  ihren  Ergebnissen  keinen  Unterschied  erkennen  liessen» 
so  wandten  wir  schliesslich  nur  noch  das  „schnelle  Verfahren" 
an.  Dies  geschah  so,  dass  die  operativ,  mit  Messer,  Schere 
oder  galvanokaustischer  Schlinge  entfernten  Condylome  rasch 
in  destiUirtem  Wasser  abgewaschen  wurden  und  dann  in  eine 
Lösung  von   1  Theil    1%  Osmiumsäure  und  4  Theilen  3'57<^ 


Ueber  das  Vorkommen  von  Nerven  in  spitzen  Condylomen 

Kalium  bichromatum  kamen.  Die  Stücke  wurden  nicht  { 
wie  höchstens  7 — 8  Gmm.  genommen,  auf  ein  Stückchen  i 
10  Gem.  Flüssigkeit  gerechnet.    Grössere    Condylome    i 
vor   dem  Abwaschen  so  weit  zerkleinert.    In  der  angeg 
Mischung   blieben    die    Stückchen  5 — 7  Tage   im  Dunki 
einer  Temperatur  von  25® — 35°.    Dann  kamen  sie  nai 
Spülung  in  0*257o  Arg.  nitr.-Lösung   in  eine  0*757o  Arf 
Lösung,  in  welcher  sie  bei  Zimmertemperatur  24  Stund<i 
dem  Lichte  ausgesetzt  wurden.    Dann   wurden  sofort  S 
gemacht.    Diejenigen   Stücke,   welche   wegen  Zeitmang! 
ersten  Tage  nicht  geschnitten  werden  konnten,   wurden 
0*757o  Silbemitratlösung  im  Dunkeln  weiter  aufbewah 
hielten  sich  so  gut,  dass  nach  4  Wochen  angefertigte  i 
keinen  Unterschied  gegen  die  vom  ersten  Tage  zeigte) 
musste  darauf  geachtet  werden,  dass  die  Flüssigkeit  ni(  : 
dunstete.    Dagegen  war  eine  Partie  spitzer  Condylome, 
längere    Zeit   dem   Lichte   ausgesetzt  war,   von  Eristal  * 
doppeltchromsaurem  Silber  so  durchsetzt,    dass  von  S  i 
Verhältnissen  nichts  mehr  zu  erkennen  war.    Dasselbe    i 
bei  völliger  Verdunstung  der  Flüssigkeit. 

Das  von  uns  nur  einmal  benutzte  Doppelverfahren   : 
darin,  dass  die  Stücke  zuerst  in  eine  Mischung  von 

1  Theil      1%  Osmiumsäure  und 
4  Theilen  3-57o  Kai.  bichrom. 
24  Stunden  lang  im  Dunkeln,  darauf,  nach  Abspülung,   i 
Arg.  nitr.-Lösung  24  Stunden  im  Lichte  kommen.  Dann   i 
nach  Abspülung,   Einlegen  in  eine  Mischung  von  1  T    i 
Osmiumsäure  und  10  Theilen  2*57o  K&l-  bichrom.  auf  24  !    i 
darauf  endlich  Einlegen  in  0'757o  Arg.  nitr.-Lösung.   1 
letzteren   werden   die   Stücke    dem  Lichte  ausgesetzt,    ! 
Mischung  dagegen  im  Dunkeln  aufbewahrt.    Bei   dies    i 
bei  dem  „schnellen"  Verfahren  werden  die  Stückchen 
dass  sie  ohne  Weiteres  geschnitten  werden  können.  KöV    <. 
und  van  Gebuchten'^  geben  an,  dass  die  Stücke, 
noch  nicht  ganz  schnittfahig  sind,  nicht  zu  lange  in 
liegen  dürfen,   da  sie  leicht  Schaden  leiden.    Wir  ftil 
nur  beiläufig  an,   denn  für  die   spitzen  Condylome  h 
nach  unseren  Erfahrungen  nicht  in  Betracht;    dieselbe 


390  Reisner, 

stets  genügend  gehärtet  Dagegen  bedurften  Stückchen  nor* 
malen  Präputiums  fast  stets  einer  Nachhärtung.  Beide  Ver- 
fahren waren  in  ihren  Ergebnissen  ganz  gleich,  und  wenn  wir 
später  ausschliesslich  das  ^schnelle ^  anwandten,  so  geschah  es 
nur  deswegen,  weil  es  schneller  zum  Ziele  führt  und  einfacher 
ist.  Denn  es  kommen  bei  diesem  Verfahren  nur  2  Lösungen, 
bei  jenem  dagegen  4  verschiedene  zur  Anwendung. 

Zum  Schneiden  wurden  die  Stückchen  einfach  mittels 
CeUo'idin  auf  einem  Korkpfropfen  befestigt.  Die  Schnitte  wurden 
mit  einem  Schlittenmikrotom  angefertigt  und  sind  durchschnitt- 
lich 0-075— 0-1  Mm.  dick.  Kölliker")  räth,  sie  möglichst 
dick  zu  machen,  um  die  Fasern  auf  möglichst  lange  Strecken 
hin  verfolgen  zu  können.  Die  Schnitte  kommen  in  Nelkenöl, 
Xylol  und  Canadabalsam.  Sie  werden  nach  den  Angaben  aller 
Autoren  auf  diesem  Gebiete  ohne  Deckgläschen  aufbewahrt. 
Einige  Schnitte,  die  wir  versuchsweise  bedeckten,  sind  voll- 
ständig trüb,  undurchsichtig  und  schwarz  geworden,  während 
die  ohne  Deckgläschen  einfach  in  Canadabalsam  eingeschlossenen 
Schnitte  derselben  Serie  noch  keine  Veränderung  erkennen 
lassen.  Wodurch  dieses  Verhalten  bedingt  sei,  darüber  schwan- 
ken die  Ansichten  noch. 

Soviel  über  die  Technik.    Wir  kommen  nunmehr  zur  Be- 
schreibung  der  Ergebnisse,   zu  denen  unsere  Untersuchungen 
geführt   haben.     Sie   sind   denen   der  vorangegangenen  Unter- 
suchungen geradezu  entgegengesetzt,   denn  wir  haben  in  allen 
von  uns  untei*suchten  spitzen  Condylomen  einen  grossen  Reich- 
tfaum   an   Nervenfasern   angetroffen.    Die   Mehrzahl   derselben 
liegt  im  Rete  Malpighi;  in  den  Papillen  sind  stets  nur  wenige 
vorhanden.    Die&e  theilen  sich  auf  dem  Wege  zum  Rete  Mal- 
pighi wiederholt  dichotomisch  in  kurzen  Zwischenräumen.     Sie 
erscheinen   bis   auf  geringe  Varicositäten   überall   gleich    dick 
und  besitzen  auch  an  den  Theilungsstellen  keine  VerdiekuBgeo, 
welche  auf  Kerneinlagerungen  schliessen  liessen.    Zwischen  die 
Zellen  des  Bete  Malpighi  eingetreten,  verzweigen  sich  nan  die 
Fasern  noch  häufiger  und  zeigen  sowohl  in  ihrem  Verlauf  wie 
an  den  Theilungsstellen  Anschwellungen,  welche  nach  dem  Vor- 
gänge von  Tomsa  und  Langerhans  nur  als  Kemeinlage- 
i'ungen   gedeutet  werden  können.    Die   Dichtigkeit  des    Netz- 


Ueber  das  Vorkommen  von  Nerven  in  spitzen  Condylomen.      $91 

Werkes,  welches  durch  die  wiederholte  Theüung  der  Fasern 
entsteht,  ist  bei  den  einzelnen  Papillen  sehr  verschieden. 
Während  manche  auf  dem  Querschnitt  wie  von  einem  dichten 
Kranze  umgeben  erscheinen,  sind  bei  anderen  nur  wenige 
Fasern  vorhanden,  bei  einigen  auch  gar  keine.  Die  Erklärung 
hiefiir  ist  eine  zweifache.  Einmal  kann  es  ein  Fehler  der  Me- 
thode sein,  indem  die  Färbung  der  Präparate  eine  ungleich- 
massige  ist.  Die  Autoren  geben  aUe  an,  dass  kaum  ein  Schnitt 
gleichmässig  gefärbt  ist.  Oft  ist  ein  Theil  des  Schnittes  gut 
gefärbt,  während  ein  anderer  Theü  von  der  Färbung  gar  nicht 
betroffen  worden  ist.  Es  kommt  sogar  vor,  dass  eine  einzelne 
Faser  stellenweise  gefärbt  ist  und  stellenweise  nicht.  Sodann 
könnte  die  Erscheinung  aber  auch  durch  eine  ungleichmässige 
Vertheilung  der  Nerven  bedingt  sein.  Für  die  letztere  Auf- 
fassung spricht  der  Umstand,  dass  manche  Condylome  sehr 
schmerzhaft  sind,  manche  fast  gar  nicht.  Diesen  würden  dann 
die  nervenarmen,  jenen  die  nervenreichen  Papillen  entsprechen. 
Auch  ist  hier  zu  bemerken,  dass  der  Nervenreichthum  bei 
Condylomen  verschiedener  Personen  im  ganzen  ein  sehr  ver- 
schiedener ist.  So  waren  bei  einem  zwanzigjährigen  Mädchen 
die  Nerven  viel  zahlreicher  wie  bei  einem  fiinfundzwanzigjäh- 
rigen  Manne.  Die  Condylome  jenes  Mädchens,  von  deren  Nerven- 
reichthum die  Abbildung  Taf.  XU  einen  Begriff  gibt,  waren  auch 
viel  schmerzhafter  wie  die  des  Mannes. 

Je  weiter  der  Homschicht  zu,  desto  weitmaschiger  wird 
das  Netzwerk.  Die  letzten  Ausläufer  lassen  sich  bis  nahe  an 
die  Hornhaut  hinan  verfolgen ;  ob  sie  aber  in  dieselbe  eintreten, 
vermögen  wir  nicht  zu  entscheiden,  da  einestheils  die  Hom- 
schicht sehr  dunkel  gefärbt  ist  trnd  anderntheils  reichliche 
Niederschläge  von  Arg.  bichrom.  in  ihr  vorkonmien,  welche  die 
Durchsichtigkeit  dieser  Hautschicht  sehr  vermindern. 

Nachdem  wir  den  Ort  des  Vorkonmiens  der  Nerven  an- 
gegeben haben,  gehen  wir  zur  Beschreibung  der  speciellen 
histologischen  Verhältnisse  über.  Die  beiden  Tafeln  mögen 
dabei  zur  Erläuterung  dienen.  Sie  sind  von  Herrn  Dr.  Kuz- 
nitzky  mit  Hilfe  des  Abbe'schen  Apparates  sorgfältig  ge- 
zeichnet und  geben  das  mikroskopische  Bild  getreu  wieder. 
Um  jedem  Vorwurfe   der  ungetreuen  Wiedergabe    der  Präpa- 


392  Reisner. 

rate  zu  begegnen,  sollten  Mikrophotographien  angefertigt 
werden.  Aber  alle  Versuche,  welche  Herr  Dr.  Kuznitzky 
immer  wieder  anstellte,  blieben  wegen  der  ungünstigen  Für- 
bungsverhältnisse  —  schwarz,  resp.  dunkelbraun  auf  gelbem 
Grunde  —  erfolglos,  so  dass  schliesslich  von  der  photographi- 
schen Wiedergabe  Abstand  genommen  werden  musste.  Die  Ab- 
bildung auf  Taf.  XU  entspricht  einer  Vergrösserung  von  Leitz, 
Ocular  Nr.  3,  ObjectiT  3,  die  auf  Tafel  XTTT  einer  solchen  von 
Ocular  3,  Objectiv  6.  Bei  schwacher  Vergrösserung  und  Toller 
Beleuchtung  (Taf.  XII)  sieht  man  die  Papillen  und  das  Bete 
Malpighi  zart  gelb  gefärbt,  von  der  dunkeln  Hornhaut  begrenzt. 
Von  dem  Bete  sind  keine  feineren  Structurverhältnisse  zu  er- 
kennen, in  den  Papillen  fallen  die  etwas  dunkler  nuancirten 
Gefassschlingen  auf.  Auf  diesem  hellen  Grunde  sieht  man  nun, 
hauptsächlich  in  den  Schichten  des  Bete,  welche  der  Papille 
zunächst  liegen,  aber  auch  in  den  Papillen  selbst  und  in  den 
mehr  nach  der  Hornhaut  zu  gelegenen  Beteschichten  schwarze 
Fädchen  mit  kolbenförmigen  Anschwellungen.  Betrachtet  man  nun 
eine  Stelle  bei  stärkerer  Vergrösserung  (Taf.  XH  bis  Ta£  Xm  b) 
und  voller  Beleuchtung,  so  erscheinen  die  Fädchen  varicös, 
die  Anschwellungen  als  Kugeln,  EUipsoide,  spindelförmig  oder 
von  unregelmässiger  Gestalt.  An  diesen  Gebilden  kann  man 
einen  helleren  Kern  von  einer  dunkleren  Aussenschicht  unter- 
scheiden. Sie  sind  theils  in  den  Verlauf  der  Fädchen  einge- 
schaltet, theils  liegen  sie  an  den  Stellen,  wo  mehrere  Fädchen 
zusammentreffen,  theils  bilden  sie  das  Ende  der  Fädchen.  Ob 
in  Beziehung  auf  die  letztere  Erscheinimg  das  optische  Bild 
der  Wirklichkeit  entspricht,  d.  h.  ob  die  Anschwellungen  that- 
sächlich  das  Ende  der  Faser  bilden,  lässt  sich  mit  Sicherheit 
nicht  nachweisen,  denn  es  wäre  möglich,  dass  der  weitere 
Verlauf  der  Faser  gerade  nach  oben  oder  nach  unten  ginge 
und  so  durch  die  Anschwellung  nur  verdeckt  würde.  Indessen 
wiederholt  sich  das  Bild  so  häufig,  dass  die  Annahme  der  En- 
digung der  Faser  in  der  Anschwellung  wohl  gerechtifertigt  er- 
scheint Eine  besondere  Structur  lässt  sich  an  den  Anschwel- 
lungen nicht  erkennen;  nur  bei  einer  gelang  es  mir  durch 
Benutzung  directen  Sonnenlichtes  festzustellen,  dass  sie  aus 
zwei  Hälften  bestand,    indem    sich   mitten   durch   den   hellen 


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394  Reisner. 

Silbei*  in  den  peiicellaläi*en  Lymphräumen  niederschlage.    Für 
uns,   die  nur  den  Nachweis  Yon  Nerven  in  Condylomen  liefern 
wollten,  ist  das  zunächst  gleichgiltig.   Denn  wenn  Lymphräume 
um  NeryenfasQirn  da  sind,  müssen  auch  die  Nervenfasern  selbst 
da  sein.    Für  genaue  Messungen  aber  wäre  der  Umstand  von 
der  gi'össten  Bedeutung.    Eölliker  und  die  anderen  Autoren 
halten  übrigens  an  der  Meinung  fest,  dass  die  Nervenelemente 
selbst  gefärbt  werden.  KöUiker^')  fasst  seine  Ansicht  dahin 
zusammen:     „Mit  Rücksicht  auf  die  Beschaffenheit  der  durch 
Silber  gefärbten  Elemente   bemerke  ich,    dass    die   marklosen 
Nervenfasern  fast  ohne  Ausnahme  von  untadeliger  Zartheit  und 
vollkommen  glattrandig  sind,   so   dass  nicht  daran  zu  denken 
ist,  dass  dieselben  Auflagerungen  von  Silber  ihre  Färbung  ver- 
danken/Kam  on  yCajal'^)  sagt  gegen  Rossbach  und  Sehr- 
wal dt:   „Nous  ignorons,  si  ces  espaces  lymphatiques  existent, 
car  il  pourrait  se  faire,   comme  Ta   suppose  Frommann,   qu'ils 
fdssent  des  produits  artificiels ;  mais  en  ce  qui  conceme  Tendroit, 
oü  se  depose   le  Chromate  d'argent,  le   doute  est  impossible: 
C'est  daus  Tepaisseur  meme   du  protoplasma  nerveux    et   ses 
nombreuses  expansions.    Ce  qui  le  prouve  c'est  que  lorsque  la 
reaction  est  tres  fine,    le   volume    des   elements  nerveux   n'est 
pas  sensiblement  augmente  comme  Ton  peut  en  juger  par  com- 
paraison  avec  ceux  prepares  par  dissociation.** 

Den  Vorgang  der  Färbung  hat  man  sich  nach  Len- 
h  o  s  s  e  k  *^)  so  zu  denken,  dass  zunächst  das  Kalium  bichro- 
matnm  die  Osmiumsäure  längs  der  Fasern  begleitet  und  die 
Fasern  imprägnirt  In  der  Silberlösung  dringt  dann  das  Silber 
nach  und  nach  in  die  Nervenfaser  ein  und  ersetzt  immer  ein 
Atom  Kalium  nach  dem  anderen,  bis  die  ganze  Faser  statt 
KaUum  bichromatum  Argentum  bichromatum  enthält.  Dabei 
muss  man  noch  eine  moleculare  Wirkung  der  Nervensubstanz 
annehmen,  wodurch  es  sich  erklärt,  dass  die  Umsetzung  niebt 
auch   in    den   übrigen  Gewebsbestandtheilen   so  vor  sich  gebt. 

Ueber  das  Vorkommen  von  Nerven  im  Rete  Malpighi 
schrieb  zuerst  Langerhans.  ^^)  Nach  ihm  sind  sie  dort  am 
zahlreichsten,  wo  die  meisten  Tastkörperchen  vorkommen.  Sie 
enthalten  noch  mehr  oder  weniger  Fasern  mit  Myelinscheide. 
In  den  oberen  Schichten  des  Stratum  retis  werden  alle  Fasern 


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396  Keisner. 

Faser,  wie  zwei  Kirschen  an  einem  Stiele,  sondern  sie  kommen 
stets  von  zwei  verschiedenen  Fasern.  Jede  Faser  versorgt  also 
auch  zwei  verschiedene  Zellen  mit  Nervenendigungen.  Pfitz- 
ner'^  hatte  zuerst  diese  Endigungsart  an  dem  Epithel  der 
Froschhaut  beobachtet.  In  unseren  Präparaten  war  etwas  Aehn- 
liches  nicht  zu  sehen. 

C  a  8  u  i  8 1  i  k. 

Die  von  uns  untersuchten  spitzen  Condylome  stammen 

1.  Ton  einem  21jährigen  Madchen.  Sie  bildeten  bei  ihr  einen  faast- 
grossen  Tumor  der  linken  grossen  Labie  und  bestanden  über  6  Monate 
Gonorrhoe  soll  das  Mädchen  angeblich  nicht  gehabt  haben. 

2.  Von  dem  Praeputinm  eines  32  Jahre  alten  Mannes  mit  Gonorrhoe. 
Die  Condylome  bestanden  seit  ca.  4  Wochen. 

3.  Von  einem  29  Jahre  alten  Mann.  Sie  sassen  auf  Eichel  xmd 
Praeputium,  waren  nach  Gonorrhoe  entstanden  und  3 — 4  Wochen  alt. 

4.  Von  einem  23jährigen  Mädchen.  Gonorrhoe.  Condylome,  zerstreut 
an  den  grossen  Labien  seit  3 — 4  Wochen. 

5.  Von  einem  25  Jahre  alten  Mädchen.  Gonorrhoe.  Condylome  an 
der  rechten  grossen  Labie  seit  14  Tagen. 

6.  Von  einem  25jährigen  Manne.  Gonorrhoe.  Condylome  auf  Eichel 
und  Praeputium  bemerkt  seit  8  Tagen. 

7.  Von  einem  28jährigen  Manne.  Gonorrhoea  chronica.  Condylome 
seit  länger  als  2  Monaten. 

8.  Von  einem  2^ährigen  Manne.  Gonorrhoe.  Condylome  seit  3 
Wochen. 

Litteratur. 

1.  Kraemer,  Ueber  spitze  Condylome  und  Warzen;    ein   Beitrag 
zur  Naturgeschichte  dieser  Geoilde.   Göttinger  Studien  1 847.  2.  Z e i s s  1, 
H.    Ueber  Condylome.  Zeitschr.  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  zu  Wien 
1853.    3.  Baerensprung.   Ueber    die  sogenannten    spitzen  Condylome. 
Allgem.  med.  Centralzeitung.  Berlin  1855.   4.  Martin,  Aime.  Stades  sur 
les  vegetations.  Annales  de  dermatologie  etc.  Paris  1873.  5.  Castilhon. 
Contribution  ä  Petude  des  vegetations.  These  de  Paris.    6.  Kaposi.    Pathol. 
und  Ther.  der  Hautkrankheiten.  7.  L  e  1  o  i  r.  Nerfs  des  vegetations.  Gasette 
med.  de  Paris  1878.  L    8.  Ziegler.  Lehrbuch  der  speciellen  pathol.  Ana- 
tomie.  1890.  p.  448.    9.  Wer nh er.   De  condylomatibus.    Dissert.    inaug. 
Berol.  1825.    lO.    Scherdel.    Ueber   Condylome.   Inauguraldissertation. 
Erlangen  1841.    11.  Lindenau.   De  verrucis  venereis  et  condylomatibus. 
Kiliae  1843.    12.  A.  v.  Kölliker.    Zeitschr.  für  Wissenschaft!.  Zoologie. 
1891.  IT.    13.  A.  van  Gebuchten.  La  Cellule  1891.  Tome  YIL    14.  Cent- 
ralblatt  für  das  medicinische  Wissen.    1888,   Heft.  4  f.    15.  Yirchow's 
Archiv.  Bd.  130.    16.  Fortschr.  der  Medicin  1892.   17.  Virchow's  Archiv. 
Bd.  44.   18.  Wiener  medicinische  Wochenschrift  1865.  19.  Monatshefte  für 
praktische  Dermatologie  1882.    20.  Nervenendigungen  im  Epithel.  Morpho- 
logische Jahrbücher.  Bd.  VII.    21.  Zeitschrift  für  wissenschaftl.  Zoologie. 
Bd.  49.    22.  Anatomischer  Anzeiger  1890. 


lieber  den  Pleomorphismus  pathoge 

Hyphomyceten. 


Von 


Franz  Kräl  in  Prag. 


Der  wahre  Pleomorphismus  der  Pilze  im  botanischei 
nämlich  die  von  T  u  1  a  s  n  e  entdeckte  Pleomorphie  der  l 
cationsorgane  und  der  damit  nicht  selten  verbundenen  ( 
tions-  und  Wirthswechsel,  hat  durch  die  Beobachtungei 
Forscher,  de  Bary  an  der  Spitze,  namentlich  aber  du 
fundamentalen  Untersuchungen  von  Brefeld  eine  wesc 
Erweiterung  erfahren  und  steht  nunmehr  auf  sicherei 
Brefeld  hat  auf  den  einzuschlagenden  Weg  hingewies 
die  Zugehörigkeit  eines  Sprosspilzes  oder  eines  o'idienbi) 
Fadenpilzes  in  den  Entwicklungskreis  eines  höheren 
festgestellt  werden  soU.  Nicht  von  diesem  oder  jenem 
lingt  es,  in  künstlichen  Culturen  einen  Pilz  mit  höhere] 
tificationsformen  hervorzubringen,  wohl  aber  umgekehrt, 
feld  hat  dies  unter  anderen  an  CoUybia  conigena  (Pe: 
der  Untergattung  Collybia  der  Agaricinen  schön  gezeigl 

So  weit  sind  wir  bei  jenen  pathogenen  Hyphoi 
die  uns  vorwiegend  interessiren,  nämlich  den  für  den  M 
pathogenen  Hautfadenpilzen,  vielleicht  den  Soorpilz  ausgei 
noch  nicht  gelangt  Vorläufig  haben  wir  von  den 
Entwickelungsformen,  also  von  dem  eigentlichen  Pleomor 
des  Achorion  Schoenleinii,  Trichophyton  tonsurans,  Mici 


398  K  r  a  1. 

furfnr  und  minutissimum  keine  Eenntniss.  Selbst  jenem  „cultu- 
rellen"  Pleomorphismus  der  Hautfadenpilze,  welcher  Gegenstand 
der  vorliegenden  Mittheilung  ist  und  den  wir  richtiger  als  Wuchs- 
und  Formvariationen  bezeichnen  möchten,  ist  erst  in  jüngster 
Zeit  seit  der  allgemeineren  Anwendung  meiner  Isolirungsmethode 
der  Fadenpilze  aus  pathologischem  Materiale,  insbesondere 
durch  Mibelli,  Plaut,  Sabrazes  und  Marianelli,  eine 
grössere  Aufinerksamkeit  zugewendet  worden.  Die  unmittelbare 
Veranlassung  hierzu  gab  die  von  mehreren  Autoren  auf  Grund 
cultureller  und  morphologischer,  auf  natürlichen  oder  künst- 
lichen Substraten  beobachteten  Differenzen  erfolgte  Aufstellung 
einer  Reihe  neuer  Arten  des  Achorion  Schoenleinii  und  des 
Trichophyton  tonsurans. 

Achorion   Schoenleinii  weist  häufig   schon   in  den 
behufs  Isolirung  des  Pilzes  angelegten  Platten  ein  makro-  und 
miki'oskopisch  verscliiedenes  Verhalten  auf,  weshalb  ich  bereits 
1890  empfohlen  hatte,  zur  weiteren  Uebertragung  mikroskopisch 
möglichst  differirende  Mycelien  auszuwählen.  Diese  Beobachtung 
wurde  seither  auch  mehrseitig  bestätigt.    Die  durch  die  sapro- 
phytische  Anpassung  bewirkten  culturellen  und  morphologischen 
Verschiedenheiten  des  Pilzes  sind  ebenso  zahllos,  wie  die  mög- 
liehe Variabilität  der  saprophytischen  Lebensbedingungen,  unter 
welche   man  die  Entwickelung  des  Pilzes  zu  setzen  im  Stande 
ist.     Wir  werden   auf  solche  Form-    und  Wuchsvariationen  bei 
dem   sich  analog  verhaltenden   Trichophyton   tonsurans   etwas 
näher  eingehen.     Hier  bei  Achorion   muss  es  der  knapp  zuge- 
messenen  Zeit   halber  versagt  bleiben,   und   es    sollen  nur  die 
Variationen  in's  Auge  gefasst  werden,    die  mitunter   schon  bei 
der  ersten  saprophytischen  Generation  des  Pilzes  spontan  sich 
einstellen  können. 

Diese  Agardauerplattencultur  von  Achorion  Schoenleinii. 
welche  ich  mir  zu  demonstriren  erlaube,  wurde  vor  13  Monaten 
neben  anderen  derart  angelegt,  dass  direct  aus  einer  Scutulum- 
agarplatte  im  Doppelschälchen  ein  aus  einem  Keime  hervorge* 
gangenes  Mycelchen,  das  mit  den  übrigen  auf  der  beiareffenden 
Platte  vorhandenen  identisch  war,  auf  die  Daueiplatte  übertrugen 
wurde.  Man  hätte  erwarten  können,  dass  aus  dem  Mycelcliea, 
wie  es  in  der  Regel  geschieht,  ein  einheitlicher  Raeen,  hervor- 


Ueber  den  Pleomorphismus  pathogener  Hyphomyceten.  399 

gehen  würde.  Das  war  nicht  der  Fall.  Vielmehr  bildeten  sich 
in  allen  gleichzeitig  angelegten  Platten  nach  und  nach  eine 
Anzahl  von  Ra«en,  die  mit  Bezug  auf  die  Verschiedenheit  des 
makro-  und  mikroskopischen  Verhaltens  nach  den  bisherigen 
Anschauungen  mancher  Autoren  als  Terschiedenen  Pilzarten 
zugehörig  betrachtet  werden  müssten.  Allein  aus  einem  Keime 
kann  weder  in  der  Natur  noch  in  der  Cultur  mehr  als  eine 
Art  hervorgehen.  Der  primäre  central  situirte  Rasen  hatte  zu 
Beginn  der  Entwicklung  mit  seinen  kurzen  moosartigeu  Ansläufem 
fast  das  normale  Aussehen.  Letztere  sistirten  bald  das  weitere 
periphere  Wachsthum  im  vegetationsfreien  Substrat,  wogegen  im 
centralen  Theile  des  Rasens  die  Conidienbildung  in  so  üppiger 
und  andauernder  Weise  stattfand,  dass  sich  der  Rasen  schliesshch 
von  der  Glaswandung  loslöste,  in  Wülsten  und  Falten  einige 
Millimeter  hoch  unter  mehrfacher  Zerreissung  emporgedrängt 
wurde  und  nur  noch  durch  die  kurzen  moosartigen  Emissionen 
mit  dem  Nährsubstrat  in  Zusammenhang  blieb.  Dieser  undurch- 
sichtige gelbbraune  nackte  Rasen  besteht  ausschliesslich  aus 
enormen  Anhäufungen  sehr  kleiner  Conidien,  nur  an  der  Peri- 
pherie sind  noch  vereinzelte  sehr  kurze  Conidienfaden  sichtbar. 
Von  diesem  Rasen  aus  durchsetzen  moosartige  Ausläufer  das 
Nährsubstrat  bis  an  dessen  äussersten  Rand,  stehen  aber  für 
das  unbewaffnete  Auge  an  der  Grenze  der  Wahmehmbarkeit. 
Das  bereits  degenerirte,  kömig  zerfallene  Mycel  trägt  einige 
wenige  Conidien  von  dem  vierfachen  Durchmesser  jener  des 
primären  Rasens.  Rechts  und  unmittelbar  von  dem  letzteren 
ausgehend,  hat  sich  ein  mit  spärlichem  Luftmycel  bedeckter, 
flacher  halbmondförmiger  Rasen  etablirt^  der  nicht  durch  moos- 
artige Ausläufer  begrenzt  wird,  sondern  sich  allmälig  im  Sub- 
strat verliert.  Auch  dessen  Mycel  ist  degeneriii;,  dagegen  sind  sehr 
zahlreiche  Conidien  von  der  doppelten  bis  vierfa^chen  Grösse 
der  ersterwähnten  Conidien  vorhanden,  die  im  Gegensatze  zu 
diesen  keine  Anhäufungen  bilden,  sondern  mehr  weniger  dicht 
nebeneinander  gelagert  vorkommen.  Im  erhalb  dieses  Rasens 
sieht  man  mehrere  dunkle  Punkte,  die  an  der  Oberfläche  wegen 
des  dichteren  sich  bedeckenden  Luftmycels  als  weisshche  Flecke 
hervortreten,  gewissermassen  secundäre  Vegetationscentren. 
Innerhalb  der  Zone  der  makroskopisch   kaum   sichtbaren  Aus- 


400  KraL 

läufer  sind  im  durchfaUenden  lichte  zwei  kreissegmentartige 
Rasen  von  etwa  12  Mm.  grosstem  Durchmesser  wahmehmbai*, 
die  ans  kurzen,  vielfach  verästelten  und  gevrundenen  Hyphen 
ohne  Involutionsanzeichen  bestehen,  an  welchen  die  Conidien- 
bildung  erst  hier  und  da  begonnen  hat  Ausserdem  finden  sich 
in  derselben  Zone,  gleichfalls  im  durchfisdlenden  Lichte  be- 
trachtet, vier  kleine  schneekrystallahnliche  Rasen  vor,  deren 
Mycel  im  centralen  Theile  bereits  zerfallen  ist.  An  den  dicken 
peripheren  Hyphen  finden  sich  die  grössten  Conidien  bis  zmn 
sechsfachen  Durchmesser  jener  des  primären  Rasens  ver- 
einzelt vor. 

Aus  einer  Achorionconidie  ist  demnach  eine 
Reihe  verschiedener  Rasen  hervorgegangen,  die 
nach  jeder  Richtung  hin  wesentlich  von  einander 
differiren.  Man  kann  diese  Wuchs-  und  Formvariationen 
sogar  durch  Uebertragung  auf  frische  Nährböden  einige  Gene- 
rationen constant  erhalten,  wodurch  uns,  wie  ich  an  anderem 
Orte  angeführt  habe,  ein  Mittel  an  die  Hand  gegeben  ist,  so- 
genannte „Arten^  in  beliebiger  Anzahl  zu  produciren. 

Im  März  1891   erhielt  ich  durch  die  Liebenswürdigkeit 
des  Herrn  Prof.  Giuseppe  Mazza  in  Cagliari,  damals  in  Genua, 
pathologisches  Materiale   von    10   Fällen   von   einer   in    einem 
Genueser  Waisenhause  zu  jener  Zeit  herrschenden  Trichophyüe- 
epidemie  übersandt.    Es  handelte   sich  um  Knaben  von  8  bis 
12  Jahren  mit  Trichophytie  des  behaarten  Kopfes  von  klinisch 
verschiedener  Form.  Das  Materiale  bestand  aus  Haarfragmenten 
von    0*5  bis  höchstens  2*0  Mm.  Länge    und   aus   Schüppchen. 
Die  Rindensubstanz    der   Haarstümpfe   war   mit  Conidien    und 
perlschnurartigen  Conidienketten  dicht  erfüllt,  hingegen  auf  der 
Cuticula    Pilzelemente    nicht    au^dbar.    Die    Haarfragmente 
waren   so    spröde   und   leicht   zerbrechlich,    dass  sie  sich    mit 
Kieselsäure  vollständig  bis  zum  makroskopischen  Verschwinden 
verreiben  liessen.     Somit  gelang  es   wie  aus   einem  Favuascu- 
tulum  auch  aus  trichophytischenHaaren  zum  ersten- 
mal e,  mittels  meiner  Trennungsmethode  und  dem  Plattenver- 
fahren  einwandfrei  und  nachweislich  aus    einem 
Keime  hervorgegangene  Mycelchen  zur  weiteren  Unter- 
suchung zu  gewinnen.  Aus  dem  derartig  behandelten  Mate- 


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402  Kral. 

Auf  die  mehrfach  am  Menschen  geprüften  pathogenen 
Eigenschaften  dieses  Pilzes  und  auf  seine  etwaige  Identität  mit 
den  Yon  anderen  Autoren  bei  Trichophytie  gezüchteten  Pibcen 
soll  hier  nicht  eingegangen  werden.  Die  biologischen  und  mor- 
phologischen Eigenschaften  finden  nur  insoweit  Berücksichtigung 
als  sie  zu  den  an  diesem  Pilze  beobachteten  Wuchs-  und 
FormTariationen  in  Beziehung  stehen. 

Dass  der  Trichophyton  auf  verschiedenen  Nährböden  unt^ 
sonst  gleichen  Bedingungen  in  Form,  Farbe  und  Grösse  seiner 
Basen  yariirt,  ist  eine  bekannte  Thatsache.  Allein  auch  auf 
demselben  Nährboden  verhält  sich  derselbe  Pilz, 
wenn  er  früher  unter  verschiedenen  Ernährungs- 
bedingungen gestanden  ist,  culturell  und,  wie  wir 
sehen  werden,  auch  morphologisch  verschieden.  Säetman 
gleichzeitig  von  50  Tage  alten  bei  37°  C.  gehaltenen  Bouilloa- 
culturen  und  von  ebenso  alten  bei  derselben  Temperatur  ge- 
haltenen Agarculturen  unseres  Trichophytonpilzes  auf  Eartofifel- 
scheiben  aus,  so  entstehen  auf  diesem  Nährboden  im  ersteren 
Falle  goldbraune,  im  letzteren  Falle  dunkelcarminrothe  Basen. 
Auf  Eokosscheiben  werden  schwarzbraune  oder  aber  mörtel- 
artige grauweissliche  Auflagerungen  gebildet,  je  nachdem  die 
Impfspur  von  einer  Zuckerrübecultur  oder  von  einer  gleich- 
alterigen  Agarcultur  herrührt. 

Das  Alter  der  zur  Aussaat  benutzten  Gultur 
hat  ebenfalls  einen  wesentlichen  Einfluss  auf  das 
neue  Culturbild.  Bei  Aussaat  von  einer  50  oder  75  Tage 
alten  bei  37°  G.  gehaltenen  Agarcultur  auf  Eartoffelscheiben 
erhält  man  die  erwähnten  dunkelcarminrothen  Basen;  von 
Fragmenten  eioer  14  Tage  alten  auch  bei  37°  C.  gehaltenen 
Agarcultur  hingegen  einen  lichtgelben  Basen  von  der  Farbe 
des  Nährbodens. 

Es  treten  indessen  Wuchsvariationen  des  Trichophyton  in 
demselben  Nährboden  auf,  ohne  dass  wir  solche  vorläufig  mit 
bestimmenden  Einflüssen  in  Verbindung  zu  bringen  vermögen. 
In  Agarplattenculturen,  wenn  sie  in  Form  von  Dauerculturen, 
also  gegen  Eintrocknen  geschützt,  eine  unbestimmt  lange  Zeit 
erhalten  und  beobachtet  werden  können,  entwickeln  sich,  wie 
wir  es  bei  Achorien  gesehen  haben,   häufig  früher  oder  später, 


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lieber  den  PleomorphismnB  pathogener  Hyphomyceten. 

an  einzelnen  Stellen  innerhalb  des  normalen  Rasens  o 
der  Peripherie  desselben  aus,  neue  Vegetationen  vo 
selten  bizarrem  Aussehen,  einer  Verunreinigung  durc 
fremden  Pilz  ähnlich  und  dennoch  bloss  Morphen  det 
säeten  Pilzes.  Eine  derartige  Agarplattendauercultur  des 
phyton  erlaube  ich  mir  vorzulegen.  Sie  ist  am  1.  Ju 
angelegt  worden  und  bietet  heute  noch  dasselbe  mak 
mikroskopische  Aussehen  dar  wie  vor  32  Monaten.  Im 
fallenden  Lichte  sind  zunächst  an  mehreren  SteUen  io 
und  ausserhalb  des  normalen  Rasens  mehrere  secundäi 
tationscentren  (Tochtercolonien)  als  undurchsichtige,  1  bi 
breite  Knoten  wahrnehmbar.  Im  unteren  Theile  des  Ra 
«in  Bündel  dicker  radiärer  Strahlen  sichtbar,  währen 
eine  Protuberanz  die  Peripherie  des  Rasens  segmentartij 
setzt  und  sich  in  der  freien  Agarfläche  nach  allen  Se 
moosartig  ausbreitet  und  fast  einen  grösseren  Raum  de 
Substrats  occupirt  hat  als  der  primäre  Rasen.  Es  sini 
nach  aus  einem  Keime  unter  Entwickelungsbedii 
die,  soweit  sie  unter  unserer  Controle  stehen,  als  absolut 
gelten  müssen,  vier  verschiedene  Wuchsforme 
selben  Pilzes  hervorgegangen.  Noch  mannigfal 
das  Wachsthum  des  Pilzes  auf  der  Zuckerrübe.  Auf 
demselben  Rübenkeile  können  schwarzrothe,  schwarzbrai 
isabellengelbe  Rasen  entstehen,  die  sich  früher  oder  sp 
braunem,  mausgrauem  gelblichweissem  oder  schnee 
Luftmycel  bedecken  oder  auch  nackt  bleiben. 

Indessen   sind  diese  Variationen  nicht  die  einzij 
auch  nicht  die  wichtigsten.    Noch  wichtiger  sind  die 
logischen  Verschiedenheiten,   die  zumeist   mit   den  cu 
Hand  in  Hand  gehen.  An  der  demonstrirten  Agardaue: 
<^ltur  sieht  man  bei  schwacher  Vergrösserung,  dass  das 
Randmjcel  des  primären  Rasens  von  normalem  Aussc 
langen,  ziemlich  gerade  verlaufenden  Hyphen  besteht, 
eben  nur  hie  und  da  eine  Gonidie  —  kaum  eine  oder 
Gesichtsfeld  —  aufgefunden  werden  kann,   wogegen 
kurzen,    vielfach    gekrümmten   und   verworrenen   Hyf 
stehende  flockenartige  Mycel  eines  der  secondären  Rf 


404  Kral. 

Protuberanz,  mit  Conidien  —  hunderttausende  pro  Gesichtsfeld 
—  förmlich  besäet  ist. 

Die  Grösse   der  Gonidien  schwankt  innerhalb 
derselbenGultur  nach  demAlter  der  ersterenund 
der    letzteren.    Die    am  frühesten    gebildeten  Conidien  in 
der  oberen  Schichte  des  centralen  Theiles    einer  Agarcultur 
sind  die  grössten,   die  in  der  tieferen  Schichte   Torkonunenden 
jüngeren  Conidien  sind  namhaft  kleiner.    In  Culturen  anf 
verschiedenen  Nährböden  ist  auch  die  Grösse  der 
Conidien    eine    Terschiedene.    In    Agarculturen  bildet 
unser  Trichophyton  die  grössten  Gonidien ;  sie  haben  einen  mitt- 
leren Durchmesser  von  12  /i,   können  aber  unter  gewissen  Be* 
dingungen  auch  einen  solchen  von  20  fi  erreichen.    Untersucht 
man  die  oberste   centrale   Schichte   einer    15  Tage  alten,  bei 
37^  G.  gehaltenen  Agar  dauerplatte,  so  finden  sich  blos  Coni- 
dien Yon  3  bis  4  /u  Durchmesser  vor;  dieselbe  Schichte  der- 
selben Gultur   besteht  nach  35  Tagen  bei  37®  G.   aus  Conidien 
von   10  und  mehr  fi  Durchmesser.    Die   unter  sonst  gleichen 
Bedingungen  in  Kartoffelculturen  gebildeten  Gonidien   sind  im 
Allgemeinen  kleiner  als  jene  in  Agarculturen,  noch  kleiner  sind 
sie  in  Eokosscheibenculturen.  Die  kleinsten  Gonidien  entstehen 
in    Blutserumculturen.    Ihr    Durchmesser    übersteigt    auch  in 
älteren  Culturen  selten  4  ju. 

Was  von  und  seit  Gruby  über  das  Vorkommen  von 
kleinen  und  grossen  Sporen  des  Trichophytonpilzes  bei  ver- 
schiedenen klinischen  Formen  oder  Localisationen  der  Tricho- 
phytie beobachtet  worden  ist,  hat  in  jüngster  Zeit  durch  die 
von  Maiocchi  und  von  Marianelli  festgestellte  Thatsache, 
dass  sich  der  Trichophyton  gigas  und  der  Tr.  gracilis  an  einem 
und  demselben  Individuum,  an  derselben  oder  an  verschiedenen 
erkrankten  Stellen  entweder  gleichzeitig  oder  aufeinanderfolgend 
vorfinden  können,  eine  dankenswerthe  Beleuchtung  erfahren. 
Sabouraud  glaubte  auf  Grund  cultureller  und  morphologischer 
Differenzen  zwei  verschiedene  Pilzgruppen :  Trichophyton  mega- 
losporon  und  microsporon  mit  zahlreichen  Unterarten  aufstellen 
zu  müssen.  Marianelli  weist  hingegen  auf  die  von  ihm 
beobachtete  culturelle  und  morphologische  Inconstanz  des  Tricho- 
phytonpilzes und  ihre  wahrscheinlichen  Ursachen  hin  und  hält 


Ueber  den  Pleomorphismus  pathogener  Hyphomyceten.  405 

m 

die  Multiplicität  des  Trichophytoa,  wenigstens  insoweit  es  die 
menschliche  Trichophytie  betrifft,  für  nicht  erwiesen.  Die  von 
mir  angeführten  Untersuchungsergebnisse  stehen  im  vollen 
Einklänge  mit  den  Beobachtungen  der  italienischen  Forscher. 
Wir  können  aus  einem  einwandfrei  isolirtenTricho- 
phytonpilze  Culturen  mit  kleinen  oder  mit  grossen 
Sporen,  Culturen  von  verschiedenster  Farbe  und 
Gestalt  auf  demselben  Nährboden  erzeugen.  Es 
steht  in  dem  Belieben  des  Experimentators,  aus  einer  Tricho- 
phytouconidie  die  beiden  Gruppen  von  Tr.  megalosporon  und 
von  microsporon  niit  einer  endlosen  Zahl  von  Unterarten  her- 
vorgehen zu  lassen. 

Hiermit  sind  die  variablen  biologischen  Eigenschaften 
unseres  Trichophytonpilzes  nicht  erschöpft.  Es  sei  gestattet, 
noch  eine  derselben  kurz  zu  berühren.  Wie  wir  schon  aus 
dem  makroskopischen  Befunde  der  verschiedenen  Culturen 
entnehmen  konnten,  bewegt  sich  die  Pigmentproduction  der 
Trichophytonzelle  je  nach  dem  Alter  der  Cultur,  je  nach  dem 
Nährboden,  auf  welchen  wir  aussäen  und  je  nach  dem  Nähr- 
medium, von  welchem  die  Aussaat  stammt,  innerhalb  weiter 
Grenzen.  Dasselbe  gilt  für  das  chemische  Verhalten  des 
Farbstoffes. 

Bei  der  Untersuchung  mittelst  Immersion  einer  12  Tage 
alten  Kartoffelcultur,  die  von  einer  57  Tage  alten  Bouilloncultur 
aus  angelegt  worden  war,  erscheint  der  geformte  Inhalt  der 
Conidien-  und  der  Hyphenzelle  topasgelb,  von  derselben 
30  Tage  alten  Cultur  dunkelbraun,  von  derselben  50  Tage 
alten  Cultur  rosen-  bis  dunkelcarminroth.  Bringen  wir,  ohne 
das  Auge  vomOcular  zu  entfernen,  ein  Tröpfchen  einer  lOproc. 
Kalilauge  an  den  Band  des  Deckgläschens,  so  verändert  sich 
die  topasgelbe  Farbe  der  12  Tage  alten  Kartoffelcultur  plötzlich 
in  dunkelcarminroth,  um  nach  einigen  Augenblicken  in  ein 
blasses  schmutzigroth  überzugehen,  in  welchem  Farbenton  die 
Membranen  eine  längere  Zeit  verharren.  Die  Granula  hingegen 
treten  in  dunkelblauer  Farbe  scharf  hervor,  so  dass  deren 
Zahl,  Grösse  und  Gestalt  in  den  Conidien  und  in  den  Hyphen- 
gliedem  genau  festgestellt  werden  kann.  Noch  ausgeprägter 
tritt  diese  Reaction  an  den  dunkelbraun  gefärbten  Pilzelementen 


406  Kr&l. 

der  30  Tage  alten  EartoffelcuHur  auf,  wohingegen  bei  den 
50  Tage  alten  Kartoffelculturen,  die  jetzt  zumeist  farblosen 
Conidienmembranen  und  deren  rosen-  bis  dunkelcanninrotlier 
g  ekömter  Inhalt  eine  fieaction  auf  Kalilauge  überhaupt  nidit 
mehr  geben.  Der  geformte  Inhalt  der  Conidien  und  Hyphen 
einer  Eartoffelcultur,  die  von  einer  75  Tage  alten  Agarcultar 
aus  angelegt  wurde,  besitzt  eine  bräunlichgelbe  Farbe,  die  sich 
auf  Kalilaugezusatz  in  Garminroth  verwandelt;  jedoch  nehmen 
die  Granula  später  bloss  einen  bläulichen  Ton  an.  In  manchen 
gleichalterigen  Eartoffelculturen,  die  aber  aus  einer  50  Tage 
alten  Agarcultur  hervorgegangen  sind,  haben  die  Conidien  einen 
intensiv  carminrothen  Inhalt,  der  keine  Reaction  gibt,  in  an- 
deren hat  der  Conidieninhalt  eine  bräunlich  gelbe  Farbe,  die 
durch  Kalilauge  noch  in  rosa  verwandelt  wird.  Gleichalterige 
Kartoffelculturen,  aus  14  Tage  alter  Agarcultur  hervoigegangen, 
verhalten  sich  völlig  indifferent  gegen  Kalilauge.  Der  farb- 
lose feingranulirte  Inhalt  der  kleinen  Conidien  in  den  trockenen 
mörtelartigen  grauweisslichen  Auflagerungen,  welche  durch 
Aussaat  von  Agarculturen  auf  Kokosscheiben  gebildet  werden, 
färben  sich  durch  Kalilauge  indigblau. 

Die  gewonnenen  Resultate  können  mit  wenigen  Worten 
präcisirt  werden : 

Wuchs-,  Form-,  Pigment-  und  Reactionsvaria- 
tionen  berechtigen  an  und  für  sich,  ein  identisches 
pathogenes  Verhalten  innerhalb  gewisser  klini- 
sch er  Grenzen  vor  au  sgesetzt,nicht  zur  Auf  Stellung 
von  neuen  Arten  der  pathogenen  Hautfadenpilze. 


Anhang. 

Die  mikroskopische  Technik  im  Dienste 

der  Dermatologie. 

(Ein  Rückblick  auf  die  letzten  zehn  Jahre.) 

Von 

Dr.  R.  Ledermann,       und  ^r.  Ratkowski, 

Arst  fHr  Hantkrtakhefton  pnkt.  Arit 

in    Berlin. 


2.  Cutis  und  Subentis. 
Elastische  Fasern. 

Zum  Stadiam  der  Histologie  und  Chemie  der  elaBtischen  Fasern 
und  des  Bindegewebes  verwendete  A.  Ewald  die  von  ihm  und  Kühne 
ausgearbeitete  und  bereits  mehrfach  auch  von  andern  benutste  Methode, 
Gewebselemente  der  Trypsin  und  Pepsinverdauung  auszusetzen,  den  Gang 
des  Yerdauungsprocesses  mikroskopisch  zu  verfolgen  und  hieraus  Schlüsse 
auf  die  Zusammensetzung,  sowie  die  nähere  Structur  der  Präparate  zu 
ziehen.  Theilweise  wurden  die  Präparate  vor  der  Verdauung  mit  ver- 
schiedenen Beagentien  behandelt  oder  erwärmt,  um  zu  sehen,  in  welcher 
Weise  ihre  Lösung  durch  dergleichen  Vorbehandlung  modificirt  wird. 

Balz  er  empfiehlt,  um  elastische  Fasern  zur  Anschauung  zu  bringen, 
eine  gründliche  Zerstörung  der  übrigen  Hautelemente  durch  Eali-  und 
Natronlauge  und  nachfolgende  starke  Färbung  des  übrig  bleibenden, 
elastischen  Gewebes  durch  Eosin  (weniger  gut  Chinolin).  Die  Schnitte 
werden  auf  dem  Objeetträger  in  alkoholischer  Eosinlösung  überfarbt,  mit 
40procentigem  Alkali  zur  Entfernung  des  überschüssigen  Eosins  gewaschen 
und  dann  in  dieselbe  Kali-  oder  Natronlösung  eingelegt.  Dieselbe  fixirt 
das  Eosin  anf  den  elastischen  Fasern  mit  violett-röthlicher  Farbe  und 
lässt  die  feinen  elastischen  Fasern  scharf  hervortreten.  Alle  übrigen 
Gewebe  werden  stark  aufgehellt,  ohne  in  der  Form  zerstört  zu  werden. 
Will  man  letztere  ganz  entfernen,  so  bringt  man  auf  das  Präparat  lOpro- 
centige  Kalilösung  und  wäscht  abwechselnd  mit  Kalilauge  und  Wasser. 
Die  Conservirung  der  Schnitte  geschieht  in  40procentiger  Kalilauge  oder 


408  Leder  mann  und  Ratkowski. 

concentiirtem  Kali  aceticum  mit  nachfolgendem  Wachs-  beziehungsweise 
Paraffin-Einschlass. 

Lustgarten  legt  nach  voraufgegangener  Fizirung  des  frisch  ein- 
gelegten Materials  in  Flemming's  Gemisch  die  Schnitte  in  eine  Lösung 
▼on  Victoriablau  (1 — 2  Theile  einer  alkoholischen  Yictonablaulösung  auf  4 
Theile  Wasser),  spült  dann  rasch  (5 — 10  Secunden)  in  absolutem  Alkohol 
ab  und  entwässert.  Einschluss  in  Bergamottöl  und  Xylol-Canadabalsam.  Es 
empfiehlt  sich  die  Farbstofflösung  für  den  jedesmaligen  Gebrauch  durch 
Zutropfen  einer  alkoholischen  Yictonablaulösung  in  ein  Uhrschälchen 
Wasser  frisch  zu  bereiten. 

Bei  der  Entwässerung  ist  Vorsicht  nöthig.  Die  Präparate  sind 
unter  Lichtabschluss  mindestens  ein  halbes  Jahr  haltbar.  Bindegewebe 
und  Zellen  sind  schwach  grünlich,  die  Kerne  dunkler  grün,  die  elastischen 
Fasern  blassgrün  und  dunkler  gefärbt.  —  Wahrscheinlich  handelt  es  sich 
bei  dieser  Färbnngsmethode  um  eine  Lnprägnirung  des  elastischen  Gewebes 
mit  Chrom  oder  Osmium  oder  beider  zugleich,  wodurch  ein  festeres  Haften 
des  Farbstoffes  erreicht  wird. 

Dieselbe  Methode  eignet  sich  auch  zur  Darstellung  der  Kerne  und 
Kemfiguren. 

Unna 's  Methode  besteht  in  der  successiven  Anwendung  einer 
starken  Osmiumhärtung,  resp.  Färbung  und  Nach&bung  mit  sauren, 
violetten  Anilinfarbstoffen.  Die  in  Osmiumsäure  fixirten,  geschwärzten 
Hautstücke  werden  in  Alkohol  nachgehärtet  und  dann  geschnitten.  Man 
gibt  dann  von  einer  gesättigten  Jodviolettlösung  einige  Gem.  in  ein  Schälchen, 
tropft  von  einer  verdünnten  Salpetersäurelösung  (1  :  9  Wasser)  einige 
Tropfen  hinzu,  bis  der  grüne  kömige  Niederschlag  permanent  bleibt  und 
fügt  dann  so  viel  Alkohol  tropfenweise  zu,  bis  die  blaue  Lösung  ganz 
klar  ist.    Yorräthig  könnte  man  die  folgende  Lösung  halten: 

DahHa  0*2,  Aq.  dest.,  Spirit  (95%)  aa  10-0,  M.  Solve,  Acid.  nitr.  2-0, 
Aq.  dest.  18-0,  Spirit.  (95%)  lOU 

Der  Hergang  bei  der  Färbung  ist  folgender:  Die  Osmiumschnitte 
kommen  für  24  Stunden  in  die  blaue  Lösung,  bis  sie  stark  blauschwarz 
überfarbt  sind.  Es  folgt  dann  Entfärbung  mit  Eisessig,  beziehungsweise 
wenn  die  Schnitte  nur  massig  gefärbt  werden,  in  mit  Eisessig  angesäuertem 
Wasser.  Zuletzt  abspülen  im  Wasser.  —  Die  Unn ansehe  Färbung  ist  zu 
bezeichnen  als  die  Methode  der  Färbung  der  elastischen  Fasern 
mittels  saurer  Bosanilinsalze. 

Tänzer  bezeichnet  die  Unna'sche  Färbung  als  die  Salpeter- 
säure-Methode. Er  härtet  die  excidirte  Haut  in  absolutem  Alkohol 
(oder  fizirt  sie  in  Salpetersäure,  Osmiumsäure,  Flemming)  und  härtet 
in  absolutem  Alkohol  nach.  Die  Schnitte  werden  in  Yesuvin  oder  Wasser- 
blau oder  Alkaliblau  vorgefarbt  und  kommen  dann  in: 

Fuchsin  0*5,  Aq.  dest.,  Alkohol  aa  25*0,  Mise,  adde,  Acid.  nitr. 
(25V,)  10*0,  Solv.  in  Aq.  dest.  q.  s. 

Darin  verbleiben  sie  24  Stunden,  kommen  dann  für  2 — 8  Secanden 
in  25%   Salpetersäure  und  zur  Entfärbung   des   coUagenen  (Gewebes    in 


Bchwacl 
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410  Ledermann  und  Ratkowski. 

Derselbe  empfiehlt  auch,  frische  Gewebe  von  2 — 3  Ccm.  Grrösse  in 
27f  Arsensänrelösnng  auf  24  Stunden  zn  legen  (Knochentheile,  wie  Sehnen, 
Periost  besser  in  4*/,,  anf  50*  erwärmte  Lösung);  dann  kommen  die  Stöcke 
in  Müll  er 's  Flüssigkeit  und  dann  in  folgende  Silber-Glycerinlösnng: ') 
2  6r.  Argent.  nitr.  werden  in  8  Gem.  Aq.  dest.  gelöst,  dazu  kommen  15 
bis  20  Ccm.  Glycerin.  pnr. ;  darin  bleiben  die  Stücke  24 — 18  Stunden,  dann 
Auswaschen  in  Aq.  dest.  und  üebertragen  in  Alkohol,  um  die  Licht- 
wirkung auf  die  Schnitte  abzuschw&chen,  legt  man  sie  for  24  Stunden  in 
'/«Vi  Salzlösung  und  dann  zur  Entwässerung  in  Alkohol.  Aufhellung  in 
Creotot  und  Einlegen  in  Balsam. 

In  dem  von  Herxheimer  angegebenen  Verfahren  erfolgt  dieFixi- 
rung  der  elastischen  Fasern  durch  die  Bildung  eines  Metalllackes  und 
zwar  des  Hämatoxylin-Eisenlackes.  Die  Yerwerthung  der  Metall- 
lacke haben  uns  zuerst  Heidenhain  und  (siehe  Weigert,  Fortschr.  d. 
Medicin,  1885,  Nr.  8  und  Archiv  f.  mikrosk.  Anat.,  Bd.  XXXVII,  p.  888) 
Weigert  kennen  gelehrt.  Eine  intensive  Bildung  des  Eisenlackes,  welcher 
die  elastischen  Fasern  fixirt  und  eine  genügrende  Entfärbung  des  Zwischen- 
gewebes gestattet,  erfolgt  nicht  (wie  bei  der  Weigert 'sehen  Nervenmark- 
scheidefarbung),  wenn  die  Präparate  vor  ihrer  Einlegung  in  das  Hämato- 
xylin  mit  der  Met«lllösung  gebeizt  werden,  sondern  sie  müssen  umgekehrt 
zuerst  mit  der  FarbstofHösung  durchtränkt  und  dann  in  die  Eisenlösnng 
gebracht  werden.  Diese  Reihenfolge  ist  noth wendig.  Die  Behandlung  mit 
dem  Eisensalze  darf  keine  langdauemde  sein;  Stücke  in  toto  zu  färben 
gelingt  nicht.  Zur  Härtung  zieht  Verf.  die  Mull  er 'sehe  Flüssigkeit  den 
andern  Mitteln  vor,  weil  darin  die  Structur  der  Gewebe  weniger  leidet  und 
namentlich  die  Entfärbung  besser  von  statten  geht.  Fixirung  in  Celloidin. 
Die  Schnitte  sollen  die  Dicke  von  0'02  Mm.  nicht  übersteigen. 

Zur  Färbung  gebraucht  er  eine  Lösung  von:  1  Ccm.  E[ämatoxylin 
(Grübler,  Leipzig)  in  20  Ccm.  Alkohol  absol.,  20  Ccm.  Aq.  dest.,  1  Ccm. 
Lithion  carbon.  in  kalt  gesättigter  Lösung.  Auch  andere  alaunfreie  Häma- 
toxylinlösungen  könnten  in  Anwendung  kommen.  Wässerige  Lösungen  z.fi. 
die  y,7t  Heidenhain'sche,  eignen  sich  nicht  so  gut,  als  die  alkoholischen. 

Färbnngsprocedur :  Die  Schnitte  kommen  8 — 5  Minuten  in  die 
Losung,  dann  6 — ^20  Secunden  in  die  officielle  Eisenohloridlösung.  Ab- 
Spülung  in  Wasser.  Entwässerung  in  AlkohoL  Nelkenöl  (Kreosot,  Xylol). 
Xylol-Canadabalsam.  —  Die  elastischen  Fasern  erscheinen  blauschwarz,  bis 


')  An  dieser  Stelle  verdienen  die  Angaben  Lewin's  (BerL  klin. 
Wchschr.  1886,  Nr.  26,  27)  und  Blaschko's  (Monatsh.  f.  prakt.  Denn.  V, 
1886  und  Arch.  f.  mikr.  Anat.  XXVII,  l686)  Erwähnung,  welche  bei  der 
^Gewerbeargyrie*'  an  den  dunkel  verfärbten  Hantpartien  sämmtliche  ela- 
sti sehen  Fasern  imd  andere  elastische  Substanzen  durch  Niederschläge  von 
metallischem  Silber  schwarz  gefärbt  fanden,  so  dass  Blaschko  nicht  an- 
steht, zumal  sich  ähnliche  Bilder  auch  bei  der  medicamentösen  Aiigyrie 
finden,  der  lebenden  elastischen  Substanz  als  solcher  das  Vermögen,  Silber- 
salzlösungen zu  reduciren,  zuzuschreiben. 


Die  mikroBkop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  411 

•tiefschwarz,  das  umliegende  Gewebe  hellgrau.  —  Bei  längerer  Einwirkung 
des  Eisenchlorids  erhält  man  oft  eine  Tollständigere  Entfärbung  des 
Zwisehengewebes,  wobei  jedoch  zugleich  die .  feinsten  Fäserchen  in  den 
Papillen  entfärbt  werden. 

Auch  nach  Torheriger  Tinction  in  Anilinwasser-Gentianaviolett  sind 
die  elastischen  Fasern  mit  Eisend:  loridentfarbung  darstellbar.  Die  Schnitte 
müssen  in  Glycerin  eingelegt  werden. 

Manchots  Verfahren  besteht  darin,  dass  er  in  Fuchsin  gefärbte 
Schnitte  (nach  vooi  Ebener)  in  angesäuerter  2uckerlösung  entfärbt.  Er 
bringt  die  Schnitte  auf  eine  halbe  Stunde  in  eine  concentrirte  wässerige 
Fuchsinlösung,  spült  in  Wasser  ab  und  überträgt  sie  in  eine  wässerige 
Zuckerlosung  von  der  Consistenz  und  dem  Flüssigkeitsgrade  des  Glycerins, 
der  auf  10  Gem.  S — 4  Tropfen  gewöhnlicher  Schwefelsäure  zugesetzt  wird, 
worin  sie  längere  Zeit  verweilen  können.  Alsdann  sind  die  Schnitte 
völlig  entfärbt  mit  Ausnahme  der  elastischen  Fasern  (und  des  Hyalins), 
welche  einen  intensiven  dunkelrothen  oder  rothvioletten  Ton  behalten, 
der  sie  scharf  hervorhebt.  Die  Präparate  sind  dauerhaft.  Verwendbar  ist 
sowohl  frisches,  wie  (in  Alkohol  oder  Mull er'scher  Flüssigkeit)  gehärtetes 
Material,  Gegenfarbungen  sind  einfach,  aber  nicht  vortheilhaft. 

Gegenüber  allen  vorangegangenen  Methoden  der  Färbung  elastischer 
Fasern  hat  sich  in  neuerer  Zeit  als  einfachste  und  beste  die  von  Tänzer 
angegebene  Orceinfarbung  eingeführt,  welche  auf  dem  Princip  der  durch 
Säure  abgeschwächten  Farblösung  beruht,  demselben,  welches  in  Unna's 
Methode  sich  geltend  macht. 

Die  Farblösung  hat  folgende  Zusammensetzimg :  Orceini  0*5,  Aq.  20*0, 
Spirit.  40*0,  Acid.  nitr.  gtt.  XX. 

In  dieser  bleiben  die  in  Alkohol  gehärteten  Schnitte  12 — ^24  Stunden 
und  werden  dann  einige  Minuten  in  Alkohol  entfärbt.  Dann  sind  alle 
Theile  der  Cutis:  protoplasmatische  und  collagene,  Kerne  und  Kemkör- 
perchen  schwach,  aber  deutlich  tingirt,  die  elastische  und  die  Homsubstanz 
dagegen  stark,  electiv,  erstere  braunroth,  letztere  mehr  leuchtend, 
rein  roth. 

Wesentliche  Veränderungen  dieses  so  einfachen  Verfahrens  haben 
sich  nicht  eingebürgert.  Nur  kann  statt  der  Salpetersäure  ebenso  gut 
Salzsäure  (Török)  angewandt  werden;  auch  kann  man  die  Farblösung 
mit  Spiritus  und  Säure  noch  weiter  verdünnen,  ohne  der  Färbung  Eintrag 
EU  thun.  —  Gegenfarbungen  mit  Böhmer'scher  Hämatoxylinlösung  oder  mit 
Methylenblau  und  Kreosolentfarbung  sind  leicht  herzustellen  (Müller) 
und  geben  einen  wirkungsvollen  Farbencontrast. 

Für  die  praktische  Anwendung  dieser  Methode  wichtige  Fingerzeige 
gibt  Unna,  indem  er  besonders  auf  2  Punkte  aufmerksam  macht:  1.  dass 
die  als  Orcein  gelieferten  Farbstoffe  sich  sehr  ungleich  verhalten,  2.  dass 
das  betreffende  Gewebe  in  seinem  Beichthum  an  Elastin,  seiner  Vorbe- 
handlung,  Härtung  etc.  für  die  genauere  Formel  der  Farbflotte  von 
Wichtigkeit  ist.  Und  wenn  daher  auch  mittels  der  sauren  Oreeinlösung 
in  sämmtlichen  Organen  und  bei  allen  pathologischen  Geweben  das  Elastin 


412  Ledermann  und  Ratkowski. 

auf  das  schönste  und  einfachste  isolirt  werden  kann,  so  erscheint  es  ihm 
doch  nicht  für  rathsam,  eine  bestimmte  unveränderliche  Formel  für  diese 
Methode  aufzustellen.  —  Für  das  Färbeyermögen  des  Orceins  ist  nämlich 
nicht  nur  der  Säuregrad  von  Wichtigkeit,  sondern  auch  das  Yerhältniss 
der  Säure  zu  dem  gemischten  wässerig-spirituösen  LösnngsmitteL  Findet 
man  z.  B.  bei  einer  Ausförbung  das  filastin  relativ  zu  schwach,  Proto- 
plasma und  CoUagen  zu  stark  hervortreten,  so  bedarf  man  eines  höheren 
Säurezusatzes,  darf  aber  nicht  zugleich  den  Bestand  der  Lösung  an  Spiritus 
und  Wasser  alteriren.  Aus  diesem  Grunde  benutzt  Unna  folgende  zwei 
Lösungen : 

Farblösung:  Säuremischung: 

Orcein  0*1  Acid.  mur.  concentr.      ©"l 

Spiritus  (95%)  20-0  Spiritus  (957,)  20-0 

Aq.  dest.  5*0  Aq.  dest.  6*0 

M.  D.  im  Tropfglase.  M.  D.  im  Tropfglase. 

In  diesen  beiden  Lösungen  ist  das  Yerhältniss  von  Wasser  und 
Spiritus  vollkommen  gleich  (der  Spiritusgehalt  ist  allerdings  hier  mit 
Yortheil  höher  genommen,  wie  früher),  so  dass  sich  dasselbe  auch  in  jeder 
Mischung  gleich  bleiben  muss.  Um  nun  dieses  definitive  Mischungsver- 
hältniss  für  das  gegebene  Orcein  und  das  gegebene  Gewebe  kennen  zu 
lernen,  giesst  man  in  6 — 10  Uhrschälchen  je  10  Tropfen  der  Farblösung 
und  dazu,  von  einem  Schälchen  zum  andern  um  einen  Tropfen  steigend, 
je  5 — 10 — 14  Tropfen  der  Säuremischung.  In  jedes  Uhrschälchen  kommen 
1 — 2  Schnitte  und  werden  gut  zugedeckt.  Nach  12  Stunden  untersucht 
man  in  einem  Tropfen  Glycerin  und  bestimmt  als  definitives  Mischungs- 
verhältniss  diejenige  Mischung,  in  welcher  die  elastischen  Fasern  sich 
gesättigt,  glänzend  dunkelbraun  gegen  das  weit  schwächer  gefärbte  Gewebe 
abheben.  Unna  nimmt  lieber  eine  etwas  geringere  Quantität  der  Säure- 
mischung als  eine  zu  grosse,  da  eine  relativ  zu  starke  Mitfarbung  des 
übrigen  Gewebes  leicht  durch  Entfärben  zu  corrigiren  ist,  ein  zu  schwaches 
Hervortreten  auch  der  elastischen  Fasern  jedoch  eine  Wiederholung  der 
Färbung  nothwendig  macht.  Die  Entfärbung  geschieht  durch  dieselbe 
Säuremischung.  Als  Cemtrastfarbung  empfieht  Verf.  Hämatoxylin  für  Kem- 
farbung  und  Methylenblau  und  nachfolgende  Kregolentfarbung  für  Proto- 
plasmafarbung. ') 


')  Zenthoefer  (Topographie  des  elastischen  Gewebes  innerhalb 
der  Haut  des  Erwachsenen.  1892.  Derm.  Studien)  schlägt  an  SteUe  des 
eben  angegebenen  Verfahrens  Unna^s  lieber  die  ursprüngliche  Formel 
Taenzers  vor  (Orcein  0'5,  Alkohol  abs.  40*0,  Aq.  dest.  200,  Acid.  h3rdro- 
chlor,  gtt.  XX).  Als  Doppelfarbung  empfiehlt  er  Vorfarbung  mit  Borax- 
carmin,  als  Fixations-  und  Härtungsmittel  den  absoluten  Alkohol,  weil  bei 
Fixation  in  Müll  er 'scher  Flüssigkeit  auch  Bindesubstanzen  und  nament- 
lich Epithelialgebilde  eine  viel  grössere  Neigung  haben,  den  Farbstoff  des 
Orceins  in  sieh  aufzunehmen,  so  dass  dann  eine  genügende  Entfärbung  nur 
schwer  gelingen  will. 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  413 

Mitosen. 

Bei  der  von  P.  Baumgarten  angegebenen  Färbnngsmethode  der 
Kemtheilungsfiguren  liegen  die  Schnitte  24  Standen  in  verdünnter  alko- 
holischer Fnchsinlösnng  (8 — 10  Tropfen  d.  concentrirt.  alkohol.  Lösnng 
aaf  ein  kleines  ührschälchen  mit  Wasser)  und  werden  dann  in  Alcohol 
absolutas  flüchtig  abgespült.  Alsdann: 

Nachfarbung  in  concentrirter  wässeriger  Methylenblaolösnng :  4  bis 
5  Minuten. 

Entwässerung  in  Alcohol  absolut.:  5 — 10  Min.  Will  man  bei  der 
Untersuchung  tuberculösen  Oewebes  neben  den  Tuberkelzellen  gleichzeitig 
die  Tuberkelbacillen  beobachten,  so  tingirt  man  zunächst  die  Schnitte 
(24  Stunden)  in  einer  verdünnten  alkoholischen  Methylviolettlösung  mit 
oder  ohne  Anilinölzusatz  (cf.  Zeitschrift  für  wissehschaftl.  Mikroskopie  Bd. 
I.  1884  p.  51),  schliesst  hieran  das  Fuchsin  Methylenblautinotionsverfahren 
entweder  unmittelbar  oder  besser  nach  vorheriger  Säureentfarbung :  Die 
Bacillen  sind  blau,  die  Zellkerne  bezw.  Mitosen  intensiv  roth.  Mehr  em- 
pfiehlt sich  jedoch  die  Schnellfarbungsmethode  (5 — 10  Minuten  in  concen- 
trirter alkohol.  Fuchsinlösung,  5—10  Secunden  in  Methylenblaulösung), 
hierbei  anzuwenden,  weil  durch  längeres  Liegen  in  der  Fuchsinsolution 
die  Bacillen  allmälig  ihre  blaue  Farbe  verlieren. 

Nach  Unna  sind  die  lebenden  Gewebe  in  Ghromsäure  0'23%,  Os- 
miumsäure 0*10,  Eisessig  0*10  in  Aqua  destill,  oder  Pikrinsäure  kalt 
gesättigt,  Osmiumsäure  0*1  Yg,  Eisessig  0*1 7,  in  Aqua  destillata 
zu  bringen,  '/,  Stunde  darin  zu  lassen,  auszuwaschen  und  in  Wasser  zu 
untersuchen.  Die  so  fixirten  Earyomitosen  erhalten  sich  eine  Zeit  lang  in 
Glycerin  und  Garbolwasser.  Wo  es  sich  um  scharfe  Tinctionen  handelt, 
ist  Ghromsäure  '/^ — VaVo  ^^^^  vorzuziehen  und  das  obige  Ghromsäurege- 
misch  besser  als  das  Pikrinsäurehaltige.  Die  achromatische  Kemspindel 
wird  am  deutlichsten  durch  Ghromsäure  0*2— 0*35%,  Eisessig:  0*1  %  in 
Wasser  mit  nachfolgender  Hämatoxylinfarbung.  Zu  Tinctionen  empfehlen 
sich  neben  Hämatoxylin  auch  Safranin  und  Rose  de  Naphtaline. 

Auf  die  anderen,  zahlreichen,  namentlich  von  P'lemming  ange- 
regten Mitosentinctionen  hier  näher  einzugehen,  verzichten  wir  mit  dem 
Hinweis,  dass  darüber  jedes  Lehrbuch  der  Histologie  ausreichend  Bescheid 

gibt. 

Nerven. 

So  zahlreich  die  Gold-,  Silber^  und  Osmiummethoden  auch  sind, 
welche  zur  Färbung  der  markhaltigen  und  marklosen  Nervenfasern  em- 
pfohlen werden,  so  müssen  wir  uns  doch  in  dieser  kleinen  Arbeit  begnü- 
gen, einige  Modificationen  anzugeben,  welche  sich  bei  Untersuchungen 
über  die  Nerven  der  Haut  als  besonders  geeignet  erwiesen  und  in  derma- 
tologischen Studien  praktische  Anwendung  gefunden  haben,  während  wir 
im  Uebrigen  auch  hier  auf  die  einschlägigen  Lehrbücher  der  Mikroskopie 
verweisen,  welche  die  gebräuchlichen  Methoden  angeben. 

Zur  Untersuchung  der  Tastkörperchen  empfiehlt  W.  Wolff 
statt   der   nach    seiner   Meinung   zu   eingreifenden   Yergoldungs-Methode 


414  Ledermann  und  Ratkowski. 

Banvier's  248tünd.  Einwirkung  einer  V,, —  '/«^V«  mit  Essigsäure  schwach 
angesäuerten  Goldcbloridlösung.  Das  Tastkörperchen  erscheint  dann  unge- 
färbt, sein  Nerv  tie£roth.  Nachfolgende  Färbung  mit  Bismarckbraun  gibt 
besonders  schöne  Bilder.  Die  Querstreifung  der  eigenen  Kapsel  des  Tast- 
körpers ist  nicht  durch  Fasern,  sondern  durch  Falten  erzeugt,  die  man 
durch  Quellung  zum  Verschwinden  bringen  kann.  Beiläufig  sei  bemerkt, 
dass  Verf.  epitheliale  Nervenenden  im  Epithel  der  Hornhaut  und  der  all- 
gemeinen Bedeckung  leugnet  und  die  als  solche  von  Goldpräparaten  be- 
schriebenen Gebilde  als  Goldniederschläge  zwischen  Epithelzellen  aufEasst. 

Zur  Demonstration  von  Präparaten,  betreffend  die  Endigungen  der 
Temperatur-  und  Druoknerven  in  der  menschlichen  Haut  bediente 
sich  Goldscheider  des  von  B e n d a  modificirten  May s'schen  Verfahrens. 
Das  von  Mays  selber  bereits  modificirte  Verfahren,  durch  welches  die 
Nervenfasern  bis  zu  ihrem  Ende  (allerdings  in  den  Muskeln)  gefärbt  werden, 
besteht  bekanntlich  in  folgendem : 

I .  Man  lässt  den  Muskel  in  0*5  Vt  Arsensäure  vollkommen  aufquellen. 
3.  und  bringt  ihn  auf  20  Minuten  in  ein  firisch  bereitetes  Gemisch  von: 
GoldchloridkaUum  (17,)  40,  Osmiumsäure  (2%)  10,  Arsensäure (0-57.)  20rO. 
3.  Hierauf  wird  der  Muskel  abgespült,  4.  und  in  einer  17,  Arsensäure- 
lösung auf  dem  Wasserbade  bei  45'  bis  3  Stunden  lang  der  Sonne  expo- 
nirt.  5.  Aufhellen  in  dem  Salzsäure-Glycerin-Gemisch :  Glycerin  40*0, 
Wasser  20*0,  Salzsäure  (257,),  1*0. 

Goldscheider  exstirpirte  sich  selbst  Hautstückchen  von  kegel- 
förmiger Gestalt  derart,  dass  die  Basis  des  Kegels  die  Oberhaut  bildete, 
während  die  Spitze  tief  in  die  Cutis  hineinragte.  Dieselben  wurden  in 
destillirtem  Wasser  abgespült  und  sodann  in  0'57o  Arsensäure  eingele^ 
wo  sie  ca.  5 — 10  Minuten  verblieben,  bis  sie  etwas  durchscheinend  ge- 
worden waren.  Hierauf  wurden  sie  in  0*1 — 0*27«  Goldchloridlösung  über- 
geführt, in  welcher  sie,  die  Epidermisfläche  nach  unten,  2 — 3  Stunden 
verblieben,  bis  sie  einen  gelben  Farbenton  angenommen  hatten:  während 
dieser  Zeit  wurden  sie  im  Dunklen  gehalten.  Dann  kamen  sie  wieder 
nach  vorherigem  Abspülen  mit  destillirtem  Wasser  in  I7t  Arsensäure 
und  wurden  in  dieser  am  Licht  reducirt.  War  die  Reduction  vollendet, 
was  ungefUir  innerhalb  eines  Tages  eintritt  und  sich  durch  den  bekann* 
ten  violett  schwärzlichen  Farbenton  kennzeichnet,  so  ¥rurde  zur  Einbet- 
tung geschritten.  Dieselbe  geschah  in  Paraffin. 

Bei  seinen  Studien  über  die  Nervenendigungen  im  Epithel 
verwendet  S.  Frenkel  verdünnte  Goldlösungen  ( '/, — 1 7f ).  Concentrirtere 
sowohl  als  verdünntere  erwiesen  sich  als  unvortheilhaft.  Folgende  ver- 
schiedene Verfahren  kamen  zur  Anwendung: 

I.  Sehr  kleine,  möglichst  frische  Hautstückchen,  welche  durch  flache 
Scheerenschnitte  von  dem  ünterhautfettgewebe  befreit  waren,  wurden 
direct  in  die  Goldlösung  gebracht,  in  derselben  y« — 1  Stunde  an  dunklem 
Ort  gelassen,  darauf  in  destillirtem  Wasser  sorgfaltig  abgespült  und  in 
geräumigen  Gefässen  mit  destillirtem,  mit  einigen  Tropfen  Ameisensäure 
angesäuertem  Wasser  für  24  Stunden  dem  Lichte  ausgesetzt.  Waren  dann 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie. 

die  Stückchen  gleichmässig  dnnkel  violett  gefärbt,  so  wurden  sie  f 
Stunden  in  70*/e)  darauf  für  24  Standen  in  absoluten  Alkohol,  c 
Nelkenöl  gebracht  und  in  Paraffin  eingebettet.  Hatten  die  Hai 
nachdem  sie  24  Stunden  in  dem  Wasser  gelegen,  noch  ihren  urspru 
graugelben  Ton,  so  tmrden  sie  als  unbrauchbar  bei  Seite  gelegt, 
das  Goldsalz  sich  zuweilen  nicht  reduciren  lässt,  hat  Yerf.  nichl 
können.  Diese  Methode  hat  einige  Male  brauchbare  Resultate 
Die  besten  Ergebnisse  erlangte  er  mit  folgender,  von  Ranvier 
benen  Methode  (Traite  d'histologie  pag.  100): 

n.  4  Vol.  einer  l'/o  Groldchloridlösung  werden  mit  1  Vol.  j 
s&ure  vermischt,  das  Gemisch  bis  zum  Sieden  erhitzt  und  durch  Ei 
des  Gefasses  in  eine  Schale  kalten  Wassers  schnell  zum  Erkalten  ^ 
In  die  kalte  Flüssigkeit  werden  die  Hautstücke  gebracht  und  ^ 
behandelt. 

in.  Einzelne  der  nach  diesen  Methoden  behandelten,  gescl 
und  auf  dem  Objectträger  nachCanini  oder  vielmehr  Gaule  (L 
gungen  der  Nerven  in  der  Haut  des  Froschlarvensehwanzes.  A: 
Physiologie  1883  p.  149)  angeklebten  Stücke  wurden  in  einer 
Cyankaliumlösung  während  mehrerer  Minuten  ausgewaschen.  S 
erwähnt  hierbei,  dass  einzelne  Beobachter  bessere  Erfolge  hattei 
die  Objecte  nicht  ganz  frisch  waren.  Nach  Eberth  ist  die  frisc 
warme  Haut  weniger  geeignet,  als  die  seit  etwa  einer  Stunde  < 
Nach  Drasch  eignen  sich  zum  Studium  der  Nerven  im  Dünndam 
welche  12 — 24  Stunden  nach  dem  Tode  des  Thieres  demselben  enl 
sind,  am  besten. 

Auch  die  Ueberosmiumsäure  wurde  von  Frenkel  in 
düng  gezogen :  Einer  frischen  Leiche  entnommene  Stücke  aus  der 
werden  durch  successive  Anwendung  des  Aethersprays,  dann  des 
und  Alkohols  entfettet.  Darauf  einige  Stunden  in  7,7«  ^^^ 
belassen;  Härtung  in  Alkohol,  Aufhellung  in  Nelkenöl,  Einbe 
Paraffin,  Zerlegung  in  feine  Schnitte.  Ein  Theil  wurde  in  dies 
untersucht,  ein  Theil  nach  Unna  auf  dem  Objectträger  mit  Häi 
gefärbt  und  mit  Eisessig  aufgehellt.  Letzteres  auch  bei  einfachen 
Präparaten.  Die  Osmiumsäure  färbt  nur  die  Markscheide  der  Ner^ 
den  Axencylinder.  Da  dio  Schwärzung  der  Markscheide  durch  Ifa 
gehalt  bedingt  ist,  so  können  an  Präparaten,  die  in  so  ausgiebig 
mit  Aether  behandelt  wurden,  selbst  die  etwa  vorhandenen  mal 
Fasern  sich  nicht  markiren  und  muss  daher  die  Osmiumsänre  zun 
der  Nerven  in   entfetteten  Objecten   als  unbrauchbar  bezeichne 

Bei  dem  Interesse,  welches  die  immer -noch  strittige  Fi 
die  Endigungsweise  der  Nerven  im  Epithel  erregt,  bringen 
eine  kleine  Zusammenstellung  der  am  Froschlarvenschwi 
gestellten  P'ärbungsversuche.  An  diesem  Objecte  hat  Pfitzner 
combinirte  Anwendung  von  Chromsäure  und  Goldchlorid  c 
ein  Verfahren,  das  bald  A.  Ganini  befolgte,  der  sehr  feine  Sc^ 
EGlfa  von  Alkohol  auf  dem  Objectträger  anklebte,  sie  dann  1 


416  Ledermann  und  Ratkowski. 

mit  Gold  behandelte.  Die  Thatsaohe,  dass  man  mehr  als  anderswo  an 
dem  Froschlarvenschwanze  sich  hüten  mass,  auf  die  Goldreaction  hin 
die  nervöse  Natur  eines  Fadens  zu  behaupten,  worauf  schon  Ganini 
aufmerksam  macht,  führte  dann  Paulus  Mitrophanow  dazu,  die  yor- 
hergehende  Erhärtung  in  V4*/o  Chromsäure  zu  verwerfen,  weil  dadurch 
Kunstprodncte  entständen;  er  empfahl  die  Methode  der  Bearbeitung  des 
Gewebes  mit  Goldchlorid  in  frischem  Zustande.  Die  Unbeständigkeit 
der  dabei  gewonnenen  Resultate  fahrt  er  zurück:  a)  auf  Unsauberkeit 
der  Manipulation ;  b)  auf  Verschiedenheit  der  reducirenden  Medien ;  die 
selben  seien  für  verschiedene  Gewebe  verschieden ;  e)  endlich  auf  Ver- 
schiedenheit der  Lösung  und  der  Zeit,  während  welcher  das  Object  im 
Reagens  verbleibt.  Am  besten  bedient  man  sich  nach  diesem  Autor  einer 
'/)*/•  (wie  auch  7«  und  17«)  Goldchloridlösung;  zum  Reduciren  nehme 
man  eine  7« — '/,  procentige  Essigsäure  und  5 — 16*/»  Ameisensänrelösung. 
Bei  mehr  compacten  Geweben  ist  eine  vorhergehende  Säuerung  empfehlens- 
werth.  —  Nach  dieser  Methode  bearbeitet,  wird  das  Object  im  Ganzen 
violett -röthlich  gefärbt.  Die  Nerven,  die  sich  mehr  als  alle  anderen 
Gewebe  intensiv  violett  gefärbt  haben,  treten  sehr  scharf  hervor. 

Bei  einer  Nachprüfung  der  Angaben  Mitrophanow's  vermochte 
S.  Frenkel  weder  die  Vorzüge  der  Methodik  desselben,  nur  ganz 
frisches  Gewebe  zu  untersuchen,  noch  auch  seine  Resultate  als  richtig 
anzuerkennen;  vielmehr  wandte  er  sich  wiederum  zur  vorhergebenden 
Härtung  in  '/«percentiger  Chromsäure  und  verfuhr  folgendermassen :  Die 
Thiere  wurden  lebend  in  die  Flüssigkeit  gebracht,  nach  einigen  Stunden 
in  Wasser  ausgewaschen  und  in  Alkohol  eingelegt.  Ein  Theil  der  benutzten 
Objecte  hatte  längere  Zeit  in  Alkohol  gelegen. 

Die  dem  Alkohol  entnommenen  Larven  wurden  nach  Auswaschung 
in  destillirtem  Wasser  in  ein  Fläschchen  gewöhnlicher  Alaun-Hämato- 
xylinlösung  2 — 3  Stunden  der  Temperatur  des  Brütofens  ausgesetzt,  darauf 
in  Wasser  ausgewaschen  und  mit  der  grössten  Sorgfalt  in  Paraffin  ein- 
gebettet. Auf  diese  Weise  gelang  es  äusserst  feine  Schnitte  von  ein^ 
oder  nur  wenigen  Zelllagen  zu  erhalten.  Die  Schnitte  wurden  nach  der 
in  Gaule's  Laboratorium  üblichen  Methode  auf  dem  Obj ectträger 
mit  Alkohol  angeklebt,  mit  Eosin,  Safranin  oder  Säurefuchsin  gefärbt  und 
in  Canadabalsam  eingeschlossen.  Die  erwähnte  Procedur  mit  dem  Hämato- 
xylin  erwies  sich  deshalb  als  nothwendig,  weil  die  in  Chromsäure  ge- 
härteten Objecte  sich  nur  sehr  schwer  mit  Hämatoxylin  förben.  Bei  An- 
wendung erhöhter  Temperatur  gelingt  die  Tinction  sehr  gut  und  zwar 
bedeutend  gleichmässiger  und  schöner,  wenn  in  toto  gefärbt  wird,  als 
in  Schnitten,  wobei  Niederschläge  und  allzustarke  Erwärmung  schwer  zu 
vermeiden  sind. 

Um  die  bereits  vorhandenen  Angaben  über  die  Nervenendigungen 
in  Tastkörperchen  zu  prüfen,  versuchte  A.  S.  Dogiel  zur  Färbung  der- 
selben nach  Ehrlich  (Deutsche  Medicinische  Wochenschrift,  1886  Nr.  4, 
siehe  auch  B.  Feist:  Beiträge  zur  Kenntniss  der  vitalen  Methylenblau- 
färbung des  Nervengewebes,  Archiv  f.  Physiol.  1890,  p.  117)  Methylen- 


Die  xnikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  4X7 

blau  anzuwenden.  Zu  diesem  Zwecke  wurde  von  ihm  eine  Injection  der 
Blutgefässe  am  Kopfe  der  Gkins  und  der  Ente  mit  4procentiger,  zuvor  bis 
zu  40*  C.  erwärmter  Methylenblaulösnng  vorgenommen.  Sofort  nach  der 
Injection  wurde  ein  Theil  der  Schnabelhaut  ausgeschnitten,  in  HoUunder 
eingebettet  und  zur  Anfertigung  von  Schnitten  verwerthet,  die  er  darauf 
auf  dem  Objecttrager  mit  Humor  aqueus  oder  mit  der  Flüssigkeit  des 
Glaskörpers  desselben  Thieres  betupfte«  Um  die  Tinction  der  Nerven  zu 
steigern,  ist  es  zweckmassig,  zu  den  eben  erwähnten  Flüssigkeiten  einige 
Tropfen  16procentiger  Methylenblaulös'ing  hinzuzufügen. 

Das  Präparat  blieb  unbedeckt  und  wurde  von  Zeit  zu  Zeit  ver« 
mittels  schwacher  Objective  untersucht.  Gewöhnlich  schon  nach  10 — 30 
Minuten  konnte  man  auf  den  Schnitten  eine  prächtige  Blauförbung  der 
Axencylinder  von  Nervenfasern,  Tastscheiben  und  knopfartigen  Verdickungen, 
mit  welchen  die  Axencylinder  in  Innenkolben  der  Herbstchen  -  Körper 
endigen,  wahrnehmen. 

Sobald  die  nöthige  Intensität  der  Nerventinction  festgestellt  wurde, 
wurden  die  Schnitte  auf  24  Stunden  in  eine  gesättigte  Ammonium-Pikrat  * 
lösung  oder  in  eine  Ammonium-Pikrat-Osmiumsäure-Mischung  übergeführt  • 
Nachdem  die  angegebene  Zeit  verflossen,  wurden  die  Schnitte  mit  Glycerin 
behandelt  oder  zunächst  mit  Pikrocarmin  gefärbt,  wobei  sie  nach  Verlauf 
von  24  Stunden  vollständig  durchsichtig  und  zur  Untersuchung  ge- 
eignet waren.  Die  besten  und  am  meisten  demonstrativen  Präparate 
erhielt  man  nach  Fixirung    der  Farbe    vermittels    der   oben    erwähnten 

Mischung. 

Fett. 

Für  die  Färbung  des  Fettgewebes  hat  sich  bisher  fast  ausschliesslich 
die  Behandlung  mit  Ueberosmiumsäure  bewährt.  Die  Färbung 
frischen  Gewebes  mit  Alkanna -Tinctur  gibt  keine  constanten  Resultate. 
Am  eingehendsten  hat  sich  bisher  Flemming  mit  der  Färbung  des 
Fettes  beschäftigt.  Das  Princip  bei  der  Osmiumsäure-Fettfarbung  be- 
ruht darauf,  dass  die  farblose  Ueberosmiumsäure  durch  das  Fett  zu 
metallischer  Osmiumsäure  reducirt  wird.  Ueber  die  Entfärbung  des  Fettes 
zu  differentiell  diagnostischen  Zwecken  sind  die  Ansichten  früher  getheilt 
gewesen,  in  neuerer  Zeit  acceptirt  man  die  modificirte  Anschauung 
Flemming 's,  welche  er  in  der  Zeitschrift  für  wissenschafbL  Mikroskopie 
1889,  p.  178  ausgesprochen  hat.  Osmirtes  Fett  löst  sich  nach  seiner 
Ansicht  sowohl  in  Terpentinöl,  als  in  Xylol,  und  zwar  nicht  bloss  nach 
Vorbehandlung  mit  Ghromessigosmiumsäure,  sondern  auch  nach  solcher 
mit  reiner  Osmiumsäure  und  Alkoholnachhärtung.  Die  Löslichkeit  ist 
jedoch  bei  Präparaten  letzterer  Art  geringer,  als  bei  Chromessigosmium- 
Objecten  und  scheint  auch  durch  längeres  Verweilen  in  Alkohol  noch 
vermindert  zu  werden.  Osmirtes  Fett  löst  sich  femer  in  Aether,  ebenso 
in  Kreosot  (P.  Meyer),  es  löst  sich  weiter  in  Xylol,  rascher  im  Brätofen 
bei  50*  C,  in  Terpentin-Xylol-Canadabalsam  und  in  Terpentin-Chloroform- 
Damarharz  (langsamer  und  nur  in  geringem  Grade  unter  dem  Deckglase). 
In  Xylol-Canadabalsam,   in  Nelkenöl,  sowie  in  Chloroform  wird  es  nicht 

ArchlT  f.  DormAtol.  a.  Sjphll.  Bnnd  XXVU.  27 


418  Ledermann  und  Ratkowski. 

gelöst.  Für  Paraffin-Einbettung  ist  statt  Xylol  Nelkenöl  oder  Chloroform 
zu  verwenden. 

Pollitzer,  welcher  gelegentlich  seiner  Untervaehnngen  über 
seborrhoische  Warzen  Bsut  osmirt  hat,  fand  jedoch,  dass  das  Fett 
im  Epithel  von  Enäneldrüsen,  sowie  im  Epithel  der  Epidermis,  wo  es 
anter  pathologischen  Verhältnissen  (Unna:  „seborrhoisches  Ekzem*')  vor- 
kommt, nach  488tündiger  Behandlung  mit  reiner  üeberosmiumsäare, 
12standigem  Auswaschen  in  fliessendem  Wasser  and  kurzer  Nachhartong 
in  Alkohol  sich  selbst  nach  24stündigem  Verweilen  in  reinem  Terpentinöl 
bei  Besonnung  nicht  entfärbte.  Das  Myelin  war  in  solchen  Schnitten  etwas 
blasser  geworden,  aber  noch  deutlich  geschwärzt.  Dagegen  war  das  sub- 
cutane Fett  vollkommen  verschwunden. 

Bezüglich  der  Osmirung  der  Haut  müssen  wir  aach  aof  die  oben 
bereits  ausföhrlich  referirte  Arbeit  von  Ledermann')  verweisen,  dessen 
Untersuchungen  in  einigen  Punkten  abweichende  Resultate  von  denen 
Flemming's  ergeben  haben. 

Ueber  das  Vorkommen  specifisch  farbbarer  Körner  im  menschlichen 
Fettgewebe  berichtet  W.  Ger  lach:  In  den  Fettzellen  finden  sich  nmden 
Kern  herum  etwa  bei  der  Hälfte  der  Menschen  mehrfache,  ooccenähnliche, 
stets  gleicbgrosse  Kömchen,  die  nach  Extraction  des  Fett-es,  noch  besser 
durch  Färbung  mit  Garbol-Fuchsin  mit  nachfolgender  Alkoholauswaschung 
oder  Weiterbehandlung  nach  der  Tuberkelbacillen-Methode,  sowie  durch 
Weigert *s  Markscheidenfarbung  mit  Hämatoxylin  deutlich  werden.  BCt 
Alaun-Carmin  und  Alaun-Hämatozylin  erfolgt  fast  gar  keine  Färbung, 
ebenso  wenig  mit  dem  Gram -Kühn e'schen  Verfahren.  Verf.  meint,  dass 
es  sich  um  harmlose  oder  nach  einer  Infection  zurückgebliebene  Parasiten 
vielleicht  handelt.  (?) 

Plasma  und  MattzsHeii. 

Um  eine  gute  Färbung  für  protoplasmatische  Substanzen  überhaupt 
zu  finden,  versuchte  Unna  die  kemfarbenden  Methoden  auf  vier  ver- 
schiedenen Wegen  zu  modificiren: 

1.  Durch  Vorbehandlung  der  Gewebe  mittels  Gkrbung  und  Beizung; 

2.  durch  Anwendung  der  Farbstoffe,  welche  eine  schlechte  Kem- 
f&rbung  geben,  namentlich  der  Azo-  und  Tetrazofarbstoffe ; 

3.  durch  Prüfung  möglichst  vieler  bis  dahin  unbenutzter  Stoffe  auf 
ihre  Beizwirkung; 

4.  durch  Vornahme  der  Entfärbung  in  anderer  als  bisher  ver- 
suchter Weise. 

Der  zuletzt  genannte  Weg,  die  Entfärbung  mit  schonenderen 
Lösungsmitteln,  führte  denn  auch  zum  Ziele.  Der  erste  brauchbare  Stoff 
war  das  C  r  e  o  s  o  t ,  noch  brauchbarer  ein  Bestandtheil  desselben, 
das   C  r  e  o  8  o  1.     Die   Färbung    geschah    mit    einer    stark    alkalischen 


'J  Ledermann 's  Untersuchungen  wurden  von  Heller  in  allen 
wesentlichen  Punkten  bestätigt  (Sitzgsber.  d.  Denn.  Vereinigung  zu  Berlin^ 
Sitzung  2.  Dec.  1891). 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  419 

Methylenblanlösnng :  Methylenblau  1,  Kali  canstic.  0,05,  Aqua  100, 
und  zwar  entweder  rasch,  wie  ja  in  den  meisten  Fällen,  in  stärkeren 
Lösungen,  in  der  Wärme  und  mit  Zuhilfenahme  von  Beizen  oder  langsam 
in  schwachen  Lösungen  in  der  Kälte.  Da  das  Creosol  nicht  zugleich  ent- 
wässert, so  müssen  die  Schnitte  auf  dem  Objectträger  entweder  mit 
Löschpapier  oder  durch  eine  kurze  Behandlung  in  Alkohol  oder  Anilinöl 
gut  entwässert  werden.  Für  die  Entwässerung  in  absolutem  Alkohol  muss 
man  die  Schnitte  etwas  stärker  färben  und  darf  sie  nur  so  lange  in  Alkohol 
lassen,  bis  die  Oberhaut  sich  von  subepithelialen  Grenzstreifen  der  Cutis 
als  dunkles  Band  abzuheben  beginnt,  da  sonst  die  protoplasmatischen 
Substanzen  zu  stark  entfärbt  werden.  Immer  aber  muss  man  sie  eine  ge- 
raume Zeit  in  Creosol  der  Entfärbung  und  Differenzirung  überlassen,  die 
je  nach  dem  Object  und  der  Stärke  der  Färbung  von  einigen  Minuten 
bis  zu  mehreren  Stunden  variiren  kann.    Fixirung  in  Xylol.     Einbettung 

Die  auf  diese  Weise  leicht  erreichbare,  feinere  Kuancirung  betrifft 
alle  protoplasmatischen  Theile  des  (jewebes  und  deren  Einschlüsse.  Diese 
Methode  gibt  daher  nach  Unna  auch  zugleich  eine  der  besten  und  ein- 
fachsten Darstellungen  der  Mastzellen.  Unna  hat  an  keinen  Präparaten 
die  Mastzellen  sich  so  schön  in  kirschrother  Farbe  von  den  übrigen  blauen 
Bindegewebszellen  abheben  sehen,  wie  bei  der  Färbung  mit  seinem  roth- 
stichigen  Methylenblau  (alte  alkalische  Lösungen,  in  welchen  Methylen- 
violett reichlich  gebildet  ist)  und  einfacher  Creosolentfärbung.  Im  Gegensatz 
zu  den  andern  Darstellungen  der  Mastzellen  (Entfärbung  durch  Säuren, 
durch  Anilinöl)  erscheint  an  diesen  Präparaten  der  Kern  gefärbt  und  zwar 
blau  gefärbt  inmitten  des  rothkömigen  Protoplasmas. 

Dieselbe  Methode  ist  aber  auch  die  beste,  welche  Unna  zur  Dar- 
stellung der  Mitosen  an  alkoholgehärteten  Geweben  kennt. 

Bei  der  Bedeutung  der  Plasmazellen  ')  unternahmen  vanderSpeek 
und  Unna  den  Versuch,  die  Darstellungsarten  derselben,  trotz  der  Brauch- 
barkeit der  oben  ausfuhrlich  erklärten  Färbung  in  alkalischer  Methylen- 
blaulösung und  Entfärbung  in  Creosol  und  Styron,  möglichst  zu  ver- 
mehren und  prüften  zu  diesem  Zwecke  das  Verhalten  derselben  gegenüber 
sämmtlichen  bis  dahin  bekannt  gewordenen  Entfarbungsarten,  während  die 
Färbung  stets  mit  derselben  schon  erwähnten  Methylenblaulösung  geschah. 
Sie  richteten  sich  hierbei  nach  dem  in  Unna's  Abhandlung  über  die  Ent- 
wicklung der  Bakterienfarbung  aufgestellten  Schema  (Centralbl.  f.  Bakte- 
riolog.  und  Parasitenk.  1888  Bd.  III.  p.  846) : 


')  Nach  Unna  sind  die  „Plasmazellen"  beim  Lupus  identisch  mit 
den  epitheloiden  Zellen ;  sie  entsprechen  auch  den  „Plasmazellen*'  Wald- 
eyers,  sind  aber  ganz  verschieden  von  den  grobkörnigen,  mit  Methylen- 
blau sich  metachromatis ch  förbenden  Mastzellen  Ehrlich 's.  Jadassohn 
leugnet  die  Identität  der  Plasmazellen  und  der  Zellen,  die  man  bisher 
beim  Lupus  als  epitheloide  Zellen  bezeichnet  hat,  da  es  nach  seinen 
Untersuchungen  leicht  gelingt,  nebeneinander  die  bisher  als  epitheloide 
beschriebenen  und  die  Plasmazellen  zu  demonstriren. 

27* 


420 


Ledermann  und  Ratkowski. 


Entfärbung  durch 
physikalische  Agentien 

Entfärbung  durch 
chemische  Agentien 


1.  durch  Alkohol, 

2.  durch  Anilin, 
8.  durch  Oxydationsmittel  und  Alkohol. 

4.  durch  Säuren  und  Alkohol, 

5.  durch  Salze  und  Alkohol, 

6.  durch  Jod  und  Alkohol, 

7.  durch  Reducentien. 

Nachdem  sie   nun  die   brauchbaren  Entfärber  in   diesem  Schema 
untergebracht  hatten,  gestaltete  sich  dasselbe  folgendermassen : 

1.  durch  Glycol, 

2.  durch  Creosol, 

8.  durch  Styron, 
4.  durch  H  0,  (neutral)  und  Alkohol. 

a)  Resorcin, 
5.  durch  (4)  Reducentien 
und  Alkohol 


Entfärbung  durch 
physikal.  Agentien 


Entfärbung 

durch 

chemische 

Agentien 


6.  durch  (2)  Säuren 
und  Alkohol 


7.  durch  (6)  Salze 
und  Alkohol 


b)  flydrochinon, 
e)  Phenylhydrazin, 

d)  Anilin, 

a)  Arsenige  Säure, 

b)  Osmiumsäure, 

a)  Kochsalz, 

b)  Seife, 

e)  Hydroxylamin, 

d)  Ichthyol, 

e)  Kali  arsenicosum. 
Diese  für  die  Darstellung  der  Plasmazellen  geeignetsten  Entfärbungs- 
mittel, unter  denen  sie  dem  Glycol  den  ersten  Platz  anweisen,  geben 
gleichzeitig  eine  gute  Darstellung  der  Ehrlich'schen  Mastzellen,  für  welche 
allerdings  noch  eine  ganze  Reihe  anderer  Stoffe  Verwendung  finden. 
Guprum  sulfuricum,  Katr.  carbonic,  Natr.  hypochloros..  Arsensaure,  Anthra- 
robin,  Chrysarobin  und  fast  alle  Arten  von  Säuren,  welche  für  die  Dar- 
stellung von  Plasmazellen  nicht  für  gut  befunden  wurden.  Sollten  daher 
in  einem  Präparate  Zweifel  auftauchen  über  die  Natur  von  Zellen,  welche 
beiden  Arten  ähnlich  sehen,  so  empfiehlt  sich,  die  fertigen  Präparate  noch 
nachträgUch  der  Wirkung  einer  verdünnten  Mineralsäure  auszusetzen, 
wodurch  die  PlasmazeUen  sofort  als  solche  verschwinden,  während  die 
Mastzellenfarbung  eine  längere  Zeit  Widerstand  leistet.  Von  vielen  Combi- 
nationen  der  Entfarbungsmethoden  erwiesen  sich  nur  zwei  als  vortheühaft 
gegenüber  den  einfachen,  nämlich:  Kali  arsenicosum,  Resorcin, 
Alkohol  und  Resorcin,  Goldchlorid  (0,05Vo))  AlkohoL 

Gelegentlich  seiner  Demonstration  von  Unna 's  „Plasmazellen*^  und 
von  eosinophilen  Zellen  im  Lupus  und  in  anderen  Geweben  auf  dem  2. 
Oongress  der  Deutschen  dermatolog.  Gesellschaft  (1891)  theilte  auch  Ja- 
das  söhn  seine  Erfahrungen  betreffs  der  Technik  der  Färbung  dieser 
Zellen  mit.  Nach  seinen  Beobachtungen  gelingt  der  Nachweis  von  Unna^s 
Plasmazellen  mittels  der  von  demselben  vorgeschlagenen  Färbemethode 
oft  in  einer  geradezu  electiven  Weise,  —  dabei  entfärbt  sich  das  andere 


Die  mikroskop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  421 

« 

Gewebe  leicht  so  sehr,  dass  seine  Untersuchung  schwierig  ist.  Wenn  man 
aber  statt  des  Methylenblaus  (altes,  rothstichiges  steht  nicht  immer  zur 
Verfügung  und  ist  nach  seiner  Meinung  darum  nicht  sehr  zu  empfehlen, 
weil  es  der  prinoipiellen  Forderung  chemischer  Reinheit  am  allerwenigsten 
entspricht)  das  neuerdings  von  Hoyer  empfohlene,  durch  seine  meta- 
chromatische Wirksamkeit  ausgezeichnete  Thionin  in  stark  alkalischer 
(1 :200<i)  oder  Boraxlösung  verwendet,  so  tritt  leicht  eine  so  starke  Ueber- 
flrbung  ein,  dass  die  Greosolentfärbung  nur  sehr  langrgam  oder  überhaupt 
kaum  gelingt;  dagegen  erhält  man  gute  Präparate,  wenn  man  in  den 
letzterwähnten  Lösungen  unbedenklich  überfarbt  und  mit  schwach  saurem 
Wasser  vorsichtig  entfärbt,  doch  ist  die  Tinctionsfrage  bei  den  Plasma- 
zellen überhaupt  nicht  liesonders  wichtig,  weil  man,  wenn  man  die  Zellen, 
die  Unna  meint,  einmal  gesehen  hat,  sie  auch  in  anders  gefärbten  Prä*, 
paraten  (Safranin,  Hämatoxylin)  ohne  Weiteres  wiedererkennt. 

Der  Vollständigkeit  halber  geben  wir  ein  Verfahren  zur  Färbung 
der  Mastzellen  wieder,  welches  Unna  bereits  vor  seinen  umfassenderen 
Studien  über  die  Färbung  der  Plasmazellen  empfohlen  hat :  Alkoholschnitte 
werden  in  irgend  einer  basischen  Anilinfarbe  gefärbt  und  in  Eisessig  und 
Alkohol  entfärbt.  Am  besten  solche  Anilinfarben,  welche  die  Zellen  meta- 
chromatisch förben:  Methylenblau  und  Safranin  in  alkalischer  Lösung 
(Borax,  Anilin  Wasser  etc.).  Bei  Methylenblau  werden  die  Mastzellen  dunkel- 
blau, violett,  bei  Safranin  orange. 

Canon  empfiehlt  zur  Färbung  der  eosinophilen  Zellen  und  Mast- 
zellen im  Blute :  Färbung  mit  Chenzynski  'scher,  von  P 1  e  h  n  zur  Färbung 
der  Malariaplasmodien  modificirter  Farbstofiflösung  (concentrirtes,  wässe- 
riges Methylenblau  40  Gr.,  V,Ve  Eosinlösung  in  70*,  Alkohol  20  Gr.,  Aq. 
dest.  40  Gr.). 

Die  in  der  Farbstoff  lösung  befindlichen  Deckgläsohen  kommen  auf 
3 — 6  Stunden  bei  37*  G.  in  den  Brutschrank,  werden  dann  in  Wasser 
abgespült,  getrocknet  und  in  Ganadabalsam  eingebettet.  Die  rothen  Blut- 
körperchen erscheinen  roth,  die  weissen  blau.  (Zur  Untersuchung  diente 
ein  verschiebbarer  Objecttisch,  so  dass  niemals  die  gleiche  Stelle  des 
Präparats  wiederholt  ins  Gesichtsfeld  kam.  Gewöhnlich  wurden  so  500  bis 
1000,  ja  auch  2000  farblose  Blutkörperchen  gezählt  und  ihr  Verhältnis  zu 
den  eosinophilen  Zellen  bestimmt.) 

In  der  weiteren  Ausbildung  der  Methode  Unna 's  (Färbung  der 
Alkoholpräparate  mit  altem  Methylenviolett-  und  Methylenroth  haltigem, 
basischem  Methylenblau  und  Entfärbung  in  milden,  entfärbenden  Stoffen) 
hat  die  von  ihm  angegebene  Glycerinäthermischung  (bei  Schuchardt, 
Görlitz  vorräthig)  alle  anderen  (das  Styron  vielleicht  ausgenommen)  bei 
seinen  Forschungen  verdrängt  Sie  stellt  nach  seiner  Angabe  nicht  nur 
Plasmazellen  und  Mastzellen  aufs  schönste  polychromatisch  dar,  sondern 
auch  Mitosen,  Hombakterien,  die  Organismen  der  necrotischen  Partien 
und  ist  äusserst  bequem  in  der  Anwendung.  Man  überfärbt  den  Schnitt 
in  Methylenblau  ('/<  Stunde  bis  eine  Nacht),  bringt  ihn  nach  Abspülung 
in  Wasser  direct  in   die  Glycerinäthermischung  bis  zur  Differenzimng, 


422  Ledermann  und  Ratkowski. 

was  dnrchBchnittlich  in  '/«  Minute  vollendet  ist,  spült  dann  wieder  sehr 
sorgfaltig  in  Wasser  ab,  entwässert  in  absolutem  Alkohol,  hellt  in  Berga- 
mottöl  auf  und  montirt  in  Balsam. 

GleicluBeitig  betont  Unna,  dass,  wenn  das  Protoplasma  schön  tinc- 
toriell  zur  Anschauung  kommen  soll,  man  die  Schnitte  vorher  nicht  an 
Metallsalse  und  Gerbstoffe  binden,  sondern  nur  durch  Wasserentziehung 
und  zwar  nur  vermittels  absoluten  Alkohols  schnittfahig  machen  darf. 
Müller  'sehe  Flüssigkeit,  Ghromsäure,  chromsaure  Salze,  F  l  e  m  m  i  n  g'sche 
Losung  sind  für  den  Zweck  der  Protoplasmafarbung  ganz  unbrauchbar. 
Das  Material  darf  nur  mit  reinem  Alkohol  in  Berührung  kommen,  denn 
die  Reaction  des  Methylenblaus  ist  so  empfindlich,  dass  Spuren  von  Gerb- 
saure im  Alkohol,  die  z.  B.  vom  Korken  ausgehen,  welche  man  vielleicht 
zum  Aufkleben  der  Gelloidinstücke  gebraucht  hat,  die  Färbung  illusorisch 
machen.   Man  klebe  deshalb  nur  auf  neue  Holzstückchen  auf  u.  s.  f. 

Wünscht  man  das  collagene  Gewebe  neben  dem  Protoplasma  in 
Contrastfurbe  zu  haben,  so  empfiehlt  Unna  folgende  einfitche  Doppel- 
farbung:  Alkohol  hartung,  Ueberfarbung  der  Schnitte  in  alkaUschem  Me- 
thylenblau (4—6  Stunden)  und  Einlegen  in  eine  spirituöse,  neutrale,  stark 
verdünnte  (etwa  1*/«)  Orceinlösung  wahrend  einer  Nacht.  Man  halt  eine 
Iproc.  Lösung  vorräthig  und  verdünnt  sie  zum  Gebrauch  mit  der  zehn- 
fachen Menge  absoluten  Alkohols.  Am  Morgen  kurze  Abspülung  in  abso- 
lutem Alkohol,  Einlegen  in  Bergamottöl  und  Balsam.  Die  Plasmazellen 
sind  prachtvoll  blau,  die  Mastzellen  kirschroth,  das  Collagen  ist  in  einem 
besondem  Orceinroth  gefärbt. 

Die  Güte  einer  Protoplasma&rbung  ist  nach  Unna  zu  erkennen  an 
der  geringen  Färbung  des  Kemchromatins ;  je  mehr  dieses  hervortritt, 
desto  schlechter  ist  sie  ausgefallen.  Nur  das  Chromatin  der  Mitosen  macht 
eine  Ausnahme  und  deshalb  eignen  sich  die  Protoplasmafarbungsmethoden 
auch  zugleich  zur  Darstellung  der  Mitosen. 

Ein  gewisses  Interesse  für  die  Eenntniss  des  lupösen  Gewebes, 
zumal  des  „Plasmoms^  des  Lupus  und  andrerseits  von  der  Wirkung  der 
Koch 'sehen  Behandlungsweise  beanspruchen  die  Experimente,  welche 
Unna  an  excidirten  Hautstücken  angestellt  hat,  indem  er  sie  in  der  Zeit 
vor  ihrem  Absterben  der  Wirkung  des  Tuberculins  aussetzte.  Von  einem 
excidirten  Hautcarcinom,  bei  dessen  reich-  und  grosszelligem  (^webe  die 
Verhältnisse  klarer  liegen  als  anderswo,  versenkte  er  theils  Carcinom- 
Stückchen,  theils  gesunde  Hautstückchen :  1.  in  unverdünntes  Tuberculin, 
2.  in  eine  wässerige  Controlflüssigkeit  mit  407t  Glycerin  und  '/«V«  Carbol- 
säure,  3.  direct  in  Alkohol. 

Nach  248tündigem  Verweilen  im  Brutofen  waren  die  glycerinisirten 
Stücke  weich  und  aufgequollen,  die  tuberculinisirten  härter  und  verklei- 
nert. Nach  Alkoholhartung  wurden  alsdann  die  Schnitte  mit  Methylenblau 
gefärbt  und  mit  Creosol  entfärbt.  Nach  der  Alkoholhärtung  war  die 
Schrumpfung  der  ad  1.  behandelten  Schnitte,  ebenso  wie  die  tiefere  Fär- 
bung derselben  im  Gegensatz  zu  den  ad  2.  und  3.  behandelten  noch  auf- 
fallender. Schon  bei  schwacher  Vergrösserung  ergab  sich  eine  erstaunliche 


Die  mikrosjkop.  Technik  im  Dienste  der  Dermatologie.  423 

Differenz.  In  den  tubercuünisirten  Präparaten  erscheinen  die  Kerne  tief 
gefärbt  nnd  an  einander  gerückt,  so  dass  die  Schnitte  nur  aus  Kernen 
zu  bestehen  scheinen,  während  die  Zellgrenzen  verschwunden  sind  und 
swisohen  den  Kernen  eine  k^nige  nnd  f&dige,  stark  tingible  neue  Substanz 
auftritt,  welche  auch  alles  Bindegewebe  infiltrirt  und  durchsetzt.  Die 
Kerne  zeigen  deutlicher  als  je  die  Netzstmctur  und  weisen  alle  ohne  Aus- 
nahme ein  tief  gefärbtes,  sehr  regelmässig  gebautes  Chromatinnetz  auf. 

Dassdbe  Verfahren  übertrug  er  dann  auch  auf  frisch  exstirpirtes 
Lnpnsgewebe  und  fand  zunächst  makroskopisch  dieselben  Differenzen  wie 
vorher    mikroskopisch,    dass    an    den     tuberkulinisirten    Schnitten    das 
Knötchen  viel  tiefer  gefärbt  war  als  an  den  normalen,  was   wiederum 
durch  eine    prachtvoll    gleichmässige,    tiefe  Tinction  des    netzförmigen 
Ohromatins  und  dichtes   Zusammentreten    der  Kerne  bedingt    ist.    Die 
Leiber  der   Plasmazellen    sind    wie  alles    umgrenzte  Protoplasma   ver- 
schwunden und  mit  der  IntereeUularsubstanz   zu  einer  gleiehmässigen, 
fast  ungefärbten,  von  tief  tingirten  Fäden  und  Körnern  durchsetzten  Masse 
zusammengeschrumpft.  Die  Mastzellenkömung  dagegen  ist  erhalten,  ebenso 
der  Contour  der  grossen  Riesenzellen.    —    In  gleicher  Weise  untersuchte 
er   die  Wirkung   des  Tuberculins   in  17«    und  lOproc.  Verdünnung  und 
erhielt  (ohne  wesentlichen  unterschied  zwischen  diesen  beiden  Verdünnungs- 
graden)   nahezu   entgegengesetzte  Resultate.    Während  das   concentrirte 
Tuberculin  höchstens  Protoplasma  und  IntereeUularsubstanz  homogenisirte 
imd  zu  einer  Art  Gerinnung  brachte,  in  den  Kernen  aber  zu  einer  voll- 
kommenen Ghromatinausscheidung  führte,    kann  man  dem   verdünnten 
Tuberculin  eine   alle  Substanzen  homogenisirende  Wirkung  zuschreiben. 
Man  erhält  hier  eine  verschwommen  gefärbte  Masse,  in  welcher  auch  die 
oben  erwähnten  tief  gefärbten  Körner  und  Fäden  fehlen.    Von  Plasma- 
zellen ist  nichts  zu  sehen.    Im  Lupus  haben  wir  also  im  Allgemeinen  die 
einfach   homogenisirende   Wirkung  des  verdünnten  Tuberkulins  vor  uns 
und  nur  in  nächster  Kähe  des  Tuberkelbacillus,  dort  wo   sieh  die  sog. 
Biesenzellen  bilden,   kommt  es  zu  einer  stärkeren  Einwirkung  des  Giftes, 
desgleichen  bei  der  Chirurg.  Tuberkulose  und  meist  auch  deijenigen  in- 
nerer Organe. 

GeschwOlste. 

Specifische  Färbungsverfahren  für  Geschwülste  sind  naturgemäss 
in  der  Literatur  nicht  angefahrt.  Wir  haben  uns  demgemäss  beschränkt, 
in  diesem  Capitel  einige  von  den  Autoren  befolgten  Präparations-  und 
Färbemethoden  von  Geschwülsten  der  Haut  wiederzugeben.  —  Die  in  den 
letzten  Jahren  erschienenen  Arbeiten  über  die  parasitäre  Natur  gewisser 
Geschwülste,  die  zum  Theil  auf  neuen  Färbemethoden  beruhen,  werden  wir 
an  anderer  Stelle  zusammenfassen. 

Lehzen  und  Knauss  haben  (cf.  Virchow  Archiv,  Bd.  116  p.  98) 
bei  der  Untersuchung  von  Xanthoma  multiplex,  planum,  tuberosum, 
mollusciforme  die  Bilder,  welche  Zupfpräparate  der  entarteten  Hauptstücke 
ergaben,  durch  Fett   extrahirende  Flüssigkeiten  geklärt.    Am  besten  hat 


424  Ledermann  und  Ratkowski. 

sicli  die  CbromoPminmsänreldsTing  nach  Flemming  mit  nachfolgender 
Saffraninfarbung  bewährt,  welche,  insbesondere  mit  einer  zarten  Indiilin- 
färbung  combinirt,  schönere  Bilder  ergab  als  die  mit  Alkohol  oder  Maller 
behandelten  nnd  nachher  yerschiedentlich,  namentlich  mit  der  schönen 
von  Ton  ton  empfohlenen  combinirten  Indulin- Vesuvin-  oderlndnlin-Borax* 
carminfarbung  dargestellten  Präparate. 

Znr  üntersnehung  von  Xanthomen  hat  A.  R.  Robinson  (New-Tork) 
acht  Efflorescenzen  ans  verschiedenen  Theilen  entnommen  nnd  in  Alkohol, 
Mulle  rascher  Flüssigkeit,  Osminmsänre  und  Goldchloridlösnng  eingelegt 
Die  in  Oold  eingelegten  Präparate  waren  misslnngen,  die  besten  ergahen 
sich  ans  der  Hüller^schen  Lösung.  Die  meisten  Schnitte  wurden  vorerst 
in  Glycerin  untersucht  nnd  dann  mit  verschiedenen  Reagentien,  Indalin, 
Yesuvin,  Boraxcarmin,  Gentianaviolett,  H&matoxylin  und  Eosin,  Methylen- 
blau gefärbt.  Die  doppelte  Färbung  mit  Boraxcarmin  und  Hämatoxylin  nnd 
Eosin,  Indulin  und  Yesuvin  wurde  häufig  angewendet  und  auf  diese 
Weise  vorzugliche  Präparate  erzielt.  Nachträglich  wurden  sie  in  Gly- 
cerin  oder  Canadabalsam  auf  die  gewöhnliche  Art  eingebettet  und  anf- 
bewahrt. 

J.  A.  Fordyce  erhielt  bei  seinen  Untersuchungen  multipler 
Figmentsarkome  der  Haut  die  besten  Resultate  mit  der  Combination  ?on 
Hämatoxylin  und  Pikrocarmin.  Die  Kerne  werden  durch  das  Hämatoxylin, 
die  Zwischensubstanz  durch  verdünntes  Pikrocarmin  gefärbt. 

In  seinen  Studien  über  Mycosis  fungoides  macht  M.  Philipp- 
son  darauf  aufmerksam,  dass  die  Histologie  dieser  Neubildungen,  speciell 
was  das  \  on  den  Autoren  angegebene  adenoide  Gewebe  betrifft,  auf  ihren 
pathologischen  Werth  hin  noch  nicht  genügend  geklärt  ist,  nnd  fuhrt  die 
Schuld  auf  die  mangelhafte  Methode  des  Auspinselns  zurück,  welche  er 
durch  dio  feineren  modernen  Methoden  ersetzt  haben  will  (sehr  dünne 
Schnitte!  und  Differentialfarbung  der  Gewebselemente  1). 

Seine  Methode,  die  er  sowohl  bei  Efflorescenzen  des  Anfangs-,  wie 
des  End Stadiums  anwandte,  besteht  in  Folgendem: 

Die  Stücke  wurden  in  absolutem  Alkohol  und  in  Flemming^scher 
Lösung  gehärtet,  darauf  in  Celloidin  eingebettet  und  in  Schnitte  von  10  m 
Dicke  zerlegt.  Die  Färbung  geschah  mit  Hämatoxylin  und  Eosin,  mit 
Safranin  und  Methylenblau. 


(Fortietzung  folgt.) 


Bericht  üter  die  LeisluDgen 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  urid  Syphilis 


Verhandlungen  der  Wiener  dermatologischen 

Gesellscliaft. 


Sitzung  vom  7.  Februar  1894. 

Vorsitzender:  Lang.   Schriftführer:  Nobl. 

Ehr  mann  demonstrirt  1.  einen  Kranken  mit  Herpes  zoster  collaris. 
Die  Bläschengrappen  befinden  sich  im  Gebiete  des  Occipitalis  minor  und 
der  Nervi  cervicales.  Ausserdem  hat  der  Kranke  Schmerzen  im  Ohre,  die 
bei  heftigen  Gehörseindrucken  sich  verstärken.  2.  Einen  Patienten,  der 
im  Juni  dieses  Jahres  breite  Condylome  am  Genitale  und  ein  gruppirtes 
maculöses  Syphilid  hatte.  Jetzt  zeigt  sich  im  Mittelstück  des  Oberschenkels 
eine  spindelförmige  Verdickung  des  Knochens,  welche  die  Muskeln  gleich- 
massig vorwölbt  und  an  der  Linea  aspera,  wo  der  Knochen  selbst  fühlbar 
ist,  eine  knochenharte,  ein  wenig  schmerzhafte  Vorwölbung.  Dieser 
geringen  Schmerzhaftigkeit  auf  Druck  entspricht  aber  nur  wenig  der 
ganz  intensive  spontane  reissende  Schmerz,  welcher  bis  vor  wenigen 
Tagen  alle  Kachmittage  sich  einstellte  und  nach  Mittemacht  aufhörte. 
Mit  Rücksicht  auf  die  Anamnese,  sowie  den  letzterwähnten  Umstand  stellte 
Ehr  mann  die  Diagnose  auf  centrales  Knochengununa  mit  Periostitis 
ossificans,  trotzdem  man  von  chirurgischer  Seite  geneigt  war,  den  Fall 
für  ein  Osteosarkom  zu  halten.  Die  eingeleitete  antiluetische  Therapie 
und  Jodeinpinselungen  bestätigten  bald  die  Diagnose,  indem  die  Schmerzen 
gänzlich  sistirten  und  sogar  eine  leichte  Geschwulstabnahme  sich  bemerk- 
bar machte.    Der  Kranke  ist  bisher  10  Tage  in  Behandlung. 

3.  Einen  Fall  von  Ophthalmoplegie,  12  Jahre  nach  einer  luetischen 
Infection.  Der  Patient  zeigt  folgenden  Status:  Im  rechten  Auge  Pupillen- 
erweiterung,  sonst  keine  Lähmungserscheinungen.  Am  linken  eine  etwas 
geringere  Mydriasis,  dafür  aber  Lähmung  des  Rectus  internus,  die  früher 
nahezu  vollständig  war,  jetzt  aber  zurückgegangen  ist.  Auch  eine  leichte 
Ptosis,  die  früher  stärker  war.  Augenhint^rgrund  und  Sehschärfe  (nach 
einem  Befunde  von  Topolansky)  ganz  normal.  Bei  sonstigem  Fehlen 
von  Grosshimerscheinungen  kann  man  schon  wegen   des   beiderseitigen 


428  i  Verhandlungen 

Sitzes,  der  nur  durch  eine  grosse  Ausdehnung  der  Lasion  sich  erklären 
liesse,  eine  Erkrankung  der  Rinde,  der  Stabkranzfaserung  und  der  inneren 
Kapsel  ausschlicssen,  ebenso  die  der  Stammganglien.  Wegen  des  Fehlens 
von  Facialis-  und  Hypoglossussymptomen,  sowie  auch  jeder  anderen  Erschei- 
nung, die  uns  veranlassen  würde,  eine  ausgedehntere  Erkrankung  in  d^ 
Nervenkemen  der  Medula  oblongata  anzunehmen,  kann  man  schliesslich 
nur  eine  Erkrankung  beider  Nervenstämme  an  der  Basis  supponiren.  Da 
wir  nun  wissen,  dass  die  Pachymeningitis  luetica  an  der  Gehimbasis  sehr 
häufig  auftritt  und  sich  als  Neuritis  auf  die  Nervenstamme  fortsetzt,  so 
handelt  es  sich  also  hier  offenbar  um  eine  Pachymeningitis,  an  der  Stelle, 
wo  die  beiden  Oculomotoriusstämme  dicht  beisammen  liegend,  zwischen 
den  Himschenkeln  hervorkommen.  Das  ungleichmässige  Befallensein  Ton 
pupillomotorischen  und  oculomotorischen  Fasern  lässt  sich  durch  eine  un- 
gleiche Vertheilung  des  Infiltrats  zwischen  den  Nervenfasern  leicht  erklären. 

Wappner  stellt  einen  Kranken  vor  von  der  Abtheilung  des  Doc. 
Dr.  Grünfeld.  Es  handelt  sich  in  dem  Falle  um  eine  serpiginöse  Sy- 
philis. Im  Jahre  1891  hatte  der  Patient  das  erste  Exanthem  durchgemacht. 
Die  Efflorescenzen  sehen  denen  eines  Herpes  tonsurans  ähnlich  und  könn- 
ten mit  diesen  verwechselt  werden. 

Hebra.  Lymphadenitisbehandlung.  Dieser  Patient  kam  vor  ca.  8 
Tagen  zu  mir  mit  einem  fast  faustgrossen  Bubo,  aus  dem  bei  leisem  Drucke 
Eiter  floss.  Seitdem  habe  ich  ihm  nach  der  Methode  von  Lang  In- 
jectionen  mit  2%  Salpeters.  Silber  gemacht  und  es  ist  leicht  die  auf- 
fallende Besserung  zu  constatiren.  Um  bei  diesen  Injectionen  gewiss  in 
alle  Vertiefungen  hineinzukommen,  habe  ich  ein  Drainage-Rohr  eingelegt 
und  mit  Hilfe  desselben  Alles  injicirt.  Sie  sehen,  dass  heute  gar  kein 
Eiter  mehr  herauskommt  und  die  Wände  des  Abscesses  überall  angelegt 
sind,  was  nach  8  Tagen  einen  ausserordentlich  g^ünstigen  Erfolg  bedeutet 

Ein  zweiter  Fall  von  Adenitis,  der  leider  nicht  erschienen  ist,  ist 
noch  schöner,  beiderseitig  und  verläuft  ebenso  günstig,  so  dass  ich  mit 
den  Erfolgen  ganz  zufrieden  bin. 

Hebra  demonstrirt  femer  einen  Fall  von  Liehen  ruber.  Derselbe 
ist  interessant  durch  seine  Localisation.  Sie  finden  die  Effiorescenzen  hier 
nur  am  Handrücken  und  einzelne  am  linken  Schienbein  ausgebildet.  Ich 
glaube,  schon  vor  einigen  Jahren  Gelegenheit  gehabt  zu  haben  einen 
ähnlichen  Fall  zu  demonstriren,  der  nur  am  Rucken  circomBcript  vor- 
handen war. 

Lang  stellt  die  bereits  in  der  Sitzung  vom  7.  Februar  demonstrirte 
Patientin  mit  Syphilis  und  Carcinom  vor.  Seither  haben  sich  die 
an  der  Schleimhaut  der  Unterlippe  in  der  Nähe  des  Carcinoms  befindlichen 
Plaques  unter  der  antiluetischen  Behandlung  vollständig  involvirt,  während 
das  Neoplasma  eine  deutliche  Wachsthumsznnahme  und  Ausbreitung  g^en 
die  linke  Hälfte  des  Unterlippensroths  erkennen  lässt. 

Neumann  stellt  vor: 

1.  Einen  27  Jahre  alten  Patienten  mit  einem  maculösen  Sj^phihde 
und  einem  am  Vorhautrande  gelegenen,  über  linsengroesen,  flachen  Knoten, 


der  Wiener  dermatologischen  GeseUschaft.  429 

dem  Rest  eines  Primarafifecies ;  daneben  multiple  Drüsenschwellung  in  In' 
guine  und  Schwellung  der  übrigen  periph.  Lymphdrüsen.  Der  Kranke 
stand  bereits  im  Jahre  1884  auf  der  Klinik  des  Vortragenden  mit  syphili- 
tischem Primäraffect  im  Sulc.  coron.  rechterseits  in  Behandlung  und  erhielt 
damals  von  der  fünften  Krankheitswoche  ab  50  Präventiveinreibungen  mit 
Ung.  cinerenm.  Es  liegt  somit  ein  wohlbeobachteter  Fall  von  Reinfec- 
tio  syphilitica  vor.  Es  ist  dies  derjenige  Fall,  bei  dem  ich  überhaupt 
^m  ersten  Male  die  Praventivcur  in  Anwendung  brachte. 

2.  Ein  16jähriges  Mädchen,  Yirgo,  noch  nicht  menstruirt,  mit  aus- 
gebreiteten gummösen  Geschwüren  an  der  Innen-  und  Beugeseite 
beider  Unterschenkel,  daneben  deutliche  Narben  nach  vor  1*/«  Jahren  be- 
standenen gomm.  Geschwüren.  Die  Kranke  war  damals  auf  der  Klinik  für 
Syphilis  in  Behandlung  und  erhielt  62  Gr.  Jodkalium  und  Sublimatbäder. 

3.  Einen  Fall,  welcher  ein  24jähriges  Mädchen  betrifft,  bei  dem 
neben  nässenden  Papeln  am  Genitale  und  einer  gruppirten  Roseola  am 
Stamme  an  jenen  Partien  des  Gesichtes,  wo  sich  grosse  Talgfollikel  be- 
finden, also:  in  den  Nasolabialfurchen  und  in  der  Kinnfurche  sich  jene 
Affection  zeigt,  die  von  Ricord  als  Herpes  syphiliticus  bezeichnet 
wurde,  als  miliare  Bläschen  und  Pusteln  auf  einem  flachen,  braunrothen, 
papulösen  Infiltrate  aufsitzend. 

4.  und  5.  Zwei  Fälle  von  Psoriasis  vulgaris,  von  denen  der  eine  in 
sehr  ausgeprägter  Weise  die  seltene  Localisation  an  den  Handtellern  und 
Fusssohlen  zeigt,  der  2.  an  der  Kopfhaut  localisirt  ist. 

Spiegier  stellt  einen  Burschen  vor,  der  vor  2  Jahren  zum  ersten 
Male  Psoriasis  gehabt  hat  und  bei  dem  sie  sich  gegenwärtig  erneuert  hat. 
Sie  trat  schon  damals  zuerst  in  den  Achselhöhlen  auf,  dann  in  der 
Schenkelbeuge  und  im  weiteren  Verlaufe  an  den  Beugeseiten  und  auch  am 
Penis.  Es  ist  dies  gewiss  eine  höchst  seltene  Localisation.  Bei  einer 
solchen  Psoriasis  bleibt  trotz  umsichtigster  Therapie  ein  kleiner  Rest 
zurück,  der  allen  Heilversuchen  widersteht  und  von  dem  aus  sich  das  Leiden 
erneuert. 

Neu  mann.  Das  sind  jene  Fälle,  wo  durch  Reibung  oder  Tem- 
peraturreize  bei  dazu  disponirten  Individuen  sich  Psoriasis  bildet, 
namentlich  an  den  Achselfalten,  Penis  u.  s.  w.  Nun  kommt  es  vor,  dass, 
während  ein  Individuum  ein  Ekzem  hat  z.  B.  an  der  Kopfhaut,  welches 
regelmässig  auf  die  Nachbartheile  übergreift,  intercurrirend  sich  eine 
Psoriasis  hinzugesellt.  Diese  hat  aber  dann  die  Eigenthümlichkeit,  dass 
sie  sich  im  weiteren  Verlaufe  in  Form  von  Schlangenwindungen  ausbreitet. 

Lang.  Ich  will  bemerken,  dass  ich  schon  vor  einer  Reihe  von 
Jahren  auf  diese  Localisationsverhältnisse  aufmerksam  gemacht  habe.  Es 
handelt  sich  um  einen  Localisationstypus  an  Prädilectionsstellen  chroni- 
scher Ekzeme,  z.  B.  an  der  Afterkerbe,  den  Knie- Schenkelbeugen  u.  s.  w. 

Neumann.  An  den  Achselfalten  zählen  diese  Localisationen  doch 
zu  den  Seltenheiten. 

Ehr  mann.  Ich  muss  hervorheben,  dass  bei  Weibern  diese  Er- 
scheinungen viel  öfter  als  bei  Männern  beobachtet  werden. 


430  Verhandlungen 

Nenmann.  Es  verhält  sich  die  Sache  eigentlich  umgekehrt  Bei 
Männern  viel  häufiger,  da  bei  diesen  Ekzeme  überhaupt  häufiger  vor- 
kommen. 

Nobl  zeig^  aus  der  Abtheilung  Lang's: 

1.  Einen  85  Jahre  alten  Schriftsetzer  mit  beginnender  Paralysis 
progressiva.  Der  Fall  bietet  insofeme  einiges  Interesse,  als  sich  die  apo- 
plectiform  einsetzende  Erkrankung  im  Anschlüsse  an  Lnes  entwickelte. 
Der  Beginn  der  Lues  datirt  in  das  Jahr  1869  zurück,  zu  welcher  Zeit 
Fat.  an  der  Poliklinik  gegen  ein  papulöses  Exanthem  mit  Sablimat-In- 
jectionen  behandelt  wurde.  Eine  Recidive  in  Form  von  Plaques  im  Monde, 
Papeln  an  den  Stimmbändern  und  papulösem  Exanthem  führte  Patienten 
anfangs  Mai  1890  der  Abtheilung  Lang's  zu,  woselbst  die  Erscheinungen 
diesmal,  wie  auch  im  September  desselben  Jahres,  zu  welcher  Zeit  sie 
sich  als  Plaques  an  der  Zunge  und  Wangenschleimhaut  sowie  als  Papeln 
ad  anum  manifestirten,  mit  Injectionen  von  Ol.  cinereum  zur  Rückbildung 
gebracht  wurden.  Im  Jahre  1891  neuerliches  Recidiv  —  als  papnlöser 
Ausschlag  —  der  sich  auf  8  Injectionen  Ol.  einer,  involvirte.  Seither 
gesund,  stellte  sich  Pat.  erst  wieder  im  Sommer  verflossenen  Jahres  mit 
serpiginös  gruppirten  Papeln  am  Stamme  im  Ambulatorium  vor,  woselbst 
ihm  Jodkali  und  local.  Empl.  Hg.  verordnet  wurden;  die  Erscheinungen 
schwanden  nach  wenigen  Wochen.  Vor  vier  Wochen  sollen  angeblich 
nach  vorher  bestem  Wohlbefinden  die  gegenwärtigen  Erscheinungen  über 
Nacht  eingesetzt  haben.  Es  besteht  bei  dem  Patienten  ausgesprochene 
Parese  des  Facialis  rechts,  leichte  Parese  der  oberen  und  unteren  Ex- 
tremität derselben  Sorte.  Die  Sprache  ist  verlangsamt,  gedehnt ;  es  besteht 
Silbenstolpem.  Pat.  macht  grobe  Rechenfehler  und  schreibt  die  Schrift 
der  Paralytiker. 

Ehr  mann  bemerkt  zu  dem  Falle,  ob  es  sich  hier  erwiesenermassen 
um  eine  Paralysis  progressiva  auf  luetischer  Grundlage  handle. 

Ijang.  Ob  eine  Paralysis  eine  luetische  Grundlage  hat,  lässt  sich 
mit  absoluter  Sicherheit  allerdings  nicht  feststellen.  Ich  habe  darüber 
Krafft-Ebing  befragt.  Derselbe  sprach  sich  dahin  aus,  dass  nach  seinen 
Erfahrungen  die  progressive  Paralyse  in  75%  L«es  als  Grundlage  hat. 
Freilich  hat  man  bis  nunzn  in  keinem  Falle  genaue  syphilitische  Herde 
gefunden,  aber  immerhin  müssen  doch  die  Erfahrungen  der  Psy- 
chiatren  auf  Grund  ihrer  ätiologischen  Forschungen  in  Rücksicht  ge- 
zogen werden. 

Ehr  mann.  Ich  bin  Lang  für  seine  Erklärung  sehr  dankbar.  Auch 
ich  bin  der  Ansicht,  dass  sich  ein  directer  Zusammenhang  zwischen 
Paralyse  und  Lues  keineswegs  nachweisen  lässt.  Uebrigens  möchte  ich 
viel  lieber  die  nähere  Forschung  in  dieser  Hinsicht  den  Syphilidologen 
übertragen  wissen,  denn  die  Neurologen  finden  eben  sehr  leicht  bei  den 
verschiedensten  Anlässen  Lues  heraus. 

Königstein.  Die  obige  Frage  ist  vielfach,  namentlich  auch  in  der 
Gesellschaft  der  Aerzte  ventilirt  worden.  Es  gibt  eine  grosse  Zahl  von 
Aerzten,  die  sich  der  Anschauung  einer  luetischen  Grundlage  der  Paralyse 


der  Wiener  dermatolog^schen  Gesellschaft.  431 

fernhalten,  daför  aher  auch  eine  recht  grosse  Zahl  solcher,  die  nicht  nur 
Paralysis,  sondern  auch  Tabes  als  von  Lues  herrührend  beseichnen.  Ja, 
es  gibt  recht  TieleVertreter,  die  überhaupt  nie  einen  Fall  von  Tabes  ohne 
vorherige  Syphilis  gesehen  haben  wollen.  Ich  glaube,  dass  nach  der 
jetzigen  Anschauung  nicht  nur  75*/«,  sondern  weit  mehr,  bis  90Ve  als 
luetische  berechnet  werden  u.  zw.  von  Aerzten,  die  sehr  gewissenhafte 
Statistiken  führen  und  die  Zählungen  mit  Vorsicht  betreiben. 

Lang.  Die  Torausgegangene  Lues  bei  dem  vorgestellten  Kranken 
ist  nicht  zu  bezweifeln,  da  er  zu  wiederholten  Malen,  darunter  auch  bei 
uns  an  manifesten  Symptomen  von  Lues  behandelt  worden  ist.  Das  We- 
sentliche der  Frage  in  solchen  Fällen  ist  immer  die  Natur  des  Znsammen- 
hanges mit  Lues,  unzweideutig^  Verändemngen ,  die  auf  Syphilis  zu 
beziehen  wären,  haben  die  pathologischen  Anatomen  nicht  nachgewiesen, 
die  in  Rede  stehenden  Erkrankungen  können  somit,  strenge  genommen, 
nicht  als  luetisch  betrachtet  werden.  Der  Zusammenhang  mit  Syphilis 
wäre  nur  zu  erklären,  dass  StofiFwechselproducte  des  supponirten  Con- 
tagiums  die  Nervenapparate  alteriren  oder  dass  die  Lues  zu  Erkrankun- 
gen der  Nervencentren  leichter  disponirt.  Es  ist  wichtig  sich  über  die 
Vorfrage  klar  zu  sein,  sonst  bekommt  vielleicht  der  Kranke  zuweilen 
eine  Mercurialcur,  die  in  den  meisten  Fällen  nachtheilig  wirkt. 

Neumann  bemerkt,  dass  eine  endgiltige  Entscheidung  dieser 
Frage  noch  lange  nicht  gelingen  wird.  Ab  und  zu  kämen  schon  directe 
Erkrankungen  des  Centralnervensystems  zur  Beobachtung.  Er  verweist 
auf  ein  schönes  Präparat  im  Musenm  mit  einem  Gumma  in  der  Ganda 
equina.  Viel  häufiger  seien  dagegen  Fälle  von  Erkrankungen  peripherer 
Nerven  nach  Syphilis.  Gerade  die  letzten  Jahre  hätten  bewiesen,  wie  oft 
Neuritis  nach  Lues  und  infolge  derselben  auftrete. 

2.  Einen  80  J.  alten  Kanchfangkehrer  mit  zwei  extragenitalen 
Sklerosen  in  der  Bauchhaut  links  entsprechend  dem  Hypochondrium. 
Dieselben  begannen  sich  gleichzeitig  vor  6  Wochen  zu  entwickeln.  Am 
Stamme  ist  ein  beginnendes  papulöses  Exanthem  zu  sehen. 

Sitzung  vom  21.  Februar  1894. 

Vorsitzender:  Lang.    Schriftführer:  Nobl. 

Neu  mann  stellt  einen  22jährigen  Kranken  vor  mit  ausgebreiteten, 
am  Perineum  und  um  den  After  localisirten  Wucherungen.  Dieselben  sind 
von  hellrother  Farbe,  hahnenkammartig,  bürstenformig  geordnet  und  von 
einem  scharf  umschriebenen  Hof  umgeben.  Die  Diagnose  ist  insofern  eine 
schwierige,  als  sich  daneben  linsengrosse  nässende,  elevirte,  derbe,  aber 
platt  gedrückte  Knoten  befinden,  ganz  ähnlich  nässenden  Papeln,  eben 
solche  auch  zwischen  Scrotum  und  der  inneren  Schenkelfiäche,  ohne 
speckigen  Belag.  Auch  die  Inguinal-  und  die  übrigen  peripheren  Drüsen 
sind  vergrössert,  doch  ist  dies  auf  eine  früher  bestandene  Variola  zu 
beziehen.  Da  auch  weiter  keinerlei  Erscheinungen  von  Syphilis  vorliegen, 
die  Wucherungen   femer  deutlich  streifenförmig  angeordnet  sind  und  die 


432  YerhandluDgen 

umgebende  Haut  Intertrigo  und  Pigmentirangen  nach  solcher  zeigt,  lo 
sind  diese  Wncherungen  mit  Sicherheit  als  spitze  Condylome  in  Folge 
von  Intertrigo  anzusprechen.  Nichtsdestoweniger  werde  ich  in  diesem 
Falle  Inunctionen  machen  lassen,  um  die  Diagnose  zu  sichern. 

Lang.  Ich  möchte  mir  doch  erlauben,  zu  dem  Falle  eine  Bemerknng 
zu  machen.  Zwar  muss  ich  zugeben,  dass  die  Papillenspitzen  ziemlich 
bedeutend  grewuchert  sind,  aber  ich  muss  sagen,  dass  ich  doch  die  Wa- 
cherungen als  auf  dem  Boden  nässender  Papeln  entstanden  betrachte, 
üebrigens  ist  es  auch  nichts  Ungewöhnliches,  dass  man  nässende  Papehi 
nur  am  Anus  oder  am  Scrotum  beschränkt  findet  Ich  möchte  daher  den 
Fall  für  Syphilis  ansehen. 

Neumann.  Es  kommt  nach  meiner  Ansicht  immer  auf  die  objectiTe 
Beobachtung  an.  Hier  in  diesem  Falle  handelt  es  sich  um  eine  Erkrankung 
seit  kaum  Jahresfrist.  Da  überdies  jedes  andere  S3rmptom  für  Lues  voll- 
kommen auszuschliessen  ist,  so  muss  man  doch  vorsichtig  sein  in  der 
Beurtheilung ,  umsomehr,  da  die  gestellte  Diagnose  für  den  Kranken 
nicht  gleichzeitig  sein  kann. 

Mraöek.  Ich  sehe  den  Fall  als  den  Ausdruck  von  Tripperwarsen 
an.  Der  mechanische  Druck  mag  hier  wesentlich  dazu  beigetragen  haben, 
dass  die  Wucherungen  nicht  so  bedeutend  zum  Ausdruck  gekommen  sind. 
Man  sieht  bei  genauerer  Beobachtung,  dass  der  Rand  etwas  unterminirt, 
also  keineswegs  so  gestaltet  ist,  wie  es  ein  syphilitisches  Infiltrat  ge- 
wöhnlich zu  sein  pflegt.  Ueberdies  sind  noch  Residuen  der  ehemaligen 
freien  Stellen  zu  sehen.  Die  Wucherungen  selbst  tragen  ganz  und  gar 
nicht  den  Charakter  von  syphilitischen  Papeln,  wir  finden  vielmehr  überall 
Andeutungen  von  hypertrophischen  Papillen«  Die  Form  ist  geradetu 
exquisit,  so  dass  man  sich  doch  der  Ansicht  Neuro  ann 's  anschliessen  mof». 

Lang.  Zur  Bemerkung  MraÖek's  muss  ich  hervorheben,  dass  man 
ebensolche  Papeln  auch  anderwärts  beobachtet.  An  den  Nasolabialfalten 
z.  B.  und  vielen  anderen  Stellen  findet  man  nicht  selten  so  gestaltete 
nässende  Papeln.  Sie  bieten  dann  papillomätöse  Auswüchse  auf  syphilitucher 
Basis.  Wenn  man  die  rechts  von  der  Grena  ani  isolirt  stehende  linsen- 
grosse  Effiorescenz  betrachtet,  so  ist  der  Charakter  der  syphilitischen 
Papel  nicht  anzuzweifeln.  Ich  leugne  daher  den  papillomatösen  Charakter 
nicht,  behaupte  aber,  dass  die  Wucherungen  auf  syphilitischer  Grundlage 
entstanden  sind. 

V.  Z  eis  sei.  Wir  müssen  zunächst  frtigen,  wie  lange  der  Kranke 
eigentlich  auf  der  Klinik  sich  befindet.  Wenn  dies  bereits  lange  der  Fall 
ist,  so  müsste  man  ja  auch  den  syphilitischen  Primäraffect  beobachtet 
haben.  Ich  glaube  nicht,  dass  es  sich  hier  um  nässende  Papeln  handelt 
Auch  ist  die  Drüsenschwellung  in  der  Leistenbeuge  eine  derart  geringe, 
dass  wir  sie  unmöglich  auf  Syphilis  zurückfuhren  können.  Die  Fälle  von 
Syphilis,  die  Lang  meint,  sind  sehr  selten,  so  dass  man  hier  nicht  ohne 
Weiteres  zu  dieser  Annahme  berechtigt  ist.  Ueberdies  könnte  es  leicht 
möglich  sein,  dass  eine  Gronococcen-Invasion  des  Rectum  stattgefunden 
hat,  und  der  Mastdarmtripper  die  venerischen  Papillome  veranlasst  hat. 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  433 

Neumann.  Es  freut  mich,  dass  dieser  Fall  eine  so  lebhafte 
Debatte  hervorgerufen  hat  Schon  dieser  Umstand  zeigt  ja  die  Schwierigkeit 
der  Diagnose.  —  Es  handelt  sich  uns  hier  hauptsächlich  um  die  Eni* 
Scheidung,  ob  das,  was  wir  vor  uns  haben,  Syphilis  ist  oder  nicht  Für  Lues 
könnte  blos  die  einzige  Stelle  am  Scrotum  sprechen.  Ich  bin  überzeugt, 
dass  es  spitze  Condylome  sind,  werde  den  Kranken  jedoch  mit  Inunctionen 
behandeln  und  ihn  nach  14  Tagen  wieder  Torstellen.  leh  werde  übrigens 
auch  einige  solche  EfQorescenzen  untersuchen  und  die  anatomische  Untere 
suchung  wird  gewiss  das  Entscheidende  ergeben. 

y.  Hebra:  Neumann  hat  auf  die  Efflorescenzen  am  Scrotum  auf" 
merksam  gemacht  Ich  finde  jedoch,  dass  hier  gerade  die  Maceration  nicht 
so  stark  eingewirkt  hat.  Zweifellos  ist  aber  am  Penis  eine  Sclerose  vor^ 
banden.  Es  ist  ja  übrigens  noch  heute  nicht  aufgeklart,  wodurch  spitze 
Condylome  sich  bilden,  wenn  und  unter  welchen  Bedingungen  sie  ent- 
stehen. Die  Art  und  Weise  ist  eine  ausserordentlich  wechselnde.  Ich  habe 
z.  B.  ein  Mädchen  gekannt,  die  spitze  Condylome  nach  einem  einfachen 
Nadelstich  acquirirt  hat  Es  müssen  bestimmte  Momente  im  Individuum 
selbst  vorhanden  sein,  wodurch  die  Entwicklung  der  spitzen  Condylome 
veranlasst  wird.  Dass  nicht  gerade  nur  Tripper  Bedingung  für  die  Ent^ 
stehung  derselben  ist,  geht  ja  aus  dem  erwähnten  Falle  hervor.  Von  diesem 
Gesichtspunkte  aus  wäre  es  ja  nicht  unmöglich,  dass  in  einem  Falle 
einmal  der  Eiter  einer  wirklichen  Syphilis-Efflorescenz  Anlass  geben 
könnte  zur  Entstehung  solcher  Condylome.  Die  Localisation  in  diesem 
Falle  spricht  ja  gerade  für  diese  Annahme.  Ich  halte  daher  diesen  Fall 
für  syphilitisch.  Dass  blos  an  diesen  Stellen  ausschliesslich  syphilitische 
Efflorescenzen  vorkommen  können,  davon  habe  ich  mich  neuerdings  vor 
wenigen  Tagen  überzeugt.  Die  Seltenheit  dieser  Fälle  darf  man  daher 
nicht  mit  zur  Beurtheilung  derselben  heranziehen. 

Grünfeld:  Neumann  hat  direct  die  Frage  gestellt:  Ist  es  Sy- 
philis oder  nicht?  Wir  beantworten  diese  Frage  am  leichtesten,  wenn  wir 
den  Fall  gründlich  besichtigen.  Wenn  Sie  eine  Stelle  ganz  rückwärts 
ansehen,  dann  werden  Sie  zugeben,  dass  wir  es  hier  nicht  blos  mit  spitzen 
Condylomen  zu  thun  haben.  Das  sind  Infiltrate,  wie  man  sie  nur  bei 
Syphilis  zu  sehen  bekommt.  Ebenso  wäre  ich  geneigt,  viele  andere  Stellen, 
die  das  gleiche  eigenthümliohe  Aussehen  zeigen,  als  auf  Lues  hinweisend 
zu  bezeichnen.  Ich  schliesse  mich  daher  der  Ansicht  an,  dass  es  sich 
thatsächlich  um  Syphilis  handelt.  Uebrigens  schliesse  ich  mich  der  Ansicht 
Neumann' s,  den  Fall  negativ  zu  behandeln,  nicht  an,  sondern  bin  überdies 
für  eine  locale  Behandlung. 

Neu  mann.  Ich  betone  nochmals,  dass  man  bei  der  Beurtheilung 
solcher  Fälle  sich  nicht  blos  auf  die  Besichtigung  des  Afters  und  Scrotums 
beschränken  darf,  ohne  sich  um  das  Individuum  im  Uebrigen  zu  kümmern. 
Man  muss  doch  immer  bei  der  Diagnose  gewisse  Anhaltspunkte  heranziehen. 
Hier  fehlen  sie  vollständig,  es  liegt  gar  kein  Zeichen  von  Syphilis  vor. 
Reste  einer  Sclerose  habe  ich  nicht  gefunden.  Der  Kranke  ist  früher  nur 
mit  Balanoposthitis  hereingekommen. 

ArehlT  f.  DermatoL  u.  Syphil.  Band  XXVIT.  og 


434  Verhandlungen 

Schiff.  Die  Frau,  die  ich  Ihnen  hier  yorstelle,  steht  seit  6  Jahren 
in  meiner  Behandlung.  Als  dieselbe  zu  mir  kam,  constatirte  ich  einen 
Lupus  erythematosus,  der  sich  aber  beide  Wangen,  Nase,  den  grösst^n 
Theil  der  Stime,  Lippen  (mit  einem  grossen  Theile  des  Lippenroths)  beide 
Ohren  und  einen  grossen  Theil  des  behaarten  Kopfes  ausbreitete  und 
angeblich  seit  einem  halben  Jahre  bestand.  Wie  Sie  sich  überzeugen 
können,  ist  Patientin  heute  als  nahezu  vollkommen  geheilt  zu  betrachten 
und  der  Grund  weshalb  ich  dieselbe  vorstelle  ist,  dass  ich  einen  Rückblick 
auf  die  hier  vorgenommene  Behandlung  anstellen  wilL  Es  wurden  bei 
dieser  Patientin  die  verschiedensten  Methoden  angewendet.  Es  wurden 
einerseits  chemische  (Salicylpflaster,  Quecksilberpflaster,  Pyrogallussalben), 
andererseits  mechanische  Eingriffe  (Excochleation  mit  und  ohne  nach- 
trägliche Gauterisation  mit  bis  zu  10%  Sublimatlösung),  Stichelung,  Sca- 
rification  etc.  vorgenommen.  Nach  den  an  diesem  Falle  gewonnenen  Er^ 
fahrungen  muss  ich  bemerken,  dass  ich  die  beste  Wirkung  immer  in  der 
Weise  erzielte,  dass  ich  starkpercentige  Salicylpflaster  (bis  zu  40*/«)  behufs 
Abschälung  und  sodann  Empl.  hydrargyr.  zur  Ausheilung  anwendete. 

Neu  mann  stellt  zweitens  eine  48jährige  Kranke  mit  diffusen  Narben 
an  der  Gesichtshaut  und  der  rechten  Ohrmuschel,  an  deren  Rand  sowie 
in  denselben  eingesprengt  sich  linsengrosse,  lenticuläre,  braunrothe  Ef- 
florescenzen  —  cutane  Gummen  —  befinden.  Sowohl  die  Beschaffenheit 
der  Narben  als  die  Farbe  der  Efflorescenzen  zeigen  grosse  Aehnlichkeit 
mit  Lupus  vulgaris.  Die  Stellung  der  Diagnose  Syphilis  wird  ermöglicht 
durch  ein  den  Knochen  biossiegendes,  Überkreuzergrosses  kraterformiges 
grummöses  Geschwür  rechts  an  der  Stimhaut,  femer  durch  vollkommen 
charakteristische,  scharf  umschriebene,  weiche,  weisse,  an  der  Peripherie 
pigmentirte  Narben  nach  uicerirten  Gummen  am  rechten  Ober-  und 
Unterschenkel. 

Lang.  Solche  Erkrankungen  bei  Syphilitischen,  wie  hier  an  der 
Wange,  die  in  der  That  an  Lupus  erinnern,  sind  mir  nicht  neu  und  ich 
bin  schon  seit  lange  darauf  aufmerksam  geworden.  Ich  habe  bei  jahrelang 
bestehenden  luetischen  Infiltraten  nach  der  Rückbildung  einen  Rest  zu- 
rückbleiben sehen,  der  an  Lupus  erinnert  hat  und  ich  habe  sie  als  lupoid 
bezeichnet  und  dies  in  meinem  Buche  hervorgehoben.  Man  kommt  gar 
nicht  selten  in  die  Lage,  einen  solchen  lupoiden  Rest  nach  Jahren  wahr- 
zunehmen. Diesen  kann  man  aber  dann  antiluetisch  behandeln,  soviel  man 
will,  es  hilft  weder  locale  noch  allgemeine  antisyphilitische  Behandlung; 
nur  energisches  Verfahren  wie  bei  Lupus  führt  zum  Ziele. 

Ehr  mann.  Ich  möchte  darauf  aufmerksam  machen,  dass  es  sich  in 
diesen  Fällen  darum  handelt,  dass  eine  käsige  Masse  in  einem  derben 
Narbengewebe  eingeschlossen  ist.  Ich  möchte  daher  auf  rein  anatomischen 
Verhältnissen  die  mangelhafte  Resorption  dieser  angehäuften  käsigen  Massen 
erklären. 

Kohn  bemerkt,  dass  nach  älteren  Autoren  solche  Narben  sich  noch 
auf  Decoctum  Zittmanni  (Decoct.  Sarsaparillae  compositum  mitius)  zurück- 
bilden können. 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft. 

Neumann  zeigt  eine  44jälirige  Kranke  mit  gummösen  Üi 
im  Rachen,  Defect  der  Uvula,  Gaumenbögen  und  der  Tonsil 
eines  Theiles  des  Gaumensegels.  Die  Kranke  wurde  bisher  noc 
cifisch  behandelt. 

4.  einen  Fall  von  Erythema  multiforme.  Dieser  ist  besonde 
bemerkenswerth,  dass  sich  während  der  ganzen  Krankheitsdai 
Wochen)  anhaltendes  hochgradiges  Fieber  88*9* — ^39'  eingestel 
Zustand,  der  höchst  selten  ist,  wenn  nicht  andere  intercurri 
krankungen:  Pericarditis  u.  s.  w.  vorliegen..  Die  Untersuchung  d 
Organe  ergab  ein  vollständig  negatives  Resultat. 

Neu  mann  erwähnt  endlich  einen  Fall  von  Vagina  duplex 
die  Versammlung  ein,  denselben  anzusehen. 

Nobl  demonstrirt  aus  der  Abtheilung  Langes  folgende 

1.  Einen  70jährigen  Thorwächter  mit  serpiginös  grt 
Pemphigus.  Das  Leiden  begann  sich  bei  dem  vorher  stets 
namentlich  aber  nie  von  einer  ähnlichen  Blaseneruption  befallen 
Manne  im  November  v.  J.  zu  entwickeln,  seither  traten  in  unreg 
Intervallen  unter  heftig  juckenden  und  brennenden  £mpfin( 
Schlangenlinien  aneinander  gestellte  Bläschen-  und  Blasengrupp« 
nach  kurzem  Bestände  wieder  abheilten.  Seit  wenigen  Wochen 
sich  die  Nachschübe  in  beträchtlicher  Anzahl,  ohne  eine  besonde i 
zur  Involution  zu  zeigen ;  seither  bemerkt  Patient  eine  fortschre 
nähme  seiner  Kräfte,  leidet  an  Appetitlosigkeit  und  verbringt  < 
schlaflos. 

Bei  dem  sehr  herabgekommenen  kachectischen  Patienten 
die  allgemeine  Decke  dicht  besetzt  mit  serpiginös  gestellten  Bla 
verschiedenen  Stadien  der  Entwicklung  und  Ruckbildung,  die  in 
die  vordere  Halsregion,  die  Achselhöhlen,   Thorax   und   Innen 
Oberschenkel  occupiren   und   vielfach   auf  weite  Strecken   hin 
blössung  des  nässenden  Coriums  fuhren.    Zerstreut  zwischen  d 
gruppen,   ferner  an  den  Armen,  bis  an  die  Handteller  heran,  t 
und  Rücken  stehen  solitäre  bis  nussgrosse  Blasen.    Die  jetzt  i 
Mundschleimhaut   zeigte  sich   zur  Zeit  der  Aufnahme  an   dei 
exfoliirt,  die  exfoliirte  Stelle  von  Blasenresten  umsäumt.    Die 
suchung  ergibt  eine  nur  massige  Leucocytose,  welche  sich  bei 
analytischen  Exploration,  hauptsächlich  auf  eine  Vermehrung 
philen  Zellen  beziehen  lässt.    Im  Harne   sind  keine  abnorm« 
theile  nachweisbar. 

2.  Einen  20  Jahre  alten  Mann,  bei  welchem  Lang  voi 
die  tiefe  Excision  eines  theils  verrucösen,  theils  skh 
Lupusherdes  am  rechten  Fussrücken  vornahm  und  dei 
Defect  mittelst  Thiersch'scher  Transplantation  zur  U 
brachte.  Da  bei  der  mächtigen  Derbheit  des  Krankheitsherdes 
werden  konnte,  inwieweit  auch  das  unterliegende  Gewebe  i 
scheiden,  Sehnen  etc.  von  dem  Processe  mit  befallen  sind,  sc 
der  Operation  für  den  Fall  einer  Durchwuoherung  der  genani 


436  VerhandluDgen 

auch  auf  eine  eventuelle  Resection  der  Sehnen  und  Sehnennaht  Bedacht 
genommen  werden.  Da  es  sich  jedoch  nach  der  Excision  zeigte,  dass  das 
ganze  kranke  Gewebe  mit  dem  Hautlappen  entfernt  worden  war,  so  konnte 
sogleich  zur  Deckung  des  8  Gm.  langen,  4  Gm.  breiten  Defectes,  an  dessen 
Grunde  die  blossgelegten  Sehnen  des  Streckers  zu  sehen  waren,  geschritten 
werden.  Die  Lappen  wurden  der  Streckseite  desselben  Oberschenkels 
entnommen  und  um  zu  vermeiden,  dass  die  Epidermislappen  durch  die 
Bewegung  der  Sehnen  abgehoben  werden,  wurde  ein  Fixations  -  Ver- 
band angelegt  Bei  dem  ersten,  8  Tage  nach  der  Operation  erfolgten 
Verbandwechsel,  zeigte  sich,  dass  die  transplantirten  Epidermislappen, 
mit  Ausnahme  an  2 — 8  linsen-  bis  fingerspitzgrossen  Stellen  angeheilt  waren. 
Nachträglich  wurden  noch  einzelne  in  der  Umgebung  des  Lupusherdes  im 
gesunden  Hautgewebe  eingestreut  sitzende,  für  Lupusknötchen  suspecte 
Stellen  theils  mit  dem  Thermocauter,  theils  mit  Nadelelektrode  zerstört. 

Seit  14  Tagen  geht  Patient  herum  und  hat  die  Plastik  bisher  in 
keiner  Weise  Schaden  gelitten. 

Neumann.  Ich  glaube,  dass  dieser  Fall  geeignet  wäre,  den 
Ghirurgen  verschiedene  Aufschlüsse  zu  geben,  die  bei  solchen  Fällen 
Rhinoplastik  anwenden. 

Lang.  Zur  anregenden  Bemerkung  Neumann^s  möchte  ich  Einiges 
hinzufugen: 

Es  handelt  sich  in  jedem  Falle  darum,  den  gesammten  Erankheits* 
herd  herauszunehmen.  Ich  gehe  in  jedem  Falle,  wenn  ich  Lupus  ex- 
stirpire,  so  vor,  dass  ich  jedesmal  das  Stück  nach  der  Operation  durch- 
schneide,  um  zu  sehen,  ob  ich  in  der  Tiefe  über  die  Grenze  des  Lupus, 
hinausgelangt  bin.  Ich  habe  vor  Jahren  an  einem  Techniker  die  Ex- 
stirpation  eines  Lupus  der  Wange  vorgenommen.  Nach  der  Operation 
zeigte  sich  noch  immer  lupöses  Gewebe,  so  dass  ich  tiefer  ging  und 
Läppchen  der  Parotis  noch  entfernen  musste.  Nach  erfolgter  Trans- 
plantation zeigte  sich  auch  noch  mitten  in  der  transplantirten  Stelle  eine 
kleine  Fistel,  aus  der  wenig  Speichel  austrat  Nach  etlichen  Tagen  hat 
sich  aber  die  Fistel  von  selbst  geschlossen  und  als  ich  dann  den  Mann 
nach  einigen  Monaten  wieder  sah,  stand  die  Sache  ganz  gut.  Dann  habe 
ich  ihn  freilich  aus  der  Beobachtung  verloren.  Worauf  es  also  bei  der 
Operation  ankommt,  ist:  Ob  man  bei  radiealem  Vorgehen  Aussicht  hat 
alles  Kranke  zu  exstirpiren,  ohne  dass  Recidive  eintritt.  Weinlechner 
hat  mir  selbst  erklärt,  dass  er  neuerdings  den  Lupus  in  gleicher  Weise 
behandeln  und  trachten  wird,  durch  Radicaloperation  immer  das  Ganze  zu 
entfernen.  Ist  es  wirklich  gelungen.  Alles  herauszubekommen,  dann  hat 
man  auch  entschieden  Aussieht,  dass  keine  Kecidive  eintreten  wird. 

V.  Zeissl.  Ich  erinnere  mich  an  einen  Fall  von  der  Klinik  D um- 
reich er's.  Er  betraf  ein  Mädchen,  bei  dem  der  grrösste  Theil  der  Nase 
zerstört  war,  nur  die  Nasenflügel  waren  erhalten.  Wir  schritten  zur 
Rhinoplastik  aus  der  Stimhaut.  Trotzdem  mit  grosser  Sorgfalt  operirt 
wurde,  bekam  sie  nach  2  Jahren  wieder  Lupus  im  transplantirten  Lappen. 
Ob  er  dann  wieder  geheilt  wurde,  weiss  ich  nicht. 


der  Wiener  dermatologisclieii  Gesellschaft.  437 

Neumann.  Wenn  Jemand  einen  (^esichtslupus  hat,  dann  hängt  es 
hanptsächlich  davon  ab,  ob  er  nur  in  der  Haut  oder  schon  tiefer,  im  Unter- 
hantzellgewebe oder  gar  in  den  Muskeln,  Fascien  u.  s.  w.  steckt.  Wenn 
man  solche  Kranke  von  der  Mundhöhle  aus  untersucht,  so  findet  man  be 
Kecidire  das  Grewebe  in  der  Tiefe  noch  immer  infiltrirt.  Es  mnss  also  der 
darüber  gelegte  Hautlappen-  recidiv  lupös  werden.  Freilich  ist  es  bekannt, 
dass  das  lupöse  Gewebe  sehr  langsam  proliferirt.  Daher  kommt  es,  dass 
die  Recidive  lange  auf  sich  warten  lässt.  Wenn  man  demnach  solche 
Exstirpationen  vornimmt,  so  muss  man  ordentlich  in  die  Tiefe  gehen.  Ich 
kann  Ihnen  aus  meiner  eigenen  Erfahrung  sagen,  dass  ich  Fälle  kenne, 
die  vor  Jahren  auf  der  Klinik  Billroth's  in  der  Weise  operirt  wurden 
und  die  bis  heute  sehr  gut  sind. 

Lang.  Gestatten  Sie  mir  noch  eine  kurze  Bemerkung.  Wir  müssen 
doch  die  Exstirpationen  und  Transplantationen  von  einst  wohl  von  heute 
unterscheiden.  Wir  haben  heute  eine  ganz  andere  Vorstellung  vom  Lupus 
und  gehen  daher  von  Vornherein  anders  darauf  los.  Es  scheint  in  der  That, 
dass  jetzt  eben  das  Ausgehen  von  anderen  Gesichtspunkten  auch  andere 
Resultate  erzielen  lässt.  Was  das  Recidiviren  betrifit,  so  steht  Folgendes 
fest.  Wenn  man  die  früher  üblichen  ätzenden  Mittel  und  Pyrogallol  und 
dergl.  anwendet,  so  ist  der  Mensch,  wie  ja  auch  Neumann  hervorgehoben 
hat,  nach  spätestens  3  Monaten  wieder  mit  Recidive  da.  Das  operative 
Vorgehen  ist  jetzt  ein  ganz  anderes  geworden.  Wir  transplantiren  jetzt 
nur  eine  papierdünne  Schichte,  die  eigentlich  nur  die  Papillenspitzen 
enthält.  Würden  also  noch  die  Bedingungen  zur  Recidive  vorhanden  sein, 
so  müsste  dies  sehr  bald  eintreten  und  würde  nicht  zum  Dnrchbruch 
Jahre  nöthig  haben,  wie  nach  einer  Transplantation  dicker  Hautlappen» 
wo  der  Lupus  durch  die  ganze  Hautschichte  vorzudringen  hat.  Ich  glaube 
daher,  dass,  wenn  man  nach  unserem  jetzigen  Verfahren  nach  6  Monaten 
in  loco  keinen  erneuerten  Lupus  beobachtet,  die  Operation  als  gründlich 
gemacht  angesehen  werden  kann. 

Nobl  zeigt  noch: 

8.  Eine  45jährige  verheiratete  Frau  aus  Galizien  mit  einer  fast 
die  ganze  rechte  Gesässbacke  einnehmenden  gummösen  Ge- 
schwulst. Der  über  zweifaustgrosse  Tumor  ist  von  höckeriger,  knolliger 
Oberfläche  und  durch  vielfache  in  die  Tiefe  ziehende,  narbige  Stränge 
segmentirt,  die  Haut  über  demselben  theils  livid,  theils  sehnigweiss 
glänzend,  narbig  verändert.  Nach  unten  zu  ist  das  stark  halbkugelig 
prominente  Gumma  von  einer  breiten  und  tief  reichenden,  offenbar  aus 
dem  Zerfall  von  Infiltraten  entstandenen  Geschwürs  -  Rinne  umgrenzt. 
Von  dieser  Rinne  ans  lassen  sich  Buchten  und  Gänge  in  das  Infiltrat  hin 
verfolgen  und  füllt  sich  dieselbe  bei  stärkerem  Drucke  auf  den  massig 
derben  Tumor  reichlich  mit  Eiter.  Narbenresiduen  früherer  Infiltrate 
sind  an  der  linken  Sitzbacke  und  über  dem  rechten  Unterschenkel  zu 
sehn.  Für  das  Leiden  gibt  Patientin  eine  Smonatliche  Dauer  an,  während 
welcher  Zeit  keinerlei  antiluetische  Therapie  versucht  worden  war.  Die 
Frau    hat   siebenmal  geboren,    von  den    Kindern    starben  4  im   Alter 


438  Yerhandlungen 

zwischen  10 — 15  Jahren,  suletzt  abortirte  sie  vor  6  Jahren  im  dritten 
Monat  der  Gravidität,  aber  eine  venerische  Erkrankung  weiss  sie  nicht 
anzugeben. 

Ehrmann.  Ich  habe  diese  Fälle  immer  für  Syphilis  angesehen 
und  habe  sie  seinerzeit  in  der  Kraus'schen  Zeitung  beschrieben.  Ein 
Gegner  meiner  Ansicht  war  der  verstorbene  Prof.  Kundrat,  der  be- 
hauptet hat,  dass  es  sich  in  diesen  Fällen  um  Tuberculose  handelt 

Nobl.  Das  Secret  ist  in  diesem  Falle  oft  untersucht  worden  und 
es  sind  keine  Tuberkelbacillen  gefunden  worden. 

Spiegier  stellt  vor 

1.  Ein  Mädchen  von  18  Jahren  mit  einer  Sclerose  an  der  Oberlippe. 

2.  Eine  44jährige  Frau  mit  multiplen  erbsengrossen  Geschwülsten 
am  Kopfe,  im  Gesichte  und  am  Stamme,  die  seit  1  Jahre  bestehen. 

Ihr  72jähriger  Vater,  der  mit  billardballengrossen  Tumoren  am 
Capillitium  und  Rucken  behaftet  war,  wurde  im  vorigen  Jahre  in  der  Ge- 
sellschaft vorgestellt.  Die  Geschwülste  erwiesen  sich  als  Peritheliome.  Die 
histologische  Untersuchung  ist  noch  nicht  vorgenommen,  da  Patientin  T&gs 
vorher  aufgenommen  worden  war.  Es  wird  hierüber  noch  näher  berichtet 
werden. 

3.  Eine  48jährige  Frau  mit  Lupus  vulgaris  faciei,  auf  dessen  Basis 
sich  ein  Garcinom  entwickelt  hat  und  erörtert  hiebei  die  einschlägigen 
histologischen  Verhältnisse. 

Schliesslich  demonstrirt  Spiegier  eine  Reincultur  von  Gono- 
coccen,  die  nach  dem  von  Ghon  und  Schiagenhaufen  mitge- 
1  heilten  Verfahren  dargestellt  war  (Aufstreichen  eines  Bluttropfens  aof 
eine  Agarplatte). 


Verliandlungen  der  Berliner  dermatologischen 

Vereinigung. 


Sitzung  vom  9.  Janaar  1894. 

Vorsitzender:  Las  aar.    Schriftführer:  Saalfeld. 

I.  Schütte  stellt  einen  Fat.  vor,  der  vorher  kräftig  und  gesund,  Weih- 
nachten 1892  mit  Schmerzen  in  den  Gelenken,  Ellbeugen  und  Kniekehlen, 
erkrankte.  Es  bildeten  sich  daselbst  rothe  Flecke,  die  stark  schmerzten 
und  zeitweise  aufsprangen.  Als  er  in  die  Klinik  Lassar^s  kam,  bot  er 
das  Bild  einer  typischen  Sklerodermie.  Der  Fat.  konnte  die  Beine  nur 
schwer  bewegen,  als  ob  die  Kniegelenke  ankylosirt  wären.  Die  Behandlung 
bestand  in  langdauemden  Salzbädern  und  Massage  mit  Salicylvaseline 
zuerst  2*/tige,  später  5,  8,  bis  lO'/oige  Salben.  Es  machte  sich  bald  eine 
erst  subjective,  später  auch  objective  fortschreitende  Besserung  bemerkbar. 
Fat.  ist  jetzt  im  Stande,  sich  wieder  frei  zu  bewegen  und  seiner  Arbeit 
als  Umlader  auf  der  Bahn  nachzugehen.  Während  der  Behandlung  zeigte 
sich  im  Urin,  der  täglich  untersucht  wurde,  kein  Albumen,  dagegen  bei 
Anwendung  der  stärkeren  Salben  eine  geringe  Menge  Salicylsäure.  — 
Vor  einem  Jahre  wurde  ebenfalls  aus  der  Las s arischen  Klinik  eine  Dame 
vorgestellt,  die  in  gleicher  Weise  behandelt  wurde,  und  bei  der  die 
Heilung  seit  dieser  Zeit  anhält.  Auch  von  Bouget  in  Lausanne  ist 
unabhängig  die  ähnliche  Behandlungsmethode  eingeschlagen  worden  und 
derselbe  Erfolg  mit  der  Salicylsäure  erzielt  worden.  Man  muss  also  an- 
nehmen, dass  die  Salicylsäure  einen  gewissen  Einfluss  auf  die  Sklerodermie 
ausübt. 

Lassar  fügt  hinzu,  dass,  als  der  erste  Fall  s.  Z.  in  der  Gesellschaft 
vorgestellt  wurde,  an  der  Wirkung  der  Therapie  Zweifel  gehegt  wurden. 
Dieser  Fall  beweist,  dass  die  Salicylsäure  zur  Resorption  gelangt, 
und  bestätigt  die  damals  ausgesprochene  Yermuthung  der  Wirkung 
derselben. 

Lewin  macht  darauf  aufmerksam,  dass  in  einer  Anzahl  von  Fällen 
die  Sklerodermie  sich  häufig  verändert  und  nachher  ein  Recidiv  eintritt. 
So  beabsichtigte  er  heute  einen  Kranken  vorzustellen,  der  ein  SklOTO- 
derma  an  der  linken  Wade  zeigte,  und  bei  dem  bei  der  heutigen  Unter- 
suchung eine  bedeutende  Besserung  eingetreten  war.  L.  fragt,  ob  in  dem 


440  Verhandlungen 

vorgestellten  Falle  ein  Einfluss  der  Nerven  beobachtet  worden  ist,  da 
Kaposi  nachgewiesen  hat,  dass  das  Skleroderma  in  einzelnen  Fällen  vom 
Verlauf  der  Nerven  abhangt  und  auch  Westphal  die  nervöse  Natur 
der  Affection  in  zwei  Fällen  durch  anatomische  Befunde  erhärtet  hat 

Schütte  stellt  femer  ein  Kind  vor,  welches  in  geringerem  Grade 
dieselben  Erscheinungen  im  Gesicht  aufwies  und  durch  dieselbe  Be- 
handlung gebessert  wurde.  Das  Kind  leidet  zugleich  an  einer  Hemi- 
atrophia  facialis  und  steht  noch  in  anderweitiger  Behandlung  mittelst 
Elektricität 

Lassar  glaubt,  dass  natürliche  Schwankungen  im  Verlauf  des 
Skleroderma  im  Auge  behalten,  gleich  lautende  Erfolge  bei  gleich  ve^ 
laufenden  Fällen  der  Erwägung  werth  sind.  Es  soll  keineswegs  die 
Behandlungsmethode  verallgemeinert  werden,  aber  in  den  beiden  Fällen 
ist  der  Erfolg  nicht  wegzuleugnen. 

n.  Peter:  Der  5jährge  Knabe  Erich  Schulz  wurde  am  5.  October 
V.  Jahres  der  Klinik  L  a  s  s  a  r's  überwiesen.  Er  zeig^  auf  Gesicht,  Armen 
und  Brust  ein  pustulöses  Exanthem,  welches  für  Variola  hätte  gehalten 
werden  können,  wenn  nicht  das  günstige  Allgemeinbefinden  und  die  Tem- 
peratur dagegen  gesprochen  hätten.  Der  Knabe  war  wegen  eines  von 
frühester  Kindheit  an  bestehenden  Ekzems  niemals  geimpft  worden.  Die 
mit  animaler  Lymphe  geimpfte,  zwei  Jahre  alte  Schwester  des  Patienten 
wurde  mit  dem  Knaben  in  derselben  Wanne  gebadet.  Hier  muss  sich  die 
Vaccine  suspendirt  und  auf  die  von  Epidermis  entblössten  Stellen  ein- 
geimpft haben :  so  entstand  eine  generalisirte  Vaccine.  Der  Process  heilte 
innerhalb  dreier  Wochen  ab  und  zeigt  noch  heute  sichtbare  Narben.  Der 
günstige  Einfluss  auf  das  Ekzem  war  nur  ein  vorübergehender.  Die  in 
der  Literatur  erwähnten  Fälle  betreffen  meistens  Autoinoculationen,  nur 
in  4  Fällen  ist  eine  Uebertragung  durch  andere  Personen  bekannt.  Drei 
von  diesen  sind  erst  vor  kurzer  Zeit  aus  der  Kinderklinik  zu  München 
veröffentlicht  worden  und  ist  der  Autor  der  Ansicht,  dass  die  Generali- 
sation  durch  eine  Art  Metastase  auf  dem  Wege  der  Lymph-  resp.  Blut- 
bahnen zu  Stande  kommt.  Einfacher  erscheint  die  Annahme,  dass  es  sich 
in  allen  diesen  Fällen  um  eine  mechanische  Verbreitung  handelt.  Dafür 
sprechen  der  gleichzeitige  Ausbruch  an  den  verschiedensten  Stellen  des 
Körpers  und  der  Umstand,  dass  nur  die  von  Epidermis  beraubten  Stellen 
befallen  werden  und  die  Eruption  auf  diese  allein  beschränkt  bleibt. 

Ledermann  hat  vor  einigen  Wochen  einen  Knaben  mit  grenera- 
lisirter  Vaccine  behandelt,  bei  dem  sich  die  Affection  an  die  Impfung 
ansohloBS.  In  diesem  Fall  waren  aber  auch  diejenigen  Stellen  befallen, 
die  der  Knabe  mit  dem  Finger  nicht  berühren  konnte,  z.  B,  die  Haut 
zwischen  den  Schulterblättern.  Wenn  man  also  nicht  annimmt,  dass  durch 
die  Kleider  der  Pustelinhalt  übertragen  wurde,  so  muss  man  doch  zu  der 
Ansicht  zurückgreifen,  dass  der  Lymphstrom  die  Krankheit  verschlep- 
pen kann. 

in.  Lewin  stellt  einen  Pat  vor,  der  wegen  Syphilis  mit  Quecksilber- 
oxycyanid  behandelt  wurde.    Derselbe  zeigte  nebenbei  auf  dem  Rücken 


der  Berliner  (iermatologischen  Vereinigung. 

der  ersten  Phalanx  beider  Daumen  zwei  callöse  Tumoren  und  i 
Haut  zwischen   erstem  und   zweitem  Finger    ein    pustulöses   6es 
Es  handelt  sich  dabei  um  eine  noch  nicht  beschriebene  Gewerbei 
heit.    Patient  ist  Melker  in  der  Yictoria-Melkerei  und  erklärt  dii 
stehung  der  Tumoren  in  der  Weise,  dass  er  beim  Melken  auf  dei 
Seite  des  Euters   die  vier  Finger  und  auf  der  anderen  Seite  den 
flectirten  Daumen  andrückt.   Durch  diese  täglich  hervorgerufene  In 
soll  die  Verdickung  hervorgerufen  sein.  Was  die  Entstehung  des  Ges  i 
betrifit,  so  ist  dieselbe  nicht  ganz  klar.*    Es  zeigt  ein  eitrig  serö; 
sudat  und  waren  in  der  Wunde  selbst  eine  Anzahl  Haare  vorband 
nach  Entfernung  derselben  das  Geschwür  heilte,    so  kann   man 
eine  mechanische  Verletzung  denken.    Von  Syphilis  war  keine  Re 
auch  für  Tuberculose  fand  sich  kein  Anhalt.  Es  wäre  interessant, 
stellen,  ob  solche  Erkrankungen  auch  anderweitig  beobachtet  sind 

Lassar  hat  früher  häufig  Gelegenheit  gehabt,  Leichentube  '. 
sehen  und  findet,  dass  eine  gewisse  Aehnlichkeit  dieser  Tumoren  i  i 
sogenannten  Leichentuberkel  vorbanden  ist.    Auch  könnte  der  E 
ein  weicher  Gegenstand  eine  solche  Irritation  kaum  ausüben. 

Lewin  ist  der  Ansicht,  dass  für  einen  Leichentuberkel  de) 
Tumor  zu  weich  ist.  Zweitens  ist  derselbe  stets  trocken,  während    I 
berkel  sehr  häufig  nässen,   und  ausserdem  erzählt  der  Pat.,  da  \ 
seiner  Gollegen  dieselbe  Affection  haben. 

rV.  Ledermann.    Der  vorgestellte  Pat.  wurde  im  J.  1890  i 
und  bekam  eine  grosse  Anzahl  Einspritzungen.   1891  bekam  er  ein    i 
1892  erkrankte  er  an  einer  Iritis,  die  aber  nicht  für  specifisch  ]   i 
und  daher  nicht  antiluetisch  behandelt  wurde.    Im  April  vor.  Ja 
krankte  er  an  einem  Ulcus  gummosum  des  Unterschenkels,  das 
behandelt  wurde  und  später  im  October  wieder  recidivirte.    Am 
bemerkte  der  Kranke  plötzlich,  als    er  aufstehen   wollte,    dass 
linke  Bein  eingeschlafen  war.    Er  hatte  in   demselben  ein  Kä!    i 
und  konnte  nicht  mehr,  ohne  zu  schwanken,  gehen.  Als  L.  ihn  am  : 
Tage   sah,   musste   er  sich  auf  einen  Stock  stützen.    Der  Pate!    i 
zeigte  sich   erhöht,   besonders  links,   es  bestand  starker  Fussclo    i 
Nerven   der  oberen  Extremitäten,   des  Gesichts  und  der  Augei    i 
waren  normal ;  femer  bestand  ein  deutlich  spastischer  (rang  und  S 
und  Schmerzen  im  linken  Bein.   Auch  von  Seiten  der  Blase  und  c 
darms  waren  leichte  Störungen  vorhanden.    Es  kann   sich  also 
einen  Process  handeln,  der  in  der  Gegend  des  letzten  Dorsalnerve 
Sitz  hat.   Der  Fall  ist  ein  prägnantes  Beispiel  für  die  Spinalstöru     i 
Lues.  Die  Kranken  werden  meist  plötzlich  befallen.  Der  Pat.  hat 
Jodkali  bekommen  und   eine   Schmiercur  durchgemacht,  täglic 
Besorbinquecksilber.    Die  Erscheinungen  sind  jetzt  im  Rückga 
Pat.  ist  im  Stande,  ohne  Stock  zu  laufen,  das  Gürtelgefühl  ist  g 
den,  das  Kältegefühl  geringer,  die  Patellarreflexe  nicht  mehr 
Nebenbei  bemerkt  L.,  dass  Pat.  augenblicklich  eine  Stomatitis  ui      I 
vitis  nach  Hesorbin  hat. 


442  Verhandlungen 

Casper  fragt,  ob  die  Blasenstörungen  zurückgegangen  sind. 

Ledermann  bejaht  die  Frage. 

Isaac  fragt,  ob  der  Sitz  der  Erkrankung  genauer  zu  präcisiren  ist 
und  ob  man  annehmen  muss,  dass  mehrere  Herde  vorhanden  sind,  oder 
ob  es  sich  nur  um  die  Erkrankung  einer  Stelle  im  Rückenmark  handelt. 

Ledermann  stellt  sich  vor,  dass  durch  gummöse  Wucherungen 
in  den  Rückenmarkshäuten  eine  Gompressionsmyelitis  in  der  Gegend  des 
letzten  Dorsalwirbels  entstanden  ist. 

Isaac  weist  darauf  hin,  ob  in  derartigen  Fällen  nicht  von  vorn- 
herein die  Anwendung  grosser  Dosen  von  Mercur  vorzuziehen  sei. 

Ledermann  glaubt,  da  Pat.  jetzt  schon  eine  Gingivitis  zeigt,  bd 
grösseren  Dosen  die  Cur  noch  schneller  hätte  unterbrochen  werden  müssen. 

Y.  Heller  stellt  eine  junge  Dame  vor,  die  als  Beleg  für  den  Vortrag 
Lewin 's  über  Leucoderma  dienen  soll.  Es  handelt  sich  um  einen  Fall 
von  Leucoderma  non  specificum.  Ob  die  Patientin  augenblicklich  specifisch 
erkrankt  ist,  bleibt  dahingestellt,  jedenfalls  ist  in  der  Charite  eine  der- 
artige Erkrankung  nicht  festgestellt  worden.  Anamnestisch  gibt  die  Kranke 
an,  dass  sie  von  Kindheit  auf  an  Drüsen  gelitten  habe  und  dass  in  Folge 
eines  Thees  Geschwüre  in  der  Halsgegend  aufgetreten  seien,  von  denen 
die  jetzigen  Flecke  stammen  sollen.  H.  glaubt,  dass,,  wer  von  der  Ansicht 
ausgeht,  dass  jedes  Leucoderma  far  Lues  spricht,  auch  in  diesem  Falle 
ohne  Weiteres  die  Diagnose  auf  Lues  stellen  würde.  Es  ist  das  ein  Pa- 
rallelfall zu  dem  von  Lewin  in  seiner  Arbeit  angeführten  Fall,  bei  dem 
eine  Amme  leucodermatische  Flecke  zeigte  und  ein  Arzt  bestätigte,  dass 
dieselben  von  Jugend  an  bestanden  haben. 

Lew  in  hat  in  den  letzten  Tagen  die  Schwester  eines  Collegen 
gesehen,  die  ebenfalls  ein  ausgebreitetes  Leucoderma  non  specificnm 
zeigte.  Der  College  weiss,  dass  die  Affection  bei  seiner  Schwester  seit 
dem  8.  Lebensjahre  besteht. 

VL  Immerwahr  demonstrirt  einen  Diplococcus,  der  in  der  männ- 
lichen Urethra  bei  dem  Versuch,  Gonococcen  zu  züchten,  gefunden  wurde. 
Immerwahr  stellte  in  der  Klinik  von  Dr.  Rosenthal  zuerst  Züchtnngs- 
Versuohe  mit  menschlichem  Blutserum,  das  aus  der  Placenta  gewonnen 
war,  an.    Es  gelang  ihm  mehrfach,  auf  den  Serum- Agar-Platten  gono- 
coccenähnliche  Colonien  zu  sehen.    Dieselben   aber  zu  isoliren  und  rein 
zu  züchten,  gelang  nicht,  da  Blutserum  kaum  jemals  keimfrei  zu  erhalten 
ist.  Die  weiteren  Versuche  wurden  nach  der  Angabe  von  Menge  angestellt 
mit  steril  aufgefangener  Flüssigkeit  eines  Ovarialcystoms.   Auch  hier  sind 
die  Erfolge  bis  jetzt  negativ,   was  vielleicht  an  dem  starken  Macingehalt 
der    Cystomflüssigkeit    liegt.    Die    Untersuchungen    werden    fortgesetzt 
Dagegen  fand  sich  auf  den  Platten  ein  Diplococcus,  welcher  in  Form  und 
Farbe   seiner  Colonien  als   aucn  in  seiner  Gestalt  mit  dem  Gonococcos 
grosse  Aehnlichkeit  hat. 

Im  mikroskopischen  Präparat  des  Urethralsecrets  zeigten  sich  zahl- 
reiche Anhäufungen,  welche  wie  die  Gonococcen  um  den  Zellkern  der 
Rundzellen  lagen.   Dieser  Diplococcus  entfärbt  sich  ebenfalls  nach  Gram, 


der  Berliner  dermatologischen  Vereinigung.  443 

aber  er  wächst  auch  auf  den  gewöhnlichen  Nährböden  und  erhält  seine 
Lebensfähigkeit  länger  als  jener.  Die  isolirten  Coccen  sind  meist  etwas 
grösser  als  der  Gonococcas,  ungefähr  1  ft.  Dieser  Diplococcus  lässt  sich 
also  vom  Gonococcus  Neisser  sowie  von  den  bisher  beschriebenen  Diplo- 
coccen  von  Mannaberg ,  Steinschneider,  Petit  u.  A.  leicht 
differenziren.  Seine  (Kolonien  auf  Agar  sind  von  grauer  Farbe,  Gelatine 
verflüssigt  er  nicht  und  wächst  auf  ihr  langsam.  Derselbe  scheint  mit 
einem  von  Hugouneng  und  Eraud  im  Februar  1893  beschriebenen 
Diplococcus ,  den  dieselben  Orchiococcus  nannten ,  identisch  zu  sein. 
Diese  Autoren  behaupten,  dass  dieser  Goccus  stets  zu  finden  sei,  wenn 
später  Epididymitis  zur  Gonorrhoe  hinzutritt;  nothwendig  sei  aber  das 
Eintreten  derselben  nicht.  Experimentell  konnten  sie  durch  Einspritzen 
einer  Reincultur  in  den  Hoden  eines  Hundes  Orchitis  erzengen.  Auch 
das  Toxalbnmin  des  Goccus  haben  sie  dargestellt  und  mit  demselben  noch 
stärkere  Wirkungen  als  mit  der  Reincultur  erzielt.  I.  hat  in  zwei  Fällen 
von  Epididymitis  den  sog.  Orchiococcus  im  Urethralsecret  ebenfalls 
gefunden.  Ob  sich  bei  dem  Pat.,  von  dem  die  demonstrirten  Goccen 
stammen,  eine  Epididymitis  eingestellt  hat,  kann  I.  nicht  angeben. 

Casper  kann  sich  nicht  davon  überzeugen,  dass  es  sich  um  einen 
neuen  Diplococcus  handelt.  Dass  gelegentlich  ein  Paar  Goccen  neben 
einander  liegen  und  einen  Diplococcus  bilden,  kommt  häufig  vor,  das 
Charakteristische  des  Diplococcus  ist  aber,  dass  er  sich  immer  und  immer 
wieder  zu  zweien  zeigt.  Auf  ihn  machen  die  demonstrirten  Coccen  den 
Eindruck  von  Staphylococcen.  Gram  hat  ebenfalls  einen  Diplococcus 
beschrieben,  der  sich  nach  seiner  (Gram's)  Methode  entfärbt,  soweit 
C.  bekannt  ist.  Mit  der  Farbe  hat  es  überhaupt  eine  eigenthümliche 
Bewcmdtnis,  da  es  sehr  viel  darauf  ankommt,  was  für  Licht  auf  das  betr. 
Object  fallt.  Er  glaubt,  derartige  Diplococcen  schon  sehr  häufig  gesehen 
zu  haben. 

Rosenthal  erwähnt,  dass  der  Diplococcus,  wenn  er  in  Haufen 
liegt,  nicht  zu  erkennen  ist ;  erst  durch  Zusatz  von  einem  Tropfen  Wasser 
gelingt  es  häufig,  erst  die  Haufen  zu  trennen  und  die  Anordnung  zu 
zweien  zu  erkennen. 

Heller  fragt,  wie  Immerwahr  nachgewiesen  hat,  dass  die 
Goccen,  die  in  den  Zellen  lagen,  die  Orchiococcen  seien. 

Immerwahr  glaubt  in  der  Grösse  und  der  Form  den  Unterschied 
erkannt  zu  haben. 

Casper  meint,  dass  die  Diplococcen  immer  als  solche  zu  differen- 
ziren sein  müssten.  In  dem  demonstrirten  Präparat  scheinen  dieselben 
aber  stets  in  Haufen  bei  einander  zu  liegen. 

Immerwahr  betont,  dass  man  höchstens  daran  denken  könnte, 
dass  in  dem  Präparat  noch  ausserdem  Staphylococcen  vorhanden  seien, 
aber  von  diesen  sieht  ein  Goccus  ans  wie  der  andere;  dieselben  sind 
traubenformig  zusammengeballt,  während  hier  die  Goccen  isolirt  sind. 

Vn.  Discussion  über  den  Vortrag  von  L  e  w  i  n :  Ueber  Leucoderma. 


444  Verhandlungen 

Isaac  betont,  dass  in  der  That  Fälle  vorkommen,  wo  das  Leaco- 
derma  sich  zeigen  kann,  ohne  dass  die  betreff.  Person  vorher  Syphilis 
gehabt  hat,  dass  aber  ein  nicht  syphilitisches  Leacoderma  einen  grund- 
verschiedenen Charakter  von  dem  syphilitischen  Leacoderma  zeigt.  Zu- 
nächst zeigt  letzteres  stets,  wie  alle  syphilitischen  Hauterkrankungen  eine 
bilaterale  Sjrmmetrie  und  eine  bestimmte  kreisförmige  Anordnung.  Er 
erinnert'  sich  an  Fälle,  die  man  sofort  als  Yitiligo  erkennen  konnte:  Die 
Schattirung  war  eine  andere,  die  weissen  Flecke  zeigten  keine  Ringform. 
Als  diagnostisches  Hilfsmittel  kann  aber  das  Leucoderma  nicht  entbehrt 
werden,  und  die  Form  desselben  differential-diagnostisch  verwerthet  werden. 

Rosenthal  erwähnt,  dass  der  Vortrag  von  Lewin  in  gewisser 
Beziehung  neue  Gesichtspunkte  eröffnete  und  Veranlassung  gibt,  die  Unter- 
suchungen auf  diesem  Gebiete  fortzusetzen.  Aber  das  steht  fest,  dass  man, 
sobald  ein  Leucoderma  vorhanden  ist,  an  Syphilis  denken  moss  und  eine 
genauere  Untersuchung  des  betreff.  Patienten  vorzunehmen  hat.  Was  aber 
den  vorgestellten  Fall  Hei  1er 's  betrifft,  so  kann  derselbe  nicht  als  ein 
beweiskräftiges  Paradigma  für  ein  nicht  specifisches  Leucoderma  angesehen 
werden.  Hier  sind  deutlich  Narben  sichtbar,  also  ist  es  kein  reines  Leuco- 
derma und  ist  der  Fall  in  dem  besprochenen  Sinne  daher  nicht  zu  ver- 
werthen. 

Heiler  hat  selbst  hervorgehoben,  dass  an  einzelnen  Stellen  kleine 
Karben  vorhanden  sind.  £r  hat  den  Fall  nur  vorgestellt,  weil  von  niclit- 
specialistischer  Seite  auf  das  Leucoderma  aussergewöhnlicher  Werth  ge- 
legt worden  ist  und  auf  dieses  Symptom  allein  die  Diagnose  gestellt 
wurde.  Femer  erwähnt  H.  ein  8j  ähriges  Mädchen  aus  seiner  Praxis,  welches 
durch  ein  Stuprum  mit  schwerer  Lues  inficirt  wurde  und  am  Halse  ein 
ausgesprochenes  Leucoderma  zeigte,  das  drei  deutliche  Zonen  unterscheiden 
Hess.  In  der  Mitte  war  ein  kleiner,  rother  Fleck,  daran  schloss  sich  ein 
pigmentarmer  Kranz  und  um  diesen  herum  war  erst  die  normale  Haut 
sichtbar. 

Ledermann  fuhrt  zum  Beweise,  dass  man  jeden  Fall  mit  Leuco- 
derma genau  untersuchen  muss,  einen  Fall  aus  Breslau  an,  bei  dem  ein 
junges  Mädchen  ein  ausgeprägtes  Leucoderma  ohne  sonstige  Erscheinungen 
zeigrte.  Erst  bei  der  Untersuchung  per  vaginam  fand  sich  eine  Plaque 
muqueuse  an  der  Portio. 

Rosenthal  glaubt,  dass  Farbennuancen,  wie  sie  Heller  erwähnt 
hat,  an  denjenigen  Stellen  sichtbar  sind»  wo  das  Leucoderma  sich  ans 
speciffschen  Exanthemen  entwickelt. 

Heller  hat  darauf  geachtet  und  am  Hals  des  betreft  Kindes  kein 
specifisches  Fleckchen  entdecken  können. 

Lewin  betont  nochmals  die  absolute  Genauigkeit  seiner  Unter^ 
suchungen  und  bestreitet  die  Ansicht  Isaac^s  über  das  bilateral  symme- 
trische Auftreten  syphilitischer  Exantheme.  Femer  stimmt  aach  die  Be- 
schreibung Isaac's  vom  Leucoderma  nicht  mit  derjenigen  aberein,  die 
sich  in  der  Literatur  vorfindet.  Die  von  ihm  als  mit  nicht  syphylitischem 
Leucoderma  bezeichneten  Patienten  sind  auch  von  vielen  anderen  Collegen 


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Venerische  Krankheiten, 

(Redigirt  von  Prof.  Neitfser  und  Primararzt  Jadassohn  in  Breslau.) 


Syphilis.    Allgemeiner  Theil. 

1.  Döble.  Zur  Aetiologie  von  Masern,  Pocken,  Scharlach  und  Syphilis. 
Centralbl.  für  Bakt.  u.  Parasitenk.  1892.  Bd.  5. 

2.  Jelka,  J.  T.  The  antiquity  of  syphilis  and  Moses  as  a  health  officer. 
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3.  Buret.  I.  La  syphilis  ä  Hercnlanum  et  ä  Pompei.  U.  Le  syphilococ- 
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4.  Westmoreland.  Syphilis  from  a  sociological  standpoint.  The  Journal 
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5.  Ledermano,  R.  Die  Syphilis  im  wirthschaftlichen  Leben.  Allgem. 
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6.  Syphilis,  nourrisson,  nourrice  et  Assistance  publique.  La  Province 
mMicale.  18.  April  1893.  Nr.  11,  p.  131. 

7.  Dazenko,  A.  N.  Die  Syphilis  im  Sjenkow'schen  Kreise  des  Goaver- 
nements  Poltawa.  Wratsch  1892.  Nr.  46,  p.  1162. 

8.  Stellwagon,  H.  Notes  from  ten  years  service  at  the  Philadelphia 
dispensary  for  skin  diseases.  Med.  news.  Nr.  1058.  22.  April  1898,  p.  433. 

9.  Heller,  J.  Die  Sj'philisforschung  im  Jahre  1891.  Der  ärztliche  Prak- 
tiker 1892.  Nr.  31.  (Zusammenfassender  Bericht.) 

10.  Lesser.  Die  Aetiologie  der  tertiären  Syphilis.  Corr.-BL  der  Schweizer 
Aerzte.  2.  1893. 

11.  lla§llllld,  A.  Ueber  die  Entstehung  der  tertiären  Syphilis.  Ein  klis. 
Vortrag.  Monatsh.  f.  prakt.  Dermat,  Bd.  XVI.  Nr.  3. 


der  Syphilis.  447 

12.  Casipaiia.  Suir  infiltrazione  ilogistica  in  trat ti  di  cate  ^pparentemente 
sani  nelle  vicinanze  del  sifiloma.  R.  Acad.  med.-chir.  di  Genova. 
5.  Juni  1893.   Gazzetta  degli  Ospitali.   10.  Juni  1893.   Nr.  69,  p.  734. 

13.  Paul.  Attenuation  de  la  Syphilis.  Le  Mercredi  medical.  1899.  XXXI. 

14.  Gold|  Leo  G.  Sjrphilis  insontium.  Yujno  -  Rüsskaia  Medit.  Klinskaia 
Gazeta.  1893.  Nr.  4.  Ref.  The  St.  Louis  Med.  and  Surg.  Joom.  Mai  1898. 

15.  Duncan  Bulkley.  Syphilis  insontium.  A  plea  for  the  restriction  of 
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16.  Greffter.  Syphilis  acquise  de  Penfance.  La  France  medic.  1893.  Nr.  14. 

17.  Panly.  Reinfection  syphilitique.  Societe  des  sciences  medicales  de  Lyon. 
Jonm.  des  mal.  cut.  et  syph.  1892,  p.  844. 

18.  Pawlow,  P.  Ein  Fall  von  Reinfectio  syphilitica.  Med.  Obosrenje. 
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19.  Stoakowenkoff.  Ueber  syphilitische  und  mercurielle  Chloranämie. 
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20.  Klein.  Secundäre  pemiciöse  Anämie  nach  Syphilis.  E.  k.  Gesellschaft 
der  Aerzte  in  Wien.  Bericht  Deutsche  med.  Zeitung.  1891,  p.  417. 

21.  Fisichella,  Yincenzo.  Ricerche  ematopatologiche,  nella  sifilide  precoce, 
in  rapporto  alP  azione  antisifilitica  del  Mercurio.  Gazzetta  degli  ospi- 
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22.  Rille.  Ueber  morphologische  Veränderungen  des  Blutes  bei  Syphilis 
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23.  Zappert,  J.  Ueber  das  Vorkommen  der  eosinophilen  Zellen  im  mensch- 
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25.  Augagneur.  Syphilis  und  Schwangerschaft.  Province  med.  1892. 
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26.  Wallieb.  De  Pavortement  dans  la  Syphilis.  Höpital  Saint-Louis, 
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madaire  de  Medecine  et  de  Chirurgie.  28.  Oct.  1893.  Nr.  43. 

27.  Brousse.  Un  cas  de  syphilis  maligne  precoce.  Annales  de  Derm.  et 
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28.  RousseJ.  A  case  of  malignant  syphilis  resulting  in  death.  Medical 
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29.  Forhmato.  Sur  un  cas  de  syphilis  tertiaire  precoce,  Giorn.  medic. 
del  reale  eseroitio.  April  1892.  Ref.  im  Journ.  des  mal.  cut.  et  syph. 
1892,  p.  569. 

30.  Lewlii,  G.  Dämons tration  von  3  Fällen  von  tertiärer  Lues.  (Multiple 
Gummata,  Aplasie  der  Zungenbalgdrüsen,  hereditäre  Lues).  Berliner 
med.  Gesellschaft.  20.  Juli  1892. 

31.  Ljfdston.  La  syphilis  dans  ses  rapports  avec  la  guerison  des  lesions 
chirurgicales.  Medical  News.  26.  Dec.  1891.  Ref.  im  Journ.  des  mal. 
cut.  et  syph.  1892.  Nr.  4,  p.  210. 


448  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

32.  Willtoois.  The  combination  of  Byphilis  and  tubercolosit,  eapecially 
in  regard  to  laryngeal  affections.  The  Bristol  medioo-chimrg.  jonnud. 
Vol.  XI.  Nr.  41.   Sept.  1893. 

33.  Irsai.  Gleichzeitiges  Vorhandensein  von  Syphilis  und  Tubercnlose  im 
Kehlkopfe.  Orvosi  hetilap.  1891.  Nr.  46. 

34.  8traiiM  et  TeMler.  De  Pemploi  de  la  tnbercoline  comme  agent 
rev^latenr  de  U  Syphilis.  Le  Mercredi  Medical.  1893.  XXXU. 

35.  Thomer,  Eduard.  Ein  Fall  von  Taherculinbehandlung  eines  an  Sy- 
philis und  Tuberculose  leidenden  Kranken.  Deutsche  med.  Wochen- 
schrift. 1892,  p.  587.  Nr.  25. 

36.  Krim,  J.  H.  Gase  of  Syphilis  and  Typhoid  Fever.  The  Medical  and 
Surgical  Reporter.  Vol.  LXVIII.  Nr.  15. 

37.  Cofftn.  Syphilides  et  Pmrit.   Mercredi  medical.  Nr.  42.  18.  Oct  1893. 

38.  Cantrell,  J.  A.  Psoriasis  and  Syphilis.  The  Philadelphia  Policlinic. 
Januar  1893. 

39.  Hornitz.  Antagonisme  apparent  entre  les  germes  de  Terysipele  et 
ceux  de  la  syphilis.  Philadelphia  med.  News  et  Canadian  Practitioner. 
Ref.  im  Joum.  des  mal.  cut.  et  syph.  1892,  p.  306. 

40.  Lang.  Syphilis  u.  Eklampsie.  Archives  de  Tocologie.  1892.  Nr.  11. 
Ref.  The  American  Jonmal  of  the  Medical  Sciences.  Vol.  CV.  Nr.  2. 
Febr.  1893.  Nr.  250. 

41.  Zelsler,  J.  The  relations  of  lymphatic  glands  to  Syphilis.  The  North 
American  Practitionner.  1893.  März. 

42.  €aru§i.  (Naples  1891.)  Manifestation  tardive  de  la  syphilis.  Gas  rare 
de  lymphome  tertiaire  gommeuz.  Ref.  im  Journal  des  maladies  cntanees 
et  syphilitiques.  1892.  Nr.  1,  p.  33. 

43.  Tchaguine.  Neoplasme  pris  pour  one  affection  spMfiqae.  Societe 
russe  de  Syphiligr.  et  de  Dermatolog.  28.  Gct.  1891.  Joum.  des  mal. 
cut.  et  syph.  1892.  Nr.  3,  p.  142. 

(1)  Nachdem  Dohle  im  Blute  von  Masemkranken  Parasiten  gefun- 
den hatte,  die  er  für  die  Erreger  der  Masern  hielt,  untersuchte  er  in  der- 
Belben  Weise  Fälle  von  Scharlach,  Pocken  und  Syphilis.  Als  Resultat  seiner 
Untersuchungen  bei  Syphilis  theilt  er  Folgendes  mit:  Er  untersuchte 

1.  Das  Secret  von  4  frischen  syphilit.  Primäraffecten, 

2.  bei  3  todtgeborenen  Kindern  mit  congenitaler  Lues  den  Saft  der 
diffus  interstitiell  erkrankten  Lebern, 

3.  von  einem  bald  nach  der  Oeburt  verstorbenen  Kinde  den  Saft 
von  Leber-  und  Lungengumma  und  den  Inhalt  von  Pemphigusblasen. 

Abgesehen  von  nicht  charakteristischen  Bakterien,  die  sich  in  den 
frischen  Geschwuren  sehr  reichlich,  im  Safte  der  Lungengummen  sehr 
spärlich  fanden,  sah  der  Verf.  Protozoen  sehr  reichlich  in  den  frischen 
Geschwüren  und  dem  Safte  der  Lebergummen,  spärlich  in  dem  der  Lungen- 
gummen, ziemlich  reichlich  im  Inhalt  der  Pemphigusbläschen. 

In  Bezug  auf  die  genaue  Beschreibung  muss  auf  das  Original  verwiesen 
werden.  Es  handelt  sich  um  '/,  m  bis  4  /«  grosse  (Zeiss  V„  Immers.  Ocul.  2) 
theils  von  kugliger,  theils  ovaler  Gestalt  z.  Th.  sehr  beweglich;  bei  den 


der  Syphilis.  449 

grössten  lässt  sich  eine  darch  Gontraction  des  Protoplasmas  zu  Stande 
kommende  Gestaltsveranderang  nachweisen;  im  Innern  des  deutlich  ge- 
körnten Protoplasmas  findet  sich  zaweilen  eine  helle  vacnolen&hnliche 
Stelle.  Zar  Färbung  empfiehlt  der  Verf.  Anilinwasser- Safiraninlösung  oder 
Methylenblaulösung  in  saurem  schwefelsaurem  Kali. 

Auch  in  Schnitten  von  excidirten  Sclerosen,  Hoden-  und  Lebergum- 
men,  Pemphigusblasen  bei  congenitaler  Lues  hat  der  Verf.  die  von  ihm 
als  Protozoen  angesprochenen  Körper  stets  gefunden  und  er  hält  diese  be- 
weglichen Protoplasmakörperchen  für  verschiedene  Entwicklungsstadien 
eines  parasitären  Protozoen  —  des  Erregers  der  Syphilis.  Lasch. 

(2)  Dass  die  Syphilis  sich  bis  in  die  ältesten  Zeiten  verfolgen  lässt, 
geht  nach  Jelps  aus  einer  Reihe  von  Thatsachen  hervor.  So  fuhrt  J. 
aus  den  Forschungen  Buret's,  die  dieser  an  den  assyrisch-babylonischen 
Keilschrifttafeln  des  britischen  Museums  gemacht  hat,  die  Krankheitsge- 
schichte Nimrods  an,  womach  dieser  wegen  seiner  ihm  von  der  Göttin 
der  sündhaften  Liebe  zugefugten  Leiden  zum  Gott  der  Unterwelt  gepilgert 
und  dem  Fährmann  zur  Heilung  mit  folgenden  Worten  übergeben  sei  »Der 
Körper  dieses  Mannes  ist  mit  Pusteln  überdeckt  und  Schuppen  haben  die 
Schönheit  dieses  Mannes  verändert. .  .  Kimm  ihm  seine  Häute  fort.  .  . 
Die  Bedeckung  seines  Hauptes  sovrie  seiner  Schamtheile  lasse  erneuern, 
damit  er  verjüngt  in  seine  Heimat  zurückkehre."  Diese  Schilderung  des 
Körpers  Nimrod^s  widerholt  sich  noch  mehrmals.  J.  glaubt,  Buret  zu- 
stimmen zu  müssen,  dass  man  dabei  wohl  nur  an  eine  syphilitische  Er- 
krankung denken  könne. 

Femer  bezieht  J.  mit  Buret  in  der  biblischen  Erzählung,  dass 
Gott  Pharaos  Haus  um  Sarah  willen,  mit  der  er  in  Verkehr  getreten  war, 
mit  grosser  Plage  heimsuchte,  auf  Lues,  die  Pharao  auf  seine  anderen 
Frauen  und  diejenigen  seiner  Officiere  übertragt,  welche  Letztere  sie  weiter 
verbreiteten.  Derselbe  Vorgang  wie  bei  Pharao  wiederholt  sich  im  Ver- 
kehre Abimelechs  mit  Sarah.  Auch  dieser  wird  von  Lues  danach  befallen 
und  überträgt  sie  auf  die  Königin  und  seine  Concubinen.  Nach  Gap.  XX 
der  Genesis  heilte  Gott  den  König,  seine  Frau  und  Mägde,  so  dass  sie 
wieder  gebären  konnten.  Da  auch  Sarah  erst  im  späteren  Alter  ihre 
Sterilität  verlor,  glaubt  J.,  dass  die  Sterilität  all  dieser  Frauen  wohl  durch 
Lues  bedinget  gewesen  sei.  Ebenso  bezieht  J.  mit  Buret  in  der  biblischen 
Erzählung  die  Erkrankung  Davids,  nachdem  er  das  Weib  des  Uriah  hei- 
ratete, sowie  den  frühen  Tod  des  aus  dieser  Ehe  geborenen  Kindes  —  7 
Tage  nach  der  Geburt —  auf  Lues.  Auch  die  Klagen  Davids  in  den  Psalmen, 
Tag  und  Nacht  wüthen  Schmerzen  in  seinen  Gebeinen,  Geschwüre  trage 
er  seiner  Sünden  willen,  die  ihm  zum  Gespötte  der  Menschen  machen,  nichts 
Heiles  sei  an  seinem  Körper,  das  Licht  seiner  Augen  schwinde  und  dgl.  m. 
seien  keine  poetischen  Metaphern,  sondern  deuten  auf  syphilitische 
Dolores  osteocopi  nocturni,  ulceröse  Hautsyphilide,  syphilit.  Iritis  im  Allge- 
meinen und  durch  Lues  entstandene  Kachexie.  Auch  die  in  den  Sprüchen 
Salomonis  geschilderten  Wirkungen  des  Umganges  mit  feilen  Dirnen, 
dessen  Folgen  bitter  wie  Wermuth  und  scharf  wie  ein  zweischneidiges  Schwert 

ArchiT  f.  DsnnAtol.  n.  Syphil.  Band  XXVII.  20 


450  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

und  dessen  Ende  die  Zerstörung  des  Körpers  seien,  sowie  die  in  Cap. 
XIX  den  Ecclesiasten  untergelegten  Spruche,  die  gleichfalls  dem  König  Sa- 
lomo  zugeschrieben  werden  und  in  denen  es  heisst,  dass  der  Umgang  mit 
Prostituirten  den  Menschen  unrein  mache,  ihn  dem  Brand  und  den  Würmern 
überliefere,  sowie  ihn  zum  abschreckenden  Beispiel  mache,  werden  in 
derselben  Weise  von  J.  auf  Lues  bezogen.  Der  Vers  des  Leviticus,  Cap. 
Xm  „Wenn  ein  Geschwür  in  der  Haut  oder  im  Fleisch  entsteht  und  nach 
der  Heilung  eine  röthliche  Narbe  entsteht**,  deutet  nach  J.  zweifellos  auf 
die  Bekanntschaft  mit  syphilitischen  Geschwüren.  Unter  den  Ursachen,  die 
in  der  biblischen  Zeit  die  Syphilis  verbreiten,  war  es  hauptsachlich  der 
Baal-  oder  Baal-Peordienst,  ein  Analogon  des  Priapus-  und  PhaUusdienstes 
der  Römer  und  Asiaten  und  unter  den  Stämmen,  bei  welchen  in  jener 
Zeit  die  Baal-Peor-Seuche  besonders  vorkam,  waren  die  Moabiter  und 
Midianitcr.  Daher  griff  Moses  nach  dem  Siege  über  Letztere  zu  dem  radicalen 
Mittel,  alle  der  Seuche  Verdächtigen  hinrichten  zu  lassen.  Von  den  Bibel- 
stellen, welche  J.  auf  Lues  deutet,  führt  er  noch  folgende  an: 

„Der  Herr  wird  den  Scheitel  der  Häupter  kahl  werden  oder  das  Haar 
ausfaUen  lassen.**  Das  Ansehen  des  Antlitzes  spricht  gegen  sie,  sie  offenbaren 
ihre  Sünde  und  können  sie  nicht  verhehlen.  Der  Herr  wird  sie  mit  Ge- 
schwüren bedecken  vom  Scheitel  bis  zur  Sohle.  „Der  Herr  will,  dass  deine 
Geschwüre  wachsen  und  du  sie  deinen  Nachkommen  überlieferst.**  In  diesen 
Versen  ist  nach  J.  Alopecia  syphilitica,  pustulöse,  ulceröse  und  hereditäre 
Lues  deutlich  markirt. 

Aus  dem  Werke  Dabry's  fuhrt  J.  nach  Buret  weiterhin  an, 
dass  in  China  schon  2700  Jahre  a.  C.  Lues  geherrscht  hat,  und  dasa 
auch  Mercur  als  Heilmittel  dort  allgemein  seit  jener  Zeit  in  Ge- 
brauch ist. 

Alles  in  Allem  kann  man  sagen,  dass  die  Syphilis,  wie  noch 
heute,  ein  treuer  Begleiter  der  Prostitution  stets  und  überall  vrar. 

Buret  verfolgt  die  Lues  aber  noch  viel  weiter  und  behauptet,  dass 
man  an  den  beit  6000  Jahren  Begrabenen,  die  man  in  den  Gräbern  in 
Frankreich  oder  in  denen  der  Inka's  in  Amerika  findet,  durch  die  Exo- 
stosen an  den  Arcus  superciliares  und  den  Tubera  frontalia  und  pari- 
etalia  und  an  der  Tibialkante  noch  jetzt  die  einstmalige  Lues  dia- 
gnosticiren  kann. 

Zum  Schluss  feiert  J.  Moses  in  beredten  und  begeisterten  Worten 
als  den  grössten  Sanitätsbeamten,  der  durch  seine  genauen  und  pein- 
lichen Vorschriften  ein  staunenswerthes  Mass  von  Verständniss  und  ernstem 
und  kräftigem  Wollen  in  der  Bekämpfung  der  verderblichen  Seuche  be- 
wiesen habe.  Loeser. 

(3)  Buret  will  durch  zwei  zu  Herculanum  und  Pompeji  gefundene 
Inschriften  beweisen,  dass  die  Syphilis  mit  ihren  Folgen  und  Krankheits- 
erscheinungen den  Römern  der  damaligen  Zeit  schon  bekannt  und  bei 
ihnen  verbreitet  gewesen  sei.  —  In  dem  zweiten  Artikel,  den  er  sehr 
richtig  mit  den  Worten:  „Nihil  sub  sole  novum**  schliesst,  bringt  Buret 
den  Beweis,  dass  schon  Ullrich  von  Hütten,  genauer  aber  erst  Blankard, 


der  Syphilis.  451 

ein  Holländischer  Arzt,  im  Jahre  1684  an  die  Thiematar  (wir  sagen  heate 
Bakteriennatur)  des  syphilitischen  Virus  dachten  und  dass  man  faktisch 
im  Jahre  1762  glaubte,  diese  Wesen,  die  man  Syphilococcen  nannte,  mit 
Hilfe  des  Mikroskops  gefunden  zu  haben.  Paul  Neisser. 

(4)Westmoreland  macht  aufmerksam  auf  die  grosse  Gefahr  der 
extragenitalen  Infection  mit  Lues.  Koch. 

(5)  Ledermann  bespricht  die  Bedeutung  der  Syphilis  für  das 
wirthschaftliche  Leben  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Prophylaxis 
und  Therapie.  Verf.  geht  ausfuhrlich  auf  die  T dpi y 'sehen  Untersuchungen 
und  die  Fournier'sche  Arbeit  ein.  Die  Arbeit,  welche  im  Wesentlichen 
für  den  praktischen  Arzt  geschrieben  ist,  beschäftigt  sich  dann  mit  der 
kindlichen  Syphilis,  deren  Behandlung  etc.  Zum  Schluss  bespricht  Verfasser 
die  Behandlung  der  Syphilis,  welche  er  nach  dem  Fournier-Neisser- 
schen  Princip  ausgeführt  wissen  will.  Galewsky. 

(6)  Die  „Province  m^dicale^  theilt  einen  Fall  mit,  in  welchem 
von  der  „Assistance  publique''  ein  auf  Syphilis  nicht  untersuchtes,  aber 
dieser  Erkrankung  verdächtiges  Kind  einer  bis  dahin  gesunden  Amme 
übergeben  wurde.  —  Nachdem  diese  durch  das  Kind  zweifellos  syphilitisch 
angesteckt  war,  wurde  die  „Assistance  publique**  zu  7000  Fr.  Schadener» 
satz  verurtheilt;  gewiss  endlich  ein  nachahmenswerthes  Vorgehen. 

Jadassohn. 

(7)  Dazenko  verfugt  über  651  von  ihm  selbst  beobachtete  Fälle,  da- 
von waren  53 V^  Syph.  g^mm.,  35*187o  Syph.  secnnd.,  8'44%  Syph.  hered. 
tarda  (D.  stellt  eine  Begründung  dieser  Diagnose  in  einer  Specialarbeit 
in  Aussicht),  0*61  Syph.  hered.  secundaria,  Primärsklerosen  1'38%.  Nach 
der  Statistik  des  Verf.  sind  im  Bauernstande  daselbst  die  Kinder  die 
Infectionsvermittler.  Von  seinen  229  Fällen  von  S.  secundaria  sind  56 
Kinder  bis  zu  5  Jahren,  28  5 — 10  Jahre,  21  10 — 15  Jahre  alt.  Die  Kinder 
inficiren  sich  gegenseitig  beim  Spielen,  auch  die  meist  8 — 13  Jahre  alten 
Wärterinen  tragen  oft  Syph.  in  die  Familien.  In  einem  Fall  erfolgte  die 
Infection  durch  Schutzpockenimpfung.  Die  Zahl  der  an  Syphilis  leidenden 
Frauen  übersteigt  die  der  Männer  (56,77«  •  ^^t^Vt)*  "was  sich  durch  die 
Beschäftigung  mit  den  inficirten  Kindern  erklärt.  Um  den  schädigenden 
£influs8  der  Syphilis  auf  die  Fruchtbarkeit  zu  zeigen,  hat  D.  56  tertiär- 
luetische Frauen  ausgefragt,  den  Zahlen  stellt  er  die  von  56  gesunden 
Frauen  gegenüber. 

56  Gesunde  gebaren  429  Mal,  am  Leben  sind  214  Kinder,  Aborte 
nnd  Todtgeborene  16. 

56  Syphilitische  gebaren  213  Mal,  am  Leben  sind  71  Kinder, 
Aborte  xmd  Todtgeborene  40.  Strauch. 

(8)  Von  280  Luesfallen  Stellwagon's  befanden  sich 

im  Alter  von  15  bis  20  Jahren:  23 


»  20  „  30 

n 

98 

«  80  „  40 

II 

79 

„  40  „  50 

» 

48 

über  50  Jahren 

13. 

29* 


452  Bericht  über  die  Leistungen  aaf  dem  Gebiete 

Bei  den  mit  Spatsyphilis  Behafteten  handelte  es  sich  54  Mal  um 
tuberöse,  61  Mal  nm  tnbero-nlceröse,  8  Mal  nm  gummöse,  1  Mal  um  ve* 
getirende  Hautaffeotionen.  Der  Sita  der  Spätsyphilis  war  43  Mal  im  Ge- 
sicht, 30  Mal  an  den  Beinen,  16  Mal  an  den  Armen,  9  Mal  an  den  Händen, 
7  Mal  am  Rumpf,  4  Mal  an  der  Kopfhaut,  3  Mal  am  Nacken,  1  Mal  je 
an  den  Füssen,  den  Flachhänden  und  Fusssohlen,  17  Mal  an  zwei  oder 
mehreren  Theilen.  In  3  Fällen  pnstulöser  Lues  war  dieselbe  maligne.  Die 
meisten  der  Spätluetiker  waren,  soweit  eine  genaue  Anamnese  möglich 
war,  in  der  ersten  Zeit  der  Infection  nachlässig  oder  nur  kurze  Zeit  be- 
handelt Die  Behandlung  der  Spatlues  bestand  in  Anwendung  von  Hg. 
sugleieh  mit  JK,  oder  wo  dieses  nicht  vertragen  wurde,  JNa  und  JAm. 
Die  Combination  von  Hg  mit  den  Jodsalzen  wirkte  besser  als  JK  allein. 
Ausnahmsweise  war  ein  roborirendes  Verfahren  mit  Leberthran  und  Eisen- 
präparaten erforderlich,  bevor  eine  specifische  Behandlung  erfolgreicii 
wirken  konnte.  Loeser. 

(9)  Heller.  Zusammenfassender  Bericht. 

(10)  Lesser  stellt  cunächst  den  Begriff  der  tertiären  Syphilis  fesU 
Es  handelt  sich  um  Erscheinungen  circumscripter,  unsymmetrischer  Art, 
keine  universellen  Eruptionen.  Heilung  in  der  Regel  mit  Subatanzverlnsü 
Bei  der  Aetiologie  der  tert.  Lues  vulgaris  kommen  2  Fragen  in  Betracht 

1.  In  wie  vielen  Fällen  von  Syphilis  treten  tertiäre  Erscheinungen 
auf?  Zur  Beantwortung  dieser  Frage  fehlt  es  an  einer  genügenden  Statistik. 

2.  Wie  gestaltete  sich  der  Verlauf  der  Fälle  mit  tertiären  Erschei- 
nungen in  der  secundären  Periode?  Die  Erfahrung  der  besten  Syphilis- 
kenner geht  dahin,  dass  es  sich  meist  um  Fälle  handelt,  die  in  der  See- 
Periode  unbedeutende  Erscheinungen  boten  und  gar  keine  oder  ungenügende 
mercurielle  Behandlung  genossen  haben.  Nach  einer  Statistik  von  Has- 
lund,  die  5U  Fälle  tertiärer  Syphilis  umfasst,  traf  das  in  867.  der 
Fälle  zu. 

Bei  der  Beantwortung  der  Frage  nach  den  näheren  Ursachen  der 
tert.  Eruptionen  bespricht  Verf.  die  Hypothese  Lang's,  nach  welcher  die- 
selben auf  der  Entwicklung  von  Krankheitskeimen,  die  aus  der  secundären 
Periode  hie  und  da  zurückgeblieben  seien,  beruhen.  Diese  Hypothese  würde 
das  regionäre  Auftreten,  das  Auftreten  nach  Trauma  erklären ;  gegen  sie 
spricht  die  enorme  Länge  der  Latenzperioden  zwischen  Aussaat  der  Keime 
und  Ausbruch  der  Tertiärerscheinungen.  Sodann  wird  die  Hypothese 
Finger 's  besprochen,  die  einen  Unterschied  statuirt  zwischen  den  Wir- 
kungen der  Bacillen  selbst  (Secundärperiode)  und  deren  Stoffwechselpro- 
ducten  (Tertiärerscheinungen).  Zum  Schluss  erinnert  Verf.  an  die  eminente 
Wichtigkeit  der  intermittirenden  Quecksilberbehandlung  in  der  Secondär- 
Periode,  da  wie  erwiesen,  zumeist  unbehandelte  Fälle  den  Gefahren  der 
tertiären  Lues  ausgesetzt  sind.  Stein. 

ai)  Nach  einigen  einleitenden  Worten  über  die  Begriffe  „secundäre" 
und  „tertiäre**  Syphilis,  wie  sie  von  Ricord  ursprünglich  aufgefasst 
wurden  und  wie  sie  jetzt  gebraucht  werden,  wirft  Haslund  die  Frage 
auf:    „Ist  unbedingt  nöthig,   dass  jedermann,   der  Syphilis   acquirirt  hat. 


der  Syphilis.  453 

auch  das  tertiäre  Stadium  durokmaehen  muss?^  Diese  Frage  beantwortet 
H  aal  und  mit  „Nein.*'  Nach  seiner  Statistik,  die  sich  über  die  Jahre 
1882--92  erstreckt,  erkrankten  von  6864  Patienten  an  tertiärer  Syphilis 
454  Männer  und  887  Frauen,  insgesammt  also  791,  d.  i.  12,47a*  »Ist  es 
nnmöglich,''  fragt  Verf.  weiter,  „bei  den  einzelnen  F&Uen  im  Yoraos  zu 
erkennen,  ob  sich  tertiäre  Erscheinungen  einstellen  werden  oder  nicht?  ^ 
Nach  den  Symptomen  der  Krankheit  kann  man  dies  nicht  beurtheilen, 
dagegen  finden  sich  bei  den  Individuen  selbst  Verhältnisse,  die  eine  sehr 
grosse  Hilfe  zur  Beantwortung  dieser  Frage  gewähren.  Der  Zeitpunkt  des 
Erscheinens  der  tertiären  Syphilis  nach  der  Infection  variirt  von  wenigen 
Monaten  bis  mehreren  Jahrzehnten.  Die  bevorzugte  Zeit  ist  indessen 
das  2.-4.  Jahr.  Verf.  theilte  seine  791  Fälle,  um  sieh  eine  bestimmtere 
Idee  von  den  Ursachen  der  tertiären  Syphilis  zu  bilden,  in  3  Classen, 
nämlich  Ä.  diejenigen  Syphilisfalle,  die  vorher  nicht  specifisoh  behandelt 
worden  sind;  B.  diejenigen,  bei  denen  eine  Behandlung  im  secundären 
Stadium  vorgenommen,  aber  mangelhaft  ausgeführt  wurde,  sei  es, 
dass  sie  von  zu  kurzer  Dauer  war  oder  zu  spät  im  Verlaufe  der  Krank- 
heit angefangen  wurde;  C.  Patienten,  die  früher  durch  mehrmalige 
Anwendung  von  Quecksilber  und  von  Jodkalium  oder  Decoct.  Sarsa- 
parillae  zweckmässig  behandelt  worden  sind.  In  die  Gruppe  A  gehören 
111  Männer  und  120  Frauen;  in  die  Gruppe  B  284  Männer  und  177  Frauen; 
in  die  Gruppe  C  59  Männer  und  40  Frauen,  mithin  395  Männer  und  297 
Frauen,  die  gar  nicht  oder  ungenügend  behandelt  waren.  Verf.  ist  daher 
der  Ansicht,  dass  der  Mangel  einer  richtigen  Quecksilbercur 
im  zweiten  Stadium  der  Syphilis  die  wichtigste  und  häu- 
figste Ursache  der  Entwicklung  von  tertiären  Symptomen 
abgibt.  Daneben  aber  müssen  als  Ursachen  betrachtet  werden  —  und 
dies  kommt  namentlich  bei  den  99  Personen  der  Gruppe  C  in  Betracht: 
Chronischer  Alkoholismns ,  das  gleichzeitige  Vorhandensein  anderer 
chronischer  oder  infectiöser  Krankheiten,  Inficirung  im  höheren  Alter, 
Zustände,  welche  die  Widerstandsfähigkeit  des  Organismus  herabsetzen, 
z.B.  Sorgen,  die  aus  anderen  Breitengraden  eingeführte  Infection,  vorher- 
gehende oder  nachfolgende  Infection  mit  Malaria  oder  irgend  einem  an- 
deren klimatischen  Fieber,  Idiosynkrasie  oder  Intoleranz  des  Individuums 
gegen  Quecksilber. 

Kur  bei  24  Personen  der  Gruppe  C  Hess  sich  eine  plausible  Ursache 
nicht  finden.  —  Unter  den  454  Männern  mit  tertiärer  Syphilis  litten  an 
Affectionen  der  Haut  235,  des  Nervensystems  144,  des  Knochensystems 
104,  der  Schleimhaut  72,  der  inneren  Organe  40;  bei  den  837  Frauen 
war  die  Haut  erkrankt  218mal,  das  Knochensystem  lOSmal,  die  Schleim- 
häute 79mal,  das  Nervensystem  56mal,  innere  Organe  7mal.  Somit  ist  in 
Kopenhagen  die  Haut  der  am  häufigsten  von  der  tertiären  Syphilis  be- 
fallene Theil  und  deshalb  tritt  dort  die  tertiäre  Syphilis  in  milder  Form 
auf,  indem  das  Leiden  selten  Kraftverluste,  Arbeitsunfähigkeit  oder  den 
Tod  zur  Folge  hat.  —  Des  Weiteren  wirft  Verf.  die  Frage  auf:  „Wissen 
wir  denn,  warum  die  tertiäre  Syphilis  bei  den  verschiedenen  Individuen 


454  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Terschiedene  Organe  befallt?  Können  wir  den  Grand  angeben,  weshalb 
die  tertiäre  Syphilis  sich  gerade  an  einer  gegebenen  Stelle  localisirt?'  In 
vielen  Fällen  nicht,  bisweilen  aber  doch.  Man  kann  annehmen,  dass  nach 
den  vorhergegangenen  Attaqnen  an  gewissen  Stellen  eine  Ablagenmg  des 
Giftes  zurückgeblieben  ist  nnd  dass  aus  bestimmten  GMnden  dasselbe  von 
neuem  in  Thätigkeit  versetzt  worden  ist.  Sehr  zu  Gunsten  dieser  Auf- 
fassung spricht  die  Neumann'sche  Untersuchung  von  Hauttheilen,  die 
lange  vorher  Sitz  eines  syphilitischen  Ausschlags  gewesen  waren  und  die 
makroskopisch  zwar  völlig  normal  aussahen,  mikroskopisch  aber  im- 
zweifelhaft  pathologische  Veränderungen  aufwiesen*  Man  sieht  auch  vielfuh 
tertiäre  Symptome  sich  genau  an  denselben  Stellen  entwickeln,  an  denen 
die  secundären  Läsionen  gesessen  hatten.  Verf.  zeigt  als  Beweis  hiefur  einen 
Fall  von  sogenanntem  Chancre  redux.  Vorhergehende  andere,  nicht  sy- 
philitische Affectionen  der  Haut,  der  Schleimhaut  oder  Knochen  scheinen 
ebenfalls  zur  Entwicklung  tert.  syphilitischer  Processe  in  den  betreffenden 
Geweben  und  an  denselben  Stellen  zu  prädisponiren,  namentlich  die 
tuberculösen  Erkrankungen  dieser  Gewebe.  Femer  ist  für  Gehimsyphilis 
Epilepsie  ein  prädisponirendes  Moment,  für  syphilitische  Sarcocele  die 
gonorrhoische  Epididymitis  etc.  Auch  hereditäre  Disposition,  namentlich 
des  Nervensystems,  scheint  eine  Rollo  zu  spielen.  Schliesslich  ist  oft  ein 
Trauma  das  „Etwas**,  welches  das  Gift  zur  Thätigkeit  anfacht^  wenn 
es  zufälligerweise  eine  Stelle  findet,  wo  letzteres  abgelagert  ist. 

Sternthal. 

(12)  Campana  hat,  von  der  Erwägung  ausgehend,  dass  die  ver- 
schiedensten Erkrankungen  der  Haut  mikroskopisch  weiter  ausgedehnt 
erscheinen  als  makroskopisch,  bei  Patienten  mit  Primäraffecten  und  leichter 
Drüsenschwellung  Haut  vom  Penis  oder  von  der  Regio  pubis  —  fem  vom 
Primäraffect  —  ezcidirt  und  eine  Infiltration  mit  leucocyten-ähnlichen 
Zellen  um  die  Gefasse  gefunden,  welche  er  für  den  Ausdruck  der  Invasion 
des  syphilitischen  Virus  hält.  Deswegen  hält  er  eine  Abortivbehandlnng 
der  Lues  durch  Excision  der  Sclerose  a  priori  für  unmöglich,  wenn  man 
auch  nicht  das  Recht  hat  zu  sagen,  dass  die  Syphilis  von  Anfang  an  eine 
constitutionelle  Erkrankung  ist.  Jadassohn. 

(18)  In  einer  Sitzung  der  Societe  therapeutique  bespricht  Fanl 
2  Fälle  junger,  an  Syphilis  erkrankter-  Männer,  bei  denen  beiden  die 
Syphilis  einen  ungewöhnlich  leichten  Verlauf  genommen  hatte;  Beider 
Väter  waren  in  ihrer  Jugend  syphilitisch  inficirt  gewesen.  Die  Patienten 
hatten  nie  Symptome  hereditärer  Lues  gezeigt.  Paul  glaubt  nun,  dass  die 
Syphilis  der  Väter  bei  den  Söhnen  eine  Abschwächung  der  Erkran- 
kung bewirkt  hätte.  In  der  Debatte  verweist  Guelpa  auf  die  schwere 
Form  der  Syphilis  der  Araber  in  Algier,  unter  der  auch  die  Erkrankung 
der  Söhne  syphilitischer  Väter  verliefe.  Blondel  dagegen  glaubt,  dass 
die  Abschwächung  der  Krankheit  in  den  Fällen  Paul's  auf  die  mikro- 
biciden  Eigenschaften  des  vom  Vater  durch  Erbschaft  auf  den  Sohn  über- 
gegangenen Serums  zurückzuführen  sei.  Lasch. 


der  Syphilis.  455 

(14)  Qold's  Fälle  sind  auch  in  diesem  Archiv  1893  publicirt. 

(15)  Dunoan  Bulkley  betont  die  Häufigkeit  des  „anständigen^ 
Infectiomnodus  der  Syphilis,  besonders  bei  Ehefrauen  und  Kindern 
(Heredität),  femer  die  mannigfachen  Ansteckungs-Möglichkeiten  im  Fa- 
milien- und  öffentlichen  Leben.  Koch. 

(16)  6  r  6  f  f  i  e  r  hält  die  Erwerbung  der  Syphilis  im  Kindesalter  für  viel 
häufiger,  als  man  gewöhnlich  annimmt.  Nicht  hierher  gehörig  sind  die  Fälle, 
in  denen  das  scheinbar  gesund  geborene  Kind  einer  vorher  luetisch 
inficirten  Mutter  erkrankt;  ebenso  ist  die  Möglichkeit,  dass  ein  gesundes 
Kind  während  des  Greburtsactes  von  der  Mutter  angesteckt  wird,  als  un- 
wahrscheinlich von  der  Hand  so  weisen.  In  beiden  Fällen  ist  das  Kind 
vielmehr  vorher  durchseucht;  es  handelt  sich  also  um  hereditäre  Lues. 
In  Bezug  auf  die  eigentliche  erworbene  Syphilis  der  Kinder  unterscheidet 
6.  4  Gruppen  von  Infectionsarten,  solche  nämlich,  die  mit  dem  Stillen 
und  der  Aufziehung  der  Kinder  im  Allgemeinen  in  Zusammenhang  stehen, 
und  solche,  die  unsittlichen  Attentaten  oder  medicinischen  Massnahmen 
ihren  Ursprung  verdanken.  Indem  G.  an  der  Hand  eigener  Beobachtungen 
die  einzelnen  Modi  der  Ansteckung  bespricht,  weist  er  nach,  wie  sehr 
die  Kinder  aller  Stände  in  Gefahr  schweben,  syphilitisch  inficirt  zu 
werden,  und  wie  häufig  in  der  That  diese  Ansteckung  ist.  Koch. 

(17)  Der  Fat.  Pauly's  war  im  Jahre  1877  während  seiner  Militärzeit 
in  Algier  wegen  eines  Schankers  am  Frenulum  und  eines  an  der  Lippe, 
femer  wegen  Plaques  und  Alopecia  im  Militärlazareth  6  Monate  in  Be- 
handlung, wo  er  antisyphilitisch  behandelt  wurde.  Vor  einigen  Tagen  hat 
er  den  Vortragenden  consultirt  wegen  allgemeiner  Drüsenschwellung, 
Leucoderma  colli,  Plaques  muqueuses  an  Lippen,  Gaumensegel  und  Nase, 
Papeln  am  Scrotum  und  After.  Pauly  nimmt  hier  eine  sichere  Re- 
infection  an  und  diagnosticirt  als  Primäraffect  zwei  Narben  an  der  linken 
Wange,  welche  seit  ungefähr  einem  halben  Jahr  bestehen  und  von  denen 
die  eine  sich  noch  indurirt  anfühlt.  Auch  dieser  Fall  von  Reinfection 
scheint  nicht  ganz  einwandsfrei  zu  sein  und  begegnet  auch  in  der  Lyoner 
medic.  Gesellschaft  lebhaft  geäusserten  Zweifeln.  Paul  Neisser. 

(18)  Pawl  ow  bespricht  einen  Fall,  in  dem  ca.  14 — 15  Monate,  seitdem 
die  letzten  Symptome  der  1.  Infection  geschwunden  waren,  nach  einem 
Coitus  ein  Ulcus  auftrat,  welches  Verf.,  nachdem  er  die  Möglichkeit  eines 
Ulcus  moUe  und  eines  gummösen  Geschwürs  ausgeschlossen  hat,  für  einen 
syph.  Primäraffect  anspricht.  Im  weitem  Verlauf  wurden  die  Leisten- 
drüsen afficirt  und  noch  später  traten  Papeln  an  der  Haut  und  der 
Schleimhaut  der  Mundhöhle  auf.  Verf.  gründet  seine  Diagnose  hauptsäch- 
lich auf  folgenden  Befund :  Knorpelartige  Beschaffenheit  des  Grundes  und 
der  Ränder  des  Geschwürs,  Vergrösserung  der  Leistendrüsen,  welche  einen 
Monat  nach  der  Infection  auftrat  und  früher  nicht  bestand,  Auftreten 
von  secundären  Erscheinungen  an  der  Haut  und  der  Schleimhaut  und 
endlich  auf  die  sicher  constatirte  Anamnese  einer  früher  überstandenen 
Syphilis.    Letztere  war  mit  Quecksilber  behandelt  worden.      A.  Lanz. 


456  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

(19)  Stonkowenkoff  kommt  auf  Grund  seiner  Blutuntersuchungen 
zu  folgenden  Schlüssen: 

1.  Die  Ver&ndemngen  des  Blutes  gehen  dem  Ausbruch  der  secun- 
daren  Erscheinungen  um  etwa  8  Tage  voraus.  Dieselben  bestehen  zunächst 
in  einer  Vermehrung  der  weissen  Blutkörperchen,  an  die  sich  Abnahme 
des  Hämoglobingehaltes  und  spater  der  Zahl  der  rothen  Blutkörperchen 
anschliesst.  Zur  Zeit  des  Eruptionsfiebers  erreichen  die  genannten  Erschei- 
nungen  ihre  grösste  Intensität. 

2.  In  der  Eruptionsperiode  nimmt  Hämoglobingehalt  und  Zahl  der 
rothen  Blutkörperchen  stetig  ab.  Die  Zahl  der  weissen  Blutkörperchen 
nimmt  bis  auf  das  Doppelte  der  Norm  zu.  Besonders  pflegen  Nachschübe 
Ton  Exanthem  diese  Erscheinung  zu  aocentuiren.  6 — 7  Stunden  nach  der 
ersten  Zufuhr  von  Hg  (subcutane  I^jection)  nimmt  bereits  der  pereentuale 
Häraoglobingehalt  und  die  Zahl  rother  Blutkörperchen  zu,  die  Zahl  der 
Leueocyten  ab,  so  dass  nach  einigen  Iigectionen  normale  Verhältnisse 
erzielt  werden  können.  Bei  länger  fortgesetzter  Cur  kann  wieder  eine 
Abnahme  des  Hämoglobins  und  der  rothen  Blutkörperchen,  Zunahme 
der  Leueocyten  stattfinden.  Diese  geschieht  stets  bei  CJomplicationen 
(Stomatitis),  Diarrhoe. 

8.  Während  einer  intermusculären  I^jectionseur  nimmt  Hämoglobin 
und  Zahl  der  rothen  Blutkörperchen  rasch  zu,  dann  wieder  bis  zur 
nächsten  Injection  allmälig  ab.  Die  Zahl  der  Leueocyten  nimmt  ungleich- 
massig,  aber  constant  ab.  Finger. 

(20)  Klein  berichtet  über  einen  Fall  von  secundärer  pemiciöser 
Anämie  in  Folge  von  Syphilis  mit  sehr  günstigem  Verlaufe  nach  An- 
wendung einer  energischen  Inunctionscur. 

(21)  Fisiohella  zieht  aus  seinen  an  Ferrari's  Klinik  gemachten 
Blutuntersuchungen  bei  Syphilitischen  in  der  Frühperiode  folgende  Schlösse 
(die  Einzelnheiten  müssen  im  Original  nachgesehen  werden):  1.  In  der 
Frühperiode  der  allgemeinen  Syphilis  besteht  constant  eine  Verminderung 
in  der  Zahl  der  rothen  Blutkörperchen  und  im  Hämoglobingehalt,  mit 
Vermehrung  der  Leueocyten  und  zwar  immer  im  Verhältniss  zu  der 
grösseren  oder  geringeren  Ausbreitung  der  Exantheme.  2.  Die  Verminde- 
rung der  rothen  Blutkörperchen  ist  immer  der  Verminderung  des  Hämo- 
globins proportional  gewesen,  aber  die  gefundenen  Ziffern  sind  nicht  we- 
sentlich geringer  als  die  normalen.  3.  Die  morphologischen  Veränderungen 
der  körperlichen  Elemente  des  Blutes  stehen  im  directen  Verhältmss  zur 
Intensität  der  Allgemeinerscheinungen.  4.  Eine  nicht  lange  ausgedehnte 
mercurielle  Behandlung  bringt  eine  Vermehrung  in  der  Zahl  der  rothen 
Blutkörperchen  und  der  Menge  des  Hämoglobins  mit  gleichzeitiger  Vermin- 
derung der  weissen  Blutkörperchen  hervor  und  stellt  zugleich  das  normale 
A^erhältniss  der  verschiedenen  Formen  der  Leueocyten  wieder  her.  Wenn 
man  das  Hg  immer  weiter  gibt  oder  wenn  es  keinen  günstigen  Einfloss 
auf  die  Allgemeinerscheinungen  hat,  so  findet  man  dieselben  numerischen 
und  morphologischen  Veränderungen,  wie  vor  dem  Beginn  der  Cur.  5. 
Die  unter  dem  Einfluss  des  Hg.  bei  syphilitisch^i  Individuen  eintretenden 


der  Syphilis.  457 

plötzlichen  Veränderungen  sind  nicht  so  hochgradig,  dass  sie  zur  Diagnose 
dienen  können,  sondern  sind  nur  gleichsam  ein  Index  für  die  Beurthei- 
lung  der  therapeutischen  Wirksamlceit  des  Mercur. 

Jadassohn. 

(22)  Rille  findet  bei  Anwendung  der  Ehrlich^schen  Blutfärbe- 
methoden  folgende  Thatsachen«  Bei  Syphilis:  Bei  Vorhandensein  derlni- 
tialmanifestation  allein  und  bei  sonst  gesunden  Individuen  keine  Alteration 
der  morphologischen  Bestandtheile  des  Blutes ;  dagegen  im  Verlaufe  mani- 
fester secundärer  Syphilis:  1.  Zunahme  der  sogenannten  Lymphocyten 
und  zwar  sowohl  der  grossen  wie  auch  der  kleinen  Lymphocyten.  2.  Zunahme 
der  eosinophilen  ZeUen  insbesondere  bei  papulöser  Syphilis  adäquat  der 
Anzahl  der  Efflorescenzen«  8.  Beträchtliche  Zunahme  der  Uebergangs- 
formen  und  der  diesen  zunächst  stehenden,  genetisch  tiefer  stehenden, 
grossen ,  mononucleären  Leukocyten.  4.  Als  inconstanten  Befund  bei 
blassen,  weiblichen  Personen  Myeloplaxen  oder  Markzellen  Cornils.  Mit 
Ablauf  der  Krankheitserscheinungen,  im  Verlaufe  wirksamer  antiluetischer 
Medication  kehren  diese  Befunde  alhnälig  zur  Norm  zurück.  Bei  tertiärer 
Syphilis  sind  die  Befunde  verschieden,  z.  B.  bei  Hautgummen  conform 
mit  denen  bei  secundärer  Syphilis.  Kernhaltige  rothe  Blutkörperchen  — 
wie  sie  bei  Syphilis  neonatorum  häufig  gefunden  wurden  (Loos)  —  fanden 
sich  hier,  bei  Erwachsenen,  niezoals.  —  Bei  Ekzem,  Pemphigus  und 
Prurigo  fand  R.  eine  sehr  beträchtliche  Vermehrung  der  eosinophilen 
Zellen.  —  Inconstante  Befunde  ergaben  sich  bei  verschiedenen  anderen 
Hautaffectionen  z.  B.  Psoriasis  universalis,  Lupus  vulgaris.  Sämmtliche 
Befunde  theilt  R.  in  drei  Gruppen.  1.  eine  ganz  isolirt  stehende  poly- 
nucleäre  Leukocytose  bei  Erysipel,  2.  verschieden  starke  Eosinophilie  bei 
verschiedenen  chronischen  Dermatosen,  8.  die  Befunde  bei  Syphilis.  — 
Die  Erysipelleukocytose  kann  auf  zweifache  Weise  erklärt  werden; 
entweder  ist  es  der  Reiz  des  Krankheitsvirus  nach  Art  anderer  chemisch 
reizender  Agentien,  welche,  wie  sorgfaltige  Thierversuche  ergeben,  auch 
Lettkoc3rto8e  verursachen  oder  dass  primär  unter  Beihilfe  der  Chemotaxis 
die  Emigration  von  Leukocyten  in  das  erkrankte  Gewebe  und  erst  im 
Anschlüsse  daran,  als  ein  Ausdruck  der  Regeneration,  eine  vermehrte 
Production  von  Leukocyten  zu  Stande  kommt.  Die  geschilderte  hoch- 
gfradige  Vermehrung  der  eosinophilen  Zellen  beim  Ekzem,  Pemphigus  u» 
s.  w.  glaubt  R.  mit  Neuss  er  damit  erklären  zu  können,  dass  eosionophile 
Zellen  nicht  nur  im  Knochenmarke  (Ehrlich),  sondern  auch  in  der  Haut 
entstehen  können.  Die  Befunde  bei  Syphilis  erklärt  K  theils  durch 
Lymphdrüsenreizung,  theils  aus  der  Ueberemährung  des  Organismus. 

K.  Ullmann. 

(28)  Zapp  er  t  konnte  bei  seinen  Untersuchungen  über  die  eosino- 
philen Zellen  im  Blute  die  Angabe  Rille's  (und  Loos'),  dass  die  Zahl 
derselben  zur  Zeit  der  syphilitischen  Exantheme  vermehrt  sei,  nicht  be- 
stätigen. In  den  von  ihm  untersuchten  8  Fällen  (macnlöse  und  papulöse 
Exantheme  und  ulceröse  Lues)  hielten  sich  die  Werthe  im  Bereich  der 
Norm  und  nur  1  Mal  (bei  einem  Primäraffect)  überstiegen  sie  dieselbe  um 


458  Bericht  über  die  Leistongen  auf  dem  Gebiete 

ein  Geringes.    Allgemeine  Schlüsse  will  der  Verf.  aas  diesen   geringen 
üntersnchungsmaterial  nicht  ziehen.  Jadassohn. 

(24)  Sename  kommt  za  dem  Schlosse,  dass  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  die  während  der  GraTiditat  erworbene  Syphilis  der  Mutter 
selbst  noch  im  8.  Monat  durch  die  Placenta  auf  das  Kind  übertragen  wirdL 
Man  soll  bei  einer  frisch  inficirten  Frau  eine  Frühgeburt  einleiten,  wenn 
die  Infection  in  einen  der  beiden  letzten  Monate  der  Gravidität  fallt. 

Ernst  Bender. 

(25)  Augagneur  behauptet,  dass  bei  der  schwangerenFrau  der  Primär- 
affect  grosser,  reichlicher  secemirend  und  von  längerer  Daner  sei,  als  bei 
Nichtschwangeren,  und  zwar  seien  diese  Symptome  desto  auffallender,  je 
weiter  vorgeschritten  die  Gravidität  seL  Femer  sei  in  diesen  Fallen  ein 
sehr  hartnäckiges,  langdauemdes  Emptionsfieber  bemerkbar  nnd  auch 
die  secundären  Symptome  seien  markirter.  Verf.  will  oft  bemerkt  haben, 
dass  stets  mit  einer  neuen  Gravidität  auch  ein  Neuanffcreten  der  Secnndär- 
Symptome  Hand  in  Hand  gegangen  sei.  Ueber  die  localen  Symptome  an 
den  Genitalien,  über  den  Einfluss  der  Lues  auf  Gravidität  und  Geburt 
sagt  Verf.  nichts  Neues.  Paul  Neisser. 

(26)  Wal  lieh.   Nichts  Neues. 

(27)  Einen  Fall  von  sehr  frühzeitig  eintretender  ulcerösen  Lues  pu- 
blicirt  Brousse.  Er  betrifft  einen  34jährigen  Koch,  bei  dem  sick  eine 
typische  Rupia  knapp  20  Tage  nach  dem  Auftreten  der  Initialsclerose 
zeigte.  Unter  der  Behandlung  trat  vorübergehend  Besserung  wohl  ein« 
doch  hatte  Patient  im  Zeiträume  von  2'/,  Jahren  5  Recidive. 

Die  2.  Incubation  war  in  diesem  Falle  also  bedeutend  kürzer,  wie 
sie  sonst  zu  sein  pflegte,  doch  soll  dies  nach  B.'s  Angabe  gerade  bei  der 
malignen  Lues  nicht  selten  der  Fall  sein.  So  führt  er  eine  Statistik 
Baudoin's  an,  nach  der  in  182  Fällen  schwerer  Lues  11  mal  Symptome 
constitutioneller  Syphilis  vor  Ablauf  des  1.  Monates  eintraten.  —  Be- 
merkenswerth  ist  an  dem  Fall  weiterhin,  dass  die  schweren  Symptome 
wohl  vorübergebend  bei  einer  specifischen  und  gleichzeitig  robonrenden 
Behandlung  verschwanden,  jedoch  beim  Aussetzen  der  Therapie  hart- 
näckig recidivirten.  —  Diesem  Umstände  legt  B.  eine  grosse  Bedeutung 
bezüglich  der  Prognose  bei,  die  er  danach  als  eine  schlechte  ansieht.  Be- 
züglich der  Aetiologie  dieser  Affectionen  neigt  B.  nach  Analogie  anderer 
Infectionskrankheiten  zu  der  Annahme,  dass  sie  von  der  Qualität  und 
Quantität  des  eingeführten  Virus  herrühre,  doch  gibt  er  andrerseits  zu, 
dass  häufig  auch  die  individuelle  Disposition  (oder  wie  sich  B.  ausdruckt, 
das  Terrain,  auf  das  das  Virus  geräth)  eine  Rolle  spielt.  Nach  dieser  Rich- 
tung hin  kommen  alle  den  Organismus  schädigenden  Diathesen  in  Betracht 
So  in  dem  erwähnten  Falle  tuberculöse  Heredität,  im  Kindesalter  über- 
standene  Scrophulose  und  Alkoholismus.  Die  Initialsclerose  —  eine  sehr 
rasch  heilende  Sclerose  am  Penis  —  wies  in  diesem  Falle  durchaus  nicht 
auf  einen  malignen  Verlauf  hin.  Bezüglich  der  Therapie  ist  schon  erwähnt, 
dass  sie  eine  combinirte  specifische  und  roborirende  gewesen. 

Ernst  Bender. 


der  Syphilis.  459 

(28)  Ron 8 sei  veröffentlicht  die  Krankengeschichte  eines  40jährigen 
kräftigen  Patienten  ans  gesander  Familie,  der  ein  Ulcus  dumm  mit 
phagedänischem  Charakter  acquirirt  hatte.  9  Tage  später  heftiges  rheuma- 
tisches Fieber,  Roseola  und  Dolores  osteocopi.  Dann  Tumor  der  rechten 
Tibia,  Kopfschmerzen,  profuse  Schweisse.  Erhebliche  Besserung  unter  anti- 
luetischer Behandlung.  Im  S.  Monat  nach  der  Infection  tiefe  Ulceration 
auf  dem  Mundboden,  gefolgt  von  Nekrose  des  harten  Gaumens,  der  oberen 
Alveolarfortsätze,  der  Nasenbeine.  Dann  allgemeine  Cachexie,  pustulöses 
Exanthem,  dabei  sehr  ausgeprägte  Bulimie.  Im  9.  Monat  Verdauungs- 
störungen, die  die  Therapie  sehr  erschweren,  und  hochgradige  Anämie. 
Zuletzt  Oesophagusstrictur  leichteren  Grades,  Decubitus  und  Lähmung 
des  Sphincter  ani.  Tod  im  grössten  Marasmus  ein  Jahr  nach  der  In- 
fection. Obduction  wurde  verweigert.  —  Dieser  Krankengeschichte  folgt 
eine  Zusammenstellung  der  seltenen,  bisher  beobachteten,  ähnlichen  Fälle. 

Koch. 

(29)  Der  Patient  Fortunato^s  bekam  schon  im  5.  Monat  seiner 
Lues  ein  über  den  Körper  verbreitetes  „Ecthyma'^  und  ein  tiefes  Gumma 
der  Schulter,  welches  zu  einer  Caries  des  Acromion  fahrte.  Unter 
specifischer  und  chirurgischer  Behandlung  trat  völlige  Heilung  ein. 

Paul  Neisser. 

(30)  G.  Lewin  stellt  I.  einen  Kranken  vor  mit  multiplen  Gummi- 
knoten am  Hoden  und  an  verschiedenen  Stellen  des  Körpers ;  2.  einen  Fall 
mit  Aplasie  der  Zungenbalgdrüsen  als  ein  sehr  wichtiges  welche  er  far 
Criterium  zweifelhafter  tertiärer  Lues  hält.  Die  Beschaffenheit  dieser  Affection 
lasse  sicli  durch  die  digitaleUntersuchung  und  durch  denKehlkopfspiegel  nach- 
weisen ;  8.  ein  Kind  mit  hereditärer  Lues  (Chondritis  gummosa).  Galewsky. 

(31)  Die  Untersuchungen  Lydston's  ergeben,  dass  bei  nicht  mani- 
fester Lues  antiseptische  chirurgische  Eingriffe  völlig  reactionslos  per 
primam  heilen,  während  inficierte  Wunden  oft  erst  unter  einer  gleichzeitig 
eingeleiteten  specifischen  Behandlung  heilen.  Bei  gleichzeitigem  Vorhanden- 
sein von  syphilitischen  Symptomen  sind  die  Chancen  ungünstigere.  Einen 
günstigeren  Einfluss  des  Erysipels  auf  die  Lues  glaubt  Verf.  leugnen  zu 
müssen.  Fracturen  heilen  bei  Luetischen  ebenso  wie  bei  Gesunden;  nur  bei 
kachektischen  Luetikem  bleibt  oft  die  Consolidation  aus  und  es  tritt 
^ekrose  ein.  Paul  Neisser. 

(32)  ImAnschluss  anLeloir's  bekannte  Beobachtungen  über  Misch- 
formen von  Lues  und  Tuberculose  und  an  Schnitzle r's  Fälle  von 
combinirter  Larynxphthise  und  LarynxsyphiUs  veröffentlicht  Williams 
die  Krankengeschichte  eines  24jährigen  Phthisikers,  dessen  Kehlkopfaffection 
sich  anfangs  auf  eine  antiluetische  Cur  besserte,  um  sich  dann  stetig  zu 
verschlimmem.  Schliesslich  fand  W.  die  Epiglottis  stark  infiltrirt  und  mit 
ausgedehnten  U  Icerationen  bedeckt,  von  denen  die  lateral  gelegenen  sehr 
auf  Lues  verdächtig  schienen.  Die  Schleimhaut  der  Aryknorpel  und  ihrer 
Umgebung  war  typisch  tuberculös  erkrankt,  während  andere  Stellen  mehr 
unbestimmten  Charakter  tmgen.  Dem  Aufsatz  ist  eine  farbige  Abbildung 
des  Kehlkopfbildes  beigegeben.    (Man  vermisst  in  der  Krankengeschichte 


460  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

Angaben  über  die  specifisohe  Infection  nnd  frühere  luetische  Erscheinungen; 
das  angeführte  ist  mit  Sicherheit  nur  für  das  Bestehen  der  Tubercnlose 
zu  verwenden).  Koch« 

(33)  Israi  publioirt  Fall  von  hochgradiger  Larynx-Tuberciilose  bei 
gleichzeitiger  luetischer  Afficirung  des  Kehlkopfs  18  Jahre  post  infectionem. 
Die  schwere  Lues  wurde  nach  Anwendung  einer  energischen  antilaetischen 
Cur  wesentlich  gebessert,  auch  das  Allgemeinbefinden  hob  sich;  ein  Beweis, 
dass  Yorgeschrittene  Tuberculose  nicht  immer  eine  Gontraindication  für  eine 
energische  Schmiercur  ist  Galewsky. 

(34)  St  raus  und  Tessier  berichten,  dass  sie  durch  Injection  von 
Tuberculin  bei  an  secundarer  Syphilis  Leidenden  starke  Allgemeinreaction 
(hohes  Fieber,  Abgeschlagenheit,  Kopfschmerzen,  Schwindelgefuhl)  und 
in  einem  Falle  von  Bupia  syphilitica  locale  Beaction  erhalten  hätten.  Da 
diese  Beaction  bei  andern  Hautkrankheiten  fehlte,  so  sehen  die  Verff.  ein 
differential  -  diagnostisches  Hilfsmittel  im  Tuberculin  und  betonen  zugleich 
die  Analogie,  die  in  dieser  Hinsicht  bei  den  8  chronischen  Injections- 
krankheiten:  Tuberculose,  Lepra,  Syphilis  besteht.  Versuche  bei  tertiär 
Luetischen  oder  mit  dem  Primaraffect  allein  behafteten  Patienten  sind  noch 
nicht  gemacht  worden.  Lasch. 

(35)  Torner  berichtet  über  die  Behandlung  eines  an  Lues  (Pso- 
riasis und  Acne  syph.,  Ulcera  pharyngis  etc.)  und  Tuberculose  erkrankten 
24iähr.  Mannes  mit  Tuberculininjectionen,  Jodkali  und  Jodoform  innerlich. 
Aus  der  Beschreibung  ist  nur  das  bemerkenswerth,  dass  Jodkali  and  Jodo- 
form, sowie  späterhin  Hg-Suppositorien  die  Wirkung  des  Tuberculin  unter- 
stützt haben  und  sowohl  Lues  als  Tuberculose  wesentlich  gebessert  wurden. 

Galewsky. 

(36)  In  der  „Clinical  Society  of  LouisWlle''  berichtet  Krim  über 
einen  Fall  von  secundarer  Syphilis,  zu  welcher  sich  typhöses  Fieber  hinzu- 
gesellt hatte.  4  Wochen  später  waren  sämmtliche  Erscheinungen  der  Lues 
verschwunden,  auch  die  Drüsenanschwellungen.  Die  antiluetische  Behand- 
lung hatte  nur  10  Tage  gedauert.  Krim  fragt,  ob  ähnliche  Fälle  bekannt 
seien.  Hierauf  erwidert  L.  N.  Bloom,  es  sei  nicht  ungewöhnlich,  dass 
secundäre  Erscheinungen  der  Syphilis  beim  Ausbruch  einer  acuten  Krankheit  - 
verschwänden,  um  später  wieder  aufzutreten.  Im  vorliegenden  Falle  hätten 
jedoch  die  secundären  Erscheinungen  bereits  3  Wochen  gedauert,  nach 
welcher  Zeit  sie  auch  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  verschvrinden 
könnten.  Die  interessanteste  Erscheinung  sei  das  Verschwinden  der 
Drüsenanschwellung.  Schliesslich  bemerkt  Bloom,  dass  er  eine  anti- 
luetische Cur  stets  erst  nach  dem  Auftreten  secundarer  Symptome  einleite. 

Schaffen 

(37)  Von  dem  allgemeinen  Gesetz,  dass  syphilitische  Exantheme 
nicht  jucken,  berichtet  C  off  in  zwei  Ausnahmsfalle.  Der  eine  betrifft  ein 
acneartiges  Syphilid  über  den  ganzen  Körper,  welches  namentlich  Nachts 
stark  juckte.  Mit  dem  Verschwinden  des  Exanthems  hörte  auch  das  Jucken 
auf.    Im  anderen  Falle  handelte  es  sich  um  eine  juckende  Roseola. 

Raff. 


der  Syphilis.  46 1 

(38)  Cantrel,  Nichts  Neues. 

(39)  Horwitz  sah  zwei  Fälle  von  aller  specifischer  Behandlung 
trotzender  Lues  unter  dem  Linfluss  eines  Erysipels  sehr  schnell  heilen  und 
glaubt  an  einen  Antagonismus  zwischen  den  Erysipelstreptococcen  und 
den  SyphilisbaciUen.  Paul  Neisser. 

(40)  Lang  stellt  folgende  Statistik  auf:  Von  allen  graviden  Frauen 
haben  8V(o%  einfache  Albuminurie,  von  den  syphilitischen  Graviden 
6"/ioo%>  '^^^  ^®^  dö^  ersteren  lV,,7o>  ^^^  ^^^  letzteren  2%y^  Albumin- 
urie und  Cylinder.  Von  Graviden,  die  Albuminurie  und  Cylinder  haben, 
erkranken  88  7,  an  Eklampsie,  von  syphilitischen  Graviden  unter  denselben 
Umständen  96%.  Lang  schliesst  aus  seinen  Untersuchungen,  dass  Syphilis 
zu  Albuminurie  und  Nephritis  prädisponirt  und  dass  syphilitische  Gravide 
häufiger  an  Albuminurie  und  Nephritis  und  häufiger  schwerer  an  Eklampsie 
erkranken. 

(41)  Z eis  1er  hebt  in  seiner  Abhandlung  über  die  Beziehungen  der 
Lymphdrüsen  zur  Syphilis  im  Anschluss  an  die  in  Deutschland  wohl  ge- 
nügend bekannten  Untersuchungen  Dietrichs  hervor,  dass  auf  das  Fehlen 
oder  Vorhandensein  von  geschwollenen  Lymphdrüsen  für  die  Diagnose 
kein  grosser  Werth  zu  legen  sei. 

(42)  Garusi  berichtet  über  einen  Fall  von  gummösen  L3nnphomen 
in  der  Inguinalgegend  bei  einem  Patienten,  welcher  vor  22  Jahren  Lues 
acquirirt  hatte ;  diese  Symptome  verschwanden  nach  40tägiger  combinirter 
antiluetischer  Behandlung.  Paul  Neisser. 

(43)  Die  Patientin  Tchaguine's,  welche  stets  gesund  gewesen  ist 
und  nur  seit  ihrer  Jugend  an  Pruritus  genitalium  gelitten  hat,  zeigt  am 
rechten  grossen  Labium  einen  4  Cm.  grossen,  etwas  aufgekratzten  Tumor^ 
welcher  für  eine  Papel  angesehen  wurde;  eine  eingeleitete  specifische 
Cur  hatte  ungünstigen  Erfolg.  Die  mikroskopische  Untersuchung  eines 
excidirten  Stückes  ergab  ein  Papillom.  Paul  Neisser. 


Haut,  Schleimhaut,  Knochen  und  Gelenke. 

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462  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

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23.  Etienne.  Syphilides  erythemateuses  circinees  contemporaines  des 
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24.  Zeis§I,  M.  v.  Roseolarrecidiv  29  Jahre  nach  der  Infection.  3  Fälle 
von  Mastdarmsyphilis.  (Casuistik.)    Wiener  med.  Presse.   1893.  Nr.  3. 

25.  Lewin,  G.  Demonstration  von  3  Kranken  mit  syphilit.  pustulösen 
Exanthemen  und  einem  mit  Liehen  syphilit.  Yerhandl.  d.  Vereins  f. 
inn.  Med.  16.  Mai  1892.  Ref.  D.  med.  Wochenschr.  1892.  Nr.  45,  p.  1019. 

26.  Shoemaker,  John  Y.  A  case  of  papulo-squamous  Syphiloderm.  The 
Medical  and  Surgical  Reporter.  Vol.  LXVIII.  Nr.  6. 


der  Syphilis.  463 

27.  Taylor,  R.  W.  The  pigmentary  Syphilide.  The  New- York  Medical 
Journal.   18.  Feber  1893.  Vol.  LVU.  Nr.  7.  Whole  Nr.  742. 

28.  Giovanni,  S.  Ueber  die  histologischen  Verändenmgen  der  syphili- 
tischen Aloi>ecie  und  ihr  Terhältniss  zu  den  Veränderungen  der  Alo- 
pecia areata.  Monatsh.  f.  prakt.  Dorm.  Bd.  XVI.  Nr.  4. 

29.  Hewith,  Ger.  A  case  of  tubercular  Syphilis.  From  the  clinic  of  John 
y.  Shoemaker.    The  Journal  of  the  Amer.  Medical  Association.  1893. 

80.  Kämmerer.  Extensive  UIceration  of  the  scalp.  New- York  Medical 
Journal.  4.  Feber  1893. 

31.  Bryee.  Patient  with  multiple  gummata  oftherightarm.  The  Glasgow 
medical  Journal.  November  1893. 

32.  Morel -LaTall^e.  Evolution  et  nature  du  pseudo  -  chancre  redux 
d' Alfred  Foumier.  Societe  medicale  du  IX.  Arrondissement.  Journal 
des  maladies  cutanees  et  syphilitiques.  1892.  Nr.  2,  p.  91. 

(1)  Fournier  nennt  die  differential-diagnostischen  Momente  zwi- 
schen Ulcus  molle  und  syphilit.  Initialsklerose,  wie  sich  dieselben  ergeben 
ans  a)  der  Zahl  der  Läsionen,  b)  dem  Aussehen  derselben,  c)  der  Infil- 
tration resp.  Induration  der  Basis,  d)  dem  Verhalten  der  Drüsen,  e)  der 
Inoculation,  /)  der  Incubationszeit,  g)  der  Confrontation. 

(2)  Greffier  schildert  die  Schwierigkeiten,  die  sich  in  manchen 
Fällen  der  Diagnose  des  Primäraffects  in  den  Weg  stellen  und  gibt  die 
Mittel  und  differentialdiagnostischen  Momente  an,  die  uns  diese  Schwie- 
rigkeiten überwinden  helfen.  Koch. 

(3)  Nach  B  a  1  z  e  r  kann  der  Chancre  mixte  zu  Stande  kommen  ent- 
weder durch  gleichzeitige  oder  durch  nacheinanderfolgende  Infection  mit 
dem  Virus  des  Ulcus  molle  und  der  Syphilis.  Die  synchrone  Infection 
findet  statt  a)  sehr  selten  durch  Infection  mit  einem  Chancre  mixte,  b) 
dadurch,  dass  das  inficirende  Individuum  neben  seinen  infectiösen  syphiliti- 
schen Symptomen  ein  Ulcus  molle  hat,  c)  dadurch,  dass  das  inficirende 
Individuum  sich  im  Frühstadium  der  constitutionellen  Lues  befindet  und 
einen  weichen  Schanker  hat,  dessen  Secret  das  Vehikel  zugleich  für  das 
syphilitische  Virus  ist. 

Für  die  nicht  gleichzeitige  Infection  gibt  es  folgende  Entstehungs«^ 
modi:  a)  Ein  mit  einem  weichen  Schanker  behaftetes  Individuum  verkehrt 
mit  einem  infectiös  syphilitischen;  dann  stellt  das  Ulcus  molle  die  Ein- 
gangspforte für  das  syphilitische  Gift  dar:  —  chancre  mou  syphilise.  b) 
Ein  bestehender  syphilitischer  Schanker  bildet  die  Eingangspforte  für  die 
Ulcus  moUe-Bacillen.  Erfolgt  die  Infection  gleichzeitig,  so  tritt  wenige 
Tage  post  coitum  ein  Schanker  auf  mit  allen  charakteristischen  Sympto- 
men eines  Ulcus  molle,  bis  er  sieh  am  15. — 20.  Tage  —  oft  bereits  fast 
verheilt  —  an  der  Basis  zu  induriren  beginnt  und  sich  zur  Sclerose  um- 
wandelt. Bei  der  Inoculation  auf  den  Träger  entsteht  meist  ein  typischer 
weicher  Schanker  —  selten  ein  Chancre  mixte. 

Von  Complicationen  erwähnt  der  V.  nur  den  Phagedäniemus ;  er 
fasst  jeden  phagedänischen  Schanker  als  Chancre  mixte  auf.    In  Bezug 


464  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

auf  Verlauf,  Diagnose  nnd  Therapie  bringt  der  V.  nichts  Neues  —  ausser 
dass  er  auf  die  relativ  häufige  Vereiterung  syphilitischer  Bubonen  hinweist. 

Lasch. 

(4)  Brown  stellt  einen  Fall  von  Syphilis  vor  mit  der  InitiaUasion 
an  dem  Ringfinger  der  rechten  Hand  und  macht  auf  die  ungewöhnliche 
Thatsache  aufmerksam,  dass  trotz  der  ausgesprochensten  Scleradenitis 
universalis  eine  Schwellung  der  Epitrochleardrnsen  der  erkrankten  Seite 
nicht  zu  constatiren  ist.  Goldenberg  hat  zwei  analoge  Fälle  gesehen 
und  betont,  dass  Lewin  (Berlin)  dieses  Fehlen  der  Cubitaldrüsenschwel- 
lung  durch  die  eigenartigen  Verhältnisse  der  Lymphdrüsen  erklärt,  in- 
dem  die  oberflächlichen  Lymphbahnen  der  Finger  nicht  mit  den  Cubital-, 
sondern  mit  der  Axillardrüsen  zusammenhängen.  Key  es  hält  diese  Er- 
klärung nicht  für  ausreichend.  Ledermann. 

(5)  Fournier  hat  unter  im  Ganzen  ungefiihr  10.000 Scleroeen  nur 
49  an  den  Händen  beobachtet,  davon  42  bei  Männern,  7  bei  Frauen, 
keinen  bei  Kindern.  Er  unterscheidet  8  Arten  der  Ansteckung:  im  ärzt- 
lichen Beruf,  durch  venerische  Infection  (besonders  am  Mittelfinger),  durch 
Biss ;  30  der  in  der  Frivatpraxis  beobachteten  49  Fälle  gehörten  zur  ersten 
Kategorie  (27  Aerzte  und  Studenten,  8  Hebammen).  Meist  sind  kleine 
Verletzungen,  Rhagaden  oder  Ekzeme  vorhanden;  ob  auch  unver- 
letzte Haut  inficirt  werden  kann,  will  Fournier  nicht  entscheiden.  Die 
Schanker  der  Hände  sitzen  öfter  an  der  rechten,  als  an  der  linken  Hand; 
unter  86  Fällen,  die  F.  zusammengestellt  hat,  waren  78mal  die  Finger, 
12mal  der  Metacarpus,  Imal  der  Daumenballen  be&llen.  An  dem  Meta- 
carpus  sitzen  die  Sklerosen  fast  immer  auf  der  Dorsalseite ;  an  den  Fingern  am 
häufigsten  an  den  Nägeln  (19mal  am  Zeige-,  16mal  am  Mittelfinger,  14mii 
am  Daumen,  4mal  am  Ringfinger,  Imal  am  kleinen  Finger);  die  „chan- 
eres  medicaux"  betrafen  lOmal  den  Zeigefinger,  7mal  den  Daumen,  5nuü 
den  Mittelfinger,  8mal  den  Metacarpus,  2mal  den  Ringfinger,  Imal  den 
DaumenbaUen.  Die  Schanker  der  Hände  stellen  sich  entweder  in  der  clas- 
sischen  Form  dar ;  sie  sind  dann  benigne,  oberflächlich,  erosiv  oder  ulcerös. 
Sie  sind  aber  oft  weniger  regelmässig,  als  an  anderen  Körperstellen  (be- 
sonders an  den  Nägeln),  sind  nicht  immer  deutlich  indurirt  (besonders 
nicht  an  den  Nagelgliedem)  und  sie  sind  öfters  schmerzhaft  (ebenfalls 
wieder  besonders  die  an  den  Nagelgliedem).  Unter  den  abnormen  Formen 
unterscheidet  Fournier  den  hypertrophischen  (starke,  hoch  ansteigende 
Erhebung),  den  „Chancre-panaris^  („Panaritium-like  chancre"  Taylor'«), 
starke  Schwellung,  Röthung,  Infiltration,  Schmerzhaftigkeit  der  Finger, 
und  den  „Chancre  fongueux'',  nur  am  Nagelgliede,  mit  weichen,  rothen 
oder  lividen  Vegetationen. 

Der  Verlauf  richtet  sich  natürlich  nach  der  Form;  der  Nagel,  ja 
selbst  der  Knochen  der  Nagelphalanx  kann  verloren  gehen  und  dann  bleibt 
natürlich  eine  starke  Verstümmelung  bestehen.  Die  Dauer  der  Aflection 
ist  oft,  besonders  bei  den  atypischen  Formen,  eine  sehr  lange;  Comph- 
cationen,  wie  Phagedänismus,  Lymphangitis,  Lymphadenitiden  (ev.  mit 
Suppuration),  Phlebitis   (nach  Taylor  auch  pyämische  Processe)  kommen 


der  Syphilis.  465 

selten  vor.  Die  regionäre  Drüsenschwellung  kann  statthaben :  am  Ellbogen, 
in  der  Achsel  oder  an  beiden  Stellen  zugleich.  Die  Prognose  der  Schanker 
an  den  Händen  ist  nach  der  Ansicht  vieler  Syphilidologen,  u.  A.  auch 
Hardys,  eine  ungünstige.  Foumier  selbst  war  erstaunt,  als  er  bei  49  Fällen 
4mal  tertiäre  Syphilide  (der  Haut?),  Imal  gummöse  Syphilis  des  Rachens, 
Imal  Sarcocele,  Imal  temporale  Periostose  mit  symptomatischer  Gesichts- 
Hemiplegie,  6mal  cerebrale  Syphilis,  Imal  Tabes  fand ;  also  14mal  tertiäre 
Symptome  bei  49  Fällen,  ein  auffallend  ungünstiger  Procentsatz.  Foumier 
hält  also  die  Thatsache  der  schlechteren  Prognose  der  Fingerinfectionen  für 
unbestreitbar,  trotzdem  er  auch  eine  Anzahl  von  Fällen  mit  recht  günstigem 
Verlauf  kennt.  Die  ungünstigen  Fälle  betrafen  meist  Mediciner,  und  Foumier 
glaubt,  dass  die  Prognose  von  diesen  schlechter  ist,  weil  sie:  1.  durch 
die  Syphilis  sehr  deprimirt,  also  weniger  widerstandsfähig  werden ;  2.  weil 
sie  geistig  und  körperlich  überlastet  sind ;  3.  weil  sie  sich  erfahrungsgemäss 
schlecht  behandeln.  Ob  diese  Gründe  zur  Erklärung  des  au£Pallenden 
Factums  ausreichen,  will  F.  selbst  nicht  entscheiden.  Foumier  räth  schliess- 
lich zur  grössten  Vorsicht  bei  Operationen  und  Untersuchungen,  zur  Be- 
deckung der  kleinsten  Risse  der  Haut,  da  nachträgliche  Desinfection 
erfahruDgsgemäss  (ein  Fall  JuUiens  beweist  das  sehr  gut)  nichts  nutzt. 
Die  Behandlung  der  einfachen  Sclerosen  ist  die  gewöhnliche;  bei  den 
<;ompIicirten  und  schwereren  Fällen  mussten  absolute  Ruhe,  häufige  Hand- 
bäder, Jodoformsalbe  und  Verbände,  ev.  Entfernung  des  Nagels,  Cauteri- 
-sationen  (beim  fungösen  Schanker)  und,  sobald  die  Diagnose  sicher  ist, 
Allgemeinbehandlung  eintreten.  Jadassohn. 

(6)  Farlow  demonstrirte  die  Photographie  einer  Sclerose  der 
Oberlippe,  welche  für  eine  maligne  Erkrankung  gehalten  worden,  aber 
unter  Hg  prompt  geheilt  und  dann  von  secundären  Erscheinungen  gefolgt 
war.  Jadassohn. 

(7)  M  a  z  e  t  berichtet  über  einen  24jährigen  Patienten,  welcher  ausser 
einer  Sclerose  am  Penis  eine  zweite  exulcerirte  am  rechten  oberen  Augen- 
lid mit  entsprechender  Schwellung  der  Submaxillardrüsen  zeigte. 
11  Tage  später  trat  das  maculöse  Exanthem  auf.  Unter  entspre- 
<;hender  Behandlung  nach  ca.  4  Wochen  Besserung,  nach  8  Wochen  völ- 
liges Verschwinden  der  Sclerosen.  Paul  Neisser. 

(8)  Kirkpatrik  berichtet  über  einen  Fall  von  Lippenschanker. 
Ein  Hotelbediensteter  stellte  sich  vor  mit  einer  seit  zwei  Monaten  be- 
stehenden, ziemlich  oberflächlichen  länglichen  Ulceration  auf  der  linken 
Seite  der  Unterlippe,  deren  Umgebung  in  Wallnussgrösse  stark  infiltrirt 
war  und  sich  sehr  hart  anfühlte.  Unter  dem  Kinn  fand  sich  eine  kleine 
Drüse,  mucöse  Plaques  und  sonstige  Erscheinungen  fehlten. 

Der  Patient  hatte  von  Cigarrenmachem,  die  in  seinem  Hotel  wohn- 
ten, häufig  Cigarren  geschenkt  erhalten.  Zwei  derselben  litten,  wie  sich 
später  herausstellte,  an  Syphilis.  Der  Sitz  des  Schankers  entsprach  der 
Gewohnheit  des  Patienten,  die  Cigarre  im  linken  Mundwinkel  zu  halten. 
Während  der  antiluet.  Behandlung  erschien    auf    der   Stirn   ein  erbsen- 

ArchiT  f.  Dermatol.  n.  Syphll,  Bund  XXVII.  80 


466  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

grosses  pigmentirtes  Knötchen,  das,  wie  der  PrimärafTect  an  der  Lippe» 
nach  8  Monaten  völlig  verschvninden  war.  Koch. 

(9)  Der  Patient  Boudogov's  zeigt  eine  Sclerose  an  der  Unterlippe 
welche  er  durch  die  Mitbenutzung  einer  Yon  einem  syphilitischen  Collegen 
geraachten  Cigarette  acqnirirt  hatte.  Paul  Neisser. 

(10)  Eros 8  stellte  einen  5  Monate  alten  Säugling  mit  charaktenst. 
Ulcus  durum  an  der  Unterlippe  und  Schwellung  der  Submaxillardrösen  vor. 
Eltern  gesund.    Infection  vermuthlich  durch  einen  Kuss. 

(11)  Vedenski's  15jähr.  Pat.  zeigt  einen  Primaraffect  an  der  Ober- 
lippe; er  raucht  nicht  und  hat  noch  nie  einen  Coitus  ausgeübt.  Im  An- 
schlnss  hieran  theilt  Tchistiakof  2  Fälle  von  extragenitalen  Primäraf- 
fecten  mit,  von  denen  der  eine  auf  der  Unterlippe  bis  auTs  Zahnfleisch 
übergreifend  sass,  während  der  andere  sich  auf  dem  Bauch  vier  Finger 
oberhalb  des  Nabels  befand.  Paul  Neisser. 

(12)  Hechotnikof  stallt  einen  Pat.  mit  einer  Sclerose  am  Kücken 
vor,  welche  derselbe  von  einer  Frau  acquirirt,  hatte,  welche  ihm  Schröpf- 
köpfe  am  Kücken  setzte.  Paul  Neisser. 

(13)  Barjon's  erster  Fall  betraf  einen  Arbeiter,  der  mit  10  anderen 
in  einer  Werkstätte  inficirt  worden  ist :  Schanker  der  Lippe.  Im  2.  Fallo 
sass  die  Sclerose  am  unteren  Augenlid  mit  Scleradenitis  cervicalis  und 
praeauricularis.  Jadassohn. 

(14)  Hutchinson  jun.  demonstrirte  einen  Mann,  der  bei  einem  Streit 
von  einem  secundär  Syphilitischen  in  die  Wange  gebissen  worden  war. 
Ein  kleiner  Schanker  entwickelte  sich,  der  nur  leicht  erhaben  war  und 
wenig  secemirte.  Es  war  ein  grosser  submaxillärer  Bubo  vorhanden« 
Roseola  bestand  schon.  Besserung  unter  Inunctionen. 

Sternthal. 

(15)  Montgomery  berichtet  über  einen  Patienten,  der  sich  ihm 
mit  einem  fast  wallnussgrossen  Tumor  unter  dem  linken  Mundwinkel 
vorstellte.  Der  Tumor  war  rundlich,  stark  vorgewölbt,  völlig  weich,  in 
der  Mitte  etwas  eingesunken  und  mit  dünnen  Krusten  bedeckt.  M.  dachte 
an  Sarcom  und  Sycosis,  bis  die  Untersuchung  des  übrigen  Körpers  die 
eine  regionäre  Drüsenschwellung  und  ein  papulo-maculöses  Exanthem  fest- 
stellte, die  Diagnose  Primäraffect  sicherte.  Koch. 

(16)  Die  18jährige  Patientin  Lennox-Browne's  war  von  einem 
mit  einer  Halsentzündung  behafteten  Mann  in  die  Wange  gebissen  worden» 
Einen  Monat  später  zeigte  sich  an  der  betreffenden  Stelle  ein  PrimärafTect.. 

Paul  Neisser. 

(17)  Dem  Patienten  Pauly's  war  ein  Brett  auf  die  Stirn  gefallen 
und  an  der  dadurch  verursachten  Wunde  war  kurze  Zeit  darauf  ein 
Primäraffect  entstanden.  Patient  zeigt  jetzt  (1 '/,  Monate  später)  ansser 
secundären  Erscheinungen  noch  eine  zweite  Sklerose  (?)  an  der  recliten 
Wange,  welche  übrigens  in  der  Discussion  von  Cordicr  für  eine 
Secundärerscheinung  gehalten  wird,  die  eine  Sklerose  vortäusche. 

Paul  Neisser* 


der  Syphilie. 

(18)  Yaughan  stellt  eineu  36jährigeu  Mann  vor,  der  vo 
Syphilitischen  an  einer  haarlosen  Stelle  des  Yorderhanptes  ] 
Fingernägeln  gekratzt  worden  war.  In  der  Kratzwunde  etablirte 
typischer  Schanker ;  AUgemeinersoheinungen  folgten.  Mit  Ausnah 
Allen  nnd  Taylor,  die  ähnliche  Fälle  beobachtet  haben,  eikex\ 
Redner  die  Seltenheit  der  Looalisation  an  und  behaupten^,  niemali 
einen  Primäraffect  an  der  Kopfhaut  gesehen  zu  haben. 

Ledern 

(19)  Der  Patient  BoudougoTs,  ein  24jähriger  Soldat,  zeij 
Primäraffect  auf  der  rechten  Tonsille  und  dem  hinteren  Gaurn 
mit  Drüseirschwellungen.  Im  Anschluss  theilt  Yedenski  11  I' 
eztragenitalen  Primäraffecten  aus  dem  Ealinkinski-Hospital  mit;  d 
betrafen  4mal  die  Oberlippe,  2mal  die  Unterlippe,  2mal  c 
Tonsille,  2mal  die  Brustwarzen  und  Imal  den  vorderen  Ganmenl 

Paul  Nei 

(20)  Der  kleine,  2  Jahre  10  Monate  alte 'Patient  £ondr: 
zeigte  am  inneren  Blatte  des  Präputiums  eine  ^derose,  femer  Ski« : 
inguiualis  und  ein  papulöses  Exanthem.  Infectionsquelle  ist  di  i 
welche  syphilitisch  ist  und  bei  der  Untersuchung  Papeln  an  den  C  i 
aufweist.  Was  die  Art  der  Infection  anbelangt,  so  lässt  Verf.  es  zv  i 
ob  dieselbe  zufallig  erfolgt  sei,  oder  durch  einen  Coitus  oder  < 
bei  manchen  Ammen  Russlands  beliebte  Art,  durch  Saugen  i  i 
das  Kind  zum  Einschlafen  zu  bringen,  verursacht  sei. 

Paul  N(  i 

(21)  Rosenthal  berichtet  über  einen  Fall  von  Impüsyph  I 
12jährige  Mädchen  war  am  16.  Juni  geimpft  worden;  14  Tage,  i 
die  4  Pusteln  eingetrocknet  waren,  zeigten  sich  an  derselben  i  ; 
Neuem  eitergefollte  Bläschen,  denen  bald  ein  schmerzhafter  . 
folgte.  Das  Mädchen  war  Ende  October  sehr  mager,  anämisch,  i 
Gesicht  eine  grosse  Anzahl  Pusteln,  die  zur  Zeit  eingetrocknet  \  i 
Körper  Papeln,  Plaques  der  Tonsille  und  Pharynxwand,  Impetigo  ; 
vergrösserte  Drüsen.  Im  Januar  1892  bot  das  Kind  das  Bild  einer  ; 
Rupia.  Unter  der  Behandlung  mit  Syrupus  ferri  jodati,  Inunct 
Ungt.  Hydrarg.-Yerbänden  heilten  die  Erscheinungen  ab.  Für  <  i 
hereditär,  tarda  ergab  die  Anamnese  keinen  Anhalt.  Yerfasser  hiel 
dessen  den  Fall  für  Impfsyphilis.  Gal    ' 

(22)  Oberndorfer  berichtet  über  einen  Fall  von  Prima  i 
der  Unterlippe,  in  dessen  weiterem  Yerlauf  es  zur  Entwickj  i 
I)olymorphen,  theils  akne'iformen  und  ekth3rmaartigen,  theils  i 
Exantheme  kam.  (Wo  die  Aehnlichkeit  mit  der  Tuberc.  verr.  cu  i 
soll,  geht  aus  dem  Berichte  nicht  hervor.)  I 

(2B)  Etienne  veröffentlicht  einen  Fall,  in  dem  sich  bei  ^ 
bestehendem  Primäraffect  an  der  Portio,  nässenden  Papeln  an  (    i 
Plaques  muqueuses  am  Yelum  palat.,  Papeln  im  Nacken  an  der  1 
und  sehr  starker  Alopecie   auch   eine    ausgebildete  circinäre  R«    ! 
fand.  Bemerkenswerth   ist  an  dem  Falle,  dass  diese  Form  der 


468  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

sehr  frühem  Stadium  bestand,  dass  sie  auf  Hg-Gebrauch  sehr  schnell  sich 
zurückbildete,  dass  aber  bereits  6  Monate  später  eine  Iritis  specif.  und 
eine  Gaumenperforation  auftrat.  Der  Verfasser  bespricht  kurz  die  DifFe- 
rentialdiagnose  zur  Pityriasis  rosea  und  dann  die  Frage,  zu  welcher  Periode 
der  Syphilis  die  circinäre  Roseola  zu  rechnen  sei.  War  man  bisher  geneigt, 
dieselbe  als  tertiäre  oder  als  üebergangsform  zwischen  secundärem  und 
tertiärem  Stadium  aufzufassen,  so  widerspricht  dieser  Fall  einer  solchen 
Auffassung.  Andererseits  nimmt  der  Fall  durch  die  Malignität  seines  Ver- 
laufes überhaupt  eine  Sonderstellung  ein ;  doch  scheint  die  Thatsache,  dass 
die  circinäre  Roseola  hier  ohne  vorherigen  Hg-G«brauch  auftrat,  Four- 
niers  u.  A.  Ansicht,  dass  dieselbe  eine  durch  Hg.  abgeschwächte  Form 
der  S3rphilitischen  Hauteruptionen  des  späteren  Stadiums  sei,  vollkommen 
zu  widerlegen.  Der  Verfasser  meint,  dass  die  circinäre  Roseola  ähnlich 
wie  die  Psoriasis  palm.   und  plant,  in  jedem  Stadium  vorkommen  könne. 

Lasch. 

(24)  V.  Zeissl  gibt  die  folgenden  vier  Krankengeschichten  wegen 
der  Seltenheit  der  betreffenden  Fälle: 

L  Ein  56jähriger  Mann  inficirt  sich  1856  mit  Lues,  die  nach 
interner  Calomelbehandlung  schw^and.  Im  Jahre  1884  entdeckte  v.  Z. 
gelegentlich  einer  Ekzembehandlung,  ein  grossmaculöses ,  in  Gruppen 
angeordnetes  Syphilid,  reichlicher  an  der  oberen  als  an  der  unteren 
Körperhälfte.  Im  Jahre  1886  Schleimhautpapeln  des  Mundes,  im  Jahre 
1890  einzelne  scheibenförmig  angeordnete  dunkelrothe  schuppende  Papeln 
an  der  Haut.  Ausser  zu  diesen  genannten  Zeitpunkten  bot  Pat.  niemals 
Erscheinungen  von  Syphilis  dar.  Da  der  Kranke  stets  unter  seiner,  be- 
ziehungsweise früher  unter  seines  Vaters  v.  Z  e  i  s  s  1  senior,  Controle  stand, 
hält  V.  Z.  eine  Reinfection  für  unwahrscheinlich,  ja  ausgeschlossen. 
Er  glaubt,  aus  diesem  Falle  sowie  aus  der  Literatur  den  Schluss 
ziehen  zu  können,  dass  nicht  die  Form  des  Syphilides,  sondern  die  Zeit, 
welche  von  der  Infection  bis  zum  Ausbruch  des  Syphilides  verläuft, 
der  entscheidende  Factor  für  die  Inoculabilität  der  S.-Producte  ist.  Ein 
sehr  spät  erscheinendes  Roseolarrecidiv  und  andere  secundäre  Erschei- 
nungen dürften  weniger  wahrscheinlich  überimpfbar  sein,  als  ein  firnli 
erscheinendes  Gumma. 

n.  Die  3  folgenden  Krankengeschichten  betreffen  Fälle  von  Mast- 
darmayphilis. 

1.  89jährige  Frau  U-para  mit  fibroider  Induration  des  rechten 
kleinen  Labiums  (Sklerosenrest,  der  sich  gummös  umgewandelt).  Mehrere 
(jeschwüre  an  dem  äusseren  Genitale,  an  der  hinteren  Mastdanxiwand  ein 
schmutzig  belegtes,  buchtenreiches  Geschwür.  Nach  mehrfachen  Schwan- 
kungen kam  es  zu  Perforationsperitonitis  und  Exitus;  der  Sectionsbefund 
ergab  diffuse  eitrige  Peritonitis  von  syphilitischer  Ulceration  im  Rectum 
und  der  Flexura  sigmoidea  ausgehend.  Syphilitische  Geschwüre  der  Vagina 
und  Urethra.  Sklerosis  des  rechten  kleinen  Labiums.  Amyloide  Degeneration 
der  Leber,  Milz  und  Nieren  (mikroskopisch  nachweisbar).  Croupöse  Pneu- 
monie im  r.  Oberlappen. 


der  Syphilis.  469 

Die  Anamnese  za  dem  Falle  ist  unverwendbar. 

2.  Bei  einer  2^  ährigen  Frauensperson  findet  sich  ein  dem  vorigen 
Krankheitsfalle  ganz  ähnlicher  Rectalbefimd  nebst  zahlreichen  kleinen 
Hautgammen.  Infection  vor  2  Jahren,  unter  Jodkalitherapie  gehen  die 
Erscheinungen  complet  zurück. 

3.  Bei  einer  40jährigen,  0  para,  zeigten  sich  Erscheinungen 
einer  Scheidenmastdarmfistel,  unterhalb  der  Fistelöffnung  im  Rectum  eine 
Strictur  der  Schleimhaut  sowie  8  kreuzergrosse  Gruppen  kleiner  Haut- 
gummen.  Unter  Localbehandlung  und  Jodkaligebrauch  gehen  alle  Er- 
scheinungen zurück.  K.  Ulimann. 

(25)  L  e  w  i  n  demonstrirt  3  Fälle  von  pustulösen  Syphiliden  im  Ver- 
laufe von  galopirender  Syphilis  bei  nicht  ausgebildeter  syphilitischer 
Sclerose.  Lewin  bemerkt,  dass  er  1 — 2  pustulöse  Exantheme  auf  2000 
bis  3000  andere  sah.  Der  4.  Kranke  zeigt  die  Umwandlung  einer  Roseola 
in  Liehen  ssrphiliticus.  Galewsky. 

(26)  Die  Ueberschrift  erschöpft  den  Inhalt  des  Artikels  von  Shoe- 
maker  zur  Genüge. 

(27)  Taylor  weicht  in  seiner  Darstellung  der  Pigmentsyphilis  so 
wesentlich  von  den  bisher  üblichen  Schilderungen,  vor  allem  von  unseren 
Anschauungen  über  das  Leucoderm  ab,  dass  seine  Ausfahrungen  eingehender 
wiedergegeben  werden  müssen.  Er  meint,  dass  die  Arbeiten  über 
das  Leucoderm  die  Frage  unklarer  gemacht,  als  sie  bis  dahin  gewesen.  Der 
Hauptsatz,  den  er  voranstellt  und  zu  dem  ihn  seine  fortgesetzten  Be- 
obachtungen über  Pigmentsyphilis  geführt  haben,  ist:  „Die  primären 
Pigmentanomalien,  welche  auf  der  Syphilis  beruhen,  bestehen  wesentlich 
in  einer  Hyperpigmentatiou,  welche  ganz  oder  theilweise  durch  einen 
correspondirenden  Pigmentverlust  oder  einen  „leucodermatischen  Zustand'^ 
(leucodermatous  condition)  ersetzt  werden  kann.  Die  primäre  Hyper- 
pigmentatiou ist  das  eigentliche  Pigmentsyphilid ;  alle  anderen  Verfärbungen 
sind  secundäre  Processe  und  in  keiner  Weise  berechtigt,  als  Pigment- 
Syphilide  classificirt  zu  werden^.  Taylor  unterscheidet  3  ganz  verschiedene 
Formen  der  eigentlichen  Pigmentsyphilis:  1.  In  der  Form  von  Flecken 
verschiedener  Grösse.  2.  Als  diffuse,  stärkere  oder  schwächere  Pigmentirung, 
welche  später  oder  früher  der  Sitz  leucodermatischer  Veränderungen  in 
Form  von  kleinen,  allmälig  verschwindenden  Flecken  wird;  „retiform 
pigmentary  Syphilide,"  „Syphilide  pigmentaire  ä  dentelles"  (Fournier).  3.  Als 
abnorme  Vertheilung  des  Pigments  auf  der  Haut;  das  Pigment  geht  an 
einzelnen  Stellen  verloren,  häuft  sich  an  anderen  an,  daher  ein  scheckiges 
Aussehen,  „marmoraceous  form'',  es  besteht  kein  Ueberschuss  von  Pigment; 
diese  Form  ist  selten  und  oft  sehr  unscheinbar,  so  dass  sie  der  Beobach- 
tung entgehen  kann.  Zu  diesen  einzelnen  Formen  macht  der  Verfasser 
noch  einige  detaillirtere  Bemerkungen,  deren  Hauptinhalt  der  folgende  ist  : 
Ad  1.  Die  einzelnen  Flecke  sind  scharf  begrenzt,  oder  die  Ränder  sind 
zackig;  Farbe  hell-  bis  tiefdunkelbraun.  In  einem  Falle,  nach  dessen 
Abbildung  wir  „Leucoderm**  diagnosticiren  würden,  sollen  die  Flecke  am 
Nacken,   denen   keine   syphilitischen  Efdorescenzeu  vorangegangen  seien. 


470  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

von  SteeknadelgT'rtae  an  bis  m  liemlicli  grosser  Anadehnung  gewachsen 
«ein  (in  der  Figur  lind  un regelmässige  weisse  Flecke  anf  braimem 
Grande  zu  sehen);  auch  bei  dieser  Form  ist  onregelniBasige  Tertheilnng' 
dea  Pigments  häufig.  Die  Flecke  können  monatalang  unverändert  bleiben, 
allmälig  verschwinden  sie  vom  Bande  her  oder  in  der  gancen  Aasdehnnnf 
zugleich.  Hanchmat  bleiben  entfärbte  Flecke  als  „ein  secnndäres  oder 
Pseudolencodenn"  zurück.  In  diesem  Stadium  ist  die  Dii^^nose  als  wirk- 
liches Leucoderm  reratändlich.  Im  Gegensatz  dazn  steht  die  secnndäre 
Pignientation  nach  papuldsen  Exanthemen,  von  der  ebenfalls  2  Abbildungen 
reproducirt  werden.  Ad  2.  Bei  der  retiformen  Abart  der  Pigmentsyphüide 
werden  nach  Taylor  besonders  die  Seitentheile  des  Halse«  in  kürzerer  oder 
längerer  Zeit  braunverfärbt;  intelligente  Patienten  sollen  hSnfig  angegeben 
haben,  dass  die  Braun tarbnng  das  primäre  gewesen  sei ;  weisse  Flecke 
aeien  zuerst  nicht  vorhanden ;  die  Verfärbung  erstreckt  sich  manchmal 
auf  den  Rumpf,  bei  anderen  auf  die  Vorderseite  desselben  und  unter  die 
Arme  (kein  Fall  im  Gesiebt  beobachtet!).  Nachdem  die  Pigmentirun^ 
mehr  oder  weniger  um  sich  gegriffen,  treten  weisse  Flecke  auf,  von  meist 
un regelmässiger  Form,  die  sieb  oft  so  schnell  vergrössem  und  vermehren. 
dass  der  Patient  selbst  nur  beobachtet,  da««  sein  Rah  weiss  wird.  Auch 
diese  Fälle  sind  nach  Taylor  fälschlich  als  Leacoderm  l>ezeichnet  worden. 
Die  weissen  Flecke  sind  manchnml  wirklich,  manchmal  nur  scheinbsr 
weisser  als  die  normale  Haut.  Kiemals  hat  Taylor  die  feine  Hrperpigmen- 
tirung  am  Rande,  wie  bei  Vitiligo  gesehen,  nnd  daranf  legt  er  ftr  die 
ganze  Auffassung  des  Processes  besonders  Gewicht.  Am  Ende  der  Ent- 
wickelung  ist  nur  ein  Netzwerk  brauner  Linien  mit  dazwischen  liegenden 
unregclmässigi'n  weissen  Flecken  zu  sehen,  bis  dann  die  Haut  zur  Korm 
zurückkehrt.    Manchmal  hat  Taylor  wahrend  der  „Activität"  der  Processf 

leichte    Unil    >'nwll^'™>i»>.'l<'    H.-™.rfmi(.    TMehA»      mol,-!,«   Ast-  Ronhaphtnnir 

bisher  ieic 
eine  leicht' 
Figuren,  t 
um  ein  I 
um  ein  f 
Entfärbun 
Verfarbunj 

Entwickln 

3  Wochen 
eines  Mon 
dem  Abdo 
Taylor  mi 
die  Pigme 
cenzen    ai 

und  Depif 
sich  wirkti 


der  Syphilis. 

dritte  und  seltenste,  —  die  „marmorirte"  —  Form  entwickelt  sich  lang 
natürliche  Farbe  der  Haut  wird  fleckweise  weiss,  die  Ränder  bra 
Pigmentverschiebung;  Taylor  hat  diese  Form  immer  nur  an  den 
th  eilen  des  Halses  und  nur  bei  Personen  mit  zarter  Haut  gest 
verschwindet  allmälig.  Zum  Schluss  wendet  sich  Taylor  zu  di 
logischen  Untersuchungen,  denen  er  im  Allgemeinen  einen  gering« 
beimisst,  weil  sie  nur  einzelne  Stadien  betreffen.  Nur  Maieffs 
weiskys  Arbeiten  hebt  er  hervor,  welche  in  ihren  Folgeruri 
Taylors  Darstellung  übereinstimmen.  Dass  die  Lehre  vom  L<! 
und  der  Pigmentsyphilis  weder  klinisch  noch  histologisch  abgei 
ist,  ist  zweifellos;  ob  Taylors  Anschauungen  sich  Bahn  brechen 
müssen  neue   detaillirte  Untersuchungen  ergeben.  Jadai 

(28)  Giovanni    stellte    seine  Untersuchungen  an  Hautstn 
die  vom  Lebenden  ausgeschnitten  waren.  Die  Stücke  waren  16  v 
und  8  männlichen  Individuen  entnommen;  19  davon  hatten  ein    ! 
17 — 30  Jahren,   4  von  80—40  und  einer  war   60  Jahre  alt.    Be 
diesen  Personen  war  das  Initialsymptom  vor  einer  zwischen  2'/, 
und   einem  Jahre   schwankenden  Zeit  aufgetreten,    bei  den  anc  i 
lap:  die  Infection   etwas  mehr  als   ein  Jahr  zurück.    23  Individu  i 
den  Haarausfall  zwischen  wenigen  Tagen  bis  sechs  Monaten  bei  i 
einem  Falle  bestand  er  seit  1  Jahre.  Dem  Grade  nach  variirte  di« 
natürlich  ebenfalls.  Als  Resultat  der  Untersuchungen  dieses  Mat<  i 
Giovanni  Folgendes:   1.  Bei    der  secundär-syphilitischen  Alup  i 
der  Haut,   ohne  klinische  Veränderung  derselben,  ein  Entzündui  i 
vorhanden,   der  vozuprsweise   die  Follikel   an  deren  unterem  Th( 
)FolIiculitis    pilaris    j)rofunda).     Infolge    dieses    Processes    finder 
Haaren  regressive  Veränderungen  statt,  welche  deren  Ausfall  her  i 
2.     Vom    histologischen    Gesichtspunkte    aus   bietet    die   Haari 
Zündung   der   syphilitischen  Alopecie,    ihrem   Sitze  und  ihrer  A  i 
nach  gi'osse  Aehnlichkeit  mit  jener   der  Alopecia  areata   dar. 
Veränderunoren,   die  in  einem  und  dem   anderen  Falle  infolge    I 
foUikelentzündung   in   den  Haaren  stattfinden,    sind   zum  grosi 
die  gleichen.  Ste    i 

(29)  H  e  w  i  t  h.  Ein  35j ähriger  Maurer,  in  dessen  Anamnese  ke   i 
punkt  für  eine  syphilitische  Infection  zu  finden  war,  bekam  im  Ai    i 
ein    Trauma    oberhalb    der   Tuberositas    ossis    ischii    eine    la    ! 
Taubeneigrösse  wachsende  Anschwellung,  die  schliesslich  aufbn    '. 
eitern  begann.   Aehnliche  Geschwüre  fanden  sich  allmälig  in  d 
gegend   beider   Seiten   ein,    ebenso  unterhalb   der   linken  Cla\ 
hinter  dem   linken   Schultergelenk).    Chirurgische  Behandlung 
Erfolsf.     Später  stellte  sich  Haarausfall  an  einer  umschriebener 
rechten  Kopfhälfte  ein.  —  Die  Untersuchung  des  Kranken  ergi 
bildung,  entsprechend  den  oben  beschriebenen  Geschwüren.   Di 
wurde  für  luetisch  erklärt,  obgleich  anamnestisch  eine  Infectior 
feststellen  Hess.  —  Verfasser  weist  darauf  hin,  wie  häufig  der  1 
übersehen  wird  theils  wegen   schlechter  Beobachtung,    theils  ii    I 


472  Bericht  über  die  Leiatnngen  auf  dem  Gebiete 

oft  uabedentenden  localen  Eracheinnngen  nnd  geringen  subjectiveii  Be- 
schwerden, welche  die  Iiutjakklenne  verurMtcht.  Eb  folgt  eine  kurze  Be> 
acbreibnng  der  bekanat«ii  üntencheidungsmerkmale  des  buten  Schankers 
gegeoüber  dem  Ulcus  molle  und  dem  Herpes  progenitalis.  Der  oben  er- 
wäbnte  circuu Scripte  Uaaraaafall  wird  als  eine  Erscheinung  der  eecandären 
Periode  der  Sypbilis  aufgefasst;  als  Grand  wird  die  ungenügende  Er- 
nährung der  Haarwurzeln  angegeben.  Im  Anecbluss  an  den  beschriebenen 
Fall  behauptet  Shoemaker,  dus  Traumen  bei  einem  luetiachea  In- 
dividuum Gelegenheitauraacbe  für  den  Ausbruch  specifischer  Processa 
werden  können.  Chirurgische  Eingriffe  bei  der  Behandlung  eines  Gumma 
■ollen  nur  dann  gemacht  werden,  wenn  deutliche  Fluctnation  und 
RöUinng  der  Haut  vorhanden  ist.  —  Im  vorliegenden  Falle  wurde  die 
Diagnose  per  exclusiouem  gestellt,  da  die  Äffectionen,  welche  differential- 
diagnostisch  in  Betracht  kommen  konnten,  nämlich  Lepra,  Tuberealnse, 
Epitheliom  und  Sarkom  ausgeschlossen  werden  musiten.  Das  Auasehen 
und  die  Verlaufsweise  dar  Geschwüre  machten  es  umweifelhait,  dasa 
et  sich  um  das  dritt«  Stadium  der  Lues,  um  zerfallene  gummöse  Neu- 
bildungen handelte.  Unter  Jodkalibehandlung  trat  bald  erhebliehe  Besserung' 
ein.  Sc  baffer 

(30)  Kämmerer  demonstrirte  eine  19jährige  Patientin,  welche 
—  ohne  persönliche  und  Familienanaroneie  —  an  einer  allraälig  immer 
grösser  werdenden  Ulceration  am  Kopf  erkrankte,  die  auf  Jk  nicht  heilte, 
auf  chirurgische  Behandlung  sich  besserte,  aber  doch  wieder  recidivirte. 
Die  Diagnose  konnte  nicht  klar  gestellt  werden.  In  der  Discnssion  er- 
klftren  sich  die  meisten  für  die  syphilitische  Natur  des  Geschwürs.  Lange 
und  Briddon  betonen,  das«  der  Miaserfolg  des  Jk  allein  nichts  beweise, 
sondern  dass  öfter  eine  gemieohte  Behandlung  nothwendig  sei. 

(31)  D 
nagend  wiedi 

(32)  M' 
die  von  Fon 
anf  der  Gre 
rascher  Nekr 
Dem  ulceröae 
beide  Epoche 
noch  Über  han 
tiusehen  köni 
schnell. 


Buehanzeigen  und  Besprechungen. 


Finger  Ernst.  Die  Blennorrlioe  der  Sexaalorgane  und  ihre  ( 
cationen.  Nach  dem  neuesten  wissenschaftlichen  StandpunI: 
zahlreichen  eigenen  Studien  und  Untersuchungen  dargestellt 
wesentlich  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  Leipzig  un : 
Franz  Deuticke  1893. 

Besprochen  von  Dr.  Th.  Spietschka  in  Prag. 

Die  erste  Auflage   dieses  Buches,  welche  im  Jahre  li 
schien,  wurde   in  der  Vierteljahresschrift  für  Denn.  u.  Sy] 
1888  p.  486  von  Prof.  F.  J.  Pick   ausführlich  besprochen 
seither  bereits   die  III.  Auflage  des  Buches   erscheinen  mui  i 
gewiss  der  beste  Beweis  für  die  Güte  desselben.    Die  gegi : 
vorliegende   Ausgabe   zeichnet   sich   aber  vor  den    frühen  i 
dadurch  aus,   dass  sie  in   einigen  Theilen   wichtige  Erweit 
erfahren  hat.  Bereits  in  der  zweiten  Auflage  war  der  Bleu  i 
beim  Weibe  eine  ausführlichere  Behandlung  zu  theil  gewor 
in  der  ersten  Auflage.  Jetzt  hat  der  Verfasser  noch  die  Erfa  i 
hinzugefügt,   welche   die   neuesten  Culturversuche  mit  dcE 
coccus   ergeben  haben.     Die  wichtigste  Erweiterung   bildet 
die   pathologische  Anatomie   der   chronischen  Urethritis,  w 
zwei  Abthoilungen   abgehandelt   wird,  nämlich    I.  die  path 
anatomischen  Verfinderungen  der  Pars   anterior  und  11.  di* 
logisch-  anatomischen  Veränderungen  der  Pars  posterior.  F 
unterscheidet  Verfasser  wieder  eine  oberflächliche  Form,  l 
chron.  superficialis  und  eine  tiefe  Urethritis  chron.  profund 
letztere    einerseits    zur  chronischen   Periurethritis    und   Ci 
andererseits  zur  Prostatitis  führt.  Die  histologischen  Untersu 
die   Verfasser   selbst  systematisch   durchgeführt   hat,   erm<  ; 
ihm  eine  genaue  Darstellung  der  Veränderungen,    welche     i 
der  chronischen  Urethritis  an  den  Epithelien  und  den  tief 


474  Buchanzeigen  und  Besprechungen. 

weben  platzgreifen,  und  tragen  wesentlich  zor  Yervollstfindigang 
des  so  werthvoUen  Werkes  bei:  Dieser  Vermehrong  des  Inhaltes 
entsprechen  auch  zwei  hinzugekommene  Tafeln  (VI  und  Vn),  die 
eine  vorzügliche  Ausführung  zeigen.  Den  Lesern  des  Archiv's  sind 
ttbrigens  die  hervorgehobenen  Arbeiten  sowie  die  Tafelabbildnngen 
bekannt,  da  sie  vorher  in  diesem  Archiv  publicirt  wurden. 

Dr.  C.  Kopp.  Aüas  der-HantkranklLeiten  und  Aüas  der  GescUeehts- 
krankheiten.  Verlag  von  J.  F.  Lehmann.  München. 
Besprochen  von  Dr.  Theodor  Spietschka  in  Prag. 
Eine  grosse  Zahl  von  Aerzten  ist  nicht  in  der  Lage,  nach 
Vollendung  der  Studien  sich  noch  jene  praktische  Ausbildung  zn 
verschaffen,  welche  für  eine  fruchtbare  Krztliche  Thätigkeit  unum- 
gÄnglich  nothwendig  ist.  Namentlich  in  solchen  Fächern,  die  wie 
die  Dermatologie  und  Syphilis  nicht  ordentliche  Prttfungsgegenstände 
sind,  werden  sich  da  gewaltige  Lücken  bemerkbar  machen.  Wenn 
nun  auch  das  beste  Buch  und  die  beste  Abbildung  eine  praktische 
Ausbildung  nie  ersetzen  können,  so  werden  sie  doch  einigermassen 
Abhilfe  schaffen.  Ein  Buch  allein  aber,  und  möge  es  auch  die 
besten  Beschreibungen  enthalten,  wird  nie  dort  ausreichen,  wo  es, 
wie  in  der  Dermatologie  und  bei  den  syphiltischcn  Exanthemen 
so  ausserordentlich  auf  die  Ausbildung  des  Auges,  auf  die  Uebung 
des  Blickes  ankommt.  Hier  muss  eine  gute  Abbildung  nachhelfen. 
Leider  aber  scheiterte  die  Anschafftog  von  Atlanten  bis  jetzt  bei 
den  meisten  Aerzteu  an  der  Höhe  des  Preises.  Diesem  Uebelstande 
hat  nun  die  Verlagsbuchhandlung  abzuhelfen  gesucht,  indem  sie 
eine  Reihe  von  Atlanten  schuf,  die  nach  einzelnen  Specialf^hem 
eingetheilt  um  den  Prein  von  6 — 10  Mark  eine  reiche  Sammlung 
von  Abbildungen  bringt. 

Die  vorliegenden  Bände  V  und  VI  behandeln  recht  umfas- 
send die  Gebiete  der  Dermatologie  und  Syphilis.  Die  Tafeln  sind 
theils  Originalien,  theils  nach  Abbildungen  aus  bekannten  Werken 
nachgebildet.  Das  Streben  des  Verfassers,  das  ganze  Gebiet  gründ- 
lich zu  behandeln  und  zweckentsprechende  Abbildungen  zu  bringen, 
sowie  das  des  Verlegers,  um  den  geringen  Preis  das  möglichst 
Beste  zu  liefern,  sind  gewiss  im  höchsten  Grade  anzuerkennen.  Wenn 
man  die  Werkchen  als  das  betrachtet,  was  sie  sein  sollen^ 
nämlich  als  Beilage  zu  einem  guten  Buche,  welche  die  Voi  stellungs- 


Buchanzeigen  nnd  Besprechungen.  475 

kraft  unterstützen  hilft,  dann  werden  sie  gewiss  ihren  Zweck  er- 
füllen; der  Studierende  oder  Arzt  wird  mit  ihrer  Hilfe  leichter 
üher  manche  Schwierigkeiten  hinwegkommen,  die  ihm  ein  Krank- 
heitshild  bei  der  Deutung  bereitet,  oder  die  sich  ihm  bei  der  Vor- 
stellung nach  einer  Beschreibung  entgegenstellen.  Aus  diesen  Gründen 
könpen  wir  die  Büchlein  sowohl  dem  Studierenden  als  auch  dem 
Arzte  bestens  empfehlen. 


Varia. 


Die  Lepra  in  Schweden.  Zu  diesem  Gegenstande  erhalten  wir 
folgendes  Schreiben: 

Hochgeehrter  Herr  Professor!  Ich  habe  hiemit  die  Ehre,  Ihnen 
einen  Separatabdruck  aus  den  Verhandlungen  des  6.  Congresses  schwe- 
discher Aerzte,  gehalten  31.  August  bis  2.  September  1893  in  Gefle,  zu 
senden.  Er  behandelt  die  Ausbreitung  der  Lepra  in  Schweden.  Da  seit 
1864  nichts  über  die  Lepra  bei  uns  erschienen  ist  und  auch  die  früheren 
Abhandlungen  über  diesen  Gegenstand  gar  nicht  im  Auslande  gekannt  zu 
sein  scheinen,  glaubten  wir,  dass  unsere  kleine  Darstellung  davon  vielleicht 
von  Interesse  sein  könnte.  Wie  Sie  aus  den  Verhandlungen  der  Wiener 
dermatologischen  Gesollschaft  wissen,  hat  Dr.  Lorand  (Dieses  Ardhiv 
Band  XXVI,  p.  148)  während  des  vorigen  Sommers  Schweden  und  Nor- 
wegen wegen  Leprastudien  bereist.  Er  hat  dabei  entschieden  gute  Beob- 
achtungen über  die  Krankheit  gemacht,  aber  wahrscheinlich  aus  Schwierig- 
keiten die  Sprache  zu  verstehen  hat  er  leider  auch  in  einigen  Hinsichten 
sich  geirrt. 

So  gibt  er  die  Zahl  der  Leprösen  entschieden  viel  zu  hoch  an. 
Wahrscheinlich  hat  er  die  Totalsumme  der  bei  uns  während  29  Jahren 
beobachteten  Fälle  mit  der  Zahl  der  gegenwärtig  vorhandenen  Leprafalle 
verwechselt  und  kommt  so  zu  der  enormen  Summe  von  462  Fällen,  während 
die  Zahl  der  jetzt  gekannten  Leprösen  in  Wahrheit  wahrscheinlich  80 
nicht  übersteigt.  Auch  die  Vertheilung  der  Fälle  ist,  wie  Sie  leicht  aus 
den  Tabellen  ersehen  können,  sehr  ungenau  beschrieben  (305  Fälle  auf 
„übrige"  Theile  des  Landes). 

In  Wirklichkeit  hat  man  bestimmte  Zahlen  nur  für  Helsingland. 
Für  die  übrigen  Provinzen  entbehrt  man  ihrer  fast  ganz.  Die  Nachfor- 
schung, die  ich  im  vorigen  Sommer  angestellt  habe,  um  doch  etwas  darüber 
kennen  zu  lernen,  sind  natürlich  gar  nicht  das  letzte  Wort.  Es  war  mir 
übrigens  in  der  That  ganz  unmöglich  zu  erfahren,  wie  viele  der  in  den 
Bapporten  gefundenen  Fälle  jetzt  am  Leben  sind.  Doch  glaube  ich  be- 
haupten zu  können,  dass  wenigstens  25  ausserhalb  Helsingland  leben. 


476 


Varia. 


Die  meisten  dieser  befinden  sich  sicher  in  Dalecarlien  (Dalame),  wie  es 
Lorand  ganz  richtig  nach  dem  Referat  der  Congressyerhandlongen  angibt. 
Wenn  Sie  die  Güte  haben  werden,  die  kleinen  Abhandlungen  im 
Archiv  referiren  zu  lassen,  bitte  ich  Sie  auch  diese  Missverständnisse  unseres 
geehrten  CoUegen  zu  berichtigen. 


Ich  bin  etc. 


Edvard  Sederboln, 

Docent  der  Demuttologie  nnd  Syphllidologie 
in  Stockholm. 


Stockholm,  den  22.  Febr.  1894. 


U